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The Resurrection of Hyperion

Final Fantasy Ⅷ –
von

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We're the Posse!

„Seid ihr echt bereit, für ihn draufzugehen?“

Xell kratzte sich am Hinterkopf und blickte abwartend auf die beiden Geschwister, welche am Ende ihrer vereinten Kräfte waren.

„Rückt endlich raus mit der Antwort, sonst mache ich meine Drohung wahr“, warnte Squall sie und wischte sich das Blut vom Kinn.

„…Du verstehst das mal nicht“, kam es endlich aus der Richtung von Rai-Jins gesenktem Haupt. „Du verstehst das mal echt nicht, oder?“

„Was soll man da noch groß verstehen?“, erwiderte der kühle SEED ungeduldig.

„Eine Entführung… Ärger stiften aus Langeweile… Das ist mal nicht Cifer. Ihr sucht mal nach dem Falschen.“

„Wir wissen definitiv, dass er auf der Suche nach Ellione ist“, ließ Quistis sie wissen, womit für sie feststand, dass Cifer Ellione entführen wollte.

Nur Xell erinnerte sich an seine Worte: Sie hat mich als Eskorte beordert. Und dem Job leiste ich nur Folge. Ob da etwas Wahres dran war? „Hey, Leute“, begann er vorsichtig, um seinen Freunden die Vermutung mitzuteilen, aber wie immer, wenn Xell einen klugen Schluss gezogen hatte, schenkte man ihm kein Gehör.

„Und?“ Rai-Jin zuckte die breiten Schultern ob der Aussage jener Lehrerin, die er ohnehin nie wirklich hatte leiden können. „Nur weil es mal Cifer ist, der nach jemandem sucht, ist es gleich ein Verbrechen. Was ist mal mit euch? Ihr sucht sie doch auch mal, oder nicht?“

„Das ist etwas anderes!“, erwiderte Quistis sofort. „Cifer ist anders!“

„Gut so!“, meinte Fu-Jin.

„Ja“, pflichtete Rai-Jin ihr bei. „Wäre mal schlimm, wenn er mal so wäre wie ihr.“

„Anders auf negative Weise!“, versetzte Quistis sauer.

Da richtete sich Rai-Jin zu voller Größe auf. „RUHE!“

Odins finstere Ankündigung "Eisenschneider" hätte nicht furchteinflößender klingen können. Jedenfalls fand Xell das, der ein paar Schritte zurückstolperte. Auch Quistis war verstummt und ihr Gesicht ein wenig blasser geworden. Nur Squall stand noch felsenfest auf seinem Platz, dass Xell sich fragte, wie er das wohl machte.

„Ihr seid mal versessen darauf, in ihm einen schlechten Kerl zu sehen“, brummte Rai-Jin nun etwas beherrschter, was allerdings keine Garantie dafür gab, dass er nicht erneut vor Wut explodieren würde. „Cifer hier, Cifer dort. Wenn es mal ein Problem gibt, dann ist immer mal er der, der es verursacht hat. Mag sein, dass er in der Vergangenheit mal nicht ganz korrekt gewesen ist, aber das ist jetzt vorbei. Das könnt ihr mir mal glauben. Ist doch so, Fu-Jin?“

„Positiv“, bestätigte die silberhaarige Dame roboterhaft.

„Wir sind nur auf alles vorbereitet“, erklärte ihnen der Anführer der Söldnertruppe und stemmte eine Hand gegen seine Hüfte. „Egal, was – Cifer hat etwas mit dieser Sache zu tun. Und im Hinblick auf seine bisherigen Verfehlungen müssen wir davon ausgehen, dass er wieder etwas anstellt.“

„Du redest mal über ihn, als sei er ein Kind“, stellte der stämmige Braune, auf Squall hinunterschauend, mit Missfallen fest.

„Er ist eines!“, warf Quistis ein. „Und ich bezweifle, dass er jemals erwachsen wird.“

„Ihr lasst ihm ja mal keine Zeit dazu“, entgegnete Rai-Jin. „Ihr jagt ihn mal wie ein Monster.“

„Jetzt mal Butter bei die Focarols, Leute!“, mischte sich nun Xell ein und richtete die Gedanken der Freunde wieder auf das Wesentliche. „Wir haben Besseres zu tun, als hier rumzustehen. Wenn die nicht reden wollen, müssen wir eben Tacheles machen!“

Squall hob das Löwenherz zum Kampf an. „Es tut mir Leid, aber ihr habt keine Wahl. Wir müssen Cifer so oder so finden, weil Ellione in seiner Nähe ist. Vielleicht werden wir kämpfen. Ich kann euch nicht versprechen, dass ich ihn schonen werde. Macht euch also besser keine Hoffnungen in die Richtung. Nehmt es einfach hin.“

Die Geschwister antworteten in lautlosen Gesten, die keiner der drei SEEDs einzuordnen vermochte.

„Das können wir mal nicht“, sagte Rai-Jin schließlich. Er wirkte ratlos. „Cifer ist unser Freund.“

„Manchmal sucht man sich eben die falschen Freunde aus“, spielte Squall bitter auf Rinoas Beziehung mit dem Möchtegern-Ritter an.

„Wir haben uns ihn mal nicht ausgesucht. Er hat uns mal gefunden. Und seitdem folgen wir ihm.“

„Wieso?“ Das war etwas, das Xell sich schon lange und oft gefragt hatte. „Was hat er für euch getan, dass ihr für ihn sogar draufgehen würdet?“

Eine merkwürdige, fast friedliche Ruhe nistete sich ein. Squall, der ihr keineswegs Vertrauen schenkte, hielt seinen Blick fest auf das Geschwisterpaar geheftet und schien nicht einmal zu blinzeln. Längst hatte er sich dieses menschlichen Habits entledigt, beherrschte er sein Mienenspiel mit solcher Diamantenhärte wie seine meisterhaft geführte Waffe. So registrierte er auch – ehe es für die Augen der anderen bemerkbar wurde – dass sich Rai-Jins Mundwinkel veränderten. Nahezu sanft glitten sie nach oben. Er lächelte! Innerlich war Squall darüber sehr erstaunt. Er konnte sich nicht daran erinnern, den Kraftprotz jemals lächeln gesehen zu haben! Er kannte Rai-Jins zähnezeigendes, triumphales Grinsen, das wie eine überspitzte Karikatur dessen seines Vorgesetzten wirkte, und das donnertrommelnde Gelächter, das durch den ganzen Garden hallte, würde er auch nicht vergessen. Aber dass der Hüne lächeln konnte, war ihm völlig fremd.

Allmählich wurden sich auch Quistis und Xell dieses Wunders gewahr. Ihre Augen und Münder dehnten sich langsam aus.

„Squall!“, rief Rai-Jin. „Du kennst die Geschichte gar nicht, wie wir in den Garden und zum Ordnungsdienst gekommen sind, nicht wahr?“

Nein. Eigentlich nicht. Sie waren einfach da gewesen. Aber es hatte ihn auch nie interessiert. „Geht mich nichts an“, antwortete er.

„Gut erkannt“, stimmte ihm der Große fast freundlich zu. „Und doch will ich sie dir jetzt mal erzählen.“

„Und wenn wir sie nicht hören wollen?“, wollte Xell ihn provozieren und trat mit geschwellter Brust an ihn heran, offenbar vergessen habend, dass er derjenige war, der danach gefragt hatte. Doch bevor er den sicheren Stand erlangte, stellte Fu-Jin ihm kurzerhand das Bein und beförderte ihn prompt auf den von Ifrit im Gefecht verkohlten Boden.

„Die zweite SEED-Prüfung von Cifer?“, fragte Rai-Jin.

„Ein Auftrag von Galbadia“, kam es von Squall wie auf Befehl. „Sie brauchten Aushilfskräfte für den Ausbau der Soldatenbasis in der Kashukbaar-Wüste auf dem südlichen Kontinent. Es sollte unsere erste gemeinsame Prüfung werden, aber ich wurde krank und konnte deswegen nicht mit.“

Von wegen krank! Verletzt wurde er, und zwar von niemand anderem als Cifer Almasy persönlich, der sich ironischerweise auf die Teamarbeit gefreut hatte. Das jedenfalls hatte er ständig großspurig herausposaunt, dabei immer ein amüsiertes Lächeln aufgesetzt, als meinte er es dann doch nicht ernst. Er war oft – ob seiner offenen und nicht zu ignorierenden Art – kaum zu durchschauen gewesen – so wusste Squall bis heute nicht, ob die damalige Verwundung im Training versehentlich oder vielleicht beabsichtigt war, um ihn aus der praktischen Prüfung zu schließen. Im Nachhinein war er Cifer deshalb aber nicht besonders böse gewesen, denn Galbadia hatte die SEED-Kadetten zu mager bezahlten Gehilfen herabgestuft, deren ruhmreichste Aufgabe darin bestand, ein paar Kaktoren und Abyss-Würmer von der noch wenig resistenten Basis fernzuhalten, die als Stützpunkt dienen sollte, von dem aus Galbadia eine militärische Nähe zum feindlichen Nachbarstaat Esthar hätte errichten können, wäre da nicht…

Ja, wäre da nicht Cifer gewesen.

Squall wusste es vom Direktor und den buchstäblich sagenhaften Wiedergaben mitteilungsbedürftiger Schüler. Sein Rivale hatte es unnachahmlich verstanden, durch die aberwitzigsten und ungewöhnlichsten Aktionen immer wieder neu aufzufallen und eine eigenartige Berühmtheit zu erlangen.

„Genau“, versicherte Rai-Jin seine Erinnerung. „Aber Cifer war mal unter den Anwärtern. Die Aufgaben in der Basis haben ihn mal nicht lange gefesselt, also nahm er sich frei von der Arbeit, und da haben wir uns mal auf dem Hof getroffen. Ich mochte ihn nicht und habe ihm deswegen mal eine runtergehauen, aber das hat ihn mal gar nicht eingeschüchtert.“

„Und so seid ihr plötzlich Freunde geworden oder was?“, fragte Xell skeptisch.

Er winkte ab. „Nee. So schnell geht das mal nicht, bei echter Freundschaft. Hört zu, ich erklär’s euch mal…“
 

Missbilligend rieb sich der Blonde über die schmerzende Wange und funkelte ihn an. „Suchst du Streit?“

„Deine Fresse stört“, grinste Rai-Jin mit gegen die Hüfte gestemmten Armen. „Ich dachte, ich tu’ der Welt ’n Gefallen, wenn ich ma’ kräftig reinschlage!“

„Und? Geht’s der Welt jetzt besser?“

Statt zu antworten, stieß der braunhäutige Hüne ein gekonnt bösartiges Gelächter aus.

„Ich sag’ dir was: Ich habe hier Aufsicht, und solche Typen wie dich werde ich auf diesem Gelände nicht dulden“, mahnte Cifer ihn angeschwärzt. „Wenn du dich also nicht vom Acker machst, werde ich dir Manieren beibringen. In meinem Stil.“

„Alles klar! Dann lass doch ma’ was sehen, Blondie!“

Das musste er kein zweites Mal hören. Er setzte auf den Rüpel zu und ließ die Gun-Blade in seine Richtung fahren, aber Rai-Jin reagierte schnell, packte die flachen Seiten der schwarzen Klinge zwischen die riesigen Hände und verbot seinem Kontrahenten so, sie zurückziehen zu können. Dann sammelte er sich, riss die gefangene Waffe nach oben und warf sie samt ihrem Halter über seine Schultern hinweg nach hinten. Weil er annahm, dass sich die Sache damit erledigt hatte, bemerkte er nicht, wie Cifer den Fall unter Kontrolle bekam, sicher auf den Füßen landete und sich unmittelbar erneut auf ihn stürzte, ihn in den Schwitzkasten nahm und die Schneide der Hyperion gefährlich nahe an seine Kehle stellte. Der Riese versuchte sich zu befreien, doch der Griff des Söldnerkadetten mit dem scharfen Blick war viel zu fest.

Rai-Jin war darüber äußerst überrascht und machte seinem Empfinden auch gleich Luft: „ICH BRING’ DICH SO UM!“

„Nur mit der Ruhe.“ Cifer lächelte kühl, amüsierte sich offensichtlich königlich. „Sag mir, was du hier zu suchen hast.“

„GEHT DICH ’N SCHEIßDRECK AN!“

„Wenn du hier weiter so herumbrüllst, hören dich die Soldaten. Die handeln nicht mit dir; die fertigen dich gleich ab.“

„HANDELN?!“, echote Rai-Jin stutzig.

„Handeln“, bestätigte der Kleinere. „Ich bin bereit, einen kleinen Deal mit dir einzugehen, Schokoladenherkules.“

„Worum geht’s?“, wollte besagter Halbgott aus Kakaobohnen wissen und wurde sogar ein wenig leiser, ohne dass seine gewaltige Stimme nicht trotzdem einen tiefen Hall erzeugte, der an über die Wolken rollendes Donnergrollen erinnerte.

„Du nennst mir das Anliegen deines Hierseins, ich lasse dich los und wir kümmern uns dann gemeinsam um dein Problem.“

„ICH WILL DEINE HILFE NICHT, ARSCHLOCH!“

„Du solltest aber nicht auf sie verzichten, falls du vorhast, die Basis hier zu überfallen oder so. Allein schaffst du keine Soldatentruppe.“

„HÄLTST’E MICH ETWA FÜR SCHWACH?!“

„Ich bin nur realistisch.“

„UND GLEICH SOWAS VON TOT, MISSGEBURT!“

Ein Funke der Wut blitzte in Cifers Augen auf; eine Augenbraue zuckte verdächtig. Langsam, aber sicher hatte er dieses Geschrei satt, ging ihm der Typ auf die Nerven, würde er sein freundliches Angebot überdenken. Er hatte es nicht nötig, sich mit einem Idioten einzulassen. Aber es war hier so verdammt langweilig.

„WAS GLOTZT’E SO, HUR…?!“

„SCHNAUZE!“

Für nicht länger als eine Sekunde nahmen die Pupillen des Größeren überrumpelte, fast verängstigte Maße an.

„Ein letztes Mal“, versetzte Cifer genervt. „WAS – WILLST – DU?“

Da funkte es. Nicht zwischen ihnen, sondern in Rai-Jins Gehirn. Er schaltete es ein. Eine Glühbirne leuchtete auf, als der Strom durch die ergrauten Zellen floss. Er hatte einen Einfall. Und er glaubte, dass der gar nicht mal so dumm war.

„Ich muss ma’ einen finden“, gab er unerwartet nach und wirkte auf einen Schlag ganz anders. „Einen, den ich gut kenne.“

Cifer machte keinen Hehl aus seinem Argwohn: „Du? Eine Visite? Willst du mich verarschen?“

„Nicht doch“, sagte Rai-Jin. „Ich will nur einen finden.“

„Und warum dann dieser ganze Aufstand?“

„Das ist nicht einfach ma’ so’n Besuch. Der, den ich suche, ist nicht freiwillig hier.“

„Ein Gefangener also?“

„Nicht so, wie du denkst. Derjenige muss gegen seinen Willen hier arbeiten. Als Offizier.“

„Wie kann man gegen seinen Willen Offizier sein?“, wunderte sich Cifer grinsend. „Und – was mich noch mehr interessiert – wieso sollte man nicht Offizier sein wollen?“

Die Antwort aus dem Mund des großgewachsenen Stockkämpfers traf den Gun-Blader absolut unerwartet: „Weil man [den Kampf meiden] möchte.“

Er blickte ihn regelrecht fassungslos an. Kam das gerade wirklich von diesem Muskelpaket?

Rai-Jin schnaubte. „Hilfst’e mir nun ma’ oder nicht?“

Endlich besann er sich. „Hab’ ich doch gesagt.“

Der bemantelte Mann ließ das Schwert unter dem grauen Kleidungsstück verschwinden. Leichtfertig, als wäre nichts jemals in der Lage, ihn aufzuhalten, spazierte er auf den Eingang der Basis zu und zeigte ihm dabei den Rücken. Wenn er wollte, könnte Rai-Jin ihn jetzt dem Erdboden gleich machen. „Hey.“

„Was?“

„Mich würde ma’ interessieren, wieso du das jetzt einfach so machst? Ich mein’: Eben warst’e doch noch voll auf Wache und so.“

„Wache halten ist langweilig“, erklärte er wie selbstverständlich. „Und diese ganze Aktion hier ist sowieso für’n Arsch. Ich kann Galbadia nicht ab. Wenn du willst, können wir die ganze Basis auch gerne in die Luft jagen. Hab’ ich nichts gegen.“

Vollidiot, dachte Rai-Jin.

Aber er würde ihn gut gebrauchen können, um sich der Soldaten zu entledigen und bis zum Offizier vorzudringen. Er würde ihm ein hervorragendes Schild bieten. Ihn könnte er opfern, ohne dass es ihm Gewissensbisse verursachen würde. Außerdem kannte der sich hier aus.

Rai-Jin folgte dem großmäuligen Kadetten grinsend, als dieser abrupt stehen blieb. „Da fällt mir ein: Ich muss noch etwas erledigen. Warte hier, Herk. Dauert nicht lange. Lass die Party bloß nicht ohne mich steigen.“

Na gut…?
 

„Und da seid ihr dann Freunde geworden oder wie?“, fragte Xell durcheinander und musterte den braunen Giganten aus sehr skeptischen Augenschlitzen.

„Ich bin mal noch nicht fertig!“, machte Rai-Jin ihn an, ließ sich jedoch nicht lange von seiner Geschichte ablenken: „Nachdem er zurück war, stießen wir mal mehr oder weniger gemeinsam in den Komplex vor. Und dann fanden wir ihn mal endlich.“

„Wen?“, hakte Xell nach und schien zu Quistis’ Leidwesen ernsthaft interessiert an der Story zu sein.
 

Ein Peitschenschlag. Ein Mann stürzte zu Boden.

„Disziplin!“

Eine Stimme, die die stehende Luft mit Eiseskälte spaltete. Sie hätte die Wände schneiden, Papier sauber trennen können. Cifer erinnerte sich nicht daran, jemals zuvor einen solch eisig-scharfen Ton vernommen zu haben – nicht einmal vom alten Yamazaki. Diese Stimme ließ selbst die Landschaft Trabias wie eine dürre Wüste dastehen, und jede Mesmerize-Klinge war im Vergleich ein lahmer Bumerang.

An der Seite seines neuen Gefährten lugte er in einen eindrucksvollen Trainingssaal. Es stank nach starker Ausdünstung, der Sauerstoffgehalt war schwindend und ließ selbst jenen, die nicht trainieren, aber atmen mussten, schwindelig werden. Wohin man sah, übten sich Männer am Ende all ihrer Kräfte in Liegestützen, Sit-Ups und Marathons, als hinge ihr Leben davon ab, dass sie in Bewegung blieben. Zwischen ihrem Japsen und Keuchen, Stöhnen und Röcheln mit zuverlässiger Regelmäßigkeit der Schall der Peitsche, auf den folgend wieder jemand zu Boden ging und nicht mehr aufstand. Seltener, aber wenn, dann unvergesslich, die Stimme, die „Aufstehen!“, „Disziplin!“, „Schwächling!“ oder „Strafe!“ rief – Worte, die wie Eiszacken durch den Raum schossen.

Cifer, den die Neugier gepackt hatte, reckte den Kopf und verengte die Augen, konzentrierte sie auf diese steif aufrechte, schmale Gestalt, die in der Mitte des Saales stand und von den umgekippten Soldaten umsäumt wurde. Es sah aus, als küssten sie ihr die Füße.

„Moment“, flüsterte er. „Ist das etwa ’ne Frau?“

„Das ist eine“, antwortete Rai-Jin ihm, ohne den Blick von dem Offizier zu lösen. „Fu-Jin, meine Schwester.“

„Nicht möglich“, erwiderte Cifer belustigt. „Ich weiß nicht, was mich mehr fasziniert: Die Tatsache, dass die Kleine für ’ne harte Ausbilderin viel zu schmächtig ist oder die, dass ihr beide Geschwister seid.“

„Wir sind keine richtigen Geschwister!“, stellte Rai-Jin aufbrausend klar. „Wir sind nur wie welche aufgewachsen. Seit ich denken kann, sind wir unzertrennlich gewesen. Bis diese ganze Scheiße hier ma’ angefangen hat!“

„Seit du denken kannst?“, betonte der angehende SEED die Aussage des Hünen, führte es jedoch nicht weiter aus.

„Außerdem täuscht ihr zartes Aussehen über ihre innere Härte hinweg!“

„Unübersehbar. Die haben es echt nicht leicht“, meinte Cifer schadenfroh.

„Sie gibt nur das weiter, was sie selbst ma’ erfahren hat“, klärte Rai-Jin ihn auf, der auf einmal frappierend ernst geworden war. Die Adern, welche sich deutlich von seiner Stirn, seinen muskulösen Armen abzeichneten, zeugten von seinem Kampf mit wieder emporsteigenden, starken Emotionen. „Sie kennt keine Liebe oder Freude. Sie kennt nur das hier. Nicht einma’ ich bedeute ihr noch was. Vielleicht erkennt sie mich auch gar nicht mehr. Ohne Pause hält sie sich hier auf und trainiert diese Arschlöcher, die sie festhalten. Sie hat keinen Freigang.“

„Hast du mal mit ihr gesprochen?“

Er nickte eifrig. „Ich hab’ schon oft versucht, ma’ mit ihr zu reden, aber irgendwie…“

Cifer führte sein Augenmerk zurück vom Bruder auf die Schwester und verstand. Diese unmenschliche Ausdruckslosigkeit in dem weißen, unnatürlich verhärteten Gesicht der Silberhaarigen mit der Augenklappe erzählte – wie viel sie auch zu verbergen suchte – eine klare Geschichte. Womöglich hatte sie ihre Existenz als Trainingsroboter und Hyne weiß was alles schlichtweg hingenommen, weil sie die Hoffnung auf Veränderung aufgegeben hatte.

„Das kotzt mich echt an.“

„Was?“

Ehe Cifer darauf hätte antworten können, registrierten sie in der schlagartig eingesetzten Stille den Blick der hellen Schönheit, welcher zweifellos auf sie gerichtet war. Blutrote Augen visierten sie tödlich.

„SCHEIßE!“, brüllte Rai-Jin sofort. „SIE HAT UNS ENTDECKT!“

Statt wie er in Panik oder Wut oder was immer das für eine Gefühlsregung darstellen sollte, die ihn derart laut werden ließ, auszubrechen, erhob Cifer sich, trat furchtlos aus seinem Versteck und näherte sich der ihn analysierenden Person mit gelassenen Schritten.

„Unbefugt. Betreten verboten“, stellte sie ihm zugewandt klar und schickte die Männer fort, welche sie trainiert hatte.

„Du bist die Schwester dieses… von Rai-Jin“, wollte er eine Unterhaltung beginnen. Ihre Augen schienen aufzuglimmen, als sie diesen Namen vernahm, und auch wenn sich sonst nichts an ihrer Haltung veränderte, so konnte er auf den Ausdruck ihrer Augen bauen, denn Augen lügen nicht. Niemals.

„Warnung. Betreten verboten“, wiederholte sie sich.

„Ich bin befugt. Ich arbeite hier, könnte man sagen.“

„Negativ. Identifikation fehlgeschlagen. Unbefugt.“

„Jaaa~“, räumte er mit gespielter Naivität ein. „Vielleicht hab’ ich irgendwo eine Tür verwechselt, aber…“

„Ruhe!“, herrschte sie ihn an und vollführte eine ausschweifende Geste mit der Hand.

„Du willst das hier doch gar nicht“, kam er nun zur Sache.

„Sektor verlassen.“

„Ich kann jetzt nicht gehen. Ich muss hier grad’ noch was zurechtrücken.“

In der nächsten Sekunde stieß Metall gegen Metall. Von irgendwoher hatte sie eine silberne Scheibe gezogen, aus der scharfe Klingen gefahren waren – ein Shuriken. „Beseitigung der Störung“, knirschte sie, bevor sich ihre Waffen voneinander entfernten.

Cifer presste die Finger um den Griff der Hyperion und fühlte, wie ihm zugleich warm und kalt wurde, als er Fenris’ gekoppelte Macht und seine eigene Kampfeslust wahrnahm. Es war jedes Mal auf’s Neue ein Empfinden, das zu beschreiben ihm nicht im Bereich des Möglichen zu liegen schien; ein Empfinden, so intensiv und intim, dass er meinte, niemand sonst hätte je auch nur etwas annähernd Ausfüllendes verspürt und als wäre dieses allein sein Besitz; etwas, das ihm niemand nehmen konnte. „Na von mir aus. Klären wir das Problem.“

Schon zischte Fu-Jin wie ein Pfeil durch den Saal. Schier schwerelos flog sie von Gerüst zu Gerüst und schleuderte ihr Shuriken diagonal auf ihren Gegner hinab, der anfangs erhebliche Schwierigkeiten damit hatte, das rotierende Geschoss abzuwehren. Er warf ihr einen Feuer-Zauber nach, doch sie parierte ihn geschickt mit einem Eis und rannte auf der Wand entlang, als hätte sie Saugnäpfe an den Sohlen, sprang endlich ab und mit einem gellenden Schrei auf ihn zu. Er wich aus, wirbelte die Gun-Blade herum und stieß sie gegen die Schneiden ihrer Waffe, dass es Funken regnete. „STIRB!“, schrie sie, befreite den Wurfstern aus der ringenden Umarmung und attackierte sogleich wieder, nur um erneut auf das fremde Eisen zu treffen, wie sie ein solches vorher noch nie erlebt hatte.

„Nun mal langsam!“, kam es amüsiert von dessen Besitzer, der jedem ihrer auf ihn einhagelnden Streiche verteidigend begegnete, selbst aber nicht zuschlug. Nun, wo er ein Gefühl für ihren Takt entwickelt hatte, war es ihm ein Leichtes, mit der Offizierin mitzuhalten.

Und da wusste sie, dass er einer dieser SEED-Anwärter war.

Sie hielt nichts von der Entscheidung ihrer Vorgesetzten, den Söldnerkadetten aus Balamb Zutritt in diese Basis zu gewähren. Die jungen Leute sollten hier nicht frei herumwandeln dürfen – geschweige denn an den Geräten pfuschen und schon gar nicht mit den Angestellten kokettieren, und das würde sie den Befehlsgebern auf ihre Art jetzt auch mitteilen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie einen Menschen auslöschte.

Stahl rauchte, schnellte durch die Luft, silberne Schweife beschreibend. Als er zurückfiel, konnte Cifer die Hitze an der Klinge riechen. Durch den kaum sichtbaren Dampf hinweg ließ er seine Kontrahentin nicht aus den Augen. Sie keuchte. Er selbst auch.

Aber nur einer von ihnen sank letztlich vor Erschöpfung zu Boden.

Tick, tack. Tick, tack. Er wusste, dass irgendwo eine digitale Anzeige das Verstreichen einer halben Stunde anzeigte. Tick, tack. Tick, tack. Genau… jetzt.

Rai-Jins Mund stand sperrangelweit offen; seine Augen waren dem Beispiel gefolgt. Die gewaltigen Arme zu beiden Seiten gestreckt, leicht nach vorne gebeugt, als setzte er zu einem Flug an, stand er abseits der verebbenden Action und wirkte wie eingefroren. Wenn er das, was er sah, kommentieren wollte, so fand er jedenfalls keine Worte. Nicht die passenden, sollte man korrigieren, denn für ein langatmiges „Scheiße“ reichte es schließlich doch noch.

„In mir findest du deinen Meister“, sprach Cifer erhaben. „Nicht in Galbadia. Und ich verlange von dir, dass du dein Leben von nun an selbst bestimmst. Geh mit deinem Bruder und mach, was immer du machen willst.“

„Unmöglich“, erwiderte die junge Frau, doch es verfügte nicht einmal über die Hälfte ihrer vorhergehenden, frostigen Überzeugung. Es war, als hätte Cifer durch seinen Sieg einen bösen Geist aus ihr exorziert. Das schien auch Rai-Jin zu erkennen, denn endlich traute er sich aus seinem Versteck. „FU-JIN!“, brüllte er unglaubend.

„Rai-Jin“, gab sie zurück, und sie klang so neutral, dass der Hüne sich nicht länger halten konnte. Er stürmte los und schleuderte seine Arme um ihren zarten Leib, die doch mehr konnten als zuschlagen. Cifer glaubte, ihn sogar schluchzen zu hören – jedenfalls gab er ein äußerst merkwürdiges Grunzen von sich, das irgendwie beschämt klang. Er wollte die Wiederhabensfreude seines riesigen Freundes, welche so berührend, dass sie schon wieder lächerlich war, ungerne schmälern, aber seit dem Verstreichen der halben Stunde hatte er nicht aufgehört, die Ticks zu zählen. „Lasst uns jetzt schnell von hier verschwinden.“

Rai-Jin wirbelte ihm sein nichts kapierendes Gesicht zu. „Wieso?“

„Weil uns hier gleich alles um die Ohren saust.“

Nun ließ er Fu-Jin los und seinen Körper dem Gesicht folgen, breitete seine Extremitäten aus, dass er da stand wie ein Wild Hook mit der Miene eines Gespers. „WAAAAAS?!“

„Nun dreh nicht gleich durch.“ Der Balamb-Student steckte seine Gun-Blade ein. „Wir sollten es noch bis zum Helikopter schaffen.“

„WOVON ZUR HÖLLE FASELST’E DA EIGENTLICH?!“

Cifer antwortete ihm mit einem amüsierten, selbstgefälligen Grinsen – eines, das in seinem Garden einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt hatte. Man – wie Rai-Jin noch feststellen würde – fürchtete es förmlich. Schon jetzt wusste er, warum. Ein schrilles Ringen wie von einem sehr aufdringlichen Wecker dröhnte durch die Räumlichkeiten.

„DER ALARM?!“

„Sprengstoff“, erklärte Cifer, stolz wie ein kleiner Junge. „Ich habe überall welchen angebracht und gezündet. In ein paar Minuten wird man uns nicht mehr vom Wüstensand unterscheiden können!“

Das also hatte er während seiner kurzen Abwesenheit getan!

„WARUM?!“, brüllte Rai-Jin, dass allein sein Atem die falbe Frisur des Kleineren durcheinanderbrachte.

„Hab’ ich dir doch erzählt: Galbadia kotzt mich einfach an.“

Obwohl die Antwort seine Irritation keineswegs beseitigt hatte, langte Rai-Jin nach der Hand seiner Schwester und folgte dem unglaublichen SEED-Anwärter. Auch wenn er ihn nicht ausstehen konnte: Jetzt musste er auf ihn vertrauen. Trotz dieses krassen Manövers schien er zu wissen, was er tat. Überhaupt drehte dieser Almasy wohl sein eigenes Ding, denn dass die Sprengung irgendwie im Sinne seiner Auftraggeber oder des Gardens war, daran glaubte Rai-Jin nicht für die Dauer eines Lidschlags.

„Die beiden fliegen mit.“

Unter ihnen zerbarst die galbadianische Basis mit einem augen- und ohrenbetäubenden Knall. Es rumpelte stark. Zischende Metallteile schrammten rachsüchtig über die Haut des Hubschraubers, und die zahllosen Kleinteile des Gebäudes wirkten auf den dunkelhäutigen Stockkämpfer wie ein in die spiegelverkehrte Richtung prasselnder Regen. Der Himmel färbte sich rot, grau, schwarz. Ihm war, als wäre die Welt gerade dabei, unterzugehen. Die totale Apokalypse.

„Ich hab’ Hunger“, offenbarte Cifer gelangweilt in die schreckerstarrte Runde, ehe er auf die beiden Plätze neben dem seinen wies. „Setzt euch doch.“

Die beiden ungleichen Geschwister landeten in einer ihnen völlig fremden Welt.

Das prächtige Gebäude des Gardens thronte vor malerischen Bergen, deren weiße Gipfel unter einer friedlichen Sonne blendend leuchteten, und bis weit über das Ende des Sichtfeldes hinaus erstreckten sich paradiesische Grasebenen.

„Wie willst’e das ma’ deinen Bossen erklären?“, wandte sich Rai-Jin an den jungen Mann.

Der zuckte bloß mit den Schultern. „Gar nicht. Selbst wenn der Garden davon erfährt: Ich bin ein bisschen Aufruhr gewöhnt. Kommt ihr mit?“

Fu-Jin musterte ihn und war wohl einverstanden.

„Ich nicht“, lehnte Rai-Jin entschieden ab. „Ich hab’ keinen Bock auf die Scheiße.“

„Okay?“, kommentierte er ihn sparsam und sah zu, wie der Muskelprotz auf den Hof des Gardens zusteuerte. „Heute Abend Vorstellung beim Direktor, Herkules, kapiert?“, rief er ihm noch nach. Mit seiner kräftigen Hand winkte Rai-Jin ab.

Als er weg war, regte sich Fu-Jin. Sie wandte ihm ihre gesamte Front zu, steif und bereit, jemanden umzulegen. Wann hatte sie eigentlich damit angefangen, ihn als eine Art Oberbefehlshaber anzusehen? „Bitte um Spracherlaubnis.“

„Erlaubnis erteilt.“

„Ziel unklar. Mission?“

Cifer verschränkte die Arme und fragte sich, ob sie es jemals begreifen würde. „Keine Mission. Mission Ende.“

„Suspension?“

„Ja. Schicht im Schacht.“

Die Offizierin entspannte sich, was bei ihr bedeutete, in der Steifheit beweglich zu werden, und ließ das Haupt sinken. Er sah auf sie hinab und verstand, dass sie Furcht entwickelte. Furcht davor, nicht zu wissen, was sie tun sollte.

Nachdem Rai-Jin sein Heimweh überwunden hatte, indem sich zumindest seine Faust einige der fremden Gesichter eingeprägt hatte – oder eher einige der fremden Gesichter seine Faust – kehrte er rechtzeitig zurück und wirkte deutlich erleichterter. Auf die dumpfen Geräusche seiner Schritte folgten die Wucht einer aufsprengenden Tür sowie sein gewaltiges Stimmorgan: „FU-JIN!“

„Rai-Jin“, begrüßte sie ihn knapp. Ein Ritual, welches Cifer noch einige Male zu hören bekommen sollte, bis es ihn zu stören begann.

„BLONDIE!“, brüllte Rai-Jin noch einmal.

„Rai-Jin“, wiederholte der Gemeinte den seltsamen Brauch mit geringem Interesse.

„Der fette King vom Garden erwartet uns ma’, richtig?“

„Sein Name ist [Direktor Cid Kramer]. Schreib dir das hinter die Löffel, sonst fliegst du schneller als du fluchen kannst.“

„WAS WILLST DU?!“, fing das Ideal-Exempel der "Muskel statt Hirn"-Theorie schon wieder an und drohte ihm mit der Faust. Cifer hatte nicht vergessen, dass Rai-Jin ihn durchaus töten würde, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Rai-Jin“, ermahnte seine Schwester ihn schließlich, und er wurde still.

Die Beziehung der beiden war wie sie selbst eine suspekte Angelegenheit, die man persönlich erlebt haben muss, um sie zu glauben. Und doch oder gerade deshalb konnte Cifer Almasy ein motivierendes Interesse an dem Maschinenmädchen und dem gewalttätigen Brüllaffen nicht verleugnen. Sein vorübergehender Ausflug in die Berufswelt eines Sprengstoffexperten hatte ihm Abwechslung geboten, aber die verdiente Erhebung seines Ichs, das Gefühl des zufriedenen Stolzes bereitete ihm allein die Tatsache, diese Menschen gerettet zu haben. Er brüstete sich mit ihnen, während sie sich auf den Weg zum Direktorat begaben, wie mit zwei lebendigen Abzeichen, und schritt gleich einem legendären Kriegsveteranen den Rundgang der großen Halle entlang, vorbei an all den Musterstudenten, die sich seit jeher von ihm fernhielten wie von einer Tretmine. Er genoss die verwirrten Blicke, die sich an das unbekannte Dreiergespann hefteten, und ihm war, als wäre es niemals anders gewesen – als marschierte er schon von Anfang an so durch den Balamb-Garden, flankiert von Fu-Jin und Rai-Jin, von nun an tätig als…

„…ORDNUNGSDIENST?!“, fragte Rai-Jin nach und brachte den Fahrstuhl zum Vibrieren, dessen Tür sich gerade hinter ihnen geschlossen hatte.

„Korrekt“, bestätigte Cifer, selbst erstaunt über die Entscheidung des Direktors, dem berüchtigten Troublemaker die Leitung ausgerechnet dieses Komitees anzuvertrauen. „Wir sind jetzt für die Ordnung des Gardens zuständig.“

„Hört sich verdammt scheiße an!“, regte Rai-Jin sich auf und ließ die Fäuste knirschen. „Ich HASSE Ordnung! Ich halt’ mich ma’ nicht an so’n Scheiß!“

Und die beiden… Dass der alte Kramer bereits so viel Vertrauen in sie steckte, verwunderte Cifer. Sicher: Die Übernahme und Ausführung dieser Pflichten stellte die Gegenleistung für seine Bitte dar und war durchaus mit einiger Arbeit verbunden. Andererseits war allgemein bekannt, dass der Ordnungsdienst eine nicht zu unterschätzende Macht besaß und großen Einfluss innerhalb des Gardens ausübte. Er erhielt ein geringes Budget; zudem standen ihm sämtliche Schlüsselkarten zur Verfügung. Diese Garde brauchte Verantwortungsbewusstsein, einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und einen unerschöpflichen Schatz an Geduld – alles Dinge, die sie nicht aufweisen konnten. Was verfolgte der Direktor also für ein Ziel?

„Aber das heißt, dass wir bleiben dürfen“, sah Rai-Jin plötzlich ein und wirkte bewegt. Er mochte sich noch so grob und bösartig geben: Die Erkenntnis, dass seiner Schwester nun ein Ort des Rückzugs und der Sicherheit gegeben war, ließ seine Fassade weich werden.

Das Trio stieg aus und steuerte auf die Quartiere im Norden des Gebäudes zu.

„Unter der Bedingung, dass ihr euch angemessen verhaltet“, mahnte Cifer die Geschwister. „Das hier ist ein Garden, keine Gummizelle. Das bedeutet, dass hier nicht einfach mal herumgeprügelt wird, klar?“

Rai-Jin, der sich dadurch in seiner Freiheit erheblich eingeschränkt meinte, brodelte. „ICH LASS’ MIR NI…!“

„Rai-Jin!“, unterbrach ihn die abkühlende Stimme seiner Schwester, ehe diese sich an ihren neuen Chef wandte: „Verstanden.“

„Ihr werdet beide an euch arbeiten müssen“, erklärte der ihnen ernst. „Nicht nur an eurer Art. Auch an eurer Sprache und eurem Auftreten – an allem eben. Zuerst mal braucht ihr etwas Neues zum Anziehen…“

„Ich will ma’ was Protziges!“, fiel Rai-Jin ihm da in den Satz.

„Uniform“, stellte auch Fu-Jin gleich klar.

Der Blick der hellgrünen Augen wandte sich an den Älteren.

„WAS IST, HACKFRESSE?!“, keifte der den Besitzer an.

„Du scheinst das Wort [mal] sehr zu mögen“, grübelte Cifer mit einem schmalen Lächeln.

„UND WENN SCHON: NA UND?!“

„Wie wär’s, wenn du versuchst, immer ein mal zu verwenden, wenn du laut werden oder Ausdrücke benutzen willst?“

Rai-Jin war überzeugt, dass der Typ ihn auf den Arm nehmen wollte, und sicherlich hatte er da nicht ganz Unrecht. Er wollte seine Antwort ihm seine Gun-Blade fressen lassen, allerdings stand Fu-Jin unmittelbar neben ihm und starrte ihn abwartend an. „Naaaaa… guuut…“, würgte er hervor.

Fu-Jin stieß ihm die äußerst brutale Spitze ihres mit Metallkappen versehenen Stiefels gegen das Schienbein. Er jaulte laut auf.

„WOFÜR WAR DAS?!“

Sie legte eine Hand auf die Mitte ihrer Brust. „Kontrolle. Bei Fehlverhalten: Strafe.“

Cifer lachte.
 

Rai-Jin blies ein langes Seufzen der Resignation und Entkräftung aus.

„Das glaube ich nicht“, sagte Quistis, schwankend zwischen Erstaunen und Skepsis. „Das soll er für euch getan haben? Er?“

Xell hingegen schien keine Probleme damit zu haben, alles, was er soeben erfahren hatte, bar eines schlechten Gewissens anzuerkennen. „Wow!“, machte er, durchaus beeindruckt. „[That’s almasing].“

„Nichtsdestotrotz“, begann Squall, den die Geschichte augenscheinlich in gar keine Richtung bewegt hatte, „müssen wir ihm nach. Er muss für seine Verbrechen geradestehen. Wenn ihr wirklich seine Freunde seid, dann lasst uns gehen.“

„Aber…!“, protestierte Rai-Jin schwach.

„Ich verspreche, dass ihm nichts passieren wird. Er wird einer Strafe wahrscheinlich nicht entgehen, aber ich werde versuchen, zu erwirken, dass sie so gering wie möglich ausfällt. Ihr habt mein Wort darauf.“

„Squall“, sprach ihm seine ehemalige Ausbilderin vorsichtig zu. „Glaubst du wirklich, dass das richtig ist? Cifer wird das merken und sich denken: "Egal, was ich tue: Ich komme ja sowieso wieder glimpflich davon". So wird er seine Lektion niemals lernen.“

„Möglich“, gab der SEED-Anführer zu. „Auf der anderen Seite kann ihm diese Lektion auch niemand anderes beibringen als er selbst. Wenn er nicht bereit ist, zu begreifen, dann können wir ihn auch mit allen Strafen dieser Welt nicht zur Besinnung bringen. Cifers größte Vergeltung für seine Taten ist er selbst. Ich glaube nicht, dass er wirklich zufrieden mit seiner gegenwärtigen Situation ist.“

„Was passiert, wenn er es mal nicht begreift?“, fragte Rai-Jin.

„Dann wird er ewig weitermachen. Er wird bis an sein Ende der Rebell bleiben, der er jetzt ist, und kämpfen.“

„Negativ!“ Fu-Jin machte eine wegwischende Geste.

„Genau!“, fasste ihr Bruder wieder Mut und Tatendrang. „Wir werden mal dafür sorgen, dass es nicht dazu kommt!“

„Und wie wollt ihr das anstellen?“, interessierte es Quistis, und obzwar ihr Tonfall sich nicht von der alles, was mit Cifer zu tun hatte, betreffenden Missgunst befreien konnte, interessierte es sie ehrlich.

„Darüber…“, zog Rai-Jin seine Antwort in die Länge, „müssen wir uns erst mal noch beratschlagauaaaaa~!“ Er packte seinen malträtierten Fußknöchel mit beiden Händen und hüpfte auf dem anderen Bein herum.

„SEED! Geh!“, rief Fu-Jin stattdessen resolut und hob den Arm in Richtung Deling City. Es klang wie ein Befehl, aber Squall wusste, dass es eine Bitte war. Rette Cifer… Lass nicht zu, dass er sich keine Ruhe finden lässt… Er konnte sie förmlich aus ihren Augen lesen. Er nickte. „Wir brechen auf.“

Quistis sprach nicht ein. Nachdem Squall zielstrebig vorausgegangen war, folgte sie ihm mit kleinem Abstand.

„Brauchst’e mal ’ne Goldnadel?“, fragte Rai-Jin Xell sarkastisch, welcher noch immer in seinen Gedanken versunken schien. „Oder warum stehst du hier mal noch rum?“

Das direkte Ansprechen wirkte auf den versteinerten Hobbyboxer wie ein Wecker auf einen Schlafenden… oder eben wie eine Goldnadel.

„Was?! Ähhh, ja… Wie? Squall? Ah, Scheiße! Ich muss los! Tschüss, Leute!“

Mit fliegenden Schritten schloss er zu seiner Gruppe auf, die an den übrigen zwei T-Bikes auf ihn wartete. Nachdem sie aufgestiegen und in der Ferne komprimiert waren, ließen sich die beiden Geschwister, schwer wie zwei Säcke voll Gil, auf den Boden fallen. Ihre Waffen klirrten, als sie den Grund berührten.

„War das mal okay“, atmete der Hüne geschafft, „dass wir ihnen unsere Geschichte mal erzählt haben?“

„Zu spät.“

„Hast ja Recht. Aber… es überkam mich mal einfach, und…“

„Ruhe!“

Er zuckte zusammen. Rai-Jin war stolz darauf, dass es kaum etwas gab, vor dem er Angst hatte, aber die eisige Stimme Fu-Jins ängstigte ihn wie am ersten Tag, als sie damit angefangen hatte.

„Erklärung unnötig“, sagte seine Schwester sanft. „Vollstes Verständnis…“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Phantom
2014-11-18T20:22:00+00:00 18.11.2014 21:22
Rahir schrieb am 24.04.2008 auf FanFiktion.de:

Ich bin’s, dein Literaturpapst XD

„Das ist ja Fastfood-Literatur“, näselte einst Marcel Reich-Ranicky abwertend, doch dein Werk kann er nicht gemeint haben, denn

a) Hat er es höchstwahrscheinlich nie gelesen
b) Trifft es auch in keinster Weise zu

Denn im Gegensatz zu so mancher Populärliteratur hinterlässt die Lektüre deines Schaffens keinen schalen Nachgeschmack, sondern ein wohliges, mentales Sättigungsgefühl. Eines ist mir aber aufgefallen, und zwar der Satz:

„Er steht unter Verdacht, die Tochter des galbadianischen Präsidenten entführt zu haben“

Sollte da nicht eher Laguna gemeint sein…? Wie auch immer. Endlich existiert eine Vorgeschichte zu Fu-jin und Rai-jin. das wurde ja in der Vorlage völlig ausgespart. Du hast sehr gut geschildert, wie drei Personen, die überall anecken, durch diese Gemeinsamkeit zusammengeschweißt wurden. Die Kampfszene war übrigens ganz gut, ein Fortschritt zu den bisherigen. Da habe ich übrigens einen Tip für dich, was das angeht.
Musik: was bedeutet sie, was kann sie? Grundsätzlich ist sie nichts außer Schwingung, modulierte Frequenz, die Hammer, Amboß und Steigbügel in unserem Innenohr in Bewegung versetzen, wodurch wiederum Nervenenden reagieren und Synapsen mit elektrischen Impulsen versorgen… doch was ist sie WIRKLICH? Sie ist pure Energie, sobald sie unsere Seele, unseren Geist erreicht! Dort kann sie gewaltige Energieschübe auslösen, ja dort ENTSTEHT sie erst! WIR erfüllen sie mit Leben, den sonst hat sie keines. WIR verleihen ihr die Bedeutung, wir sind der Stein, der durch einen kleinen Auslöser ins Rollen gerät. Genauso, wie der Mond nicht am Himmel hängt, wenn niemand hinschaut, so entfaltet Musik ihre Wirkung erst durch den aufnahmebereiten Zuhörer. Ich schreibe immer mit Musik, und sie hat nie ihre Wirkung verfehlt. Speziell für Kampfszenen wie auch für jedes andere Thema habe ich eigene Playlisten, aber ein Stück wirkt immer: ‚Divinity‘ aus dem Advent Children Soundtrack. Ich kann dir das nur ans Herz legen. Dreh diese Musik richtig laut auf, und die spektakulären Szenen werden nur so aus der Tastatur fließen. Bei mir zumindest ist es so… :-)
Von: abgemeldet
2008-09-07T10:01:18+00:00 07.09.2008 12:01
Cool, super gesichte
arme fujin, armer rajin, ach der gute cifer,
manchmal tut er ja was rechtes^^
wunderschön erzählt, echt
"Seit ihr echt bereit für ihn drauf zu gehen?"
Das konnte Xelll ja nicht verstehen

Da richtete sich Rai-Jin zu voller Größe auf. „Hört endlich auf damit!
Odins finstere Ankündigung „Eisenschneider“ hätte nicht furchteinflößender klingen können.
Cooler Vergleich zusammmen mit Unterstaubwedel die besten Wortdingse der Welt^^


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