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Caileen, die Drachenprinzessin

von

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In der Schlacht

Von Hoch oben in den Lüften beobachtete Kazary das Geschehen am Boden. Ihr Heer fasste gewiss einige Hundert Männer und Frauen, aber ob es wohl ausreichte? Man konnte nie wissen, was die Herren von Xu als nächste Teufelei planten.

Späher hatten berichtet, dass die Dunkelelfen ein weiteres Dorf eingenommen hatten und wieder einen Angriff auf Dorien planten. Ohne Verzögerung hatte Meleander zur Heerschau gerufen und so viele Krieger wie möglich nach Bresna geschickt, dem Objekt der Begierde von Xu. Kazary konnte es nicht glauben, dass die Dunkelelfen ausgerechnet Bresna als nächstes Eroberungsziel vorsahen. Es war eine friedliche, idyllische Stadt im Osten von Dorien, die hauptsächlich von Menschen und Halbelfen bewohnt wurde. Was mochte sie Xu schon nützen! Lange hatte die Elfe darüber nachgedacht, hatte sich erkundigt, ob die Stadt vielleicht geheime Schätze barg, aber nichts dergleichen. Als sie Daeron gefragt hatte, hatte dieser nur erwidert, dass es symbolisch gemeint sein müsste. Die Dunklen vernichten die Idylle, eine Botschaft an alle Einwohner Doriens. Vielleicht mochte das so sein, aber etwas stimmte hier nicht. Dessen war sie sich sicher.

Auch Arsinoe hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache, die gesamte Geschichte hatte ihr von Anfang an nicht gefallen. Allein schon die Tatsache, dass niemand wusste, weshalb Elfen und Dunkelelfen diese Blutfehde hielten…

„Sie kommen!“, hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf.

Zustimmend erwiderte die Drachin: „Dann auf ich den Kampf!“

Gemeinsam mit den anderen Drachenreitern erhoben sich auch Kazary und Arsinoe höher in die Lüfte, schließlich fächerten sie sich auf, um eine möglichst große Fläche absichern zu können. Die Elfe und ihre Gefährtin bezogen Stellung an der rechten Flanke. Es ließ nicht mehr lange auf sich warten, bis sich ihnen in nicht all zu weiter Ferne, Reihe um Reihe von Gestalten mit Schwarzen Haaren, violetten, katzenhaften Augen und entweder grauer oder dunkelbrauner Haut näherte. Sie alle trugen Schwarz, sei es der Stoff ihrer Roben, oder aber die Ruß gefärbten Brustpanzer und Beinschienen. Weder Arsinoe noch Kazary hatte, seitdem ihr Erinnerungsvermögen zunahm, einen reinen Dunkelelf gesehen. Doch jetzt, da sie ihnen wieder gegenüberstanden, schienen die Bilder von einst wieder in ihnen aufzuleben. Ohne es zu wollen, hatten sie wieder das Leid und das Grauen vor Augen, das von den Dunklen ausging.

Über all das hinweg tönte des Hauptmanns Stimme, die unermüdlich neue Befehle erteilte. Kazary fragte sich, wie er wohl damit fertig wurde, so viel Schreckliches zu erleben und immer wieder mit zu erleben, wie all jene, die ihm von Bedeutung waren, dahingerafft wurden. War es die Hoffnung auf eine bessere Welt, die ihn die Bereitwilligung verlieh, all das Morden auszuharren, war es nur das Ausführen eines Befehls in untertänigster Treue gegenüber seinem König? Vielleicht war es auch etwas anderes. Die Elfe erinnerte sich, wie Lavinia ihr bei ihrem ersten Treffen mit Daeron erzählt hatte, wie er seine Geliebte im Krieg verloren hatte, und dass er seit dem kaum noch mehr als ein an der Hoffnung verzweifelnder, halber Elf gewesen war. War es möglich gewesen, dass er den Tod im Kampf gesucht hatte? Mittlerweile wusste Kazary ja, dass sie jene Geliebte gewesen war, ehe alle Verbindungen zu ihren einstigen Leben gerissen waren, doch nun, da sie lebte, verstand sie nicht, welchen Grund es noch für Daeron gab, weiterhin zu kämpfen.

Das Geräusch von sich bewegenden Rüstungen und Waffen unterbrach ihre Gedanken. Daeron hatte den Befehl gegeben, dass die vorderste Reihe ihre Lanzen und Hellebarden senken sollte. Und die Dunkelelfen antworteten. Mit Schrecken sah Kazary, wie einige unter ihnen, die, im Gegensatz du den meisten feindlichen Kriegern, lediglich eine lange schwarze Robe und einen ebenso schwarzen Kapuzenumhang trugen und mit Schädel geschmückten Schlagstäben gerüstet, eine Art düsteren Singsang einstimmten, fast klang es schon wie eine Rezitation, während der Rest der feindlichen Truppen unbeeindruckt durch sich ihnen entgegenreckenden Waffen weiter in beinahe schon Furcht einflößend disziplinierten Reihen auf sie zumarschierte. Welcher Dämon sie wohl zu solch einer selbstmörderischen Strenge ritt? Kazary´ s Entsetzen nahm noch mehr zu, als sich plötzlich eine Art dunkler Nebel auftat, unter dem einige der Lanzenträger ohne Widerstand zusammenbrachen.

„Was ist das für eine Teufelei…?“

„Schwarze Magie“, erklärte Arsinoe, „Die Dunklen sind Meister der Flüche und Nekromantie.“

Schlagartig hatte Kazary das Bild des Attentäters vor Augen, der auf dem Fest des letzten Jahres den König zu ermorden versucht hatte. Elfen und Dunkelelfen, überlegte sie, waren wie Tag und Nacht, zwei Pole, zwei Seiten derselben Medaille, da war es nur logisch, dass, wenn die Hochelfen ihre Magie im Einklang mit der Natur woben, die Dunkelelfen sich mit ihren Zaubern wider alles Natürliche richteten. Trotzdem schienen ihre Banngesänge nicht auszureichen, denn bald schon beobachtete Kazary, wie die Reihen verfeindeter Krieger aufeinander prallten. Es hatte also begonnen. Sie hoffte nur, die Einwohner Bresna´ s hatten, wie angeordnet, sich aufgemacht, die Stadt zu verlassen und waren wohlbehalten auf dem Weg nach Tirganach, wo sich mittlerweile etliche und abermals etliche Flüchtlinge tummelten.

Der Klang eines Schlachthorns hieß die Elfe, gemeinsam mit Arsinoe nach vorne zu preschen. Zusammen mit Lavinia und zwei anderen Drachenreitern, die sie nur flüchtig kannte, ließen sie sich im Sturzflug auf das Geschehen unter ihnen herab. Aus den Augenwinkeln beobachtete Kazary noch, wie Daeron sich nahe der Stadtmauern auf Falrach hielt, um die Ereignisse im Blickfeld zu haben. Dann eilten sie und ihre Gefährtin dem Erdboden entgegen. Wind peitschte ihr ins Gesicht und riss an ihren Haare und Kleidern, doch der Elfe machte es nichts aus. Immer und immer wieder stoben Flammen um sie herum, die die Körper der Feinde verbrannten, und unzählige Male stießen sie und Arsinoe herab, um ihren Kameraden am Boden zu Hilfe zu eilen, indem das Drachenweibchen einen Dunkelelf mit ihren Klauen und Zähnen packte und hinfort warf. Bald schon hatten sie einen Großteil der feindlichen Reihen aufgebrochen. Da entdeckte die Elfe am Boden eine zusammengekauerte Gestalt. Als sie nahe genug waren, erkante sie einen Menschenkrieger, der sich über etwas beugte. Im raschen Landeflug ließen sich die Reiterin und das Drachenweibchen nieder und mit wenigen Sätzen war die Elfe auch schon zu dem Krieger geeilt.

„Was gibt es, Mann?“

„Schnell, sie braucht Arznei!“, rief ihr der Mann mit verzweifelter Stimm entgegen.

Vor ihnen lag eine Frau mit zerschmettertem Harnisch, eine tiefe Wunde klaffte in ihrer Brust. Den Blicken des Kriegers nach erkannte Kazary, dass er diese Frau einst geliebt hatte.

„Wir werden euch beide in Sicherheit bringen!“, entgegnete sie, während sie sich umsah.

Überall um sie herum hatten sich nun auch die anderen Drachenreiter niedergelassen, um die schwer verwundeten vom Schlachtfeld zu bringen. Der Krieg war noch nicht vorbei, doch war es erst einmal wichtiger, jene zu retten, für die es noch Rettung gab. Vorsichtig und darauf bedacht, der Frau nicht noch mehr zu schaden, hob Kazary sie hoch und trug sie auf Arsinoes Rücken. Dann hieß sie dem Mann, sich hinter ihr nieder zu lassen.

„Bring sie zu Elodris, sie sollte an der Südseite der Stadt ein Lager errichtet haben“, erklärte sie, während die Drachin sich erhob. Kazary selbst dachte aber nicht daran, untätig zuzusehen. Die anderen Drachenreiter begleiteten die Verwundeten, doch für war es noch nicht zu Ende. Unverfroren zog sie ihr Schwert aus der Scheide und schritt ihren Feinden entgegen. Viele der noch auf dem Schlachtfeld verbliebenen Kämpfer taten es ihr gleich. Auch wenn die Schlacht so gut wie gewonnen war, durften sie es nicht riskieren, dass sich die Dunklen noch einmal formierten. Vielleicht war es ja grausam, so zu denken und zu handeln, doch es war die einzige noch bestehende Möglichkeit, wenn sie das fortbestehen von ganz Dorien sichern wollten. Sie durften keine Gnade im Kampf zeigen, so wie es die Dunkelelfen selbst taten.

Ein seltsames Gefühl kam in ihr hoch, während ihre Klinge einen Gegner nach dem anderen durchbohrte und niederstreckte. Sie wusste es nicht recht zu beschreiben, doch es hatte etwas Vertrautes an sich, das ihr die Nackenhaare sträubte und ihr Blut in Wallung brachte. Sie tötete nur ungern und auch nur dann, wenn es notwendig war, aber an diesem Tag fiel es ihr ungemein leicht. Auch das Kribbeln, das durch ihre Finger fuhr und das Gefühl der Trance, nichts mehr empfinden als den monotonen Klingetanz, das Spritzen und Fließen von Blut…all das war so einfach und gewohnt wie noch nie zuvor, und wenn sie nicht wüsste, das es nicht ihr Art war, so hätte sie letztendlich gedacht, dass sie Gefallen daran gefunden hätte.
 

„Sieg! Sieg!“

Erschöpft stützte sich die Elfe auf ihr Schwert und lauschte den freudigen Rufen ihrer Mitstreiter. Wahrlich, sie hatten das feindliche Heer vernichtet. Die Elfe war froh, dass es nun vorüber war und die Stadt sicher war, aber ebenso überkam sie das seltsame Gefühl, dass ihnen dieser Sieg einfach zu leicht in die Hände gefallen war. Schließlich schob sie ihre Waffe zurück in die Scheide und machte sich grübelnd auf die Suche nach dem Lazarett. Unterwegs traf sie auf etliche Krieger, einige verwundet, andere unversehrt, doch alle jubelten sie über diesen Erfolg. Zumindest war dieser leichte Sieg gut für ihre Gemüter und ihr Selbstvertrauen.

Endlich erreichte sie das Lazarett und Elodris´ Lager an der Südmauer der Stadt, wo Arsinoe und, zu ihrer Verwunderung, auch Silayn bereits auf sie warteten. Viele Leute hatten sich hier versammelt, um sich von Elodris und den anderen Heilern versorgen zu lassen. Im Vorübergehen erkannte Kazary auch den Krieger und seine Geliebte, dem es schob besser zu ergehen schien. Plötzlich taumelte jemand auf sie zu, ein kokettes Lächeln reckte sich ihr entgegen.

„Lavinia?“

Ihre Freundin trug einen Verband um den Kopf und hielt sich auf einer Krücke. Scheinbar war sie eben erst behandelt worden. Auch ihre Kleidung, ein Kettenharnisch und eine grüne Tunika, waren zerschlissen und blutgetränkt. Trotz allem lächelte sie. So wie es aussah, hatte die Nachricht vom Kriegsausgang wohl schon das Lazarett erreicht.

„Du siehst angeschlagen aus“, bemerkte die Elfe und lächelte zurück, „Was hast du wieder angestellt?“

„Ein Missgeschick, nichts von Bedeutung“, wehrte Lavinia ab.

Einen Augenblick verweilten sie noch bei dem Lager, um sich die verschiedenen Berichte anzuhören, die die Versammelten zum Besten gaben, und machten sich dann auf, um Hauptmann Daeron zu suchen. Diesen fanden sie schließlich gemeinsam Falrach auf dem Schlachtfeld, wo sie, wie viele andere auch, die Leichen beseitigten.

„Hauptmann, ein glorreicher Ausgang heute!“, grüßten ihn die Frauen und salutierten nach Art der Drachenreiter.

„Heute vielleicht…aber was ist morgen?“, entgegnete Daeron und es klang, als spräche er mehr zu sich selbst, „Wir haben sie Schlacht gewonnen, nicht aber den Krieg. Wir dürfen nicht zu überheblich werden.“

Dem hatten Kazary und Lavinia nichts entgegen zu setzen. Sich weiterhin unterhaltend halfen sie beide, Kazary mit ganzem Einsatz, Lavinia so gut es mit den Krücken ging, dem Elf bei der Arbeit. Erst jetzt fiel der Rothaarigen auch auf, dass sie zwei Haufen hatten: Einer für ihre eigenen Gefallenen und einer für die der Dunklen. Seltsamerweise empfand Kazary Mitleid für die letzteren. Schließlich mussten auch sie Familien und Freunde gehabt haben, auch wenn sie eher zwielichtige Personen waren.

Auch Lavinia schien dies nicht unbehelligt geblieben zu sein, und wandte sich fragend an ihre Kameraden: „Hieß es nicht einmal, die Dunkelelfen und wir Elfen des Lichts seien verwandt?“

„Das war einmal“, erwiderte Daeron kopfschüttelnd, „Vor vielen vielen Jahren…jetzt sind wir aber nichts weiter, als zwei entfremdete Häuser.“

Nachdenklich blickte die Blonde zu den beiden Leichenbergen. Wenn die Elfen von Dorien und Xu einst blutsverwandt waren, weshalb mussten sie dann gegen einander kämpfen? War ein solcher Krieg nicht sinnlos? Aber dann wären ihre Brüder auch sinnlos gefallen.

Erst jetzt bemerkte sie, dass Kazary stehen geblieben war und ihr zur Aufmunterung eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. Die Elfe konnte gut nachvollziehen, wie ihre Freundin sich fühlen musste, denn auch, wenn ihr vergangenes Leben ihr noch recht fremd schien, hatte es sie trotzdem getroffen, erfahren zu müssen, dass Vater und Mutter durch Krieg und Trauer dahingeschieden waren.

„Du denkst an Valerias und Livon?“, erriet sie Lavinias Gedanken mit dem Versuch eines Lächelns, „Keine Sorge, sie haben ihr Leben gelassen, um unser Land zu schützen, als die Grenzen angegriffen wurden. So sinnlos all das Blutvergießen hier auch aussehen mag, so haben deine Brüder doch für eine gute Sache gefochten.“

Einen Augenblick hielt sie inne und sprach erst weiter, als sie schon einige Schritte weitergegangen waren, um ihrem Hauptmann zur Hand zu gehen, der beider Frauen Hilfe benötigte, um den Leichnam eines Reiters und seines Pferdes fortzuschaffen.

„Die Pfade des Krieges sind manchmal unergründlich.“



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