Zum Inhalt der Seite

From bitter to better

Neji - ♥ - Tenten
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

From bitter to better

Titel: From bitter to better

Fandom: Naruto

Rating: FSK 10-12

Thema: “Neuanfang”

Genre: AU, Melancholie, Romantik

Pairing: NejixTenten; HiashixOC (minimal angedeutet)

Warning: Der Anfang wirkt ziemlich düster und trostlos, lasst euch nicht davon abschrecken^^ Es erschien mir am passend, damit das nicht so klischeehaft und schnulzig wird, sondern richtig romantisch.

Disclaimer: Nichts gehört mir, außer der Idee und der Umsetzung, von der ich bitten möchte, dass sie niemand übernimmt. (Hat mich Ewigkeiten gekostet mir das auszudenken!)
 

Hier ist mein Beitrag für die neueste Wichtelaktion des Neji/TenTen-Schreiber-Zirkels.
 

Und ich bewichtle: Sayuri089 ^^ *tadadadaaaa*
 

Nun musst du selbst beurteilen, ob du damit Glück hattest, dass die Wahl auf mich fiel oder nicht xD Ich hoffe, es gefällt dir wenigstens ein bisschen und dass ich deinen Wunsch nach Poesie so umgesetzt habe, dass es dir entgegen kommt.
 

Und ich möchte mich hier gleich noch mal entschuldigen, weil es so lange gedauert hat. TT___TT Verdammtes Internet. Verdammte Vorabiture. Es tut mir so wahnsinnig leid! Dabei sollte es doch zu Valentinstag erscheinen T.T GOMEN!!!
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Er starrte das alte, schon vergilbte Papier hasserfüllt an. Als könnte er damit die Worte auslöschen, die dort mit schwarzer Tinte niedergeschrieben waren. Das Blatt war schon weich und zerknittert, da er es so oft, unzählige Male, zerknüllt hatte, wann immer er die letzte Zeile gelesen hatte. Wie oft hatte er es in den Mülleimer geworfen und dann wieder herausgefischt, nur um etwas zu haben, an das er sich klammern konnte, damit dieser Hass in ihm niemals erlosch?

Und er wollte nicht aufhören sie zu hassen.

Für diese Worte, die nicht ihre eigenen waren.

Für dieses Blatt Papier, das Schuld daran war, dass alles in seinem Leben schief gelaufen war.

Wie schon so oft zerdrückte er den Zettel, knetete ihn in seiner Hand durch und ließ sich von den siedend heißen Gefühlen in seinen Adern erfüllen. Wann immer er den Text las, überschwemmte es ihn erneut und ließ ihn lebendig fühlen. Und das gehörte zu den seltenen Augenblicken in seinem Leben, das stumpf, leer und trostlos geworden war. Nur in diesen Momenten… und das war auch der Grund, warum er dieses verhasste Blatt behielt, auch wenn er nicht daran zweifelte, dass er auch ohne diese Worte sie auf ewig verachten würde, aber er zweifelte daran, dass es so intensiv sein würde, so berauschend, so belebend.

Er atmete zittrig durch die Nase ein und tief aus seinem Mund wieder aus. Sein Kopf war wie benebelt von den Gedanken, die seinen Schädel durchfluteten. Bilder vergangener Tage, die wild vor seinem inneren Auge kreisten und den Schmerz in seiner Brust vertieften. Dies elende Stechen, das ihn seit Jahren verfolgte, das aber dafür sorgte, dass die Glut am Leben erhalten wurde, so dass der Hass weiß glühen konnte.
 


 

~… Er sah sich als kleines Kind auf dem Arm seines Vaters sitzend, während seine Mutter neben ihnen beiden stand und lachte… ~

~… Mit einer Hand klammerte er sich als Vierjähriger an den Rockzipfel seiner Mutter, als er sich weigerte zu dem Arzt mit dem merkwürdigen Stethoskop zu gehen und sich trotz Erkältung nicht untersuchen lassen wollte… ~

~… Seine Eltern lachten ihn an, als er Freude strahlend mit acht Jahren seine erste Urkunde für eine Spitzenplatzierung in Karate bekam… ~
 


 

Doch noch bevor er sich ganz auf diese Bilder einlassen konnte, schob sich ein imaginärer Riegel vor seinen Verstand. Er ‚hörte‘ in Gedanken die Worte, die auf dem Schriftstück standen, die er so oft gelesen und wiederholt hatte, dass er sie auswendig beherrschte.

Mit ihrer Stimme ertönten sie. Diese verhasste, warme Stimme, die ihn beinahe in den Wahnsinn trieb.

Und die Bilder brachen zusammen.

Er entfaltete wütend das Papier, stierte auf die Zeilen.

Seine Mutter hatte sie geschrieben…
 


 

~Es war genau fünf Jahre her. Wie gewohnt war er nach dem Aufstehen die Treppe herunter geschlendert und hatte erwartet, in der Küche seine Eltern anzutreffen. Mutter mit ihrem Orangensaft, Vater mit seinem widerlichen Kaffee schwarz und der Zeitung, während er gerade den Börsenteil studierte. So wie immer eben. Der alltägliche Trott, der so routiniert und einstudiert war, dass er sich keinen anderen Tagesbeginn vorstellen konnte.

Doch wie nun einmal das Schicksal spielt, schadet es immer den Falschen…

Denn sie saßen zum ersten Mal seit Jahren nicht dort. Es schwebte nicht der Duft frisch gebrühten Kaffees in der Luft, die Vorhänge waren nicht aufgezogen, sodass auch keine Sonnenstrahlen auf den hölzernen Esstisch fielen. Die Heizung war nicht aufgedreht, woraufhin eine unangenehme Kälte den Raum erfüllte. Man hörte nicht die liebevollen Stimmen seiner Eltern, die sonst immer in einem angeregten Gespräch vertieft waren.

Da war nichts.

Nein, er hatte sich geirrt. Da war doch etwas.

Etwas, das er nie hätte sehen wollen.

Angewurzelt blieb er im Türrahmen stehen, der ihm wie eine Barriere zwischen Traum und Wirklichkeit vorkam. Wenn er einen Schritt zurückgehen würde, wäre er wieder im Flur, nahe der Treppe, auf dem Weg zum geliebten Alltag. Wenn er aber einen Schritt vorwärts ginge, würde er eine Illusion betreten, denn das war nicht normal.

Er schluckte. Es zog ihn magisch an, auch wenn er sich dagegen wehrte. Doch er konnte diesem skurrilen Anblick nicht entgehen. Und so näherte er sich, wohl wissend, dass er damit das gesamte Gefüge seiner bisherigen Vorstellungen über die Welt – seiner Welt – durcheinander oder gar zerstören würde.

Er umrundete den Tisch und…

… schon in diesem Moment wäre er am liebsten schreiend aus dem Haus gerannt, in der Hoffnung, dass es ein Alptraum war, von dem er wieder würde erwachen können, wenn er sich von den Grausamkeiten entfernte.

Dort saß sein Vater gegen ein Stuhlbein gelehnt, zusammengesunken, verrenkt. Der Speichel troff ihm aus dem Mundwinkel, benetzte das blaue Flanellhemd, das er meist zur Arbeit anzog. Seine Hand umschloss eine leere Flasche Wein, die er kraftlos auf den Boden abgelegt hatte. Eine kleine blutrote Pfütze breitete sich unter dem grünen Glas aus, tränkte auch die schwarze Stoffhose. Neben ihm standen noch zwei weitere leere Flaschen, die ebenfalls in Lachen alkoholischer Flüssigkeit lagen. Das Gesicht seines Vaters war aufgedunsen, unrasiert und blutunterlaufene Augen schienen durch ihn hindurchzusehen. Sein langes, schwarzes Haar war strähnig und nicht zu dem obligatorischen Zopf gebunden. Er roch auch auf zwei Metern Abstand den widerlichen Gestank von Alkohol, den sein Vater wohl in Massen getrunken hatte, denn seine Kleidung war damit vollbespritzt.

„Vater?“, fragte er mehr zu sich selbst als an seinen Vater gewandt. Dieser jedoch hob leicht das Kinn und wackelte unnatürlich mit dem Kopf. „Sie is‘ wech, Junge“, lallte er. „Einfach abgehau’n. Ohne ´n Wort zu sagen, ohne Erklärung! Nur so’n beschissener Zettel… Einfach wech, auf Nimmerwiedersehen! Was hab‘ ich falsch gemacht? Sie hatt‘ doch alles… alles gekriegt.“ Mit den nächsten Worten wurde die sonst so beruhigende Stimme lauter und unerträglicher, sodass er zusammenzuckte. „Das Geld aus’er Tasche gezogen, hat sie mir! Un‘ dann haut sie ab! Diese elende Hure! Ich fahr ihr nach un‘ verlang mein Geld zurück!“

Noch bevor er realisiert hatte, was ihm sein Vater hatte vermitteln wollen, war dieser schon schwankend aufgestanden, die Flasche Wein wie eine Keule schwingend. Verängstigt wich er einen Schritt zurück; stützte sich an der Spüle ab, um nicht getroffen zu werden. Sein Vater brüllte inzwischen Ohren betäubend: „Wenn‘ch dich erwisch, du Drecksweib, dann gnad‘ die Gott! Ich mach dich kalt! Geh wech, du Sohn einer Hure!“ Grob stieß er ihn zur Seite, sodass er auf die kalten Fliesen fiel und dort entlang schlidderte. Seine Wange schrammte auf und ein heißer Rinnsal Blut lief seiner erkalteten Haut entlang.

„Va-Vater!“, stotterte, während er sich duckte, strampelte und in die Ecke zurückwich. Die Angst vor diesem… diesem Wesen mit dem Äußeren seines Vaters, den er über alles liebte und verehrte, nahm rapide zu. Es schnürte ihm die Luft ab, erstickte jede Bewegung im Keim. Er zitterte und der Schweiß lief seinen Nacken hinab, doch das ‚Ding‘ näherte sich ihm nicht, sondern wankte zur Tür, wobei er gegen den Türrahmen knallte, da er seinen Körper längst nicht mehr koordinieren konnte. Er schrie immer wieder obszöne Worte, Beleidigungen, die gegen sie gerichtet waren. Koprolalie. Knallte mit dem Fuß gegen die Wand, riss den Kleiderständer um, wie er in seiner Ecke hören konnte. Brüllte nach dem Autoschlüssel und donnerte die Wohnungstür zu.

Es dauerte nur wenige Momente, da hörte er das leise Brummen des Motors, als sein Vater sturzbetrunken fortfuhr, um sie zu suchen. Aber es dauerte viel länger, bevor er sich getraute, aufzustehen und nach draußen zu schauen, ob er sich das nicht vielleicht doch nur eingebildet hatte. In dem stillen Wunsch, dass doch alles ein Traum sein möge.

Er ergriff den Zettel, von dem sein Vater gesprochen hatte, doch las ihn nicht.

Danach brauchte es Stunden, bis die Polizei erschien und ihm mitteilte, dass sein Vater mit dem Auto gegen eine Brüstung gefahren war, diese durchbrochen hatte und das Auto in einen Fluss fiel. Sein Vater war ertrunken.

Und da erkannte er, dass er wohl doch nicht schlief. Denn er wurde sofort zu seiner Tante und seinem Onkel väterlicherseits gebracht. Ohne dass er etwas davon merkte. Stumpf sah er zu, wie man ihn fortführte. Er spürte nichts, hörte kein Wort. Seine Ohren, sein Körper, sein Herz waren taub. Die Welt war stumm.

Der Tag verging, wurde zu Nacht, wieder zu Tag, ohne dass er erwachte und langsam, nach unzählig langer Zeit, wurde er sich bewusst, dass dieser Alptraum Realität war.

Das war der Augenblick, indem das erste Mal die Zeilen las, die er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, obwohl man ihn gebeten hatte, das Papier auszuhändigen.

Und das war auch das letzte Mal, dass er geschrien und geweint hatte.~
 


 

Er starrte das letzte Mal auf das Blatt, knüllte es wieder einmal zusammen und warf es zu Boden. Hässliches, verfluchtes, vergilbtes, tausendmal zerdrücktes Papier, das ihm sein Leben zerstört hatte.

Die Worte des Blattes hallten in seinen Ohren, immer noch, mit der Stimme seiner Mutter, die er einst so geliebt hatte und die er nun beinahe mehr hasste als die Person selbst:
 

“Ich ging in den Garten der Liebe

Und sah, was ich niemals geschaut:

Eine Kapelle war, wo im Grünen

Als Kind ich einst spielte, gebaut.
 

Und die Pforten waren verschlossen,

und Du sollst nicht stand über der Tür;

So wandte ich mich zum Garten

Und suchte nach Blumen wie früh’r.
 

Statt Blumen fand ich dort Gräber

Und Grabsteine um sie herum

Gingen Priester in Scharen in schwarzen Talaren,

Die spießten mit Stangen mein Glück und Verlangen.
 

-William Blake-
 

Mit diesen Worten verlasse ich dich, in der Hoffnung, dass du verstehst. Kümmere dich vorerst gut um unseren Sohn.“
 

„Von wegen“, zischte er erstickt.

Mit einem lauten Knall schloss er die Tür des Zimmers und ging hinaus.

Neji hasste.
 

*~*
 

Bedrückt sah Hinata von ihrem Teller auf. Ihr Cousin, der nun schon seit einigen Jahren bei ihrer Familie wohnte, war wie immer mit abweisendem, stoischem Gesichtsausdruck in die Küche gekommen, hatte eine abfällige Bemerkung fallen lassen, als ihre Mutter und ihr Vater ihn zu Tisch baten und verließ dann eilig das Haus. Trotz der Bemühungen ihrer Eltern war Neji ihrer Familie gegenüber verschlossen und distanziert. Sie wusste, wie er darüber dachte, dass er hier bei ihnen wohnen musste, als letzte Verwandten, da seine Mutter als unauffindbar galt: Er empfand sich selbst als unerwünschter Dauergast, den man am liebsten abschieben würde.

«Aber das stimmt nicht», dachte sie betreten. Das Mädchen umfasste mit ihren erkalteten Händen die warme Suppenschüsseln, doch auch das konnte das Frösteln nicht stoppen. «Neji-nii-san… was ist bloß aus dir geworden?»

Wie sehr vermisste sie doch den höflichen, freundlichen, wenn auch zurückhaltenden Jungen, der er mal gewesen war. Ihr großer Cousin hatte ihr und ihrer jüngeren Schwester immer beiseite gestanden. Hatte zu ihnen ein Verhältnis aufgebaut, das über die Beziehung von Cousins hinausging. Fast schon wie ein Bruder war er für sie gewesen. Aber dieser Neji war mit dem Tod seines Vaters verschwunden. Zurückgeblieben war ein einsamer, verbitterter Junge.

„Ich weiß nicht, was wir mit dem Jungen noch machen sollen“, flüsterte ihre Mutter und rieb sich die Augen. Ihr Vater trat hinter sie und umarmte seine Frau. „Wir haben unser Bestes gegeben, um ihm das Gefühl von Familie zu vermitteln, aber er blockt ab. Wir können nicht mehr tun…“

Hinatas Blick wurde noch trauriger. Sie bedauerte ihre Eltern, die am meisten von Neji einstecken mussten und sie bedauerte ihren Cousin, da er vor Wut auf seine Mutter zu verblendet zu sein schien, dass er nicht merkte, wie sehr er hier alle mit seinem Verhalten verletzte. Falls ihm das auch überhaupt was auszumachen schien, was sie mittlerweile auch schon bezweifelte. Er ging gnadenlos seinen Weg ohne auf die Gefühle anderer zu achten. Dabei verlangten sie nicht viel von ihm, sondern kamen ihm immer entgegen. Sonderregelungen, Zugeständnisse… dafür sollte er nur wenige Pflichten erfüllen – viel weniger als Hinata und Hanabi. Und dennoch schien er es als eine Anmaßung zu empfinden, dass er überhaupt etwas tun müsste. Obwohl er immer mit Samthandschuhen angefasst wurde.

Ihr Vater seufzte: „Wenn mein lieber Bruder Hizashi bloß damals nicht mit dem Auto losgerast wäre, vielleicht wäre dann unser Neffe noch wie früher. Wer weiß das schon? Und ich fürchte, dass er auch nie wieder so werden wird.“

Hinata atmete noch einmal tief durch, bevor sie mit einem lauten Klappern den Löffel in die Schüssel schmiss, wortlos aufstand und das Geschirr in die Spüle räumte. Sie spürte die Blicke ihrer Eltern im Rücken, aber in diesem Moment war sie so sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, dass sie gar nicht darauf achtete. Normalerweise war sie immer bestrebt, eine sittsame, junge Frau zu sein, die ihrem Vater und ihrer Mutter keinen Ärger oder Kummer bereitete, doch jetzt… jetzt konnte sie nicht an Tugenden beim gesellschaftlichen Umgang denken.
 

Nur wenige Minuten später stand sie in Nejis Zimmer. Wie immer betrübte es sie, wenn sie die Wände betrachtete, an die er Graffiti gesprüht hatte mit wilden Parolen auf Englisch. Anarchiezeichen. Ein zerfetztes Herz. Sterne, ähnlich in der Form von Pentagrammen. Sie hatte keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hatte.

„Er würde mich“, wisperte sie, „bestimmt anschreien, wenn er wüsste, dass ich hier bin.“ Aber das nahm sie in Kauf. Sie versuchte allein aus seinem Zimmer in seiner Seele zu lesen und sie sah nur Trümmer.

Hinata schüttelte den Kopf und blickte zur Seite.

Sie kannte das Blatt, das dort vor ihr auf dem Boden lag. Sie ging in die Knie, hob es auf und las es sich durch, wie sie es schon oft getan hatte. Der Abschiedsbrief seiner Mutter, in der keine Erklärung stand, kein Wort der Entschuldigung, nichts. Nur ein Gedicht von William Blake, das aber mehr sagte, als manche vielleicht annahmen. Denn die erste Strophe stellte einen Rückbezug zum kennen Lernen von Nejis Eltern dar. Ja, sie kannte die Geschichte.
 

“Ich ging in den Garten der Liebe

Und sah, was ich niemals geschaut:

Eine Kapelle war, wo im Grünen

Als Kind ich einst spielte, gebaut.“
 

Hizashi und seine Frau Yoko waren Sandkastenfreunde gewesen, spielten früher in einem Park, der in der Nähe ihrer damaligen Häuser lag. Sie verloren sich früh aus den Augen, um sich Jahre später wieder in dem Park zu treffen, wo es für sie zur Liebe auf den tausendsten Blick wurde. Hinata hatte die Geschichte als romantisch empfunden… und als Neji damals noch zugänglich gewesen war, hatte sie ihn immer wieder gebeten es zu erzählen. Sie hätte sich gewünscht, dass ihre Eltern auch auf so märchenhafte Weise zusammengefunden hätten.

Was für sie Romantik darstellte, war aber für ihre Familie pure Berechnung gewesen. Ihr Großvater hatte dieser Verbindung aus anderen Gründen zugestimmt, als dass er gewollt hätte, dass sein Zweitgeborener das Glück fand. Ihr Großvater war ein mittelmäßiger Regisseur, geachtet, aber nie gerühmt, mit Flops und nie sonderlich herausragenden Filmen, die ihn berühmt gemacht hätten. Seine Söhne waren aufgrund seines leichten Bekanntheitsgrads auch ein wenig bei den Medien namenhaft, aber das war für beide uninteressant gewesen und sie ergriffen andere Wege. Hinatas Vater war Filialleiter einer Supermarktkette, weshalb sie auch in gutem Wohlstand lebten. Nejis Vater hingegen war Redaktionsleiter einer Computerzeitschrift, die sich doch reger Beliebtheit erfreute. Sie hatten nichts mehr mit ihrem Vater gemein und hatten sich früh von ihm abgewandt.

Aber als sich dann Hizashi für Yoko interessierte, trat ihr Großvater wieder auf den Plan. Yoko war die Tochter eines berühmten Schauspielers, und, auch wenn sich das Mädchen selbst von der Öffentlichkeit fern hielt, so erhoffte sich der alte Mann doch selbst Vorteile. Zum Einen würde die Familie bekannter, zum Anderen hegte er den Wunsch Yokos Vater für einen seiner Filme einbinden zu können, um endlich ins Spitzenfeld unter den Regisseuren aufsteigen zu können.

Es war nicht verwunderlich, dass das Oberhaupt ihrer Familie somit mehr als unbeliebt war.

Und bei Neji war er mehr als nur verhasst, da es auf Vorschlag ihres Großvaters dazu gekommen war, dass er bei seiner Tante und seinem Onkel leben musste.

„Ach Neji…“, flüsterte sie. Sie knüllte den Zettel zusammen und legte ihn wieder dort hin, wo sie ihn aufgehoben hatte. „Wieso kannst du deine Augen nicht öffnen und endlich sehen, wie viel du uns bedeutest? Wieso verschleierst du deinen Blick mit Hass?“

Leise schloss sie die Tür, die Neji vor wenigen Minuten noch geknallt hatte.
 

*~*
 

Er kickte eine zertretene Dose zur Seite, die klappernd über den Asphalt rollte. Gelangweilt schweifte sein Blick über die nasse Straße mit den unzählig vielen Schlaglöchern, dem ausgehobenen Bordstein, dem verdreckten Gehweg und der umgerissenen Mauer, die an ein leer stehendes, Abriss fälliges Gebäude grenzte. Er befand sich hier in dem wohl schäbigsten Wohnviertel der Stadt. Suramu. Die Gullis dampften und ihr Gestank legte sich wie ein Nebel über die Straße. Überall waren zerfetzte Plakate befestigt; jegliche Wände waren mit Parolen besprayt. Den Weg pflasterten aufgerauchte Kippen, festgetretene Kaugummis, eine Zigarettenschachtel, hier und da ein Kondom und sogar eine zerbrochene Spritze, die bestimmt nicht mit Antibiotika gefüllt gewesen war. Er war hier im Elendsviertel. Hier, wo man den Glauben an Hoffnung auf Besserung schon längst aufgegeben hatte.

Und gerade deshalb fühlte sich Neji hier heimisch.

Wenn er in die Augen der Penner sah, die am Straßenrand hockten, mit ihrer in einer Papiertüte gepackte Alkoholflasche, dann fühlte er sich ihnen seltsam verbunden. Sie teilten wie er ein schlimmes Schicksal, nur dass er im Gegensatz zu ihnen der ‚Gnade’ zuteil gewesen war ein Dach über den Kopf zu bekommen.

Er liebte Ironie.

Er schlenderte den Weg entlang und ignorierte den Gestank, der in seine Nase drang. Er war auf den Weg zu einer billigen Absteige, die einen viel zu edlen Namen hatte im Gegensatz zu seinem Äußeren. Hoshiakari. Sternenlicht. Selbst überschüttet mit einem Haufen von Dreck, Erde und Exkrementen wäre das Licht dieser Baracke nicht mit dem der Sterne zu vergleichen gewesen.

Aber auch dort fühlte sich Neji wohl. Die düsteren Gestalten, die ihren Sake wie Wasser tranken und immer wieder auf den anderen einprügelten, wenn dieser falsch guckte, war genau das, was er brauchte, um sich wieder abzuregen. Der Hass, der in ihm quoll, hielt ihm am Leben. Doch leider konnte er ihn nicht dauerhaft in sich tragen, sonst geschah noch ein Unglück. Deswegen kam er hierher, um all sein Wutpotential zu verbrauchen und aus sich herauszuschreien, wenn es sein musste. Zumindest hatte er das vor.

Aber wie das Schicksal so manchmal spielte…
 

Es waren nur wenige Sekunden. Er ging wie immer den Weg, den er nehmen musste, um zum Hoshiakari zu gelangen. Nichts Spektakuläres, nichts Ungewöhnliches.

Außer heute.

Denn dieses Mal sprach jemand, der dort nie anzutreffen war.

Ein weibliche Stimme sagte: „Hier, nehmen Sie das. Holen Sie sich was Warmes.“

Er hielt inne und sah zur Seite. Zu einem Mädchen, das sich zu einem Penner beugte, ihm eine angemessene Menge Yen überreichte, um sich eine ordentliche Mahlzeit leisten zu können. Sie war nicht aus der Gegend. Dafür fehlte es ihr an der Anspannung in der Körperhaltung und ihre Augen waren viel zu klar, ohne Misstrauen, als dass sie aus diesem Viertel hätte stammen können.

Sie hörte wohl, dass er stehen blieb. Und drehte sich um.
 

~ Die grausamsten Momente sterben in deinen Augen… denn nichts ist grausamer als deine Güte. ~
 

Er kannte diese braunen Augen, die dunklen Haare, die wie immer in den provisorischen Knoten hochgesteckt waren. Er kannte auch den dunkelblauen Rock mit der passenden, weißen Bluse, die so typisch war für seine Schule. Er kannte dieses Mädchen.

Tenten. Ein Mädchen aus der Parallelklasse, ihren Nachnamen wusste er nicht. Ihr Name war ihr aber auch nur ein Begriff, da sie für die Schule mit der Bogenschützen-AG an einem Wettkampf teilgenommen und auch gewonnen hatte. Er hatte nichts mit ihr zu tun.

Sie entsprach nicht seinem Wesen.

War nicht seine Liga.

„Hallo, Hyuuga-kun“, sagte sie lächelnd und deutete eine Verbeugung an.

Er nickte nur und verschwand. Ging seinen Weg weiter.

Wohl wissend, dass ihre Augen sich in seinen Rücken bohrten.

Was machte sie hier?
 

*~*
 

Lange Zeit dachte er nicht darüber nach. Schnell verdrängte er das Aufeinandertreffen wieder, da es nicht zu den wichtigen Dingen seines Lebens gehörte. Er hatte andere Prioritäten. Er lebte. Er hasste. Er verzweifelte.

Die Tage flogen an ihm vorbei. Manchmal saß Neji im Unterricht und stellte fest, dass schon wieder eine Stunde vergangen war, dass schon wieder die Zeit ‚gesprungen‘ war, ohne dass er es mitbekommen hatte. Er konnte sich nicht einmal entsinnen, was er in der gestohlenen Zeit getan hatte. Alles wurde verschlungen wie in einem gigantischen Sog. Als würden seine Gedanken aus seinem Kopf strömen, hinein, in ein unbekanntes Nichts. Er konnte nichts dagegen tun. Nur hinnehmen. Und irgendwie überleben.

Jetzt stand er im Supermarkt, hatte zwei Sakeflaschen, eine Tüte Chips und Zigaretten auf seinen Armen verteilt. Innerlich verdrehte Neji die Augen, als er die Schlange vor sich sah. Menschen mit Großeinkäufen, die den Eindruck vermittelten, als ob sie das Wochenende nicht ohne die Massen an Lebensmittel überstehen könnten. „Idioten“, murmelte er. „Elende Menschen.“

Er wartete.

Und wartete.

Und wieder wurden ihm Augenblicke gestohlen.

„Zahlen bitte.“

„Wie?“

Er sah auf. Direkt in zwei ebenholzbraune Augen.
 

~ Die eintönigsten Momente sterben in deinen Augen… denn alle Spannung ist in dir vereint. ~
 

„Tenten“, flüsterte er und sah mit unerkennbarem Entsetzen auf das zierliche Mädchen, das hinter ihrer Kasse saß und ihn musterte. Ihre Arbeitskleidung saß viel zu locker an ihrem schlanken Körper, das Schild mit ihrem Namen hing ungünstig, sodass die Schriftzeichen kaum zu erkennen waren. Was machte sie denn hier?

Schon wieder sah er sie. Begegnete ihr. Wusste nicht, was er davon halten sollte, denn eigentlich wollte er niemanden sehen, der wie sie war. Diese typischen Weltverbesserer, die ihre Kraft opfern ohne etwas zu erreichen und daran noch beinahe zugrunde gehen. Sterben für etwas, das keinen Sinn machte. Oder wirkte sie nur so? Warum interessierte ihn das?

„Zahlen bitte, Hyuuga-kun“, wiederholte sie in einem eigentümlichen Klang, der ihn nicht behagte. Da war wie ein Vorwurf, eine stille Frage und etwas Anderes, das er nicht bestimmen konnte. Wie eine… Suche?

Er schüttelte innerlich den Kopf und gab ihr die Yen in die Hand, ohne das Wechselgeld entgegen zu nehmen, das sie ihm aushändigen wollte. Er verließ eilig den Laden, nicht zu schnell, damit seine innere Unruhe ersichtlich wurde, die ihm beinahe die Luft abschnürte. Was war das?

Wieder spürte er ihre bohrenden Augen im Rücken.

Und wieder ging er, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Sein Stolz hätte niemals zugelassen, dass er es als Flucht bezeichnet hätte.
 

*~*
 

Die nächsten Tage sprang die Zeit nicht. Denn er traf sie immer wieder, in Momenten, in denen er es niemals erwartet hätte und in denen er sie sonst niemals getroffen hatte. In der Mensa der Schule, obwohl sie früher dort nie gewesen war, soweit er sich erinnerte. In der Nähe des Parks, in dem er manchmal sich simpel betrank und abhing. Bei der Kaufhalle, bei der sie auf einmal ungewöhnlich oft arbeitete. In dem elenden Slum, wo er sie schon einmal getroffen hatte. In der Nähe seines Wohnviertels und des Hauses, in dem er früher gelebt hatte, damals, als sein Leben noch in Ordnung gewesen war. Als seine Mutter noch keine Verräterin gewesen war.

Es machte ihn wahnsinnig.

Es machte ihn wütend.

Es machte ihn wild.

Denn normalerweise erlebte er den Tag wie in Trance, wenn er sich dem Strudel der Wut hingab. Neji wusste nicht mit dieser Situation umzugehen, alles wieder so bewusst wahrzunehmen, nicht mehr in seiner Wut zu ertrinken und ja… zu leben. Er lernte es neu. Aber wollte er das?

Er schüttelte seinen Kopf. Lange Strähnen seines dunklen Haars fielen ihm ins Gesicht, doch er wischte es nicht weg. Gedanklich war er vollkommen abgedriftet. Da war dieses Mädchen dran Schuld. Mit ihrem Stalker ähnlichen Verhalten machte sie ihn wirr.

Beim nächsten Mal würde er ihr zeigen, wo ihr Platz war und dass sie sich ihm nicht mehr zu nähern hatte. Er brauchte sie nicht, er brauchte niemanden im Leben.

Einzig und allein, was er wollte, war alleine zu sein.

Deshalb saß er hier auf einer abgelegenen Bank in der Nähe eines Flusses und trank den Sake, den er sich wie das vorherige Mal aus dem Supermarkt, in dem Tenten arbeitete, besorgt hatte.

Die Sorgen begannen zu verschwimmen.

Die Umgebung verblasste.

Sodass er kaum mitbekam, wie sich ihm jemand näherte.
 

*~*
 

„Was willst du denn hier?“

„Darf ich nicht dort spazieren gehen, wo ich will?“

„Tse, und warum dann immer dort, wo ich gerade bin?“

„Wohl möglich ein Zufall.“

„Ich glaube nicht an Zufälle. Es ist alles geplant.“

„Woher willst du das wissen?“

„Ich weiß es nun einmal. Und jetzt lass-“

„Erklär’s mir.“

„…“

„Bitte, erklär’s mir. Danach gehe ich auch wieder.“

„… Ist doch simpel… sie hat das schließlich auch alles geplant. Unser Leben zu ruinieren. Mein Leben zu ruinieren. Das war alles vorher berechnet gewesen und niemand hätte es verhindern können. Genauso wenig, wie man es verhindern kann, dass Menschen irgendwann sterben. Sie haben keine Wahl in ihrem Leben, alles ist vorher bestimmt. Genauso wie das, was sie getan hat. Es musste so kommen. Wir hätten es nicht abwenden können… Sie hat alles zerstört. Und warum? Ich weiß es nicht. Sie hatte alles. Sie hätte noch mehr haben können. Aber sie hat es weggeworfen, zusammen mit allem, was mir wichtig war. Sie ist an allem Schuld…“

„Wer ist sie?“

„Wolltest du nicht gehen, wenn ich es dir erklärt habe?“

„Wenn du alles erklärt hast. Nun – wer ist sie?“

„Ich wüsste nicht, was dich das anginge. Also halt deine verdammte Klappe und verschwinde aus meinem Leben!
 

Sie sah ihn auf merkwürdige Weise an.
 

~ Die erregtesten Momente sterben in deinen Augen… denn alle Ruhe liegt in dir verborgen.~
 

Er warf die Sakeflasche zu Boden. Der einsetzende Regen tropfte in die Pfütze, während er schon zum dritten Mal ihr den Rücken kehrte.

Tenten betrachtete die Scherben auf dem Boden, auf denen Tropfen des Alkohols und des Regens glänzten.

Die Scherben einer Seele…
 

*~*
 

Die Schulklingel hatte längst verkündet, dass die letzte Stunde beendet war und sie alle nach Hause gehen konnten. Während die andren dies freudig wahrnahmen und dieser ‚Erlösung‘ folgten, saß er weiterhin auf dem breiten Geländer der steinernen Treppe. Er hatte kein Bedürfnis danach nach Hause zu gehen, denn dort erwartete ihn niemand. Er war der ‚unerwünschte Gast‘, derjenigen, den man am liebsten verschwinden lassen würde. Eine Spur einer Vergangenheit, die einen Schatten auf das unbefleckte Image der Familie warf.

Neji wippte unruhig mit dem Fuß, starrte auf den Boden, auf den sich mit einem Mal ein Schatten warf. Er erkannte die Silhouette. Die Frisur, die schmale Statur, die Haltung. Ohne aufzusehen fragte er: „Was willst du hier? Ich habe dir gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst.“

„Ich habe eine Nachricht von deiner Mutter.“

Er erstarrte. Mit weit aufgerissenen Augen stierte er auf ihren Schatten, als hätte jener zu ihm gesprochen, anstatt der Person, die diesen Schatten warf. War es Entsetzen? Angst? Unglauben? Seine Atemwege schnürten sich zu, er spürte seinen Herzschlag hämmernd gegen seine Rippen pochen. Das Blut schien in seinen Ohren zu rauschen. Ein Anflug von Kopfschmerz stach an seinen Schläfen und hinter seinen Augen.

Sie scherzte.

- Das hatte sie nicht gerade wirklich gesagt.

Das war nicht Realität.

- Er hatte sich verhört.

Ganz langsam schaute er auf, blickte Tenten an. Wieder in die braunen Tiefen, die er nicht entschlüsseln konnte. Ein Rätsel.
 

~ Die verwirrensten Momente sterben in deinen Augen… denn du bist die Klarheit in Person. ~
 

Ohne auf ihn zu achten, als wäre er kaum mehr als eine Statue, fing sie an auf ihn einzureden. „Ich stehe schon lange in Kontakt mit ihr. Du hattest Recht gehabt – ich habe dich verfolgt. Aber das tat ich nur, um ihr Bericht erstatten zu können. Wie sie vermutet hat, hasst du sie sehr. Gerade weil sie das wusste, hatte sie sich nicht getraut auf dich zuzutreten, um dir alles zu erklären. Deshalb hat sie mich gebeten, dich etwas auszuspionieren, um herauszufinden, wie tief dieser irrsinnige Hass reicht, der dich treibt. Es ist traurig und erbärmlich, wie sehr du dich daran klammerst, obwohl du weißt, dass du ihr schon längst vergeben hättest, wenn es nicht eine gute Ausrede für alles Schlechte in deinem Leben wäre! Du kommst mit deiner Familie nicht klar – es ist die Schuld deiner Mutter. Du versagst in der Schule – es ist die Schuld deiner Mutter. Du betrinkst dich – es ist die Schuld deiner Mutter! Wie egoistisch und selbstsüchtig muss man sein, dass man einem Menschen eine solche Last aufbürdet, obwohl sie nichts getan hat? Sie hatte doch nie beabsichtigt, dass dein Vater betrunken Auto fahren würde…“

„Es reicht…“

„… - und dann so in den Tod fahren würde. Glaubst du etwa, das hat sie alles geplant gehabt? Denkst du etwa, sie wollte, dass du sie auf ewig hasst? Diese Frau ertrug deinen Vater, die Routine, die Langweile nicht mehr!“

„Hör auf…“

„Sie verliebte sich neu. Doch wenn sie das Hizashi gesagt hätte, hätte er ihr wohl möglich noch etwas angetan, denn dein Vater war nie so lieb und freundlich, wie du dir immer einredest. Erinnerst du dich? Dieser Mann hat dir dann und wann eine schallende Ohrfeige verpasst – und deine Mutter traf es noch schlimmer und sie-“

„Sei doch endlich still.“

„- wollte nur einen Schlussstrich setzen, in der Hoffnung, dass es besser würde für euch alle! Sie wollte dich noch zu sich nehmen, wenn sich die Wut deines Vaters gelegt hätte, doch aufgrund seines Todes und deines Großvaters geriet alles außer Kontrolle und sie konnte die nicht erreichen. Und sie hatte Angst vor deiner Reaktion – zu Recht, du elender, mieser…“

“Ich hab gesagt, du sollst still sein!“

Sie war still. Doch ihre Augen sprachen Bände, während sich in seinem Kopf alles drehte. Eine Wand, die sich schützend um seine Seele aufgebaut hatte, eine sichere Mauer, die ihn vor aller Verwirrung beschützen sollte, bekam Risse unter diesen Worten. Sätze, die er irgendwann gedacht hatte, die Ähnlichkeit mit ihren Aussagen aufwiesen, glitten durch die Lücken, überspülten seine Kinderseele. Er wehrte sich, klammerte an seinen Glauben, er wäre im Recht, der Hass wäre sein einziger Lebensinhalt, doch der Strom der Worte wurde immer stärker. Sie wollte ihn zu sich holen, hatte aber Angst vor seiner Reaktion gehabt. Liebte sie ihn noch? Nein! Lüge! Lüge! Ausrede! Sie wollte nur nicht schlecht da stehen, wollte alles zurecht biegen! Oder meinte sie es doch ernst? Niemals! Sie war schuld an Vaters Tod, sie hatte das alles geplant. Was war, wenn es doch nur Zufall war? Nein, Zufälle gab es nicht, es war alles vorher bestimmt. Aber wieso kontaktierte sie ihn dann? Wollte sie seine Gedanken manipulieren, um ihn wieder zu sich zu holen? Doch warum sollte sie ihn überhaupt holen? Was hätte sie davon? Sie hasste ihn, sie hasste seine Familie, sein Leben. Sonst hätte sie es nicht zerstört.

Oder war es wirklich keine Absicht gewesen?

„Nein, ich… muss daran…“, murmelte er, während er seine Hände an die Schläfen presste. Wenn nur dieser Schwindel aufhören würde! Dann würde er wieder klar denken können! Er ertrug diese Ohnmacht nicht.

„Bitte, Neji, ich kenne dich nicht“, sprach sie auf einmal ganz sanft weiter. In seinem Kopf war es schummrig, doch ihre Stimme drang zu ihm durch. „Aber ich kenne dich dennoch gut genug, um zu wissen, dass du kämpfst. Lass los. Hör dir an, was sie zu sagen hat, wage es. Lass es zu. Bring dein Leben wieder in Ordnung. Schaff diesen Hass aus dem Weg, ihr werdet beide damit nicht glücklich.“

Er tobte, fragte, wie sie es wagen könne, so mit ihm zu reden. „Das ist meine Sache!“, zischte er, doch ein Klang in seiner Stimme ließ den winzig kleinen Zweifel erkennen, den Tenten immer weiter schürte, ohne viel zu tun. Sie sprach ganz ruhig mit ihm. Sanft, einlullend. Jedes Wort, das sie sagte, drang durch das Sieb, mit dem er normalerweise Predigten abhielt. Sie berührten ihn. Irgendwie. Ein wenig, oder doch mehr?

Neji wusste nicht, wie lange sie hier standen und redeten. Er: immer wieder ihre Argumente zurückweisend. Sie: ruhig und konsequent. Es hätten Minuten sein können, Stunden aber auch Tage und er hätte es nicht bemerkt. Denn viel mehr überwältigten ihn diese Verwirrung und ihre Aufrichtigkeit die Beziehung zu seiner Mutter zu retten.

„Hier ist ihre Telefonnummer.“ Sie gab ihm einen Zettel, steckte ihn in seine Tasche.

Das war der Moment, wo er fortlief. Wie immer, weg von ihr.
 

*~*
 

Er hatte sie nun schon zwei Wochen nicht mehr gesehen, lief ihr nicht mehr zufällig über den Weg. Bis eben gerade.

Sie hatte vor ihm gestanden, hatte ihn angelächelt. Die Wärme ihrer Augen hatte ihn schier verbrannt. Er war schon zuvor zufrieden gewesen. Doch nach diesem Anblick fühlte er sich sogar noch besser. Fast schon eins mit sich selbst.
 

~ Die schönsten Momente sterben in deinen Augen… denn nichts ist schöner als du. ~
 

Er wusste nicht mehr, wann er begonnen hatte sich darüber zu freuen, sich vielleicht sehen zu können. Wann er sich danach sehnte, dass sie auftauchte. Er wusste nicht einmal mehr, ab wann er darauf gewartet hatte, dass sie sich wiedersahen. Er hatte es eben gehofft. Und jetzt überspülte ihn noch mehr. Eine Welle von Glückseligkeit, denn er wusste jetzt, dass, wenn alles einen Plan hatte, dieser Plan nicht immer schlecht war, sondern auch positive Aspekte hatte. Sein Unglück hatte ihm diese Frau vorgestellt. Jene Frau, die es geschafft hatte, dass sein Weltbild zusammenbrach.

Neji hatte sich bisher immer noch nicht getraut seine Mutter anzurufen. Doch dies war in seinen Augen nicht weiter tragisch, denn vorerst hatte er noch andere Dinge zu erledigen. Er hatte sich mit seiner Tante und seinem Onkel ausgesöhnt, denen er so viel Unrecht getan hatte. Seine Tante hatte vor Freude über seine Einsicht geweint. Sein Onkel hatte ihn seit Jahren wieder in die Arme genommen. Bei seinen Cousinen hatte er sich ebenfalls entschuldigt und war bestrebt, wieder ein Bruder für sie zu sein.

Allmählich wagte er sich wieder zum normalen Leben zurück. Er hatte sein Zimmer renoviert, trank keinen Alkohol mehr. Manchmal zitterte er noch danach, aber er überwand dieses Gefühl mit einem Gedanken an eine Zukunft, die vielleicht doch noch Gutes bringen würde. Er ging wieder regelmäßig zur Schule, verbesserte seine Leistungen. Er hatte den Zettel seiner Mutter verbrannt, aber es gab nun einen anderen, den er auf ewig behalten wollte.
 

“Weißt Du noch,

wie ich Dir die Sterne vom Himmel

holen wollte,

um uns einen Traum zu erfüllen?

Aber

Du meintest,

sie hingen viel zu hoch ...!

Gestern

streckte ich mich zufällig

dem Himmel entgegen,

und ein Stern fiel

in meine Hand hinein.

Er war noch warm

und zeigte mir,

daß Träume vielleicht nicht sofort

in Erfüllung gehen;

aber irgendwann ...?!
 

- Markus Bomhard –
 

Lust, mir mal ein Eis zu spendieren?

Tenten“
 

Das Gedicht passte zwar nicht zu einhundert Prozent zu dem, was er erlebt hatte, aber erkannte die tiefergehende Aussage.

Er beschloss die in die Ecke gequetschte Handynummer anzurufen und diesem Mädchen noch mehr als nur ein Eis auszugeben.

Lächelnd sagte er leise: “Achte auf deine Gedanken. Sie sind der Anfang aller Taten.“

Er wählte.

“Ja? Hier, Tenten?“
 

Vielleicht, vielleicht… war sein Schicksal doch nicht so schlecht.
 

*~*
 

Ich möchte mich noch einmal riesig für dieses Zuspätkommen entschuldigen. Asche auf mein Haupt. Ich setze mich jetzt in die Ecke und schäme mich…
 

Bis denne de are



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (10)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kerstin-san
2015-08-19T17:26:30+00:00 19.08.2015 19:26
Hallo,

der Einstige hat mir gleich Lust auf mehr gemacht.
Neji wirkt hier so verbittert (eine Gefühlsregung, die ich mit ihm zunächst einmal überhaupt nicht in Einklang bringen kann) und wütend auf irgendjemanden, der ihm offensichtlich sehr viel bedeutet hat, dass ich einfach wissen muss, was genau passiert ist.

Der Einblick in Nejis Kindheit ist wirklich bedrückend. Alles wirkt so friedlich und idyllisch und dann von einem Moment auf den anderen ist die ganze Fassade dahin und darunter liegt so etwas hässliches.
Ich kann verstehen, dass Neji wütend auf seine Mutter ist (für ihn wirkt es ja, als sei sie Schuld an allem), aber man weiß natürlich nicht, was sie dazu bewogen hat, ihren Mann und ihr Kind zu verlassen.

Diesen kryptischen Zettel finde ich jetzt nicht wirklich hilfreich, um ehrlich zu sein..

Nejis Teenagerzeit finde ich auch sehr schön beschrieben. Er grenzt sich ja selbst aus und trotzdem hält die Familie noch weiter zu ihm. Den Zusammenhalt finde ich sehr bewundernswert.

Die Begegnungen mit Tenten sind super. Sie scheint ja omnipräsent zu sein. Stellt sich die Frage, ob das Zufall oder Absicht ist? Vielleicht hat Neji bis dahin auch einfach nur nie wahrgenommen?

Hmm, die Erklärung, dass Tenten die ganze Zeit mit Nejis Mutter in Kontakt stand, finde ich ehrlich gesagt ziemlich fadenscheinig und an den Haaren herbei gezogen.
Woher wollen die sich denn bitte kennen?
Auch, dass das Ganze nachher so harmonisch endet (Neji hat sich mit allen versöhnt & hat sein Leben in den Griff bekommen), sagt mir nicht ganz zu.
Das ist mir alles zu glatt gegangen.

Liebe Grüße
Kerstin
Von: abgemeldet
2009-07-18T20:23:06+00:00 18.07.2009 22:23
An manchen Stellen war ich enttäuscht, an manchen überglücklich - wirklich, ich war noch nie bei einer FF so hin- und hergerissen, wie hier!

Einerseits hätte ich mir etwas mehr Romantik gewünscht, andererseits ist die ganze Fanfic so unvorhersehbar, so durchdacht und hat ein so grandioses Ende, dass es alle anderen 'Übel' glatt wett macht.

Und ja, wirklich, das Ende war bombastisch.
Mit dem Anruf. Dem Einbinden der beiden Gedichte.
Oh mein Gott.
Ich hatte jedesmal eine Gänsehaut, wenn die Stellen aus dem ersten Gedicht kamen, immer, wenn Neji Tenten gesehen hat.
Einfach genial, und am Ende doch wieder auf eine verquere Art und Weise herzzereißend.

Wirklich toll.
Ps: Hab erst gedacht, Tenten sei Nejis Schwester, also quasi die 'neueÄ Tochter seiner Mutter, bis mir irgendwann einfiel, dass das ja vom Alter gar nicht passen könnte. xD

Liebe Grüße,
Chi
Von: abgemeldet
2008-03-07T17:47:43+00:00 07.03.2008 18:47
Oh, schön schön schön schön geschrieben
*schwärm*
Da macht diese lächerliche Verspätung doch nichts!
Komm wieder aus deiner Ecke zurück^^

Gleich mal am Anfang.
Das Foto mit der schwarzen Rose ist wunderbar!
*glänzende Augen bekomm*
(Wie natürlich eh schon jeder mitgekriegt hat: Ich steh auf Rosen >.<)
Und die beiden Gedichte waren ebenfalls sehr passend ausgewählt.
Der Beginn der Story hat mir am besten gefallen und die Stelle, wo Neji bemerkt, dass er sich gar nicht so unwohl in Tentens Nähe fühlt, wie gedacht^^
Da du ein offenes Ende gelassen hast, kann man sich natürlich selbst ausmalen wie es weiter geht und das finde ich sehr toll.
Bei manchen Geschichten passt es einfach besser, vor allem bei denen, wo Neji anfangs so richtig kalt abwesend ist.
(Ich bewundere Tenten ja für ihre Ruhe, denn ich hätte mich schon längst bei seiner Mama beschwert *hehe*)

Also dann
mach weiter so
*knuffz* Rose
Von: abgemeldet
2008-02-27T16:50:39+00:00 27.02.2008 17:50
hai^^
also mal ganz ehrlich ich werd langsam fan von deinen storys, naja ich war es schon imma ganz heimlich^^"
du hast das echt schön geschriebn und toll dargestellt. die gefühle von neji sind super rübergekommen und überhaupt hat mich das mal wieder überwältigt.
besonders als tenten ihm ins gewissn geredet hat...
wirklich toll^^
und trotz des mehr oder wenigen offenen endes ist das einer meiner lieblings one shots^^
*gleich inne favos packt*
freu mich auf weiteres von dir^^
bis denn
bussy chandiny
Von:  moonlight_005
2008-02-26T14:57:33+00:00 26.02.2008 15:57
irgendwie habe ich genau das gebraucht. bin durch die führerscheinprüfung gerasselt und mega depri, aber dein os hat mir irgendwie gezeigt, dass es noch immer weiter geht. ich liebe deinen stil, du hast irgendwie einen hang zur dark und drama-fic, was wirklich wieder schön rauskam. den anfang hast du schön dramatisch hingekriegt und im laufe des os hast du dieses gehetzte so wunderbar hinbekommen. der bezug auf den manga ist dir auch geglückt, kurz ich weiß einfach nicht, was ich dazu noch sagen soll, ich liebe diesen os, wennauch er wenig, aber dafür umso schönere andeutungen hatte.

hdl
moony
Von:  Arua
2008-02-24T00:46:31+00:00 24.02.2008 01:46
Ich hab das hier jetzt mal spontan als meine Gute-Nacht-Geschichte missbraucht. ^^"
Oh Mann, ich muss ins Bett x_X
Aber nachdem ich einmal angefangen hatte, konnte ich auch nicht mehr aufhören...
Spricht für dich, denke ich mal.
Ich erinnere mich noch trübe an ein Gespräch, in dem es um einen bösen Autounfall und Ertrinken statt Baum ging...XD
Find ich genial, wie du die Situation ins AU übertragen hast.
Hat echten Seltenheitswert - glaub dir gerne, dass du da lange für gebraucht hast, um dir das auszudenken.
Für einen viel sinnvolleren Kommentar bin ich zu müde...tut mir Leid.
Aber ich wollte noch erwähnt haben, dass ich die beiden Gedichte und diese Sätze immer mit dem Augen sehr schön fand.
Und TenTens Charakter...gut getroffen.
Das Beste war: viel Stimmung, schöne Atmosphäre und das ganz ohne Kitsch. ;-)
Genau richtig, um jetzt was Schönes zu träumen XD
bye
Arua
Von: abgemeldet
2008-02-22T19:58:37+00:00 22.02.2008 20:58
echt bewegend!
ich finde es schade, dass nejis vater kein guter mensch war und das neji so eine traurige zeit im leben durchmachen musste, aber ich schätze jeder mensch muss seine schlechten sowie guten erfahrungen im leben machen. aus ihnen wird man ja erst der mensch und die persöhnlichkeit, die man ist.
dein schreibstil war wie auch die letzten male sehr gut und ich hoffe du bezauberst mich und die anderen leser irrgendwann wieder mit einem deiner interessanten und zum nachdenken anregenden stücke.
hdl 12tenten12
Von:  Ne-ju
2008-02-21T19:15:41+00:00 21.02.2008 20:15
Eine sehr schöne und ich finde auch etwas bewegende Geschichte... die Idee ist klasse und super ausgebaut!!!
Hat mir sehr sehr gut gefallen. Ich mag Tentens Charakter wie du ihn dargestellt hast.. sie kam mir wie ein Engel vor der aus einem .. sagen wir mal "Monster" wieder eine glückliche Person macht (was sie ja auch getan hat XD )
Echt klasse... freue mich schon auf weitere von deinen Geschichten
Gruß
Kii

Von:  Sayuri089
2008-02-21T19:13:46+00:00 21.02.2008 20:13
*dich aus der "Schäm-Dich-Ecke" hol und durchknuddel* Danke für diesen schönen One Shot!! :) Und das mit der Verspätung ist wirklich kein Problem! Für das Problem mit dem Internet kannst du ja nichts und Facharbeiten/Vorabiture/whatever gehen nunmal vor^^

Erstmal ein fettes 'Danke' und ein großes Lob, dass du es geschafft hast, meinen Wunsch so schön einzubauen =) Im Nachhinein fiel mir auf, dass das eigentlich gar nicht so einfach ist^^"

Hm... Ich weiß eigentlich nicht wirklich, was ich dazu sagen soll... Ich bin noch hin und weg von der Atmosphäre... Ich hab zwischenzeitlich wirklich Gänsehaut bekommen. Du hast so... mitreißend, mitfühlend geschrieben. Also für mich war der Hass, die Verachtung fast greifbar oo Was ich unbedingt loswerden möchte, bevor ich das vergesse^^", ein wirklich interessanter Grund, warum Nejis Eltern tot/weg sind... Wäre mir so nie in den Sinn gekommen. Und der Schluss hat mir gefallen :D "Lust, mir mal ein Eis auszugeben?" Genial! Erst deprimiert und irgendwie erschrocken, aufgrund Nejis Vergangenheit und hinterher ein fettes Grinsen im Gesicht, weil der Spruch einfach so passte^^

Nochmal danke für den OS! :)

LG, Sayuri
Von:  Yun-Harla
2008-02-21T17:04:50+00:00 21.02.2008 18:04
Kein Kommi zu so einer geilen FF???
Ich schätze mal die anderen trauen sich eimfach nicht dir zu sagen wie geil die Geschichte geworden ist^^.
Ich wüsste jetzt auch nicht groß was ich sagebn soll, außer das es nur geil ist. Außerdem glaube ich dir aufs Wort, dass du lange gebraucht hast um die Idee zu entwickeln^^ Sowas würde mein kleines Hirn nichtmal in 1000 Jahren ausbrüten können.^^
mach weiter so


Zurück