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Behind the obvious

von

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Kapitel 3 - 1863

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Tausend Feinde außerhalb des Hauses

sind besser als einer drinnen.
 

Arabisches Sprichwort

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London, 27. März 1863
 

Meine liebe Anne,

ich sitze hier in meinem Zimmer, gewärmt von einem lodernden Feuer, während draußen ein schrecklicher Sturm tobt. Der Regen schlägt an die Scheiben, dass ich fürchten muss, sie werden bersten. Die armen, verlorenen Seelen, die bei solchem Wetter unter den Brücken der Themse schlafen müssen! Früher dachte ich an solchen Tagen nie an derartige Dinge, ich fürchtete höchstens um die Pferde im Stall meines Vaters. Doch so viel hat sich geändert, dass ich nicht umhinkomme dir zu gestehen, dass ich ein völlig neuer Mensch bin.

Dein Brief hat mir dies verdeutlicht. Dank der Eisenbahn, die die Strecke zwischen uns in nur wenigen Stunden überwindet, kam dein Brief schon vor über zwei Wochen bei mir an, doch bis heute fand ich nicht die Zeit und den Mut dir zu antworten. Ich versichere dir, nichts Grausames ist mir widerfahren! Es schmerzt mich, dir solche Sorgen bereitet zu haben. Vergib mir, es war nie meine Absicht! Deine Worte zu lesen war wie eine Reise in die Vergangenheit. Auf einmal war ich wieder 15 Jahre alt und wir schlichen uns in Mister Phillips Garten um Blumen zu pflücken. Dein Tonfall hat sich mit den Jahren nicht verändert, liebste Freundin! Doch du brennst nun sicherlich darauf den Fortgang der Geschichte zu erfahren, die ich dir das letzte Mal zu erzählen begann.

Ich war so weit gerannt, dass ich vom London Tower bis in die Fleet Street gerannt war. Kein wirklich schlechtes Viertel, aber bei Nacht auch kein sehr angenehmes. Meine Beine schmerzten und ich fühlte mich, als wäre ich die gesamte Nacht durch dunkle Straßen gelaufen. Zudem war mir fürchterlich kalt, da ich bei meiner überstürzten und, ehrlich gesagt, unangebrachten Flucht lediglich ein leichtes Satinkleid trug. Was für einen Anblick musste ich bieten, völlig alleine, nachts auf einer dunklen Straße, vor den Geschäften der Zeitungsherausgeber und Buchdrucker! Mein Haar hatte sich während meinem Gerenne aus dem zuvor strengen Knoten gelöst und viel mir wirr ins Gesicht und über die Schultern. Feuerrot auf Porzellanweiß. In jenem bedauernswerten und beschämenden Zustand rannte ich also in ihn hinein. Wörtlich. Er stand völlig unerwartet vor mir, ein großer, gut gebauter Mann in einem schwarzen Anzug. So plötzlich stand er vor mir, dass es mir unmöglich war meine Schritte zu stoppen oder auszuweichen und so kam es, dass ich ihm direkt in die Arme fiel. Zunächst hatte ich die Augen erschrocken geschlossen und wartete auf den schmerzhaften Zusammenprall mit den feuchten Pflastersteinen unter mir, doch der Fremde hatte kräftige Arme und fing unser beider Sturz ab, gänzlich ohne Mühe. Als ich so von ihm gehalten wurde, und mein umnebelter Verstand langsam zu sich kam und begriff dass es keinen Aufprall geben würde, wagte ich endlich die Augen zu öffnen. Nicht, dass es in diesem Moment viel gebracht hätte, denn ich lag mit dem Gesicht an einer breiten Brust und sah überhaupt nichts. Ich kann dir nicht sagen, Anne, wie lang wir so da standen. Es war ein überaus seltsames Gefühl, so gehalten zu werden. Und noch seltsamer war, dass ich überhaupt keine Angst verspürte. Nach einer halben Ewigkeit ließ der Mann mich endlich los und ich richtete mich sofort auf. Zuvor war ich mir meines Aufzuges nicht bewusst, doch im Angesicht dieses Fremden schoss mir sofort die Röte in die Wangen und ich suchte meine Haare ein wenig zu ordnen. Nicht, dass er viel gesehen haben konnte. Es war so finster, dass ich ihn nicht einmal recht ausmachen konnte, einzig seine imposante Gestalt fiel mir auf. Sein Gesicht, welches ich so gerne näher betrachtet hätte, blieb mir durch die Dunkelheit verborgen.

Schimpf nicht mit mir, liebe Freundin, ich weiß wie leichtsinnig ich mich damals verhielt. Was hätte dieser Fremde nicht alles mit mir anstellen können, und niemand wäre je dahinter gekommen! Aber in jenen Augenblicken war ich mir keinerlei Gefahr bewusst. Oh, täusche dich nicht, nicht einmal ich bin so leichtgläubig, dass ich überhaupt keine Angst empfunden hätte. Sie kam, kam in jenem Moment, in dem der Fremde den Mund auftat und zu sprechen begann. Ich glaubte sein Grinsen zu sehen, obgleich es doch so schrecklich finster war. Wenigstens aber spürte ich es. „Na na, kleines Fräulein. Wer hat es denn zu so später Stunde noch so eilig. Und noch dazu in…“ er schwieg einige Sekunden lang, in denen er mich von Kopf bis Fuß zu mustern schien. Anscheinend hatte er überhaupt keine Schwierigkeiten mich zu sehen! „… solch einem Aufzug.“, beendete er seinen Satz. Diese Worte, mochten sie noch so harmlos erscheinen, ließen die Angst in mir auflodern wie ein wütendes Feuer. Zweifelsohne hielt er mich für ein billiges Straßenmädchen, für jemanden, mit dem man sich des Nachts in verruchten Stadtvierteln unlauteren Dingen widmet. Was wäre, so fragte ich mich, wenn er mich denn nicht nur für ein leichtes Mädchen hielte, sondern auch noch meine „Dienste“ in Anspruch nehmen wollte? Sicherlich hätte ich keine Aussichten mich gegen ihn zu wehren, war er doch gute zwanzig Zentimeter größer als ich. Und wie stark er war, hatte ich ja zuvor schon erfahren, als er mich so mühelos auffing, wie jemand einen zugeworfenen Ball aus der Luft fischt. Der Fremde schien mein Unwohlsein zu bemerken, denn anstatt eine weitere anzügliche Bemerkung zu machen oder sich mir unschicklich zu nähern, nahm er seine Anzugsjacke und legte sie mir um die angespannten Schultern. Wie ein echter Gentleman, Anne, und dieser Geruch! Nach wilden Rosen und Tabakrauch und Abenteuern roch er. Und unter all jenem noch etwas Undefinierbares, Unheimliches und Gefährliches, von dem ich erst viel später erfahren sollte, was es war.

„Eine Dame wie Sie, sollte nicht alleine herumwandern. Schon gar nicht zu solch gottverlassener Stunde. Sie holen sich noch den Tod.“, sprach er. „Kommen Sie, es beginnt zu regnen. Wir sollten uns unterstellen.“ Kaum hatte er die Worte beendet, da trafen die ersten Tropfen auf mein Gesicht. Trotz meiner Angst folgte ich ihm in eine enge Gasse, in die der Regen nicht durchdrang. Wie in Trance wandelte ich durch die Dunkelheit, unsicher und doch so gedankenlos! Ich bin mir bis heute nicht darüber im Klaren, warum ich dem Mann folgte und nicht meinem ersten Impuls folgend davonlief. In jedem Fall standen wir dort, in dieser engen, seltsam riechenden Gasse. Ich, die Haare offen und in seinem Jackett, er nur im weißen Hemd in lässiger Haltung.

„Nun, My Lady, dürfte ich fragen, wer mir in dieser herrlichen Nacht Gesellschaft leistet?“ Ob dieser zweideutigen Frage spürte ich erneut, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Bis dahin hatte ich noch keinen Ton von mir gegeben und ehrlich gesprochen, hatte ich das auch nicht vor. Ich wollte ihm nicht sagen, wer ich war, oder warum ich in jener Gasse stand, anstatt in einem warmen, weichen Himmelbett zu liegen. Doch wie schon zuvor sah ich mich außerstande meinem natürlichen Reflex nachzugeben und antwortete dennoch. „Mein Name, werter Herr, ist Emily. Lady Emily Rosemary Jarvis.” Er schien ehrlich überrascht. “Eine feine Dame also. Und was verschafft mir das Vergnügen?“ Wieder dieser unwiderstehliche Drang einfach zu antworten. Es machte mich schier wahnsinnig, ich fühlte mich, als würde er mich zwingen etwas zu tun, was ich überhaupt nicht wollte. So unterdrückte ich diesen seltsamen, furchteinflössenden Impuls und stellte stattdessen eine Gegenfrage: „Es ist unhöflich, eine Dame nach ihrem Namen zu fragen, ohne sich selbst vorzustellen. Das ist Ihnen doch hoffentlich bewusst?“ Meine Stimme hatte schärfer geklungen, als ich es beabsichtigt hatte und die Angst sowie die Kälte ließen sie zudem schrill erklingen. Erschrocken schlug ich mir die Hand vor den Mund und entschuldigte mich umgehend. „Verzeihen Sie, ich wollte nicht unhöflich sein.“ Ja, ich sehe dich schon wieder den Kopf schütteln. Du hast ja so Recht, ich bin und bleibe nun einmal eine zu gut erzogene Tochter reicher Eltern. In jenem Moment fürchtete ich aber, meine harsche Äußerung könne diesen Fremden zu unüberlegten, und für mich äußerst unangenehmen, Handlungen bewegen. Im Gegensatz zu meinen Erwartungen lachte der Fremde. Er hatte ein tiefes, angenehmes Lachen, das einem bis in den Bauch drang und dort vibrierte. Verstehst du, was ich meine? Diese Gefühle waren so neu, und sind so schwer zu beschreiben!

„Ich sollte Sie um Verzeigung bitten, Lady Jarvis. Es lag keinesfalls in meiner Absicht Sie unhöflich zu behandeln. Mein Name, Teuerste, ist Lord Lucian Damian Drake“

Kannst du dir meine Verwunderung vorstellen, als ich erfuhr, dass ich einen Lord vor mir hatte? Nun, liebste Freundin, diesmal verlasse ich dich mit diesem Bild, wie eine Lady und ein Lord des Nachts in düsteren Gasse stehen, beide unziemlich bekleidet (welcher Lord wagt es auf offener Straße nur im Hemd und ohne Jackett zu erscheinen! Selbst, wenn er jenes einer Dame lieh.). Eine recht zweideutige Szene, oder nicht? Wie du siehst, ist mir ein Teil meiner guten Erziehung im letzten Jahr abhanden gekommen. Sorge dich nicht, die Geschichte rechtfertigt dies und sie wird, so hoffe ich, ein gutes Ende nehmen.

Der Regen hat nun aufgehört, dafür heult der Wind erbärmlich durch die Straßen. Ich muss diesen Brief nun beenden, denn ich höre schon Schritte auf dem Gang. Jemand anderes wird gleich meine Aufmerksamkeit fordern. Ich denke an dich, teuerste Freundin, und hoffe das Glück bleibt dir hold. Sollte ich es einrichten können, werde ich dich bald besuchen kommen. Spätestens zu eurer Hochzeit möchte ich dich wieder sehen. Es wird doch hoffentlich eine Hochzeit geben?

Nun, ich wünsche dir alles Gute. In tiefer Freundschaft,

Emily



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hisagi-Shuuhei
2008-04-22T21:27:27+00:00 22.04.2008 23:27
Hyuuuu~
also ich find es immer noch gut, aber ehrlich finde ich es ein bisschen...
*nach richtigem Wort such*
@_@
komisch, naah, net komisch @-@
*Fisch schlag*
abrupt, dass du abwechselnd Brief und Handlung schreibst, das irritiert irgendwie ein bisschen, auch wenn es gewollt is xD

Da andere Fisch |D
bzw. Da Keks <___>


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