Zum Inhalt der Seite

Honey

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 7 - "Du siehst mich nicht - du kennst mich nicht"

Kapitel 7

„Du siehst mich nicht - du kennst mich nicht“
 

Als ich die Augen aufschlug, war alles grellweiß.

Sofort presste ich wieder die Lider aufeinander und sperrte das ungewohnte Licht aus.

Mir war heiß, unendlich heiß und meine Lungen brannten, mein Hals brannte, in mir schien alles nur aus einem schmerzhaften, alles verzehrenden Feuer zu bestehen. Mein Kopf schmerzte und mein Körper schien Tonnen zu wiegen, ich glaubte fast, mich überhaupt nicht bewegen zu können. Und dann dieses grelle Weiß um mich herum, das sich erneut durch meine Augenlider kämpfte, während ich noch etwas anderes als meinen bleischweren, brennenden Körper wahrnahm. Ein unbekannter, seltsamer Geruch. Nein, nicht völlig unbekannt. Irgendwo dazwischen, ganz schwach, nahm ich einen vertrauten, lang vermissten Duft wahr.

Ich zwang mich dazu, langsam wieder die Augen zu öffnen, blinzelte ein paar Mal, bis ich mich allmählich an das Licht gewöhnt hatte.

Verschwommen konnte ich etwas erkennen. Da stand eine Gestalt am Fenster, ein wenig entfernt von mir, und sah stur hinaus. War es nur eine Gestalt?

Je länger ich meinen Blick auf sie heftete, desto klarer wurden ihre Konturen, desto vertrauter die Erscheinung. Da standest du, allein, in einem mir fremden Zimmer und sahst aus dem geschlossenen Fenster in die Ferne. Neben dir auf einem Plastikstuhl lag etwas Schwarzes, Zusammengeknülltes, das sich mit einiger Anstrengung meiner Augen als mein Mantel herausstellte.

Aber wie ...?

„Kiro?“ Hätte ich nicht gewusst, dass ich dieses Wort gerade ausgesprochen hatte, ich hätte niemals geglaubt, dass diese Stimme mir gehörte. Obwohl man dieses raue, kratzige Flüstern wohl kaum mehr als Stimme bezeichnen konnte.

Anscheinend hattest du mich aber verstanden, denn du drehtest den Kopf in meine Richtung, kamst langsam auf mich zu. Waren das Tränenspuren auf deinen Wangen?

„Du bist wieder wach“, bemerktest du, ließest dich neben dem Bett, in dem ich wie ein Stein lag, auf einem weiteren Plastikstuhl nieder.

„Wie ...?“, setzte ich an, doch weiter kam ich nicht, da mich plötzlich ein heftiges Husten schüttelte. Verdammt, hustete ich mir da gerade meine Seele aus dem Leib? Mein Hals brannte mit jeder Sekunde schlimmer.

„Wie du hierher kommst?“, sprachst du meine Frage aus, als ich mich wieder beruhigt und einen Schluck Wasser getrunken hatte. Ich nickte, wollte nicht wieder einen Hustenanfall riskieren. „Du erinnerst dich nicht?“

Kopfschütteln.

Ich wusste nur noch, dass ich vor Strify und dir geflüchtet war. Ich hatte mich durch das Unwetter geschlagen, war erneut triefnass geworden und hatte mich, als ich endlich zu Hause angekommen war, sofort ins Schreiben gestürzt, völlig egal, ob ich bis auf die Knochen durchnässt und frierend in meinem Schlafzimmer gesessen hatte, alles völlig egal. Die ganze Nacht hindurch hatte ich geschrieben, hatte erst am nächsten Morgen gemerkt, dass ich zitterte. Vor Angst um dich, vor all den mich erdrückenden Gedanken, doch viel mehr noch vor Kälte. Ich hatte überall in der Wohnung die Heizungen aufgedreht, doch natürlich war nichts passiert – wer heizte schon im Frühsommer? Doch anstatt mich hinzulegen und in eine warme Decke einzuwickeln, war ich ohne zu überlegen an meinen Schreibtisch zurückgekehrt und hatte bis zum Mittag geschrieben. Je länger mein Federhalter über das Papier geflogen war, desto schwieriger war es für mich geworden, die Buchstaben zu erkennen, desto unleserlicher war meine Handschrift geworden und desto schwerer war es mir gefallen, mich zu konzentrieren. Mittlerweile war mir heiß gewesen, obschon ich noch immer nur ein einfaches schwarzes Hemd und keine Hose von besonders dickem Stoff getragen hatte. Immer wieder waren die Zeilen vor meinem Blick verschwommen, sodass ich schließlich aufgegeben und meinen Zustand auf meine völlige Übermüdung und Überreizung geschoben hatte.

Ein Klingeln an der Tür hatte mich aus meinen Gedanken gerissen. Ich hatte mich erhoben, war auf dem Weg in den Flur gewesen, als sich plötzlich meine Einrichtung zu drehen begonnen hatte. Bevor ich mich irgendwo hatte festhalten können, umfing mich völlige Schwärze.

Danach wusste ich nichts mehr.

„Ich bin gestern zu dir gegangen, um dir deinen Mantel wiederzugeben. Du hattest ihn bei uns vergessen, als du abgehauen bist.“ Du sagtest wirklich „abgehauen“, deine Stimme hatte einen kühlen Klang, als würdest du einem Fremden den Weg erklären. „Ich hab geklingelt und als du nicht aufgemacht hast, dachte ich, du wärst nicht zu Hause und wollte ihn dir ins Wohnzimmer legen.“

Ich hatte dir vor längerer Zeit einen Zweitschlüssel zu meiner Wohnung gegeben, falls du einen Zufluchtsort suchtest und ich noch nicht zu Hause sein sollte. Obwohl mir dein Tonfall und das Fehlen der gewohnten Wärme in deiner Stimme Angst machten, hörte ich dir aufmerksam zu.

„Als ich oben ankam und die Tür aufmachte, hast du im Flur gelegen ... kreidebleich und bewusstlos. Du hattest Fieber, ich hab versucht, dich aufzuwecken, aber es hat nichts gebracht.“ Bei diesen Worten schlich sich doch ein leiser, angstvoller Unterton in deine Stimme, doch dann sprachst du unbeirrt weiter. „Also hab ich den Notarzt gerufen und der hat dich direkt ins Krankenhaus gebracht. Ich hab mir Sorgen gemacht, also bin ich hinterher gefahren. Der Arzt meinte zu mir, du hättest dir eine Lungenentzündung eingefangen und sollst ein paar Tage hier bleiben.“

Lungenentzündung?! Ein paar Tage hier bleiben?!

Ich machte große Augen, doch du machtest keine Anstalten, noch etwas zu sagen.

„Danke“, flüsterte ich also nur und schenkte dir einen liebevollen Blick. Ein Glück, dass du vorbei gekommen warst und mir geholfen hattest. Wenn du nicht gewesen wärst, ...

„Sag mal, du musst doch völlig bescheuert sein!“, fuhrst du mich urplötzlich an. Ich zuckte erschrocken zusammen, in all den Jahren hattest du mich noch nie angeschrieen, vor allem nicht so. „Erst rennst du bei dem Wetter ohne Schirm ewig in Regen und Wind rum und dann haust du einfach ab ohne ein Wort, wenn man dir helfen will! Außerdem habe ich mich wegen dir mit Strify gestritten, weil ich dich auch noch in Schutz nehmen wollte nach dieser ganzen Aktion! Ich wollte dir sogar gegen seinen Willen deinen Mantel bringen und dann finde ich dich, wie du in deiner eigenen Wohnung umgekippt bist! Eigentlich geschieht es dir ja Recht! Was bist du auch so stur und unvernünftig?!“

Selbst wenn ich gewollt hätte, ich konnte gar nichts darauf sagen. Ich war vollkommen perplex und deine Worte trafen mich hart. Meine Kehle war wie zugeschnürt, während mich deine sonst so sanften Augen wütend anfunkelten.

„Kannst du mir das Ganze vielleicht mal erklären!? Warum du bei dem Wetter draußen so rum rennst, warum du Strify solche Sachen an den Kopf wirfst und dann auch noch einfach feige abhaust?! So kenn ich dich nicht, Luminor, was hast du plötzlich?!“ Deine Stimme zitterte leicht, dein Blick bohrte sich in meinen, du wirktest unglaublich wütend und hilflos zugleich.

Auch wenn ich dir eine Erklärung hätte geben können für all das, meine schmerzenden Lungen und mein Hals, der nur noch aus grobem Sandpapier zu bestehen schien, machten mir einen Strich durch die Rechnung. Was hätte ich dir auch sagen sollen? Ich habe Angst um dich, weil ich dich liebe und weil Strify meint, du würdest nun ihm gehören?

Doch was hattest du gesagt? Warum ich Strify solche Sachen an den Kopf geworfen hätte? Ich dachte kurz nach, doch ich konnte mich nicht erinnern, irgendetwas Böses oder in anderer Weise Verletzendes zu ihm gesagt zu haben. Worauf wolltest du hinaus?

„Kiro, was ... was soll ich denn zu ihm gesagt haben?“, mühte ich mir über die Lippen, mir schwante Übles, als sich deine Miene noch weiter verdunkelte und du sogar aufsprangst.

„Tu doch nicht so! Du hast ihm gesagt, er wär nichts für mich, ich würde dir gehören und du würdest mich niemals hergeben, auch wenn du uns scheinbar zusammengeführt hättest! Du hast gesagt, du würdest ihn eigentlich nicht ausstehen können und hättest es nur getan, damit ich dir weiterhin dankbar und treu bin!“

Das ... konnte unmöglich wahr sein. Nein ... ein Traum. Nur ein Alptraum. Ich war eingeschlafen an meinem Schreibtisch, wenn ich mich dazu zwang, konnte ich aufwachen und alles wäre ... nur ... ein ... Alptraum ...

Meine Hände auf der Bettdecke begannen leicht zu zittern, doch ich verbarg es, so gut ich konnte.

„Kiro, nein, ich ...“ – konnte dir doch unmöglich sagen, dass nicht ich, sondern Strify diese Worte gesprochen hatte. Dass nicht ich es war, der dich für sich allein wollte, sondern er.

„Ich dachte, du hättest mich gern!“, brülltest du, drehtest dich abrupt von mir weg, als dir Tränen in die Augen stiegen. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte dich sofort umarmt und festgehalten, doch ich war wie gelähmt. Selbst meine Gedanken waren gelähmt, ich konnte dich nur wortlos anstarren.

„Wieso hast du damals Strify angerufen?! Wolltest du mich glücklich machen, nur um mir dieses Glück nun wieder zu entreißen, damit ich mich wieder an dich klammere?! Warum machst du das?“ Du warst völlig aufgelöst, hattest mir immer noch den Rücken zugewandt, doch ich hörte deutlich, dass du bei dem Versuch, die Tränen zu unterdrücken, gescheitert warst. Es tat weh, dich so zu sehen. Doch noch viel mehr schmerzte es mich, dass du mir nicht glaubtest, sondern ihm, dass du nicht mir vertrautest, sondern sofort seinen Worten Glauben schenktest. Wann hatte ich dir jemals Anlass dazu gegeben, an meiner Aufrichtigkeit und meinem Wunsch, dich glücklich zu machen, zu zweifeln? Ich konnte das doch unmöglich nun so stehen lassen ... Es brannte zwar unglaublich, doch ich unterdrückte den Schmerz und begann zu reden: „Kiro, bitte ... lass mich erklären. Es war nicht so wie Strify gesagt hat ...“ – „Wieso sollte er mich anlügen?!“, fuhrst du mir dazwischen, wirbeltest herum und starrtest mich an.

Warum sollte ich dich anlügen?, wollte ich sagen, doch du schnapptest schon deine Tasche, die neben dem Stuhl gestanden hatte und wischtest dir unwirsch über die Augen.

„Was ...?“, weiter kam ich nicht, denn du liefst zur Tür, drehtest dich kurz davor noch einmal zu mir um. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich dir so wenig bedeute ... und dass du mir mein Glück nicht gönnen würdest, nachdem meine Vergangenheit so schwarz gewesen ist. Ich dachte, du wärst mein Freund, Luminor. Aber da habe ich mich wohl gründlich getäuscht.“

„Kiro, aber ich ...“, begann ich verzweifelt, das konnte doch alles nicht wahr sein. Nein ...

„Deinen Mantel hast du ja nun wieder. Dann gibt es keinen Grund, warum du noch einmal zu Strify und mir kommen müsstest.“ Du drücktest die Türklinke runter, nein, das konnte nicht sein, das konntest du nicht ernst meinen, nein, „Nein! Kiro, warte!“

Die Tür schlug zu. Der dumpfe Knall jedoch konnte nicht das vielstimmige Splittern übertönen, mit dem mein Herz zerbrach, als deine letzten Worte unbarmherzig im Zimmer hallten.

„Ich hasse dich.“
 


 

[Musik: Lacrimosa – Der Morgen danach]



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2008-10-10T08:37:51+00:00 10.10.2008 10:37
Luminooooooooor, =( *Sturzbäche wein* *Tastatur vollheul*

Das ist so traurig =(

Aber diese letzte Satz, das war die Krönung ..." Ich hasse dich. "

Wow, bitte schreib bald weiter ;)
Von: abgemeldet
2008-09-08T16:43:14+00:00 08.09.2008 18:43
Armer Luminor! Warum glaubt Kiro jemanden, den er erst so kurz kennt?
Das Kapitel war wieder einmal spitzenklasse lieb die ff.
lg Dark_providence


Zurück