Zum Inhalt der Seite

HOLLOW

A Vampire Story
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Rainy Day

Tokyo, Fußgängerzone...
 

Gedankenverloren und mit seinem Handy beschäftigt hetzte er durch die Straßen. Immer diese Hektik. Überall war sie spürbar, doch was sollte man von einer solchen Großstadt wie Tokyo auch anderes erwarten?

In Gedanken und getippten Buchstaben versunken achtete er herzlich wenig auf den vor ihm liegenden Weg, zumal er nicht wirklich viel Gegenverkehr hatte.

Die Leute, die sonst die Fußgängerzone dieses Viertels bevölkerten, hatten sich aufgrund des, um es einmal banal auszudrücken, Sauwetters in ihre Häuser zurückgezogen und nur einige hart gesottene Shopping-Freaks oder emotionslos dreinblickende, schwarz-grau gewandete Geschäftsmänner trieben sich an diesem nass-kalten Vormittag hier herum.

Plötzlich spürte er einen Widerstand, wenig später vernahm er aufgebrachtes Fluchen.

Erstaunt blickte der recht groß gewachsene Japaner auf den Boden.

Vor ihm saß, oder vielmehr lag, irgendein Kerl, der damit beschäftigt war herumzukeifen und an seiner Hose zupfte.

Der Stehende ließ sein Mobiltelefon sinken.

„Alles in Ordnung?“, fragte er sicherheitshalber und blickte etwas skeptisch auf den jungen Mann vor sich.

„Ja, bis auf die Tatsache, dass du Trampeltier mich einfach so umgerannt hast und ich jetzt ein Loch in meiner Dolce Jeans habe!“, fauchte es ihn von unten her an.

Etwas verblüfft legte das frisch gebackene Trampeltier den Kopf schief, streckte dann aber die Hand aus, um dem, immer noch leise fluchenden, Typ aufzuhelfen.

Zu seiner Überraschung ließ der sich das nicht zweimal sagen und zog sich, nach einem letzten vernichtenden Blick, an der ausgestreckten Hand wieder nach oben.

„Hey. Tut mir wirklich Leid, ich hab nicht aufgepasst wo ich hinlaufe!“, entschuldigte sich der Braunhaarige zur Sicherheit noch einmal, während ihm eine leichte Röte ins Gesicht stieg.

Dieser Typ, den er soeben umgerannt hatte, ging ihm nicht nur gerade mal bis zur Schulter.

Nein!

Er sah auch noch verdammt gut aus. Schade nur, dass sein Gesicht größtenteils von einer XXL Sonnenbrille verdeckt wurde.

//Sonnenbrille, bei dem Scheißwetter? Naja, vielleicht sieht er in Wahrheit ja scheiße aus!//

Innerlich schlich sich ein Grinsen auf seine Züge.

Ein Schnauben holte ihn wieder zurück in die Realität.

Der Kleine stand immer noch vor ihm und er konnte dessen böse Blicke selbst durch die Sonnebrille hindurch spüren.

„Was hältst du davon wenn ich dich auf nen Kaffee oder so was einlade? Erstens siehst du ein bisschen unterkühlt aus und zweitens muss ich mein schlechtes Gewissen irgendwie beruhigen.“

Er grinste etwas verlegen.

Als Antwort erhielt er ein genau zehn Sekunden langes Schweigen, dann aber ein Nicken.

„Ok überredet.“, gab der Kleine seine Einwilligung und klopfte ich noch einmal ein paar Staubflecken aus seiner Markenjeans.

Was darauf folgte war ein freundliches Lächeln von Seiten des Größeren, der sich auch schon in Bewegung setzte.

„Hast du auch einen Namen?“, fragte es hinter seinem Rücken.

Etwas erstaunt blickte sich der Braunhaarige um und sah direkt in das Gesicht seiner neuen Bekanntschaft.

„Ähm.“

Das war doch nicht möglich!

Er hatte doch tatsächlich für ein paar Sekunden seinen eigenen Namen vergessen.

Lag bestimmt an der merkwürdigen Aura die diesen Kerl neben ihm umwaberte.

Genau!

Das musste es sein.

Er spürte, wie sich eine verräterische Röte auf seine Wangen schlich, als er bemerkte, wie der andere die Augenbrauen hochzog.

„Saga! Ich heiße Saga! Und mit wem hab ich die Ehre?“

Der Angesprochene grinste.

„Hizumi.“

Das Grinsen wurde breiter und Saga fühlte sich von Sekunde zu Sekunde unwohler.

Wobei unwohl in dieser Situation nicht das richtige Wort war.

Irgendetwas stimmte hier ganz einfach nicht.

Irgendetwas stimmte mit dem Typen nicht und irgendetwas stimmte im Moment auch mit ihm nicht.

Was genau da jetzt nicht stimmte, darüber würde er sich Gedanken machen, wenn er dieses hübsche Gesicht nicht mehr vor sich hatte.
 


 

Hizumis POV
 

Und schon wieder war es das reinste Sauwetter, aber irgendwie schien das hier die normale Härte zu sein.

Aber ich sollte mich nicht beschweren, immerhin war ich extra wegen der vermeintlich miesen Wetterlage in diese Gegend gezogen.

Ich achtete nicht groß auf den Fußweg und auf die gesichtslosen, in meinen Augen minderwertigen, Personen die ihn beschritten.

Ich muss zugeben, dass ich ziemlich in Gedanken war, als ich plötzlich gegen etwas verdammt Großes lief und unsanft auf dem Boden landete.

Ich brauchte eine Weile, um mich wieder zu fangen und stellte fest, dass ein recht großes Loch im Knie meiner verdammt teuren Jeans prangte.

Fluchend rückte ich meine, für solche Spaziergänge notwendige, Sonnenbrille zurecht und lenkte meinen Blick auf den Schuldigen, der mit ziemlich dümmlichem Gesichtsausdruck zu mit herunter blickte.

Ganz toll.

Ein zu groß geratener Mensch hatte mich umgerannt und kam nicht mal auf die Idee, mir wieder aufzuhelfen. Na immerhin sah er gut aus, das milderte meine Wut ein wenig und als er mir dann nach einer recht langen Denkpause doch die Hand hinhielt, mir aufhalf und mich auch noch auf einen Kaffee einlud musste ich unweigerlich grinsen.

Ich spürte seine Unsicherheit sofort.

Mir ist bewusst, wie ich, und andere meiner Art, auf das menschliche Wesen wirken, habe ich doch in meinen zweihundert Jahren so Einiges miterlebt, auch was dieses Thema betrifft

Auch hier merkte ich, allein an seinem Blick, der ein leichtes, unterbewusstes Anzeichen von Angst erkennen ließ, sofort, dass ich ihn verwirrte.

Mein Grinsen wurde breiter.

Ich entschloss mich dazu, ihn nicht weiter mit Schweigen zu quälen und fragte nach seinem Namen.

Es dauerte eine Weile, bis ich eine vernünftige Antwort erhielt, aber nach einer Reihe gestammelter Un-Wörter wusste ich nun, dass mein Gegenüber auf den Namen Saga hörte.

Nachdem ich Saga also ein weiteres, unwiderstehliches Grinsen zugeworfen hatte und ihm nebenbei noch meinen eigenen Namen verriet, spürte ich, dass ich den Guten nun vollends aus der Fassung gebracht hatte.

Das konnte ja was werden, mit so einem auch noch Kaffee trinken gehen.

Aber gut, ich hatte nichts zu tun und solange Zero davon keinen Wind bekam, sprach doch nichts dagegen, sich auch mal mit einem Sterblichen einen schönen Samstag Vormittag zu machen, oder?

Café

Hizumi
 

Nun saßen sie also in einem gemütlichen kleinen Café und der Regen prasselte gegen die, vom Großstadt-Smog gräulich gefärbten, Fensterscheiben und zog träge Schlieren.

Hizumi beobachtete schweigend eine Horde Schulmädchen die auf der Flucht vor dem Unwetter über den Gehsteig rannten.

Das Heranschieben eines Stuhls ließ ihn wieder aufblicken.

Saga hatte ihm gegenüber Platz genommen und lächelte ihn freundlich an.

„Und? Schon überlegt was du trinken möchtest?“, fragte er, immer noch lächelnd.

„Kaffee, schwarz.“

Hizumi grinste.

Der Braunhaarige nickte und rief gleich nach der Bedienung, um die Bestellung aufzugeben.

Das junge, durchaus hübsche Mädchen bedankte sich lächelnd und verschwand hinter dem Tresen, Sagas Blicke schienen ihr entgangen zu sein.

Nicht so Hizumi.

„Na? Gefällt dir die Kleine?“ Er lachte.

Peinlich berührt starrte Saga auf sein Gegenüber, das sein Gesicht immer noch hinter der Sonnenbrille verbarg.

„Ähm. Ja… ganz nett.“ Er kratzte sich verlegen im Nacken „Aber willst du dir Brille nicht mal ausziehen?“

Der Kleinere zog eine Augenbraue hoch

//Ok. Wenn du unbedingt willst.//

Innerlich grinsend nahm er die getönte Brille von der Nase und verstaute sie, den Blick immer noch gesenkt, in seiner Jackentasche.

Wenige Atemzüge später hob er den Blick und fixierte Saga, die Lippen zu einem Lächeln verzogen.

„Genehm so?“

Saga starrte ihn ungläubig an.
 


 

Sagas POV
 

So kann es gehen.

Ich war mit verdammt mieser Laune aus dem Haus gegangen, es war ein grauer Regentag und irgendwie lief nichts so wie ich es wollte.

Normale Härte.

Doch das Schicksal hatte es heute offensichtlich doch einmal gut mit mir gemeint.

Ich saß mit einem verdammt hübschen Kerl, der auf den hübschen Namen Hizumi hörte und einen noch viel hübscheren Arsch hatte in einem hübschen kleinen Café in der nicht ganz so hübschen Millionenmetropole Tokyo.

Doch etwas störte mich.

Der Kleine hatte die ganze Zeit über seine dämliche Brille auf der Nase.

Was sollte der Mist?

War er vielleicht doch nicht so hübsch?Aber was konnte man hinter so einer Brille schon groß verstecken?

Naja.

Triefaugen, Pusteln, Aknenarben, ungezupfte Augenbrauen…

Lassen wir das.

Da ich schon immer ein direkter Mensch war, bat ich Hizumi also die Brille abzusetzen.

Nicht ohne Hintergedanken, falls sich eine Bettgeschichte ergeben würde, was ich doch irgendwie hoffte, wollte ich wenigstens wissen wie der Typ aussah den ich da in mein Bett ließ.

Obwohl…Er hatte einen recht hübschen Mund.

Vielleicht würde ich im, selbst wenn er Triefaugen und Pickel hatte, erlauben mit mir ins Bett zu steigen. Zur Not hätte er seine Brille ja auch da aufbehalten können.

Während mir weitere unsinnige und zudem noch verdammt utopische Wahnvorstellungen durch den Kopf kreisten, bemerkte ich gar nicht, dass der Süße seine Brille doch tatsächlich abgenommen hatte.
 

STOP!
 

Was zum Teufel dachte ich da? Ich war doch die meiste Zeit meines Lebens den stolzen Weg der Heterosexuellen gegangen, hatte mich (fast) nie von dem anscheinend aufgekommenen Trend des "Bi-Seins" einholen lassen! Und dann kroch mir solches Homo-Gedankengut im Kopf herum!

Schockierend!

Nach diesem kleinen Denkzettel meines rationalen Verstandes, wandte ich Hizumi wieder meine volle Aufmerksamkeit zu. Er hielt den Blick gesenkt.

Jetzt war ich aber neugierig.

Es dauerte nicht lange und er blickte mich an. Was ich sah, verschlug mir wortwörtlich die Sprache. Ich starrte ihn unverblümt an, doch er grinste nur.

„Deine Augen.“, stammelte ich „Das ist ja irre!“

Noch immer konnte ich mich nicht von diesen ungewöhnlichen, bernsteinfarbenen, ja fast schon gelben, Augen lösen, und das, obwohl sie einem Kerl gehörten.

Hizumi schien sehr amüsiert über diese Tatsache, er lachte.

„Darum trage ich die Brille, ich mag es nicht, wenn Leute mich wegen meiner Augen so anstarren.“

Verlegen senkte ich den Blick, doch er schien es nicht böse gemeint zu haben. Irgendwo konnte ich ihn verstehen. Es musste ätzend sein, von jedem begafft zu werden, obwohl ich mich selber mehr als zusammenreißen musste ihn nicht sofort wieder anzusehn.

Der Mann hatte etwas verdammt Unheimliches an sich, aber genau diese Tatsache machte ihn so interessant.

Wieder riss mich seine angenehme Stimme aus meinen Gedanken.

„Erzähl mal ein bisschen was über dich! Wie alt du bist, was du so beruflich machst. Den üblichen Müll halt.“ Er nippte an seinem Kaffee.

Ich überlegte.

„Mh... Ok. Ich heiße Saga, bin dreiundzwanzig Jahre alt und von Beruf momentan überhaupt nichts“ Ich spürte wie ich rot wurde.“Und was ist mit dir?“

„Wie ich heiße weißt du ja. Ich bin zwanzig und von Beruf auch nichts. Ich bin ein fauler Kunst-Student“ Wieder dieses niedliche Lachen.

Ich nickte anerkennend.

„Wow! Das ist cool, zu so was fehlt mir leider die Begabung. Hast du Geschwister?“

Er schüttelte nur stumm den Kopf, ich dachte mir nichts dabei und begann ihm von meinem eigenen Bruder und seinem merkwürdigen Hobby zu erzählen. Er schien amüsiert über die Tatsache, dass Tsukasa, besagter Bruder, seine Freizeit vorwiegend mit der Nase in Büchern über Fabelwesen verbrachte.

„…Besonders auf Vampire fährt er voll ab. Ich glaub, er ist der festen Überzeugung, dass diese Untoten wirklich unter uns sind!“Ich tippte mir kurz mit dem Zeigefinger gegen den Kopf und grinste breit.

Tsukasa war echt eine Klasse für sich.

Plötzlich fiel mir etwas auf. Ich wusste nicht, ob es Einbildung war, aber mir schien es, als ob Hizumis Gesichtszüge für einen Moment entgleist wären.

Ich blickte ihn prüfend an.

Vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet.

Ich wollte ihn gerade darauf ansprechen, als das schrille Piepsen eines Handys ertöne und mein Objekt der Begierde anfing in seiner Tasche herum zu kramen.

Wenig später hielt er sich ein verdammt teuer aussehendes Handy ans Ohr, bei dem ich etwas wehleidig an mein schrottiges, aber treues, Nokia denken musste.

„Ja?“, meldete er sich. Kurz darauf nahm sein hübsches Gesicht einen genervten Ausdruck an.

„Ja, bin ich! Darf ich fragen was dich das angeht? Ja Zero, es ist gut jetzt! Ich kann auf mich selbst aufpassen, ich bin ein großer Junge!“

Dieser Satz belustigte mich ungemein und ich hatte Mühe, mir ein Grinsen zu verkneifen.

Groß war bei weitem was anderes.

Interessiert sah ich Hizumi beim telefonieren zu und ich kam nicht um die Tatsache herum, ihn in Gedanken als einen der wohl faszinierendsten und schönsten Menschen, die mir je über den Weg gelaufen waren zu betiteln.

Auch, wenn er ein Kerl war.
 


 

Zero
 

Ein paar Kilometer weiter, im Wohnzimmer eines ziemlich großen, teuren und alten Hauses…
 

Wütend knallte Zero sein Handy auf den dunklen Mahagonitisch.

Es war unfassbar!

Dieser kleine, zickige Kindskopf von einem Hizumi saß doch tatsächlich mit einem wildfremden Menschen in irgendeinem Schuppen und trank gemütlich Kaffee, während er hier vor Sorge zerfloss.

Seufzend ließ Zero sich aufs Sofa fallen und vergrub resignierend das Gesicht in der rechten Hand.

Nicht dass er es Hizumi nicht gönnte ein bisschen Spaß zu haben, aber nicht mit irgendeinem Menschen.

Das letzte Mal hatte sein jüngster Schützling unter „Spaß haben“ etwas verstanden das ziemlich blutig geendet hatte und ihm und dem gesamten Clan eine Menge Ärger eingebrockt hatte. Wobei Hizumi es eigentlich nicht verdient hatte, in ein solches Licht gerückt zu werden.

Eigentlich war es anders gewesen. Er hatte lediglich die Kontrolle über sich verloren, was in diesem jungen Alter nichts Ungewöhnliches war, doch die Konsequenzen waren die selben geblieben.

Noch einer dieser Gründe, warum Zero nichts mit den Lebenden zu tun haben wollte.

Sie machten Ärger.

Des Weiteren hielt er sowieso nicht viel von Menschen. Sie verachteten ihr Leben, jammerten und waren der festen Überzeugung, dass alle anderen es besser hatten als sie selbst.

Leise vor sich hin fluchend richtete sich der Vampir auf und ging in aller Seelenruhe zum Kühlschrank.

Er brauchte jetzt etwas zu Trinken.

Zero legte die blasse Hand um den Metallgriff und öffnete die Kühlschranktür, griff hinein, nur um wenige Sekunden später eine noch verpackte Blutkonserve hervorzuholen und mit einer schnellen Handbewegung zu öffnen.

Er trottete zum Sofa zurück, schnappte sich auf dem Weg dorthin ein sauberes Weinglas.

Leise ächzend setzte er sich, goss sich das, eigentlich für die Blutspende vorgesehene, Blut ins Glas und überlegte mit welchen altbackenen und sinnfreien Sprüchen er Hizumi malträtieren sollte, sobald der früher oder später hier bei ihm aufkreuzte.
 


 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*

so hier mit wäre da erste kapitel zu ende ^_^

noch nichts weltbewegendes passiert, das wird sich aber spätestens im übernächsten ändern ;)

Contact

Zeros Villa...
 

Das penetrante Geräusch seiner Türklingel ließ ihn aufschrecken. Murrend erhob er sich, um den Störenfried in Empfang zu nehmen. Zero öffnete die Tür und wurde buchstäblich über den Haufen gerannt.

„Zero! Wurde ja auch Zeit, dass du aufmachst! Hast du gepennt, oder was?“ Karyu schob sich an ihm vorbei und schmiss seinen Mantel auf die Garderobe.

Mit einem verächtlichen Schnauben schloss der zweite Vampir die Haustür und folgte Karyu ins Wohnzimmer.

Der hatte es sich schon auf dem Sofa bequem gemacht und war gerade dabei sich über eine Schüssel mit Süßigkeiten, die auf dem Couchtisch stand, herzumachen.

Ohne mit der Wimper zu zucken, ließ Zero sich in einen dunkelroten Sessel ihm gegenüber fallen.

Er war es ja gewohnt.

Ständig hingen Hizumi oder Karyu, schlimmer noch, alle beide, in SEINEM Haus rum, tranken SEINE Blutkonserven, besetzten SEINE Sitzmöglichkeiten und telefonierten mit SEINEM Handy.

Aber mit den Jahrhunderten gewöhnte man sich sogar an das.

Karyu meldete sich kauend zu Wort.

„Also, was ist jetzt genau los im nördlichen Viertel? Am Telefon klangst du ein wenig gestresst!“

Zero schnaubte.

„Gestresst ist gut, wir haben allen Grund gestresst zu sein, du auch! Und jetzt grins nicht so süffisant, du weißt, wie sehr ich das leiden kann!“

„Komm endlich zum Punkt, Zero!“

Der Angesprochene seufzte schwer.

„Jaja, ist gut. Wir haben ein verdammtes Problem. Offensichtlich haben wir es mit einem Killer zu tun, der Spaß daran hat, unsereins in Mundgerechte Stückchen zu zerlegen. Und da ist er sehr präzise. Ach! Und bevor ich's vergesse, er ist nach allem was wir wissen ein Mensch.“

Karyus Bernsteinaugen weiteten sich.

„Du meinst ein Vampirjäger?“

„So sieht's aus..Ein verdammt guter möchte ich meinen.“ Er lächelte bitter.

„Er hat einen der Nachtclubs entdeckt und sämtliche Gäste abgeschlachtet, demnach weißt du was in nächster Zeit an Arbeit auf uns zukommt. Eigentlich dürften wir hier gar nicht sitzen und uns die Mäuler darüber zerreißen.“

Karyu schob sich einen weiteren Schoko-Katzenkopf in den Mund und lehnte sich zurück.

Das war allerdings ein Problem, da musste er Zero zur Abwechslung Recht geben.

Das war ein verdammt großes Problem.

Menschen waren so gesehen kein Problem, allerdings machten sie welche. Der Orden sah es gar nicht gerne wenn „sowas“ passierte. Demnach war höchste Vorsicht geboten, denn diese Russen konnten verdammt stinkig werden, das hatte Karyu am eigenen Leib erfahren müssen.

Sobald sie spitz kriegten, dass hier in Tokyo ein irrer Sterblicher Vampire abschlachtete, und das auch noch direkt am Rande eines Wohngebietes, dann würde es unter Umständen sehr unschön für sie werden.

Sie.

Dieses „sie“ bezog sich eigentlich nur auf Zero und ihn, einer der Nachteile wenn man der führende Teil eines so großen Clans war. Für alles war man verantwortlich.

Es war egal, ob der spinnerte Vampirjäger jetzt eine schwere Kindheit oder Probleme in der Liebe hatte, dass er wahllos Unschuldige niedermetzelte und anscheinend Spaß daran hatte, denn im Endeffekt waren es sowieso sie beide Schuld.

Rosige Aussichten.

Ein weiterer Katzenkopf wurde zum Tode durch Zerkauen verurteilt.

„Also, du bist unser aller Boss, was schlägst du vor?“

Zero blickte missbilligend auf die schon halb leere Schüssel.

Er reckte den Arm und schnappte sich das Gefäß, was von einem unwilligen Grummeln von Seiten Karyus begleitet wurde.

„Noch schlage ich gar nichts vor, aus dem einfachen Grund, dass mir noch nichts eingefallen ist. Liegt vielleicht daran, dass du mir gerade meine höchst wichtige Nervennahrung geklaut hast!“, er angelte nach der Schüssel, die Zero aber energisch an sich drückte.

„Nix da! Jetzt hör auf dich wie hundertfünfzig zu benehmen und denk nach. Was bist du überhaupt für ein Vampiroberhaupt, mh?“ Zero schien ziemlich genervt und pickte eine der Süßigkeiten aus der Schüssel, um sie nun seinerseits zwischen die Zähne zu schieben.

Karyu schien zu schmollen.

Nach einer Weile hatte er sich offensichtlich wieder gefangen und dachte nun angestrengt nach.

„Gibt es irgendwelche überlebenden Augenzeugen, die wissen wie er aussieht?“

Zero wiegte den Kopf.

„Jain. Ein Bild haben wir, allerdings ist noch lange nicht sicher, ob er der Jemand ist, den wir wirklich suchen.“

Der Blonde runzelte die Stirn und sah Zero ernst an.

„Einen Versuch ist es wert. Also los! Zeig mir, wie er aussieht!“

Sein Gegenüber nickte, stellte die Schüssel wieder auf ihren eigentlichen Platz und schloss die Augen.

Karyu tat es ihm gleich.

Wenige Augenblicke später erschien das Bild eines jungen Mannes vor Karyus innerem Auge.

Eine praktische Angelegenheit. Einige Menschen hätten für diese Gabe sicherlich ihre Oma verkauft, den Untoten ist sie sozusagen in die Wiege gelegt worden.

Gedankenlesen und –übertragen.

Er speicherte das Gesicht des vermeintlichen Mörders in seinem Gedächtnis, wo es , für ihn jederzeit abrufbar, gespeichert wurde.

Langsam öffnete er die, nun hellgelben, Augen. Zero hielt die seinen noch eine Weile geschlossen.

Einer der Nachteile des Vampirdaseins.

Sämtliche inneren Regungen, besonders Gefühle, spiegeln sich in den Augen und lassen ihre Farbe, je nach Intensität und Art der Emotion, mal hell, mal dunkler erscheinen.

Nun hatte auch der Schwarzhaarige die Augen aufgeschlagen und blickte Karyu aus gelblichen Iriden an.

„So, das ist also unser momentaner Verdächtiger. Er wurde von einer der Stripperinnen gesehen, die gerade Schichtwechsel hatte und auf dem Heimweg war. Sie meint er hätte einen ziemlich verstörten Eindruck gemacht und eine Wolke von Menschengeruch hinter sich hergezogen, als er sich vom Club entfernt hat.“

Karyu nickte.

„Dann wird ich den kleinen Wichser mal suchen gehen und ihm kräftig den Arsch versohlen, sobald ich ihn gefunden hab!“ Er erhob sich.

Zero blieb in seinem Sessel sitzen und lehnte sich gähnend zurück.

„Mach du mal, mein Held. Ich bleib hier und warte darauf, dass Hizumi angekrochen kommt. Dem hab ich nämlich auch noch den Arsch zu versohlen.“, grummelte er beleidigt.

„Muss ich dich verstehen?“

„Nein, und jetzt verzieh dich und geh Ärsche hauen!“
 


 

Zur gleichen Zeit am anderen Ende der Stadt…
 

Das schallende Geräusch einer Ohrfeige hallte von der hohen Decke der Villa wieder und verlor sich in den endlosen Gängen.

Der zierliche Junge taumelte ein paar Schritte zurück und presste die Hand gegen seine Wange.

„Und du machst, dass du rauskommst, hast du mich verstanden?! Ich kann keine Schlampen gebrauchen, die ständig nur in irgendwelchen Clubs rumhängen und nicht genug Kohle mitbringen!“

Ein zweiter Faustschlag ins Gesicht.

Der Neunzehnjährige spürte, wie sich der metallische Geschmack von Blut in seiner Mundhöhle verteilte.

Es war zwecklos irgendetwas zur Verteidigung vorzubringen, dieser widerliche Fettsack würde ihn wahrscheinlich für jedes weitere Wort schlagen.

Er nickt stumm, wischte sich über den Mund und taumelte in sein Zimmer.

Wenig später fand er sich selbst vor der schweren Haustür wieder und der nasskalte Septemberwind fuhr ihm durch die Haare.

Langsam setzte er sich in Bewegung, ohne festes Ziel.

In der Hoffnung, irgendwo einen Schlafplatz zu finden, schlug er den Weg zum südlichen Teil der Stadt ein. Ganz in der Nähe befand sich ein Industriegebiet, in dem mit ein bisschen Glück, ein paar Hallen leer standen, in denen er sich für eine unbestimmte Zeit einquartieren könnte.

Es fing an zu nieseln und Toshiya wickelte die dünne Jacke enger um seinen schmalen Körper. Er wollte nicht wissen, was für ein verdammt erbärmliches Bild er momentan abgab.

Ein dürrer, braunhaariger Junge, der in einem ärmellosen Shirt, einer viel zu dünnen Jacke und einer zerrissenen Jeans steckte und nebenbei noch eine blutige Lippe hatte.

Wirklich kein schöner Anblick, aber er war sich sicher, dass die Leute ihm sowieso wenig Beachtung schenken würden. Er war nur einer von Vielen.
 


 

In einem kleinen Café mitten in einer Fußgängerzone…
 

Sagas POV
 

Fasziniert beobachtete ich Hizumi bei seinem kleinen Wutausbruch. Irgendwie gefiel mir diese stürmische Art, auch seine leichte Arroganz machte mich, um ehrlich zu sein, ziemlich an.

Wäre er eine Frau gewesen, hätte ich es mir nicht zweimal überlegt, ihn mit nach Hause zu nehmen. Doch leider war das genaue Gegenteil der Fall.

Obwohl ich tief im Innersten hoffte, dass er sich vielleicht doch als eine ziemlich flachbrüstige Frau entpuppte (sexy war er und zickig genug schien er offensichtlich auch zu sein) machten Hizumis recht tiefe Stimme und die Tatsache, dass er die Beine nicht übereinander schlug und keine dämlichen Plüschtiere an seinem Handy baumelten, meine Hoffnungen langsam aber stetig zu nichte.

Innerlich starb ich aufgrund dessen gerade tausend Tode, denn ich selbst war ja nun so hetero wie ein Mann wie ich nur sein konnte.

Meistens jedenfalls.

Doch Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel, oder?

Jedenfalls liefen die Frauen mir buchstäblich nach, ich bekam jede Nummer die ich wollte und von meinen auch momentan laufenden Bettgeschichten wollen wir gar nicht erst reden.

Aber genug mit diesem elenden Ego-Pushing.

Irgendwie empfand ich diesen Kerl langsam als ernste Bedrohung für meinen, sonst doch sehr geregelten und vor allem ausgelasteten, Hormonhaushalt.

Ich hatte nun echt keine große Lust nur wegen einem hübschen Kerl, vielleicht war er ja doch eine Frau, auf einmal dauerhaft das Ufer zu wechseln.

So ging das hier aber nicht!

Saga der Weiberheld hatte einfach keinen Bock eines morgens mit schmerzendem Hinterteil neben einem alten, perversen Fettsack aufzuwachen, nur weil er sich wegen irgendeinem Hizumi entschlossen hatte schwul zu werden, dann leider aber hatte feststellen müssen, dass besagter Hizumi straighter war als der Papst.

Tja, dann wäre es zu spät gewesen und am Ende vom Lied sah ich mich selbst, in einem Latex-Mini, auf der Bühne irgendeiner Schwulenbar stehen und gerade die Wahl zur „Mutti des Monats“ gewinnen.

Schnell schüttelte ich den Kopf um diesen abscheulichen Gedanken zu verwerfen.

Ich wollte mich wichtigeren Dingen widmen.

Hizumi zum Beispiel.

Der keifte gerade ein liebenswertes „Dann halt nicht!“ in den Hörer und drückte den roten Knopf.

Nachdem er seinen offensichtlichen Unmut mit einem genervten Ausatmen kund getan hatte, fragte ich zaghaft was denn los sei.

„Ach. Nicht viel. Zero, ein Kumpel von mir. Er denkt er wäre meine Mutter, Vater, Bruder, Aufpasser, oder sonst wer, der mir was zu sagen hätte!“

Ich nickte.

Oh ja, das Aufpassersyndrom kannte ich allerdings.

Bei Tsukasa war es allerdings nicht so ausgeprägt wie bei diesem Zero.

Hizumi seufzte.

„Ich glaub ich muss gehen, ich hab noch was zu erledigen.“

Halt!

Moment mal!

Auszeit!

Der wollte doch jetzt nicht tatsächlich einfach abhauen?

Plötzlich zuckte ich merklich zusammen.

Hizumi hatte meine Hand genommen und ich lief knallrot an.

„Ich geb dir meine Nummer, dann können wir uns mal wieder treffen. War nämlich nett mit dir.“ Er lächelte mich zuckersüß an.

Dieses Miststück.

Und schon begann er mit einem Kuli eine Handynummer auf meine Hand zu kritzeln.

Hoffentlich hatte der jetzt nicht gesehen , dass ich einer Frucht mit dem Namen Tomate glich.

„So fertig!“ Er grinste mich stolz an.

„Gibst du mir auch deine?“

Ich nickte mechanisch und versuchte meine roten Blutkörperchen durch Telepathie zurück in Gefäße meines Körpers zu schicken, die NICHT durch mein Gesicht verliefen.

Multitaskingfähig wie ich nun mal bin, betrieb ich nun telepathischen Kontakt mit meinen Blutzellen, während ich Hizumi seelenruhig meine Handynummer aufsagte und der sie in seinem Telefonbuch speicherte.

Ich Naturtalent.

Wenig Später erhob sich der Grund für meine Gehirnakrobatik und warf mir ein letztes Lächeln zu.

„Wir sehen uns dann, ne?!“

Mit diesen Worten ließ er mich sitzen und verließ das Café.

Irgendwie wackelte er beim Gehen mit dem Hintern.

Vielleicht war er ja doch eine Frau.

Wie nannte man denn eine Frau die sich als Mann ausgab?

Wäre Hizumi ein Mann der sich als Frau ausgäbe, wäre er ganz klar eine Tunte gewesen, aber wenn er nun doch eine etwas geschlechtsverwirrte Frau war?

Wie hieß das denn dann?

Etnut? Tetun? Oder ganz anders?

Moment mal?

Hatte ich ihm gerade wirklich auf den Arsch geguckt?!!
 


 

Einige Stunden später, irgendwo mitten in Tokyo…
 

Toshiyas POV
 

Es hatte angefangen zu regnen und ich fror entsetzlich, spürte meine Hände nicht mehr.

Suchend sah ich mich um, hoffte irgendwo einen Schutz vor dem Wetter zu finden, doch nirgendwo fand ich eine Überdachung, eine enge Gasse oder etwas Ähnliches.

Also blieb mir nichts anderes übrig, als weiter zu laufen, weiter durch diesen Strom von Menschen.

Wahrscheinlich waren die meisten auf dem Weg nach Hause zu ihren Familien.

Ich überlegte wie schön es wäre, einer von ihnen zu sein, auch auf dem Nachhauseweg, zu jemandem der mich gern hatte und der auf mich wartete.

Ich steckte meine bläulichen Finger in die Jeanstaschen.

Auf mich wartete niemand.

Seit mich meine Eltern im Alter von fünfzehn Jahren vor die Tür gesetzt hatten, wartete niemand mehr auf mich.

Wobei meine so genannten Eltern sowieso nie im wirklichen Sinne auf mich gewartet hatten.

Für mich bedeutet „auf jemanden warten“, dass man diese Person vermisst und sich wünscht, dass sie wiederkommt, weil man seine Zeit mit ihr verbringen will und sie gern um sich hat.

Der einzige der sich regelmäßig gefreut hatte mich zu sehen war mein Hund.

Den ließen meine Eltern einschläfern als ich dreizehn war.

Ich vertrieb die Gedanken an meine Vergangenheit.

Warum sollte ich an meine beschissene Vergangenheit denken, wenn ich doch gerade eine beschissene Gegenwart erlebte und wahrscheinlich auch eine beschissene Zukunft vor mir lag?

Langsam aber sicher begannen die Menschenmassen weniger zu werden, die Gegend wurde zunehmend heruntergekommener.

Ich ging weiter.

Ich wusste nicht, wie lange ich schon gelaufen war, aber es begann zu dämmern.

Ein schöner Sonnenuntergang hätte mich gefreut.

Ich mochte Sonnenuntergänge, sie hatten etwas Tröstendes an sich.

Der Himmel wurde dunkler, genau wie die Fensterscheiben der maroden Häuser, an denen ich vorbei ging. Immer noch sah ich mich suchend um und erblickte eine kleine, ziemlich dunkle Gasse.

Sofort nahm ich Kurs auf die zugemüllte Sackgasse und ließ mich erschöpft neben einen Stapel alter Blechtonnen fallen.

Ich schloss für einen Moment die Augen und versuchte das Zittern zu unterdrücken, das mich schon vor einer Weile befallen hatte.

Es dauerte lange, bis ich meinen Körper einigermaßen im Griff hatte.

Ein Knurren ließ mich aufschrecken.

Mein Magen.

Ich hatte den ganzen Tag nicht zu mir genommen, gut, ich hatte Geld dabei, ein bisschen, aber hier gab es weit und breit kein Geschäft in dem ich mir etwas hätte kaufen können.

Und zurücklaufen wollte ich nicht, gekonnt hätte ich es wahrscheinlich auch nicht.

Also kramte ich in meiner Tasche nach einer alten Decke und wickelte mich darin ein.

Ich lehnte den Kopf gegen eine der Blechtonnen und versuchte mein Hungergefühl und die beißende Kälte zu vergessen.

Langsam verfiel ich in einen schlafartigen Dämmerzustand.

Vielleicht würde ich die Nacht ja nicht überleben, aber das war mir egal.

Es gab niemanden der auf mich warten würde.

First Problems

Hizumi
 

Unwillig ging Hizumi die Straße entlang, immer gezwungen den Wassermassen in Form von einfachen Pfützen, oder kleinen Sturzbächen auszuweichen.

Nach einer halben Ewigkeit stand er vor Zeros Haustür und drückte auf den Klingelknopf.

Gut, er hätte laufen können, aber erstens wollte er es nicht riskieren gesehen zu werden, zweitens hatte er die Zeit zum Nachdenken gebraucht.

Ein leises Klacken ertönte und Zero öffnete ihm die Tür.

„Ach nein! Wir bequemen uns auch mal wieder hierhin?“ Er lächelte ein Lächeln, dass Hizumi eher an einen Haifisch erinnerte…

Schnaubend schob er sich an Zero vorbei und zog sich Schuhe und Mantel aus.

„Jaja, ist gut, ich weiß es ja! Lass stecken, ok?“

Der Schwarzhaarige zog die fein gezupften Augenbrauen hoch, sagte aber nichts, sondern verschwand wortlos im Wohnzimmer.

Etwa zwei Minuten später gesellte sich Hizumi zu ihm und nahm auf dem Sessel, den eben noch Zero besetzt hatte, platz.

„Ok, also, da du dir die sinnfreien Belehrungen ja offensichtlich, und zu meiner großen Freude, gespart hast. Was genau ist jetzt überhaupt los? Aus deinem Gebrabbel am Handy bin ich nicht wirklich schlau geworden!“

Zero nickte und nippte an seinem mit Blut gefüllten Weinglas.

„Wir haben da ein Problem mit einem Vampirjäger, er hat eine komplette Disse in ein Blutbad verwandelt, du weißt schon, der Club im Nord Viertel.“

Hizumis Augen weiteten sich.

„Du meinst das „DarkWave“?“

Zero nickte.

Er konnte sich vorstellen, dass Hizumi sich im Moment ein wenig unbehaglich fühlte, wusste er doch, dass sein Schützling schon oft seine freien Abende in diesem Vampirtreffpunkt verbracht hatte. Wäre er auch in dieser Nacht da gewesen, wären die Chancen, dass er jetzt hier bei Zero im Wohnzimmer saß und sich mit ihm unterhielt, verdammt gering ausgefallen.

„Und jetzt?“, fragte der Jüngere etwas kleinlaut.

„Jetzt ist Karyu losgezogen, um einem Verdächtigen einen Besuch abzustatten. Ich denke mal, falls wir einen Treffer landen und das wirklich unser Mann ist, wird das Problem bis morgen früh behoben sein.“

Skeptisch wiegte Hizumi den Kopf, er wusste genau was Zero mit diesem Satz meinte.

Karyu würde diesen Typ in ein Häufchen Hackfleisch verwandeln, wenn überhaupt soviel von ihm übrig bleiben würde. Es konnte auch sein, dass Karyu seine guten Manieren vergaß und sich eine kleine Zwischenmahlzeit gönnte.

Hizumi lief ein Schauer über den Rücken.

Widerlich, aber leider doch sehr realistisch. Immerhin war die Menschenjagd ein vampirischer Urinstinkt.

Plötzlich spürte er Zeros durchdringenden Blick und sah auf.

„Hizumi, ich wird das Gefühl nicht los, dass der Kleine mit dem du heute weg warst was mit unserm Jäger zu tun hat. Du brauchst mich gar nicht so fassungslos anzuglotzen, es ist nur eine Vermutung. Hat er irgendwas gesagt, was uns weiterhelfen könnte?“

Der junge Vampir überlegte.

„Er hat kurz mal erwähnt, dass sein Bruder irgendeinen Vampirtick hat.“

Zero hob eine Augenbraue, doch bevor er etwas sagen konnte lenkte Hizumi ein.

„Ich glaub aber eher, dass es so ein kleiner PC-Freak ist, der World of Warcraft zockt, Pickel hat und Frauen nur von Pornoseiten her kennt.“ Er grinste leicht und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.

Hizumi beobachtete wie sein Gegenüber den Kopf hin und her wiegte.

Kein sonderlich gutes Zeichen.

„Trotzdem, es beunruhigt mich. Ich glaube dein Typ hängt da irgendwie mit drin. Du hast doch nicht vor dich nochmal mit ihm zu treffen, oder?“ Das war keine Frage, das glich einer Morddrohung.

Trotzig verschränkte Hizumi die Arme und sah Zero böse an.

„Oh doch! Das hab ich!“

Zu seiner Überraschung breitete sich ein mildes Lächeln auf Zeros sonst so kaltem Gesicht aus.

„Du bist wie ein Kind. Hauptsache bloß nicht das machen, was ich dir sage. Aber sei vorsichtig, ok?“

Hizumi verzog das Gesicht. „Das hat damit gar nichts zu tun, ok? Ich finde ihn nett und will mich darum nochmal mit ihm treffen!“ Sein Tonfall wurde zunehmend angesäuerter. Hizumi wechselte in den Zickenmodus.

Doch Zeros Lächeln wurde breiter.

„Ja schon klar. Triff dich ruhig mit ihm, aber wie gesagt, sei vorsichtig und vor allem“ Er sah Hizumi ernst an „Verlier nicht wieder die Nerven!“

Mit diesen Worten erhob er sich und strich sich die langen, schwarzen Haare aus dem Gesicht.

„Schließ die Tür ab wenn du gehst, ok? Ich brauch frische Luft.“

Mit diesen Worten verschwand der Vampir lautlos zur Tür hinaus und ließ einen leicht verwirrten Hizumi im Wohnzimmer zurück.
 


 

Zero
 

Tief atmete er die kühle Nachtluft ein.

Das graue Zwielicht der Dämmerung war einer sternenlosen, bewölkten Nacht gewichen.

Immerhin hatte der ewige Regen aufgehört.

Ohne festes Ziel lief Zero durch die dunklen Straßen, lies sich einfach von seinen Füßen tragen und versuchte für einen Moment seine Probleme und die Angst vor dem morgigen Tag und Karyus Berichterstattung zu vergessen.

Plötzlich stieg ihm ein wohlbekannter Geruch in die Nase.

Es roch verdammt nach Mensch!

Ganz in der Nähe musste sich eine Person befinden, doch etwas ließ Zero stutzen.

Es war kein typischer Menschengeruch, da war noch etwas anderes, das er nicht wirklich zuordnen konnte.

Diese Tatsache erweckte seine Neugier und suchend sah er sich um und schnupperte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit entdeckte er in einer engen Seitengasse eine zusammengekauerte Gestalt, die sich zitternd in eine verdreckte Decke gehüllt hatte und zu schlafen schien.

Vorsichtig trat der Untote näher, blieb aber auf einer gewissen Distanz.

„Hey, alles in Ordnung?“

Von seinem Platz aus sah er, wie die Gestalt sich erschrocken aufsetzte.

Er roch ihre Angst.

Zero machte ein paar langsame Schritte auf das zitternde Bündel zu, schon nach wenigen Schritten erkannte er einen verängstigt dreinblickenden Jungen, der mit geröteten Augen zu ihm aufsah.

„Ist gut, du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Bist du verletzt, oder brauchst du Hilfe?“ Zero wunderte sich einen kurzen Moment über seine eigenen Stimme, und darüber, dass er da gerade einem wildfremden Typ, der den Tränen nahe neben einem Stapel Schrott saß, seine Hilfe anbot.

Noch immer reagierte Toshiya nicht, sah nur mit großen Augen auf den schwarzen Schatten, der nur einen Meter entfernt stand.

„Keine Sorge, ich tu dir nichts.“ Er überlegte, noch einen Schritt näher an den Jungen heranzutreten, beließ es dann aber bei seinem Sicherheitsabstand.

Nach einer kurzen Zeit völliger Stille bemerkte Zero ein Nicken des Fremden, offensichtlich schien er doch ansprechbar zu sein.

Bei genauerem Hinsehen sah der Schwarzhaarige die Verletzungen im Gesicht des Jungen und auch seine empfindliche Nase meldete Blutgeruch.

Es kratzte ihn herzlich wenig, denn erstens hatte er eben gegessen und zweitens war er alt genug, um sich in solchen Situationen beherrschen zu können.

„Wer hat dich denn so zugerichtet? Soll ich dich zum Arzt bringen?“ Er versuchte möglichst freundlich zu klingen, wollte er den Kleinen doch nicht noch mehr verängstigen.

Der schüttelte nur den Kopf.

„Nein…danke, es geht schon.“, sagte er leise, ohne den Blick von Zero abzuwenden.

Langsam rappelte er sich auf und Zero stellte fest, dass der „Kleine“ ein Stück größer war als er selbst.

„Wo wohnst du denn, dann begleite ich dich heim. In deiner Aufmachung kommst du alleine nicht heil nach Hause.“ Er musterte ihn von oben bis unten.

Toshiya schwieg und sah Zero mit immer noch ängstlichem Blick an.

„Ich wohne“ Er stockte „Ich…wohne nirgendwo.“, beschämt senkte er den Blick.

Zero hob eine Augenbraue.

„Aber du willst heute Nacht nicht ernsthaft hier schlafen, oder? Du überlebst alleine vielleicht noch vier Stunden, dann findet dich irgendeine Gang. Die sind nicht gerade freundlich zu Leuten wie dir.“

Er sah den Jungen förmlich in sich zusammenschrumpfen, und augenblicklich taten ihm seine eben gewählten Worte Leid.

„Willst du mit zu mir?“

Plötzlich meldete sich sein Verstand.

Irgendwas lief hier verdammt schief.

Zusammenfassung.

Er hatte einen Spaziergang machen wollen, um wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzufinden, soweit alles im Normalbereich.

Und jetzt stand er hier und war drauf und dran irgendeinen verwahrlosten Junkie mit zu sich nach Hause zu schleppen.

Toshiyas Stimme ließ ich aus seinen Gedanken aufschrecken.

„Aber…du kennst mich doch gar nicht“ Er schien sichtlich verwirrt zu sein.

Richtig.

Er kannte diesen Kerl nicht!

Immerhin einer der denken konnte!

Und weil er den eigentlich gar nicht kannte, würde er sich jetzt umdrehen und auf direktem Weg nach Hause gehen.

„Ich will dich trotzdem nicht allein auf der Straße sitzen lassen. Du würdest bis Morgen nicht überleben.“

Moment mal!

Wer hatte das gesagt?

Doch nicht etwa er selbst?

Offensichtlich doch, denn Toshiya nickte zögerlich und schnappte sich seine Umhängetasche.

Zero gab auf.

Wenn er schon so dämlich war, würde er es jetzt auch ausbaden müssen.

Langsam setzte er sich in Bewegung und schlug schweigend den Weg nach Hause ein.

Diesmal allerdings nicht allein.
 


 

Karyu
 

Nachdem Karyu das Haus verlassen hatte, machte er sich auf den Weg ins nördliche Viertel, hauptsächlich, um sich selbst ein Bild vom Tatort zu machen.

Schon bei seiner Ankunft stieg ihm der beißende Geruch geronnenen Blutes in die Nase und er verzog angewidert das Gesicht, atmete durch den Mund.

Langsam öffnete er die schwere Eisentür, die den Nachtclub von der Außenwelt trennte und wortwörtlich als Tor in eine andere Welt fungierte.

Eine Welt die heutige Menschen nur noch aus Fantasy-Romanen und Horrorfilmen kannten.

Schon sehr amüsant, dass sich diese Fantasy Welt allgegenwärtig war und Vampire sozusagen Seite an Seite mit den Sterblichen existierten.

Karyu ließ den Blick durch die ehemalige Lagerhalle schweifen, die schon seit Jahren als DIE Location schlechthin in der Vampirszene bekannt war.

Er selbst hatte wichtigeres zu tun, als sich in solchen Schuppen von notgeilen Kerlen angraben zu lassen, aber er wusste, dass Hizumi das ziemlich anders sah.

Er war froh, dass der junge Vampir nicht auch Opfer des Attentats geworden war, immerhin hatte er selbst ihn zu dem gemacht was er war.

Der Geruch nach Tod, Verwesung und Angst war nicht auszuhalten, er lag wie ein unsichtbares Leichentuch auf diesem Ort.

Karyu versuchte seinen Würgreiz zu unterdrücken.

Er hatte genug gesehen, vielmehr gespürt.

Denn nichts zeugte mehr von dem Blutbad, das sich hier ereignet hatte, die Halle war sauber und leer.

Zero hatte gute Arbeit geleistet, doch der Geruch blieb.

Er drehte sich um und verschwand so lautlos wie er gekommen war, ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

Überglücklich wieder einigermaßen frei atmen zu können entfernte er sich so schnell wie möglich von diesem Schauplatz des Grauens.

Während er sich weiter auf ein unbestimmtes Ziel zu bewegte, kreisten seine Gedanken um den Mörder.

In einem ruhigen Tempo passierte er die leeren Fabrikhallen mit ihren schwarzen Fenstern, hinter denen sich wahrscheinlich schon einige Dinge abgespielt hatten, die Menschen als grausam erachtet hätten. Für ihn war es weder schlimm noch besonders. So wie Kühe Gras fraßen und Menschen Kühe, so fraß seine Art eben Menschen. Das war nun mal das Leben im obersten Teil der Nahrungskette, auch wenn er selbst in gewisser Weise „vegetarisch“ lebte, der Menschenjagd also schon seit Jahrhunderten entsagt hatte und sich nur von Blutkonserven ernährte.

Plötzlich stockte er.

Jemand beobachtete ihn, er spürte Blicke in seinem Nacken.

Langsam, um kein Aufsehen zu erregen, drehte er sich um und hob den Kopf.

Karyu hatte ein verdammt ungutes Gefühl. Hier stimmte etwas nicht und plötzlich wusste er etwas es war.

In diesem Menschenleeren Stadtteil, der nicht umsonst unbewohnt war, immerhin hatten sich hier allabendlich Untote getroffen, lag für gewöhnlich der muffige Geruch nach Tod in der Luft.

Doch nun mischte sich etwas Süßliches dazu, das ganz aus der Nähe zu kommen schien.

Menschengeruch.

Deadly Decisions

Und endlich geht es weiter!

Ich wünsch euch allen noch nachträglich ein schönes neues Jahr und frohe Xmas ♥

Kommt spät, ich weiß!

Ich hätte gern früher weiter geschrieben, aber ich hab gewisse Magenprobleme durch den übermäßigen Alkoholkonsum an Silvester *hust*

D.h.: Ich liege eigentlich meistens kotzend und mich windend in irgendeiner Ecke... Aber letztendlich hab ich's doch noch geschafft dieses, endlich mal längere chaps, hochzuladen.
 

enjoy ♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 


 

Zeros Villa
 

Toshiyas POV
 

Staunend sah ich mich in dem riesigen Haus um.

Ich konnte immer noch nicht fassen, dass er mich einfach mitgenommen hatte, ich kannte ja nicht mal seinen Namen.

Das Klicken des Haustürschlosses ließ mich leicht zusammenzucken.

Ich drehte mich um und sah in ein freundlich lächelndes Gesicht.

Anstatt zurück zu lächeln muss ich wohl nur ziemlich blöd aus der Wäsche geguckt zu haben, die Situation musste ich erst noch verstehen.

Plötzlich wurde ich von hinten gepackt und sanft aber bestimmt durch eine Tür schräg neben mir geschoben. Etwas erschrocken sah ich mich um und stellte fest, dass ich mich in einer gemütlichen Küche befand.

„Möchtest du was trinken?“, fragte der Fremde mich.

Ich nickte, blieb jedoch sonst regungslos im Türrahmen stehen.

„Du kannst dich auch setzen wenn du willst.“ Er lachte leise.

Setzen?

Gute Idee.

Ich scannte also den Raum nach potentiellen Sitzmöglichkeiten und fand recht schnell einen Stuhl, auf dem ich Platz nahm.

Langsam aber sicher breitete sich eine angenehme Wärme in meinem unterkühlten Körper aus und ich begann über den merkwürdigen Mann nachzudenken der mich einfach so aufgesammelt hatte.

Wenn ich ehrlich zu mir war, glaubte ich nicht, dass er es einfach nur aus Nächstenliebe getan hatte, mein bisheriges Leben hatte meinen Glauben an das Gute im Menschen auf ein Minimum schrumpfen lassen.

Allerdings kam er mir bis jetzt nicht wie ein dahergelaufener Perverser vor.

Ich sah auf als sich ein Wasserglas in mein Blickfeld schob und nahm es dankend an.

Gerade hatte ich das kühle Glas an die Lippen gesetzt, als die Tür aufflog und ein ziemlich klein geratener Typ die Küche betrat.

„Ah, du bist wied-“ Er stockte und gaffte mich ungeniert an.

„Wer ist das?!“

Mein Retter kam langsam hinter der Anrichte, hinter der er bis eben gestanden hatte, hervor und hob nur eine seiner schmalen Augenbrauen leicht an.

„Ach, du schläfst noch nicht?“ Sein Ton hatte etwas Schneidendes in sich.

Ich versuchte mich so unauffällig wie möglich zu verhalten und starrte wortlos auf meine Hände.

„Nein, tu ich nicht! Aber wer zum Henker ist DAS?“, blaffte es von dem Kleinen zurück, der mit ein paar Schritten den Abstand zwischen Tür und Küchentisch überwand und sich auf einen der freien Stühle fallen lies.

Der Angesprochene verschränkte die Arme und sah mich leicht fragend an.

„Um ehrlich zu sein hab ich keine Ahnung wer das ist.“

Ich blinzelte erschrocken.

Wie unhöflich war ich eigentlich?

Er hatte mich einfach so aufgesammelt und ich war so dreist ihm nicht mal meinen Namen zu verraten.

Hastig sprang ich auf und verbeugte mich.

„Ähm… Hara Toshimasa“, stammelte ich „Aber ich werde Toshiya gerufen.“

Gott war das peinlich.

Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss und setzte mich schnell wieder auf meinen Stuhl, den Blick hielt ich gesenkt.

Der Mann mit den schwarzen Haaren nickte.

„Du kannst Zero zu mir sagen.“

Zero?

Was war das denn bitte für ein Name?

War das überhaupt ein Name?

Durfte ein Otto Normalverbraucher seinen Sprössling „Zero“ nennen?

War das legal?

Meine Grübeleien wurden schlagartig unterbrochen, als der Typ, dessen Namen ich noch nicht kannte, ein leises Schnauben ausstieß.

„Ok…fassen wir also zusammen: Noch heute Vormittag hast du mich zur Sau gemacht, weil ich mich mit einem Kerl getroffen hab“ Er schwieg eine Weile, ich interpretierte es als Kunstpause. „Und jetzt kommst du, ausgerechnet DU, mitten in der Nacht an und hast irgendeinen verwahrlosten Stricher aufgesammelt!?“

Sofort schrumpfte ich unter diesen Worten zusammen.

Sah man es mir so offensichtlich an?

Auf einmal fühlte ich mich unglaublich schmutzig und wünschte mir nichts mehr, als auf der Stelle im Erdboden zu versinken.

„Bei mir kann ich wenigstens sicher sein, dass nicht plötzlich die Polizei auf der Matte steht, weil ich mich nicht unter Kontrolle habe!“ Erstaunt sah ich Zero an.

Er lächelte zwar, aber dieses Lächeln war alles andere als freundlich.

Ich verstand nicht wirklich was diese Pygmäe da neben mir mit der Polizei am Hut hatte, aber ich wollte lieber nicht nachfragen, denn irgendwie war sie gruselig. Die Pygmäe, nicht die Polizei.

„Hizumi, ich wäre dafür, dass du jetzt schlafen gehst!“ Und gerade als dieser Hizumi empört aufgesprungen war, wurde er schon von Zero aus der Tür geschoben.

Ich hörte sie im Flur leise reden und nur wenige Augenblicke später kam Zero wieder zur Türe herein und schloss sie hinter sich.

„Entschuldige.“ Wieder lächelte er mich an, diesmal war es jedoch das freundliche Lächeln, das er mir heute schon öfters geschenkt hatte.

„Lass dich von Hizumi nicht irritieren, er kommt manchmal etwas unfreundlich rüber, meint es aber in den seltensten Fällen so. Möchtest du schlafen gehen? Du siehst verdammt müde aus.“

Etwas irritiert legte ich den Kopf schräg. Ich wunderte mich wirklich über den besorgten Blick den mir dieser völlig fremde Mann zuwarf.

Nach einer Weile nickte ich zaghaft, denn ich war wirklich verdammt müde.

Er sah mich an.

„Ok, komm mit, ich zeig dir dein Zimmer“ Mit diesen Worten verschwand er im Flur.

Nachdem ich das leere Glas in die Spüle gestellt hatte, folgte ich ihm in ein hübsch eingerichtetes Gästezimmer mit einem verdammt bequem aussehenden Bett.

Ich sah mich kurz um und stellte meine ziemlich mitgenommene Tasche neben ein kleines Holzschränkchen.

„Das Bad ist ganz am Ende vom Flur, wenn du was brauchst, ich bin oben.“

Zum ersten Mal seit langem schlich sich ein ehrliches Lächeln auf meine Lippen.

„Danke schön“ Ich sah ihn zum ersten Mal richtig an.

Zero war hübsch, auf seine eigene, merkwürdige Art und Weise.

Er war ein Stück kleiner als ich, sein Alter konnte ich nicht wirklich einschätzen, doch als ich seine Augen sah lief mir ein Schauer über den Rücken.

Aus dem ebenmäßigen Gesicht blickten mich hellbraune Augen an, die etwas an sich hatten, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Doch bevor ich mich in ihnen verlieren konnte drehte Zero sich um, wünschte mir eine gute Nacht und verschwand.

Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb.

Solche Augen hatte ich noch nie gesehen, schon ihre helle Farbe war mehr als ungewöhnlich, aber hauptsächlich hatte mich ihr unbeschreiblicher Blick fasziniert.

Schnell schüttelte ich den Kopf um mich ein bisschen zu beruhigen.

Ich brauchte unbedingt Schlaf.

Im Halbdunkeln ging ich den Flur entlang und fand sogar das von Zero beschriebene Badezimmer.

Nachdem ich mir das Gesicht gewaschen und die Haare gekämmt hatte, ging ich zurück ins Gästezimmer und ließ mich, nur mit Shorts bekleidet, aufs Bett fallen.

Es war wirklich so weich wie es aussah und sofort kuschelte ich mich unter die warme Decke.

Eine Weile dachte ich nach, über diesen höchst merkwürdigen Abend, über meine etwaige, wahrscheinlich sehr miese Zukunft, über diesen komischen Hizumi.

Hauptsächlich jedoch über den Mann, der mich mitten in der Nacht auf der Straße aufgesammelt hatte.

Mit einem letzten Gedanken an ihn schlief ich schließlich ein.
 


 

Hizumi
 

Es war doch einfach unfassbar, was erlaubte dieser aufgeblasene Schnösel von einem Vampir sich eigentlich?

Für wen hielt der Spinner sich denn bitte?

Wütend schlug Hizumi die Haustür hinter sich zu.

Erst schiss er ihn wegen einer harmlosen Bekanntschaft mit einem Menschen an, dann kam er auf die Idee Mutter Theresa zu Spielen und irgendwelche drogenabhängigen Stricher mit nach Hause zu nehmen!

Unfassbar.

Grummelnd vergrub der junge Mann die Hände in den Manteltaschen und schlurfte missgelaunt durch die nächtlichen Straßen.

Als ob er jetzt noch eine Sekunde länger im Haus dieses miesen, scheinheiligen, bemutternden Verräters bleiben würde.

Definitiv nicht!

Einzig und allein aufgrund des Mangels an sinnvollem Gedankengut, schweifte Hizumis Vorstellungsvermögen langsam aber unaufhaltsam wieder zum vergangenen Tag ab, somit auch zu Saga.

Das war schon ein merkwürdiger Mensch. Ok, Menschen erschienen ihm seit ungefähr zweihundert Jahren als sehr komische Geschöpfe. Aber der?

Der war noch komischer als die meisten die er bis jetzt getroffen hatten.

Gut. Okay, irgendwann in der Kolonialzeit hatte es mal einen Kerl gegeben der redete mit seinem Schaf wie mit einer Frau. Was er noch mit dem Schaf getan hatte, hatte Hizumi zum Glück nicht in Erfahrung gebracht.

Angewidert verzog er das Gesicht.

Aber wir wollen nicht abschweifen: Saga war merkwürdig!

Erst hatte er Hizumi umgerannt und sich somit ein Loch in dessen Dolce Jeans zu Schulden kommen lassen!

Fatal!

Dann hatte Saga begonnen ihn, wenn auch kaum merklich und vielleicht sogar unbewusst, anzugraben und gerade als Hizumi selbst in die Offensive gehen wollte rief Zero an. Toll. Vampir müsste man sein.

Versunken in einen Haufen aus hasserfülltem Gedankenschrott bemerkte der äußerst attraktive Untote viel zu spät, dass er schnurstracks an seinem eigenen Haus vorbei lief.

Wenige Minuten und einige Wutausbrüche und Flüche später fand er sich doch noch in seiner eigenen Küche vor dem Kühlschrank wieder. Immer noch leise fluchend angelte er nach einer Blutkonserve. Die letzte. Er würde Zero dezent darauf aufmerksam machen müssen, dass er gefälligst neue Nahrung brauchte.

Seufzend und auf einmal todmüde watschelte er die Treppe hinauf, ins Schlafzimmer und warf sich aufs Bett.

Nachdem Hizumi seine Klamotten zum Teufel geschickt hatte und nun, nur noch in Shorts, auf dem Bett lag, schnappte er sich die Konserve und riss sie auf.

Gedankenverloren nuckelte er die rote Flüssigkeit aus dem Beutel, der eigentlich für sterbenskranke Menschen in höchster Not, oder zur Rettung von irgendwelchen halb toten Bälgern dienen sollte.

Wen interessierte so was?

Wenn er sein Fresschen nicht bekam, dann würden die Bälger gar nicht mehr dazu kommen lebensgefährliche Krankheiten zu bekommen, da der Ausdruck „lebensgefährlich“ bekanntlich eine Wortkombination aus „Leben“ und „gefährlich“ ist.

Und um auf diese Art gefährdet zu sein brauchte man nun mal ein Leben. Doch wenn Hizumi sein Blut nicht regelmäßig bekommen würde, hätten einige Menschen wohl nie mehr die Chance in eine lebensgefährliche Situation zu kommen, mangels Leben.

Solch philosophische Gedanken machten schläfrig.

Der etwas zu klein geratene Blutsauger warf die Konserve auf den Boden, wo sie wohl nun, zusammen mit einem Haufen ungewaschener Wäsche, ihrem Tod durch die Müllpresse entgegenfiebern würde. Der konnte allerdings noch Monate weit entfernt sein.

Aufräumen war für Sissis!
 


 

Nördliches Industrieviertel Tokio, abgelegener Teil des Clanreviers ...
 

Karyus POV
 

Ich war beunruhigt.

Hier stimmte etwas nicht, das spürte ich direkt. Ruhig ging ich weiter, sah mich nur von Zeit zu Zeit um, ganz unauffällig eben.

Plötzlich hörte ich Schritte, die von überall herkommen konnten. Die hohen Mauern der Fabrikgebäude und die engen Gassen, ließen jedes noch so kleine Geräusch schon fast ohrenbetäubend laut klingen.

Ich blieb stehen und verschränkte die Arme, der Menschengeruch wurde stärker.

Wenige Sekunden später bog ein recht unscheinbarer Mann, ich schätzte ihn allerhöchstens Mitte zwanzig, um die verrottende Hausecke zu meiner Rechten.

Ich erkannte ihn sofort.

//Hab ich dich…// Ich musste mir ein siegessicheres Grinsen verkneifen.

Ich war wirklich unglaublich talentiert!

Ich lief jetzt höchstens seit einer halben Stunde durch diese stinkende Schrotthalde, die sich einmal Industriegebiet geschimpft hatte und schon lief mir der Jäger in die Arme.

Äußerst praktisch.

Da sollte Zero noch einmal mit seinem ironischen Unterton sagen, dass ich sein Held wäre.

Der Mensch kam geradewegs auf mich zu, ich spürte wie sich Adrenalin in mir ausbreitete.

Sobald er nah genug war, würde ich zum Sprung ansetzen und ihn niedermetzeln, ohne die üblichen dämlichen Regeln die Zero und schon dessen Vorfahren aufgestellt hatten, um in Ruhe zusammen mit den Menschen zu leben.

Wozu das ganze?

Es war nutzlos! Menschen waren Futter, mehr nicht und dieser kleine Widerling hatte meinem Clan einige wichtige Mitglieder auf brutalste Art und Weise genommen.

Warum also sollte ich mich an den Schutzpakt halten?

Der Jäger war nun wenige Meter von mir entfernt, als mir ein Gedanke durch den Kopf schoss.

Leichtsinnig.

Es wäre unglaublich leichtsinnig und dumm ihn jetzt anzugreifen!

Hizumi, der würde so was tun, aber nicht ich. Jetzt hatte ich ein Problem: Ich stand hier, mutterseelenallein, auf direktem Weg zu mir ein Kerl, der es geschafft hatte fast an die hundert Vampire an einem Abend auszulöschen. Ein zweiter, noch beunruhigender Gedanke gesellte sich zum ersten.

Was wenn er erkennen würde was ich war? Wahrscheinlich hatte er sich hier in der Nähe einquartiert, das würde den Menschengeruch erklären, der an einigen Stellen besonders extrem haftete. Falls das der Fall war, hatte er sicherlich einige hübsche Spielzeuge bei sich und die konnten unter Umständen schmerzvoll bis tödlich wirken für Wesen wie mich.

Aber so weit wollte ich nicht denken. Ich brauchte eine Strategie und zwar schnell!

Doch zum Denken kam ich nicht mehr, denn er war einige Schritte von mir entfernt zum Stehen gekommen und sah mich aus kalten Augen fragend an.

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ Er setzte ein Lächeln auf, das so gespielt war, dass ich zweimal hinsehen musste um es überhaupt als solches zu identifizieren.

//Schlechter Schauspieler// Ich lächelte mitleidig in mich hinein.

Er vielleicht schon, aber ich ganz bestimmt nicht!

Mein Adrenalinspiegel blieb konstant, als ich ihn mit einem perfekt gespielten, entschuldigenden Lächeln ansah. Ich schüttelte den Kopf, denn gerade war mir eine Idee gekommen, mit der ich mir auf jeden Fall eine provisorische Fassade aufbauen konnte.

„Nein, danke der Nachfrage, aber ich sehe mich nur um. Ich bin hier im Auftrag einer Immobilienfirma unterwegs, die an einigen der leeren Hallen interessiert wäre.“

Karyu du Intelligenzbolzen!

Die rechte Augenbraue meines Gegenübers wanderte langsam einige Zentimeter höher.

„Ich wüsste nicht, dass hier etwas zum Verkauf aussteht.“ Er musterte mich skeptisch.

Ich kämpfte gegen den Drang meine Augen zu verdrehen noch in letzter Sekunde erfolgreich an.

Vollidiot!

Der sollte mir mal was erzählen was ich nicht schon wusste, oder ganz die Fresse halten.

Ich setzte ein weiteres freundliches, sympathisches und vor allem verdammt charmantes Lächeln auf.

„Doch, einige Gebäude stehen offiziell zum Verkauf.“

Jaha! Hörst du, Mensch! So ist das! Ich hab Recht! Karyu-sama´s on the right side!

Mich beschlich der Gedanke, dass ich besser aufhören sollte zu denken.

Aber zurück zu meinem kleinen menschlichen Freund. Bevor er mir jetzt zum zweiten mal sagen konnte, dass hier rein gar nichts zum Verkauf stand, allein deshalb weil die ganze Gegend so versifft war, dass sie eh keiner gebrauchen konnte, verbeugte ich mich höflich und überlegte mir gleichzeitig einen möglichst menschlichen Namen.

„Verzeihen Sie, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Matsumoto mein Name.“

Das war gut! Jeder dritte Durchschnittsjapaner hieß Matsumoto. Er würde keinen Verdacht schöpfen.

Auch er verbeugte sich kurz, bedachte mich aber weiterhin mit seinen misstrauischen Blicken.

„Sano“, sagte er kurz und knapp.

Ok, der Spinner war offensichtlich nicht gewillt sich freiwillig vom Acker zu machen, also blieben mir zwei Optionen: Erstere wäre ihm schlicht und ergreifend dabei zu helfen zu verschwinden. Ich überlegte. Keine so tolle Idee. Falls er wirklich der Jäger war, würde ich mich auf einen Kampf gefasst machen müssen und darauf hatte ich nun echt keine Lust. Immerhin hatte ich für den nächsten Tag einen Frisörtermin und meine Haare sahen grauenhaft aus, ich war momentan einfach nicht schön genug um ein zweites und endgültiges Mal zu sterben!

Die zweite Möglichkeit wäre, etwas mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. Sehr hilfreich, sofern er der Jäger wäre, ansonsten Zeitverschwendung.

Aber hatte ich eine Wahl?

Natürlich nicht. Wäre zu einfach gewesen!

Innerlich seufzend fasste ich den Beschluss es also auf die gewohnt charmante Tour zu versuchen.

Immerhin war es bei genauerer Überlegung doch nicht hundertprozentig sicher, dass er der gesuchte Mörder war. Falls er sich in dieser Nacht einfach nur zufällig hier herumgetrieben hatte, hatten wir ein Problem. Ich brauchte Gewissheit bevor ich ihn abmurkste. Also immer schön weiterlächeln!

Meine Mundwinkel begannen zu schmerzen.

„Dürfte ich Sie fragen, was sie hier hingezogen hat? Die Gegend ist, wie ich gehört habe nicht wirklich sicher.“ Ich versuchte möglichst teilnahmsvoll zu klingen.

Offensichtlich zog die Masche „guter Junge“, denn sein Blick wurde ein klein wenig weicher.

Er wiegte den Kopf.

„Ich habe hier in der Nähe eine kleinere Halle angemietet.“

Ui, toll!

Konnte der auch mal mehr sagen als nur einen Satz? Wenn er mir wenigstens mal in die Augen gesehen hätte, dann wäre mein Problem gelöst gewesen. Würde er nämlich einmal Blickkontakt aufbauen, könnte ich mich in seinen Gedanken umsehen.

Aber nein! Der Dämlack war damit beschäftigt mich von oben bis unten zu begaffen.

Mein Gegenüber verschränkte die Arme.

„Warum sollte irgendjemand die Gebäude hier kaufen wollen? Der Großteil davon kann sowieso nur noch abgerissen werden.“

Aha! Zwei Sätze! Na das war doch schon mal ein Anfang.

Ich zuckte die Schultern.

„Warum wohl? Weil's Geld bringt. Ich soll mir nur die Örtlichkeiten ansehen, aber ich habe gehört, dass sie das Viertel komplett sanieren wollen.“ Ich machte eine Pause. „Aber dürfte ich fragen was genau Sie hier machen? Mit Ihren Fabrikraum, meine ich.“ Ich behielt mein freundliches Lächeln und mein Gesicht wurde langsam taub.

Die Augenbraue des vermeintlichen Jägers zitterte sich noch ein Stück höher gen Haaransatz.

„Ist das hier ein Kreuzverhör?“

Eiskalt.

Ich musste mir wirklich eingestehen, dass der Kerl hier eine harte Nuss war. Normalerweise wurde jeder Sterbliche dank meiner Ausstrahlung und meines Lächelns schwach.

Unvermittelt sah er mir in die Augen. Perfekt. Sofort klinkte ich mich in seine Gedanken ein, die ich nun problemlos, selbst wenn er wegsehen würde, mithören konnte, ohne dass er es merkte.

Eilig schüttelte ich den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Entschuldigen Sie bitte, ich wollte nicht aufdringlich sein. Es hat mich einfach nur interessiert. Was machen Sie denn beruflich?“

„Ich studiere.“ Sofort folgte eine knappe Antwort. Offensichtlich sagte er die Wahrheit, denn seine Gedankengänge verrieten nichts anderes. „Irgendwo muss ich ja einen Platz finden, an dem ich in Ruhe arbeiten kann.“

Ich bohrte nach. „Oh, Sie studieren? Was denn?“. Langsam aber sicher starb mein Trigeminusnerv ab.

Noch während ich sprach konzentrierte ich mich auf seine Gedanken. Er dachte nach und zwar ziemlich angestrengt. Jetzt hatte ich ihn! Er log mich an, ging im Kopf sämtliche Studienfächer durch, für die man unter Umständen eine größere Räumlichkeit brauchte.

„Biochemie mit Schwerpunkt Genetik“ Ein gekünsteltes Lächeln kräuselte seine Lippen.

Als ob.

„Wir bekommen die Chemikalien von der Uni gestellt, allerdings ist meine Wohnung verdammt klein und ich schätze meine Vermieterin fände es nicht gerade berauschend, wenn sie rausfinden würde, dass ich in meiner Wohnung giftiges Zeug mixe. Also hab ich mich hier eingemietet.“, erklärte er mir sachlich.

Ich musste ihm lassen, dass er ein guter Lügner war. Respekt. Sich in so einer kurzen Zeit so eine hanebüchene Geschichte auszudenken war nicht schlecht!

Ich nickte.

„Hätten Sie nicht Lust mit mir einen Kaffee trinken zu gehen? Ich bin hier fertig und es war sehr nett mit Ihnen zu plaudern.“

Er schien zu überlegen, doch nach einer Zeit nickte er, zu meiner ehrlichen Überraschung.

„In Ordnung, ich hatte heute eh nichts vor.“ Sein Blick und auch seine Gesichtszüge waren weicher geworden, seine Gedanken waren nicht mehr so misstrauisch wie noch vor wenigen Minuten. Und plötzlich kam mir ein Gedanke, ein Plan.

Und zwar einer der nicht nur gut, sondern auch garantiert und wortwörtlich todsicher war…
 


 

Nächster Morgen, Sagas Schlafzimmer ...
 

Sagas POV
 

Schweißgebadet wachte ich auf, kerzengerade in meinem Bett sitzend. Immer noch etwas verwirrt sah ich mich um. Ich war in meinem Zimmer, soweit alles ganz normal.

Erschöpft ließ ich mich zurück in die Kissen sinken.

Was bitte war das denn für ein Traum gewesen? Ich hatte von Hizumi geträumt, komisch genug, der Rest war wirres Zeug, an das ich mich nicht mehr erinnern konnte, das mir aber im Schlaf eine Heidenangst eingejagt hatte.

Nach einer Weile beschloss ich aufzustehen und mein erster Weg führte mich, wie jeden Morgen, ins Bad und unter die Dusche.

Das warme Wasser entspannte mich und endlich wurde ich die diffusen Bilder meines Alptraums los. Ein Bild blieb allerdings. Hizumi.

Na Toll! Jetzt dachte ich schon am frühen Morgen und unter der Dusche an diesen Kerl. Was machte das denn für einen Eindruck? Prüfend sah ich an mir herab.

Immerhin hatte ich keinen Ständer bekommen.

Ein Hoffnungsschimmer am düsteren Hizumi-Horizont.

Ich drehte den Duschhahn zu und wickelte mir ein Handtuch um die Hüften.

Während ich mir die Haare abtrocknete sah ich in den Spiegel.

Ich sah gut aus, wie immer. Wer konnte schon von sich behaupten morgens um sieben gut auszusehen? Nicht viele!

Gähnend verschwand ich in mein Schlafzimmer und zog mir erstmal ein paar frische Klamotten an, dabei fiel mein Blick auf das siechende Schrott-Handy auf meinem Nachttisch. Sofort grabschte ich nach dem Mobiltelefon, das beim Anschalten ein bemitleidenswertes Fiepen von sich gab.

Keine Anrufe in Abwesenheit.

Manno...

Ich überlegte.

Ob ich ihn mal anrufen sollte? Oder doch lieber eine SMS schreiben?

Würde er sich freuen, oder mich eher für einen armen, notgeilen Irren halten?

Hilfe!

Wo war ein großer Bruder wenn man ihn brauchte? Moment… Gute Frage! Wo zum Teufel war Tsukasa? Es war ungewöhnlich, dass mein leicht freakiger, menschenscheuer, aber doch eigentlich immer recht lieber, Spießer-Bruder um diese Uhrzeit noch nicht irgendwo im Haus herumgammelte. Ich durchquerte den engen Flur und schob die, nur angelehnte, Tür zu Tsukasas Zimmer auf. Das Bettzeug war zerwühlt, offensichtlich hatte er also hier geschlafen.

„Tsukasa!?“ Ja ich habe eine laute Stimme!

Doch auch auf erneutes morgendliches Brüllen reagierte Niemand.

Ich zuckte die Schultern.

Ok, dann nicht! Es war keine Seltenheit, dass mein großer Bruder mal einfach so verschwand. Vielleicht hatte er eine Vorlesung, oder er war mal wieder im Auftrag der MIB oder der Hellsing Organisation unterwegs. Ich grinste.

Dieser kleine Freak mit seinen Vampiren.

Ich hatte mich schon oft gefragt, wie ein so rational denkender Mensch seit Jahren einem solchen Schwachsinn hinter herlaufen konnte.

Noch während ich über Tsukasas Blutsaugereskapaden nachdachte, kam mir die Idee.

Sofort raste ich zurück zu meinem altersschwachen Handy und durchforstete mein Telefonbuch nach einer bestimmten Nummer.

Zwischen unzähligen Handynummern von irgendwelchen Weibern, von denen ich so gut wie keine je zurückgerufen hatte, fand ich dann schließlich unter „H“ die gesuchte Zahlenfolge.

Ich atmete tief durch und drücke den grünen Knopf. Es tutete. Und tutete. Und tutete weiter.

Und-

Plötzlich meldete sich jemand mit einem verschlafenen Grummeln.

Ich war fasziniert von diesem entzückenden Laut und erst, als ich befürchtete mein Gehirn würde bald anfangen zu bluten, meldete ich mich mit einem stotternden „Ähm. Morgen. Hier ist Saga!“

Toll gemacht, Saga!

Als Womanizer war ich ja unschlagbar, aber offensichtlich brauchte ich als Jungeninzer noch etwas Übung.

Das Brummen am anderen Ende verwandelte sich mit einem Mal in einen Satz.

„Ach du bist es! Ich dachte schon irgendein Freak hätte sich verwählt.

Er lachte. Wie niedlich….

NEIN! STOP!

Nicht schon wieder solch tuntige Gedanken!

Ich verbot mir je wieder die Worte „Süß“, „Niedlich“, „Putzig“, „Schnuckelig“ und „Hübsch“ mit Hizumis Namen in ein und dem selben Gedanken zu benutzen.

Damit wir das geklärt hätten!

„Ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob wir nicht zusammen wo frühstücken wollen?“

Kurzes Schweigen am Ende der Leitung.

“Frühstücken? Ok, warum nicht. Ich brauch aber noch n bisschen, du hast mich aus tiefsten Träumen geweckt.“

„Oh! Das tut mir Leid!“

“Schon in Ordnung, ich schlaf eh immer viel zu lange!“

„Na gut, dann hab ich ja nochmal Glück gehabt…Also wann und wo wollen wir uns dann treffen?“

“Wie wär's mit neun Uhr in dem Café von gestern? Früher bekomme ich nämlich nichts runter.“

„Super! Dann sehen wir uns dann.“

“Jap, bis nachher. Ich freu mich!“

Er legte auf.

Hatte ich das richtig verstanden? Er freute sich? Auf das Essen? Oder auf mich?

Er war ja schon verdammt sexy. Vielleicht sollte ich doch…?

NEIJEN!

Merken:

Neues Wort auf die „Diese Wörter nie mit Hizumi in Verbindung bringen“ -Liste: SEXY!

Der war ein Kerl, der war nicht sexy!

Ich atmete tief durch. Leere in meinem Kopf, Leere in meinem Kopf…

Immer wieder brabbelte ich dieses selbst erfundene Mantra vor mich hin. Leere in meinem Kopf, Hizumi in meinem Kopf-

Fuck!

Es war zum Heulen. Ich schlug meine Stirn gegen die Schranktür. Ein heftiger Schmerz durchzuckte mich.

Schon viel besser. Und wenn er fragen würde, woher die Beule an meiner Stirn käme, würde ich ihm einfach sagen, dass ich tragischer Weise die Treppe runter gefallen wäre und dann würde er sich vielleicht sogar Sorgen machen um mich und-

Zum zweiten Mal begrüßte meine Stirn die Schranktür.

Descending Fog

Ja! Ich lebe noch! Auch wenn es mir keiner glaubt! "xD

Ich entschuldige mich hiermit noch einmal vielmals, dass ich HOLLOW so habe schleifen lassen...Aber ich hatte einige eigene Probleme, dann starb mein krüpelliger Rechner und die Festplatte musste formatiert werden.

Gestern fand ich dann heraus, dass das frisch getippte Kapitel von HOLLOW auf nimmer Wiedersehen verschwunden war -.-

Also: NEU SCHREIBEN!
 

enjoy!♥
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 


 

Zeros Villa
 

Gedämpftes Morgenlicht fiel durch einen Spalt der fast komplett zugezogenen Vorhänge auf die weiße Bettdecke und malte helle Muster auf den Stoff. Eingekuschelt in die Kissen schlief friedlich ein neunzehnjähriger Junge, dessen Leben in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten eine Wendung nehmen sollte, mit der er nicht einmal in seine kühnsten Träumen gerechnet hätte.

Einer der Lichtstrahlen streifte Toshiyas Gesicht und er öffnete verschlafen die Augen.

Es dauerte einige Minuten, bis er sich der Tatsache bewusst wurde, dass dieses weiche Bett, die schweren Samtvorhänge und die vereinzelten Sonnenstrahlen auf der weißen Bettdecke Realität waren. Mit dieser Erkenntnis kamen auch die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück und mit einem Mal saß er kerzengerade im Bett.

Erschrocken zuckte er zusammen, als es plötzlich leise an der Tür klopfte. Wenig später wurde die Klinke heruntergedrückt und langsam schob sich ein ebenmäßiges und blasses Gesicht durch den Türspalt.

Zero lächelte. "Oh, du bist schon wach? Guten Morgen."

Die vermeintliche Überraschung war gespielt, natürlich hatte der Vampir sofort gemerkt, dass sein menschlicher Gast soeben aus dem Reich der Träume zurückgekehrt war, aber das musste der ja nicht wissen. Immerhin verkaufte Zero sich hier momentan unter Wert, nämlich als stinknormaler Mensch und die hatten ja bekanntlich keine paranormalen Fähigkeiten.

Toshiya erwiderte das Lächeln zögerlich.

"Morgen."

Offensichtlich war da jemand sehr schüchtern. Zero entschied, vorerst das Reden sich selbst zu überlassen.

"Ich hab Frühstück gemacht, wenn du Hunger hast, dann komm mit in die Küche."

Schon wieder schoss dieser eine Gedanke durch den Kopf des Vampirs.

Was sollte das ganze eigentlich? Warum in aller Herren Namen hatte er einen "verwahrlosten Stricher", wie Hizumi Toshiya am Vorabend so liebenswert betitelt hatte, so einfach mit in sein Haus genommen?

Und warum zur Hölle hatte er das Gefühl, dass dieser Junge irgendwann einmal wichtig sein würde?

Der Schwarzhaarige seufzte innerlich, doch seine Gedanken wurden durch ein leises Rascheln unterbrochen.

Der Junge hatte es tatsächlich geschafft sich aus dem Deckenknubbel, in den er bis vor einer Minute noch eingewickelt gewesen war, zu befreien und stand nun genau vor Zero.

"Na komm, ich hab auch langsam Hunger auf Frühstück."

Gelogen.

Und zwar von vorne bis hinten. Mal wieder.

In Wahrheit hatte der Vampir schon seine morgendliche Blutkonserve gehabt, aber um den schönen Schein aufrecht zu erhalten, musste man halt ab und an mal ein wenig die Wahrheit verdrehen, oder?

Wenig später fand Toshiya sich vor einer enormen Schüssel Misosuppe wieder, die er mit großen Augen anblinzelte.

Zero beobachtete das Schauspiel vom gegenüberstehenden Stuhl aus.

"Du kannst das ruhig essen, das beißt nicht und ich hab auch nichts rein gekippt."

Zögerlich begann der Neunzehnjährige zu essen und steigerte sein Esstempo mit jeder Sekunde, bis die Schüssel in Rekordzeit komplett leergelöffelt war.

Anerkennend hob Zero die Augenbrauen. „Da hatte wer Hunger."

Ertappt blickte Toshiya sein Gegenüber an und augenblicklich schoss ihm die Röte ins Gesicht und ließ ihn beschämt den Blick senken..

Ein kleines Lächeln breitete sich unwillkürlich auf dem Gesicht des Untoten aus.

"Das brauch dir nicht peinlich sein. Wenn du mich fragst könntest du noch eine Schüssel vertragen, so dünn wie du bist. Wann hast du das letzte Mal was gegessen?"

Mit immer noch geröteten Wangen sah der Angesprochene auf.

"Ich weiß nicht genau.Vorgestern Abend glaube ich.", sagte er leise, immer noch darauf bedacht, Zeros Blick auszuweichen..

Zero runzelte die Stirn. "Ok, das ist eine ganze Weile her" Er erhob sich und stellte eine zweite Portion vor Toshiyas Nase. "Aufessen, und zwar ganz, sonst fällst du noch auseinander!"

Etwas verwirrt sah Toshiya zu seinem Gastgeber auf, nickte dann aber zaghaft.

"Vielen Dank."

Während Toshiya, diesmal in einem weitaus gemächlicheren Tempo, seine Suppe löffelte, nutzte Zero die Zeit um ein paar Fragen an seinen vollkommen unbekannten Gast zu stellen.

"Entschuldige wenn es irgendwie unhöflich klingt, aber mich würde schon interessieren, warum du gestern Abend, halb erfroren und durchnässt, mutterseelenallein in einem Hinterhof gesessen hast."

Der Vampir musterte ihn mit einer Mischung aus Interesse und etwas, das ein Mensch durchaus hätte unter "Mitleid" verbuchen können.

In Wahrheit suchte er lediglich eine Bestätigung für den Verdacht, der sich seit Hizumis kleinem Zickenanfall in seinen Kopf eingeschlichen hatte.

Man sah deutlich, dass Toshiya nach den richtigen Worten suchte und dass es ihm ziemlich gegen den Strich ging überhaupt über seine Vergangenheit zu reden.

Nach einer Weile vollkommenen Schweigens durchbrach der Junge leise die Stille, die sie beide umgab.

„Gestern Abend- Also Hizumi hatte Recht mit dem was er über mich gesagt hat.“ Toshiya sah stur auf seine Hände.

„Ich verstehe, also bist du tatsächlich ein Stricher?“

Ein Nicken als Antwort.

„Ja, bin ich. Oder besser gesagt, war ich. Mein Zuhälter hat mich rausgeworfen, weil ich ihm nicht genug eingebracht habe. Deswegen saß ich auch gestern Abend da, wo du mich gefunden hast. Ich wusste nicht wo ich hin sollte.“

Zero nickte verstehend. Sein Verdacht hatte sich bestätigt, doch seiner Ansicht nach hatte er noch nicht genug über seinen schüchternen Gast in Erfahrung bringen können. Da gab es nur eins. Gnadenlos nachbohren!

„Hast du denn keine Familie? Freunde, Verwandte oder sowas?“

Der Angesprochene schüttelte nur betreten den Kopf.

„Meine Eltern haben mich rausgeworfen als ich fünfzehn war. Freunde hatte ich eigentlich noch nie und meine Verwandten sind entweder tot, oder haben sich noch nicht einmal für mich interessiert, als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe. Wobei, eigentlich waren sie nicht mal meine Eltern.“

Langsam begann es interessant zu werden.

Zeros aufmerksamen Schweigen entnahm Toshiya, dass er fortfahren sollte.

„Also... meine leibliche Mutter hab ich nie kennen gelernt, ich bin bei meinem Vater aufgewachsen, der irgendwann, als ich ungefähr fünf war, neu geheiratet hat. Er hat sich noch nie sonderlich für mich interessiert, aber als seine neue Frau dazu kam, wurde es noch schlimmer.“ Er schwieg eine Weile. „Und in der Schule war ich eh nichts weiter als der Typ, um den sich keiner kümmert und der immer übersehen wird.“ Er zuckte kurz die Schultern, doch Zero spürte, welche Trauer Toshiya bei diesen wenigen Erinnerungen empfand.

Der Vampir nickte. „Wenn man das also zusammenfasst, kannst du weder irgendwo hingehen, noch dich an irgendjemanden wenden, oder?“

Stummes Nicken.

In Zeros Kopf arbeitete es. Es war falsch was er hier tat, es war nicht nur falsch es war mehr als das. Es war gefährlich!

Sowohl für ihn, als auch für den Menschen.

Sobald der Orden Wind davon bekommen würde, dass sich in der Villa eines der beiden Oberhäupter des mächtigsten Clans Tokyos ein Mensch aufhielt, würde es blutigen, wenn nicht sogar tödlichen Ärger geben.

Die Sachlage war klar. Toshiya musste weg und zwar am besten sofort, bevor auch nur irgendjemand Wind davon bekam.

Es reichte schon, wenn Hizumi etwas von der Sache mitbekommen hatte, auch wenn dieser niemals irgendetwas gesagt hätte, das Zero in ernsthafte Schwierigkeiten hätte bringen können.

Doch trotz der schlagenden Gegenargumente, trotz jeder Vernunft, von der Zero nun seiner Ansicht nach mehr als genug besaß, trotz allem, wurde er das Gefühl nicht los, dass es falsch war, den Jungen jetzt einfach wieder vor die Tür zu setzen.

Der Schwarzhaarige konnte sich das Gefühl, welches ihn momentan in der Hand hatte, nicht rational erklären. Es weder beschreiben noch zuordnen.

Doch eins war sicher.

Dieser Mensch war wichtig, würde wichtig werden.

Früher oder später.
 


 

Sagas POV
 

Jetzt wurde es langsam ernst. Todernst!

Mit schmerzender Stirn starrte ich meinen Funkwecker in Grund und Boden.

Es war genau 08.15 Uhr. Gemäß meiner Kopfrechenkünste hatte ich also noch genau eine Dreiviertelstunde Zeit mich in Schale zu schmeißen. Zog man allerdings die zehn Minuten, die ich benötigte, um zum vereinbarten Treffpunkt zu gelangen ab, dann blieben mir läppische fünfunddreißig Minuten.

Ein Wettlauf gegen die Zeit!

Mission impossible!

Wo war Mc Giver, wenn man ihn brauchte?

Ich warf dem Wecker eine letzten bösen Blick zu und sammelte meine Kräfte, um in Sekundenschnelle ins Bad zu sprinten, wo ich in Windeseile duschte und mir die Haare föhnte.

So weit, so gut.

Ich starrte mein Spiegelbild an. Ich sah scheiße aus. Punkt.

Die dämliche Schranktür hatte einen roten Fleck auf meiner Stirn hinterlassen. Dass ich daran nicht früher gedacht hatte. Am besten vor der glorreichen Entscheidung, mir Hizumi wortwörtlich aus dem Kopf zu schlagen. Aber nun war es ohnehin zu spät.

Doch nichts, was nicht ein bisschen Make-Up und noch ein bisschen mehr Concealer wieder beseitigen könnten! Es vergingen weitere fünf Minuten, bis ich mich geschminkt hatte.

Und Ja, ich schminke mich, auch als fast-immer-Hetero darf man sich schminken, wenn's gut aussieht! Die verbleibenden zehn Minuten verbrachte ich damit, mich durch die Untiefen meines Kleiderschrankes zu wühlen, nur um festzustellen, dass ich zu viele Klamotten hatte und doch nichts anzuziehen. Nein, nicht nur Frauen sind von dieser Krankheit befallen! Mir ging es nicht besser.

Nach ewigem Hin und Her entschied ich mich für eine einfache schwarze Jeans und einen figurbetonenden schwarzen Pulli.

Schlicht, aber trotzdem durchaus hübsch.

Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel und verließ die Wohnung.

Zur Abwechslung war das Wetter nicht ganz so mies. Man hätte die diesigen Strahlen, die von Zeit zu Zeit durch die Wolkendecke drangen, schon fast als Sonnenschein bezeichnen können.

Aber eben nur fast.

Wenigstens regnete es nicht.

Ich war schneller am Ziel, als erwartet, da die meisten Menschen um diese Uhrzeit noch in ihren Betten lagen, oder einfach etwas anderes zu tun hatten, als durch die Fußgängerzone zu rennen.

Suchend sah ich mich um, doch meine Verabredung war nirgendwo zu sehen. Ungeduldig betrat ich das Café und suchte mir einen Zweiertisch am Fenster. Ich gab einer fetten, pickligen Bedienung zu verstehen, dass ich erst bestellen würde, sobald meine Verabredung eingetroffen war.

Und die lies sich Zeit.

Missgelaunt starrte ich auf mein lädiertes Handy, das mir höhnisch die fortgeschrittene Uhrzeit anzeigte. Doch bevor ich mich wirklich ärgern konnte, riss mich ein „Tut mir Leid, ich bin zu spät.“ aus meinen wirren Gedanken.

Ich sah auf und erkannte Hizumis hübsches Gesicht direkt vor meiner Nase.

„Ich dachte schon, du hättest mich vergessen.“ Ich sah ihn gespielt vorwurfsvoll an und er schien es mir abzukaufen. „Entschuldige, ich hab wohl zu viel Zeit vor meinem Kleiderschrank verbracht.“ Verlegen grinsend kratzt er sich im Nacken und setzte sich.

Die Pickelfratze schwebte mit der Eleganz einer an Thrombose leidenden Seekuh unserem Tisch entgegen und knallte uns höchst liebevoll zwei Speisekarten vor die Nasen. Nachdem ich mich für einen Kaffee entschieden hatte, beobachtete ich mein Gegenüber beim Speisekartenlesen. Heute trug er keine Sonnenbrille, seine unglaublich hellen Augen studierten schon fast gelangweilt die Auswahl auf der Karte.

„Du hast unglaubliche Augen...“

Erstaunt sah er auf.

„Dankeschön.“

Ich starrte ihn geschockt an und fühlte mich, als hätte die fies dreinschauende Pickelvisage im Kellnerinnenkostüm mir einen Vorschlaghammer vor meinen ohnehin schon lädierten Schädel geschlagen.

Hatte ich das wirklich laut gesagt?

Ich spürte wie ich knallrot wurde. Der Kampf gegen die unaufhörliche Ausdehnung meiner Blutgefäße entbrannte von neuem.

Und ich verlor auf ganzer Linie!

Gott war das peinlich.

Hizumi schien sich darüber auch noch zu amüsieren.

Er grinste.

Und bestellte knallhart einen Kaffee, schwarz. Auch ich stammelte der bösartigen Bedienung meine Bestellung entgegen, die sie mit einem Haifischlächeln (Höchst paradox für so eine Seekuh!) auf ihren kleinen Block schrieb. Und jetzt? Worüber zum Teufel sollte ich mit ihm überhaupt reden? Ich fühlte mich wie ein Teenager beim ersten Date. Doch wenn ich mich zurück erinnerte, war nicht mal mein erstes Date so mies verlaufen.

„Geht's dir gut?“ Hizumi legte den Kopf schräg und sah mich etwas besorgt an.

„Ja! Mir geht's super!“, antwortete ich etwas zu hysterisch. Mein Gegenüber blinzelte nur leicht verwirrt und brach dann in schallendes Gelächter aus.

„Wenn du wüsstest wie du gerade aus der Wäsche guckst! Kann es sein, das sich dich aus der Fassung bringe?“, fragte dieser Drecksack, immer noch breit grinsend.

Na toll. Darauf fiel mir nichts mehr ein. Ich grummelte etwas in meinen nicht vorhandenen Bart und wurde schlussendlich von einem hingeknallten Kaffee erlöst. Plötzlich empfand ich die bösartige Seekuh als gnädigstes Wesen im ganzen Café....
 


 

In einem Starbucks-Café in der Nähe des nördlichen Viertels ...
 

Spannung lag in der Luft, das war mehr als eindeutig. Wie zwei Löwen belauerten sich die beiden Männer. Nach außen hin wurde jedoch vornehme Zurückhaltung gewahrt. Fremde, sofern ihre Blicke rein zufällig das Szenario gestreift hätten, hätten denken können, dass hier ein einfaches Geschäftsgespräch im Gange war.

Karyu lächelte sein schweigsames Gegenüber an.

Unerwarteterweise ergriff dieser gewisse Herr Sano das Wort.

„Darf ich fragen, was sie in diese Gegend verschlägt? Sie sehen nicht wirklich so aus, als ob sie sich oft in solchen Gebieten herumtreiben würden.“ Er musterte Karyu skeptisch.

Der Angesprochene zuckte betont lässig die Schultern. „Ich bin Makler und ein Großunternehmer hat mich angerufen, damit ich mich für ihn nach passenden Räumlichkeiten umschaue. Und die größten Hallen sind nun mal hier, das ist der Grund, warum ich bei so einem Mistwetter durch das verkommendste Viertel von ganz Tokyo laufen muss.“ Wieder lächelte er.

Der kurze Augenkontakt, den Sano dem Vampir zuwarf, reichte vollkommen aus, um Karyu direkten Zugriff auf die Gedanken des Verdächtigen zu gewähren.

//Er glaubt mir nicht...// Innerlich musste Karyu grinsen. Entweder war diese Ungläubigkeit ein Anzeichen dafür, dass er es tatsächlich mit dem Jäger zu tun hatte, sein Gegenüber demnach schon selber Verdacht geschöpft hatte, oder wenigstens mehr wusste, als Karyu auf den ersten Blick sah. Oder der Kerl war einfach nur ein paranoider Spinner ohne Freunde.

„Sie glauben mir nicht, kann das sein? Was soll denn ihrer Ansicht nach der Grund für meinen Aufenthalt dort gewesen sein?“

Nur nicht unfreundlich werden.

„Wie kommen sie darauf, dass ich ihnen nicht glaube?“, gab Sano kühl zurück.

Karyu spielte weiterhin den Unwissenden. „Naja, sie sehen mich mehr als skeptisch an.“

Die einzige Antwort darauf, war ein distanziertes „Aha.“

Der Kerl war wirklich eine harte Nuss und Karyu beschloss schweres Geschütz aufzufahren. Bedächtig zog er die dunkle Sonnenbrille ab, die er bis eben getragen hatte, um seine empfindlichen Augen zu schützen. Denn selbst an einem diesigen Tag wie heute, empfand er Sonnenlicht als höchst unangenehm. Es funktionierte. Karyu spürte Sanos Überraschung, als dessen Blick unbewusst sein Gesicht streifte. Es war typisch. Typisch menschlich.

Menschen waren nicht in der Lage, sich der Anziehungskraft, die von jedem Vampir gleichermaßen ausging, zu entziehen. Warum das so war, wusste niemand genau, aber die Karyu empfand diese Tatsache für mehr als praktisch.

„Hab ich ihnen irgendwas getan?“, fragte der Untote gespielt unsicher.

Die Antwort folgte nur Sekundenbruchteile später. „Nein, ich hab nur nicht oft mit Menschen zu tun, ich bin nicht so der Gesellschaftstyp.“

//Na dann hast du ja Glück gehabt, dass du es nicht mit einem Menschen zu tun hast, Kleiner.// Karyu musste sich erneut ein Grinsen verkneifen.

„Ehrlich nicht? Woran liegt das?“

„Die meisten Leute wollen nichts mit mir zu tun haben, nicht ganz alltägliche Hobbys und sowas. Ich gelte nun einmal anscheinend als Sonderling.“

Das hörte sich wenigstens interessant an. Karyu bohrte nach.

„Ehrlich? Was ist denn ihr Hobby?“ Plötzlich kam ihm eine Idee, wie man dieses Gespräch auf eine vertrautere Basis lenken konnte. „Immer dieses dämliche „Sie“!“ Der Vampir streckte die Hand über den Tisch „Ich bin Karyu“, stellte er sich mit einem unwiderstehlichen Lächeln vor.

Sein Gegenüber erwiderte die Geste.

„Angenehm.“

Skepsis breitete sich auf Karyus Seite aus. Der Kerl schien keine Anstalten zu machen, seinen Vornamen zu verraten, auch auf Karyus vorher gestellte Frage gab er keine Antwort. Langsam aber stetig machte sich Ratlosigkeit in Karyus Gedankenwelt breit. Es war einfach unglaublich, wie dieser Mensch gegen sämtlichen Techniken, die sonst immer einwandfrei funktionierten, resistent zu sein schien.

Aber Aufgeben war nicht Karyus Stärke.

Er setze erneut ein Lächeln auf. „Und was sagtest du noch gleich, waren deine ach so abnormalen Hobbys? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so merkwürdig ist.“ Er erntete ein gelangweiltes Schulterzucken. „Sagen wir's mal so. Ich interessiere mich für Fabelwesen jeglicher Art, Mythologie. Alles aus diesem Bereich.“

„Ah, ein wenig abergläubisch, was? Aber du glaubst doch nicht an diese Märchenwesen? Elfen, Vampire, Einhörner und so, oder?“ Diese Frage stellte Karyu betont lässig. Immerhin war es doch vollkommen absurd, dass sich solche Fantasiewesen in dieser ach so rationalen Welt herumtrieben, nicht wahr?

Sano schüttelte den Kopf. „Nicht abergläubisch, nein. Es ist nur so, dass manche dieser Geschichten einen wahren Kern haben, und damit befasse ich mich hobbymäßig.“

„Du glaubst also an Fabelwesen? Wie kommt es, dass man ihre Existenz dann noch nie bewiesen hat?“

Jetzt wurde es langsam interessant.

„Ich würde nicht sagen, dass niemand die Existenz von solchen Wesen bewiesen hat. Es gibt viele Berichte von Augenzeugen. Über Vampire zum Beispiel. Sicherlich ist auch eine Menge erdichteter Schwachsinn dabei, aber es wurden vor einigen Jahren in dieser Gegend Leichen mit nicht definierbaren Bisswunden im Hals und Nackenbereich entdeckt, vollkommen blutleer. Ich finde, dass sollte einem zu denken geben.“

Karyu vergaß für zwei Sekunden, seine vollkommen unnötige Atmung, die er sich nur der Tarnung halber wieder angewöhnt hatte.

Dieser Kerl wusste Bescheid.

Aber warum?

Karyu erinnerte sich sehr genau an den Vorfall vor fünfzehn Jahren. Es waren zwei Leichen gewesen, eine junge Frau und ein Mann. Und es war Hizumi gewesen, der sie getötet hatte. Auch wenn es nicht seine Schuld war,und er lediglich die Kontrolle verloren hatte, was in so jungen Jahren durchaus vorkam, hatte es eine Menge Ärger gegeben. Doch Zero hatte dafür gesorgt, dass der Vorfall nicht an die menschliche Öffentlichkeit dringen konnte. Woher also wusste dieser Mensch davon? Ein weiterer, Aufmerksamkeit erregender Faktor war, dass dieser Sano nicht älter als dreißig sein konnte, wahrscheinlich noch ein ganzes Stück jünger. Er musste also folglich nachträglich an Informationen gekommen sein, denn von einem Vampirjäger im Teenageralter hatte selbst Karyu noch nichts gehört.

„Die meisten Menschen glauben trotzdem nicht daran, deswegen werde ich des öfteren als Spinner abgetan, und du kannst mir nicht erzählen, dass du nicht im Moment das gleiche denkst wie alle anderen“ Sanos dunkelbraune Augen musterten Karyu.

Karyu schüttelte den Kopf.

„Nein, ich finde es sehr interessant. Es gibt vieles, das Menschen nicht wissen, oder sich nicht erklären könne. Warum sollte es dann nicht auch diese Fabelwesen geben? Und du versuchst herauszufinden, ob es sie wirklich gibt, oder...“ Er machte eine kurze Pause. „...suchst du einfach nur eine Bestätigung für schon vorhandenes Wissen?“

Diese Frage konnte entscheidend sein. Gespannt blickte Karyu den Braunhaarigen an.

„Ich suche tatsächlich eher Bestätigung. Und nein, ich werde auf die Frage, für was ich Bestätigung brauche, gar nicht erst eingehen, du würdest mich so oder so auslachen.“

Ein freundliches Lächeln Seitens Karyu.

„Ich glaube nicht, dass ich das tun würde, ich lache keinen netten Menschen aus.“ Er warf einen Blick auf seine Uhr „Tut mir sehr Leid, aber ich muss gehen, ich habe noch einige Termine vor mir.“ Er legte einige Geldmünzen auf den Tisch „Ich lade dich ein. Hoffentlich sehen wir uns mal wieder, es war wirklich nett mit dir“

Sano erhob sich.

„Dankeschön. Ja, vielleicht sieht man sich nochmal wieder. Schönen Tag noch.“. Mit diesen Worten verließ er das Café und ließ Karyu allein zurück.

Der hatte genug gesehen und machte sich in aller Seelenruhe auf den Weg zu Zero.

Es gab eine Menge zu besprechen...

Unasked Visitor

Hizumis POV
 

Es war wirklich zum Totlachen, wie leicht dieser Mensch doch aus der Fassung zu bringen war. Irgendwie war es schon regelrecht niedlich. Ich merkte natürlich sofort, wie erleichtert er war, als die, in der Tat ziemlich böse schauende, Bedienung endlich den bestellten Kaffee brachte. Es war recht ungewohnt für mich, nach all der Zeit wieder unter so vielen Menschen zu sein, mich sogar mit einem von ihnen zu unterhalten. Doch glücklicherweise fühlte ich mich nicht mal unwohl, geschweige denn hungrig.

Genüsslich trank ich meinen Kaffee.

Ja, auch Untote trinken Kaffee.

Wieso auch nicht?

Immerhin essen wir sogar von Zeit zu Zeit menschlichen Fraß. Also Zeug das man so im Supermarkt kauft. Nudeln mit Tomatensoße und grünen Wackelpudding und so.

Wobei, wenn man erstmal so cool ist wie Zero und Karyu (Also schon dermaßen alt, dass man es selbst als Vampir schon langsam in Erwägung ziehen sollte, sich Botox sonstwohin spritzen zu lassen, um dem Zahn der Zeit ein Schnippchen zu schlagen), dann braucht man gar nichts Essbares mehr. Außer dem, für unseren Existenzerhalt, notwendigen Blut.

Ich beobachtete Saga über den Rand meiner Kaffeetasse hinweg.

Der Gute schien in eine Art Schockstarre verfallen zu sein und klammerte sich wie ein Ertrinkender an seinem Kaffeebecher fest.

Ich entschloss mich, ihn mit einem lockeren Gespräch aus seinem apathischen Zustand zu erlösen.

„Und? Macht sich deine Freundin keine Sorgen, wenn du soviel weg bist?“ Ich zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Doch seine Antwort überraschte mich.

„Nein, macht sie nicht. Ich hab nämlich keine Freundin. Ich bin Single. Und wie siehst bei dir so aus?“ Er grinste herausfordernd, der Schockzustand schien offensichtlich überwunden.

Es wunderte mich in der Tat, damit hatte ich nun bei allen guten Geistern nicht gerechnet. Wie denn auch?

Sicher, ich hätte mich schon längst in Sagas Gedankenwelt einklinken können, um mir seine komplette Lebensgeschichte anzuschauen, aber erstens war ich nicht so perfekt darin wie Karyu und Zero es waren (Immerhin bin ich ja auch noch nicht so alt und klapprig wie diese beiden Säcke. Demnach also auch noch nicht so erfahren!), und zweitens machte es doch viel mehr Spaß jemanden einfach mal auf ganz konventionelle Weise kennenzulernen.

„Wow, das hätte ich nicht gedacht“ Ich grinste zurück. „Und zu deiner Beruhigung, ich bin auch im Moment nicht vergeben.“

Ja, gemein, ich weiß. Aber ein bisschen Spaß haben ist doch schließlich nicht verboten, oder?

Und Sagas verblüfftes Gesicht bereitete mir eine Menge davon.

„Zu meiner wa- Denkst du ich steh auf dich?“

Holla, da war aber jemand impulsiv.

Anscheinend war Sagas Verblüffung so groß, dass er nicht merkte, dass das halbe Café höchst ungeniert in Richtung unseres Tisches gaffte. „Na wer wird sich denn da so aufregen? So war das eigentlich gar nicht gemeint. Oder tust du's vielleicht wirklich?“ Ich lehnte mich demonstrativ zu ihm vor, immer noch eins meiner kleinen fiesen Grinsen auf den Lippen.

Er schüttelte energisch den Kopf „Nein!“ Und schon wieder zu laut. Nun hatten wir die volle Aufmerksamkeit jeder Person die sich im Umkreis von zehn Metern befand.

„Nein tu ich nicht. Ich steh nicht auf Männer.“, ergänzte er zögerlich und ein ganzes Stück leiser. Offensichtlich schien Saga gemerkt zu haben, dass wir interessierte Zuhörerschaft gefunden hatten.

Langsam begann dieses kleine Spiel mir Spaß zu machen, ich suchte Sagas Blick und fand ihn nur Sekunden später.

Ich hatte Lust das Spiel bis ins nächste Level anzutreiben und setzte prompt meinen höchst wirksamen „Schlafzimmerblick“ auf, den ich zu Lebzeiten schon wirklich gut beherrscht hatte und in den zweihundert Jahren als Vampir nahezu perfektioniert hatte.

„Ach nein? Hast du's schon mal ausprobiert, oder warum bist du dir da so sicher?“, fragte ich gedämpft. Er schüttelte den Kopf und wurde doch tatsächlich rot.

„Nein. Nicht wirklich... ein paar mal so nebenbei ist da was mit nem Kerl gelaufen, aber- Das geht dich eigentlich gar nichts an.“ Er schien wirklich ein wenig durch den Wind zu sein.

Eigentlich wusste ich, dass es nicht fair war, mit solchen Mitteln vorzugehen, nur um mich ein wenig zu amüsieren, aber es machte nun einmal höllischen Spaß ihn derart aus der Fassung zu bringen, besonders, weil er wirklich süß aussah, wenn er rot wurde und seine Kaffeetasse anstarrte, nur, um mir nicht in die Augen sehen zu müssen.

Er schwieg eine Weile und ich bekam schon fast ein schlechtes Gewissen, aus Angst es schon zu weit getrieben zu haben.

„Hör auf damit“, murmelte er plötzlich leise.

Ich sah erstaunt auf.

„Womit?“, fragte ich verwundert.

Was zum Teufel meinte er?

Ich sah ihn an.

Er blickte kurz auf, erwiderte meinen Blick und bereute es anscheinend direkt. Ja, ich wusste sehr wohl, wie ich und besonders meine Augen auf die menschliche Rasse wirkten.

Ich hatte noch immer keine Antwort auf meine Frage bekommen, als ich bemerkte, dass Sagas Wangen sich langsam aber stetig noch einen Tick röter färbten.

„Damit halt.“ Er blickte auf seine Hände, dann wieder in meine Augen „Deine Augen. Du hältst einen damit fest.“

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.

Ja, er hatte Recht, das war mir schon klar, doch irgendwie fiel mir kein cooler Spruch, kein zynischer oder ironische Kommentar ein, nichts. Dieser Kerl hatte gerade etwas zustande gebracht, was seit Jahrhunderten keiner vor ihm geschafft hatte.

Er hatte mich sprachlos gemacht!

Verzweifelt suchte ich nach einer Antwort, auf diese eigentlich absolut sinnfreie Forderung, als meine Gedanken durch ein „Ich... muss mal grad wohin!“, unterbrochen wurden und ich höchst verwirrt dabei zusah, wie sich mein ehemaliges Gegenüber in Richtung Toilette verkrümelte.

Ich blinzelte.

Was war das denn bitte gewesen?

Sicher, Saga verübelte ich sein Verhalten nicht, es war völlig normal. Typisch menschliche Reaktion eben. Ich machte mir im Moment eher Sorgen um mich und mein Seelenheil, gepaart mit meinem Gesunden Nicht-Menschenverstand!

Ich fasste noch einmal zusammen: Bis vor fünf Minuten war alles gut gelaufen, dann war ich auf dem besten Weg gewesen mein „Opfer“ in eine recht pikante Situation zu bringen und plötzlich hatte es mir einfach so die Sprache verschlagen, nur weil dieser Typ, der daran Schuld war, dass meine Lieblingsjeans ein Loch hatte, mir in die Augen gesehen hatte und mich gebeten hatte ihn doch bitte nicht mehr so anzusehen.

Was war denn los?

Ich stürzte meine Kaffee hinunter und sah aus dem Fenster.

Zero würde ausrasten, wenn er davon erfahren würde, dass ich (mal wieder) die Geheimhaltung des Clans gefährdete. Ich seufzte.

So gesehen war es nicht mein Problem, immerhin war es nicht mein Clan, der der Gefahr ausgesetzt werden könnte entdeckt zu werden.

Nein, mein Clan würde niemals mehr entdeckt werden können, immerhin-

Ich verscheuchte den Gedanken. Ich hatte keine Lust, weiter darüber nachzudenken, immerhin wollte ich mir diesen Morgen nicht versauen.

Ich ließ Vergangenes vergangen sein (Hakuna Matata!) und fragte mich, ob Saga es bis Ende des Jahrhunderts wohl fertig bringen würde, das WC zu verlassen...
 


 

Karyus POV
 

Eigentlich hatte ich nur vorgehabt, mich kurz auszuruhen. Einfach mal für ein paar Minuten aufs Bett legen und relaxen.

Das Ende vom Lied war, dass ich aufwachte, auf die Uhr schaute und feststellte, dass es zehn war. Morgens.

Ich hatte tatsächlich einen kompletten Nachmittag und eine noch komplettere Nacht tief und fest geschlafen.

Geschlafen!

Ich machte mir ernsthafte Sorgen um mein geistiges und vor allem körperliches Wohlbefinden. Vielleicht wurde ich wirklich alt. Ich stand auf, schlurfte ins Bad (Spürte ich da in meinem vorletzten Rückenwirbel etwa ein Ziehen? War das Rheuma? Konnten selbst Vampire, die ein fortgeschrittenes Alter erreichten, solch lästige Beschwerden bekommen?) und inspizierte mein Spiegelbild.

Wie immer, so gut wie knitterfrei und geziert mit einer vornehmen Blässe. Unverändert also.

Mein Stammhirn meldete sich. Etwas war wichtig gewesen. Sehr wichtig.

Mein Kleinhirn eilte prompt zu Hilfe und siedend heiß fiel mir ein, was ich vergessen hatte!

Ich stürzte ins Schlafzimmer, warf mir ein frisches Shirt über (Ich hatte mich natürlich am Vorabend in voller Montur in die Falle geschmissen) und raste aus dem Haus. Und wenn ich sage „Ich raste“, dann meine ich damit nicht die zwanzig Stundenkilometer, die Menschen für gewöhnlich drauf haben, wenn sie mal „rasen“. Dann meine ich damit das vielfache menschlicher Geschwindigkeit.

Nach ein paar Minuten tauchte Zeros Bonzenvilla hinter der Bonzenallee, die von seinem Bonzentor bis zur Bonzenhaustür führte, auf. Der Gute war eben noch einer „von der alten Schule“. Zeros Ansicht nach musste nun mal jeder mehr oder minder Untote eine düstere Villa im Dracula-Style mit einer noch düstereren, und vor allem langen, Einfahrt (Wichtig!) besitzen. Die sollte natürlich besten Falls in einem furchtbar düsteren Wald stehen und Spinnweben an den Decken und Möbeln haben.

Pech nur, dass Zeros Immobilienmakler nur die Villa am Stadtrand, ganz in der Nähe des tatsächlichen Bonzenviertels, zum Verkauf stehend gefunden hatte. Pech aber auch, dass der gute Zero einen leichten Putzfimmel hat und die Villa deswegen von innen nicht halb so vergammelt aussieht, wie sie laut Klischee eigentlich aussehen sollte. (Selbst meine Wohnung ist schmutziger als Zeros. Und die ist nicht mal halb so groß!)

Ich nahm den schweren Löwenkopf-Türklopfer in die Hand (Schon wieder so ein verdammtes Klischee!) und war gerade dabei ein Loch in die Haustür zu hämmern, als besagte sich endlich wie durch Zauberhand öffnete und sich ein reichlich angepisst aussehendes Gesicht durch den Türspalt schob. Nun sollte man wissen, dass der liebenswerte Zero für gewöhnlich nie eine Miene verzieht. Ich bin sowieso der festen Überzeugung, dass er zum Lachen in den Keller geht!

Ich kannte meinen Lieblingsuntoten nun allerdings einige Jahrhunderte und bemerkte sofort, dass der Kleine nicht gut drauf war. Seine Augenbraue zuckte höchst bedenklich.

„Guten Morgen, Sonnenschein!“, strahlte ich ihn an.

Er dankte mir meine liebevolle Begrüßung mit einem platten „Was willst du denn schon wieder hier? Die Kekse sind weg, die hast du leer gefressen!“

Ich schüttelte den Kopf.

„Es geht hier nicht um Kekse es geht um Killer!“

Die Augenbraue wanderte gen Haaransatz.

„Oh, haben wir heute wieder einen dieser lästigen „Nerve deinen Nächsten“-Tagen?“, fragte er unbeeindruckt von meinem, in meinen Augen höchst intelligenten, Wortspiel.

Ich schnaubte beleidigt.

Frechheit.

„Jetzt lass mich endlich rein!“

Zero seufzte und trat einen Schritt zurück, um mich in sein Gespensterschlösschen zu lassen.

„Schuhe aus!“

Ich verdrehte die Augen. Verwirrter Sauberkeitsfanatiker!

Ich zog meine Turnschuhe aus und pfefferte sie, nicht ohne Nachdruck, in die nächstbeste Flurecke.

Instinktiv schlug ich den Weg Richtung Wohnzimmer ein, denn wenn es etwas zu bereden gab, dann wurde grundsätzlich dort Kolloquium gehalten. Zero hatte es sich schon auf seinem Sessel bequem gemacht, ich schielte zum Tisch. Keine Kekse. Blödmann.

Ich ließ mich auf einen der weiteren Sessel fallen und streckte mich erst einmal ausgiebig. Zero seufzte entnervt. „Jetzt fang schon an zu reden! Es scheint ja wichtig zu sein, sonst wärst du nicht zu solch unmenschlicher Uhrzeit hier aufgekreuzt!“

Ich grinste ihn breit an.

„Seit wann interessiert dich denn Menschlichkeit?“

Die Augenbraue zuckte gefährlich.

Ich erbarmte mich Zeros ungestilltem Wissensdurst und begann zu erzählen.

Während ich die Ereignisse des Vortages verbal ausbreitete, wechselte der Gesichtsausdruck meines Gegenübers von gelangweilt und ausdruckslos (Also wie immer) erst zu interessiert und gegen Ende der Erzählung zu einer Mischung aus skeptisch und besorgt.

„Und du bist dir sicher, dass das unser Mann sein könnte?“

Ich zuckte die Schultern.

„Keine Ahnung, aber er hat was zu verbergen, soviel ist sicher. Außerdem weiß er anscheinend über Hizumis kleinen Ausflug vor ein paar Jahren Bescheid.“

Zero seufzte tief.

„Ok, das ist nicht gut. Hast du seine Adresse? Seine Telefonnummer? Irgendwas mit dem wir ihn orten könnten?“ Er sah mich forschend an „Oder muss ich wieder jemanden losschicken, um Fakten zu sammeln, die du schlichtweg verschlampt, oder vergessen hast zu erfragen?“

Die Augenbraue stand nun in einem beinahe tödlichen Winkel zur Nasenwurzel.

Ich schluckte.

Nicht gut.

Ich hatte es tatsächlich vergessen.

Zur Abwechslung fand ich mich selber mal ziemlich doof!

Mr Allwissend schien das natürlich sofort gemerkt zu haben und verdrehte (Schon wieder!) die Augen.

„Sehr gut Karyu! Wirklich klasse! Und du warst wie alt? Hundertfünfzig? Zweihundert?“ Er lehnte sich im Sessel vor. „Jetzt hör mir mal zu! Ich hab zwar nicht mehr und nicht weniger zu sagen als du auch, aber ich rate dir, dass du dich gefälligst nochmal auf den Weg machst und diese verdammten Angaben beschaffst! Es ist mir scheißegal wo du sie herbekommst, aber es stehen hier diverse Existenzen auf dem Spiel. Du hast gesehen, was dieser Spinner angestellt hat. Und jetzt beweg deinen Hintern, nimm deine stinkenden Turnschuhe, geh unseren Verdächtigen suchen und komm verdammt nochmal erst wieder, wenn du ihn gefunden hast, weißt wo er wohnt, wie er heißt, wie alt er ist, ob er Familie hat, von mir aus auch, wie seine Oma mit Mädchennamen hieß! Mir egal! Hauptsache du findest ihn und bringst uns Infos die uns ein paar Anhaltspunkte liefern können!“

Ich blinzelte. Du liebe Güte, war der geladen! Das gerade war ein 'Zero-Ianischer Wutausbruch', Klasse 2 gewesen.

Heißt: Rechte Augenbraue in einem gefährlichen Winkel hochgezogen, leicht zusammengekniffene Lippen, wie immer recht ruhige Tonlage, allerdings mit einem höchst bösartig wirkenden Nachdruck hinter jeder einzelnen Silbe.

Ich schnaubte verächtlich.

„Ok, gut. Dann geh ich halt wieder. Ein bisschen Lob dafür, dass ich überhaupt wen gefunden hab, der als Täter in Frage käme, habe ich mir eh nicht von dir erhofft.“, brummelte ich gekränkt.

„Jetzt verschwinde endlich, du Nervensäge und mach deine Arbeit!“

Ansage.

Schmollend erhob ich mich und verschwand grußlos in den Flur, um meine Turnschuhe zu suchen, als ich plötzlich aufsah. Hier stimmte etwas nicht. Ich richtete mich auf, einen Schuh halb am Fuß, den anderen in der Hand haltend, drehte mich um und - Fiel fast aus den Socken!

Mitten in der Tür zum Gästezimmer stand ein wildfremder Typ mit dünnen Ärmchen und gammeligen Klamotten und sah mich mit großen Augen an.

Ich starrte zurück.

Ja ich starrte!

Ich sah nicht einfach nur. Ich starrte!

Es wäre ja alles halb so wild gewesen, auch der ach so enhaltsame Zero (Obwohl... Ich habe nie die Meinung vertreten, dass er wirklich so prüde und frigide ist wie er immer tut. Stille Wasser sind doch bekanntlich tief, oder?) durfte ja mal seinen Spaß haben.

Doch etwas, das mir ganz und gar nicht passte, war die Tatsache, dass der Kerl, der da im Türrahmen stand, nach Mensch roch...
 

Starbucks-Café, Männertoilette ...
 

Der junge Mann war vollkommen durch den Wind und starrte schon fast wutentbrannt auf sein Spiegelbild. „Du hast sie doch nicht mehr alle, Saga!“, fauchte er besagtes an, doch das Spiegel-Ich starrte nur genauso böse zurück, blieb bis auf Weiteres stumm.

Seufzend lehnte Saga sich an die geflieste Wand der Männertoilette. Es war zum Heulen.

Eine Wand und ein paar Tische mit hübschen weißen Tischdeckchen entfernt, saß ein gutaussehender Typ, der ihn verstörte, verunsicherte und anscheinend auch noch Spaß daran hatte ihn zu verarschen. Dumm nur, dass genau diese drei Dinge einen Eindruck auf Saga hinterlassen hatten, von dem er nicht wusste, ob er ihn gut heißen sollte.

Anders ausgedrückt: Wäre Hizumi eine Frau, hätte Saga alles daran gesetzt, ihn noch am selben Abend ins Bett zu bekommen!

Aber, da dem nun mal leider ganz und gar nicht so war, stand der Braunhaarige vor einem kleinen Problemchen. Je nachdem auch einem größeren. Aber vielleicht bildete er sich das auch alles einfach ein. Ja! Vielleicht war Hizumi gar nicht so cool, gutaussehend und interessant. Vielleicht war er ein rotzlangweiliges Muttersöhnchen, das nur zufällig mit gutem Aussehen gesegnet worden war.

Saga nahm sich fest vor, herauszufinden, was an dieser Theorie so dran war. Zu seinem eigenen Seelenheil und natürlich zum Erhalt seiner Laufbahn als Womanizer!

„Auf in den Kampf!“, murmelte das Spiegel-Ich optimistisch und Saga verließ die schützenden Festungswälle der Toilette. Natürlich nicht, ohne vorher noch einmal tief durchzuatmen.

Er ging betont lässig zurück zum Tisch, an dem ein kauender Hizumi saß, der grinsend eine Augenbraue hochzog, als Saga zum zweiten Mal an diesem Tag Platz nahm.

„Alles klar bei dir?“, fragte der Vampir lächelnd.

Saga nickte hastig.

„Jap, alles super! Kaffee drückt bei mir nur immer so auf die Blase.“ Er kratze sich angestrengt grinsend im Nacken.

„Sag mal, hast du heute noch was Wichtiges vor?“

Der Braunhaarige blinzelte.

„Ich?“

Hizumi lachte

„Natürlich du! Oder siehst du hier noch jemanden am Tisch sitzen?“, fragte er amüsiert. Saga schüttelte den Kopf und musste nun selbst grinsen. „Nein, nicht wirklich. Und nein, ich hab heute nichts Bestimmtes mehr vor, wieso?“

„Weil ich nachher eigentlich noch shoppen gehen wollte, wenn du Lust und die Nerven dazu hast, könntest du mich begleiten.“ Er lächelte zuckersüß.

Noch etwas, dass dafür sprach, dass Hizumi eigentlich eine Frau war. Dieser „Schatz, ich muss nur mal schnell Schuhe kaufen gehen!“-Tonfall ließ sämtliche Alarmglocken in Sagas sowieso schon ziemlich beanspruchtem Oberstübchen lauthals schellen.

Noch bevor Saga mit Händen und Füßen wedelnd „NEIN!“ brüllen konnte, hörte er sich selbst ein „Ok, warum nicht?!“, säuseln.

Hizumi strahlte ein tausend Watt Lächeln.

Die Lage war ernst!
 


 

Karyus POV
 

Ich starrte den Türrahmen-Typ an. Der starrte zurück. Immer noch.

Ich ließ die Schuhe Schuhe sein und machte auf dem Absatz kehrt, in Richtung Wohnzimmer, wo Zero noch in seinem Sessel saß und so tat, als sei alles in bester Ordnung. Dieser elende Heuchler!

„Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber was zur Hölle macht ein Typ in deinem Haus der wie ein Mensch riecht?“, fragte ich mit Engelszungen. Zero sah mich eiskalt an.

„Ich hab ihn gestern Nacht gefunden, er scheint obdachlos zu sein und hat niemanden zu dem er gehen kann.“, erklärte er mir in aller Seelenruhe. Meine Gesichtszüge entgleisten. Ich war sprachlos.

Mein Gehirn war dabei die eben eingetroffenen Informationen zu bearbeiten, aber weiter als bis „Ich binde mir die Schuhe“ war es leider noch nicht gekommen. Nach unendlichen Sekunden fand ich meine Sprache wieder. Und wie.

Im Stechschritt ging ich auf Zero zu, beugte mich zu ihm und sah ihn wutentbrannt an.

„Sag mal hast du sie noch alle? Seit wann interessieren dich irgendwelche verwahrlosten Penner? Wenn du ihn wenigstens gefressen hättest, oder sonst was, wäre mir scheißegal gewesen! Aber so wie ich dich kenne, hast du das eh nicht vor. Und dann erklär mir, warum zur Hölle dieser Typ da in deinem Flur steht! Was bist du? Mutter Theresa, oder was?“

Der Kerl sah mich vollkommen relaxt an. „Entspann dich, Karyu. Ich hab nicht vor, ihn zu behalten.“

„Das will ich dir verdammt nochmal auch geraten haben! Wenn der Orden Wind davon bekommt, dann haben wir innerhalb von wenigen Stunden Blakes verdammte Killer-Truppe hier stehen, oder noch schlimmer, dann bekommen wir eine schöne, kleine Einladungskarte, und zwar direkt nach Russland! Und was uns beide da erwartet, brauch ich dir ja wohl nicht zu erklären. Wenn's ja wenigstens nur dich treffen würde, wär's mir ja noch egal, aber meinen Arsch holen die sich auch, immerhin teile ich mir ja leider mit dir den Obermacker-Posten! Und da ich meinen Arsch behalten will, empfehle ich dir, dieses Stück Fleisch wieder rauszuschmeißen, und zwar dalli!“

So, jetzt hatte ich es ihm aber gegeben. Doch anstatt vor Angst zu erzittern, wie es die meisten getan hätten, bleib dieser unverschämt asoziale Untote sitzen und sah mich gelangweilt an. „Glaubst du, du erzählst mir was neues? Du magst die anderen mit deinem Tonfall und deinen Todesdrohungen erschrecken können, aber mich nicht. Ich werde ihn vor die Tür setzen und gut. Aber mal was anderes. Du hast mich gefragt warum ich ihn aufgesammelt habe. Die Antwort ist, dass ich es selbst nicht weiß, aber ich hab da so ein Gefühl. Ich denke, dass der Junge wichtig sein könnte. Nenn es Spinnerei, oder wie auch immer du willst. Es ist als hätte es mich angezogen, verstehst du?“

Ich ließ mich aufs Sofa fallen.

„Na wunderbar! Er fühlt sich angezogen! Von einem verdreckten und verlausten Jüngelchen. Zero, ich sag dir was.Was du brauchst, ist Sex! Ich könnte dir da ein paar hübsche Ladys besorgen, und die würde es dir dann endlich mal besor-“

Meine brilliante Idee wurde durch ein leises und extremst entnervtes Seufzen unterbrochen.

„Karyu, mach dich nicht lächerlich. Du weißt so gut wie ich, dass das nicht der Grund ist und du weißt auch, dass ich schon immer eine gewisse Gabe hatte, Dinge im Groben vorauszusehen. Fügungen im Frühstadium zu erkennen.“, faselte er. Erschöpft ließ ich mich zurücksinken, krallte mir ein Kissen und umklammerte es mit beiden Armen. Ich brauchte Beistand! Und sei es nur in Form eines Kissens.

„Jaja, von mir aus, hast ja Recht.“ Ich seufzte. Das Belastendste war, dass er tatsächlich Recht hatte. In der Tat hatte Zero dieses merkwürdige Talent, wichtige Dinge zu erahnen, noch bevor sie überhaupt passierten. Genaues wusste er nie, aber ab und an war es ganz hilfreich gewesen. Zum Beispiel um zu wissen, welche Personen man ohne weiteres umbringen konnte, und bei welchen es eine Reihe unangenehmer Vorfälle hinter sich ziehen konnte.

„Und du glaubst wirklich, dass er wichtig sein könnte? Für was auch immer?“, fragte ich resigniert.

Nicken.

Oh, wie ich diese ausschweifenden Antworten liebe. Es war wunderbar ein Gespräch mit Zero zu führen. Genauso gut hätte man sein Spiegelbild zutexten könne, das hätte längere Antworten gegeben, als dieser Kerl es für gewöhnlich tat. Ich hätte ihn zu gern mal besoffen erlebt, doch leider schien er, zu allem Überfluss, auch noch jeglicher Art von Drogen abgeschworen zu haben.

„Ich glaube sogar, dass er ziemlich wichtig sein könnte. Wenn ich mir da nicht sicher wäre, hätte ich ihn nicht aufgesammelt, das kannst du mir glauben.“, nuschelte er in seinen imaginären Bart.

„Ok, überzeugt. Und warum willst du ihn dann wieder wegschicken? Ich mein, gut, Blake und Konsorten, schon klar, aber seit wann gibst du so leicht nach?“

Tja, das sollte er mir jetzt mal schön erklären!

„Ganz einfach, wie du schon sagtest, Blake und Konsorten. Im Moment ist es einfach zu gefährlich einen Menschen hier zu haben. Der Orden hat so oder so ein Auge auf uns geworfen, immer noch. Ich werde zusehen, dass ich irgendeine Bleibe für ihn finde, die nah genug ist, um seine Gedankengänge und alles andere, das von Bedeutung sein könnte genau zu verfolgen. So haben wir ihn immer im Blickfeld, falls sich etwas ergeben könnte, aber er ist weit genug weg, damit wir keinen Ärger riskieren.“

Ich war mal wieder beeindruckt von meinem geschätzten Kollegen.

„In Ordnung, dann wirst du ihn also heute noch irgendwo abliefern?“

„Sofern sich das bewerkstelligen lässt. Ja.“

Ich entspannte mich.

Anscheinend war es um Zeros Verstand doch nicht so schlimm bestellt wie ich befürchtet hatte...

Arisen

Zeros POV
 

Ein Seufzen entfuhr mir, als ich die Haustür hinter Karyu schloss. Was für ein Dilemma.

Schon schlimm genug, dass ich mir selbst nicht sicher war, warum ich diesen Jungen einfach so aufgesammelt hatte. Nein, es musste ja noch dicker kommen. Ausgerechnet mein werter Kollege Karyu hatte vorbeikommen müssen. An einem Samstagmorgen um halb elf. Für gewöhnlich schlief der faule Kerl da noch friedlich sabbernd in seinem prolligen King-Size-Bett!

Ich nahm einen tiefen und herzlich sinnlosen Atemzug und drehte mich um, da ich zurück in die Küche wollte, um mir zur Feier des Tages erstmal ein Glas Wein zu genehmigen. Auch wenn gewisse Vampire, deren Namen ich hier schon erwähnte, der festen Überzeugung sind, ich sei einer von diesen Jemanden, die allen irdischen Genüssen entsagen, musste das noch lange nicht stimmen. Nur weil ich nicht schon sämtliche untote Schlampen von Paris bis Tokyo durchgevögelt habe und mich nebenbei noch jedes zweite Wochenende heillos mit irgendwelchem Fusel zuschütte, heißt das noch lange nicht, dass ich ein totaler Loser bin.

Frechheit sowas.

Ich drehte mich also um, um sinnfreie und kurzzeitige Zuflucht im Alkohol zu finden (Und das um halb elf. An einem Samstag! Ich widerte mich an.), als ich sah, wie sich die Tür am anderen Ende des Flurs öffnete und ein schmales Gesicht zum Vorschein kam.

Toshiya sah mich unsicher an und schien sich nicht zu trauen die Tür auch nur einen Zentimeter weiter zu öffnen.

„Ich...“, begann er, setzte dann zu einem neuen Satz an „Wer war das eben?“, fragte er leise.

Offensichtlich schien er ziemlich eingeschüchtert von Karyus Vorstellung zu sein, aber wie sollte er auch nicht? Wahrscheinlich war Karyus Standpauke bis ins Kellergewölbe zu hören gewesen. Wahrscheinlich hatten die Fledermäuse deswegen jetzt Depressionen, weil sie aus tiefstem Schlummer gerissen worden waren und wahrscheinlich waren nun sämtliche Ratten taub.

Und ja, in meinem Keller gibt es Ratten und Fledermäuse, mir ist bewusst, dass ich damit ein weiteres bescheuertes Klischee erfülle, aber wieso sollte ich die Tierchen wegjagen? Die tun keinem was. Außerdem ist es immer höchst amüsant, wenn ich Hizumi wegen irgendwas in den Keller schicke und der jedes mal kreischend und den Tränen nahe wiederkommt und mir von angriffslustigen Flatterviechern und bösartigen Nagern berichtet.

Toshiyas dunkelbraune Augen musterten mich immer noch mit einer Unsicherheit, die mich förmlich dazu zwang, ihm eine Antwort zu geben.

„Karyu. Ein Freund von mir. Er ist eben gegangen. Aber warum kommst du nicht einfach mit in die Küche? Ich müsste sowieso noch etwas mit dir besprechen.“

Er blinzelte und ich merkte, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Enttäuschung und eine Spur Angst mischten sich mit der, anscheinend permanent vorhandenen, Unsicherheit.

Er schien zu wissen, was ich ihm in wenigen Minuten sagen würde.

Dennoch öffnete er die Tür und ging hinter mir her in Richtung Küche, wo er sich auf einem Stuhl niederließ und abwartete.

Ich setzte mich ihm gegenüber auf die Küchenbank, suchte seinen Blick. Und fand ihn.

Seine dunklen Augen blickten direkt in die meinen und plötzlich lief mir ein Schauer über den Rücken.

Er konnte mir in die Augen sehen. Einfach so, anscheinend ohne jegliche Anstrengung. Das war nicht normal. Es war definitiv nicht normal, dass ein gewöhnlicher Mensch so etwas konnte. So ganz ohne Weiteres dem direkten Blick eines Untoten standhalten konnte.

Doch Toshiya schien kein Problem damit zu haben, er sah mich nur fragend und wie immer etwas ängstlich an.

„Was wolltest du mir denn sagen?“, fragte er schließlich leise, da ich keine Anstalten machte, etwas zu sagen.

Ich blinzelte kurz und räusperte mich.

„Toshiya, ich denke du weißt, dass ich dich nicht auf Dauer hier behalten kann, oder?“, sagte ich ruhig. Ich wollte nicht, dass es so klang, als wollte ich ihn loswerden, denn dem war nicht so. Irgendwie mochte ich ihn. Auf eine verquere Weise mochte ich diesen Menschen. Wieso ich das tat, war mir nicht klar, ich wusste nur, dass er besonders war, anders als die anderen Sterblichen, das hatte er mir nun wiedereinmal bewiesen.

Er nickte stumm und senkte den Blick. Ich spürte und sah nur zu deutlich, dass er enttäuscht war. Verdammt enttäuscht.

Ich warf einen kurzen Blick auf seine schmalen Hände. Er war dabei, sich vor lauter Nervosität die Nagelbetten aufzukratzen und merkte es scheinbar noch nicht einmal

Ohne groß darüber nachzudenken, griff ich über die Tischplatte hinweg und nahm seine rechte Hand in meine, um ihn daran zu hindern, sich weiter zu verletzen.

Verwundert sah er erst auf meine Hand, dann in meine Augen.

Ich konnte seine Verwunderung nur zu gut nachvollziehen, denn ich wunderte mich momentan genau wie er. Nämlich über mich selbst.

„Ich werde mich nach einem Platz umsehen an dem du bleiben kannst, solange, bis es dir körperlich wieder besser geht und du vielleicht sogar einen Job gefunden hast. Hier in er Nähe ist, glaube ich, sogar ein Wohnheim für Menschen, die ähnliche Probleme haben, wie du sie hast. Da wärst du besser aufgehoben als hier.“, versuchte ich ihn zu ermutigen. Gleichzeitig zog ich meine Hand wieder weg.

Er blickte mich nur stumm an, schwieg eine Weile.

Dann nickte er.

„Dankeschön, das ist unglaublich lieb von dir.“, sagte er leise. In seinen Augen erkannte ich, dass er es ernst meinte, doch noch immer lag eine Spur Wehmut in ihnen.

Eine Weile schwiegen wir beide, dann ergriff Toshiya das Wort.

„Meinst du ich werde dich dann irgendwann wiedersehen?“ Er sprach so leise, dass ich ihn kaum verstand und ich bemerkte, dass sich eine leichte Röte auf seine Wangen geschlichen hatte.

Gut, mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Ich konnte ihm schlecht sagen, dass ich ihn so oder so noch eine ganze Weile mental überwachen würde, sobald er erstmal weg war. Das hätte einen merkwürdigen Eindruck von mir als vermeintlichem Menschen hinterlassen, nicht wahr?

„Ich weiß es nicht. Vielleicht.“ Ich setzte ein winziges Lächeln auf, in der idiotischen Hoffnung, ihn damit etwas aufheitern zu können, denn wirklich begeistert schien er von meinen Plänen nicht zu sein.

Wieder nickte er nur und starrte auf seine, anscheinend höchst interessanten, Hände.

„Du schaffst das schon alles, da bin ich mir sicher. Du wirst da Anschluss finden und vielleicht irgendwann ja sogar Arbeit, dann kannst du dir dein eigenes Leben aufbauen.“ Ich versuchte zuversichtlich zu klingen, doch ich spürte sofort, dass er mir genauso wenig glaubte, wie ich mir selbst. Trotzdem lächelte er mich an, zwar etwas schief, aber immerhin lächelte er.

„Wahrscheinlich hast du Recht.“

Innerlich seufzte ich. Er war unglücklich, soviel war sicher. Doch zu wissen, dass es Toshiya mies ging reichte mir nicht, dass sah auch ein Blinder mit Krückstock! Ich wollte wissen warum er sich nicht über mein Angebot freuen konnte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als einen kurzen Blick in seine Gedanken zu werfen. Auch wenn ich es nur ungern tat, war Gedankenlesen doch in manchen Fällen mehr als nützlich.

Unter dem Vorwand kurz auf die Toilette zu müssen, verschwand ich also ins Bad, schloss die Tür ab und setzte mich auf den Badewannenrand, um mir von dort aus in Ruhe die Gedanken meines Gastes anzusehen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ich Toshiyas Gedankengänge gefunden hatte und was ich hörte machte mich stutzig.

Anscheinend hatte er Angst, Angst davor, wieder zu versagen. Angst vor dem erneuten Alleinsein und davor, schon wieder keinen Anschluss zu finden. Momenten war er dabei, sich auszureden, dass ich ihn doch bei mir behalten würde, anscheinend schien er sich wirklich Hoffnungen deswegen gemacht zu haben, weil er das Gefühl hatte, ich würde ihn in irgendeiner Hinsicht verstehen.

Das reichte mir.

Ich öffnete meine Augen wieder, der Gedankenkontakt war demnach unterbrochen. Nun musste ich mich noch einmal konzentrieren, damit meine Augen wieder ihre normale Färbung zurück erhielten.

Sobald ein Vampir eine seiner Kräfte einsetzt, verändert sich natürlicherweise seine Augenfarbe. Je nach Intensität des gedanklichen Kraftaufwandes changieren die Nuancen zwischen bernsteinfarben bis hin zu hellgelb. Je stärker der mentale Aufwand, um eine Fähigkeit abzurufen und auszuführen, desto heller die Augenfarbe.

Während meine Augenfarbe wieder ihren Normalzustand erreichte, ließ ich mir durch den Kopf gehen, was ich vorhin gehört hatte.

Und plötzlich empfand ich ein Gefühl, da ich seit unbestimmter Zeit nicht mehr empfunden hatte.

Ich hatte Mitleid.

Ehrliches Mitleid.
 


 

Fußgängerzone, Tokyo ...
 

In einem gemütlichen Tempo gingen die beiden Männer die Einkaufspassage entlang.

Grinsend wandte Hizumi sich seiner Begleitung zu.

„Ok, also wir gehen jetzt die ganze Zeit schön nebeneinander, dann ist die Chance, dass du mich wieder einfach so umrennst wesentlich geringer.“

Saga lachte.

„Ja, da hast du allerdings recht. Nochmal Sorry deswegen. Ich war dermaßen auf mein Handy fixiert, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass du mir entgegengekommen bist.“ Verlegen kratzte er sich im Nacken.

Der Vampir winkte ab.

„Ach ich bitte dich, bis auf meine kaputte Hose ist doch nicht passiert. Aber das ist bald hoffentlich auch kein Problem mehr, denn ich gedenke mir jetzt gleich eine neue Hose zu kaufen, ganz simpel also.“, erklärte er mit einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen.

„Und du bist wirkliche erst zwanzig?“, entfuhr es Saga ganz unvermittelt und ziemlich zusammenhanglos. Der Untote blinzelte überrascht

„Jap, bin ich. Wieso? Seh ich so viel älter aus?“ Er lachte. Erschrocken schüttelte Saga den Kopf „Nein, ich meine nur dein Verhalten. Irgendwie verhältst du dich verdammt erwachsen, dafür, dass du erst zwanzig bist und dazu noch Student. Also, versteh mich nicht falsch, nichts gegen Studenten, aber irgendwie... Ich weiß auch nicht.“.

Das war einer dieser Zeitpunkte, an dem Saga sich selten dämlich vorkam.

Er spürte, wie sich seine Wangen langsam röteten. Schon wieder.

Stammhirn meldet gehorsamst: Gefäße auf volles Rohr stellen und rein in die Gesichts-Adern mit den roten Blutkörperchen!

Hallo, Blamage!

Hizumi lachte und legte ihm für einen kurzen Moment die Hand auf die Schulter. „Ist schon gut, ich weiß ja wie's gemeint ist.“

Die unerwartet kühle Hand auf seiner Schulter, trug nicht unbedingt zur Besserung der geöffneten Gefäß-Staudämme bei. Im Gegenteil.

Doch bevor er sich weiterhin Gedanken über Hände machen konnte, wurde er von einer der solchen am Handgelenk gepackt und in einen Ladeneingang gezerrt.

„So~ du wirst mich jetzt ertragen müssen! Lass es dir gesagt sein, ich kann manchmal, was Shopping betrifft ,schlimmer sein als jede Frau.“, verkündete Hizumi freudestrahlend. Widerrede schien zwecklos zu sein.

Sagas Blick schweifte durch den nur spärlich eingerichteten Laden, der eher einem Museum glich, als einem Klamottengeschäft. Allerdings sahen die Kleidungsstücke, die hier an den weißen Metallbügeln in Reih und Glied hingen, verdammt teuer aus.

Den kleineren der Beiden schien das absolut nicht zu stören, denn er stürmte förmlich auf das nächstbeste Regal zu, in dem sich einige (auch sehr teuer aussehende) Hosen befanden. Während Hizumi dabei war besagten Hosen-Haufen zu durchstöbern, schwebte ein ziemlich tuntig wirkender Verkäufer im Lacoste Polo-Shirt auf Saga zu und bot ihm einen Sessel an.

Dankend schmiss sich der Braunhaarige in die weichen Polster und beobachtete das interessante Szenario, das sich ihm hier gerade darbot: Hizumi wuselte von Regal zu Regal, scannte in Windeseile jede einzelne Hose mit Blicken, legte die Hälfte wieder zurück, nur um die eben erst zurückgelegten Hosen bei der nächsten Runde ein zweites mal genauestens zu begutachten.

Doch als Saga kurz davor war, ein logisches System in den Kreisen und Linien zu erkennen, in denen Hizumi durch das Geschäft fegte, schwebte erneut die Spießer-Schwuchtel in sein Blickfeld. „Darf ich ihnen einen Kaffee bringen, mein Herr?“, fragte sie zuckersüß und schenkte Saga ein kariesförderndes Lächeln.

„Ähm, ja. Das wäre ganz gut im Moment denke ich.“, murmelte der Angesprochene und warf einen Seitenblick auf des wuselnde Etwas, das sich mittlerweile offensichtlich dazu entschlossen hatte, den Hosenberg in eine der Umkleiden zu zerren.

Spießer-Schwuchtel schien absolut begeistert davon zu sein, dass der gut aussehende, junge Mann ein „Ähmjadaswäreganzgutimmomentdenkeich.“ an ihn gerichtet hatte und entblößte ein weiteres Mal die zahnpasterwerbungsweiß gebleachten Zähne, bevor er majestätisch in Richtung Kasse entschwand.

Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ Saga sich tiefer in die Polster sinken. Genau das war der Grund, warum er auf keinen Fall etwas mit diesen Hizumi anfangen würde. Denn auch wenn der ja wirklich nett, charmant, gutaussehend, humorvoll und intelligent war - Für niemanden auf der Welt, und sei er noch so perfekt, schwor sich Saga, würde er jemals Polo-Shirts mit einem aufgestickten La-Kotz Reptil tragen.

Punkt!

Dieser entschlossene Gedankenfluss wurde durch ein abruptes „Und? Was sagst du zu der hier?“, unterbrochen. Saga sah auf und betrachtete Hizumi, der in einer schwarzen, doch recht engen Jeans steckte, die aussah, als hätte jemand sie nur für ihn anfertigen lassen. Zu allem Übel drehte der Vampir sich auch noch langsam einmal um die eigene Achse, sodass man wunderbar den hübschen, jeansverpackten Hintern bewundern konnte, der da in der schwarzen Hose steckte. Entschlossen starrte Saga ein imaginäres Loch in den weißen Fliesenboden. Wahrscheinlich war die Terror-Tunte hinter dem Tresen aufgrund dieses Anblick mittlerweile an Blutleere im Oberstübchen verreckt und lag zuckend und geifernd auf dem Boden. Darum dauerte das mit dem Kaffee auch so lange.

„Die steht dir echt gut, sieht super aus.“, sagte der Größere betont lässig, nachdem Hizumi ihm wieder seine Vorderseite zugewandt hatte.

Findest du? Warte, ich probier dann mal die andern an.“, strahlte er und verschwand hinter dem Vorhang der Kabine.

Langsam verstand Saga den Ernst der Lage. Der Berg an Hosen, den Hizumi eben mit sich herum geschleppt hatte, war fast halb so groß gewesen, wie ihr Proband selbst.

Anscheinend hatte der Kleine wirklich vor, jede einzelne anzuprobieren.

Wahrscheinlich würde es ein langer, langer Tag werden...
 


 

Karyus POV
 

Ich war angepisst. Ziemlich angepisst sogar. Offensichtlich war es im Moment Trend sich einen Menschen anzuschaffen. Wozu die auch immer nützlich sein sollten. Sicher, ich war selbst mal einer gewesen, doch wenn man schon ein paar Jahrhunderte tot ist, so wie ich, dann merkt man sehr schnell, was Menschen doch eigentlich für erbärmliche Kreaturen sind. Anscheinend sahen Zero und Hizumi das aber anders. Und ja, auch wenn's nicht die feine englische Art ist, ich hatte eben noch Hizumis Gedanken gelesen und anscheinend war der Kleine zu dieser Zeit mit einem menschlichen Wesen unterwegs. Gut, es war an der Tagesordnung, dass Hizumi irgendwelchen Müll anrichtete, ohne groß darüber nachzudenken, ob sein Handeln Konsequenzen für ihn oder andere haben könnte, das war man ja gewöhnt. Aber Zero?! Der Mann war doch dermaßen in sich gekehrt und nachdenklich, dass es schon nicht mehr normal war. Nichtmal für einen Untoten! Und dann schleppte er auf einmal, so ganz ohne Sinn, dieses Jüngelchen an, mit der Begründung, der Typ sei 'wichtig', in welcher Beziehung auch immer, da sei man sich 'noch nicht so sicher'.

Aha.

Frauenlogik.

Ich nahm mir fest vor, ihn für diese bescheuerte Nummer auszulachen, sobald er von seinem Trip wieder runter war.

Aber bis dahin würde ich mich mit wichtigeren Dingen befassen müssen. Immerhin gab es einen Vampirjäger zu schnappen. Doch etwas gutes hatte diese Menschenkrise in den letzten beiden Tagen gebracht: Ich wusste jetzt ganz genau, wie ich vorgehen würde, um mir diesen Sano zu schnappen, herauszufinden, ob er der Jäger war und gegebenenfalls, um ihn schnellstmöglich abzuschlachten...
 


 

Sagas POV
 

Ich sah auf die Uhr. Halb drei.

Wow.

In Einem musste ich Hizumi Recht geben. Er war wirklich mindestens genauso schlimm wie jede Frau. Anscheinend war er sogar ernsthaft an meiner Meinung interessiert, denn jede Hose wurde mir ausgiebig vorgeführt und wenig später folgte die Frage, was ich denn nun von jenem Modell halten würde. In meinen Augen sahen sie nicht nur alle gleich gut an ihm aus, nein, sie sahen auch generell gleich aus. Aber das verschwieg ich mal besser. Nach einer weiteren halben Stunde des typischen Hin-und-Hers ('Nehm ich die hier, oder doch lieber die hier?'), hatte sich der Herr endlich mal entschieden und marschierte mit einer schwarzen Jeans im Used-Look zur Kasse, wo Spießer-Schwuchtel zähnebleckend auf neue Opfer wartete. Ungeachtet dessen, zückte Hizumi todesmutig seine Kreditkarte und bezahlte. Als das La Coste-Opfer den Preis eintippte schwirrte mir der Kopf. Dreistelliger Betrag.

Für eine Jeans.

Ein Hose!

Für Hizumi schien es das Normalste der Welt zu sein einfach mal nebenbei eine Hose zu kaufen, die so teuer war, wie die Monatsmiete für manche Wohnungen. Als wir das Geschäft verließen, entschloss ich mich ihn darauf anzusprechen.

„Sag mal, kann es sein, dass du aus einer verdammt reichen Familie kommst?“, fragte ich vorsichtig nach. Ich wollte ja nicht, dass er dachte, ich hätte ein Problem mit besser gestellten Menschen. Hatte ich nicht, jeder wie er wollte und konnte.

Er sah mich etwas erstaunt an.

„Oh, achso, du meinst wegen der Hose.“ Er grinste „Familie ist vielleicht nicht das richtige Wort. Das Geld gehört mir, ich hab's so gesehen geerbt, wenn man so will.“

„Achso. Reicher Großvater gestorben, oder wie?“,fragte ich gut gelaunt. Doch die Antwort die folgte, ließ mein Grinsen sofort verschwinden.

„Unter anderem, ja. So gesehen bin ich der Einzige, der von meiner Familie noch übrig ist.“, sagte er gelassen. Am liebsten hätte ich mich in den nächstbesten Springbrunnen gestürzt.

Toll gemacht Saga. Immer Salz in die Wunde.

Was wäre denn das Leben ohne jemanden, der sämtliche Leichen für einen aus dem Keller zerrt? Hundert Punkte!

So übel ich mir meine undurchdachte Bemerkung auch nahm, so locker schien Hizumi sie hinzunehmen. „Ist ok, es ist schon ein paar Jahre her, ich bin mehr oder weniger drüber weg. Ich hatte sowieso nie eine wirklich feste Bindung zu meiner Familie. Alles so geldgeile Säcke, du weißt schon.“ Er lächelte mich aufmunternd an.

Jetzt war ich baff. Was bitte soll man sagen, wenn man soeben in einen ganzen Fett-Pool getrampelt ist und derjenige, der jetzt eigentlich zutiefst entsetzt und brüskiert sein sollte, vollkommen locker über seine tote Familie quatscht und dabei fröhlich eine Einkaufstüte schwingt?!

„Tut mir trotzdem Leid. War ne blöde Bemerkung“, murmelte ich reumütig „Also lebst du ganz alleine?“

Er nickte. „Ja, ich hab eine Wohnung ungefähr zwanzig Minuten zu Fuß von hier, Richtung Park.“

Sieh an. Banker- und Neureichenviertel. Hätte ich mir eigentlich auch denken können.

Hizumi schien zu merken, dass ich immer noch den tiefen Wunsch hegte, mir selbst in den Arsch zu beißen.

„Hey, mach dir keinen Kopf deswegen, ich bin dir nicht böse. Du konntest das nicht wissen, also nehm ich's dir auch nicht übel, ok?“ Er lächelte mich an. Schon wieder.

Ich nickte.

„Wunderbar!“ Jetzt strahlte er. Das verhieß nichts Gutes. „Also eine Hose hab ich, aber ich bräuchte noch ein paar Oberteile.“

Irgendwie hatte ich das fast schon befürchtet....
 

Etwa viereinhalb Stunden später schlurfte ich halb bewusstlos neben einem quietschfidelen Hizumi her, der, mit fünf Einkaufstüten beladen, voran schritt.

„Ich muss schon sagen, ich bin schwer beeindruckt, Saga. Dass du es so lange aushälst, hätte ich echt nicht gedacht.“ Er grinste breit, wobei mir auffiel, dass er wirklich hübsche Zähne hatte. Meine waren nicht so perfekt. Mein rechter Eckzahn steht etwas nach hinten, fällt kaum auf, aber wenn man's weiß, dann sieht man es.

„Hättest du noch Lust mit zu mir zu kommen, oder bist du jetzt reif fürs Bettchen?“

Ich schnaubte.

„Also ehrlich. Glaubst du ehrlich das bisschen Einkaufen schafft mich? Ich könnte noch Stunden so weitermachen!“

In Wahrheit wünschte ich mir nichts sehnlicher als ein warmes, weiches Bett mit vielen Kissen und vielleicht einen heißen Tee vor dem Einschlafen.

„Ich nehme das einfach mal als ja an.“ Schon wieder grinste er. Unerhört gut drauf, der Typ!

„Kannst du ruhig tun.“ Ich lächelte zurück. Was sprach dagegen noch einen schönen Abend mit ihm zu verbringen? Also, jetzt nicht 'schöner Abend' im Sinne von Candlelightdinner und verstreuten Rosenblüten im Schlafzimmer. NEIN! Ein 'schöner Abend' im Sinne von Alk trinken, zocken, oder DVD gucken und über Männerkram quatschen. Das konnte man sicherlich auch mit Hizumi. Der trug wenigstens keine La Coste Hemden.

Oder doch?

Ich meine, weiß man's denn?!

Ich nahm mir fest vor, zuallererst heimlich seinen Kleiderschrank zu durchsuchen...
 

Etwa eine halbe Stunde später (wir hatten ziemlich getrödelt) erreichten wir ein altes Fabrikgebäude. Wobei das Gemäuer nur auf den ersten Blick alt aussah, auf den zweiten Blick fielen einem die stylischen, rahmenlosen Fenster und die stylische Haupteingangstür auf. Wir erklommen die stylische Metalltreppe, bis hin zum dritten Stock, wo Hizumi einen stinknormalen Schlüssel aus der Hosentasche kramte, ihn ins stylische Türschloss der stylischen Tür steckte und aufschloss.

Staunend sah ich mich in der Wohnung um. Das erste was mir einfiel war 'Schöner Wohnen', denn irgendwie sah es hier aus wie auf einem Foto eines Hochglanzmagazins für Immobilien. Ein einzelner, verdammt großer Raum mit rohen, unverputzten Fabrikwänden. Mittendrin eine Treppe, die zu einer Art Empore führte, auf der ein ziemlich großes Bett stand (und der Kleiderschrank!). Obwohl die Wohnung modern eingerichtet war, wirkte sie nicht kalt, im Gegenteil. Eigentlich war es sogar recht gemütlich hier.

Hizumi stellte seine neu erworbenen Schätze ab.

„Tja, das ist meine Bude.“, sagte er fröhlich und begann etwas aus den Küchenschränken zu kramen. „Setz dich ruhig hin. Willst du was trinken? Kaffee oder sowas?“

Um ehrlich zu sein hätte ich einen starken Schnaps vertragen können, nach diesem schönen, aber auch ziemlich anstrengenden Tag, doch ein Kaffee tat es vorerst auch.

„Kaffee wär gut.“, antwortete ich und setzte mich vorsichtig auf das Sofa.

„Und setz dich nicht auf die Ka-“ Noch bevor er den Satz beendet hatte, hatte ich zehn messerscharfe Krallen in meinem Hinterteil.

„Scheiße!“ Dein Sofa greift mich an!“, plärrte ich voller Todesangst und machte einen Satz zurück. Hizumi war dem Zusammenbruch nahe.

Vor Lachen.

Der Drecksack stand gut geschützt hinter seiner blank polierten Küchenzeile und heulte mittlerweile vor Lachen.

„Ich hab doch gesagt, du sollst auf die Katze aufpassen.“, brachte er zwischen Japsen und Kichern heraus.

Beleidigt sah ich auf das Sofapolster, auf dem ein riesiger, fetter, weißer, felliger Kater hockte, der mich mit dem bösartigsten Blick anstarrte, den mir je jemand, (ob nun Mensch oder Tier) zugeworfen hatte.

„Das ist Mr Kitty, er hasst Menschen. Nimm's ihm nicht übel, er ist kastriert.“

Nach dieser Information empfand ich eine unsägliche Schadenfreude. Mr Kitty erhob sich, fauchte, warf mir einen vernichtenden Blick zu, hüpfte elegant vom Sofa und hoppelte die Treppe hoch, wo er sich auf Hizumis Bett zusammenrollte.

„Ist das dein Vieh?“, fragte ich und hoffte, dass man mir nicht anmerkte, dass ich dieses Mistviech am liebsten aus dem Fenster geworfen hätte. Ich startete eine zweiten, diesmal erfolgreichen, Versuch, mich hinzusetzen. Mein Gastgeber setzte sich neben mich und drückte mir eine Tasse Kaffee in die Hand. „Ja, er ist in der Tat mein Vieh. Er ist etwas schräg drauf, ist eigentlich der Kater meiner Mutter gewesen, nachdem sie gestorben ist, musste ich mich wohl oder übel um das Biest kümmern. Wenn man ihm was zu fressen gibt, dann ist er ganz umgänglich. Den Rest seiner Lebenszeit ist er ein Arsch sondergleichen, aber manchmal im Winter ist er ganz praktisch. So als Wärmeflaschenersatz.“

Die bildliche Vorstellung von Hizumi und dem Kater zusammen im Bett, brachte mich zum Grinsen.

„Lust auf DVD gucken?“, fragte mein etwas klein geratener Sitznachbar und ich nickte. Sehr gute Idee. Beim DVD gucken musste man die Füße nicht bewegen!

Nach längerem hin und her hatten wir uns tatsächlich für einen Film entschieden.

'Interview mit einem Vampir'

Tsukasa hatte mir damit in den Ohren gehangen. Angeblich sei der Film so schlecht, völlig unrealistisch und überhaupt. Ich fragte mich, was denn bitte an einem Vampirfilm realistisch sein sollte, aber mein Bruder war halt komisch...

Loss of Control

Und weiter gehts!

Langsam aber sicher kommt die Story ins Rollen und jetzt geht's endlich los!

Die nächsten 3 Kapitel sind schon fertig und heute Abend bzw heute Nacht werde ich sicher noch ein ganzes Stück voran kommen, denn ich muss mir die Zeit bis zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen vertreiben ._.

Lasst n paar Kommis da, wenn's euch gefällt und ein paar Story-Spekulationen wären auch ganz interessant ;)

Was denkt ihr, wies nach diesem Chap weitergeht?

Wer Recht hat, der bekommt nen Keks xD
 

enjoy ♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 


 

Sagas POV
 

Ich öffnete verschlafen die Augen und gähnte. Es war dunkel, ziemlich dunkel. Verwirrt setzte ich mich auf. Hatte ich etwa alles nur geträumt? Ich sah mich um und erkannte schemenhaft eine Gestalt, die neben mir lag und zu schlafen schien.

Hizumi.

Anscheinend war ich während des Films eingeschlafen und Hizumi hatte mich kurzerhand in sein Bett verfrachtet. Wahrscheinlich hatte er mich nicht wecken wollen. Das einzige, das mich etwas wunderte war, dass das weiße, plüschige Katzenbiest nirgendwo zu sehen war. War auch ganz gut so. Das Vieh war mir unheimlich!

Ich ließ mich wieder zurücksinken, gähnte und blickte an die weiße Zimmerdecke, auf die das Licht der draußen vorbeifahrenden Autos zuckende Schattenbilder warf. Mein Verstand war gerade erst dabei, aus dem Tiefschlaf zu erwachen und nur das war der Grund, weshalb ich noch nicht knallrot angelaufen war und die Flucht ergriffen hatte!

Immerhin lag ich mit Hizumi zusammen in ein und demselben Bett!

Ich entschloss mich dazu, einfach wieder einzuschlafen, um meinem Gesicht erst gar nicht die Möglichkeit geben zu können, sich in eine rote Ampel zu verwandeln.

Dazu würde ich am kommenden Morgen noch Zeit genug haben.

Ich schloss also die Augen und fiel in einen ruhigen Dämmerschlaf. Ich wusste nicht, wie lange ich so da gelegen hatte, als sich plötzlich etwas neben mir zu regen schien.

Ich nahm es einfach hin, bemühte mich nicht die Augen zu öffnen. Wahrscheinlich rollte Hizumi sich im Schlaf hin und her, tat ich auch manchmal.

Eine weitere, unbestimmte Zeitspanne verstrich und mit einem Mal fühlte ich mich unwohl. Ich fühlte mich beobachtet und mein Herzschlag begann aus unerfindlichen Gründen sein Tempo zu verdoppeln.

Plötzlich gab es ein dumpfes Geräusch. Ich schreckte auf, saß kerzengerade im Bett und starrte in die Dunkelheit. Mein Herz raste und ich wusste nicht wieso. Irgendetwas stimmte nicht. Wer kennt dieses Gefühl nicht? Vorahnung.

Man weiß nicht, was einem Angst einjagt, aber man ist sich sicher, dass da etwas ist, wegen dem es sich lohnt, sich zu fürchten.

Mein Augen versuchten verzweifelt sich an die pechschwarze Finsternis zu gewöhnen und nach einer unendlichen Weile, erkannte ich etwas, das in der Ecke schräg gegenüber vom Bett kauerte.

Mein Herz blieb stehen, um dann mit doppelter Kraft gegen meinen Brustkorb zu hämmern.

Panik erfasste mich, als ich neben mich blickte und sah, dass Hizumi verschwunden war.

„Hizumi?“, flüsterte ich in die Stille. Die Nacht schien jeden lebendigen Laut verschluckt zu haben.

Ich hörte ein leises Wimmern und schnappte nach Luft. Anscheinend war es Hizumi, der da zusammengekauert und mit dem Rücken zu mir, an der Wand hockte.

Langsam erhob ich mich und ging zögerlich in seine Richtung. Die Kälte des Fliesenbodens fraß sich in die Sohlen meiner nackten Füße. Es war kalt. Es war verdammt kalt!

Ich streckte die Hand nach Hizumis Schulter aus und zuckte erschrocken zurück.

„Verschwinde!“, flüsterte er und drückte sich enger gegen die Mauer.

„Saga bitte. Du musst hier weg.“

Ungläubig starrte ich ihn an. „Was hast du?“ Ich wunderte mich über den Klang meiner eigenen Stimme. Adrenalin schoss durch meine Adern, ich hatte Angst und wusste nicht wirklich wovor. Gut, die momentane Situation war mehr als merkwürdig, aber warum ließ sie solche Panik in mir hoch kochen?

„Hau ab verdammt nochmal!“

Ich taumelte zurück und starrte entsetzt auf die Kreatur, die da nur wenige Schritte entfernt saß. Die Stimme, die soeben zu mir gesprochen hatte, hatte kaum noch Ähnlichkeit mit der, die ich von Hizumi gewohnt war. In seine sonst so ruhige, fast schon melodiöse Stimme, hatte sich ein Knurren gemischt, bei dem sich mir die Nackenhaare aufstellten.

Ich rührte mich nicht von der Stelle.

Einen Moment lag überlegte ich, ob dies nicht alles nur ein abgedrehter Traum war, doch dafür war es zu real.

Plötzlich riss es mich von den Füßen.

Ein scharfer Schmerz durchzuckte meinen Hinterkopf und ich fand mich auf dem Rücken liegend wieder. Ich war mit einer solchen Wucht auf den harten Boden geknallt, dass es mir die Luft aus den Lungen gepresst hatte und ich hilflos und panisch nach Luft schnappte, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Meine Sinne waren benebelt und durch einen Schleier von Schmerz erkannte ich Hizumis Gesicht, nur wenige Zentimeter entfernt von meinem. Seine schmalen Hände drückten meine Arme gewaltsam auf den Boden und das mit einer Kraft, die mir das Gefühl gab, dass die Knochen meiner Handgelenke in wenigen Sekunden bersten würden.

Ohnmächtig starrte ich in ein hellgelbes Augenpaar, das direkt über mir schwebte. Ich merkte, wie meine Kräfte mich verließen und ich fand nicht einmal mehr genügend Kraft, um um Hilfe zu schreien, als dieses Monster, das einmal Hizumi gewesen war, das Maul aufriss und zwei scharfe Eckzähne zum Vorschein kamen.

Ich schloss die Augen und mein letzter Gedanke war, dass ich es mir in einem anderen Leben zweimal überlegen würde, ob ich die Vampirgeschichten meines großen Bruders als Ammenmärchen abtun sollte...
 


 

Zeros Villa, Wohnzimmer, 0.30 Uhr ...
 

Nachdenklich beobachtete der Vampir die Flammen, die im offenen Kamin des Wohnzimmers tanzten. Toshiya war schon vor einiger Zeit in sein Zimmer verschwunden, um zu schlafen. Doch vorher hatte Zero noch ein paar andere Dinge über das Leben des Jungen in Erfahrung bringen können, die ihn etwas nachdenklich machten.

Toshiya war bei seinem Vater und dessen Frau aufgewachsen, seine leibliche Mutter war angeblich kurz nach der Geburt gestorben. So weit so gut. Nichts wirklich Ungewöhnliches.

Weitaus ungewöhnlicher war es jedoch, dass Toshiyas eigener Vater (So wie der komplette Rest der Familie) anscheinend eine gewisse Angst vor dem eigenen Sohn zu hegen schien. Das vermutete zumindest Toshiya.

Unbegründet war diese Angst aber wohl nicht, denn Toshiya schien eine Gabe zu haben, die sich weder er selbst, noch seine Mitmenschen erklären konnten.

Es hatte lange gedauert, bis er überhaupt mit der Sprache herausgerückt war, doch Zero war geduldig mit ihm gewesen und irgendwann hatte er doch angefangen zu erzählen.

Von den unerträglichen Kopfschmerzen, von den scheinbar fremden Stimmen im Kopf und von der ständigen Angst, schlicht und einfach verrückt zu sein.

Angefangen hatte es eines Tages in der sechsten. Klasse. Mitten im Unterricht hatte ein stechender Schmerz Toshiyas Kopf durchschossen und wenige Sekunden später sagte eine helle Mädchenstimme, die er sofort als die einer Klassenkameradin erkannte, schüchtern, dass dieser Toshimasa wirklich süß sei.

Das war das erste, jedoch nicht das letzte Mal gewesen, dass Toshiya, ohne es zu wollen, die Gedanken seiner Mitmenschen las.

Aus Angst noch mehr Schmerzen erleiden zu müssen, mied Toshiya von da an den Umgang mit Menschen, was ihn schnell zum Außenseiter gemacht hatte.

Absolut verängstigt hatte er den Fehler gemacht und seinem Vater von den Vorfällen erzählt, der das ganze mit einem Stirnrunzeln quittiert hatte und Toshiya verbot weiterhin solche Lügengeschichten unter die Leute zu bringen.

Jahrelang hatte Toshiya unter den fremden Gedankenfetzen in seinem Kopf gelitten und eines Nachts packte er seinen Rucksack und lief davon.

Der Rest war Geschichte.

Zero seufzte schwer. Es passte ihm nicht, den Jungen einfach wieder vor die Tür zu setzen, selbst wenn sich jemand anderes um ihn kümmern würde. Doch Karyu hatte Recht. Es war schlicht und ergreifend zu gefährlich. Blake würde kochen vor Wut und das auch noch zu Recht.

Zero entschied sich dazu, gleich am nächsten Tag mit ein paar sozialen Einrichtungen zu telefonieren, um diesen Menschen endlich loszuwerden.

Es gab Wichtigeres als die nichtigen Probleme eines verwahrlosten, menschlichen Teenagers...
 


 

Sagas POV
 

Ich wartete auf den Schmerz. Ich wartete darauf, dass er seine Zähne in mein Fleisch bohren würde, mich fressen würde.

Doch nichts geschah. Plötzlich spürte ich, wie sich der eiserne Griff um meine Handgelenke lockerte. Ich öffnete die Augen und sah direkt in Hizumis hellgelbe Iriden, in denen ein Gefühl geschrieben stand, das ich absolut nicht deuten konnte.

Reflexartig riss ich meine schmerzenden Handgelenke nach oben und schaffte es tatsächlich mich zu befreien. Die Angst gab mir genügend Kraft, mein Knie blitzschnell gegen Hizumis Brustkorb zu rammen, sodass er mit einem leisen Schrei nach hinten fiel.

Ich taumelte benommen in Richtung Treppe, rechnete damit, dass er jeden Moment aufspringen würde, nur um mich erneut und diesmal endgültig, zu Boden zu reißen. Stattdessen blieb Hizumi reglos auf dem Boden sitzen, die Schultern hochgezogen, mit hängendem Kopf.

Die Arme hatte er fest um seinen eigenen Oberkörper geschlungen und immer wieder entkam seinem Mund ein leises Knurren.

„Lauf.“, wisperte er zittrig. „Lauf weg solange du noch kannst.“ Seine Stimme hatte ihren normalen Klang wiedererlangt, doch sie war nicht mehr als ein heiseres Wimmern.

Ich warf noch einen letzten Blick auf die kauernde Gestalt, bevor ich langsam die Treppe hinunter ging.

Erst, als die Haustür hinter mir ins Schloss gefallen war, begann ich zu rennen. Ich lief, bis meine Lungen brannten wie Feuer, kam aber erst zum Stehen, als ich vor meiner eigenen Haustür angelangt war. Meine Hände zitterten unkontrolliert, als ich den Schlüssel herumdrehte und ich warf die Tür hinter mir zu, ohne Rücksicht darauf, dass mein Bruder wahrscheinlich schon schlief.

Ich taumelte den dunklen Flur entlang, nur um schließlich auf meine, vor Erschöpfung und Angst weichen, Knie zu fallen.

Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren, wusste nicht wie lange ich bereits so da kniete, als plötzlich das Licht anging und eine Gestalt im Türrahmen stand.

Tsukasa.

„Saga?“ Ich konnte hören, dass er mehr als entsetzt war. „Ach du Scheiße.“, murmelte er und wenig später, merkte ich, wie ich hoch gehoben und auf direktem Weg in mein Bett getragen wurde.

Mein Körper fühlte sich taub an, doch langsam kehrte der pochende Schmerz in meinem Hinterkopf zurück.

Ich starrte teilnahmslos an die Zimmerdecke.

Plötzlich rüttelte eine warme Hand mich sanft an der Schulter. „Saga! Was ist los mit dir? Mach keinen Scheiß ja? Was ist passiert?!“, fragte Tsukasas vertraute Stimme ängstlich.

Ich öffnete den Mund, doch die Worte ließen auf sich warten.

Es dauerte lange, bis ich fähig war, ihm zu erzählen, was sich in dieser Nacht ereignet hatte. Doch als ich geendet hatte, sah er mich ernst an und zog mich wortlos in seine Arme. Ich erwiderte die Umarmung so gut ich konnte. Meine Handgelenke schmerzten.

„Ich bin so froh, dass du noch lebst.“, sagte er leise. Ich wunderte mich nicht darüber, dass er meine Geschichte nicht in Frage stellte. Noch bevor ich ihm irgendeine Antwort geben konnte, übermannten mich Müdigkeit und Schock.

Ich sank, noch in Tsukasas Armen, in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
 


 

Hizumis POV
 

Mit einem dumpfen Knall fiel die Haustür ins Schloss. Verzweifelt grub ich meine Fingernägel tiefer ins Fleisch meiner Oberarme, in der Hoffnung mich durch den Schmerz endgültig wachrütteln zu können. Ein dünnes Blutrinnsal bahnte sich den Weg über meinen Unterarm, sammelte sich an der Spitze meines Ellbogens und tropfte geräuschlos zu Boden.

Es war still.

Mein Körper zog sich in schmerzhaften Krämpfen zusammen und ich ließ mich zur Seite kippen. Ich bemerkte den Aufprall kaum, lag zusammengerollt wie eine Katze auf dem kalten Steinboden, die Fingernägel immer noch tief in die schon blutige Haut versenkt.

Erst, als die Krämpfe langsam nachließen und ich sicher war, dass Saga weit genug entfernt war, lockerte ich meinen Griff.

Mir war übel und langsam breitere sich ein Taubheitsgefühl in meinem Körper aus.

Ich lag reglos da, war nicht fähig mich zu bewegen und plötzlich wurde mir klar, dass ich weinte.

Wäre es eine andere Situation gewesen, hätte ich mir das Weinen strikt verboten, doch momentan war es mir egal. Ich hatte Grund genug zum Heulen. Immerhin hatte ich vor wenigen Minuten die Kontrolle fast gänzlich verloren, hatte fast jemanden getötet, den ich wirklich gern hatte. Und ich hatte gehört, was er gedacht hatte.

'Monster.'

Und er hatte Recht. Ein leises Schluchzen entfuhr meiner Kehle. Er hatte Recht, ich war ein Monster. Es war falsch gewesen, dass ich vor ein paar Tagen mit ihm geredet hatte, einfach so. Es war falsch gewesen, dass ich mich mit ihm getroffen hatte. Es war falsch gewesen, dass ich mir selbst erlaubt hatte zu hoffen. Darauf zu hoffen, die Kontrolle wahren zu können, darauf zu hoffen, einfach nur eine schöne Zeit mit ihm verbringen zu können. Mich vielleicht sogar mit ihm anzufreunden, obwohl er ein Mensch war.

Es war falsch gewesen zu hoffen, dass es mir erlaubt war zu leben.

Und sei es nur für wenige Stunden.

Zum ersten Mal seit zweihundert Jahren, wurde mir wirklich klar, dass ich eigentlich nicht mehr in diese Welt gehörte. Ich war nichts weiter als eine Lüge, ein Märchen, nichts Halbes und nichts Ganzes, weder tot noch lebendig.

Es tat weh.

Ich lag einfach nur da. Das unnötige Atmen hatte ich eingestellt, warum auch nicht? Immerhin war niemand mehr da, dem ich etwas vorspielen musste. Meine Brust schmerzte. Die Stelle, an der Sagas Knie mich mit voller Wucht getroffen hatte, als er verzweifelt versucht hatte sich zu befreien. Er hatte Todesängste ausgestanden und das wegen mir.

Er war eingeschlafen, während des Films. Einfach so. Ich saß neben ihm und beobachtete ihn beim Schlafen. Ich erinnerte mich daran, dass ich fasziniert zugesehen hatte, wie sich seine Brust gleichmäßig hob und senkte, während er schlief und wie friedlich er ausgesehen hatte. Irgendwann hatte ich ihn so vorsichtig wie möglich ins Bett getragen, ich hatte ihn nicht wecken wollen. Eine gute Stunde saß ich einfach nur ruhig da, auf der Bettkante und sah ihm beim Schlafen zu. Als ich mich neben ihn gelegt hatte, um selbst zu schlafen, war es fast schon zu spät gewesen. Zu nah, viel zu nah. Meine Muskeln hatten sich verkrampft, meine Zähne hatten sich verselbstständigt, von meinen Augen ganz zu schweigen und die unbeschreibliche Lust auf Blut dominierte meine Gedankenwelt.

Ich wollte nicht weiter denken, wollte mich nicht daran zurück erinnern, wie er gekämpft hatte. Wollte mich nicht wieder daran erinnern, dass ich ihn fast getötet hatte.

Ich schloss die Augen und blieb liegen, in der Hoffnung vielleicht einfach so zu sterben. Ich wusste, dass es kindisch war, solche Gedanken zu hegen. Ich würde nicht sterben, nicht heute, nicht morgen und auch nicht in einer Ewigkeit.

Der Gedanke ewig zu leben, schmerzte noch mehr als sonst. Wieder spielte ich mit der Idee, meinem Dasein selbst ein Ende zu setzen, doch dazu war ich schlicht und ergreifend zu feige.

Lange Zeit lag ich einfach so da, doch irgendwann rappelte ich mich auf, meine Augen brannten und das Blut auf meinem Arm war bereits getrocknet. Ich taumelte ins Bad und wusch die verkrusteten Blutreste von meiner kalten Haut. Als ich mich gesäubert hatte, blickte ich in den randlosen Spiegel, der direkt über dem Waschbecken hing. Gelbliche Augen starrten mich aus einem blasen Gesicht an.

Ich starrte zurück.

Meine Zähne hatten mittlerweile ihr normales Aussehen zurück erlangt, doch meine Augen waren immer noch gelb. Voller Hass sah ich mir selbst ins Gesicht und noch bevor ich eine klaren Gedanken fassen konnte, holte ich aus und rammte meine geballte Faust mitten in das Gesicht meines Spiegelbildes. Das zerbrach klirrend in tausend Stücke, die sich auf dem Boden und im Waschbecken verteilten.

Langsam ließ ich die Hand sinken, beachtete das Blut nicht, das träge meinen Arm hinunterlief.

Ich schleppte mich die Treppe hinunter, zur Küchenzeile, wo ich den Kühlschrank öffnete und eine verpackte Blutkonserve herausnahm.

Ich riss den durchsichtigen Plastikbeutel aus und lehrte ihn mit einem Zug. Angewidert von mir selbst ließ ich die Konserve fallen und setzte mich hin. An den Kühlschrank gelehnt saß ich da, im Dunkeln, und dachte daran, dass ich Saga nie wieder sehen würde.

Nie wieder sehen durfte.

Und konnte.

Ich schlang die Arme um den Bauch und starrte ins Nichts.

Plötzlich hörte ich, wie jemand die Tür aufschloss. Es interessierte mich nicht. Ich blieb still sitzen.

Der Jemand schaltete das Licht an und ich schloss die Augen.

Es tat weh.

Leise Schritte bewegten sich in meine Richtung und wenig später fühlte ich, wie mich eine kühle Hand vorsichtig an der Schulter rüttelte.

„Hizumi?“, fragte eine leise Stimme. Ich öffnete langsam meine geröteten Augen und sah in Zeros ebenmäßiges, ernstes Gesicht. Er kniete vor mir und sah mich stumm an.

Ich wollte nicht reden.

Mit niemandem, nicht mal mit Zero.

Bevor ich protestieren konnte, wurde ich auf die Beine gezogen und aufs Sofa gesetzt.

„Bist du verletzt?“, fragte mein nächtlicher Besucher.

Ich schüttelte den Kopf. Zero seufzte leise.

„Ach verdammt nochmal Hizumi, warum bringst du dich immer selbst in solche Schwierigkeiten?“ Es klang nicht wütend, eher besorgt. Ich zuckte die Schultern.

Ich wollte nicht reden.

Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander und Zero musterte mich. Er machte sich Sorgen. Wie immer.

Ich starrte auf meine Hände, wollte ihm nicht ins Gesicht sehen. Er würde es nie zugeben, doch ich wusste, dass er nicht nur besorgt, sondern auch enttäuscht war. Enttäuscht, weil ich es noch immer nicht schaffte, mich zu kontrollieren. Enttäuscht, weil ich fast schon wieder einen Unschuldigen getötet hatte. Ich reagierte nicht, als er mich vorsichtig in den Arm nahm.

„Versprich mir, dass du dich ab jetzt von Menschen fern hältst, ok? Zumindest solange, bis du es schaffst, dich zu kontrollieren.“

Ich nickte.

„Hizumi, ich weiß, dass es schwer für dich ist, aber du musst dich zusammenreißen. Du hättest heute fast schon wieder einen Menschen umgebracht.“

„Glaubst du das weiß ich nicht? Hältst du mich für blöd, oder was?!“

Ich schrie und war kurz davor, wieder in Tränen auszubrechen, die ich aber mit aller Macht zurückzuhalten versuchte. Diese Blöße wollte ich mir nicht geben. Nicht vor ihm!

„Nein, das tue ich ganz und gar nicht. Ich halte dich nicht für dumm. Ich halte dich nur für verzweifelt. Und ich kann es dir um ehrlich zu sein nicht mal verübeln.“, antwortete er ruhig und streichelte sanft über meinen Rücken.

Ich vergrub das Gesicht in Zeros schwarzer Jacke, krallte mich an ihm fest und ließ den Tränen freien Lauf...
 


 

Karyus Wohnung, 2.47 Uhr ...
 

Das nervtötende Geräusch der Türklingel riss Karyu aus tiefsten Träumen. Toll! Da schlief man schon mal, was nicht oft vorkam und dann klingelte irgendein Penner um drei Uhr nachts an der Tür. Knurrend erhob sich der Untote und schlurfte zu Tür. Er entriegelte das Schloss und öffnete die Haustür.

„Zero?! Sag mal hast du sie noch alle? Hast du mal auf die Uhr geguckt?“, meckerte er seinem Gegenüber ins Gesicht. „Ja hab ich, wir haben jetzt genau 2.41 Uhr. Und jetzt reg dich ab und lass mich rein, es ist wichtig.“, antwortete der ungebetene Gast gelangweilt. Grummelnd ging Karyu ins Wohnzimmer und warf sich auf das rote Sofa. „Also, was willst du? Es muss schon verdammt wichtig sein, damit ich dir verzeihe, dass du mich mitten in der Nacht aus dem Bett geholt hast.“

Zero nahm auf dem, ebenfalls roten, Sessel, schräg gegenüber des Sofas, Platz.

„Ich komme gerade von Hizumi. Er hat heute Abend wiedereinmal die Kontrolle über sich verloren und fast einen Menschen umgebracht. Ist das relevant genug für dich?“

Sofort war Karyu hellwach.

„Er hat bitte was?“, fragte er ernst.

„Du hast mich schon verstanden. Anscheinend hat er sich vor ein paar Tagen mit einem Menschen angefreundet. Ich hatte zu viel zu tun, um zu bemerken, wie ernst es wirklich war. Auf jeden Fall haben sich die beiden heute einen schönen Tag gemacht, der fast in einem Blutbad geendet hätte. Anscheinend hat Hizumi es aber geschafft, seine Selbstbeherrschung wenigstens zu einem winzigen Teil zu behalten. Auf jeden Fall ist der Mensch entkommen und Hizumi ist fertig mit den Nerven.“, erklärte Zero wahrheitsgemäß. Karyus Blick verfinsterte sich. „Das heißt also, dass da draußen jetzt ein Mensch rumläuft, der von unserer Existenz weiß?“

„Ich schätze genau das heißt es.“

Karyu nickte zögernd.

„Gut, dann werde ich unserem Hizumi morgen mal einen kleinen Besuch abstatten und ihn nach dem Namen seinen kleinen Freundes fragen, damit wir ihn unauffällig 'verschwinden lassen' können.“, murmelte der Größere angespannt.

Zero schüttelte den Kopf.

„Karyu, lass es bleiben, bitte. Hizumi ist schon fertig genug. Den Namen bekommen wir auch so raus, dürfte nicht allzu schwer sein, aber bei aller Liebe, tu ihm nicht auch noch das an.“

Ein kaltes, freudloses Lachen durchschnitt die Stille.

„Sag mal spinnst du? Willst du ihn jetzt schon wieder in Watte packen, oder was? Der Junge muss endlich mal erwachsen werden! Er selbst hat das zu verantworten, er weiß ganz genau, dass er sich von Menschen fernhalten soll! Wenn er das nicht schafft, dann muss er mit Konsequenzen rechnen! Er ist kein kleines Kind mehr, Zero.“ Karyu lehnte sich vor und sah Zero eindringlich in die Augen. Doch der gab sich unbeeindruckt.

„Als ich eben zu ihm gekommen bin, saß er vollkommen apathisch auf dem Boden. Er hat kein Wort gesagt. Nichts. Ok, er hat mich zwischendurch auch mal angeschrien, aber das ist unwichtig. Ich hätte nie rausgefunden, was überhaupt passiert ist, wenn ich mir seine Gedanken nicht angesehen hätte. Glaubst du, dass du ihm hilfst, wenn du ihm jetzt auch noch das Gefühl gibst, verantwortlich dafür zu sein, dass dieser Mensch doch sterben wird?“ Zeros Stimme war ruhig, wie immer, doch seine Augen sagten etwas ganz anderes.

„Du kannst ihn nicht ewig in Schutz nehmen! Nur weil er so naiv ist und glaubt, dass er sich mit einem Menschen anfreunden kann! Er muss lernen, dass es nicht geht. Er muss endlich lernen, dass er verdammt nochmal genauso tot ist wie wir beide und dass er in der menschlichen Welt eigentlich nichts mehr zu suchen hat. Irgendwer muss ihm diese verdammte Naivität austreiben und wenn keiner von uns es tut, wer soll es bitteschön dann tun?“, zischte Karyu und langsam aber stetig begannen seine Augen, ein gelbliches Hellbraun anzunehmen.

Zero schüttelte den Kopf.

„Ja, vielleicht ist er naiv, aber ich sag dir was er hauptsächlich ist. Er ist einfach nur verdammt einsam.“

Karyu schnaubte verächtlich.

„Er hat erst vor ein paar Jahren seinen kompletten Clan verloren, er hat so gesehen niemanden mehr. Wenn wir beide nicht wären, dann wäre er vollkommen alleine auf dieser Welt. Also mich wundert es um ehrlich zu sein nicht, dass er versucht jemanden zu finden, der für ihn da ist.“, sagte der Schwarzhaarige und fügte ein „Und jetzt hör auf dich dermaßen aufzuregen, ja?“, hinzu.

Zeros letzter Satz stieß auf Karyus absolute Ignoranz.

„Warum kann er sich dann nicht einfach irgendwelche Freunde suchen, die genauso untot sind wie er? Warum muss er sich unbedingt mit... mit Futter anfreunden?“

„Das musst du mich nicht fragen! Du weißt selbst, dass wir uns in Sachen 'Mensch' zur Abwechslung mal einig sind. Trotzdem. Wenn du mich fragst, dann geht es ihm ziemlich gegen den Strich, dass er nicht mehr lebendig ist.“

Der ältere Vampir lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

„Das hätte er sich früher überlegen sollen. Ich habe ihn damals vor die Wahl gestellt. Ewig leben, oder direkt und ohne Umschweife sterben. Und er hat sich entschieden. Er hat sich diese Art der Existenz selbst ausgesucht. Er wollte, dass ich ihn beiße!“, konterte Karyu.

„Ich weiß, aber ganz ehrlich. Was würdest du tun, wenn du halbtot und fast vollkommen verblutet auf einem Feldweg liegen würdest und jemand käme vorbei und würde dich vor die Wahl stellen 'ewig leben, oder sterben'? Ich kenne keinen, der es vorziehen würde zu sterben!“

Karyu verdrehte die Augen. „Ja, ist gut, hast ja Recht. Das bringt uns nicht weiter! Wir müssen Hizus kleinen Freund beseitigen, möglichst schnell und unauffällig und am besten auch seine komplette Sippschaft, falls er eine hat. Ich werde ein paar Leute schicken, die für die Behörden einen hübschen kleinen und vor allem tödlichen Autounfall inszenieren. Das lief bis jetzt immer am besten.“

Zero nickte.

„In Ordnung, aber bitte sag Hizumi nichts davon, ok? Er würde dich hassen, glaube ich.“

Ein verächtliches Lachen drang aus Karyu Kehle.

„Tut er das nicht sowieso schon? Immerhin hab ich ihn zu dem Monster gemacht, das er jetzt ist.“

Zero schnaubte leise und schüttelte den Kopf.

„Red keinen Schwachsinn Karyu. Du weißt genauso gut wie ich, dass er dich nicht hasst. Er hängt sehr an dir, wenn du mich fragst, hast du sogar eine Art Vorbildfunktion für ihn. Auch, wenn mir das unbegreiflich ist. Aber wie das neunmal so ist, geben Kinder nur ungern zu, dass sie ihre Eltern wirklich gern haben.“ Er lächelte „Genauso wenig, wie manche Väter einsehen wollen, dass ihnen ihre Kinder etwas bedeuten. Ich denk, du weißt wovon ich spreche, oder?“

Karyu grummelte etwas Unverständliches und starrte Löcher in die Luft.

„Das hört sich gerade so an, als wäre dieser zickige Nichtsnutz mein leiblicher Sohn.“, brummelte er beleidigt.

Zero schmunzelte. „Tu doch nicht so, du weißt ganz genau was ich meine.“

„Jaja, ist gut. Ich wäre dir jetzt sehr verbunden, wenn du deinen Hintern von meinem Sessel heben und verduften würdest. Ich will schlafen. Ich kümmere mich morgen um das Problem.“

„In Ordnung, dann wünsche ich dem Herrn noch eine angenehme Nachtruhe“ Mit diesen Worten erhob sich Zero, verließ Karyus Wohnung und verschwand in der sternenlosen Nacht...

Conversation

Das neuste Kapitel wird Antworten auf ein paar Fragen geben, gleichzeitig aber auch neue aufwerfen. |D

Dieses Kapitel zu schreiben war für mich doch etwas nervenaufreibend :D Aber Spaß hat's mir gemacht!

Ich hoffe ihr habt genauso viel Spaß beim Lesen, wie ich ihn beim Tippen hatte.
 

enjoy ♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 


 

Nächster Morgen, Sagas Schlafzimmer ...
 

Unruhig wälzte sich Saga in der zerwühlten Bettdecke, solange, bis er schlussendlich aufwachte. Etwas benommen öffnete er die Augen und sah sich um. Er war zu Hause. Hatte er geträumt? War alles nur ein Alptraum gewesen?

Langsam setzte der Braunhaarige sich auf und ein stechender Schmerz durchzuckte seine Schläfen. Also gut, dann halt kein Traum. Träume taten nicht dermaßen weh, da konnten sie noch so realistisch sein. Sagas Blick schweifte zur Tür. Die war gerade dabei sich langsam und fast lautlos zu öffnen.

„Guten Morgen.“, sagte Tsukasa, als er den Raum betrat und sich gleich neben Saga auf die Bettkante setzte. „Und? Konntest du ein bisschen schlafen?“

Der Angesprochenen gähnte verschlafen und nickte. „Ja, hab zwar etwas unruhig geschlafen, aber immerhin hab ich geschlafen.“ Er lächelte matt. Tsukasa streckte die Hand aus, um vorsichtig den Kopf seines kleinen Bruders zu streicheln. Ganz entgegen seiner sonstigen Verhaltensweisen ('Verdammt nochmal, hör auf mit dem Scheiß! Ich bin keine fünf mehr!'), ließ Saga sich die Berührung gefallen, war sogar in gewissem Maße dankbar dafür.

„Ich hab Frühstück gemacht. Soll ich dir was bringen, oder kannst du aufstehen?“, fragte der Ältere, ohne seine Hand auch nur einen Millimeter von Sagas Haar zu entfernen.

„Ist schon ok, ich kann aufstehen. Aber sag mal... Hättest du nicht eigentlich heute Vorlesung? Es ist Montag, wieso bist du nicht in der Uni?“, nuschelte Saga und gähnte erneut. Ein schiefes Grinsen breitete sich auf Tsukasas Gesicht aus.

„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich in der Verfassung hier alleine lasse, nur wegen der scheiß Vorlesung da, oder?“ Er hob die Augenbrauen.

Nun musste auch der Jüngere grinsen.

„Ok, hast ja Recht, hätte ich mir denken können. Man kann mich ja auch in meinem Alter unmöglich alleine lassen. Ich könnte die Küche in Brand stecken, oder die Putzmittel trinken.“, stichelte er und sah seinen Bruder gespielt herausfordernd an.

„Ganz genau! Und deswegen lass ich dich nur ungern hier alleine. Stell dir mal vor ein böser Onkel klingelt an der Tür und du machst auch noch auf. Das könnte ich nicht verantworten. Und jetzt beweg deinen Hintern in die Küche, dein Fläschchen ist fertig.“. Grinsend erhob sich Tsukasa und verschwand.

Saga lächelte still vor sich hin. Ja, sein Bruder war schon etwas Besonderes. Fremden gegenüber war er misstrauisch und verschlossen, doch sobald man es geschafft hatte, ihn näher kennen zu lernen, stellte man fest, wie anders er eigentlich war. Besonders für seinen kleinen Bruder fühlte Tsukasa sich verantwortlich und nannte, seit Saga denken konnte, einen fast schon übertriebenen, Beschützerinstinkt sein eigen.

Ächzend stand Saga auf, nur um sich Sekundenbruchteile später wieder aufs Bett fallen zu lasen. Kopfweh.

Richtig fieses Kopfweh!

Jeder bisherige Kater entpuppte sich als erbärmliches Zwicken im Vergleich zu diesem hämmernden Schmerz, der sich da in seiner linken Schläfe und vor allem an seinem Hinterkopf, verselbstständigt hatte.

Beim zweiten Anlauf schaffte der Braunhaarige es tatsächlich bis zur Zimmertür, wo er stoppen musste, um bei einem dritten Versuch das letzte Stück Weg bis hin zur rettenden Küchenbank zu bewältigen.

„Verdammte Scheiße! Hast du was gegen Kopfweh?“, fragte Saga ächzend und presste sich die Hand an seinen schmerzenden Hinterkopf. „Mein Schädel bringt mich noch um!“

Mit einem leisen Klirren wurde ihm ein Glas mit Wasser vor die Nase gestellt.

„Austrinken. Ich hab da schon ne Kopfschmelztablette drin aufgelöst.“

Angeekelt verzog Saga das Gesicht. Widerliches Zeug. Widerlich, aber leider wirkungsvoll. Mit zugehaltener Nase und zusammengekniffenen Augen stürzte Saga die klare Flüssigkeit hinunter und leerte das Glas in einem Zug.

„Eh! Das schmeckt noch beschissener, als ich's in Erinnerung hatte.“, meckerte er und warf dem leeren Glas einen hasserfüllten Blick zu. „Jaja, ich weiß. Das sagst du jedes Mal. Und jetzt iss mal was, ok?“, entgegnete Tsukasa unbeeindruckt und setzte sich auf die Küchenzeile, während Saga begann sich über seinen Toast herzumachen.

Eine Weile herrschte gefräßiges Schweigen, dann meldete sich Saga zu Wort. „Tsukasa? Sag mal, warum finde ich es nicht zu über hundert Prozent absurd, dass ich gestern von einem Vampir angefallen worden bin. Jeder andere halbwegs normale Mensch würde sich fragen, ob er noch bei klarem Verstand wäre. Wieso erscheint es mir also so gar nicht ungewöhnlich, dass ich gestern einem Vampir über den Weg gelaufen bin?“

„Naja, ich würde sagen, weil du der Ansicht bist, dass es so unwahrscheinlich nicht sein kann. Immerhin beschäftige ich mich seit Jahren mit diesem Thema und natürlich weißt du davon. Vielleicht hast du ja doch mal unbewusst auf deinen großen Bruder gehört.“ Er lächelte schief.

Ein Seufzen entfuhr dem Jüngeren. „Ja, gut möglich.“ Saga schwieg und fuhr dann leise fort. „Und du glaubst wirklich, dass er mich... fressen wollte?“ Die letzten Worte bereiteten ihm sichtliche Probleme.

„Du hast unglaubliches Glück gehabt, ehrlich. Es ist ungewöhnlich, dass er dich hat gehen lassen, wirklich. Eigentlich holen sich Vampire was sie wollen, sobald sie es einmal direkt vor der Nase haben.“

Saga ließ seinen Toast sinken, sein Blick ruhte starr auf Tsukasa. „Woher weißt du das alles so genau? Hast du schon mal einen getroffen?“ Der Gedanke war beängstigend, genauso wie diese komplette, absolut unrealistische Geschichte, in die Saga sich anscheinend unwissentlich verstrickt hatte.

Der Ältere schüttelte den Kopf. „Nein, hab ich nicht. Aber es gibt genug Berichte von Menschen, die es an meiner Stelle getan haben. Vampire sind kein Mythos, das hast du gestern selber gesehen. Diese Wesen sind gewissenlos, grausam und blutrünstig. Was glaubst du, wie viele Morde von Vampiren begangen werden? Erinnerst du dich an den Zeitungsbericht von vor drei Wochen? Der Artikel, in dem sie über dieses Blutbad in Mitaka berichtet haben?“ Saga nickte stumm. „Vampire. Natürlich haben die Medien es als Ritualmord verkauft, immerhin war es so inszeniert. Dieses untote Pack ist schlauer als die meisten Menschen, das ist das Problem. Die meisten Blutmorde sind inszeniert und sehen aus wie stinknormale, von Menschen begangene Verbrechen.“

Tsukasa sah ernst in Sagas blasses Gesicht.

„Aber warum hat er mich dann gehen lassen? Hizumi meine ich. Es hat den Eindruck gemacht, als wollt er mich überhaupt nicht angreifen, als hätte er dagegen angekämpft, verstehst du? Ich meine, er hat mir dreimal gesagt, dass ich verschwinden sollte, solange ich es noch könnte. Wenn sie wirklich so grausam sind, wie du sagst- Warum wollte er dann, dass ich abhaue?“

Desinteressiert zuckte Tsukasa die Schultern.

„Keine Ahnung. Aber das spielt keine Rolle. Es war pures Glück, dass du einfach so davongekommen bist. Ich will gar nicht daran denken, was ich getan hätte, wenn er dich erwischt hätte.“ Der Ältere seufzte schwer und senkte den Blick.

Nach einer Weile erhob sich Saga ohne weitere Probleme, weil die Kopfschmerzen sich, dank der ekel-Pillen, nun doch recht zügig verflüchtigt hatten. Er ging auf Tsukasa zu und diesmal war er es, der seinen Bruder in den Arm nahm.

„Ist gut, ja? Ich bin hier und mir geht's gut, ok?“ Tsukasa erwiderte die Umarmung und seufzte tief. „Ich weiß. Und ich weiß nicht, wem ich schon wie oft dafür gedankt habe, dass du es noch bist.“, flüsterte der Ältere gegen Sagas Schulter.
 


 

Toshiyas POV
 

Ich stand in der Küche und war dabei Frühstück zu machen. Zero war noch nicht aufgetaucht, entweder schlief er noch, oder er arbeitete wieder an irgendetwas Kompliziertem. Ich hatte beschlossen, ihm soviel ich konnte zu helfen und sei es nur mit dem Haushalt. Immerhin hatte ich ihm wahrscheinlich mein Leben zu verdanken.

Ich kämpfte mit dem Toaster, als plötzlich die Tür aufging und Zero den Raum betrat.

„Guten Morgen. Du bist schon wach?“, fragte er etwas verwundert.

Ich nickte.

„Ja und ich hab Frühstück für dich gemacht.“ Ich lächelte ihn an. Anstatt das Lächeln zu erwidern, legte er den Kopf leicht schräg und musterte mich eindringlich. „Das ist nett von dir, aber du musst das nicht tun, das weißt du, oder?“

Wieder nickte ich. „Ja, weiß ich, aber ich will es tun. Du hast soviel für mich getan und irgendwie macht es mich etwas traurig, dass ich dir niemals soviel zurückgeben können werde, wie du mir gegeben hast.“ Ich spürte deutlich, wie ich rot wurde. Schnell senkte ich den Blick und starrte den Toaster an.

„Ich erwarte ja auch nicht von dir, dass du versuchst es irgendwie wieder gut zu machen.“

Der Mann war unmöglich. Wieso verstand er nicht, dass ich ein schlechtes Gewissen hatte? Sicher, ich war wirklich glücklich, dass Zero mich vor ein paar Tagen gefunden hatte, wer weiß, was aus mir geworden wäre, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Ich stand in seiner Schuld und basta. Wieso konnte er das nicht einfach einsehen? Das Piepen des Toasters riss mich aus meinen Gedanken. Ich ging mitsamt dem fertigen Toast zum Küchentisch und setzte mich. Zero stand weiterhin im Türrahmen und musterte mich nachdenklich. „Willst du nichts frühstücken?“, fragte ich. Wieso sah er mich so an? „Hab ich was Falsches gesagt?“

Er schüttelte den Kopf und setzte sich mir gegenüber.

„Nein, schon gut. Ich hab nur gestern Abend lange arbeiten müssen, ich bin noch etwas müde.“ Er lächelte leicht. In den Tagen, die ich bisher hier verbracht hatte, hatte ich ihn erst ein paar Mal lächeln sehen, was ich schade fand, denn er sah hübsch aus, wenn er denn einmal lächelte. Doch mich störte es auch nicht, dass er anscheinend ziemlich in sich gekehrt und oft nachdenklich war. Ich mochte Zeros Art sehr und irgendwie machte es mich traurig, dass ich ihn bald würde verlassen müssen. Natürlich war mir klar, dass ich nicht ewig bei ihm bleiben konnte, aber trotzdem. Schweigend beschmierte ich meinen Toast mit Marmelade, als Zeros ruhige Stimme mich aufsehen ließ.

„Toshiya, entschuldige wenn sich die Frage vielleicht etwas aufdringlich anhört, aber ich habe gestern mit jemandem von einer dieser sozialen Einrichtungen gesprochen und der wollte unter anderem wissen, ob du in früherer Zeit irgendwelche Drogen genommen hast, oder noch nimmst. Beschissenes Thema zum Frühstück, ich weiß.“ Er lächelte entschuldigend.

Ich konnte gut nachvollziehen, dass dieser Sozial-Typ wissen wollte, ob ich ein Junkie war. Ich hatte viele getroffen, die Drogen nahmen. Von einigen wusste ich sogar, dass sie im Laufe der Zeit daran gestorben waren. Ich schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf.

„Nein, hab ich nie. Ich hab noch nie irgendwas an Drogen genommen. Gut, ab und zu hatte ich mal Phasen in denen ich geraucht hab, aber harte Drogen hab ich nie genommen. Ich finde man sollte sein Leben nicht einfach so wegwerfen, selbst wenn es bis zu dem Zeitpunkt scheiße verlaufen ist.“

Ich traute mich nicht wirklich, meinem Gegenüber in die Augen zu sehen. Das hörte sich mal wieder ganz so an, als wäre alles in meinem Leben bis jetzt beschissen gewesen, aber das stimmte nicht. Ich hatte auch schöne Momente gehabt. Ich erinnerte mich an einen Winter vor ein paar Jahren. Ich saß alleine, mitten in der Nacht auf einer Bank im Park und es war eiskalt. Und ganz plötzlich hatte es angefangen zu schneien. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich nicht erinnern können, wann es das letzte mal in Tokyo geschneit hatte und ich war glücklich gewesen, wenn auch nur für eine kurze Zeit.

Momente wie diesen hatte es viele gegeben. Meistens waren es ganz alltägliche Dinge, die mich glücklich machen konnten, aber das reichte vollkommen aus. Warum nicht das Beste aus seinem Leben machen, egal wie schlecht es vielleicht verlaufen sein mochte? Ich konnte Menschen nicht verstehen, die Familie, Haus und Job hatten und trotzdem, wegen Nichtigkeiten, unglücklich waren. Aber vielleicht rührte diese Verständnislosigkeit auch daher, dass ich all das nie wirklich, oder nur für eine kurze Zeit besessen hatte.

Zero sah mich wieder auf seine nachdenkliche, verschlossene Art an.

„Um ganz ehrlich zu sein, das hätte ich nicht gedacht.“

Ich musste lachen, als ich Zeros verblüfftes Gesicht sah.

„Ja, kann ich mir vorstellen. Meistens bringt man Leute, die auf der Straße leben und dazu auch noch auf den Strich gehen, automatisch mit Drogen in Verbindung. Sehr viele von denen sind ja auch Junkies, aber nicht alle. Und meistens sagen die Leute, dass Junkies generell schlechte Menschen sind. Ich kannte ein paar Drogensüchtige und keiner von ihnen war schlecht. Nur kamen sie alle nicht mit ihrem Problemen klar, leider.“, erklärte ich, wurde aber zum Schluss hin immer leiser, als ich daran dachte, dass auch einer meiner wenigen Freunde, oder eher Verbündeten, vor einem Jahr an einem Schuss Heroin gestorben war.

„Das sind verdammt kluge Worte, für jemanden, der noch so jung ist.“, bemerkte Zero leise und sah mich ernst an. Das verwirrte mich etwas. „So viel älter als ich bist du doch auch nicht, oder? Wie alt bist du eigentlich?“ Wie peinlich... Ich hatte mich nie genau nach Zeros Alter erkundigt. Generell wusste ich eigentlich nichts von ihm, außer, dass er Zero hieß. Sofern das überhaupt sein richtiger Name war.

„Ich bin sechsundzwanzig.“, folgte die Antwort auf meine Frage. Ich lächelte ihn an. „Du siehst jünger aus. Ehrlich. Ich hätte dich vielleicht auf vierundzwanzig geschätzt. Gut, vom Verhalten her dann vielleicht doch älter, aber so vom Äußerlichen her.“

„Ich fasse das schlichtweg mal als Kompliment auf.“

Und wieder brachte er mich zum Lachen. Es war schon fast niedlich, wenn Zero etwas beleidigt war. Wahrscheinlich merkte er nicht einmal, dass er gerade mit einem ziemlich schmolligen Gesichtsausdruck am Tisch saß. Anscheinend hatte ich ihn mit meinem Heiterkeitsausbruch verwirrt, denn wieder neigte er den Kopf leicht zur Seite und sah mich fragend an.

„Wieso lachst du?“

Ich lächelte breit. Mit geschlossenem Mund, wie immer. Ich wollte nicht, dass jemand meine schiefen Zähne bemerkte, deswegen hatte ich mir diese Versteckmethode angewöhnt. Einfach immer mit geschlossenem Mund lächeln und so selten wie möglich richtig lachen.

„Weil du gerade wirklich niedlich ausgesehen hast, als du ein bisschen beleidigt warst.“, sagte ich, nur um danach wieder rot zu werden, als mir klar wurde was ich da mal wieder von mir gegeben hatte. Erst denken, dann sprechen, Toshiya!

Zero verzog leicht den Mundwinkel, sagte aber nichts weiter dazu.

Ich wollte die Situation nutzen, um etwas mehr über meinen, mir doch recht unbekannten, Retter herauszufinden.

„Hast du eine Familie?“, fragte ich ihn, und hoffte inständig, dass es nicht zu vorlaut, oder allzu neugierig klang.

Er schüttelte den Kopf.

„Nein, habe ich nicht. Mein Vater hat meine Mutter und mich sitzen lassen, als ich noch zu klein war um es zu begreifen und meine Mutter ist vor zehn Jahren gestorben.“

Ich biss mir auf die Lippe.

Scheiße.

„Das tut mir Leid. Ehrlich.“, murmelte ich kleinlaut. Das war mal wieder ganz typisch. Ich hatte ein Talent dafür, jedes Fettnäpfchen sofort zu finden und genau hinein zu tappen. Und ja, es tat mir Leid. Immerhin wusste ich, wie schwer es war, sich vollkommen allein durchs Leben zu schlagen. Aber anscheinend hatte Zero es richtig gemacht. Er schien zumindest eine ganze Menge an Geld zu haben, dachte ich, als ich mich noch einmal in dem großen, alten Haus umsah. Doch nur weil er Geld hatte, musste er ja nicht unbedingt glücklich sein. Wenn man einsam war, was brachte einem dann all das Geld.? Ich hinderte mich selbst am weiterdenken. Ich phantasierte mal wieder wie wild vor mich hin. Woher sollte ich wissen, dass er einsam war? Nur, weil er eher der ruhige und verschlossenen Typ war? Vielleicht war er ja glücklich. Das konnte ich nicht wissen.

„Ist schon gut. Es ist viel Zeit vergangen seitdem.“, sagte er. Anscheinend war er mir tatsächlich nicht böse.

Ich nickte und wusste nicht so recht, was ich darauf antworten sollte. Irgendwie hatte mir Zeros Antwort auf meine Frage den Wind aus den Segeln genommen und ich hatte Angst, wieder etwas zu sagen, das vielleicht alte Wunden erneut aufreißen konnte. Zero schien zu merken, dass ich eingeschüchtert war, denn er ergriff das Wort.

„Um nochmal zu dir und deiner Gabe zu kommen. Du hast gesagt, dass du erst ab einem bestimmten Zeitpunkt angefangen hast, Gedanken lesen zu können, oder?“

Ich blinzelte etwas verwirrt, nickte aber. Wie kam er denn jetzt wieder auf das Thema?

„Und du sagst, es gab keine konkreten Auslöser dafür?“ Wieder nickte ich wahrheitsgetreu.

„Nein, einfach so. Ich saß nur da und hab versucht im Unterricht aufzupassen, als plötzlich diese Stimme in meinem Kopf war. Später hat sich dann herausgestellt, dass dieses Mädchen mich tatsächlich... süß fand. Eine ihrer Freundinnen hat gepetzt und irgendwann wusste es die halbe Schule, wie das halt immer so ist unter Kindern.“

Ich erinnerte mich nicht gern an meine Schulzeit, besonders nicht an diesen einen schicksalhaften Tag. Ich hatte nie anders sein wollen als die anderen. Natürlich wollte ich individuell sein, so wieder jeder Mensch es gern sein möchte, aber irgendwann hörte es auf mit der Individualität. Irgendwann ging es zu weit und ich wurde zum Außenseiter.

„Aber eigentlich ist es doch ganz praktisch, wenn man die Gedanken seiner Mitmenschen lesen kann, oder?“, warf Zero ein und sah mich interessiert an.

Ein Seufzen entwich mir und ich schüttelte den Kopf. „Nein, ist es nicht. Zumal ich anscheinend nur Dinge hören kann, die mich direkt betreffen. Aber trotzdem. Eigentlich will ich diese 'Gabe' gar nicht haben. Erstens, weil es jedes Mal furchtbar weh tut, wenn ich irgendwelche Gedankenfetzen von anderen im Kopf habe und zweitens, weil ich mir einfach wünsche ein ganz normales, stinklangweiliges Leben zu führen. Und wie soll jemand, der ungewollt in die Köpfe seiner Mitmenschen guckt ein normales Leben führen können?“ Ich sprach ohne groß darüber nachzudenken, was ich eigentlich sagte. Ich war hier momentan dabei, einem, so gesehen, fremden Mann von meinen Wünschen und Ängsten zu erzählen und vor allem von meiner 'Gabe', die ich eher als Fluch betrachtete.

Merkwürdiger Weise vertraute ich Zero, und das, obwohl ich ihn kaum kannte und sonst eher zurückhaltend anderen Menschen gegenüber war. Und jetzt saß ich da, redete mit ihm übers Gedankenlesen und für ihn schien das das normalste der Welt zu sein. Bis jetzt hatte mich jeder, vor allem mein Vater, entweder für psychisch krank, oder für einen Lügner gehalten. Er nicht. Zero hatte mir zugehört und kein Wort der Verachtung, oder des Spottes war über seine Lippen gekommen. Er schien mich und mein Problem wirklich ernst zu nehmen und in gewisser Weise wunderte mich dies doch sehr. Langsam hatte ich den Eindruck, dass dieser verschlossene Mann mehr wusste, als er preisgeben wollte.

Und zwar eine ganze Menge mehr.
 


 

Zehn Tage später
 

Sagas POV
 

Ich saß am Fenster und starrte hinaus in den Regen. Es war ein kalter, nasser Oktobernachmittag und die Sonne hatte sich seit Tagen nicht mehr gezeigt. Ich saß also da und dachte nach. Mal wieder. Die letzten zehn Tage hatte ich so gut wie nichts anderes getan. Körperlich ging es mir wieder blendend, doch meine Gedanken drehten sich immer noch um den Abend vor einer Woche. Und immer noch stieg eine leichte Panikwelle in mir auf, sobald ich an diese abgedrehte Nacht zurück dachte. Doch meistens kreisten meine Gedanken nicht darum, dass ich fast mein Leben gelassen hätte und das auch noch durch etwas, das es eigentlich nicht in einer realen Welt geben sollte. Meistens kreisten meine Gedanken um Hizumi und um die Worte, mit denen er versucht hatte mich zu warnen. Es ließ mich nicht los. Ich musste wissen, ob es alles nur ein mieser Trick gewesen war, oder ob mehr dahinter steckte.

Ich seufzte tief. Tsukasa war nicht da, mal wieder. Wahrscheinlich würde er erst gegen Abend wiederkommen. Ich hatte also Zeit. Genug Zeit um die einzige Person zu suchen, die mir meine Fragen beantworten konnte...
 

Der Regen peitschte mir ins Gesicht und ich klappte meinen Mantelkragen bis zur Kinnspitze hoch. Von drinnen hatte das Wetter nicht halb so ätzend ausgesehen, wie es wirklich war. Und natürlich hatte mein fürsorglicher Bruder den einzigen Regenschirm mitgenommen. Spitze!

Ich kämpfte mich durch die Wassermassen, die da wie Sturzbäche von Himmel fielen und stand irgendwann direkt vor dem restaurierten Fabrikgebäude, in dem Hizumi seine Wohnung hatte.

Es war Irrsinn. Kein Zweifel. Doch wenn ich jetzt anfangen würde logisch über meine lebensgefährliche und idiotische Aktion nachzudenken, dann hätte ich auch gleich zu Hause bleiben können, um mir weiter den Kopf zu zerbrechen. Ich wollt eine Antwort. Basta.

Jeder meiner Schritte hallte an den Wänden des menschenleeren Treppenhauses wider, bis ich vor Hizumis Haustür zum Stehen kam. Ich atmete tief durch und drückte auf den Klingelknopf.

Jetzt wurde es ernst. Drinnen hörte ich Schritte.

„Wer ist da?“, fragte Hizumis gedämpfte Stimme durch die dünne Tür.

Wieso fragte er denn bitteschön noch nach? Normale Menschen machten einfach die verdammte Tür auf. Gut. Ok, er war ein untoter Mensch, aber konnten die sich nicht auch einfach mal an althergebrachte Regeln halten? Was war so schwer daran die verdammte Tür auf zu machen?!

„Ich bin's. Saga.“, antwortete ich also durch die geschlossenen Tür hindurch.

Eine Pause entstand.

„Hizumi, lass mich rein, ich muss mit dir reden.“, bat ich eindringlich und starrte die idiotische Tür an. Schweigen im Walde. Und auch auf der anderen Seite der Tür.

Dann, nach einer schier unendlichen Zeit der Stille, in der ich mir blöd vorkam, weil ich mit einer geschlossenen Tür geredet hatte, folgte eine Antwort.

„Wie lebensmüde bist du eigentlich? Wieso bist du wiedergekommen? Hast du sich nicht mehr alle, oder was?“, hörte ich Hizumi sagen. Er klang aufgebracht.

„Ja, ich weiß selbst, dass es bescheuert ist, aber du musst mir was erklären, bitte! Lass mich rein!“, bettelte ich.

„Ich werde dich nicht reinlassen, das kannst du dir abschminken. Willst du, dass es so endet wie das letzte Mal? Wobei, nein. Es würde dieses mal wahrscheinlich tödlich enden und zwar für dich.“

Langsam wurde ich sauer. Was bildete der sich ein? Es war doch meine Entscheidung, ob ich die Gefahr auf mich nehmen wollte, von Angesicht zu Angesicht mit diesem Vampir, oder was auch immer er war, zu reden. Ich wollte meine Antworten! Jetzt war Hartnäckigkeit gefragt.

„Gut, wie du willst. Dann werde ich mich jetzt vor deine Tür setzen und solange warten, bis du mir meine Fragen beantwortet hast. Ob du mich dazu reinlässt, mir Zettelchen schreibst, oder SMS, oder sonstwas ist mir scheißegal. Hauptsache du hörst dir an, was ich zu sagen habe!“

Dem hatte ich's gegeben!

Stille.

Dann leise Schritte, die kurz vor der Tür verstummten. Demonstrativ setzte ich mich auf den Boden, mit der rechten Schulter gegen die Tür gelehnt, die Arme verschränkt. Auf der anderen Seite hörte ich ein leises Rumpeln.

„Also gut, dich wird man eh nicht los. Was willst du?“, fragte Hizumi, dessen Stimme nun deutlicher zu verstehen war. Ich nahm an, dass er eine ähnliche Haltung eingenommen hatte, wie ich.

„Ich hab mit meinem Bruder geredet, über dich und alles was passiert ist. Du weißt schon, der Vampir-Freak. Und er hat mir erklärt, dass ihr nichts weiter seid, als grausame, kaltblütige und instinktgesteuerte Monster.“ Harte Worte, aber genau so hatte Tsukasa es mir erklärt. „Aber irgendwie machst du nicht den Eindruck auf mich, als wärst du so, wie mein Bruder dich da beschrieben hat. Der Hizumi den ich kennengelernt habe ist anders.“

Ein leises verächtliches Lachen ertönte. „So, du kennst mich also sagst du? Du kanntest mich gerade mal ein paar Tage lang, wie willst du da wissen wie ich bin?“ Guter Einwand, aber mein Gegenargument hatte auch Hand und Fuß. „Wenn du wirklich so ein abscheuliches Monster bist, warum hast du mich dann nicht einfach gefressen, als du die Möglichkeit dazu hattest? Warum hast du mir dreimal gesagt, dass ich verschwinden soll, solange ich es noch kann?“

Tja, das sollte er mir mal bitte erklären. Eine lange Pause entstand. Anscheinend hatte ich einen Volltreffer gelandet, denn auch nachdem eine ganze Weile verstrichen war, folgte keine Antwort. „Ich glaube weder dir, noch Tsukasa, dass du mich wirklich töten wolltest. Ich hab zwar keine Ahnung von diesem ganzen Vampirkram, aber ich weiß, was ich gesehen habe. Und das was ich gesehen habe, sah eher so aus, als wolltest du mich gar nicht verletzen.“ Ich wartete darauf, dass Hizumi sich dazu äußern würde, doch es dauerte, bis er leise das Wort ergriff.

„Ja, ist gut, du hast ja Recht. Ich wollte dich nicht angreifen, wirklich nicht. Aber ich hab die Kontrolle verloren. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Es war dumm und falsch von mir mich mit dir zu treffen. Du glaubst überhaupt nicht, wie viele Regeln ich gebrochen habe, nur, weil ich mit dir einen Kaffee trinken gegangen bin.“ Er klang traurig.

„Ist das bei dir immer so? Dass du die Kontrolle verlierst, wenn du es mit Menschen zu tun hast?“, fragte ich und lehnte den Kopf gegen die Tür.

„Nein, eigentlich so gut wie nie. Wenn ich mich bei jedem Menschen so anstellten würde, dann könnte ich weder zur Uni gehen, noch sonstwohin.“

Diese Antwort warf sofort eine neue Frage auf.

„Und warum bist du dann bei mir so ausgetickt?“

Ich hörte, wie er leise seufzte.

„Ich weiß auch nicht. Vielleicht, weil ich dich mag. So paradox es auch klingt. Eigentlich sind Menschen mir egal, aber bei dir ist es irgendwie nicht so. Und ich würde jetzt eigentlich liebend gern die Tür auf machen, um dir das alles ins Gesicht zu sagen, aber ich hab Angst, dass ich es nicht aushalte. Das Risiko will ich nicht eingehen.“ Die letzten Worte verstand ich kaum, so leise war er geworden. Verblüfft starrte ich die Tür an. Was meinte er damit?

„Saga. Ich will nicht, dass du nochmal wiederkommst. Wir können und dürfen uns nicht mehr sehen, ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du stirbst. Am Besten du vergisst, dass du mich jemals getroffen hast, ok?“, drang Hizumis gedämpfte Stimme durch die Tür. Was hätte ich darum gegeben, sein Gesicht sehen zu können, als er sprach. Es wäre mir leichter gefallen zu beurteilen, ob er seine Worte wirklich ernst meinte. Ich fühlte mich mies. Es machte mich traurig, was Hizumi da sagte. Hauptsächlich, weil ich wusste, dass er Recht hatte und dass es die einzig sinnvolle Lösung war.

Für uns beide...
 


 

Zeros POV
 

Es war früher Abend geworden und die eintretende Dämmerung ließ verzerrte Schatten spielen. Toshiya saß neben mir auf dem Sofa und wir schauten fern, als mich plötzlich ein unangenehmes Drücken in meiner rechten Schläfe aufschrecken ließ. Jemand versuchte mir etwas mitzuteilen. Ich erhob mich und gab vor, auf die Toilette zu müssen. Mal wieder schloss ich mich im Badezimmer ein und erlaubte dem noch Unbekannten mir seine Gedanken mit zu teilen. Es war Karyu.

//Zero, ich habe rausbekommen, wie Hizus kleiner Menschenfreund heißt. Und bevor du fragst. Nein, ich war nicht bei Hizumi und habe ihn gefragt: ich hab mir nur kurz seine Gedanken angesehen und da er momentan eh an nichts anderes denkt, war es wirklich nicht schwer herauszufinden. Der Typ heißt Saga und ist just in diesem Moment bei Hizumi, wenn du es genau wissen willst.//

Immerhin war Karyus Dreistigkeit mal zu etwas zu gebrauchen.

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich, um Karyu eine Antwort zu schicken. Dann verließ ich das Bad, um wieder zurück ins Wohnzimmer zu gehen. Als ich dort ankam, sah ich, dass Toshiya sich auf dem Sofa zusammengerollt hatte und anscheinend eingeschlafen war. Ich fragte mich, wie man es schaffen konnte, innerhalb von zehn Minuten in Tiefschlaf zu verfallen, doch dann erinnerte ich mich daran, dass er schon ziemlich müde ausgesehen hatte, bevor ich ins Badezimmer verschwunden war. Ich betrachtete ihn einige Augenblicke lang, dann schaltete ich den Fernseher aus, nahm eine Wolldecke und deckte Toshiya vorsichtig damit zu. Es war ganz gut, dass er im Moment schlief...
 


 

Sagas POV
 

Ich hatte den Kopf an das kühle Holz der Tür gelehnt und wartete darauf, dass Hizumi etwas sagen würde, doch es blieb still.

„Also... werden wir uns nicht mehr sehen können, oder?“, fragte ich leise und zu meinem Erstaunen bemerkte ich, dass dieser Gedanke mir wirklich sehr zu schaffen machte.

„Ja, genau so ist es. Ich will dich nicht nochmal in Gefahr bringen.“, sagte Hizumis Stimme und immer noch klang er traurig und das passte mir nicht.

„Und es gibt keine Möglichkeit?“, bohrte ich nach. Ich war niemand, der so schnell aufgab! Ein leises Seufzen ertönte.

„Nein Saga, gibt es nicht. So sehr ich mir auch wünschen würde, dass es sie gäbe.“

Ich versuchte krampfhaft ein Loch in das weiße Holz der Tür zu starren, um so die Möglichkeit zu haben einfach hindurch zu krabbeln, auf der anderen Seite der Tür wieder herauszukommen, mich zu Hizumi zu setzen und ihn in den Arm zu nehmen. Mittlerweile war die Angst vor ihm fast gänzlich verflogen, mittlerweile empfand ich ehrliches Mitleid mit ihm. Es musste furchtbar sein, sich nicht unter Kontrolle zu haben und so andere zu gefährden.

„Am Besten du gehst jetzt und vergisst alles was passiert ist.“, sagte er leise, so leise, dass es kaum mehr als ein Flüstern war.

Nein.

Ich wollte aber nicht gehen!

Irgendwie hatte sich die bescheuerte Hoffnung in meinem Kopf festgesetzt, dass die Tür sich doch noch öffnen wurde.

Was sie natürlich nicht tat.

Ein Seufzer entwich mir und ich rappelte mich auf. „Gut. Dann werde ich jetzt gehen. Es war schön dich getroffen zu haben, Hizumi. Ehrlich.“ Schon wieder ein Satz, der sich absolut unglaubwürdig und bekloppt anhörte, wenn man mal an die letzte Woche zurück dachte. Doch ich meinte es ernst. Auch wenn es nur zwei Tage gewesen waren und einer dieser Tage fast mit meinem Tod geendet hatte, waren es zwei wirklich schöne Tage gewesen und Hizumi schien mir nicht so unnahbar und oberflächlich zu sein, wie er mir ganz am Anfang unserer schicksalhaften Begegnung vorgekommen war.

Ich wartete auf eine Antwort, doch es blieb still. Mit einem letzten Blick zur Tür, drehte ich mich um und durchquerte das nun düstere Treppenhaus.
 

Als ich ins Freie trat, traf mich die kalte Luft wie ein Schlag ins Gesicht. Toll, das fehlte mir noch. Nass-kaltes Wetter und dann war es auch noch dunkel geworden. Ich kramte mein altersschwaches Handy aus der Hosentasche und sah auf die Zeitanzeige auf dem Display. Kurz nach sieben.

Ich musste mich beeilen, Tsukasa würde in den nächsten zwei Stunden nach Hause kommen und er würde mir mit Sicherheit den Kopf abreißen, sobald er herausfand, wo ich gewesen war.

Ich schlug meinen Mantelkragen hoch und versuchte, möglichst nicht wieder an Hizumi zu denken. So beschissen es sich auch anfühlte, ich musste ihn vergessen, das schien auch mir am sinnvollsten. Den Blick gesenkt hetzte ich durch die dunklen Straßen. Erst nach einer Weile merkte ich, wie schnell ich eigentlich gegangen war und dass mir langsam aber sicher die Puste ausging. Ich war schlichtweg zu unsportlich für diese Welt!

Ich blieb stehen, um wieder etwas zu Atmen zu kommen. Immerhin hatte das bisschen Bewegung die Kälte aus meinem Körper vertrieben. Ich sah zum Himmel, der eine gelblich-graue Färbung angenommen hatte, wie in fast jeder Nacht. In dieser Stadt wurde es nie richtig dunkel und Sterne sah man so gut wie nie. Zumindest konnte ich mich nicht erinnern jemals einen Stern über Tokyo gesehen zu haben. Plötzlich schepperte etwas, nur wenige Meter neben meinem rechten Fuß. Reflexartig machte ich einen Satz nach links und mein Herz hämmerte wild gegen meinen Brustkorb. Ich blickte mich um, doch alles, was ich im gelblichen Schein der Neonlampen sah, war eine dürre, zerzauste Katze, die neben einem aufgeplatzten Müllbeutel hockte und mich aus großen Augen anstarrte. Blödes Vieh. Mir so einen Schrecken einzujagen. Ich gab einen kurzen, zischenden Laut von mir und die Katze verschwand hinter der nächsten Ecke.

Ich atmete tief ein, um meinen Puls wieder auf ein ertragbares Level zu senken. Zum Ausatmen kam ich nicht mehr, denn eine Hand legte sich fest auf meinen Mund, erstickte jeden möglichen Hilfeschrei und mit einem schmerzhaften Ruck wurde ich rückwärts in die Dunkelheit gezogen.

Das Herz schlug mir mittlerweile buchstäblich bis zum Hals und mein Gehirn sendete vergeblich den Impuls für einen Fluchtversuch. Noch bevor ich klar denken konnte, wurden mir mit einem Ruck beide Arme auf den Rücken gedreht und ein Schmerzensschrei, der jedoch durch die kalte Hand auf meinem Mund gedämpft wurde, entwich mir. Verzweiflung und Angst hatten mich erfasst. Ich versuchte mich mit allen Mitteln aus dem Klammergriff dieses Unbekannten, dessen Gesicht ich nicht sehen konnte, weil er hinter mir stand, zu befreien.

Es war zwecklos.

Genauso gut hätte ich versuchen können, mich aus einem festgezogenen Schraubstock zu befreien.

Irgendwann gab ich auf. Mein Angreifer hatte scheinbar nur auf diesen Moment gewartet, denn ich spürte, wie ich weiter in das faulige Dunkel der engen Gasse gezerrt wurde. Mein Fuß stieß hart gegen eine rostige Metalltonne, die auf dem Boden lag und wieder durchzuckte mich eine Schmerzwelle, diesmal von meinem rechten Knöchel aus.

Langsam, aber unaufhaltsam und fast lautlos zog mich mein Angreifer weiter. Ich stolperte rückwärts, das Brennen in meinem Knöchel war einem dumpfen Schmerz gewichen und die Gelenke meiner Schultern fühlten sich an, als ob nicht mehr viel fehlte, um sie endgültig auszukugeln.

Resignation schlich sich in meine Gedankenwelt. Was auch immer mich da gerade mit sich zerrte, ich hatte das Gefühl, dass ich aus dieser Sache nicht mehr lebend rauskommen würde...

Under Suspicion

Sagas POV
 

Ich schloss die Augen und wartete auf den Film, der sich gleich vor meinen geschlossenen Lidern abspielen würde. Dieser letzte Best-of-Movie, von dem ständig in Filmen und Büchern die Rede ist, wenn jemand kurz davor ist, den Löffel abzugeben. Statt des erhofften Filmchens (Ich hätte gern noch einmal alle schönen Augenblicke meines Lebens an mir vorüber ziehen lassen!), hörte ich eine vertraute Stimme etwas rufen. Sofort waren meine verbliebenen Lebensgeister wieder geweckt und ich riss die Augen auf. Im Schein der Straßenlampe, erkannte ich schemenhaft eine mir durchaus bekannte Gestalt.

Tsukasa.

Mein zukünftiger Mörder bleib abrupt stehen und schien Tsukasa zu beobachten. Der kam geradewegs in meine Richtung. Ich versuchte erneut zu schreien, mich irgendwie bemerkbar zu machen, doch nur ein gedämpftes Wimmern verließ meine trockene Kehle. Meine Panik wuchs ins Unermessliche. Es war eine Sache, wenn dieser Spinner hier mich aus irgendwelchen Gründen umbringen wollte, aber es war schon eine ganz andere Sache, wenn er sich auch noch an meinem Bruder vergreifen wollte!

Ich biss die Zähne zusammen und trat mit aller Kraft die ich aufbringen konnte nach hinten aus. Ein scharfer Schmerz durchflutete meinen, ohnehin schon lädierten, Knöchel, doch anscheinend war meinem Angreifer das herzlich egal. Er zuckte nicht mal, als mein Fuß mit voller Wucht dahin traf, wo sich wahrscheinlich sein Schienbein befand.

Und Tsukasa kam näher, war nur noch ungefähr vier Meter entfernt.

„Saga?“

Saga ist momentan nicht zu erreichen, der versucht gerade seinen Bruder zu warnen, der da in tödliches Unheil rennt. Bitte versuchen Sie es später nochmal!

Ich holte gerade zu einem weiteren Tritt aus, als der Griff um meine Arme und die Hand auf meinem Mund plötzlich verschwunden waren. Mit einem Mal bemerkte ich, dass der feste Griff des Angreifers alles gewesen war, das mich noch auf den Beinen gehalten hatte. Jetzt, da dieser Halt sich anscheinend davonmachte, sackten mir die Knie weg und ich landete unsanft auf dem dreckigen, kalten Boden.

Mein Kopf dröhnte, mein Gehirn versuchte die vorgefallene Ereignisreihe zu verarbeiten, aber irgendwie schien es nicht so ganz nachzukommen.

Wie aus weiter Ferne hörte ich Tsukasa, der irgendetwas zu mir sagte und mich an der Schulter rüttelte. Wieder durchflutete mich Schmerz und ich stöhnte unterdrückt auf. Sofort ließ Tsukasas Hand mich los. Irgendwie schaffte er es, mich auf die Beine zu ziehen und irgendwie schafften wir es danach beide nach Hause. In der Wohnung angekommen ließ ich mich aufs Sofa fallen und schwieg.

Ich konnte jetzt nicht reden. Ich wollte jetzt nicht reden.

Etwas in meinem Inneren hinderte mich daran. Und etwas in meinem Inneren hinderte mich auch daran, zu fragen, was zur Hölle Tsukasa um diese Uhrzeit, an diesem Ort zu suchen gehabt hatte und wer der unbekannte Angreifer gewesen war.

Ich starrte auf den Boden, als Tsukasa aus der Küche wiederkam, in die er direkt nach unserer Heimkehr verschwunden war.

„Saga, zieh das Oberteil aus, ja? Ich muss mir mal deine Schulter angucken.“, sagte er leise und irgendwie machte es auf mich den Eindruck, als wäre die Situation, in der wir uns beide bis eben befunden hatten, das normalste der Welt für ihn gewesen.

Mit Ach und Krach zog ich meinen Pulli aus und meine Schultern dankten es mir, indem sie noch ein ganzes Stück mehr weh taten. Tsukasas warme Hände tasteten irgendwo an meinem Rücken und an meinen Schulter herum.

„So wie's aussieht ist weder was gebrochen noch ausgekugelt, aber dein Fuß sieht böse aus.“, murmelte er und begann meinen Schuh aufzuschnüren, um sich mein pochendes Fußgelenk anzuschauen. „Wir müssen morgen zum Arzt damit. Sieht fast so aus, als hättest du dir was gebrochen.“

Ich nickte stumm.

Mein Bruder seufzte und kniete sich vor mir auf den Fußboden, um mir in die Augen sehen zu können.

„Was genau ist da passiert?“, fragte er eindringlich. Eine Weile schwieg ich, doch endlich fanden doch ein paar Worte den Weg aus meinem Mund. Ich erzählte, was genau vorgefallen war. Doch ich verschwieg Tsukasa, wo ich vorher gewesen war.

Tsukasa hörte mir aufmerksam zu, sagte aber nichts weiter.

Ich nutzte die Gelegenheit, um ihm eine Frage zu stellen, die sich langsam aber sicher in mein, sowieso schon gebeuteltes, Hirn einbrannte.

„Wieso warst du so plötzlich da? Du hättest noch in der Uni sein müssen um die Uhrzeit.“ Ich wunderte mich darüber, wie erbärmlich meine eigene Stimme in diesem Augenblick klang. Normalerweise hörte ich mich nur so an, wenn ich nächtelang durchgesoffen hatte.

„Du kannst von Glück reden, dass ich da war. Wer weiß, was sonst passiert wäre.“

Ich sah ihn forschend an.

„Sicher bin ich froh. Aber wieso zum Teufel warst du da? Ich meine, du hättest ganz wo anders sein müssen! Wieso warst du genau an diesem Zeitpunkt da und hast ausgerechnet mich gefunden?“ Das sollte er mir bitte mal sagen, denn irgendwie fand ich es unheimlich. Tsukasa seufzte und erhob sich.

„Wenn ich ehrlich sein soll, dann hab ich dich beschattet und zwar den ganzen Tag über.“ Er lehnte sich an den Wohnzimmertisch und sah mich an, als ob es vollkommen legitim wäre, seinen Bruder mal eben so aus Jux und Dollerei zu beschatten!

„Du hast was?“, fragte ich noch einmal sicherheitshalber nach. Nicht, dass ich hier etwas nur falsch verstanden hatte.

„Nein, du hast schon richtig gehört. Und soll ich dir sagen warum? Weil ich dich besser kenne als jeder andere und weil ich genau wusste, dass du früher oder später nochmal zu diesem Blutsauger rennen würdest. Ich weiß, wie naiv und leichtsinnig du manchmal sein kannst. Und wie wir heute beide gesehen haben, hatte ich Recht!“ Er klang gegen Ende seiner Standpauke ziemlich sauer. Mir fehlten die Worte.

„So wenig Vertrauen hast du also in mich, ja?“, giftete ich zurück. Es war enttäuschend und irgendwie war es mir gerade scheißegal, dass ich eben noch, die Arme auf den Rücken gedreht und vollkommen hilflos, mit irgendeinem Irren zusammen in einer stinkenden Seitengase gestanden hatte. Im Moment hatte dieser aufkommende Streit Priorität!

„Du weißt genau, dass das nicht stimmt! Sicher vertrau ich dir, aber ich weiß auch, dass du öfters mal Dummheiten machst und dich mächtig in die Scheiße reitest! Ich wollte nur, dass dir nichts passiert, verdammt!“

Langsam wurde es mir zu bunt! Schön und gut, er hatte mich gerettet. Aber musste er gleich so tun, als wäre ich ein riesiges, blödes Baby, auf das der ach so erwachsene große Bruder aufpassen musste?!

„Achso, ja?! Du fühlst dich also mal wieder für mich verantwortlich? Ich sag dir mal was! Ich kann selber auf mich aufpassen, ich bin kein Kleinkind mehr. Ich bin genauso erwachsen wie du! Also hör auf mich ständig zu bevormunden und den Beschützer zu spielen, ok? Dein bescheuertes Gehabe kotzt mich echt nur noch an!“

Er starrte mich an. Ich hatte es geschafft ihn sauer zu machen. Kreuzchen im Kalender, das kam nicht oft vor. Erst jetzt fiel mir auf, dass es doch ziemlich harte Worte gewesen waren, die ich da gerade gebraucht hatte, doch das ließ sich jetzt nicht rückgängig machen. Jetzt musste ich auch dazu stehen!

„Ok, gut! Dann meinst du also, ich sollte dich demnächst, wenn du dein Monster besuchen gehen willst, einfach so laufen lassen? Das kannst du dir abschminken! Was glaubst du denn, wer dich eben in diese scheiß Gasse reingezogen hat und dich gefressen hätte, wenn ich nicht in der Nähe gewesen wäre? Bist du wirklich so blind?! Zähl doch verdammt nochmal eins und eins zusammen!!“ Er war laut geworden. Ich konnte mich nicht erinnern, wann mein Bruder mich das letzte Mal dermaßen angeschrien hatte. Langsam dämmerte mir, was er mit seinen Worten meinte.

„Du meinst, dass es Hizumi war?“, fragte ich leise. Er schien sich wieder beruhigt zu haben und nickte seufzend.

„Genau das meine ich.“
 


 

Zeros Villa, Wohnzimmer, ca. 11.30 Uhr ...
 

Toshiya blinzelte verschlafen und kuschelte sich, noch im Halbschlaf, in die warme Wolldecke. Moment mal.

Wolldecke?

Wo kam die Decke her?

Er gähnte und sah sich suchend im Zimmer um. Der Fernseher war ausgeschaltet, nur das Kaminfeuer brannte knisternd und warf epileptisch zuckende Schatten an die Wände. Langsam setzte Toshiya sich auf und streckte sich ausgiebig. Er musste feststellen, dass allein war. Sein Blick fiel auf die kunstvolle Standuhr in einer Ecke des Zimmers, die ihm sagte, dass es bereits halb zwölf war. Anscheinend war er während des Films eingeschlafen. Aber wo war Zero?

Es war untypisch für ihn, um diese Uhrzeit schon ins Bett zu gehen, normalerweise war Toshiya es, der früher müde wurde und schlafen ging. Er richtete sich auf und lauschte. Es war totenstill. Langsam setzte er sich in Bewegung.

„Zero?“, rief er in die Stille hinein, doch eine Antwort blieb aus.

Toshiya ging in die Küche, in der Hoffnung, eine Nachricht oder etwas Ähnliches zu finden, das Zero vielleicht hinterlassen hatte. Suchend sah er sich im Raum um, wurde aber enttäuscht. Nichts.

Dann blieben nur noch zwei Möglichkeiten.

Die erste wäre, dass Zero überstürzt das Haus verlassen hatte, warum auch immer.

Die zweite bestand darin, dass er irgendwo in seinem Büro war und arbeitete. Toshiya hielt die zweite Möglichkeit für die sinnvollere, wollte allerdings sicher gehen, denn mittlerweile überkam ihn ein nicht zu deutendes, komisches Gefühl.

Zeros Büro befand sich im obersten Stockwerk, doch Toshiya hatte bis jetzt nur ein einziges Mal einen kurzen Blick hineinwerfen können und das war reiner Zufall gewesen. Zero saß oft stundenlang da oben und Toshiya hatte keinen blassen Schimmer, was genau er dort überhaupt trieb. Er ging in den kalten Hausflur und warf zögerlich einen Blick hinauf zum Ende der Treppe, genau auf die Tür zu Zeros Schlafzimmer. Eine Weile stand er etwas unentschlossen in dem dämmrigen Flur herum, doch dann entschied sich der Junge doch dafür, einen kurzen Blick in Zeros Arbeitszimmer zu werfen. Oder wenigstens anzuklopfen. Denn etwas stimmte hier nicht, soviel war sicher. Schritt für Schritt stieg Toshiya die Eichenholztreppe hinauf, an Zeros Schlafzimmertür vorbei, weiter hinauf in den zweiten und letzten Stock, der wahrscheinlich in früheren Zeiten einmal als Speicher gedient hatte.

Die letzte Treppenstufe, die er betrat bevor, er das oberste Geschoss erreichte, knarrte träge und das Geräusch ließ ihn erschrocken zusammenzucken. Hastig nahm er den letzten Schritt und befand sich nun vor einer schweren Holztür mit massiver Messingklinke.

Toshiya zögerte. Ein ungutes Gefühl überkam ihn und diesmal war es mehr als nur der Schatten einer Vorahnung. Trotz allem streckte er die Hand aus und klopfte zaghaft an die Tür.

Nichts geschah.

Unsicher legte er seine Hand auf die kühle Klinke und drückte sie langsam hinunter. Und zum ersten Mal konnte er sich wirklich ein Bild von Zeros Arbeitszimmer machen. Es war ein großer, ziemlich düsterer Raum, der mehr Büchern beinhaltete, als Toshiya in seinem bisherigen Leben je gesehen hatte. In der Mitte des Raumes stand ein monströser Schreibtisch, der mit Bergen von Akten und anderen Papieren überhäuft war. Durch ein einzelnes, staubiges Fenster fiel fahles Mondlicht auf die Papierberge und Toshiya ging fast schon automatisch, einige unsichere Schritte in den voll gestopften Raum hinein. Ein großes, altes Blatt Pergamentpapier, das quer über den chaotischen Schreibtisch gerollt war, zog seine Aufmerksamkeit an. Er sah sich um und sein Gewissen rebellierte kurz, doch die Neugier siegte. Bei genauerer Betrachtung erkannte er, dass dieses Pergament anscheinend einen Familienstammbaum, oder etwas Ähnliches, darstellen sollte. Eine ganze Menge Namen, von denen einige mit simplen, schwarzen Tuschestrichen miteinander verbunden waren, prangten auf dem gelblichen Papier.

Ein Stammbaum.

Nichts Ungewöhnliches, aber etwas ließ Toshiya stutzen. Die Personen, deren Namen da fein säuberlich aufgelistet und verknüpft worden waren, waren alle schon seit mindestens dreihundert Jahren tot. Außerdem trug nie mehr als eine Person den gleichen Nachnamen.

//Was hat das zu bedeuten?//

Toshiya starrte das rissige Papier an und sein Blick fiel auf einen ihm sehr wohl bekannten Namen.
 

Zero – Geboren: 1602 ; Gestorben: 1628
 


 

Nächster Morgen, Zeros Villa, Küche ...
 

Toshiyas POV
 

Ich saß am Küchentisch und rührte nun schon solange in meiner Teetasse herum, dass sich ein kleiner Strudel gebildet hatte, der so stark war, dass man in seinem Auge bereits den Tassenboden erkennen konnte.

Mein Entdeckung in Zeros Büro beschäftigte mich immer noch und es fiel mir schwer, nicht danach zu fragen. Doch was hätte das bitteschön für einen Eindruck auf Zero gemacht?

Man konnte es drehen wie man wollte, fest stand: Ich hatte in Zeros Privatsachen herumgeschnüffelt und das war absolut unhöflich und dreist gewesen. Zu allem Übel saß Zero mir auch noch, wie jeden Morgen, gegenüber und bedachte mich mit undeutbaren Blicken.

Ahnte er etwas?

Ich starrte in meinen Tee und mein schlechtes Gewissen machte die ganze Sache nicht unbedingt besser.

„Sag mal, ist alles ok mit dir?“, fragte mein Gegenüber plötzlich und klang dabei etwas besorgt. Ich nickte hastig.

„Ja, alles bestens! Ich bin nur noch müde.“ Ich zwang mich zu einem scheinheiligen Lächeln und hätte mir am liebsten selbst eine Ohrfeige verpasst!

Zero musterte mich noch eine Weile stumm, dann sagte er: „Ich muss sowieso noch mal mit dir reden, fällt mir ein. Ich hab ja in den letzten Tagen etwas herumtelefoniert und anscheinend hat jede Stelle, die sich um dich kümmern könnte zu viel Zulauf bekommen, oder andere 'Probleme' zu lösen.“

Ich legte den Kopf schräg und versuchte mir zusammen zu reimen, was das jetzt für mich zu bedeuten hatte, doch Zero fuhr fort. „Ich habe also zwei Möglichkeiten. Entweder setze ich dich einfach wieder auf die Straße“ Er machte eine kurze Pause und das Herz sackte mir in die Fußsohlen „Oder ich behalte dich weiterhin so lange hier, bis irgendwann wieder etwas frei wird.“ Er sah mich mit gewohnt ernstem Blick an. Ich blickte verwirrt und eingeschüchtert zugleich zurück und versuchte meine Gedanken in Worte zu fassen, was mir jedoch schändlicherweise misslang.

„Natürlich ist die Voraussetzung, dass ich dich hier weiterhin bleiben lasse die, dass du überhaupt bleiben willst.“, fügte er hinzu, ohne den Blick von mir ab zu wenden.

Und endlich fand ich meine Sprache wieder (Wenn auch nur im Sparmodus)!

„Ich- Ich würde sehr gern hier bleiben, wenn es dir wirklich nichts ausmacht. Ich will dir keinen Ärger machen, oder so.“, murmelte ich und in gewisser Weise war es mir verdammt peinlich. Ich hatte am Vorabend noch herumgeschnüffelt und Zero bis jetzt noch nichts davon erzählt. Demnach log ihn gerade an und er ahnte nichts von alledem und war weiterhin so unglaublich nett zu mir.

Ich fühlte mich verdammt mies.

Er nickte.

„Ok, dann ist ja alles klar soweit.“, sagte er und ein flüchtiges Lächeln erhellte seine Züge.

Das war zu viel des Guten.

„Zero. Ich muss dir was sagen.“, rückte ich kleinlaut raus mit der Sprache. Er sah mich aufmerksam an. Ich nahm eine tiefen Atemzug und begann zu erzählen, was am Vorabend vorgefallen war. „...Und dann bin ich rein gegangen, obwohl du nicht da warst und das tut mir Leid. Es war nicht richtig so was zu tun.“, stammelte ich und merkte nicht, das ich vor Nervosität schon wieder begonnen hatte meine Nägel bis aufs Fleisch abzupiddeln.

Plötzlich legte sich Zeros Hand einen kurzen Augenblick lang auf meine, um mich daran zu hindern, mich weiterhin zu verletzen. Ich zuckte leicht, als ich bemerkte, wie kalt seine Hand war und sah ihn verwirrt an. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, hatte Zero seine Hand bereits zurückgezogen.

„Ist ok. Entschuldigung angenommen.“

Ich kaute auf meiner Unterlippe herum. „Und du bist nicht böse auf mich?“, fragte ich sicherheitshalber noch einmal nach. Er schüttelte nur sachte den Kopf.

„Nein, bin ich nicht. Natürlich bin ich nicht begeistert darüber, aber es wäre absolut überzogen, wenn ich dir deswegen jetzt ernsthaft böse wäre.“

Mir fiel ein Berg vom Herzen und unwillkürlich breitete sich ein kleines Lächeln auf meinen Zügen aus. „Danke. Für alles!“, sagte ich und spürte, dass meine Gesichtsfarbe sich schon wieder zu einem kräftigen Rot wandelte.

Doch so erleichtert ich auch war, etwas beschäftigte mich weiterhin und ich entschloss mich auch damit herauszurücken, wo ich schon mal dabei war.

„Ähm...“ Toller Anfang! „Also noch was. Auf deinem Schreibtisch, da lag so ein Stammbaum und ich hab mir den angeguckt und irgendwie... waren da einige Sachen drauf, die ziemlich merkwürdig waren.“, druckste ich herum. Zeros Augenbrauen wanderten in Richtung Haaransatz. „So? Und was fandest du daran so merkwürdig?“

Ich biss auf meiner Unterlippe herum und erkannte, dass ich diese Frage besser doch hätte zurückhalten sollen. Doch jetzt war es zu spät.

„Keiner der Nachnamen war gleich, obwohl die Namen untereinander verbunden waren.Und.. Außerdem sind alle diese Leute laut dem Stammbaum schon lange tot.“ Ich zögerte „Und du auch.“

Kurz hob ich den Blick, den ich während des Sprechens stur auf meine Hände gerichtet hatte, und sah in Zeros unveränderte Mine.

„Ja, stimmt. Und was glaubst du jetzt, was das alles zu bedeuten hat?“, fragte er lächelnd.

Ich blinzelte überrascht.

„Keine Ahnung, das will ich ja von dir wissen. Ist das alles ein Scherz oder so?“ Anders konnte ich es mir nun wirklich nicht erklären.

„Und was würdest du sagen, wenn ich dir jetzt erzählen würde, dass alles, was auf diesem Stammbaum zu sehen ist der Wahrheit entspricht?“

Meine Finger umklammerten die Teetasse, in der mein unberührter Tee mittlerweile kalt geworden war.

„Ich... weiß nicht. Dann würde ich mich wundern, warum du noch hier sitzt. Denn da steht, dass du schon seit vierhundert Jahren Tod bist.“ Ich lachte nervös und langsam wurde mir doch etwas mulmig. Was sollte das alles?

„Hast du schon mal was von Vampiren gehört?“, fragte er mich ruhig, so als ob wir gerade über vollkommen normale Dinge reden würden. Meine Augen weiteten sich und ich starrte wahrscheinlich ganz schön blöde aus der Wäsche.

Ok, das war abgefahren!

Ich suchte nach Worten, denn ich war absolut sprachlos. Was sollte ich jetzt bitte von dieser Antwort halten?

„Ja. Ja, sicher hab ich schon mal davon gehört. Aber das sind doch nur Geschichten, oder?“ Wieder schlich sich ein kleines Lächeln auf Zeros Lippen. „Wenn du sowieso denkst, dass es nur Geschichten sind, wieso siehst du dann gerade so ängstlich aus?“, fragte er mich freundlich.

„Weil ich- Naja, Ich weiß ja nicht, ob es nur Geschichten sind. Immerhin halten mich die meisten Leute auch für einen Spinner, oder einen Lügner, obwohl das, was ich erzähle und erlebe wahr ist. Es gibt sicherlich noch mehr Dinge, die wahr sind, aber als Lüge abgestempelt werden.“, antwortete ich ehrlich, doch in meiner Stimme schwang ein leichtes Zittern mit und mein Herz schlug schneller. „Damit hast du allerdings verdammt Recht. Du würdest mir also einfach so glauben, wenn ich dir sagen würde, dass ich in der Tat seit vierhundert Jahren untot bin?“

Ich schüttelte zögerlich den Kopf.

„Nein, würde ich nicht. Du müsstest es mir erst beweisen.“

Es war absolut verrückt, diese ganze Situation war mehr als irre, doch eigentlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass Zero mich hier gerade anlog. Und genau das war es, was mich so nervös machte. „Und wie soll ich es dir beweisen?“ Seine Stimme war vollkommen gelassen und er sah mich mit gewohnt kühlem Gesichtsausdruck aus seinen hellbraunen Augen an.

„Ich weiß nicht genau. Was können Vampire denn Besonderes?“

Er schien kurz zu überlegen.

„Da gibt es eine ganze Menge. Dieser Kram mit in Fledermäuse und so was verwandeln ist größtenteils Mist. Es gibt zwar einige wenige, die sich tatsächlich in Tiere verwandeln können, aber das ist eine angeborene Gabe, die man nicht so ohne Weiteres erlernen kann. Ich zum Beispiel bin dazu nicht in der Lage. Dann hätten wir da noch übermenschliche Kraft, extrem gute Sicht im Dunkeln, Gedankenlesen, Kommunikation durch Gedanken...“ Er zählte diese Fähigkeiten auf, wie Lebensmittel für den nächsten Wocheneinkauf und meine Fassungslosigkeit wuchs von Wort zu Wort. Er schien es tatsächlich ernst zu meinen!

„Gedankenlesen?“, hakte ich nach. Er nickte.

Ich nahm einen tiefen Atemzug. „Ok, wenn du wirklich ein...Vampir bist...“ Irgendwie hörte es sich absolut absurd an, ihn so zu nennen. „Dann sag mir jetzt woran ich denke.“

Ich überlegte angestrengt. Es musste etwas vollkommen Zusammenhangloses sein, das er auf keinen Fall einfach so erraten konnte. Und plötzlich, ganz ohne weitere Zusammenhänge kam mir ein Wort in den Sinn. Ich konzentrierte mich nur auf mein ausgedachtes Wort und sah Zero erwartungsvoll an. Für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke und mein Herz machte einen kleinen Sprung. Ich spürte, wie ich zum dritten Mal an diesem Morgen die Gesichtsfarbe wechselte.

„Wieso ausgerechnet Schokolade?“, fragte mein Gegenüber plötzlich etwas verwirrt.

Mein Unterkiefer klappte ein Stück weit nach unten.

„Das gibt nicht. Wie kannst du das wissen?“ Er hatte Recht gehabt! 'Schokolade' war das erste Wort, das mir eingefallen war. Warum, das wusste ich selbst nicht so genau. Wieder lächelte Zero.

„Und? Beweis genug?“

Ich nickte stumm und wusste nicht so recht, was ich jetzt sagen sollte, denn zu viele Gedanken gingen mir durch den Kopf. Besonders ein bestimmter. „Stimmt es denn, dass Vampire Menschenblut trinken müssen?“ Meine Stimme war leise. Ich hatte mich kaum getraut diese Worte überhaupt laut auszusprechen.

„Das stimmt leider.Ohne Blut können wir nicht existieren. Aber mittlerweile ist es selten, dass ein Vampir mutwillig einen Menschen beißt, um sein Blut zu trinken. Die meisten von uns versuchen so gut wie möglich mit euch zusammen zu leben, leider gibt es manchmal auch Ausnahmefälle, aber die sind recht selten. Ich persönlich ernähre mich von Blutkonserven.“ Eine Zeit lang schwiegen wir beide, dann fuhr Zero mit ernster Mine fort. „Toshiya, eigentlich hätte ich dir das hier gar nicht erzählen dürfen. Es ist uns strengstens verboten unsere Existenz den Menschen zu offenbaren und ich bringe uns damit beide in Gefahr. Jetzt denk aber bitte nicht, dass mir das egal wäre, denn das ist es nicht! Allerdings hat es einen guten Grund, warum ich dir dieses Geheimnis verraten habe. Wenn alles, was du mir bisher erzählt hast wahr ist, dann besteht die Chance, dass du selbst mindestens zur Hälfte Vampir bist.“

Diese Aussage traf mich wie ein Schlag vor den Kopf. Zu viel Information!

Mein Sprachsystem streikte.

Zero seufzte leise.

„Ja, ich weiß. Das ist jetzt alles ein bisschen viel auf einmal.“

Ich nickte stumm.

Das war es allerdings. Mir dröhnte der Kopf und ein Teil tief in mir weigerte sich strikt, auch nur die kleinste Kleinigkeit zu glauben, die Zero mir hier gerade weiß machen wollte. Doch ein weit größerer Teil hatte eingesehen, dass er nicht log. Was sollte es ihm bringen, mir solch eine absurde Geschichte zu erzählen, wenn sie Erstunken und erlogen war? Außerdem hatte er vor wenigen Minuten meine Gedanken gelesen und wenn das nicht Beweis genug war, dann wusste ich ab jetzt gar nichts mehr...
 


 

Tsukasas Schlafzimmer
 

Ein fahler Sonnenstrahl fiel auf das zerwühlte Bett und kitzelte Tsukasa an der Nase.

Noch im Halbschlaf drehte der junge Mann sich um und vergrub das Gesicht in seinem Kopfkissen.

Doch es half nichts, der Schlaf war weg und wollte nicht wiederkommen. Gähnend richtete er sich auf und gähnte.

//Scheiß Morgen.//, waren Tsukasas erste Gedanken und der Wunsch sich jetzt einfach wieder zurücksinken zu lassen und weiter zu schlafen war fast übermächtig. Doch die Uni brüllte nach ihm, immerhin hatte er die letzten Tage an keiner Vorlesung mehr teil genommen, es hatte ja einen kleinen Bruder zu versorgen gegeben.

Ächzend erhob er sich und schlurfte in die Küche, um einen rettenden Kaffee zu sich zu nehmen. Auf dem Weg dorthin streifte sein Blick Sagas geschlossene Zimmertür. Der Sack schlief natürlich noch. Wie immer. Es wurde Zeit, dass sein kleiner Bruder sich endlich einen ordentlichen Job suchte und sein eigenes Geld verdiente, es konnte ja nicht angehen, dass man sich den größten Teil des Unterhalts immer noch von den Eltern schicken lassen musste.

In diese und andere Gedanken versunken saß Tsukasa am Küchentisch und schlürfte bedächtig seinen schwarzen Kaffee. Etwa eine halbe Stunde später befand er sich, geschniegelt und gebügelt, auf dem Weg zum Universitätsgebäude, das per Fußmarsch eine gute Viertelstunde entfernt lag. Es fesselte und der Himmel war von einem einheitlichen Grau. Mal wieder.

//Dieses Wetter macht mich irgendwann nochmal wahnsinnig.//

Die Sonne hatte sich seit Wochen eigentlich kaum gezeigt und jeder Tag war gleich grau und verregnet. Es war lange her, dass Tokyo einen derart miesen November erlebt hatte. Ein leiser Seufzer entfuhr Tsukasa und er vergrub die Hände tief in den Jackentaschen.

Nach einiger Zeit stach das düster-sterile Junigebäude vor ihm in den wolkenverhangenen Himmel. Zusammen mit einem Haufen gesichtsloser Freaks in einem verstaubten Hörsaal sitzen. Das war genau das, wonach er sich jetzt um alles in der Welt sehnte.

Augen zu und durch.
 


 

Tsukasa, 17.53 Uhr ...
 

Erschöpft verließ er die kalte Eingangshalle und trat durch die massive Glastür in die noch kältere Dämmerung. Obwohl es noch nicht vollkommen dunkel war, hatte die Kälte bereits die Oberhand gewonnen und kroch unerbittlich in jede Faser. Tsukasa schlug seinen Mantelkragen hoch und stopfte die Hände in die Taschen. Er wollte jetzt nach Hause und sich schlicht und ergreifend vor den Fernseher pflanzen, um irgendeine sinnfreie TV-Show anzusehen. Dabei musste man wenigstens nicht denken.

Seine Gedanken kreisten um Saga, diesen kleinen, naiven Idioten. An Saga und seine Vampir-Begegnung.

Es hatte ihn Überwindung gekostet, nicht jeden weiteren von Sagas Schritten zu kontrollieren, nach allem was bis jetzt passiert war.

Viel Überwindung!

Immerhin wusste er nur zu gut, was alles hätte passieren können...

Tsukasa überquerte eine menschenleere Straße, als das Zwielicht plötzlich von gleißend hellen Scheinwerfern durchbrochen wurde. Ruckartig drehte der Braunhaarige sich um und kurz nachdem er realisiert hatte, dass es ein verdammt schnelles Auto war, das da auf ihn zu kam, wurde er zu Boden gerissen.

Ein scharfer Schmerz durchzuckte Tsukasas rechte Schulter und er spürte, dass er auf die nasse Straße gedrückt wurde und ein Jemand ihn daran hinderte sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. In weiter Ferne hörte er die Motorengeräusche des Wagens, der ihn vor wenigen Sekunden fast überfahren hatte, verhallen. Langsam ließ das erdrückende Gewicht auf Tsukasas Rücken nach, war schließlich ganz verschwunden. Ächzend rappelte er sich auf und wischte sich über den Mund. Blut.

Anscheinend hatte er sich durch den Sturz die Lippe aufgeschlagen. Der Schock saß tief und immer noch wurde Adrenalin durch Tsukasas Blutbahnen gepumpt und sein Herz raste. Zögernd drehte er sich um und versuchte in der grauen Dämmerung das Gesicht der unbekannten Person zu erkennen, die ihn da gerade vor einer schweren Verletzung, oder Schlimmerem bewahrt hatte. Erst allmählich gewöhnten sich seine Augen wieder an das dämmrige Zwielicht und plötzlich erkannte er, wer da vor ihm kniete und ihn mit besorgter Miene ansah.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte eine tiefe, ihm durchaus bekannte Stimme vorsichtig.

Karyu.

Benommen nickte der am Boden Liegende. Karyu erhob sich und streckte eine Hand aus. „Kannst du aufstehen?“ Wieder nickte Tsukasa und streckte seinerseits die Hand aus, um sich von Karyu nach oben helfen zu lassen. Karyus Hand war kalt und Tsukasa verspürte den Drang, seine eigene sofort wieder zurückzuziehen. Doch er fühlte sich beim besten Willen nicht dazu in der Lage, ohne fremde Hilfe auf die Beine zu kommen. Bei dem Versuch aufzustehen, merkte er, dass seine Kniegelenke sich anfühlten, als hätten sie sich ganz plötzlich in eine gummiartige, widerspenstige Substanz verwandelt, die jede Bewegung erschwerte.

Etwas benommen stand Tsukasa auf dem Gehweg.

„Was tust du hier?“, fragte er leise.

Karyu legte den Kopf leicht schräg.

„Ich war gerade auf dem Weg nach Hause und anscheinend war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“

Er lächelte.

Tsukasa nickte stumm.

„Und du bist sicher, dass alles ok ist mit dir? Du blutest da am Mund.“ Karyu streckte die Hand aus und schien Anstalten zu machen, das schmale Blutrinnsal von Tsukasas Lippen zu wischen, doch der wich augenblicklich zurück.

„Mir geht’s gut soweit. Ich muss das nur erstmal verkraften.“, murmelte der Braunhaarige und wischte sich ein zweites Mal über den Mund.

Karyu steckte die Hände in die Taschen seines schwarzen Mantels.

„Soll ich dich zum Arzt bringen oder so?“

Ein Kopfschütteln folgte als Antwort. „Nein, ich will einfach nur nach Hause...“

„Dann bring ich dich heim.“

Erneutes Kopfschütteln. „Das musst du nicht. Ich schaff das auch allein.“

„Daran zweifel ich nicht, aber trotzdem. Du scheinst das Unglück magisch anzuziehen. Ich werde mitkommen, keine Widerrede. Außerdem kannst du nicht wissen, ob du dir nicht doch mehr getan hast, als du glaubst.“, beharrte Karyu und musterte Tsukasa skeptisch.

Der gab sich schlussendlich geschlagen und nickte resigniert.

„Wenn du unbedingt willst.“

Er war jetzt zu müde und zu verwirrt, um noch mehr Widerworte zu geben, oder sich gar auf eine Diskussion einzulassen. Wenn man gerade fast von einem Auto überfahren worden war, dann hatte man andere Dinge im Kopf.

Auch wenn die komplette Situation noch so irreal und suspekt war.

Schweigend machten sich die beiden Männer auf den Heimweg. Plötzlich durchbrach Karyu die Stille.

„Irgendwie bist du wesentlich lockerer, wenn vorher fast angefahren worden bist.“, bemerkte er grinsend. Tsukasa schnaubte. „Gewöhn dich nicht dran. Das ist das Adrenalin, also bilde dir nichts ein.“

Karyus Grinsen wurde eine Spur breiter.

„Du bist ganz schön merkwürdig, weißt du das?“

„Ja, ist mir durchaus bekannt.“

„Dann ist ja gut.“

Sie erreichten das dunkle Mehrfamilienhaus, in dem sich Tsukasas Wohnung befand. Das Treppenhaus war stockfinster und menschenleer. Tsukasa schaltete das Licht an und humpelte in den zweiten Stock, Karyu im Schlepptau. „Willst du noch kurz mit reinkommen? Auf nen Tee oder so?“, fragte Tsukasa plötzlich. Karyu blinzelte, lächelte dann aber.

„Ja. Gerne.“

Wenige Minuten später fand Karyu sich auf einem weißen Sofa sitzend wieder, eine heiße Tasse Tee in der Hand haltend. Tsukasa hatte ihm gegenüber Platz genommen.

„Wohnst du ganz alleine hier?“, fragte er und nippte an seinem Tee.

„Nein, ich wohne zusammen mit meinem Bruder hier. Mich wundert sowieso, dass der nicht schon längst aufgekreuzt ist.“

„Sieht dein Bruder gut aus?“

„Was soll das denn bitte heißen?“

„Naja, wenn er gut aussieht, dann wäre es doch möglich, dass er ein paar Mädels aufreißen gegangen ist, oder? Oder ist er eher so ein schüchterner Typ wie du?“ Karyus Grinsen wurde breiter als jemals zuvor und Tsukasas Wangen eine Spur röter.

„Nein, wir sind uns nicht sehr ähnlich.“, gab er knapp zurück und starrte in die Tiefen seines Tees.

„Dachte ich mir fast. Und wie ist das bei dir so mit den Mädels? Hast du eine Freundin?“

„Sag mal ist das hier ein Kreuzverhör oder was?“

„Nun mal nicht so aggressiv. Ich hab doch nur gefragt.“

„Nein, ich bin Solo.“

„Ehrlich? Das wundert mich.“

„Als ob!“

„Das hast du jetzt gesagt!“

Karyu schien sich prächtig zu amüsieren und musterte sein errötendes Gegenüber über den Rand seiner Teetasse hinweg.

„Ähm. Achja. Und danke, wegen eben. Wenn du nicht da gewesen wärst, dann hätte mich jetzt Jemand von der Straße abkratzen können.“, murmelte Tsukasa plötzlich ganz unvermittelt. Karyu schenkte ihm ein freundliches Lächeln.

„Keine Ursache. Ich war halt zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Vielleicht war's ja auch Schicksal, wer weiß.“

„Ja, vielleicht.“

Tsukasa gähnte.

„Da scheint aber jemand ziemlich müde zu sein. Anstrengenden Tag gehabt?“, fragte Karyu mit einem Augenzwinkern.

„Ja, das hatte ich allerdings.“, antwortete Tsukasa matt.

Der Vampir lehrte den Rest seines Tees in einem Zug und erhob sich. „Na dann geh mal besser schlafen, ich will dich nicht länger stören.“

Auch Tsukasa stand auf, um seinen Überraschungsgast zur Tür zu bringen. Dieser Versuch erwies sich allerdings im Nachhinein als reichlich unintelligent, denn die Beine des Braunhaarigen waren scheinbar nicht wirklich gewillt, ihren Dienst zu tun, was zur Folge hatte,dass Tsukasa ruckartig nach vorne kippte und auf einen Widerstand stieß.

Karyus Brustkorb.

Eine Sekunde lang sagte Niemand etwas, doch dann ertönte ein leises, melodisches Lachen.

„Ich wusste gar nicht, dass du so anhänglich sein kannst. Wie schon gesagt, du solltest dich öfters von Autos anfahren lassen.“

Tsukasa spürte deutlich, dass sein Gesicht nun die gleiche Farbe hatte, wie Sagas selbstgemachte Tomatensoße (Das Einzige, was dieser Kerl wirklich kochen konnte.). Er hob langsam den Blick und das Erste was er erblickte, waren Karyus Bernsteinaugen, die ihn belustigt ansahen.

Ganz unvermittelt beugte Karyu sich vor, so weit, dass seine Lippen sich gefährlich nah an Tsukasas Hals befanden.

„Du solltest nachher mal deinen Hals genauer untersuchen, ich glaube du bekommst da einen blauen Fleck.“, murmelte er und Tsukasas Nackenhaare stellten sich auf.

Ruckartig löste sich der Kleinere von Karyu und taumelte zwei Schritte rückwärts.

„Hey, war nur gut gemeint.“, sagte Karyu beschwichtigend und lächelte sein etwas schiefes Lächeln.

Tsukasa nickte stumm und musterte Karyu aus sicherer Entfernung.

„Mach ich.“

Der Vampir ging in aller Seelenruhe zur Garderobe und begann seinen Mantel anzuziehen.

„War nett mit dir, auch wenn der Anlass dazu eigentlich weniger nett war.“ Wieder breitete sich ein Grinsen auf Karyus Zügen aus. Doch nun musste auch Tsukasa lächeln, wenn auch noch etwas unterkühlt.

„Ja, der Anlass war allerdings weniger erfreulich. Aber ist ja alles gut gegangen. Danke nochmal.“

„Kein Problem. Und jetzt schlaf gut und vielleicht bis irgendwann mal.“

Mit diesen Worten schloss Karyu den letzten Mantelknopf, drehte sich um und verschwand.

Eine ganze Weile stand Tsukasa allein im Flur, vor der mittlerweile geschlossenen Haustür, und fragte sich, was zur Hölle er in dieser vergangenen Stunde erlebt, gedacht und vor allem getan hatte...

Answers

Chacka!

So meine Lieben. Endlich das nächste Kapitel.

Und es bahnt sich Übles an... Wie ich schon im letzten Chap prophezeit hab^^

Viel mehr gibts nicht zu sagen, außer, dass ich mich mal bei allen meinen Lesern für die lieben Kommentare bedanken möchte :)

Ihr seid spitze!
 

Dieses Kapitel ist einzige und allein RUIZA gewidmet, erstens, weil ich sie lieb habe <3 und zweitens, weil sie schon auf heißen Kohlen sitzt und die geilsten Szenarien gesponnen hat :D

Hier hast du deine Antworten!

<3
 

enjoy!

<3~
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 


 

Karyus POV
 

Gemächlich ging ich den nassen Gehweg entlang, es war mittlerweile dunkel geworden und auch die Kälte hatte zugenommen. Ich empfand es als äußerst schwer, nicht in ein gewisses Dauergrinsen zu verfallen, denn alles was ich mir für heute vorgenommen hatte war nach Plan verlaufen. Fast schon zu perfekt.

Alles hatte genauso funktioniert, wie es hatte funktionieren sollen, der organisierte Fast-Unfall, mein Auftritt als strahlender Held im schwarzen Mantel und der erste Schritt zum Vertrauen meines Verdächtigen.

Meine Meinung über diesen vermeintlichen 'Sano-san' hatte sich verfestigt. Spätestens als ich eben sein Türschild gelesen hatte. Auf dem stand nichts von Sano. Demnach hatte er gelogen, was seine Identität betraf. Knallhart der Kerl.

Das gefiel mir, endlich nochmal was zum Zähne dran ausbeißen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Den musste ich unbedingt Zero erzählen! Wobei, der würde das eh nicht zu würdigen wissen, der spießige, alte Sack.

Gut gelaunt ging ich die Straße entlang, solange, bis Zeros düstere Klischee-Villa vor mir empor ragte. Ich machte mich daran mit Hilfe des Türklopfers ein Loch in die schwere Haustür zu hauen, damit dieses Knollengewächs von einem Vampir mich auch ja hörte. War schon mal vorgekommen, dass dieser taube Kerl mich einfach überhört hatte und ich unverrichteter Dinge hatte nach Hause schleichen müssen. Das sollte nicht nochmal vorkommen, denn langsam wurde mein hübscher Hintern kalt. Voller Enthusiasmus sah ich zu, wie sich kleine Holzsplitter aus der Tür lösten und ich fragte mich, wie lange es wohl dauern würde, bis man eine wirkliche Delle sehen konnte.

Doch noch bevor ich weiter über dieses höchst interessante Thema philosophieren konnte, wurde die Tür aufgerissen und Zero starrte mich missmutig, um nicht zu sagen angepisst, an.

„Was gibt’s, Nervensäge?“

Ich schnaubte verächtlich. Dieser blöde Typ!

„Du verletzt meine Gefühle, das ist dir klar, oder?“, sagte ich weinerlich und verschränkte die Arme.

„Das ist mir scheißegal. Komm rein, es zieht!“

Ich verdrehte die Augen. Da schien aber heute wer wieder gut drauf zu sein.

Ich warf meinen Mantel auf die Garderobe und zog mir die Schuhe aus, um mich, wie immer, zu Zero ins Wohnzimmer zu setzen. Auf dem Weg dorthin kam mir allerdings ein gewisser Mensch in die Quere, der immer noch genauso rehäugig umher glubschte, wie beim letzten Mal als ich ihn gesehen hatte. Der Junge verbeugte sich kurz, sah mich an, als sei ich der Leibhaftige und verschwand so schnell, wie er gekommen war. Ich sah ihm nach und meine gute Laune war verflogen.

„So ist das also? Das Lebendfutter ist immer noch da?“

Zeros Miene blieb unverändert.

„Hast du ja gerade gesehen, oder? Ich hab alles versucht, er wird noch eine Weile hier bleiben müssen, sonst kann er nirgendwo hin. Jedes verdammte Pennerheim der Stadt ist überfüllt. Und ich werde ihn nicht wieder auf die Straße setzen.“

Das war ja mal die Härte hier! Das klang fast schon so, als wäre dem guten Zero mal nicht scheiß egal, was aus seiner Umwelt und den darin befindlichen Personen würde! Ich überlegte ernsthaft, ob ich nicht mal fühlen sollte, ob mein liebster Lieblingsuntoter Fieber hatte.

Aber Schluss mit Lustig!

Ich schmiss mich aufs Sofa und sah Zero ernst an, denn das hier war ernst. Ziemlich ernst sogar.

„Ja, ich hab allerdings gesehen, dass er noch da ist. Und du weißt genauso gut wie ich, dass uns das Ärger einbringen wird! Ich frage mich gerade, wo dein rationaler Verstand hin ist.“

Zero lehnte sich zurück.

„Der ist noch da, keine Angst. Glaubst du ernsthaft, ich würde ihn hier behalten, wenn er ein stinknormaler Mensch wäre?“ Er lachte kühl. Dieser kleine arrogante Misthaufen. „Ich habe den Verdacht, dass er mindestens zu Hälfte Vampir ist. Einige Dinge sprechen dafür.“

Jetzt war ich baff.

„Du meinst er ist einer von diesen Bastarden? So jemand dessen Mutter gebissen wurde, als sie schwanger war?“ Ich konnte nicht anders, als verächtlich zu lachen. Das passte ja perfekt zu diesem kleinen Stricher. Zeros rechte Augenbrauen ging in den Angriffsmodus.

„Ja, so in etwa. Seine Mutter ist angeblich gestorben und außerdem besitzt Toshiya die Gabe Gedanken zu lesen. Wenn auch eingeschränkt.“

Na wohl eher beschränkt.

„Aber komplett sicher bist du dir nicht, oder?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, bin ich nicht. Aber ich hab's ihm heute morgen gesagt.“

Mir klappte die Kinnlade buchstäblich bis auf die Oberschenkel.

„Du hast was getan?!“, stieß ich hervor und mein Kopf wollte nicht glauben, was meine Ohren da soeben gehört hatten. „Sag mal spinnst du? Das heißt du hast unsere Existenz preisgegeben?!“ Ich spürte, wie meine Augen die Farbe wechselten. Ich war auf dem besten Wege auszuflippen!

„Ja, hab ich, ich finde er hat ein Recht darauf das zu wissen.“

„Habe ich dann auch das Recht dich zu fressen?“

„Nein, dagegen erhebe ich Einspruch.“

Mieser Arsch!

Ich schloss die Augen und meditierte vor mich hin, damit sich mein Aggressionspegel wieder auf ein erträgliches Maß senken konnte und ich fähig war klar und rational zu denken. „Dir ist aber schon klar, was du tun musst, falls du dich irrst, oder?“ Er nickte, ohne, dass sich etwas in seinem Gesicht veränderte. „Ja, ich muss ihn schnellstmöglich umbringen, bevor jemand was davon mitbekommt. Ist mir klar, ich kenne den Kodex.“

Ein kurzes Lachen entfuhr mir.

„Ja sicherlich tust du das. Deswegen scheinst du in letzter Zeit ja auch so sehr drauf zu stehen ihn zu missachten. Was ist das? Spätpubertäres Gehabe im Alter von vierhundert Jahren?“

Zero sah mich mitleidig an.

„Schließ nicht immer von dir auf Andere, Karyu. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich richtig liege mit meiner Vermutung. Und jetzt haken wir das Thema ab, ich denke du hast mir Einiges zu erzählen.“

Ich schnaubte und streckte mich ausgiebig. „Ja, das hab ich allerdings.“ Und so begann ich zu erzählen, was an diesem Abend vorgefallen war und wie perfekt mein genialer Plan funktioniert hatte.

„Und mittlerweile ist es ziemlich sicher, dass er unser Jäger ist. Der Kerl hat sich nämlich noch verdächtiger gemacht, als er es ohnehin schon ist. Er hat mir einen falschen Namen angegeben. Allerdings scheint er mir langsam aber sicher zu vertrauen. Es machte zumindest den Eindruck. Auch in seinen Gedanken hab ich nichts finden können, das das Gegenteil beweisen könnte.“

Mein arrogantes Gegenüber nickte nur und antwortete dann.

„Ok, du warst also in seiner Wohnung, allein mit ihm. Und warum zum Teufel hast du ihn nicht da schon zur Strecke gebracht?“

Weil ich cooler bin, als du es je sein wirst!

Darum.

„Weil ich nicht weiß, was der Spinner alles an Waffen und anderem bösen Zeug in seiner kleinen Wohnung hortet. Um ehrlich zu sein habe ich weder Bock auf Messer oder Dolche zwischen den Rippen, noch auf irgendwelches Weihwasser im Auge. Das brennt wie die Hölle! Ich denke, dass du das nachvollziehen kannst, oder?“

„Wow, da hat sich ja mal jemand richtig Gedanken gemacht! Ich bin stolz auf dich. Wenn du das nächste Mal hier bist, dann bekommst du einen Keks!“

„Nur kein Neid, mein Süßer. Und deine Kekse kannst du behalten, sofern die selbst gebacken sind. Ich nehm von dir nichts Selbstgebackenes an! Du willst mich damit vergiften. Wobei, du könntest mir anstatt deiner Gift-Kekse eine Packung von diesen Schoko-Katzenköpfen mitbringen.“

„Achja? Das wäre mir aber neu. Würde ich dich töten wollen, dann würde ich das ordentlich tun. Nicht mit so was Billigem wie Gift in Keksen. Das wäre bei dir Fresssack nämlich viel zu einfach!“

„Lügner!“

Ich schmollte ein wenig, fuhr dann aber fort. „Aber wie gesagt, du kennst meinen Plan. Bis jetzt ist alles perfekt verlaufen. Ich habe nur leider 'zufällig' mein Handy auf seinem Sofa liegen gelassen, dass muss mir wohl aus der Tasche gerutscht sein. Und so wie ich ihn einschätze, ist das einer, der so blöd und pseudo-hilfsbereit ist, mir das Teil persönlich vorbei zu bringen. Intelligent wie ich nun mal bin, habe ich natürlich meine Adresse auf der SIM gespeichert, allerdings keine Nummer unter der ich zu erreichen bin. Sobald er mir also das Handy bringt, werde ich dieser ganzen Kinderkacke hier ein Ende setzen und unsere Ärsche retten.“ Ein breites Grinsen beherrschte mein Gesicht und ich war mal wieder voll überzeugt von mir und meinen enormen Fähigkeiten.

„Aha und was ist, wenn du dich irrst und er doch Verdacht geschöpft hat?“

Das waren typische Zero-Fragen. Hauptsache mir die Stimmung vermiesen.

Das beherrschte Zero perfekt!

„Tja, dann wird es wohl einen von diesen blutigen Kämpfen auf Leben und Tod geben. Er sollte sich da allerdings besser nicht überschätzen. Es ist was anderes zu versuchen mich umzubringen, als einen unerfahrenen Haufen von blutjungen Vampiren. Ich werde dem Kerl da tüchtig in den Arsch treten, wenn er es wirklich drauf anlegen sollte.“ Bevor ich fortfahren konnte mich selbst zu loben, unterbrach mich Zero mit einem seiner blöden Kommentare.

„Genug dummes Gewäsch hier. Ich hab auch noch was zu erzählen, mein Lieber. Denn auch wenn bei dir alles so toll gelaufen ist, bei mir ist es das leider nicht.“

Na da sieh mal einer an. Unser Perfektionist hatte tatsächlich ein paar Problemchen gehabt? Zero strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr und fuhr fort. „Das Problem ist, dass Hizumis kleiner Menschenfreund immer noch unter den Lebenden wandelt. Es wäre alles gut gegangen, wenn nicht auf einmal ein anderer Kerl auf der Matte gestanden hätte. Ich frage mich zwar, was dieser Typ mitten in der Nacht in diesem Teil der Stadt zu suchen gehabt hat, aber wie dem auch sei. Auf jeden Fall bin ich unterbrochen worden und es hätte zu viel Aufsehen erregt, wenn gleich zwei Menschen auf einmal verschwunden wären.“

Das kam davon, wenn man nicht alles selber machte! Ich hatte ja eigentlich einen schönen, tödlichen Autounfall geplant. So wie der, vor dem ich diesen irren Vampirkiller heute noch heldenhaft bewahrt hatte. Aber nein. Der liebe Zero wollte mal wieder alles alleine machen. Typisch!

Aber jetzt sah er mal, was er davon hatte! Das kommt davon, wenn man nicht auf mich hört.

Alles Dilettanten!

Meine Mundwinkel zuckten. „Das heißt also, dass dieser Saga immer noch frei und fröhlich und vor allem lebendig durch diese Stadt rennt und wahrscheinlich schon das nächste Date mit unserm Hizu klargemacht hat?“

„So sieht's aus. Wobei ich das mit dem Date bezweifle. Hizumi scheint endlich zu so etwas wie Vernunft gekommen zu sein. Er hat Saga scheinbar klargemacht, dass es für ihn lebensgefährlich ist, wenn die Beiden sich treffen. Daran hat Saga auf jeden Fall gedacht, kurz bevor ich ihn zwischen genommen habe.“, faselte Zero. Und musste unwillkürlich grinsen. „Es wird für ihn auch lebensgefährlich, beziehungsweise lebensbeendend sein, wenn die beiden sich nicht treffen. Du weißt, was du demnächst zu tun hast. Dann bekommst du wenigstens keine Langeweile. Außerdem kannst du mir nicht erzählen, dass du das Töten nicht vermisst.“

Er zuckte die Schultern.

„Was heißt vermissen. Du weißt, dass ich noch nie so blutgeil war wie du, aber in gewissem Maße ist das Töten schon ganz unterhaltsam, das muss ich zugeben. Wobei es mir für Hizumi ehrlich Leid tut. Er scheint Saga sehr zu mögen.“

„Wenn du mich fragst ist unser Kleiner verknallt!“

Das sah doch ein Blinder mit Krückstock!

„Wie auch immer. Das wird Saga auch nicht retten können. Ich werde mich drum kümmern.“

Na Prost Mahlzeit.

„Dieser Tsukasa wird ihn auch nicht immer retten können.“

Ich stockte. Hatte ich mich verhört?

„Was hast du gesagt, wie hieß der Typ, der ihn gerettet hat?“

„Tsukasa, oder so ähnlich. Das hat er gebrabbelt, kurz nachdem ich ihn losgelassen hab.“

„Ach-du-Scheiße!“

„Was?“

„Ach du Scheiße!“

„Ja, soweit konnte ich folgen. Wenn du mir jetzt noch den Grund für deinen emotionsgeladenen Ausbruch sagst, dann bekommst du noch einen Keks!“

„Jetzt spar dir deine zynische Gülle. Das ist ernst! Tsukasa ist der Name, der auf dem Türschild unseres Jägers steht. Außerdem hat er was von nem Bruder gefaselt, der heute Abend scheinbar nicht da ist.“

„Ach du Scheiße!“

„Sag ich doch.“

Zero legte sich die Hand über die Augen und ließ sich im Sessel zurückfallen.

„Na das fehlte uns gerade noch. Jetzt haben wir die ganze Familie am Hals. Und wenn du mich fragst, dann hat Hizumi jetzt ohne es zu wissen ein ernstes Problem. Ich bin ziemlich sicher, dass Saga seinem Bruder die ganze Geschichte erzählt hat und ich will nicht wissen, was der jetzt aus Hizumi machen will.“

Mir lagen die Worte 'Hackfleisch', oder 'Frikadellen' auf der Zunge, doch ich hielt mich zurück. Das ging jetzt selbst mir etwa zu weit. Es war ja in Ordnung, dass dieser Spinner da wahllos herum mordete. Es war auch in Ordnung, dass dieser Spinner sich wahrscheinlich schon in wenigen Tagen mit mir prügeln würde. Aber es war nicht in Ordnung, dass dieser verdammte Spinner vorhatte, Hizumi in einen stinkenden Kadaver zu verwandeln!

„So weit wird er gar nicht kommen, dafür sorge ich. Darauf kannst du dich verlassen. Und du wirst Hizumi überwachen, hast du mich verstanden? Du wirst dir seine Gedanken ganz genau angucken, du wirst rausfinden, wo er wann aus welchen Grund ist und du wirst mir sofort Bescheid sagen, wenn irgendetwas passiert. Ist das klar?“

Zero fuhr sich durch seine Mähne und begann zu lächeln. Hatte ich einen Witz gerissen, der mir entgangen war? Obwohl... dann würde Zero nicht so blöde Grinsen. Der grinste aus Prinzip nie bei meinen Witzen!

„Natürlich pass ich auf, dass deinem Kleinen nichts passiert, Papa.“

Ich konnte nicht anders als die Augen zu verdrehen. Ging das schon wieder los!

„Jetzt laber nicht so einen Scheiß. Ich hab nur keine Lust schon wieder wen zu schicken, der dann nen Haufen Blut und Eingeweide beseitigen muss, so wie letztes Mal, als unser Freund Lust darauf hatte ein paar Untote zu killen! Das ist alles.“

„Natürlich ist es das.“ Der blöde Sack grinste immer noch hämisch vor sich hin. Ich hatte das Bedürfnis ihn das Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen!

„Jetzt werd nicht gleich so aggressiv, mein Großer. Von so bösen Gedanken bekommt man Falten.“, fügte dieses kleine Miststück noch süffisant lächelnd hinzu. Mein Antwort darauf waren ein böser Blick und ein beleidigtes Armeverschränken.

„Für den Spruch bekomm ich beim nächsten Mal aber mindestens drei Kekse! Oder Katzenköpfe!“

„Nein, wir waren bei zwei! Wenn du so anfängst, dann müsste ich dir für jeden blöden Spruch, den du ablässt einen Keks abziehen. Und dann müsstest du mir Kekse geben, nicht umgekehrt. Also überleg dir gut was du sagst.“

Blöder Klugscheißer...
 


 

Einen Tag später, Karyus Wohnung, ca. 5.30 Uhr ...
 

Karyus POV
 

Die Füße auf den Couchtisch gelegt, in Jeans und T-Shirt und mit einem Glas Blut in der Hand, saß ich auf dem Sofa und schaute mir die Nachrichten an. Leider musste ich feststellen, dass es mal wieder nur rotzlangweiliges Gewäsch war, das die Moderatorin mit dem Botox in der Visage mir da erzählte.

Das Übliche eben.

Ein paar Morde hier und da, irgendein Krieg in irgendeinem Dritte Welt – Land. So eins, in dem Kinder Fliegen auf den Augen sitzen haben.

Wie öde.

Genervt von diesen ewigen, banalen Menschenproblemen, zappte ich mich also durch hirnamputierte Waschmittelwerbung, triefende Soaps und schwachsinnige Sitcoms, bei denen nicht mehr als drei Hirnsynapsen notwendig waren, um über die miesen Flachwitze darin lachen zu können. Wie erbärmlich!

Aber was tat mal nicht alles, um sich die Zeit zu vertreiben? Wie ich dieses Warten hasse. Aber es war mir nun mal nicht vergönnt, mich jetzt einfach so, auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung, aus dem Haus zu bewegen. Ich musste ja warten. Auf diesen kleinen Wichser, der vorhatte Hizumi zu killen und der nebenbei auch noch eine ganze Menge anderer Vampire getötet hatte. Ich wusste ganz genau, dass er mir heute einen Besuch abstatten würde. Warum ich das jetzt so genau wusste, das wusste ich selbst nicht, aber ich wusste eben, dass ich es wusste!

Logisch.

Ungeduldig nippte ich an meinem Abendessen. Der sollte hine machen, ich wollte noch duschen, nachdem ich ihn erledigt hatte und irgendwie hatte ich wenig Lust darauf, das irgendwann mitten in der Nacht zu tun. Da würde sich nur wieder die blöde Kuh von Unten beschweren. Was mir denn bitteschön einfiele nachts wieder so einen Krach zu machen. Aber die würde eh bald sterben. Man musste keine übernatürlichen Fähigkeiten haben, um das zu wissen. So wie die aussah, hatte sie sicher-

Es klingelte.

Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und entsorgte als erstes das Glas mitsamt Blut. Dann richtete ich mir kurz die Haare (Man, sah ich mal wieder gut aus!) und öffnete die Tür. Wie erwartet blickte mich Tsukasa aus seinen braunen Augen an. Ich setzte einen überraschten Gesichtsausdruck auf. Nach ein paar Jahrhunderten ist man nun einmal in der Lage perfekt zu schauspielern.

„Hallo. Was verschafft mir die Ehre?“ Ich lächelte ihn an. Merkwürdigerweise lächelte er zurück. Sehr komisch, wenn man bedachte, dass dieser Kerl eigentlich immer nur apathisch vor sich hin glotzte und sich den Leuten unter falschem Namen vorstellte.

„Guten Abend. Also, du hattest dein Handy bei mir liegen lassen. Ich hab keine Nummer gefunden, über die ich dich hätte erreichen können, aber deine Adresse war eingespeichert. Deswegen hab ich's dir mitgebracht.“ Er hielt mir mein Telefon entgegen. Ich trat einen Schritt zurück und gewährte ihm so Zutritt zu meiner Wohnung. „Wenn du willst kannst du noch was reinkommen.“, sagte ich mit einem unwiderstehliche Lächeln und gab mir Mühe den Brechreiz zu unterdrücken, der mich dabei überkam. „Immerhin bin ich dir noch einen Tee schuldig.“

Er winkte ab.

„Du bist mir gar nichts schuldig, ohne dich währe ich jetzt platt wie eine Flunder. Aber von mir aus. Ich hab heute eh nichts mehr vor.“ Ich führte ihn ins Wohnzimmer und anscheinend war er sehr angetan von meiner stylischen Wohnung. Aber die war ja auch toll!

Das genaue Gegenteil von Zeros muffiger Mottenkugel-Bude. Schick, hell und modern eingerichtet! Meine Wohnung war zwar nicht wirklich groß, aber für mich allein reichte sie allemal. Ich hatte es halt nicht nötig mit einer dicken Bonzenvilla zu protzen, wie gewisse andere untote Typen.

Tsukasa setzte sich aufs Sofa und sah sich um.

„Wohnst du alleine?“

Ich nickte.

„Jap. Und ich bin sehr froh darüber.“ Mit einem Grinsen auf den Lippen ging ich in die Küche um Tee zu machen. Ich gab mir extra viel Mühe, immerhin würde dies Tsukasas letzte Tasse Tee sein. Mit dem fertigen Tee bewaffnet ging ich ins Wohnzimmer zurück und parkte das Tablett auf dem Couchtisch.

„Und? Ist dein Bruder wieder aufgetaucht?“, fragte ich beiläufig. Man musste schließlich erstmal ein lockeres Gespräch anfangen, bevor man jemanden zerstückelte. Vielleicht ließ sich ja die eine oder andere zusätzliche Information zwischen Tsukasas Worten lesen. Erstmal die Lage checken und dann zuschlagen.

„Ja, ist er. War anscheinend tatsächlich mit ein paar Kumpels was trinken. Normalerweise sagt er aber Bescheid, wenn er wohin geht.“

„Dein Bruder muss sich bei dir abmelden bevor er das Haus verlässt?“, fragte ich ungläubig. Was für ein kranker, kontrollsüchtiger Freak!

„Naja, müssen muss er so gesehen nichts. Aber er weiß genau, dass ich mir irgendwann immer Sorgen mache. So ist das halt, wenn man einen kleinen Bruder hat. Er wird immer mein kleiner Bruder bleiben, selbst wenn er irgendwann mal steinalt ist.“ Jetzt lächelte er. Das war doch schon mal interessant. Sein Bruder war ihm also scheinbar ziemlich wichtig. Vielversprechend.

„Wie heißt denn dein Bruder?“

„Wieso willst du das wissen?“

„Wieso nicht? Ich interessiere mich halt für dich und dein Umfeld.“

Damit hatte er scheinbar nicht gerechnet, denn jetzt fiel ihm nichts mehr ein und er musste passen.

„Er heißt Saga.“

Bingo. Also hatte sich mein zweiter Verdacht auch bestätigt. Kurz dachte ich daran, dass ich diesen Kerl auch demnächst würde beseitigen müssen. Aber erstmal war der große Bruder dran, der da Tee schlürfend vor mir saß und nichts Böses ahnte. Meine Gedanken kreisten einen kurze Moment um Hizumi.

Es tat mir Leid für ihn, er schien Saga wirklich zu mögen, aber was sein muss muss sein. Ich konnte es mir als Clanoberhaupt nicht leisten, Rücksicht auf zu eliminierende Personen zu nehmen, nur weil Jemand, der mir wichtig war, eine gute Beziehung zu ihnen hatte.

„Schöner Name. Und? Was macht dein Studium?“

Er zögerte und nippte an seinem Tee.

„Ach, das läuft ganz gut. Ist halt stellenweise ziemlich langweilig, aber man gewöhnt sich dran. Das einzig Belastende ist, dass es an dieser Uni noch größere Spinner gibt als ich einer bin.“

Er grinste.

Ach? Noch größere Spinner? Was taten die denn? Ihre Oma umbringen, sie in Blattspinat wickeln und das Ganze dann gedünstet als Sonntagsessen servieren? Ich wollte bei aller Liebe nicht wissen, auf welche Uni er da ging.

Ich lachte gekünstelt und nahm selbst einen Schluck Tee.

„Schon merkwürdig, dass du auf einmal so ganz anders bist. Als wir uns kennengelernt haben, hast du dich verhalten, wie ein ganz anderer Mensch. Du bist sicher, dass der Unfall gestern nichts mit deinem Kopf gemacht hat?“

Er verzog den Mund.

„Naja, ich bin halt ab und zu etwas misstrauisch und neurotisch. Besonders Fremden gegenüber, die mich einfach so in einem verlassenen Industriegebiet anquatschen.“

Ich nickte artig.

„Naja ok. Ist ja auch irgendwo verständlich. Aber ich muss sagen, so wie du jetzt bist, gefällst du mir wesentlich besser.“ Ich lehnte mich ein Stück vor und sah Tsukasa einen Moment lang tief in die Augen. Innerlich wetzte ich schon die imaginären Messer.

Er hielt mir nicht lange Stand und senkte nach wenigen Sekunden den Blick.

Meine Güte, was für ein Loser!

Kein Wunder, dass der keine Freundin hatte. Ich wollte gar nicht wissen, wie er sich anstellte, wenn ich einmal anfing wirklich mit ihm zu flirten. Ich vermutete, dass sein Kopf platzen würde, weil sich jedes einzelne rote Blutkörperchen dorthin bewegte. Auch eine Methode jemanden umzubringen. Kurz zog ich in Erwägung, etwas in dieser Art tatsächlich auszuprobieren, aber das war mir dann doch zu riskant. Außerdem gaben platzende Köpfe Flecken auf meiner Wand!

Eine ganze Weile redeten wir noch über sinnlosen Scheiß, dann sah Tsukasa auf die Uhr.

„Oh, es ist schon relativ spät. Ich hab noch was für die Uni zu erledigen, ich glaub ich muss jetzt gehen.“, nuschelte er und erhob sich.

Wie unhöflich!

Aber Gehen würde der Gute jetzt allerdings. Allerdings nicht nur aus meiner Wohnung, sondern auch direkt aus dem Leben.

„Schade.“, heuchelte ich und starrte unwillkürlich auf Tsukasas schlanken Hals. Mein Magen grummelte. „Oh, ich glaube ich sollte gleich mal zu Abend essen.“, verlegen kratzte ich mich im Nacken.

„Wenn dein Magen schon brummt, dann solltest du das allerdings. Du siehst eh irgendwie abgemagert aus.“

Vollidiot.

Wenn der wüsste was mich da gleich vor dem Tod durch Unterernährung retten würde, würde er garantiert weniger blöde Sprüche klopfen. Ich erhob mich und folgte Tsukasa in den Flur. Gerade streckte er den Arm aus, um seinen Mantel von der Garderobe zu nehmen, als ich ihn sanft, aber bestimmt an der Schulter fasste und zu mir herumdrehte.

„Weißt du... Eigentlich fände ich es mies, wenn du jetzt einfach so gehen würdest.“, säuselte ich und mein Blick suchte erneut den seinen. Er war sichtlich verwirrt und schien keinen Gedanken an Gegenwehr zu verschwenden. Ich nutzt seine Verwirrung und drückte ihn langsam mit dem Rücken gegen die Flurwand. „Ziemlich mies sogar.“, flüsterte ich, ohne den Blick von ihm zu lösen.

Er sah mich stumm an und schien nach Worten zu suchen. Ich schob mein Gesicht so nah an seines, dass ich seinen warmen Atmen spüren konnte. „Weißt du, eigentlich hätte ich da noch was mit dir zu besprechen.“

Langsam nährten sich meine Lippen seinem Ohr und streiften kurz über Tsukasas hohen Wangenknochen. Anscheinend war mein Opfer zur Salzsäule erstarrt, denn er rührte sich keinen Millimeter. Doch sein Herz schlug schnell, ich konnte es förmlich hören.

„Es gab da einige Komplikationen in letzter Zeit.“, wisperte ich nahe seinem Ohr und verfestigte meinen Griff um seine Schulter, drückte ihn fester gegen die Wand. Meine Lippen bahnten sich ihren Weg zu seinem Hals. Ich spürte, wie das Blut in Tsukasas Venen pulsierte und musste mich beherrschen, um ihn nicht vollkommen unkultiviert zu fressen. Ich war noch nie ein Freund des unkultivierten Gemetzel gewesen. Wenn ich schon tötete, dann mit Stil und Klasse!

Er schauderte leicht und das brachte mich zum Grinsen.

„Und irgendwie glaube ich, dass du dafür verantwortlich bist.“ Ich flüsterte gegen seinen Hals und mein Grinsen wurde minimal breiter, als mir auffiel, dass ich Tsukasa damit eine Gänsehaut beschert hatte.

„Wie siehst du das denn so? Du weißt doch genau wovon ich spreche, hab ich Recht, Tsukasa?“

Ich wollte keine Antwort abwarten! Mein Mund öffnete sich wie von selbst, meine Lippen lagen bereits auf seiner warmen Haut, meine Augen hatten sich ins Gelbliche verfärbt und ich wollte mein Abendessen! Doch bevor ich zubeißen konnte, spürte ich ein schmerzhaftes Stechen an meiner linken Brust.

Verwirrt, aber ohne meinen Kopf aus Tsukasas Halsbeuge zu entfernen, wanderte mein Blick nach unten.

„Was ich dazu sage?“, meldete sich mein Opfer plötzlich, mit leiser Stimme zu Wort. „Ich sage dazu, dass ich es genossen habe dieses Ungeziefer zu beseitigen. Ich habe genau das selbe mit ihnen getan, was ich jetzt mit dir tun werde. Na, wer ist jetzt der Dumme, Karyu?“

Dieses Miststück drückte den silbernen Dolch fester in meine Haut und langsam sickerte Blut durch mein Oberteil. So hatten wir aber nicht gewettet. Wut stieg in mir auf, doch ich musste die Kontrolle behalten so gut es ging. Offenbar hatte ich meinen Gast falsch eingeschätzt.

„Glaubst du ernsthaft, ich hätte dir dein kleines Spielchen abgekauft?“ Er lachte leise. „Ich bin mindestens genauso gut im Schauspielern wie du es bist. Und deine Gedankenlesetricks funktionieren bei mir nicht, falls es dir entgangen ist. Ich bin fähig, mich auf andere Dinge zu konzentrieren, außer auf meine Pläne.“, sagte er und ich stellte erstaunt fest, wie sehr sich seine Art zu sprechen und sein Tonfall geändert hatten. Der Süße schien mir doch glatt ein klein bisschen schizophren zu sein.

Ich saß in der Zwickmühle. Wenn ich zubeißen würde, dann würde er mir das verdammte Messer ins Herz rammen und dann wäre auch für meine geschätzte Wenigkeit Ende im Gelände. Um ihn stand es jedoch auch nicht besser.

„Wow, du scheinst ja ein ganz Schlauer zu sein. Ich bin beeindruckt. Wenn du nicht so ein hinterlistiges, krankes Arschloch wärst, könntest du mir sogar gefallen.“ Immer noch sprach ich gegen seinen Hals, hatte mich kein Stück bewegt, um so auch ihn in seiner misslichen Lage gefangen zu halten.

„Und was wollen wir jetzt machen? Bis zum jüngsten Tag genauso stehen bleiben, oder was?“, warf ich ein und wartete auf eine Antwort, während ich versuchte, trotz Tsukasas Duft und trotz seinem Blut, das nur wenige Millimeter unter meinen Lippen floss, klar im Kopf zu bleiben. Ich durfte mir keinen Fehler erlauben!

„So wie es aussieht steht es in der ersten Runde unentschieden. Ich wäre dafür, dass du mich gehen lässt und ich dich demnach auch verschone. Für dieses eine Mal. Ich bin ziemlich sicher, dass wir das hier auch wann anders regeln können. Außerdem macht es keinen Spaß dich zu töten, wenn du so auf dem Präsentierteller liegst.“, sagte er arrogant und ich hörte am Klang seiner Stimme, dass er grinste. Dieser kleine, widerliche...

„Also gut. Du stehst also auf Spielchen, mh? Ein Jäger durch und durch. Wenn es dich so sehr anmacht, dann bitteschön. Du packst dein Brotmesser wieder ein und kannst gehen. Aber das nächste Mal wirst du nicht so ungeschoren davonkommen. Das nächste Mal mach ich Hackfleisch aus dir.“, schwor ich.

„Natürlich machst du das. Ich sehe schon wie kompetent du bist. Große Klasse, ehrlich.“ Wieder dieser ekelhaft ironisch-arrogante Tonfall. „Achja und noch was. Wenn du auch nur kurz in Erwägung ziehst, dich an meinem Bruder zu vergreifen, dann schlitz ich dich auf, sodass du verblutest wie ein Schwein, kapiert?“

Ich musste lachen.

„Du bist ganz schön überzeugt von dir, stimmts? Aber danke für den Tipp. Daran deinen kleinen Bruder abzuschlachten hatte ich noch gar nicht gedacht. Wenn's soweit ist, dann nehm ich seine letzten Schreie auf Tonband auf und schick sie dir. So hast du auch noch was davon.“

Jetzt hielt er endlich mal die Fresse. Mitten ins Schwarze.

„Du mieses Arschloch.“

„Danke gleichfalls!“

Langsam bekam ich Genickstarre und darum beschloss ich, dem Ganzen vorerst ein Ende zu setzen. „Also, was ist jetzt? Auf drei lässt du dein Messerchen fallen und ich gehe genau drei Schritte rückwärts. Wenn du dann innerhalb von zehn Sekunden nicht aus meiner Wohnung verschwunden bist, dann vergessen ich alle meine guten Vorsätze.“, stellte ich klar und warf einen Blick auf mein mit Blut durchtränktes T-Shirt und den silbernen Dolch, der meine Haut durchschnitten hatte und weiterhin an meine Brust gerückt wurde.

„Wieso soll ich dir trauen?“

„Ich würde sagen, weil du keine andere Wahl hast. Natürlich kannst du mir das Teil jetzt ins Herz rammen, aber ich würde noch lange genug leben, um dich zu beißen und dann wär's auch für dich vorbei und dein Brüderchen müsste anschaffen gehen, um was zwischen die Zähne zu bekommen. Und das wollen wir ja nun wirklich nicht, oder?“

Er wurde wütend und das hob meine Laune ungemein!

„Halt die Fresse, du Monster.“

„Jaja, der ist alt. Fällt dir nichts Neues ein? Ihr Menschen seid immer so unglaublich unkreativ.“

„Also gut. Wir machen es so, wie du gesagt hast. Auf drei. Eins-“

Ich zähle hier, verstanden?“

„Von mir aus. Dann zählst du eben!“

„Eins...“ Ich löste meine Lippen unwillig von seinem warmen Hals, gleichzeitig zog er die Messerspitze aus meiner Brust heraus.

„Zwei...“ Tsukasa ließ den Arm mitsamt Dolch sinken und ich hob den Kopf, war jetzt wieder auf einer Augenhöhe mit ihm.

„Drei...“ Er ließ tatsächlich sein Messer fallen und ich bewegte mich genau drei Schritte zurück. Dann schnappte er sich in Windeseile seinen Mantel und verschwand. Natürlich nicht, ohne mir vorher noch einen verachtenden Blick zuzuwerfen. Die Haustür fiel klackend ins Schloss und ich starrte auf den am Boden liegenden Dolch, der einen kleinen Blutfleck auf meinen weißen Teppich gezaubert hatte.

Dieses Dreckstück!

Jetzt konnte ich auch noch eine Teppichreinigung bezahlen, nur wegen Tsukasa und seinem blöden Kinderspielzeug!

Ich sah an mir herunter und meine Wut stieg, als ich bemerkte, dass mein Shirt absolut unbrauchbar war. Immerhin war es voller Blut.

Na Toll.

Das war eines meiner Lieblingsshirts gewesen!

Noch ein Grund mehr diesen Spinner möglichst schnell umzubringen!

Monster

so ihr lieben.

in diesem kapitel geht mal fett die pachtie ab!

\m/(>_<)

aber ich will nicht zu viel veraten ;)

lest einfach selbst und schreibt kommis, wenns euch gefällt, oder wenn das gegenteil der fall sein sollte^^
 

enjoy!
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-
 


 

Sagas POV
 

Sagas Zimmer, 01.40 Uhr...
 


 

Ich lag schon seit Stunden wach und starrte Löcher in meine Zimmerdecke. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf und alle das selbe Ziel: Hizumi.

Wer auch sonst. Obwohl ich ihn mehr oder minder zur Rede gestellt hatte, spukten immernoch Fragen durch meinen Kopf, die unbedingt beantwortet werden mussten. Paradoxerweise war mein Bruder, der mich ja um alles in der Welt vor Hizumi und jedem anderem Übel beschützen wollte, der konkrete Auslöser für die wichtigste aller Fragen: War es wirklich Hizumi gewesen, der mich in diese stinkende Gasse gezerrt hatte?

Ich wollte und konnte nicht daran glauben, mein Verstand weigerte sich strikt, diese Information anzunehmen! Doch immerwieder spukten mir Tsukasas Worte im Kopf herum und es machte mich schier wahnsinnig. Mit einem entnervten Seufzer drehte ich mich auf die Seite. Die blöde Decke hatte ich jetzt lange genug angestarrt, jetzt kam die Wand dran! Etwas Abwechslung musste schließlich auch mal sein.

Und wo wir schon beim Thema Tsukasa wären. Er verhielt sich merkwürdig. Noch merkwürdiger als sonst. Vor ein paar Stunden war er nach Hause gekommen, ziemlich blass. Natürlich hatte ich als aufmerksamer kleiner Bruder sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Doch als ich ihn darauf ansprach, war nur ein „Keine Panik, mir geht’s gut. Ich glaube, dass ich mir eine Erkältung geholt hab oder so. Nichts weiter.“

Übersetzt heißt das etwa soviel wie: „Es geht dich einen Scheißdreck an, was ich heute Abend getan und gelassen hab. Also hör auf zu fragen, sei brav und geh in dein Zimmer!“

So sieht's aus!

Ich zog mir die Bettdecke über den Kopf und schloss die Augen. Ich musste schlafen, doch mein Kopf wollte mal wieder etwas ganz anderes als der Rest meines Körpers.

Mein Kopf wollte denken und meinen eh schon lädierten Verstand dauerhaft schädigen! Doch das ließ mein Körper nun aber doch nicht durchgehen. Wenige Minuten später schlief ich tief und fest...
 

Am nächsten Morgen wachte ich auf und spürte, dass mein Nacken schmerzte. Ächzend richtete ich mich auf und schwang mich wenig später aus dem Bett, denn mein Magen machte sich bemerkbar. Als ich in der Küche stand und zusah, wie die Kaffeemaschine träge vor sich hin blubberte, kam mir plötzlich eine Idee. Sie war genauso simpel und einfach durchzuführen, wie sie hirnrissig und lebensmüde war. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto plausibler erschien sie mir. Ich überlegt hin und her, bis mir klar wurde, dass die einzige Lösung meines Problems darin bestand, mich noch einmal mit Hizumi zu treffen und ihn zur Rede zu stellen. Und diesmal richtig.

Ohne Tür!

Den Vormittag verbrachte ich mit Kaffeetrinken und stumpfsinnigen TV-Shows. Irgendwie musste ich die Zeit totschlagen. Als die Uhr schlussendlich halb fünf anzeigte, erhob ich mich vom Sofa, zog mir Schuhe und Mantel an und verließ die Wohnung. Mein Plan war riskant, natürlich, und die Chancen, dass er überhaupt ohne Weiteres durchführbar sein würde, waren relativ gering. Ich brauchte eine Menge Glück, denn ich hoffte, Hizumi auf dem Rückweg von der Uni in seine Wohnung zu erwischen. Auf offener Straße würde er wohl kaum ein solches Schmierentheater abziehen, wie das letzte Mal. Ich hatte mich im Internet informiert, wann die heutigen Vorlesungen an der Kunstakademie enden würden, doch trotzdem war nicht sicher, dass ich Hizumi auch wirklich treffen würde. Aber einen Versuch war es wert. Musste es wert sein! Immerhin war das die einzige Möglichkeit, die mir in den Sinn kam, um erneut mit ihm zu sprechen. Ja, ich bin hartnäckig und ein verdammter Dickschädel!

Es dämmerte und irgendwie war es noch kälter geworden, als an den vorherigen Tagen. Ich fröstelte und stopfte die Hände in die Manteltaschen. Nach einer Weile kam Hizumis Wohnung in Sicht. Ich überlegte, in welches Gebüsch ich mich verkriechen könnte, um dann in der Kälte zu warten, bis dieser Blutsauger beschloss nach Hause zu kommen. Ich entschied mich für einen einladenden Zierstrauch, ungefähr 200 Meter von der Tür zu Hizumis Apartment entfernt.

Gut.

Nun hockte ich also hinter einem Busch, fror mir den Allerwertesten ab und wartete auf einen untoten Studenten, der von der Malstunde heim kam. Hoffentlich!

Es dauerte gute zwanzig Minuten (Ich prüfte in dieser Zeit sicherlich gute zehn mal nach, ob meine Füße nicht schon am Boden festgefrohren waren!), als ich plötzlich in der Ferne eine kleine Gestalt, die in einen knielangen schwarzen Mantel gehüllt war, ausmachen konnte. Unverkennbar, Hizumi!

Ich sprang auf, brach mir fast den Knöchel (Der zum Glück nicht gebrochen gewesen war, sondern lediglich fies geprellt. Was nichts daran änderte, dass er immernoch weh tat!) und ging im Stechschritt auf Hizumi zu. Der glotzte gedankenverloren den Gehweg an und bemerkte mich scheinbar erst, als es ohnehin zu spät war und ich ihn fast erreicht hatte. Ich steigerte mein Tempo und sah entschlossen in sein überraschtes Gesicht.

„Hizumi! Wir müssen reden! Jetzt und ohne irgendwelche Türen dazwischen!“, sagte ich gerade heraus und kam vor ihm zum Stehen. Er sah mich fassungslos an. „Saga. Sag mal tickst du noch ganz richtig? Langsam glaub ich echt, du hast den Verstand-“

„Oh nein, mein Lieber. Mein Verstand ist noch voll da! Und damit das auch so bleibt, wirst du mir jetzt nochmal ein paar Fragen beantworten! Haben wir uns verstanden?“

Jetzt war er baff, der Kleine. Er sah mich aus geweiteten Augen an und zuckte kurz mit dem rechten Mundwinkel. Da zur Abwechslung einmal keine patzige Antwort folgte, fuhr ich fort:

„Wo warst du an dem Abend, an dem wir das erste Mal geredet haben? Nachdem ich weg war, meine ich?“

Er blinzelte verwirrt. „Was-? Zu Hause. Ich musste mich abregen und hab mich darum vor den Fernseher gesetzt und mich vom Kater terrorisieren lassen.“, skeptischer Blick „Wieso fragst du das?“ Ich sah stur in seine hellbraunen Augen und versuchte in ihnen zu lesen, ob er mich anlog. Doch das einzige, das ich wirklich sah, waren Verwirrung und Sorge. Er sagte die Wahrheit, das spürte ich! „Weil... Vergiss es am Besten.“ Hizumi verdrehte die Augen.

„Saga, jetzt rück raus! Oder willst du, dass ich mich in deine Gedanken einklinke? Ich kann sowas!“

Ich schnaubte. „Ja, ich weiß.“ Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm haarklein zu erzählen, was mir an diesem Abend passiert war. Je länger ich erzählte, desto angespannter wurde seine Mine.

„Scheiße.“, murmelte er, als ich geendet hatte. „Das war einer von uns. Garantiert. Saga hör mir zu!“ Er ging einen Schritt auf mich zu und mein Herz machte einen kurzen Satz, den ich stur ignorierte „Du musst dich von mir fern halten, bitte. Ich werde alles versuchen, um sie davon abzuhalten, dich zu töten.“

Mir sackte das Herz in die Kniekehlen.

„Wie meinst du das?“

„Du weißt von unserer Existenz, das können sie nicht zulassen und deswegen wollen sie dich... unschädlich machen. Ich werde alles tun, damit es nicht soweit kommt, aber die Voraussetzung dafür ist, dass du dich von mir fern hältst, hast du verstanden? Wir dürfen uns nicht mehr sehen! Es würde dich umbringen, verstehst du?“ Hizumi schien ernsthaft verzweifelt zu sein und auch mich packte eine dumpfe Angst. „Du meinst also, irgendwelche Vampir-Obermacker sind jetzt hinter mir her?“ Er nickte betreten. „Es tut mir so Leid. Alles tut mir so unendlich Leid. Es ist meine Schuld, dass es soweit gekommen ist!“ Er senkte den Blick und schien ziemlich fertig mit sich und der Welt zu sein. Ehe ich groß darüber nachdenken konnte, hatte ich einen finalen Schritt gemacht und ihn in meine Arme gezogen. Fest drückte ich den zierlichen Körper an mich und verbot meinem Kopf jede Art von Gedanken. „Es ist nicht nur deine Schuld. Ich bin immerhin ständig wieder zurück zu dir gekommen. Mach dich nicht immer so schlecht.“, murmelte ich und spürte, wie Hizumi kurz erbebte. „Saga... Das ist alles ein verdammt großer Fehler! Das geht so nicht.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch noch während er sprach, lehnte er seine Stirn gegen meine Brust und entspannte sich ein wenig. Irgendwie war es auf einmal nicht mehr ganz so kalt.

„Mag sein, dass es ein Fehler war. Aber auch wenn's total bescheuert klingt: Ich bereue nichts.“, grinste ich. Es war die Wahrheit. Ich bereute tatsächlich nichts!

Noch nicht.

Und wieder schlug mein Herz ungebetenerweise schneller, als Hizumi nun seiner Seits zögernd die Arme um meine Taille legte. „Versprich mir, dass wir uns nicht mehr sehen.“

Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit. „Ich weiß nicht ob-“

„Du lässt ihn sofort los, oder ich schneid dir auf der Stelle die Kehle durch.“, sagte plötzlich eine mir sehr vertraute Stimme. Geschockt sah ich auf und erkannte Tsukasa, der Hizumi ein kleines, aber verdammt scharf aussehendes Messer an die Kehle drückte. Augenblicklich verschwanden die Arme um meine Taille herum und ich erkannte sofort, dass Hizumi Angst hatte. Mein Gehirn ordnete soeben die vorgefallenen Ereignisse und irgendwie wollte ich gar nicht wirklich wissen, warum Tsukasa schon wieder zur Stelle gewesen war, als ich Kontakt zu Hizumi gehabt hatte.

„Lass ihn los Tsukasa! Er hat mir nichts getan!“

Ich ging einen Schritt auf die Beiden zu, doch mein Bruder ging fast zeitgleich einen Schritt rückwärts und zog Hizumi widerstandslos mit sich. Er lachte kalt und eine Gänsehaut überzog meinen gesamten Körper. Nichts an diesem Lachen erinnerte mich mehr an meinen ruhigen, über-fürsorglichen Bruder.

„Du hast ja keine Ahnung, Saga. Früher oder später wird er dich beißen, das wissen wir hier alle, stimmt's, Blutsauger?“ Er drückte die Schneide des Messers fester gegen Hizumis Haut und ein dünnes Blutrinnsal bahnte sich seinen Weg über den Hals des Vampirs und verschwand still hinter seinem Mantelkragen. Ich stand da und fühlte mich absolut gelähmt. Ich wollte und konnte nicht glauben, dass es mein Bruder war, der da vor mir stand. Hizumi schwieg und sah mich ängstlich und hilfesuchend an.

Bevor ich Tsukasa die Meinung sagen konnte, wurde ich jedoch urplötzlich von hinten gepackt und stieß auf einen Widerstand. Erschrocken schnappte ich nach Luft.

„Ach nein, sieh an, sieh an. So trifft man sich wieder.“, sagte eine, mir unbekannte, tiefe Stimme hinter meinem Rücken. Kalte Hände hatten mich an den Handgelenken gepackt und mir beide Arme auf den Rücken gedreht.

„Tsukasa, Tsukasa, Tsukasa. Ich dachte, du wüsstest besser Bescheid über uns. Weißt du denn nicht, dass wir sofort spüren, wenn eines unserer „Kinder“ in Gefahr ist?“ Ich konnte deutlich aus seiner Stimmlage heraushören, dass der Unbekannte grinste.

Tsukasa schien vor den Kopf gestoßen worden zu sein, fing sich aber schnell wieder. „Doch, das wusste ich. Aber ich wusste nicht, dass du diesen Abschaum hier zu verantworten hast.“ Um seine Worte zu unterstreichen drückte er die Klinge tiefer in Hizumis Fleisch.

Panik hatte mich erfasst, doch ich wusste, dass es sinnlos war, sich loszureißen. Also hielt ich still, um noch größeren Ärger zu vermeiden. Mein Herz raste und krampfte sich kurz zusammen, als ich einen leisen Schmerzenslaut aus Hizumis Mund vernahm. Das Blutrinnsal hatte an Breite zugenommen und Tsukasas Gesichtsausdruck war so kalt, dass es mir noch zusätzliche Angst machte.

„Jetzt pass mal auf, du kleiner Bastard. Du nimmst sofort dieses Messer da weg, sonst werde ich deinem Brüderchen hier jeden einzelnen Knochen brechen, bevor ich ihn hier, vor deinen Augen fresse. Hab ich mich klar genug ausgedrückt?“

Ich schnappte entsetzt nach Luft und wand mich automatisch in dem Klammergriff des unbekannten Vampirs, in der Hoffnung, mich befreien zu können. Nützte allerdings herzlich wenig, die Hände verfestigten ihren Griff lediglich.

„Karyu! Lass ihn los! Er hat nichts getan, lass ihn los! Wenn du ihm weh tust, dann-“

„Ach halt den Mund Hizumi! Mir ist selbst klar, dass er nichts getan hat. Aber fährst du wirklich so darauf ab mit einem Silbermesser zersäbelt zu werden?“

Ich starrte in Hizumis blasses Gesicht, er sah mich nicht an, sondern hatte den Blick starr auf die Person hinter meinem Rücken gerichtet. „Ich hab gesagt, du sollst ihn loslassen!“, schrie er unvermittelt und Tsukasa erhöhte den Druck der Klinge erneut, so dass Hizumi leise wimmerte und daraufhin schwieg.

Ich holte tief Luft.

„Warum könnt ihr das nicht unter euch ausmachen?“, fragte ich kleinlaut. Als Antwort bekam ich ein schmerzhaftes Ziehen an meinen Armen zu spüren.

„Weißt du... Eigentlich haben sie ja Recht. Wenn man's so sieht, dann ist das hier schon wieder ein Unentschieden. Wenn du Hizumi was tust, dann zerstückel ich deinen Bruder hier. Wenn ich deinen Bruder vorher zerstückele, dann machst du aus Hizumi Hackfleisch. Warum lassen wir Romeo und Julia also nicht einfach gehen und tragen das alles auf die altmodische Art und Weise aus?“, sagte die Stimme hinter mir, die scheinbar einem Typ namens Karyu gehörte.

Tsukasa schwieg eine Weile und schien zu überlegen.

„Gut, wie du willst. Aber deine ewigen Verhandlungen werden dich nicht jedes Mal retten können.“

„Jaja natürlich. Du lässt Hizumi jetzt los und ich werde deinen Bruder frei lassen, ok?“

„Wieso sollte ich dir trauen?“

„Ich halte mein Wort, oder? Gestern Abend hab ich das auch getan.“

Gestern Abend? Waren die beiden etwa....? Ich hatte das Gefühl, dass mein Kopf zum Platzen verdammt war und wollte gar nicht erst über weitere, verworrene Vampirgeschichten, in die mein Bruder scheinbar involviert war, nachdenken!

Und tatsächlich ließ Tsukasa nur Sekunden später von Hizumi ab. Der stolperte ein paar unsichere Schritte vorwärts und ging auf mich und meinen Angreifer zu.

„Jetzt lass ihn los!“, murmelte er matt und warf mir einen kurzen Blick zu, den ich nicht deuten konnte. Wie auf Knopfdruck entfernten sich die Hände um meine Arme und ich humpelte Tsukasa entgegen. Mein Knöchel schmerzte.

Zum ersten Mal sah ich nun diesen Karyu von vorne. Er war ziemlich groß, größer noch als ich, schlank und gutaussehend. (Waren eigentlich alle Vampire hübsch?) Doch etwas Bedrohliches ging von ihm aus, eine Art dunkle Aura, oder so etwas. Hizumi stand neben ihm und sah aus, als wäre er den Tränen nahe, er rieb sich immer wieder fahrig über seinen Hals, auf dem nun ein langer, dünner Schnitt sichtbar war. Wieder hatte ich das Bedürfnis zu ihm zu gehen und ihn in den Arm zu nehmen.

Eine Hand legte sich auf meine Schulter. „Alles ok?“, fragte Tsukasa leise. Ich nickte. Mein Bruder sah auf und plötzlich regte sich etwas in seinen Zügen. Er schien fieberhaft nachzudenken. Dann begann er zu lachen und wieder bekam ich eine Gänsehaut.

„Na sieh mal einer an. Das ist ja 'n Ding! Ich wusste gar nicht, dass du noch in Tokyo bist!“, wandte sich Tsukasa an Hizumi. „Ich dachte, du hättest dich in irgendeinem Loch verkrochen. So ganz alleine und ohne den Schutz deiner großen Monster-Sippschaft.“

Jetzt verstand ich nur noch Hauptbahnhof! Ich sah zu Hizumi, der genauso verwirrt aussah, wie ich mich fühlte.

„Erinnerst du dich etwa nicht mehr? Es ist schon eine Weile her, aber ich erkenne dich noch, jetzt wo ich dich endlich von vorne sehe. Du siehst deiner Schwester sehr ähnlich, mein Lieber.“

„Woher kennst du meine Schwester?“, fragte Hizumi tonlos.

„Oh, ich kenne sie nicht wirklich. Ich habe sie nur einmal kurz getroffen, das erste und letzte Mal. Als ich sie abgestochen hab, hat sie genauso geschrien,wie all die anderen. Aber das weißt du sicherlich noch, oder etwa nicht? Ich kann mich jedenfalls noch sehr genau daran erinnern, wie sie mich angefleht hat dir nichts zu tun. Doch ich lasse mich nun mal von Abschaum nicht anflehen. Aber das weißt du sicherlich auch.“, antwortete Tsukasa im Plauderton, während ich verzweifelt versuchte, einen Sinn aus dem Gesagten zu erschließen.

„Leider bist du kleines Miststück mir ja damals entwischt. Aber was soll's. Ich wusste, dass ich dich eines Tages kriegen würde. Und sieh an! Es hat sich tatsächlich bewahrheitet.“

„Hör nicht hin Hizumi. Lass dich nicht provozieren. Er lügt! Er kann es nicht gewesen sein, er wäre damals viel zu jung gewesen!“, murmelte Karyu. Hizumi schien die Worte kaum zu hören, er stand vollkommen reglos da und auch seine Augen wirkten leer.

Plötzlich erfasste mich Wut. „Tsukasa! Was zum Teufel hast du gemacht?“, fuhr ich meinen Bruder an.

„Halt dich raus, Saga!", war die scharfe Antwort, dann wandte er sich wieder den Vampiren zu.

„Karyu, du brauchst dem Jungen gar nichts Falsches einreden. In der Tat bin ich es, der diesen ganzen Haufen Dreck auf dem Gewissen hat. Und ich habe es genossen. Damals schon. Wie sie geschrien und um ihr „Leben“ gefleht haben. Und ja, jung war ich allerdings. Aber nicht zu jung um nicht doch den ein oder anderen Vampir umzubringen. An diesem Abend hatte ich Glück. Ich bin immerhin auf eine ganze Meute gestoßen, von denen dann im Endeffekt nur einer übrig geblieben ist, nicht wahr, Hizumi?“

Du lügst doch!“, schrie der Braunhaarige und sah Tsukasa wutentbrannt an.

„Wieso sollte ich lügen? Aber hey... Wenn du mir nicht glaubst, werde ich es dir halt beweisen. Du müsstest eine Narbe auf dem Rücken haben, kreuzförmig und so groß, dass sie von deinen Schulterblättern, bis knapp in die Mitte deines Rückens reicht, oder liege ich da falsch?“

Tsukasa grinste und Hizumi schwieg.

Er stand da und machte den Eindruck, als würde er in wenigen Sekunden einen Totalzusammenbruch erleiden. Karyu starrte meinen Bruder hasserfüllt an und legte Hizumi eine Hand auf die Schulter. „Ich glaube wir sollten jetzt gehen. Alle.“ Viel weiter kam er nicht.

„Du Monster! Du hast sie umgebracht! Alle! Du hast meine Schwester umgebracht, du Mörder!“ Hizumi klang nun wirklich wütend und mein Blick fiel auf seine Augen, die einen ziemlich gelblichen Ton angenommen hatten. Ich erschrak. Mein Instinkt schlug Alarm und empfahl mir, jetzt schleunigst das Weite zu suchen.

„Hizumi. Beruhige dich.“, sagte Karyu eindringlich, doch der Kleinere schlug die Hand auf seiner Schulter weg und machte ein paar Schritte nach vorn. „Nein! Ich will mich nicht beruhigen! Dieses Schwein hat sie umgebracht! Alle! Einfach so!“ Er näherte sich Tsukasa, der wich einen Schritt zurück.

„Na endlich hast du's begriffen. Du bist doch nicht so beschränkt, wie ich dachte.“

„Tsukasa! Hör auf ihn zu provozieren!“, fuhr ich dazwischen, doch niemand schien sich auch nur im Geringsten für mich zu interessieren.

„Du hast meine Schwester umgebracht!“ Hizumis Stimme überschlug sich und seine Iris leuchtete in einem hellen Gelb, das in mir blankes Entsetzen aufkeimen ließ. Es war genau wie vor ein paar Wochen gewesen. Wie damals, als er kurz davor gewesen war mich zu beißen. Sämtliche Alarmglocken klingelten in meinem Kopf. Und gerade rechtzeitig warf ich mich zwischen meinen Bruder und Hizumi, der einen katzenartigen Sprung gemacht hatte, um Tsukasa sonstwas anzutun. Bevor ich realisieren konnte, was genau geschehen war, spürte ich einen beißenden Schmerz, der mir einen schwarzen Schleier über die Augen warf. Ich hörte mich schreien und irgendwo in weiter Ferne schrie auch noch mein Bruder und etwas fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Dann ertönte zornig und aufgebracht Karyus tiefe Stimme und ich öffnete die Augen. Dunkles, warmes Blut sickerte durch den Ärmel meines Mantels und mein Arm fühlte sich an, als müsse er jeden Moment abfallen. Mir stiegen die Tränen in die Augen, so sehr hatte mich der Schmerz im Griff.

Es dauerte etwas, bis ich meine Umgebung wieder klar wahrnehmen konnte, doch was ich sah, ließ Übelkeit in mir aufsteigen. Zwei kleine, aber tiefe Löcher prangten im Ärmel meines Mantels und setzten sich so wahrscheinlich auf die selbe Weise in meinem Fleisch fort. Ich war gebissen worden!

Halb ohnmächtig taumelte ich zurück, zwei Arme hielten mich auf den Beinen und Tsukasa sagte irgendetwas. Mein Blick fiel auf den kalten Asphaltboden, auf dem Hizumi zusammengekauert kniete und sich die Schulter hielt. Karyu war mit wenigen Schritten bei ihm und zog ihn auf die Füße. Der kleinere Vampir schwankte deutlich und ein leiser, schluchzender Laut war zu hören. Niemand sagte ein Wort, als Karyu die Arme unter Hizumis Knie und seinen Rücken schob und ihn vorsichtig hoch hob. Die Bewegung sorgte dafür, dass die Hand, die Hizumi an seine Schulter gepresst hatte, sich löste und leblos neben Karyus Arm herunterbaumelte. Frisches Blut klebte an der Handfläche.

„Tsukasa. Du solltest nicht so leichtfertig mit dem Wort Monster umgehen. Du beleidigst dich damit nur selber.“

Karyu warf Tsukasa einen letzten, hasserfüllten Blick zu, drehte uns den Rücken zu und verschwand ohne ein weiteres Wort in der Dunkelheit.

Mir war schlecht, mein Kopf dröhnte, mein Arm brannte höllisch und auch mein Knöchel meldete sich schon wieder.

„Was ist hier passiert?“, flüsterte ich

“Tsukasa! Was zum Teufel ist hier gerade passiert?“
 


 

Etwas später, Hizumis Schlafzimmer...
 

Es war dunkel im Zimmer, nur die Straßenlaterne vor dem Haus warf schwaches Licht durch die Fensterscheiben direkt auf Hizumis Bett und beleuchtete das besorgte Gesicht der großen, schlanken Gestalt auf der Bettkante. Karyu saß seit einer guten halben Stunde da und wartete darauf, dass Hizumi aufwachte, oder sich wenigstens rührte. Hizumi war ohnmächtig geworden, kurz nachdem Tsukasa ihm seinen Dolch (Karyu fragte sich, wie viele davon er eigentlich besaß) genau unter das linke Schlüsselbein gerammt hatte. Die Wunde war tief, das hatte Karyu feststellen müssen, als er den jungen Vampir verarztet hatte, und Hizumis Selbstheilungskräfte waren noch nicht weit genug entwickelt, um mit dieser Art von Verletzung, die zu allem Übel noch durch eine silberne Waffe verursacht worden war, fertig zu werden.

Mit einem Mal vergrößerte sich Karyus Hass dem Jäger gegenüber um ein Vielfaches. Doch bevor er sich in hasserfüllten Gedanken verlieren konnte, regte sich etwas. Hizumi ächzte gedämpft und schlug dann langsam die Augen auf.

„Guten Morgen, Dornröschen.“, sagte Karyu leise und seine Laune hob sich. Immerhin war Hizumi jetzt wach. So mehr oder weniger.

Als Antwort erhielt der ältere Vampir nur ein leises Grummeln. Hizumi rieb sich die Augen und machte Anstalten sich aufzurichten, doch Karyu hielt ihn sofort zurück. „Oh nein mein Lieber, das lässt du schön bleiben. Du bleibst liegen, du hast 'ne fiese Wunde, falls du dich erinnerst.“

Der Jüngere schien nun endlich wirklich wach zu sein und sah Karyu aus leicht getrübten Augen an. „Ja. Ich erinnere mich. Aber nicht an alles. Mir fehlt ein Stück. Ich weiß noch, dass du Saga was tun wolltest.“, murmelte er und sein Blick verhärtete sich. Karyu verdrehte die Augen.

„Keine Panik, ihm ist nichts passiert. Zumindest nichts, das ich zu verantworten hätte. Aber ich werde deine Gedächtnislücken mal füllen. Tsukasa hat offen zugegeben, dass er der Jenige war, der deinen Clan damals ausgelöscht hat. Er hat dich provoziert. Und wie. Dann bist du ausgeflippt und wolltest ihn beißen. Was ich dieses Mal allerdings nur nachvollziehen kann. Saga hat so aber scheinbar nicht gedacht und sich deswegen todesmutig dazwischen geworfen. Also hast du ihn erwischt und nicht Tsukasa.“, erklärte Karyu sachlich. Bei seinen letzten Worten versteinerte sich Hizumis Miene und seine Haut nahm eine noch blassere Farbe an. „Ich hab... Ich habe Saga gebissen?“, hauchte er fassungslos. Karyu wiegte den Kopf. „Nicht wirklich gebissen. Also zumindest nicht so, dass er jetzt einer von uns wäre, oder daran sterben wird. Du hast ihn volle Kanne am Arm erwischt, aber er wird es überleben. Allerdings weißt du ja auch, was es bedeutet einen Menschen auf diese Art zu verletzen.“

Hizumi nickte schwach.

„Er wird nicht mehr in meine Nähe kommen können, ohne dass es ihm höllisch weh tut.“

„Vollkommen richtig. Aber hey. Das war es doch, was du wolltest. Du hast ihm doch, wenn man Zero glauben darf, eh schon öfters gesagt, dass er sich von dir fernhalten soll. Sehr vernünftig übrigens, wie ich finde.“

Hizumi blickte betreten an die Zimmerdecke. „Ja... schon. Aber ich wollte ihm nicht wehtun.“ Seine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern. Karyu seufzte. „Es nimmt dich ganz schön mit, dass du ihn nicht mehr sehen wirst, kann das sein.“, fragte er leise und streichelte kurz über Hizumis zerzausten Haarschopf. Der nickte stumm und biss sich auf die Unterlippe. Der Ältere sah ihn mitleidig an.

„Er bedeutet dir wirklich was, oder?“

Wieder ein stummes Nicken. Karyu seufzte erneut, diesmal länger und etwas lauter. „Oh man Hizu. Du musst auch immer aus der Reihe tanzen, oder? Warum suchst du dir nicht einfach jemanden, der genauso untot ist wie du? Wieso musst du dich denn ausgerechnet in einen Menschen verlieben?“

Plötzlich ging ein Ruck durch Hizumis Körper. „Verlieben?“ , fragte er etwas aufgebracht. „Wer hat denn gesagt, dass ich mich in ihn verliebt habe?“

Diese aufbrausenden Worte brachten Karyu zum Lachen. „Als was willst du das denn sonst bezeichnen? Ich kenne dich jetzt schon über zweihundert Jahre und ich habe noch nie erlebt, dass du wegen irgendeiner Person dermaßen neben dir gestanden, oder dich in so einem Maße gesorgt hast.“, sagte er lächelnd.

Verächtliches Schnauben seitens Hizumi.

„Du interpretierst da zu viel rein! Ich mag ihn, ja. Aber... als Freund!, mehr nicht!" Er verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.

„Das glaubst du doch wohl jetzt selber nicht, oder?“ Karyu hob zweifelnd die Augenbrauen und verschränkte seinerseits die Arme. Eine Weile war es still, dann sagte Hizumi leise: „Ja, ok. Irgendwie hast du ja Recht. Ich weiß nicht, ob ich wirklich so richtig verliebt bin. Soweit ich mich erinnern kann, war ich das nämlich noch nie. Aber ich weiß, dass er mir wichtig ist. Wirklich wichtig.“

„Du bist verliebt. Glaub mir, ich existiere schon eine ganze Weile länger als du und auch wenn man's mir nicht zutraut, ich weiß wie sich Liebe anfühlt und äußert. Und du bist definitiv verliebt. Das sieht dir sogar Zero an. Das will schon was heißen!“ Der Vampir grinste schief.

Hizumi zuckte reflexartig die Schultern und bereute es wenige Sekunden später. Ein scharfer Schmerz durchfuhr ihn und ein leises Knurren entwich seinen Lippen. „Fuck.“

„Ich sage doch du sollst dich nicht bewegen! Tsukasa hat dich voll erwischt. Du kannst von Glück reden, dass er in Panik gehandelt hat. Wäre er nicht so reflexgesteuert gewesen, hätte er dir wahrscheinlich präzise ins Herz gestochen.“ Innerlich nahm sich Karyu vor, Tsukasa, allein wegen dieser Tat, einen mehr als qualvollen und schmerzhaften Tod zu bescheren.

Hizumi schien sich herzlich wenig für das eben Gesagte zu interessieren, er starrte geistesabwesend Löcher in die Luft. „Wahrscheinlich war es das einzig Richtige.“

„Wie bitte? Findest du es geil, wenn man dir Silbermesser unter's Schlüsselbein rammt?“, fragte Karyu entsetzt.

„Nein verdammt. Ich rede von Saga! Und davon, dass er mich jetzt nicht mehr treffen kann, selbst wenn er es wollen würde. Aber ich glaube eh nicht, dass das der Fall ist.“, sagte Hizumi und seine Stimme wurde von Wort zu Wort leiser und trauriger.

„Wie meinst du das?“

Als Antwort erhielt Karyu ein freudloses Lachen.

„Du glaubst doch nicht wirklich, dass er mich immer noch verteidigt, nachdem ich seinen Bruder fast umgebracht und ihn selber schwer verletzt habe, oder?“

„Er hat dich verteidigt. Bis zum Schluss hat er dich verteidigt. Ich bezweifle sogar, dass er dir wirklich böse ist. So wie ich ihn einschätze wird er eher seinen Bruder anmotzen, als dich.“

„Du kennst ihn doch gar nicht.“

„Ich kenne seine Gedanken, das reicht mir um einen Menschen zu beurteilen.“

Hizumi schwieg eine Weile, dann meldete er sich erneut zu Wort.

„Karyu?“

„Ja?“

„Bitte... Tu ihm nichts. Tu ihm nicht weh. Er muss schon genug leiden, wegen mir.“

Der Größere sah Hizumi unergründlich an. „Hizumi, du weißt, dass ich dir nichts versprechen kann.“

„Schon, aber...“ Hizumi senkte den Blick und schien nach Worten zu suchen, die er nicht fand.

„Es tut mir Leid. Aber ich will dich nicht anlügen. Wenn der Orden herausfindet, was gestern passiert ist, und das wird er, dann ist es ohnehin zu spät für Saga, also ist es besser-“

„Versprich mir, dass du ihm nichts tust. Bitte!“, rief Hizumi energisch und in seinem Blick lag eine Art der Verzweiflung, die Karyu einen Stich versetzte. Er seufzte tief und betrachtete den Liegenden eine Zeit lang.

„Ok, wenn es dir wirklich so wichtig ist, dann werde ich ihn in Ruhe lassen...“, versprach er schließlich leise.

„Danke."

„Mach dir bitte nicht allzu viele Hoffnungen. Der Orden wird ihn finden, so viel ist sicher. Nach allem was passiert ist...“

Der Braunhaarige schwieg und drehte den Kopf vorsichtig zur Seite, um Karyu besser ins Gesicht sehen zu können. Seine Miene war ernst und seine Augen blickten erneut so verletzt und hilflos in Karyus, dass der den Reflex unterdrücken musste, Hizumi fest in den Arm zu nehmen. „Ich hasse dieses „Leben“, ehrlich. Eigentlich wäre es mir ganz lieb gewesen, wenn Tsukasa besser gezielt hätte.“, flüsterte er unvermittelt und senkte kurz darauf den Blick. Karyu sah ernst auf Hizumis blasses Gesicht herab, sein eigenes blieb vollkommen emotionslos. „Was ist? Hasst du mich dafür, dass ich dich zu dem gemacht habe, was du jetzt bist?“, fragte er tonlos in die Stille hinein.

Hizumis Antwort ließ eine Weile auf sich warten.

„Nein. Nein, ich hasse dich nicht dafür. Ich hasse es nur, dass eigentlich alles andere um mich herum lebt und irgendwann auch stirbt. Nur ich nicht. Und ich hasse es auch, dass ich nicht mit der Person zusammen sein kann, egal in welcher Hinsicht jetzt, die mir was bedeutet. Und ich hasse es, dass ich vor Jahren diese Familie umgebracht habe, obwohl sie absolut nichts getan haben. Ich hasse es, dass ich mich kurz nach dem Aufwachen selbst daran erinnern muss zu atmen. Ich hasse es, dass ich nicht länger als zwei Stunden bei Sonnenschein draußen sein kann. Eigentlich... hasse ich fast alles daran, ein Vampir zu sein.“ Als er geendet hatte, schlich sich ein mattes Lächeln auf seine Züge. „Aber ich kann nichts mehr daran ändern.“

Karyu blieb eine Weile vollkommen still und starrte ausdruckslos auf die gegenüberliegende Wand.

„Es tut mir Leid.“

„Es ist nicht deine Schuld. Du hast getan, worum ich dich damals gebeten habe, mehr nicht.“

Nach diesen Worten schwiegen beide und Hizumi spürte, wie sehr ihn dieses Gespräch entkräftet hatte. Er warf einen Seitenblick zu Karyu, der immer noch stumm die Wand ansah und bereute seine eben gewählten Worte.

„Karyu?“, durchbrach die Stimme des Jüngeren leise das unangenehme Schweigen.

„Mh?“

„Ich bin müde.“

„Dann schlaf.“

„Bleibst du bei mir, bis ich eingeschlafen bin?“, fragte Hizumi zögerlich. Er sah auf und suchte Blickkontakt mit dem Älteren. Der erwiderte den Blick und seufzte schwer.

„Natürlich.“

Vorsichtig strich er dem Liegenden über den Kopf.

„Natürlich bleib ich hier...“

Love Hurts

Und weiter im Text...Wie schon angekündigt: Dieses Mal trifft es (mal wieder) Hizumi und Saga. Ich will gar nicht zu viel veraten, außer, dass es endlich mal zum lang ersehnten, ersten Kuss zwischen den beiden kommt...Wie die Sache dann allerdings ausgeht, lest ihr am besten selbst.

Ich versuche das 14. Kapitel noch vor Xmas hochzuladen, damit ihr was zu lesen habt, während ihr auf eure Geschenke wartet ;)
 

enjoy!
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-
 


 

Sagas POV
 

Nächster Morgen, Sagas/Tsukasas Wohnung, Küche...
 

Geistesabwesend rührte ich in meiner Teetasse herum und mein Kopf schien kurz vor dem Platzen zu sein. Mein Arm schmerzte immer noch höllisch, doch im Gegensatz zur Schmerzintensität des Vorabends, war es nun halbwegs erträglich. Tsukasa saß auf der Anrichte und blätterte durch die Tageszeitung, er war den ganzen Morgen bereits ungewöhnlich still. Obwohl es verständlich war, dass er fertig mit den Nerven war (Mir ging es nicht anders!), gefiel mir seine extrem stille Art überhaupt nicht. Irgendetwas störte mich ganz gewaltig!

„Tsukasa?“, fragte ich und versuchte so normal wie möglich zu klingen. Er zuckte zusammen und sah mich erschrocken an. „Was denn?“, antwortete er hastig und strich sich fahrig eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Ist alles ok bei dir?“, bohrte ich vorsichtig nach und ließ ihn nicht aus den Augen. Er seufzte tief und fuhr sich erneut durch die Haare. (Das tut er öfters, wenn er nervös ist.) „Bei mir schon. Ich frage mich eher, ob bei dir alles ok ist.“ Ich nickte mechanisch.

„Mir geht’s den Umständen entsprechend gut. Du brauchst dir keine Gedanken um mich zu machen.“

Tsukasa nickte kurz, dann breitete sich ein sehr gezwungen wirkendes Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Eigentlich hast du Recht. Sorgen muss ich mir jetzt wirklich nicht mehr machen. Zumindest nicht darüber, dass du dich noch einmal mit diesem Stück Dreck triffst.“

„Hör sofort auf so über ihn zu reden!“, fuhr ich meinen Bruder an und plötzlich stieg eine nie gekannte Wut in mir auf. Tsukasa schnaubte verächtlich. „Saga, bei aller Liebe. Was muss er dir noch antun, damit du endlich merkst was für ein Monster er ist?

„Er ist kein Monster! Du hast ihn provoziert. Kein Wunder, dass er ausgerastet ist! Ich würde auch ausrasten, wenn ich den Mörder meiner Familie wiedersehen würde!“, blaffte ich. Irgendwie begann ich scheinbar langsam zu realisieren was am gestrigen Abend genau geschehen war. Und etwas an Tsukasas gelangweiltem, teilweise schon fast gehässigem Gesichtsausdruck machte mich unglaublich wütend. Unwillkürlich kratzten meine Fingernägel über die Tischplatte.

„So, du nennst mich also einen Mörder?“

Er klang belustigt.

„Ja! Das tue ich! Als was würdest du es denn bezeichnen? Du hast seine Familie umgebracht. Das ist Mord! Demnach bist du also ein Mörder!“

„So, bin ich das? Schön dass du deinen Bruder als Mörder betitelst.“

„Wie sollte ich es denn sonst nennen!?“

„Nenn es wie du willst. Aber hast du jemals auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwendet, was dein kleiner Untoter Freund tut, um am Leben zu bleiben?“, konterte Tsukasa und lehnte sich lässig gegen die Küchenschränke. Ich schwieg.

„Aber... Er tut es, um am Leben zu bleiben. Du tust es... Einfach so.“, sagte ich etwas kleinlaut und ließ Tsukasa nicht aus den Augen.

„Saga verdammt! Fang an zu denken, Junge! Dieser Kerl müsste tot sein. Seit was weiß ich wie langer Zeit! Er hat kein Recht mehr hier zu existieren und das auch noch wohlgemerkt auf die Kosten von wirklich lebendigen Menschen. Das sind Leichen, verstehst du was ich dir hier sage? Das sind Leichen, die aus irgendwelchen unnatürlichen Gründen, die sie wahrscheinlich selbst nicht kennen, nicht verwesen und immer noch fälschlicherweise neben uns her existieren.“ Sein Ton war eindringlich und ich spürte deutlich, dass es nicht mehr viel brauchte, um meinen Bruder endgültig zur Weißglut zu treiben. In seinen Augen loderte ein unbändiger Hass, der mich zutiefst schockierte. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn je so gesehen zu haben. Aber in den letzten Stunden war mein Bild von Tsukasa sowieso heftig ins Wanken geraten.

„Warum hasst du sie so?“, fragte ich leise.

In verächtliches Lachen war die direkte Antwort auf diese Frage.

„Ich hasse sie, weil sie Schmarotzer sind. Sie sind Monster. Tiere! Weiter nichts. Sie töten nicht nur um zu existieren, sie haben Spass daran. Alle. Auch dein Hizumi! Du bist allerdings so naiv, dass du nur allzu gern die Augen davor verschließt. Aber wenn du ganz ehrlich bist, dann weißt du es. Im tiefsten Innern weißt du, dass er ein Monster ist. Du hast Angst vor ihm.“

Treffer und Versenkt.

Ich biss mir fest auf die Unterlippe.

Tsukasa hatte Recht.

Mal wieder.

Ja, ich hatte Angst vor Hizumi. Es war eine merkwürdige Mischung aus tiefer Zuneigung und Angst, die ich für den Vampir empfand, doch trotz allem konnte und wollte ich nicht einsehen, dass Hizumi wirklich so schlecht war, wie mein Bruder mir hier seit geraumer Zeit weiß machen wollte. Ich konnte nicht behaupten ihn wirklich zu kennen und einschätzen zu können, aber ich wusste, was ich gesehen hatte. Und das, was ich gesehen hatte, zeigte mir, dass er eben nicht das blutgeile Monster war, das Tsukasa in ihm sah.

„Du kennst ihn überhaupt nicht!“

Wieder hatte Tsukasa nur ein mitleidiges Lachen für mich und meine schon fast verzweifelten Argumente übrig. „Sag mal kannst du es nicht begreifen, oder willst du es nicht begreifen? Die sind alle gleich! Das sind instinktgesteuerte Monster. Das ist Ungeziefer, das es zu beseitigen gilt!“

Ich hörte schweigend zu, schüttelte dann vage den Kopf. „Nein Tsukasa, das sind sie nicht. Du redest hier nicht über Hizumi. Du beschreibst dich im Moment eher selbst. Du bist hier das Monster.“
 


 

Zeros Villa...
 

Vorsichtig öffnete der Vampir die Zimmertür. Das Bett glich einem Schlachtfeld. Ein undurchdringliches Deckenknäuel gab den Blick auf einen zerzausten Haarschopf frei und ein dünner Arm hing seitlich von der Bettkante. Zero konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und betrat vorsichtig das Zimmer. Doch seine Absicht leise zu sein wurde zu nichte gemacht, denn sein Fuß verfing sich in Toshiyas Rucksack und um nicht der Länge nach hin zu fallen, musste er sich zwangsläufig am Nachtschrank festhalten. Das führte dazu, dass der Wecker mit einem Höllenlärm, der Tote hätte wecken können, herunter fiel und Zero wahrscheinlich einen Herzinfarkt erlitten hätte, wäre das physisch noch möglich gewesen.

Während Zero sich aufrappelte und den Funkwecker wieder an seinen ihm zugeteilten Platz stellte, regte sich etwas im Deckenhaufen. Ein leises Grummeln ertönte und langsam schob sich ein verpennt dreinblickendes Gesicht an die Oberfläche.

Toshiya blinzelte und rieb sich die Augen. „Guten Morgen.“, lächelte er verschlafen, als er Zero bemerkte. Der lehnte, immer noch etwas schockiert über seine Unachtsamkeit, an der Wand und pustete sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Morgen, Schlafmütze.“

Toshiya setzte sich auf und streckte sich ausgiebig. „Ist irgendwas? Du siehst so verstört aus.“, fragte er vorsichtig und warf Zero einen besorgten Blick zu. „Ich hätte mich eben fast aufs Maul gelegt, weil ich gestolpert bin, das ist alles.“ Er grinste kurz. „Was ist? Hast du Hunger? Frühstück steht in der Küche.“ Mit diesen Worten verließ der Ältere das Zimmer und ließ Toshiya allein zurück.

Eine Viertelstunde später stand selbiger frisch geduscht und angezogen in der Küchentür. Der Vampir saß, mit dem Rücken zur Tür, am Küchentisch und las die Tageszeitung. Er schien Toshiyas Anwesenheit sofort zu bemerkten und drehte sich um. „Du solltest dir vielleicht die Haare föhnen, nicht dass du dich erkältest.“

Toshiya schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, das geht schon in Ordnung. So schwach ist mein Immunsystem auch nicht. Außerdem ist es hier warm.“ Er ging zum Tisch und setzte sich. Während der 19-jährige mit Brötchen schmieren beschäftigt war, studierte Zero eingängig die Zeitung und runzelte von Zeit zu Zeit die Stirn über merkwürdige Schlagzeilen. „Hast du Lust auf einen kleinen Spaziergang nach dem Essen? Draußen regnet es zur Abwechslung mal nicht und es ist bewölkt, also hol ich mir keinen Sonnenbrand oder Ähnliches.“, nuschelte Zero über den Rand seiner Zeitung hinweg. Als Antwort erhielt er ein strahlendes Lächeln und ein aufgeregtes „Das wär toll!“
 

Etwa eine halbe Stunde später stand ein (schon wieder) glücklich strahlender Toshiya (Mit geföhnten Haaren!) im Hausflur und sah interessiert zu, wie Zero sich seinen Mantel anzog.

„Hast du nichts zum drüber ziehen? Die Jacke sieht ziemlich dünn aus.“, bemerkte Zero, ohne Toshiya wirklich anzusehen. Der blickte an sich herab. „Ähm, das ist meine einzige Jacke.“

Noch bevor er seine Antwort ausführlicher gestalten konnte, hatte Toshiya einen dicken Wollschal im Gesicht. „Dann nimm wenigstens den, sonst erkältest du dich noch.“

Etwas verwirrt wickelte der Junge sich das schwarz-weiß gestreifte Wollungetüm um den Hals. „Dankeschön.“, sagte er lächelnd. „Schon gut. So, ich bin fertig. Wollen wir gehen?“

Bevor Zero seinen Satz beendet hatte war Toshiya bereits durch die Haustür nach draußen verschwunden. Der Vampir konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und folgte ihm in angemessenem Tempo.

Eine Weile gingen beide schweigend nebeneinander her, dann spürte Zero Toshiyas fragenden Blick auf sich ruhen. „Was ist los?“, fragte er ruhig und Toshiya sah hastig vor sich auf die Straße. „Darf ich dich was fragen?“, murmelte er in seinen Schal.

„Natürlich.“

„Wieso hast du mich damals einfach so aufgesammelt? Hast du von Anfang an gewusst, dass ich... auch so eine Art Vampir sein könnte?“, fragte der Größere so leise, dass Zero Mühe hatte, ihn überhaupt zu verstehen. „Naja, wenn du jetzt eine rationale Antwort auf diese Frage verlangst. Die kann ich dir nicht geben. Ich weiß um ehrlich zu sein selber nicht wieso ich dich aufgesammelt habe. Normalerweise halte ich mich fern von Menschen. Aber bei dir hatte ich irgendwie das Gefühl, dass du... Ich weiß nicht wie ich das jetzt ausdrücken soll.“ Zero verzog kurz den Mund „Ich hatte das Gefühl, dass du etwas Besonderes bist, dass du noch irgendeine wichtige Rolle spielen könntest.“

Toshiyas dunkelbraune Augen weiteten sich und er sah Zero überrascht an. „Meinst du das ernst?“

„Würde ich es sonst sagen?“

Verlegen über die kurze, etwas barsche Antwort senkte Toshiya erneut den Blick und vergrub die Hände in seinen Hosentaschen. Wieder herrschte Stille und wieder war es Toshiya, der sie nach einer Zeit durchbrach. „Macht dir das gar nichts aus? Einfach so am helllichten Tag rumzulaufen?“

„Nein, mittlerweile macht es mir nichts mehr aus. Würde ich es wollen, dann könnte ich sogar tagelang bei Sonnenschein herumlaufen, ohne, dass es mich beeinträchtigen würde. Aber ich mag die Sonne einfach nicht, ich bekomme recht schnell Sonnenbrand.“

Toshiya hörte gespannt zu und nickte beeindruckt. „Wow, dann stimmt es also gar nicht, was in den ganzen Geschichten immer erzählt wird? Von wegen Vampire können keine Sonne vertragen?“

„Das stimmt teilweise schon. Junge Vampire haben so ihre Probleme mit Sonnenlicht. Aber je älter man wird, desto weniger macht es einem aus. Es ist wie mit den Menschen. Wäre ich zum Beispiel erst 100 oder 200 Jahre alt, wäre es mir kaum möglich, einfach so neben dir her zu gehen, ohne den Wunsch zu verspüren, dich zu fressen.“ Zero grinste, als er Toshiyas leicht entsetztes Gesicht sah „Aber da ich schon eine ganze Ecke älter bin, macht es mir absolut nichts aus, wenn du in meiner Nähe bist. Du brauchst also keine Panik zu schieben. Ich werde dir nichts tun, solange ich es nicht wirklich will.“

„Willst du mir Angst machen?“

„Ein bisschen vielleicht.“, sagte der Vampir breit grinsend und warf Toshiya einen nicht zu deutenden Blick zu. Der fühlte sich ein wenig überfordert und lächelte unsicher. „Und... Hast du wirklich keine Familie? Oder hast du das nur gesagt, weil es was damit zu tun haben könnte, dass du ein Vampir bist?“

Zero senkte den Blick. „Nein, das war die Wahrheit. Ich hab wirklich keine Familie mehr. Keine richtige. Gut, ich habe meinen Clan, aber das ist eher eine Art Zweckgemeinschaft. Als ich noch ein Mensch war, hatte ich in der Tat eine Familie. Ich hatte eine Frau und zwei Kinder. Aber als ich gebissen wurde, war es natürlich unmöglich weiter bei ihnen zu bleiben.“, erklärte Zero absolut sachlich. Toshiya schwieg eine Weile betreten. „Das tut mir Leid. Das muss schlimm für dich gewesen sein.“ Er warf Zero einen kurzen Blick zu. „Am Anfang war es das auch. Aber irgendwann findet man sich mit der Einsamkeit ab, die die Ewigkeit mit sich bringt.“

„Und warst du denn danach nie mehr verliebt? Ich meine in einen anderen Vampir, oder sowas.“, fragte Toshiya zögerlich. Zero schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Die meisten von ihnen sind sowieso absolut gefühlskalt geworden. Und ich kann mich nunmal nicht in Personen verlieben, die mir zu ähnlich sind.“ Zero lächelte kurz, sah jedoch weiterhin auf den Weg vor sich. Toshiya sah den Vampir stirnrunzelnd an. „Aber das stimmt nicht. Du bist nicht gefühlskalt. Das bildest du dir ein!“

„Das kannst du gar nicht wissen.“

„Kann ich doch!“, sagte Toshiya trotzig „Wenn du gefühlskalt wärst, dann würdest du nicht auch ab und zu mal lächeln. Und dann würdest du auch nicht diese ganzen kleinen, lieben Dinge tun.“

„Was für Dinge?“

„Zum Beispiel eben. Du hast mir einen Schal angedreht, weil du Angst hattest, dass ich mich erkälte. Das ist nicht gefühlskalt. Das ist nett.“

Zero schnaubte. „Wenn du meinst.“, murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart. „Ja, meine ich.“ Toshiya lachte. „Du bist richtig niedlich, wenn du schmollst!“

„Ich schmolle nicht!“

„Tust du doch.“

Zero verdrehte die Augen, konnte sich ein kleines Grinsen jedoch nicht vergreifen. Schon nach Sekundenbruchteilen rief er sich jedoch selbst zur Ordnung und setzte einen, wie immer, gleichgültigen Gesichtsausdruck auf. Auf Toshiyas Lippen hielt sich jedoch immer noch ein glückliches Lächeln. Schweigend gingen beide eine Zeit lang nebeneinander her und der Jüngere sah sich von Zeit zu Zeit um. Eine halbe Stunde später kam Zeros dunkle Villa in Sichtweite. Plötzlich gab Toshiya einen überraschten Laut von sich. „Es fisselt!“ Langsam aber stetig begann es zu regnen, doch aus dem Nieselregen wurde schon nach wenigen Sekunden ein wahrer Platzregen. „Ach du Scheiße. Meine Haare!“, rief Zero, griff nach Toshiyas Hand und begann zu rennen. Als beide die Haustür erreichten, war Toshiya, im Gegensatz zu Zero, vollkommen außer Atem und beide durchnässt bis auf die Knochen. „Na ganz toll!“, murrte der Vampir und schloss die Haustür auf. „Wieso passiert sowas immer, wenn ich mal vor die Tür gehe?“

Toshiya wischte sich kurz mit der Hand über die Augen, dann warf er Zero einen kurzen Blick zu und begann zu lachen. „Was ist denn nun schon wieder.“ Der Kleinere klang entnervt und war gerade dabei seine Stiefel in die nächstbeste Ecke zu werfen. „Du siehst klasse aus, wirklich!“, brachte Toshiya zwischen zwei Lachattacken hervor. Verwirrt sah Zero in den runden Spiegel, der im Hausflur an der Wand hing und bereute es sofort. Seine sonst so geliebten und gepflegten Haare schienen auf einmal ihre Anzahl verdoppelt zu haben und standen wirr und durchnässt in alle Himmelsrichtungen. Der Untote schnaubte und begann entschlossen einen zum Scheitern verurteilten Versuch, seine Haarpracht wieder zu richten. Hinter seinem Rücken hatte Toshiya sich mittlerweile von seinem Lachkrampf erholt und sah Zero nun grinsend über die Schulter. „Ich finde du siehst niedlich aus.“ Zero schnaubte beleidigt. „Nenn mich nicht so!“

„Wieso denn nicht?“

„Weil es... blöd klingt!“

Diese Antwort brachte Toshiya erneut zum Lachen und er ließ es sich nicht nehmen, Zero mit der Hand durch die Haare zu wuscheln, was einen undefinierbaren Laut aus dessen Mund verursachte. Toshiya verschwand im Badezimmer und kam wenig später mit zwei Handtüchern bewaffnet zurück in den Flur. Lächelnd hielt er Zero eines der Tücher unter die Nase. „Hier, vielleicht hilft das.“

Dankend nahm Zero das Handtuch an und begann seine Mähne zu frottieren. Auch Toshiya machte sich daran, seine Haare abzutrocknen. „Willst du nen Tee?“, fragte Zero beiläufig. Ein Nicken folgte als Antwort.

5 Minuten später saßen beide in der Küche und schlürften viel zu heißen, grünen Tee. Zeros Haare hatten ihren Normalzustand fast wieder erreicht und auch Toshiya hatte keine Ähnlichkeit mehr mit einem aufgeplatzten Sofakissen. „Zero?“, fragte Toshiya plötzlich unvermittelt.

„Ja?“

„Ich hab dich lieb...“
 


 

Sagas Zimmer...
 

Sagas POV
 

Ich lag auf meinem Bett, alle Viere von mir gestreckt und dachte nach. Ich dachte an Tsukasas schockierten Gesichtsausdruck, als ich ihn ein „Monster“ genannt hatte, ich dachte an Hizumi und an das Blut das an seiner Hand geklebt hatte, ich dachte an Karyu und dessen Worte, die ich fast vollständig sinngemäß an diesem Morgen widerholt hatte. Um es zusammen zu fassen: Ich dachte an viel zu viel auf einmal! Mein Kopf drohte zu platzen und irgendwie war mir schlecht. In gewisser Hinsicht tat es mir Leid, dass mein Bruder jetzt scheinbar ziemlich down wegen den von mir gewählten Worten war, andererseits empfand ich eine gewisse Genugtuung.

Es war nicht richtig was er tat.

Punkt.

Es war unfair, Hizumi so voreingenommen entgegenzutreten. Karyu mochte ja so sein, wie Tsukasa sich seine Vampire immer ausmalte, aber Hizumi war anders. Da war ich mir sicher.

Schon wieder schweiften meine Gedanken ab. Zu den wenigen Sekunden am Vorabend, in denen ich das vermeintliche Monster im Arm gehalten hatte. Zu dem Gefühl, das sich in mir breit gemacht hatte, als er die Umarmung erwidert, sich sogar vorsichtig an mich gelehnt hatte.

Ein leises Seufzen entfuhr mir und ich warf einen Blick zu meinem dick bandagierten Arm. Er tat weh. Immer noch. Mittlerweile hatte ich mich an den dumpfen Schmerz gewöhnt, was es jedoch nicht wirklich besser machte. Ich ließ meine letzte schöne Erinnerung an Hizumi in der Endlosschleife Revue passieren, wusste ich doch, dass es in er Tat die letzte gewesen war. Wenn man Tsukasa glauben konnte, dann würde es weh tun, jedes Mal, sobald ich mich auch nur in der Nähe irgendeines Vampirs aufhalten würde. Hizumi logischerweise mit eingeschlossen.

Draußen begann es zu regnen und zwar nicht zu knapp. Toll. Das Wetter passte sich mal wieder meiner Stimmung an. Ich spürte das wachsende Bedürfnis, mich bei meinem Bruder zu entschuldigen. Die Frage war nur, ob das überhaupt so sinnvoll war. Entweder würde er die Entschuldigung nicht annehmen, oder er würde sie zwar annehmen, sein Verhalten aber trotzdem nicht ändern. Keine wirklich rosigen Aussichten.

Auf der anderen Seite fand ich es ziemlich bescheuert, mich mit meinem Bruder in den Haaren zu haben. Ok, ich hatte Grund genug dazu, er auch. Aber trotzdem. Wirklich cool war das alles nicht.

Ich war mit der Gesamtsituation unzufrieden, um es genauer auszudrücken.

Vorsichtig, um meinen Arm nicht wieder zum schmerzen zu bringen, stand ich auf und ging in die Küche. Tsukasa war verschwunden. Etwas nervös sah ich mich um und beschloss in seinem Schlafzimmer nachzusehen. Nichts.

Blieb nur noch das Wohnzimmer (Im Bad würde er wohl kaum sein, die Tür stand offen.). Doch auch hier herrschte Tsukasa-freie Zone.

Na toll.

Eigentlich wollte ich nicht wissen wo genau er jetzt schon wieder war. Ich ließ mich aufs Sofa fallen und schloss für einen Moment die Augen. Plötzlich kam mir ein Gedanke, der so logisch und gleichzeitig so schockierend war, dass mein Herz kurz davor war, stehen zu bleiben.

Was war, wenn er bei Hizumi war?

Was war, wenn er, frei nach dem Motto „Jetzt erst recht!“, gerade dabei war, den letzten Überlebenden eines gewissen Clans zu töten?

Mir wurde übel.

Kotzübel.

Sofort stand ich auf, ignorierte dabei das protestierende Stechen in meinem Arm und rannte in mein Zimmer, auf der Suche nach meinem altersschwachen Handy. Mit zitternden Fingern wählte ich Tsukasas Handynummer. Es tutete.

//Geh ran, verdammt nochmal!//

Mein großer Bruder ließ wie immer auf sich warten, meldetet sich dann aber tatsächlich und zu meiner Erleichterung, mit einem monotonen „Ja?“

„Tsukasa. Ich bin's. Tut mir Leid wegen eben. Das war nicht so gemeint, ich war sauer. Wo zur Hölle bist du?“, sprudelte es aus mir heraus und langsam erreichte mein Puls wieder eine einigermaßen normale Frequenz. Wenn er ans Handy ging, dann konnte er schonmal nicht dabei sein gerade einen Vampir zu töten. Das war bestimmt schon Arbeit genug. Da ging man nicht ans Handy!

„In der Stadt. Wieso, was ist los?“ Auf meine Entschuldigung ging er gar nicht erst ein. Gut, er war beleidigt. Das hörte ich ihm an! Na das konnte heiter werden.

„Nichts ist passiert. Ich... wollte nur wissen wo du bist. Wann kommst du wieder?“

„Wieso interessiert es dich wo ich bin?“, fragte er und klang dabei reichlich angepisst. Eine kurze Pause entstand. „Achso. Warte. Jetzt wird mir einiges klar. Du hast Schiss, dass ich deinem Blutsauger was tue, hab ich Recht?“

Empört plusterte ich die Backen auf. Das war ja wohl die Höhe! Wieso wusste der Kerl eigentlich immer alles? Manchmal war er mir unheimlich!

„Hast du's denn vor?“

„Wer weiß. Das passende Werkzeug um ihn zu erledigen hätte ich dabei.“

„Tsukasa! Untersteh dich ihm was zu tun!“, blaffte ich in die Leitung und versuchte dabei nicht allzu verzweifelt zu klingen. Am anderen Ende hörte ich ein trockenes Lachen. „Meine Güte Saga, du müsstest dich mal hören. Es ist schon irgendwie lächerlich, wie sehr du dich für ihn einsetzt.“

„Halt's Maul! Ich liebe ihn, ok?“

Ich drückte energisch den roten Knopf und schmiss mein Handy in die nächstbeste Zimmerecke. Mir doch egal, ob das Teil jetzt endgültig kaputt ging. Das war eh blöd!

Langsam dämmerte mir, was ich da eben lauthals von mir gegeben hatte. Mir wurde heiß und der Wunsch mich meines Mageninhalts zu entleeren wuchs von Sekunde zu Sekunde. Hatte ich das wirklich gesagt?

Kurz zog ich in Erwägung, Tsukasa noch einmal anzurufen und nachzufragen, ob ich wirklich gerade meine Liebe zu Hizumi beteuert hatte, doch irgendwie erschien mir das als keine gute Idee. Ich ließ mich zurückfallen und starrte die Decke an.

Spitze.

Nicht nur, dass ich mich mit meinem Bruder in der Wolle hatte, jetzt hatte ich auch noch, ganz unbewusst und ohne darüber nachzudenken, erklärt, dass ich mich in einen untoten Kerl verliebt hatte. Ein gequältes Stöhnen entfuhr mir und meine Hand drückte sich wie von selbst auf meine Augen. Wenn ich die Augen zu machte war das Elend vielleicht nicht ganz so schlimm. Einen Versuch war es wert.

Zu meiner Enttäuschung klappte das mit dem Augenzuhalten nicht halb so gut, wie ich es mir erhofft hatte. Mir war immernoch schlecht, mein Arm tat weh und meine Gedanken überschlugen sich förmlich. Langsam kam mir eine gezielte Frage in den Sinn. Stimmte es?

War ich wirklich verliebt?

Ich presste die Hand weiterhin auf meine Augen und versuchte mich zu beruhigen. Normalerweise erzählten alle immer irgendeinen Mumpitz von wegen „Wenn du deine große Liebe vor dir stehen siehst, dann merkst du das sofort.“

Aha.

Hizumi war aber nicht groß. Der war höchstens 1.68 cm! Und das war nicht groß. Ok, große Liebe also schonmal nicht. Aber wenn man also das Wort „groß“ strich, blieb immer noch „Liebe“. War es das wirklich? Wieder entfuhr mir ein Seufzen. Genau das sind die Momente, für die große Geschwister für gewöhnlich gut sind. Pech nur, wenn der große Bruder stinksauer auf einen und das Hauptproblem, über das es mit dem großen Bruder zu reden bedarf, ein durchaus gut aussehender, sympathischer Untoter ist. Noch größeres Pech, wenn der große Bruder das dringende Bedürfnis zu haben scheint, besagten Untoten endgültig aus der Welt zu schaffen.

Es war wieder so ein Moment, in dem ich mir ein ganz normales Leben wünschte. Mit ganz normalen Familienmitgliedern. So wie noch vor ein paar Wochen. Da war noch alles ok gewesen! Ich war der Ansicht, dass Tsukasa ein freundlicher, etwas merkwürdiger Kerl war, der seine Abende hinter komischen Büchern und mit irgendwelchen Uni-Forschungsprojekten verbrachte. Des weiteren dachte ich felsenfest, zu mindestens 80% hetero zu sein und nur auf hübsche Mädchen mit möglichst blonden Haaren zu stehen. Und Vampire gehörten in Märchenbücher!

Pustekuchen!

Das Leben ist kein Baumarkt und ihr kriegt nichts geschenkt!

Blöder Satz, aber meistens wahr.

Irgendwie kam es mir momentan jedoch so vor, als würde jeder andere Freak Werbegeschenk-Bleistifte einsacken, nur ich nicht.

Mehr noch!

Irgendein fieser Typ (Der höchstwahrscheinlich in diesem Baumarkt arbeitete!) fand es cool mich leiden zu sehen, davon war ich fest überzeugt! Ich beschloss in diesem Moment niemals wieder einen Baumarkt zu betreten. Sollten die doch sehen wo sie blieben! Die konnten ihre doofen Bleistifte behalten!

Der Hass auf die Bauindustrie hatte die Gedanken an Hizumi für ein paar Sekunden vertrieben, doch jetzt kehrten sie mit voller Wucht zurück. Ok. Rational denken und kombinieren.

Ich hatte eben folgende Worte losgelassen:

Halt's Maul. Ich liebe ihn, ok?!

So weit, so schlecht. Was sagte mir das?

Gute Frage. Das Problem war, dass mir jegliches Wissen über „Anzeichen“ des, von allen so hochgelobten Verliebtseins fehlte. Affären und auch feste Beziehungen hatte ich mittlerweile zur Genüge gehabt. Aber die wirkliche, wahre Liebe war nie unter ihnen gewesen. Die Leute faselten von Schmetterlingen im Bauch, unbändigem Verlangen, kitschigen Zärtlichkeitsanfällen und Familienplanungsgedanken. Letzteres fiel bei Hizumi wohl schon mal flach. Der Rest allerdings auch. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals irgendwelche fliegenden Insekten in der Magengegend gespürt zu haben, weder bei Hizumi, noch bei sonstwem. Unbändiges Verlangen. Na gut. Heiß war er schon. Aber wirkliche Gedanken in Richtung „Unbändiges Verlangen“ waren mir jetzt so auf die Schnelle noch nie gekommen. Und Zärtlichkeitsanfälle?

Ein bisschen vielleicht. Tatsächlich hatte Hizumis Umarmung ein merkwürdiges Gefühl in mir ausgelöst. Aber reichte das schon, um von Liebe zu sprechen?

Ich atmete lautstark aus und ließ den Kopf an der Bettkante herunterbaumeln. Langsam öffnete ich die Augen und entfernte meine Hand.

Momentan stand mein Zimmer auf dem Kopf. Genauso wie der Rest meiner Welt. Passte perfekt.

Langsam jedoch formte mein geniales Hirn eine Idee, die mal wieder absolut durchgeknallt und irgendwie lebensmüde war, aber mittlerweile hatte ich mich an diese Art von Ideen gewöhnt. Der einzige Weg herauszufinden, ob ich wirklich etwas für Hizumi empfand, war, ihn noch einmal zu sehen. (Ok... so neu war die Idee nun auch nicht.) Nebenbei könnte ich auch noch nachprüfen, ob Hizumi nicht vielleicht sogar ähnliche Gefühle für mich hatte. Wobei ich daran irgendwie zweifelte. Was bitte sollte ein Vampir mit einem Menschen wollen?

Trotzdem. Ich wollte Klarheit!

Egal wie groß der Schmerz sein würde.
 


 

Vor Hizumis Wohnung, ca 19.30 Uhr...
 

Sagas POV
 

Ich stand nun also vollkommen durchgefroren vor seiner Tür und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Nein, noch hatte ich keine Abfuhr bekommen, daran wollte ich jetzt auch gar nicht denken. Die aufkommenden Tränen rührten schlichtweg daher, dass mein Arm sich anfühlte, als würde er in den nächsten Sekunden in tausend kleine Fetzen reißen. Der Schmerz war fast unerträglich und ich rechnete fest damit, dass die Wunde in den nächsten paar Minuten aufreißen würde, wenn ich mich nicht endlich mal in Bewegung setzen und etwas sinnvolles tun würde!

Ich atmete tief durch, versuchte den Schmerz mehr oder weniger zu verdrängen und drückte den Klingelknopf. Augen zu und durch. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sich endlich etwas auf der anderen Seite der Tür zu regen schien.

Doch dann hörte man wie auf der Türinnenseite ein Schlüssel herumgedreht wurde und nur wenig später starrten mich Hizumis helle Augen ungläubig an. „Was suchst du denn hier?!“ Er sah mich entgeistert an. Scheinbar sollte diese Frage aufgebracht und wütend klingen, aber in meinen Ohren klang Hizumis Tonfall eher ein wenig mitleiderregend. „Hizumi, ich muss mit dir reden. Bitte. Schick mich nicht schon wieder weg!“, sagte ich und stellte sicherheitshalber meinen Fuß zwischen Tür und Türrahmen. Immerhin hatte ich ja schon meine Erfahrungen gesammelt.

„Sag mal spinnst du? Ach warum frag ich überhaupt?! Du musst doch Schmerzen haben!“

Ich zuckte die Schultern und schaffte es sogar, ein schiefes Grinsen auf mein Gesicht zu zaubern. „Ja, hab ich in der Tat. Deswegen würdest du mir einen großen Gefallen tun, wenn du die verdammte Tür jetzt endlich richtig aufmachen würdest, damit ich hinter mich bringen kann, was ich vorhabe, ok? Je schneller ich das hinter mir habe, desto schneller verschwinde ich je nachdem auch wieder.“

Das schien ihm einzuleuchten und ohne mich aus den Augen zu lassen öffnete er die Tür. Erst jetzt sah ich, dass einen Pullover anhatte, der ihm fast bis zu den Knien reichte. Die viel zu langen Ärmel waren bis auf Handgelenkhöhe umgeschlagen und das erste Wort, das mir in den Sinn kam war 'süß'. Ich musste mich beherrschen, um mir ein reflexbedingtes Augenverdrehen, ausgelöst durch meine irgendwie schon wieder unglaublich schwulen Gedanken (Schockschwere Not!), zu verkneifen. Doch das änderte auch herzlich wenig. Er sah süß aus, das musste ich mir jetzt wohl oder übel eingestehen. Mittlerweile hatte er die Tür ganz geöffnet und sah mich fragend an. „Was ist denn?“

Ich setzte an etwas zu sagen, doch irgendwie fiel mir nichts sinnvolles ein. Also beschloss ich es auf die harte Tour zu versuchen und Taten sprechen zu lassen! Noch bevor Hizumi überhaupt verstand was ich da gerade tat, nahm ich sein blasses Gesicht vorsichtig in die Hände und küsste ihn.

Die ersten Sekunden, in denen ich realisierte, was ich gerade eigentlich tat, die ersten Sekunden, in denen ich seine kühlen, weichen Lippen auf meinen eigenen spürte, glichen einem Schlag vor den Kopf. In vielerlei Hinsicht. Zum einen meldete sich mein verwundeter Arm mit einer Art von Schmerz, die mich fast ohnmächtig werden ließ. Und zum anderen glaubte ich plötzlich zu wissen, was genau die Leute meinten, wenn sie von Insekten in der Magengegend sprachen. Ein ungewohntes Kribbeln machte sich in meinen Eingeweiden breit und mein Herz hämmerte fast schon schmerzhaft gegen meinen Brustkorb.

Hizumi schien in eine Art Schockstarre verfallen zu sein, seine rechte Hand war ruckartig zu meiner Schulter hinauf geschossen und er versuchte mich so auf Distanz zu halten, wenn auch anscheinend eher etwas halbherzig.

Aber so leicht gab ein Saga nicht auf! Zögernd bewegte ich meine Lippen gegen Hizumis und ganz allmählich schien er aufzutauen. Ich spürte, wie etwas Warmes meinen Unterarm hinab lief, doch das war jetzt nebensächlich, denn Hizumi begann endlich den Kuss zu erwidern, wenn auch noch ziemlich schüchtern.

Genau das war der Moment, in dem mein rationaler Verstand auf Sparflamme schaltete!

Wie von selbst schlossen sich meine Augen und die Schmetterlinge (Oder was auch immer das jetzt für Viecher sein sollten.) begannen von neuem zum fliegen,diesmal noch heftiger als ohnehin schon. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals eine solche Reaktion auf einen der Art unschuldigen Kuss gezeigt zu haben. Ich merkte, wie Hizumis Hand, die immernoch unverändert auf meiner Schulter ruhte, ihren Griff lockerte, doch gerade, als ich Anstalten machte, den Kuss zu vertiefen, löste sich mein Objekt der Begierde von mir.

Langsam öffnete ich die Augen, immernoch schlug mir das Herz bis zum Hals und erst jetzt bemerkte ich, dass ich die ganze Zeit das Atmen vergessen hatte. Hastig pumpte ich Luft in meine Lungen und warf nebenbei einen Blick auf meinen Arm, der unverändert auf Hizumis Schulter ruhte. Dunkle Flüssigkeit sickerte durch meinen grauen Mantel.

Blut.

Scheinbar war die Wunde aufgerissen.

Unwillig ließ ich sein Gesicht los und plötzlich machte sich ein bedrückendes Gefühl in mir breit. Hizumis helle Augen blickten mich verwirrt und ziemlich verständnislos an. Ich wusste nicht, ob es Einbildung war, aber irgendwie schien es mir, als ob Hizumis Wangen von einem leichten Rotschimmer überzogen waren. Konnten Vampire rot werden?

Er schien nach Worten zu suchen, schließlich fand er sie. „Was... Saga was hatte das zu bedeuten?“ Er sprach leise und seine Stimme klang rau. Ja. Was hatte das zu bedeuten?

Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen, um mich zu sammeln. „Hizumi. Ich glaube ich hab mich ehrlich in dich verliebt.“, gab ich zu und das bedrückende Gefühl in mir wuchs, je länger ich in seine hellbraunen Augen blickte.

„Meinst du das ernst?“

Ich hatte Mühe diese, fast schon geflüsterten, Worte zu verstehen und zu meiner Überraschung nickte ich, noch bevor er geendet hatte. Und plötzlich wurde mir etwas klar.

Ich meinte es ernst.

Ich meinte es tatsächlich ernst!

Ja, ich war verliebt und zwar in einen 200 Jahre alten, 1.68 großen Vampir. „Ja, ich meine es ernst. Sonst wäre ich nicht hier.“ Halb gelogen, aber egal. Ich musste ihm ja nicht unbedingt gleich nach dem ersten Kuss unter die Nase binden, dass die Aktion hier eigentlich eher eine Art Test gewesen war. Wie auch immer.

Die Kernaussage stimmte und nur das war entscheidend! Hizumi nickte schwach und sein Blick wanderte hinunter zu meinem rechten Unterarm, den ich fest gegen meinen Bauch gepresst hatte. Ein erbärmlicher Versuch, die Blutung zu stoppen. „Du solltest jetzt gehen, Saga. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch aushalte dein Blut direkt vor der Nase zu haben.“, murmelte er und sah zu Boden. Langsam aber sicher spürte ich, wie sich ein unsichtbares Seil um meine Kehle zu legen schien, das sich mit jedem Wort, das seinem Mund entkam, ein kleines Stück weiter zusammen zog. Ich schnappte unwillkürlich nach Luft.

„Was... heißt das jetzt?“, fragte ich leise. Doch im tiefsten Innern kannte ich die Antwort bereits. Ich las es in seinen Augen.

„Tut mir Leid. Ich mag dich... Aber die Gefühle, die du mir entgegenbringst, kann ich nicht erwiedern.“, flüsterte er, ohne mir in die Augen zu sehen. Ich nickte mechanisch. Der unsichtbare Strick um meinen Hals verstärkte seinen Druck. „Ok...“

Mehr fiel mir nicht ein. Hizumi sah betreten zu Boden, blickte dann kurz auf und ich konnte erkennen, dass seine Augen langsam hell wurden. „Geh jetzt.“

Wieder nickte ich. „Mach's gut. Du wirst mir fehlen.“ Mit diesen Worten machte ich auf dem Absatz kehrt und verließ das modern gestaltete Gebäude, in dessen zweiter Etage ich gerade die wohl verletzendste Abfuhr meines bisherigen Lebens bekommen hatte.

Ich bemerkte auf dem Weg nach Hause kaum, dass der Schmerz in meinem Arm mit jedem Schritt nachließ, genauso wenig bemerkte ich, dass die Hälfte meines Ärmels blutdurchtränkt war. Das einzige, das ich wirklich wahrnahm, war diese andere Form des Schmerzes, die Form, die sich nicht mit ein paar Pflastern und Salbe wieder heilen lässt. Seelischer Schmerz, Verlust gepaart mit einer ordentlichen Portion Liebeskummer. Denn soeben hatte ich begriffen, dass dies ein für alle mal das letzte Treffen zwischen Hizumi und mir gewesen sein sollte. Mir war schlecht und der Gedanke an diesen einen, kurzen Kuss, den ich vor wenigen Minuten erlebt hatte, versetzte mir einen heftigen Stich. Ich fühlte mich leer und ausgebrannt.

Verletzt.

So leise wie möglich öffnete ich die Tür, in der Hoffnung, einfach ohne weitere Gesprächsversuche oder Fragen meines großen Bruders, in mein Zimmer verschwinden zu können. Doch da mir das Glück an diesem Abend scheinbar einen Arschtritt verpassen wollte, saß besagter Bruder natürlich schon lauernd im Wohnzimmer. „Da bist du ja, ich hab mir schon -“ Er starrte entsetzt auf meinen Arm. „Wo warst du?!“ Und wieder einmal stand da jemand kurz vor dem alles vernichtenden Ausraster, doch an diesem Abend fehlte mir die Kraft zum Gegenargumente schleudern vollkommen. „Kannst du dir das nicht eh denken?“, fragte ich tonlos und unternahm einen ersten Versuch an Tsukasa vorbei in mein Zimmer zu gelangen, der natürlich vollkommen zwecklos war, da mein werter Bruder sich mir mit verschränkten Armen in den Weg stellte. „Saga jetzt erklärst mir bitte, wieso zum Teufel du ständig dein Leben riskierst! Du warst wieder bei diesem Blutsauger, stimmts?“

„Lass mich in Ruhe, ok?“, war alles, was ich auf diese sinnlose Frage entgegnete. Tsukasa kannte die Antwort sowieso, was sollte also dieser unnütze Drang zur Bestätigung? Er seufzte. „Nein, ich werde dich nicht in Ruhe lassen. Das muss verbunden werden!“ Er deutete vage auf meinen blutenden Arm. „Jetzt sag schon! Was wolltest du bei ihm?“

„Ich hab ihm gesagt was ich für ihn empfinde und er hat mir nen Korb gegeben, reicht dir das als Antwort?“, schrie ich meinen verblüfften Bruder an und machte Anstalten ihm den Rücken zu zu kehren. Ich hatte kein Lust mir schon wieder Vorwürfe und Moralpredigten anzuhören. Ein zweites Mal versuchte ich mich an Tsukasa vorbei zu drängen, für einen Moment glaubte ich sogar fast daran es zu schaffen, denn als ich einen Schritt an ihm vorbei ging, hielt er mich nicht zurück. Doch kurz bevor ich meine Zimmertür erreicht hatte, legte sich eine Hand auf meine Schulter und drehte mich langsam herum.

„Dann war da also kein Scherz? Heute am Telefon?“, fragte mein Bruder leise. Ich schüttelte wahrheitsgetreu den Kopf. Ich sah Tsukasa regelrecht an, dass ihm etwas auf der Zunge lag, doch scheinbar schaffte er es, seine Worte hinunter zu schlucken. Stattdessen zerrte er mich ins Badezimmer und begann dort, meine Wunde zu verarzten. Wir schwiegen uns an, während er sich um meinen blutenden Arm kümmerte. Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Oder vielmehr konnte. Noch etwas, das mich zusätzlich psychisch in die tiefsten Untiefen hinunter zog. So wie es aussah, vertraute ich meinem eigenen Bruder nicht mehr. Unwohlsein erfüllte mich und ich erhob mich augenblicklich, nachdem Tsukasa das Verbandszeug wieder bei Seite gelegt hatte. Ohne ein Wort machte ich einen dritten Anlauf endlich in mein Zimmer verschwinden, und mit mir und meinen Sorgen allein sein zu können. Doch wieder machte Tsukasa mir einen Strich durch die Rechnung. Dieses mal allerdings mit etwas, das ich zu diesem Zeitpunkt nicht von ihm erwartet hatte. Er nahm mich in den Arm. Einfach so. Ohne giftige Bemerkungen über Hizumi oder andere Untote, ohne blöde Belehrungen und ohne dämliche Kommentare.

Zugegebenermaßen brauchte ich eine ganze Weile, bis ich mich in der Lage dazu fühlte, die Umarmung zu erwiedern. Doch es half. Ein bisschen wenigstens. Ich fühlte mich nicht mehr ganz so alleine und zurückgewiesen. Ich konnte nicht einschätzen, wie lange wir so, schweigend und uns in den Armen haltend, im Badezimmer standen. „Willst du jetzt lieber allein sein?“, fragte Tsukasa schließlich in seinem gewohnt ruhigen Tonfall.

Ich nickte.

„Ok. Wenn du reden willst... oder so... Ich bin im Wohnzimmer.“

Ein winziges, kaum sichtbares Lächeln schlich sich auf meine Züge. „Danke.“ Kurz lehnte ich den Kopf an Tsukasas Schulter, dann löste ich mich von ihm und verbarrikadierte mich in meinem Zimmer.

Ich warf mich aufs Bett und versuchte mich an diese dämlichen Tipps gegen Liebeskummer zu erinnern, die man in jeder Zeitschrift und in jeder billigen Fernsehshow eingetrichtert bekam. Schokolade essen, sich ablenken, Weiber aufreißen, was mit Freunden unternehmen, Hassbriefe an die Person schreiben, die sich des Herzbruchs schuldig gemacht hat. Aber keines Falls abschicken. Immer schön direkt nach dem Schreiben zerreißen!

Ich griff nach meinem Kopfkissen und drückte es mit beide Händen energisch auf mein Gesicht. Momentan wollte ich nicht das geringste Fitzelchen von dieser ätzenden, ungerechten Welt mitbekommen.

Nichts sehen und nichts hören!

Und diese dämlichen Liebeskummerbewältigungstricks konnten sich die blöden Redakteure dieser Klatschblätter mal gepflegt in den Hintern schieben!

Hassbriefe schreiben war sinnfrei. Immerhin war ich verliebt in den Kerl, (noch) nicht mit ihm verfeindet. Bescheuerte Idee also!

Schokolade essen war keine schlechte Idee, aber langfristig gesehen ziemlich mies, denn wenn ich jetzt auch noch fett werden würde, dann Ade, schnödes Leben. Noch mehr Depression würde mein, sowieso schon angeknackstes, Herz nicht vertragen können.

Und einen drauf machen mit Kumpels. Auch beschissen. Ich wollte niemanden sehen, schon gar keine dämlichen Weiber die sich billig und willig auf meinem Schoß breit machten.

Spitze.

Jetzt dachte ich schon Dinge wie „dämliche Weiber“.

Im tiefsten Innern schloss ich einen Pakt mit mir selbst: Zu 100% (Nicht nur zu 80%, wie bisher!) hetero werden, sobald diese Hizumi-Sache überwunden war.

Falls sie das je vollkommen sein würde...
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

Und Schluss.

Tja, ist halt nicht so einfach sich als Mensch einen Vampir zu angeln u_u

Aber drücken wir Saga mal die Daumen, vielleicht findet sich ja doch noch eine Möglichkeit ;)

Lost

wasn stress!

irgendwie gab es massive probleme mit dem hochladen, dann war ich ne weile nicht zuhause, konnte also keinen 2. upload versuch starten, dann wurde noch was an der story gedreht, es musste nochmal beta gelesen werden, blabla.

so..und auch wenn es eig für den 23. vorgesehen war u_u *schäm*

hier ist es...das 14. kapitel!

und zum ersten mal kommt blake höchstpersönlich vor *tätä~*

nachträglich wünsche ich allen meinen lesern frohe weihnachten!


 

enjoy.
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 


 

Hizumis POV
 

Mit zitternden Händen schloss ich die Tür und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Ich hielt die Luft an, um mich wieder einigermaßen sammeln zu können. Es dauerte gute fünf Minuten, bis ich wieder fähig war, halbwegs klar zu denken. Erschöpft ließ ich mich, immer noch mit dem Rücken an der Tür, zu Boden sinken. Mein Kopf dröhnte. Langsam realisierte ich, dass ich eben tatsächlich Sagas Lippen auf meinen gespürt hatte. Mein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Auf jeden Fall fühlte es sich so an. Für gewöhnlich krampfen tote Herzen ja nicht.

Ich hatte nicht mit ihm gerechnet. Nur deswegen hatte ich die Tür überhaupt geöffnet. Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass es Saga war, der auf der anderen Seite stand. Deshalb hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, in seine Gedanken einzudringen.

Es war mir einfach nicht in den Sinn gekommen, dass er tatsächlich so verrückt sein könnte, mich noch einmal aufzusuchen, nach alldem, was in den letzten Tagen passiert war. Ich wollte mir nicht vorstellen, welche Schmerzen er ertragen hatte, nur um mich zu sehen. Ich vergrub das Gesicht in den Händen und konzentrierte mich auf meine Atmung. Der bloße Gedanken an Sagas Worte und den Kuss löste eine fast schon körperlich schmerzhafte Gefühlswelle aus. Doch verdrängen ließen sich die Gedanken nicht, das musste ich schon zu bald feststellen. Ich versuchte mich verzweifelt am Riemen zu reißen. Bloß nicht heulen. Nicht schon wieder.

In mir herrschte ein erdrückendes Wirr-Warr aus den verschiedensten Gefühlen. Hass, auf mich selbst und auf das, was ich war. Hass auf mich, weil ich ihn hatte anlügen müssen. Hass auf mich, weil ich ihm Angst einjagte.

Enttäuschung und Trauer, weil ich nicht mit demjenigen zusammen sein konnte, den ich liebte.

Die Tatsache, dass Saga scheinbar auch Gefühle für mich hatte machte alles noch um einiges schlimmer.

Ein winziger Funken gedankenloses Glück, weil Saga mir die selben Gefühle entgegen zu bringen schien, die ich für ihn empfand.

Doch was nützte das schon?

Es war vorbei.

Endgültig.

Etwas, das nie hatte sein sollen und dürfen, war endgültig vorbei. Beendet und gekrönt durch einen kurzen Kuss, buchstäblich zwischen Tür und Angel. Ohne, dass ich es verhindern konnte, bahnte sich die erste Träne ihren Weg über meine Wange. Die Erinnerung an das Gefühl, das mich während des Kusses durchflutet hatte, wurde nahezu übermächtig und ich presste die Hände fester gegen meine brennenden Augen. Der innere Schmerz wuchs von Sekunde zu Sekunde, fraß mich regelrecht auf.

Vorbei.

Die Dämme waren endgültig gebrochen und ich saß auf dem Boden, die Hände vor's Gesicht gepresst und heulte wie ein kleines Kind. Ich vergoss Tränen um eine Liebe, die sich nicht erklären ließ und absolut keine Zukunft hatte. Für gewöhnlich verliebt sich die Beute nicht in den Jäger, genauso wenig wie umgekehrt. Eine solche Beziehung würde früher oder später tödlich enden, für einen von Beiden.

Es war vollkommen aussichtslos.

Ich wusste nicht wie lange ich so da saß und mich fragte, wieso ich mein Herz an einen Menschen hatte verschenken müssen und was zur Hölle man an mir überhaupt liebenswert finden konnte. Vor allem als Sterblicher. Saga musste wirklich irgendwo eine Schraube locker haben. Unwillkürlich huschte ein kurzes Lächeln über mein Gesicht, als ich daran dachte, auf welche Art wir uns kennengelernt hatten. Er hatte mich umgerannt, sich danach tausendmal entschuldigt. Und ich hatte den größten Fehler meines bisherigen Daseins begangen. Ich hatte ihn nett gefunden und den Nachmittag mit ihm verbracht.

Obwohl ich es besser hätte wissen müssen. Es war pure Selbstsucht gewesen, nichts weiter. Und jetzt musste der, der mir etwas bedeutete, unter den Konsequenzen leiden. Ich widerte mich an. Mein Egoismus widerte mich an. Ja, ich war einsam und ja, ich suchte jemanden den ich lieben konnte, der mich liebte. Doch wieso musste ich mir immer diejenigen aussuchen, die schlichtweg etwas Besseres verdient hatten?

Saga hatte etwas Besseres verdient. So viel stand fest. Vor allem hatte er jemanden verdient, der ihn nicht bei jeder nächstbesten Gelegenheit angriff, ihm Schmerzen zufügte und ihm Angst einjagte. Es war mir absolut unverständlich, dass er mich scheinbar wirklich liebte. Aber hatte die Wahrheit gesagt, das wusste ich. Es war offensichtlich gewesen.

Ich versuchte mich zu beruhigen, doch wieder einmal wollte mein Körper nicht so wie ich. Also gab ich nach, ließ den Tränen freien Lauf. Ich hatte nicht die Kraft weiterhin gegen sie anzukämpfen. Ich schloss meine schmerzenden Augen, schlang die Arme um den Bauch und saß schluchzend auf dem Fußboden.

Ich dachte an Saga. Je weiter er sich von mir entfernen würde, desto besser würde es ihm gehen. Körperlich zumindest. Ich hoffte, dass er sich nicht genauso beschissen fühlte wie ich.

Ich wusste, dass ich mir jetzt eigentlich wünschen musste, dass Saga schnell über die Sache hinweg kam, jemand Neues fand und glücklich wurde. Aber beim bloßen Gedanken daran, dass Saga jemand anderen lieben, anlächeln und küssen würde, wurde mir schlecht und tiefe Eifersucht ergriff mich.

Doch ich hatte kein Recht eifersüchtig zu sein. Saga konnte machen was er wollte, ich würde keinen Platz mehr in seinem Leben haben, hatte keinen Einfluss auf ihm, weil er mich irgendwann einfach vergessen würde. Eine Person die in Vergessenheit gerät, wird einem früher oder später egal. Und jemand, der einem egal ist, hat kein Recht mehr darauf, einflussreich zu sein.

Diese Erkenntnis schmerzte.

Ich wollte nicht, dass ich ihm egal war. Auf der anderen Seite wünschte ich es mir, es war das Beste für Saga und ich wollte immerhin, dass er glücklich war.

Und das würde er mit mir niemals werden können.

Nicht als Mensch.

Wieder wurde mir bewusst, wie sehr ich mir wünschte, einfach mit ihm zusammen sein zu können. Wie sehr ich mir wünschte ein Mensch zu sein.

Kleine Alltagsprobleme lösen zu müssen, älter zu werden, eine normale Beziehung führen zu können.

Dies würde jedoch ein Traum bleiben müssen.

Ich war tot.

Und Tote haben bekanntlich kein Leben...
 


 

Zeros POV
 

Ich saß auf dem Sofa, die Beine ausgestreckt, mit den Füßen auf dem Wohnzimmertisch. Draußen war es bereits dunkel geworden und im Fernsehen lief mal wieder der selbe Mist wie immer. Aber womit sollte man sich sonst beschäftigen? Ich war der festen Überzeugung, kotzen zu müssen, wenn ich auch nur ein winziges Fitzelchen, das mit dem Wort „Arbeit“ verbunden war, sehen musste. Plötzlich spürte ich ein Gewicht auf meiner Schulter. Verwirrt blickte ich zur Seite und sah Toshiyas braunen Haarschopf, der an meine rechte Schulter gelehnt war. Behutsam beugte ich mich vor, um in Toshiyas Gesicht sehen zu können, denn das war mir nun doch ein bisschen zu viel menschliche Nähe. Nicht, dass es meine Kontrolle beeinflusste, es war mir schlicht und ergreifend unangenehm. So viel Nähe war ich nicht gewöhnt.

Ich musste mich ziemlich verrenken, um das Gesicht des Jungen überhaupt erkennen zu können. Toshiya schlief tief und fest. Ich fragte mich immer wieder, wie eine einzelne Person nur so viel schlafen konnte. Seine Züge waren vollkommen entspannt und einige vereinzelte Haarsträhnen fielen ihm wirr in die Stirn, die Lippen hatte er einen kleinen Spalt breit geöffnet und seine Wange lehnte an meiner Schulter. Ich seufzte lautlos.

Toll.

Jetzt war der Typ eingepennt und ich konnte hier bis zum Sankt Nimmerleins Tag sitzen bleiben, denn wenn ich mich jetzt bewegen würde, dann hätte das zur Folge, dass eine gewisse Schlafmütze aufwachen würde. Ich warf einen letzten Blick auf das schlafende Gesicht und lehnte mich vorsichtig zurück, um ihn nicht zu wecken. Im TV erzählte eine fette Tante mit unvorteilhafter Frisur etwas über Wandfarbe. Wer dachte sich so einen Müll eigentlich aus?

Plötzlich meldete sich etwas in meinem Kopf.

Karyu.

//Was willst du denn schon wieder?!//, fragte ich und gab mir keine Mühe nicht angepisst zu klingen. Das war mal wieder typisch! Jetzt nervte er mich auch noch, wenn ich nicht mit ihm rechnete!

//Dir auch einen wunderschönen guten Abend, Zero.//

//Ja, N'abend. Also. Was ist?//

//Sag mal, hast du irgendwas von Hizumi gehört? Ich mach mir Sorgen um ihn.//

Ich verdrehte die Augen. Das war schon wieder absolut Karyu-Typisch! Mich motzte der Kerl an, wenn ich Hizumi in Schutz nahm. Der Junge müsse auch mal alleine klar kommen. Dummes Gewäsch. Ich war nicht der jenige, der sich ständig Sorgen um Hizumi machte. Karyu war es doch, der sofort austickte, sobald jemand seinem Kleinen auch nur zu nahe kam.

//Nein, hab ich nicht. Wieso machst du dir Sorgen?//

//Ich weiß nicht. Ich glaube ihm geht’s ziemlich mies momentan. Kam bei mir zumindest so an.//

Ich überlegte kurz. In der Tat hatte Hizumi sich seit längerem nicht mehr bei mir gemeldet. Es war gut möglich, dass er in Schwierigkeiten steckte und Karyu unbewusst daran teilhaben ließ. Es war nicht ungewöhnlich, dass man als Vampir einen besonderen Draht zu einem seiner „Kinder“ hatte. Und wenn man bedachte, wie nahe sich Karyu und Hizumi standen, war das nur logisch. Es war schon öfter vorgekommen, dass Karyu seinem Schützling aus brenzligen Situationen heraus geholfen hatte, weil er schlichtweg hatte spüren können, dass etwas bei Hizumi nicht stimmte.

Und auch, wenn ich selbst Hizumi lange Zeit als eine Art Lehrer gedient hatte, es eigentlich immer noch tat, so war es doch Karyu, an dem Hizumi besonders zu hängen schien. Warum auch immer. Ich konnte beim besten Willen nicht nachvollziehen, wie man diesem Kerl etwas abgewinnen konnte.

Aber gut. War eigentlich nicht mein Bier. Ich war froh, wenn ich meine Ruhe hatte!

//So, glaubst du? Wie wär's wenn du deinen Hintern dann mal zu ihm schleppen würdest um nachzusehen, anstatt mich hier zu belästigen?//

//Ist ja gut, du Zicke. Hatte ich eigentlich eh vor, aber ich ersticke in Arbeit. Irgendein Vollidiot hat es fertig gebracht einen Jungvampir im westlichen Viertel unbeaufsichtigt herumwüten zu lassen. Ich denke den Rest kannst du dir ausmalen. Ich versuche im Moment alles zu richten, was überhaupt noch richtbar ist. Immerhin sind die Leichen schon weg...//

//Na wunderbar. Warum müssen eigentlich wir diesen Job machen?!//

//Frag die Kalk-Fresse in Moskau.//

//Schon gut. Ich werd gleich mal bei Hizumi vorbeischauen. Gute Nacht!//

Somit beendete ich unser gedankliches Gespräch und schnaubte leise. Ich brauchte nicht in den Spiegel zu sehen, um zu wissen, dass meine Augen eine hellgelbe Färbung angenommen hatten. Und wie es der Zufall wollte, begann sich just in diesem Augenblick etwas neben mir zu regen.

Toshiya.

Wieso wachte der ausgerechnet jetzt auf?! Irgendein höheres Wesen hatte es mal wieder auf mich abgesehen, aber diese Meinung vertrete ich eh schon seit ich denken kann. Toshiya blinzelte, gähnte und setzte sich auf. Er rieb sich verschlafen die Augen und lächelte mich an. „Bin ich eingeschlafen?“

Ich wandte mein Gesicht stur dem Fernseher zu und versuchte meine Augenfarbe in den Griff zu bekommen. Auch, wenn er wusste, was ich war, er musste nicht unbedingt mitbekommen, dass ich wirklich so unmenschlich bin, wie ich es nunmal der Fall ist.

„Ja, bist du.“, antwortete ich knapp. „Ist alles ok?“, fragte Toshiya zögerlich. Offensichtlich hatte mein Tonfall ihn verwirrt. Bevor ich etwas dagegen unternehmen konnte, hatte sich ein junges Gesicht mit zwei großen, braunen Augen, direkt vor das meinige geschoben. Toshiya sah mich irritiert an.

„Was ist mit deinen Augen los?“ Er klang unsicher, nicht verängstigt, aber unsicher.

„Ich hatte eben ein Gespräch via Gedankenübertragung mit einem anderen Vampir. Es ist normal, dass sich meine Augenfarbe nach so etwas ändert. In ein paar Minuten hat sich das allerdings wieder normalisiert.“, sagte ich sachlich und wahrheitsgetreu. Wieso sollte ich noch weiterhin lügen? Toshiya wusste sowieso schon mehr als mir und allen anderen lieb war. Da kam es darauf auch nicht mehr an.

Er nickte und schien es ohne weiteres hinzunehmen.

Komisches Kerlchen.

Ehrlich mal.

Ich erhob mich und strich meinen Pullover glatt. „Toshiya ist es ok, wenn ich mal für ne Stunde oder so weg bin?“

Er sah mich groß an. „Wo willst du denn hin?“

„Ich will nur mal kurz nach Hizumi schauen, er könnte eventuell Probleme haben.“

Auch Toshiya setzt sich nun etwas aufrechter hin und sah mich interessiert an. „Hat er dir das über Gedankenübertragung gesagt?“, fragte er und legte den Kopf schräg.

Ich verneinte.

„Jemand anders hat es mir gesagt. Karyu. Der große, miesepetrige Kerl, der ab und an hier auf der Matte steht, erinnerst du dich?“. Wieder ein Nicken. „Ja, der der so böse guckt.“

Das brachte mich zum Lachen, denn ich konnte mir nur zu gut vorstellen, mit welcher Art von Blick Karyu Toshiya angesehen hatte.

„Ich bin so gegen zehn wieder da, ok?“

„Ist gut.“ Er strahlte mich an und irgendwie konnte ich nicht anders als zurück zu lächeln.

Noch während ich mich im Flur in meinen Mantel einwickelte, dachte ich daran, dass dieser Junge eine merkwürdige Faszination auf mich ausübte. Ich konnte nicht in Worte fassen, was genau er in mir auslöste, aber irgendetwas an ihm machte mir das Lächeln einfacher.
 

Wenig später stand ich vor Hizumis Haustür und klingelte Sturm. Es dauerte lange, bis sich die Tür einen Spalt öffnete und Hizumi mich aus geröteten Augen anstarrte.

„Was suchst du denn hier?“

„Ich wollte gucken ob's dir gut geht. Karyu meinte, dass das eventuell nicht der Fall sein könnte. Und scheinbar hatte er ja Recht.“

Hizumi senkte den Blick und trat einige Schritte zurück, um mich eintreten zu lassen. Nachdem ich das assoziale, weiß bepelzte Ungetüm unsanft vom Sofa geschubst und ein Fauchen als Antwort erhalten hatte, setzte ich mich und wartete darauf, dass Hizumi mit der Sprache heraus rückte.

Das ließ nicht lange auf sich warten. Mittlerweile wusste er, dass der Versuch etwas Wichtiges zu verbergen zwecklos war. Was er erzählte sorgte dafür, dass meine Augenbrauen sich unwillkürlich hoben. Ich konnte nicht fassen, was ich da hörte. Dieser Saga schien einen verdammten Dachschaden zu haben. Entweder das, oder er war wirklich bis über beide Ohren verliebt. Vielleicht ließ sich das aber auch beides mühelos verbinden.

Während er sprach schien Hizumi durchgehend mit den Tränen zu kämpfen und er tat mir ziemlich Leid. Immerhin wusste ich, wie schwer es war, die gehen zu lassen, die man liebt. Ich konnte nachvollziehen, wie er sich fühlte.

„Ich weiß, dass dich das nicht wirklich aufmuntern wird. Aber sieh's mal so. Immerhin besteht so nicht mehr die Gefahr, das du ihm... Naja... noch mehr tust.“

Ich fand mich selber scheiße!

Diese Worte waren nun mehr als unpassend gewesen. Schien mein Gegenüber auch so zu sehen, denn er senkte betreten den Blick und murmelte ein schwaches

„Ja, das ist aber auch das einzige Gute an der Sache...“

Eine unangenehme Stille entstand.

„Ich hasse den Gedanken daran, dass er mich irgendwann vergessen und mit jemand anderem glücklich werden könnte. Andererseits wünsche ich ihm genau das.“, sagte Hizumi fast im Flüsterton, mehr zum Fußboden, als zu mir.

Ein Seufzen entfuhr mir. „Glaub mir, ich weiß genau, was du meinst. War bei meiner Familie damals genauso. Und auch wenn's schon über vierhundert Jahre her ist. Ich erinnere mich noch genau daran, wie es war, sie zurück lassen zu müssen.“ Ich lächelte schief und versuchte, die Gefühle, die mich bei dieser Erinnerung überfielen, nicht zu mächtig werden zu lassen.

Hizumi nickte und knetete geistesabwesend seine Finger. „Willst du mit zu mir? Oder willst du lieber allein sein?“, fragte ich vorsichtig nach. Ein Schulterzucken war die Antwort. „Weiß nicht. Hast du nicht immer noch diesen Typ da?“

„Er heißt Toshiya.“

„Ist doch egal wie der heißt.“

„Nein, ist es nicht!“

Ich verschränkte die Arme und Hizumi sah mich stirnrunzelnd an, gab aber keinen Kommentar ab. „Ich glaub ich bleib hier. Sonst zickt der Kater wieder. Ich werd mich ins Bett legen und die nächsten fünfhundert Jahre schlafen. Das wäre das Beste, glaub ich.“ Hizumi lächelte verunglückt und strich sich fahrig einige Haarsträhnen aus dem Gesicht.

„Wie du willst. Also wie gesagt. Du kannst jederzeit vorbeikommen, wenn dir danach ist. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du auch bei Karyu offene Türen einrennen wirst.“

„Danke.“

Es war nur ein kurzes Lächeln und wirkte noch ziemlich schief, aber es war ehrlich, das sah ein Blinder. Ich erhob mich und umarmte Hizumi, der immer noch auf einem der Wohnzimmersessel saß. Ich spürte, wie er seine Wange gegen meinen Bauch drückte und seinerseits die Arme um mich schlang.

„Mach's gut.“ Ich löste die Umarmung und sah ihm prüfend in die Augen. „Und trink mal was. Du siehst halb verhungert aus.“, fügte ich hinzu und wandte mich zum Gehen.

Auf dem Nachhauseweg versuchte ich krampfhaft an etwas zu denken, das mich ablenkte.

Denn die Ereignisse meiner Vergangenheit hatten es sich scheinbar in den Kopf gesetzt, erneut durch meine Gedanken zu geistern.

Und auch wenn die damaligen Geschehnisse längst vergangen waren, so war der psychische Schmerz, den sie mit sich brachten noch genauso heftig wie vor fünf Jahrhunderten...
 


 

Moskau, Krypta 15.20 Uhr
 

Leise Schritte verhallten in der nasskalten Dunkelheit der unterirdischen Gänge. Der Lärm der überfüllten Straßen, die sich nur wenige Meter oberhalb der Krypta befanden, war nur als dumpfes Grollen zu erahnen. Natalia lief mehr, als dass sie ging und jeder Schritt führte sie tiefer in die Eingeweide der Stadt. Nach einer unbestimmten Zeit verlangsamte sich ihr Gang und sie straffte sich.

Eine in die schimmelnde Wand eingelassene Eisentür versperrte ihr den Weg und die Vampirin rammte ihre geballte Faust äußerst unsanft gegen das rostende Metall.

Fast augenblicklich wurde die Tür von einem hochgewachsenen, braunhaarigen Mann geöffnet, der Natalia aus hellbraunen Augen ansah. „Was willst du?“

„Ich will mit Blake sprechen. Sofort.“

„Er möchte momentan nicht gestört werden.“

„Du weißt wohl nicht, wen du hier vor dir hast!?“

„Blake sagte, dass er unter keinen Umständen gestört werden möchte. Ich befolge nur seine Anweisungen!“ Der breitschultrige Vampir war auf dem besten Weg, Natalia die Tür vor der Nase zuzuschlagen, doch die stemmte sich mit aller Kraft dagegen. „Glaub mir, es wird ihn interessieren! Und falls er rausbekommt, dass ihm eine Information von solcher Wichtigkeit vorenthalten wurde, nur weil ein kleiner, unbedeutender Türsteher wie du, mich daran gehindert hat, ihm Bericht zu erstatten... „ Sie beendete den Satz nicht, sondern schritt mit einem überheblichen Lächeln auf den Lippen an dem Größeren vorbei.

„Ihr jungen Dinger wisst nicht mehr, wo euer Platz ist.“, sagte sie im Vorbeigehen und würdigte die Wache keines Blickes mehr.

Wo eben noch schimmliger, nasser Lehm als Untergrund gedient hatte, erstreckte sich nun ein schier endloser Marmorboden. Die Wände waren mit einer dunklen Täfelung versehen und von Zeit zu Zeit passierte man eine der alten Ahnengrabtafeln. Vor einer zweiten Tür kam Natalia erneut zum Stillstand. Sie klopfte an, diesmal jedoch wesentlich zaghafter, als beim ersten Mal.

„Ja?“, ertönte es gedämpft durch das dicke Holz der Tür aus dem dahinter liegenden Raum.

Langsam öffnete die blonde Vampirin die Tür und betrat den in dämmriges Licht getauchten Raum.

Mit einer kurzen, aber tiefen Verbeugung blieb sie nur wenige Zentimeter von der, nun geschlossenen, Tür entfernt stehen. „Sir, es tut mir Leid, Euch stören zu müssen, aber ich habe etwas gehört, das ziemlich wichtig sein könnte.“

„So, hast du das?“

Die Blondine nickte, wagte jedoch nicht, sich von der Stelle zu rühren.

„Komm rein und setz dich. Wenn es wirklich so wichtig ist, wie du sagst, dann bitte ich darum, zu erfahren, was du mir sagen möchtest.“, sagte eine leise, tiefe Stimme aus einer der hinteren Zimmerecken. Wie auf Knopfdruck ging Natalia, geschmeidig wie immer, in die Richtung, aus der die Stimme kam und ließ sich auf ein dunkelrotes Kanape fallen.

Sie hob den Blick und sah in das blasse Gesicht eines schwarzhaarigen Mannes, der, die Hände über den Knien gefaltet, zurückgelehnt in einem antiken Sessel saß.

Sein glattes Haar fiel ihm weich über die eher schmalen Schultern und seine Kleidung wollte so gar nicht in das altertümliche Ambiente des Raumes passen. Schwarze Jeans und eine gleichfarbige Bluse. An den Füßen trug er schwarz-weiß geringelte Socken.

„Also, Natalia, dann lass mal hören.“, sagte Blake lächelnd.

Höflich erwiderte die Angesprochene das ihr entgegengebrachte Lächeln.

„Es geht um den Tokyoter Clan.“

Blakes Grinsen wurde breiter. „So, um Karyu und seine Anhängsel also?“, fragte er amüsiert. Zustimmendes Nicken. Natalia faltete die Hände in ihrem Schoß, bevor sie fortfuhr. „Es ist etwas geschehen. Mehrere Dinge sogar. Sicher ist noch nichts, aber die Gerüchte werden immer extremer. Die halbe Unterwelt spricht bereits darüber.“

Blake lehnte sich vor und sah prüfend in Natalias hübsches Gesicht. „Die halbe Unterwelt also? Und wie kommt es dann, dass die halbe Unterwelt bereits informiert ist, nicht aber der, der über sie gebietet?“

Eingeschüchtert senkte die Blonde den Blick. „Verzeiht mir, aber auch mich erreichte diese Nachricht erst vor kurzem. Von wem sie ursprünglich stammt ist mir leider nicht bekannt.“

Der Vampir winkte ab.

„Egal. Und was bitte soll diese offensichtlich so interessante Nachricht beinhalten?“, fragte er gelangweilt und begann an einem Fussel seines Oberteils herum zu piddeln.

„Also... Wenn es stimmt, was sie sagen, dann wäre es durchaus möglich, dass einer eurer Söhne in Karyus Revier aufgetaucht ist...“

Transgression

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Transgression [censored version!]

für alle unter 18-jährigen gibts hier die zensierte version des 15. chaps.

im vorfeld: toshiya wird leiden. im nächsten kapitel ist saga dran "xD

sie alle werden ihr fett früher oder später weg bekommen und ich freue mich tierisch darauf, das alles noch zu tippen! :D
 

enjoy! ♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*

kinder... mein erster adult versuch... bitte seid gnädig, ich bin einfach nicht dafür geschaffen, so etwas zu schreiben "xD

ich hoffe, dass es nicht allzu schlecht geworden ist u_u falls doch, dann entschuldige ich mich hiermit öffentlich und in aller form!
 

enjoy!
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

Nächster Tag, 18.49 Uhr, Campus ...
 

Tsukasas POV
 

Ich stand gegen eine schmutzige Mauer des Unigebäudes gelehnt da und rauchte. Eigentlich hatte ich mir vor einem halben Jahr geschworen, nie wieder etwas Zigarettenähnliches anzufassen, geschweige denn einen Zug zu nehmen, doch irgendwie musste ich mich ja beruhigen. Ich stieß einen zittrigen Atemzug aus und sah zu, wie sich der bläuliche Rauch langsam ins Nichts auflöste. Schon den ganzen Tag war ich von einer Unruhe befallen, die meine Nerven langsam aber sicher blank legte. Ich warf die Zigarettenleiche in den extra dafür vorgesehenen Behälter und verließ langsam das Campusgelände. Der Himmel war wolkenverhangen und fast vollständig schwarz. Irgendwie schien das Wetter in diesem Herbst generell so scheiße zu sein, wie schon lange nicht mehr.

Während ich, langsamer als sonst, den Heimweg antrat, schwirrten tausend Gedanken in meinem Kopf herum. Es war nicht schwer gewesen, herauszufinden, wo genau Saga mal wieder gewesen war. Ich hatte gehofft, dass er langsam zur Vernunft kommen würde, doch scheinbar lag ich da massiv falsch! Ich hatte Angst um meinen Bruder.

Denn selbst, wenn dieser Hizumi ihm offensichtlich eine gehörige Abfuhr erteilt hatte (was mich doch ziemlich wunderte), wurde ich das Gefühl nicht los, dass Saga weiterhin in Gefahr schwebte. Plötzlich kam mir ein anderes Gesicht in den Sinn.

Karyu.

Er war mir für eine Weile vollkommen entfallen, die Sorge um Saga hatte schlichtweg überwogen. Ich musste mich am Riemen reißen! Dieser Vampir war eine ziemlich harte Nuss. Ich wusste es zwar nicht genau, aber seine ganze Art, sein Verhalten, einfach alles an ihm ließ darauf schließen, dass er ziemlich mächtig war. Mächtiger vielleicht als alles, was mir bis jetzt untergekommen war. Ich stopfte die Hände in die Manteltaschen und starrte auf den dreckigen Gehweg. Fieberhaft überlegte ich, wie ich es schaffen konnte, Karyu unschädlich zu machen. Auf normalem Wege war es wahrscheinlich unmöglich, er war stärker als ich und kannte mittlerweile meinen Schwachpunkt. Saga.

Noch etwas, das mir Angst einjagte. Wenn ich Karyu richtig einschätzte, dann war er dazu fähig Saga etwas anzutun, nur um mir eins auszuwischen. Und bevor es überhaupt so weit kommen konnte, musste ich ihn erledigen.

Punkt.

Ich konnte nicht zulassen, dass mein kleiner Bruder in Dinge hineingezogen wurde, mit denen er nichts zu tun hatte. Wobei das mittlerweile ja auch nur noch bedingt der Fall war. Zu allem Überfluss musste der Herr sich ja in einen Untoten verlieben, der scheinbar auch noch Karyus Schöpfung war. Toll.

Hundert Gummipunkte!

Wieso passierte so was eigentlich immer nur mir? Oder bildete ich mir das ein? Passierte so was auch anderen Menschen?!

Plötzlich legte sich eine kalte Hand auf meinen Mund, ein zweiter Arm wurde um meine Brust geschlungen und presste mir die Arme gegen die Seiten, machte mich so bewegungsunfähig. Panik erfasste mich, als ich schwere Atemzüge im Nacken spürte. „Halt Ruhe, dann passiert dir nichts, ok?“, murmelte eine raue Stimme. Ich versuchte, meine Hand unbemerkt in Richtung Manteltasche wandern zu lassen, denn dort befand sich mein Messer. Doch dies blieb offensichtlich nicht verborgen. Ich keuchte vor Schmerz und Überraschung auf, als sich ein Knie mit voller Wucht in meinen Rücken rammte. „Ich hab gesagt, du sollst ruhighalten, hörst du schlecht, oder was?“, sagte die Stimme aufgebracht und die Hand wich von meinen Lippen und hielt mich zusätzlich fest.

„Was willst du?“, brachte ich keuchend heraus.

„Deine Kohle und zwar ein bisschen plötzlich!“

„Ich hab kein Geld dabei.“, antwortete ich. Und das stimmte sogar. Ich nahm selten Geld mit, wenn ich zur Uni ging. Wozu auch? „Du verarschst mich doch!?“ Die Stimme klang noch wütender als zuvor und erneut traf mich ein Tritt in den Rücken. Ich versuchte mich los zu reißen, doch wer auch immer mich da festhielt, war stärker als ich. „Du gibst mir jetzt deine verdammte Kohle, oder ich mach dich kalt, kapiert?!“

Mein Herz klopfte wie verrückt. Ich wusste nicht wer genau mich hier eigentlich gerade überfiel, aber ich tippte darauf, dass es irgendein heimatloser Junkie war. In diesem Teil der Stadt liefen da so einige herum. Ich hatte ein ziemlich großes Problem. Den Reflex unterdrückend, der mich zur Gegenwehr animierte, beteuerte ich erneut, dass ich kein Geld dabei hatte, doch scheinbar stieß dieser Satz auf taube Ohren. Urplötzlich spürte ich eine kühle Klinge an meiner Kehle. „Verarsch mich nicht, du Wichser. Sag mir wo du dein beschissenes Geld hast, oder ich schlitz dich auf.“ Mir sackte das Herz in die Kniekehlen. So wollte ich nicht enden! Wenn schon sterben, dann entweder als alter Mann und eines natürlichen Todes, oder im Kampf. Aber nicht so! Ich wollte nicht am nächsten Morgen von irgendeinem Passanten entdeckt werden, der feststellte, dass ich verblutet und tot auf dem Gehweg lag, erstochen von einem zugedröhnten Stricher!

Panisch überlegte ich, wie ich mich aus der Situation heraus manövrieren konnte.

„Ey, Kleiner. Lass ihn los, okay?“, sagte eine tiefe Stimme aus dem Dunkel. Ich merkte, wie mein Angreifer zusammenzuckte, doch er wich nicht von der Stelle, hielt mich weiterhin eisern fest. „Verpiss dich!“, blaffte es hinter meinem Rücken.

„Das werde ich ganz sicher nicht tun. Du lässt ihn jetzt los, verstanden, du kleiner Bastard?“ Mit einem Mal machte es Klick und ich wusste, zu wem die Stimme gehörte, die da gerade gesprochen hatte. Es war eindeutig Karyus Stimme! Jetzt verstand ich nur noch Bahnhof! Was zur Hölle wollte der Vampir hier?

„Wie hast du mich genannt?!“, rief es zornig hinter meinem Rücken.

„Ich nannte dich einen kleinen Bastard. Wobei. Ich korrigiere mich. Du bist ein kleiner, dreckiger Bastard. Du stinkst bis hier hin! Nimm lieber mal ein Bad, anstatt dir jeden Morgen eine Dosis zu drücken, das würde dir mehr bringen.“ Ein leises, melodisches Lachen ertönte und der Griff des Junkies um meinen Brustkorb verfestigte sich.

„Nimm das zurück, oder ich schlitz den Kerl hier auf der Stelle auf!“

„Oh nein, das wirst du nicht tun. Du wirst ihn nicht umbringen. Das ist mein Privileg.“ Ich hörte, dass Karyu lächelte „Niemand außer mir wird ihn töten. Nur damit das klar ist.“

Eine kurze Pause entstand und irgendwie kam mein Verstand nur langsam mit. Wobei es logisch war, dass Karyu etwas dagegen hatte, wenn ich einfach so umgebracht wurde, ohne dass er sich hatte austoben können. Das sah ihm ähnlich. Er schien den Spaß ungern anderen zu überlassen.

„Du bist doch irre!“

„So, bin ich das? Im Gegensatz zu dir, habe ich es nicht nötig, Leute zu überfallen, um an ein bisschen Geld zu kommen. Und jetzt lass ihn los.“

Das Messer bohrte sich in meinen Hals und ich keuchte überrascht auf. Etwas Warmes rann langsam meinen Hals hinab, sammelte sich zwischen meinen Schlüsselbeinen und wurde schlussendlich vom Stoff meines Schals aufgesogen. Ungefähr so musste Hizumi sich gefühlt haben.

Ein Schrei ertönte und die Arme waren verschwunden. Ruckartig drehte ich mich um und sah einen dünnen, schwarzhaarigen Mann wimmernd am Boden liegen und sich den rechten Arm haltend. Nur einen halben Meter entfernt stand Karyu, in einen schwarzen Mantel gekleidet und blickte mit einem kühlen Lächeln auf die sich am Boden windende Gestalt.

„Du solltest wirklich besser auf dich Acht geben. Du bist ganz schön dünn und gebrechlich.“ Der Vampir lächelte immer noch. Ich blickte entsetzt auf das Bild, das sich mir bot. Der Fremde wand sich unter Schmerzen und schien nicht mehr im Stande zu sein auch nur ein klares Wort von sich zu geben.

„Was hast du mit ihm gemacht?“, fragte ich mit zitternder Stimme und tastete vorsichtig meinen Hals ab. „Ich hab ihm den Arm gebrochen, nichts weiter.“, grinste Karyu und sah belustigt auf den am Boden Liegenden.

Ich war fassungslos. „Du-“

„Jaja, ich Monster, ich. Wie wärs mal mit einem kleinen Dankeschön? Immerhin habe ich dir erlaubt, noch ein wenig länger auf dieser Welt zu leben.“ Mit diesen Worten wandte er sich um und ließ mich zurück. Ich starrte in die Dunkelheit, in die Karyu verschwunden war und war nicht fähig, mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Die Wunde blutete immer noch, doch der Schmerz war nebensächlich.

Erst ein dumpfes Geräusch ließ mich aus meiner Trance erwachen. Ich blickte auf den Boden und sah, wie mein Angreifer versuchte, sich aufzurichten. Auf der Stelle machte ich kehrt und rannte.

Rannte den kompletten Weg bis vor meine Haustür, wo ich erschöpft inne hielt.

Ein Dankeschön konnte Karyu sich sonstwohin schieben.

Oder war es üblich, sich zu bedanken, wenn man gerettet wurde, nur um später ohnehin getötet zu werden?
 


 

Zwei Tage später, Zeros Villa, Wohnzimmer
 

Zero saß, in eine Art Halbschlaf versunken, auf dem Sofa. Eigentlich und offiziell arbeitete er ja gerade, doch irgendwie erschien das Stammbuch, das er zu bearbeiten hatte, heute so unendlich dick.

Mit einem entnervten Seufzer schlug er das vergilbte Buch zu und schob es bei Seite. Er konnte sich nicht konzentrieren. Schon seit längerem mangelte es ihm eindeutig und aus unerfindlichen Gründen an seiner, sonst so notorischen Arbeitswut.

Aber sowas durfte man sich innerhalb von vierhundert Jahren auch mal erlauben.

Langsam dämmerte der Braunhaarige in unbekannte Sphären ab, als plötzlich aus der Küche ein markerschütternder Schrei ertönte. Zero schreckte auf und starrte verwirrt in Richtung Küchentür.

Unter das Geräusch von klappernden Töpfen mischte sich ein leises Jammern. Seufzend erhob sich der Vampir und schlurfte gähnend in die Küche. „Was zur Hölle veranstaltest du hier eigentlich, Toshiya? Ich dachte du wolltest kochen?“

Toshiya stand, eine rote Schürze umgebunden, am Waschbecken und war dabei, seine rechte Hand unter fließendes Wasser zu halten. Zero schnupperte. „Sag mal was bitte wolltest du da kochen?“

„Nudeln mit Gemüse.“, sagte Toshiya weinerlich. „Ich hab eine Sekunde nicht aufgepasst, da ist das Nudelwasser übergekocht und ich hatte meine Hand neben der Herdplatte.“

Zero hob eine Augenbraue und ließ seinen Blick durch die Küche schweifen. Das übergekochte Nudelwasser hatte mittlerweile eine fleckige Kruste auf der Herdplatte hinterlassen und es roch angebrannt. Er seufzte und drehte die Herdflamme kleiner, dann wandte er sich dem Jüngeren zu. „Hast du dich verbrannt?“

Toshiya nickte.

„Tut mir Leid. Ich wollte deine Küche nicht einsauen.“, murmelte er kleinlaut und senkte den Blick. „Ist schon gut. Die Küche kann man wieder sauber machen. Zeig mir erst mal deine Hand.“ Noch bevor Toshiya etwas erwidern konnte, hatte Zero die verletzte Hand in seine genommen und inspizierte den Schaden.

„Ganz schön rot.“ Der Vampir drehte die Handfläche des Jungen vorsichtig nach oben. „Warte mal. Ich hol dir was.“ Zero verschwand und kehrte wenig später mit einer Tube Salbe und Verbandszeug zurück. „Setz dich mal da hin.“ Er deutete auf die Anrichte. Toshiya gehorchte brav und setzte sich auf die Küchenzeile. Keiner der beiden sprach ein Wort als Zero behutsam begann die verbrühte Hand zu verarzten.

„So. Fertig.“ Skeptisch begutachtete der Kleinere sein Werk. „Ich hoffe das hält.“, murmelte er und blickte prüfend in Toshiyas Gesicht, denn es kam ihm ein wenig suspekt vor, dass dieser, sonst so mitteilungsbedürftige Mensch, in vollkommenes Schweigen versunken war.

Toshiya lächelte selig vor sich hin.

Als er jedoch spürte, dass Zeros Blick auf ihm ruhte, wurde er rot und das Lächeln verschwand augenblicklich.

Irritiert runzelte der Vampir die Stirn, drehte sich dann jedoch um und startete einen Versuch, das Abendessen vor dem endgültigen Tode zu bewahren.

Eine Weile später war die Küche geputzt und Toshiya und Zero saßen jeweils vor einem vollen Teller. „Guten Appetit.“, sagte Toshiya lächelnd.

„Gleichfalls.“, erwiderte Zero und nippte an seinem mit Blut gefüllten Weinglas, das direkt neben seinem Teller stand. Er warf seinem Gegenüber einen vorsichtigen Seitenblick zu. „Und es stört dich wirklich nicht, wenn ich...?“ Toshiya schüttelte energisch den Kopf. „Nein, tut es nicht. Du ernährst dich nunmal von Blut. Wenn du nicht genug davon bekommst, dann gehts dir doch sicherlich irgendwann nicht mehr gut, oder? Und das will ich nicht. Also hab ich kein Problem damit, wenn du auch in meiner Gegenwart Blut trinkst.“ Wieder lächelte Toshiya und stocherte in seinen Nudeln herum, was ihm mit der verbundenen Hand etwas schwer fiel. Der Vampir schüttelte nur sachte den Kopf. „Du bist schon irgendwie etwas merkwürig, weißt du das eigentlich?“ Er grinste. Der Angesprochene nickte und zuckte die Schultern. „Ich weiß. Das haben mir schon so viele gesagt. Allerdings bist du der einzige, von dem es nicht irgendwie abwertend klingt.“
 

Eine halbe Stunde später saß Toshiya im Schneidersitz vor dem verzierten, schwarzen Schrank im Wohnzimmer und stöberte in Zeros DVD Sammlung. Es dauerte, bis er sich durch die Berge an Filmen gewühlt hatte, doch irgendwann hielt er triumphierend eine der Plastikhüllen in die Luft.

„Ich hab was gefunden!“

Zero saß auf dem Sofa, die Füße auf die Tischkante gelegt und hatte soeben das ungeliebte Stammbuch in eine staubige Ecke verbannt. „So? Was denn?“

„Der Exorzist.“ Der Jüngere strahlte, doch Zero hob daraufhin nur leicht die rechte Augenbraue. „Bist du sicher, dass du den gucken willst? Du machst nicht so den Eindruck, als wärst du ein unerschrockener Horrorfilmegucker.“

Beleidigt plusterte Toshiya die Backen auf. „Was soll das denn heißen? Willst du sagen ich wär feige?“

„Ein bisschen.“ Der Vampir grinste breit und verschränkte die Arme in Nacken. Der Junge schnaubte gespielt beleidigt und krabbelte zum DVD-Player. Mit einem entschlossenen „Jetzt erst recht!“, drückte er eine Taste und legte die DVD ins Laufwerk ein. Nur Sekunden später saß er neben Zero auf dem Sofa und grinste breit. „Toshimasa, du bist ein Dickschädel.“, bemerkte Zero trocken, konnte sich ein leichtes Grinsen jedoch nicht verkneifen. „Ich werde heute Abend nicht kommen und gucken, ob Monster unter deinem Bett sitzen, nur dass du's weißt.“

Ein böser Blick Seitens Toshiya brachte Zero zum Schweigen und nun wandten sich beide dem Fernseher zu.

Proportional zum Anstieg der Spannungskurve des Films verringerte sich Toshiyas Abstand zu Zero. Natürlich hatte der Vampir Recht behalten: Wenn es etwas gab, das Toshiyas zartes Gemüt nicht so ohne weiteres vertrug, dann waren es Horrorfilme mit Schockeffekten. Besonders eine Stelle schien den armen Jungen ziemlich verstört zu haben, aber es war auch nicht wirklich alltäglich, dass eine vom Teufel besessene Tante, „Brücke“ machend die Treppe herunter krüppelte und währenddessen auch noch wild vor sich hin fluchte. Das war selbst für einen Halbvampir zu viel!

Und so kam es, dass Toshiya sein Gesicht während einem Großteil des Films an Zeros Schulter vergrub, anstatt es dem Bildschirm zuzuwenden. Der Vampir war mit dieser Situation etwas überfordert, ließ es sich jedoch nicht anmerken und tätschelte dem Jüngeren von Zeit zu Zeit sogar vorsichtig den Kopf. Bis zum Ende des Films machte Toshiya keine Anstalten sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, sein Kopf ruhte immernoch auf Zeros Schulter. Erst als der Abspann über den Bildschirm flimmerte, kam Bewegung in den schmalen Körper des Menschen. Langsam richtete er sich auf und sah Zero entschuldigend an. „Tut mir Leid, dass ich dich als Kopfkissen missbraucht hab.“, nuschelte er verlegen und kratzte sich im Nacken. „Schon gut. Immerhin wissen wir jetzt beide, dass du das Horrorfilmegucken demnächst am besten sein lässt.“ Mit diesen Worten angelte Zero nach der Fernbedienung und schaltete den DVD-Player aus. Etwas skeptisch blickte er zu Toshiya, der abwesend auf dem Sofa saß und auf seine Hände starrte. „Alles ok?“, fragte der Vampir vorsichtig nach und wandte sich nun vollends dem Braunhaarigen zu. Der blickte ertappt auf und nickte hastig. „Ja, alles klar!“, sagte er knapp und wurde rot. Eine Pause entstand und keiner der beiden sagte ein Wort.

Bevor Toshiya wirklich verstehen konnte, was überhaupt geschah, spürte er ein weiches, kühles Lippenpaar auf seinem eigenen. Toshiyas Augen weiteten sich, als er begriff was Zero da gerade eigentlich tat. Unschlüssig und mehr aus Reflex legte der Größere seine Hand an Zeros Schulter, innerlich schwankend zwischen Zurückweisung und Annahme. Irgendetwas sagte ihm, dass das, was sie hier beide gerade taten falsch war, doch seine Gefühle machten Toshiya einen dicken Strich durch die Rechnung...
 


 

Toshiyas POV
 

Mir schwirrte der Kopf. Ein Hagel aus den verschiedensten Gefühlen prasselte auf mich ein und mein Verstand rebellierte. Wie von selbst schob sich meine Hand von Zeros Schulter in seinen Nacken und ohne weiterhin darüber nachzudenken erwiederte ich den Kuss. Mein Herz raste, als ich die Augen schloss und mich langsam zurückfallen ließ. Ich wollte jetzt nicht denken! Gerade passierte etwas, mit dem ich nie im Leben gerechnet hätte. Zero hatte mich geküsst, von sich aus, ganz ohne mein Zutun. Es erschien mir wie ein Traum. Alles wirkte so surreal.

Ich bemerkte, wie eine Hand sich langsam, schon fast schüchtern unter mein Oberteil schob und sanft über meine Seiten streichelte. Um meinen mehr oder minder gesunden Menschenverstand war es nun vollkommen geschehen und ich vergrub meine freie Hand in Zeros schwarzer Mähne, versuchte ihm so klar zu machen, dass ich ihn jetzt nicht mehr gehen lassen wollte. Er schien mich auch ohne Worte zu verstehen und dirigierte mich sanft, aber bestimmt in eine eher liegende als sitzende Position. Ich hielt die Augen geschlossen, traute mich nicht sie auch nur einen kleinen Spalt zu öffnen, aus Angst aufzuwachen.

Meine Finger verirrten sich in Zeros Haaren, spielten mit einzelnen Strähnen. Ein kaum hörbares Brummen entkam ihm, als ich begann seinen Nacken zu kraulen. Zero intensivierte den bis eben noch eher schüchternen Kuss und wieder machte mein Herz einen Hüpfer, denn seine Zunge strich kaum spürbar über meine Unterlippe. Fast augenblicklich gewährte ich ihm Einlass und ein leiser Seufzer entwich mir, als die fremde Zunge in meine Mundhöhle eintauchte. Der unbändige Drang Zeros makellosen Körper zu berühren überfiel mich, doch eine gewisse Unsicherheit hielt mich zurück. Ich wusste nicht, wie weit ich gehen konnte. Wie weit ich gehen wollte. Eine leise Angst keimte in mir, eine Angst, die sich über Jahre versteckt gehalten hatte und ausgerechnet jetzt ans Tageslicht zu kriechen schien.

Unwillig löste ich den Kuss und öffnete die Augen. Zeros helle Pupillen trafen meinen Blick und der Ausdruck in ihnen verunsicherte mich noch mehr. Ich konnte nicht einschätzen was er momentan dachte oder fühlte. Seine Augen verrieten mir nichts.

Meine Atmung ging unregelmäßiger als sonst und ich war mir sicher, dass mein Gesicht einer roten Ampel glich. Trotzdem kratzte ich das letzte bisschen Mut zusammen, das mir geblieben war, um endlich die Worte auszusprechen, die mir schon seit einiger Zeit auf der Seele brannten.

„Ich liebe dich.“

Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass jedes lautere Geräusch diesen scheinbar doch realen Traum zerfallen lassen konnte. Wortlos und mit unveränderter Miene sah er mich an. Ich konnte Zeros Blick nicht standhalten und langsam aber sicher schnürte sich mir die Kehle zu. Er antwortete nicht.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wie ich mich verhalten sollte. Verzweiflung stieg in mir auf, immerhin hatte ich ihm gerade meine Gefühle offengelegt. Und er antwortete nicht. Ich traute mich nicht, den Blick zu heben. Ich wollte nicht schon wieder in diese Augen sehen, wollte nicht wissen, was nun in seinem Blick geschrieben stand. Ablehnung, Spott, vielleicht sogar Ekel?

Ich drehte den Kopf zur Seite und blieb regungslos liegen. Zero lag halb über mir, die Arme neben meinem Kopf auf die Sofapolster gestützt. Ich spürte, dass er mich ansah. Plötzlich regte sich etwas und eine Hand legte sich unter mein Kinn, hob es an und so war ich mehr oder weniger gezwungen Zero ins Gesicht zu sehen. Wieder trafen sich unsere Blicke und wieder hielt ich es nicht aus länger als ein paar Sekunden in diese Augen zu sehen. Ich erinnerte mich, dass ich mir in der vergangenen Zeit ziemlich oft gewünscht hatte ihn einfach nur ansehen zu können, um mich in seinen Augen zu verlieren.

„Toshiya. Sieh mich an.“, flüsterte er und ich gehorchte, auch wenn ich Angst vor den Worten hatte, die da jetzt sicherlich noch folgen würden. „Ich liebe dich auch, ok?“ Er ließ mein Kinn los und seine Hand legte sich auf meine Wange. Ich starrte ungläubig in Zeros hübsches Gesicht. Jetzt herrschte das ultimative Gefühlschaos! Einerseits hatte ich das Gefühl vor Freude und Glück zu platzen, andererseits konnte ich einfach nicht fassen, dass sich jemand wie Zero ausgerechnet in mich verlieben konnte. Ich verstand nicht, wie es möglich war, dass sich jemand wie er, der wirklich jeden haben konnte, in einen Neunzehnjährigen, viel zu dünnen Ex-Stricher verliebte.

„Meinst du das ernst?“, fragte ich leise und schmiegte mich eng an seine kühle Hand. Anstatt zu antworten, beugte Zero sich nach vorn und küsste mich erneut, diesmal verlangender als noch vor wenigen Minuten. Mit einem Mal waren alle Ängste wie weggeblasen und meine Augenlider schlossen sich von selbst.

Jetzt erwiderte ich den Kuss ohne zu zögern und meine rechte Hand wanderte von Zeros Nacken aus seinen Rücken hinunter. Meine Finger schoben sich unter sein Oberteil, fuhren über die glatte Haut, die sich ungewohnt kalt anfühlte. Mit dem Zeigefinger zeichnete ich die feine Linie seiner Wirbelsäule nach, während Zeros Lippen mich schier in den Wahnsinn trieben. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals so gefühlt zu haben, dabei war es lediglich ein Kuss, nichts weiter.

Bis jetzt zumindest.

Nach einer viel zu kurzen Zeit löste Zero den Kuss, doch bevor ich protestieren konnte, hatten sich seine Lippen auf meinen Hals gelegt und verteilten nun kaum spürbare Küsse darauf, die mir eine Gänsehaut nach der anderen bescherten. Aus den Küssen wurden schon bald sanfte Bisse und leichte Nervosität überkam mich. „Wenn du wüsstest, was das für eine Versuchung ist.“, hörte ich ihn gegen meinen Hals flüstern. Ich öffnete die Augen einen kleinen Spalt, nicht mehr als unbedingt nötig und mein Blick traf Zeros hellbraune Augen, die mich von unten her in bester Schlafzimmerblick-Manier ansahen. Etwas in seinem Blick ließ mich erschauern.

Ich wusste immerhin, dass er mich innerhalb von wenigen Sekunden töten konnte, wenn er es wollte. Doch mein Vertrauen in diesen Vampir war größer als irgendwelche banalen Ängste. Und selbst wenn. Eigentlich war es eine sehr schöne Vorstellung, hier in seinen Armen zu sterben, vielleicht sogar ein vollwertiger Vampir zu werden. So konnte mir die Chance gegeben werden, eine ganze Ewigkeit mit ihm zusammen zu sein.

„Dann tu es doch einfach. Beiß mich.“, hauchte ich und wunderte mich einen kuren Moment über meine eigenen lebensmüden Worte. Meine Finger fuhren seine Schulterblätter entlang und ich hörte ihn leise lachen. „Du weißt nicht was du da sagst.“ Vielleicht wusste ich das tatsächlich nicht, doch ich wollte jetzt nicht über richtig oder falsch nachdenken, ich wollte spüren. Wollte mehr von diesen zärtlichen Berührungen spüren, die ich in meinem bisherigen Leben so schmerzlich vermisst hatte.

Entweder Zero hatte meine Gedanken gelesen, oder er verstand mich besser, als ich dachte. Denn er schwieg, übersäte meinen Hals und meine Schlüsselbeine stattdessen wieder mit unzähligen Küssen.

Eine Weile ließ ich mir diese Behandlung gefallen, doch langsam wurde ich ungeduldig. Ich löste meine Hand aus Zeros Haaren und begann an seinem Oberteil herum zu zupfen. Mein Herz schlug fast schon schmerzhaft gegen meine Rippen, als Zero sich aufsetzte und sich langsam den schwarzen Pullover über den Kopf zog. Gebannt beobachtete ich jede seiner geschmeidigen Bewegungen und war fasziniert von diesem absolut perfekten Oberkörper, den ich nun das erste mal vollkommen unbedeckt sah.

Zeros Hände strichen über meine Seiten und er gab mir zu verstehen, dass ich jetzt an der Reihe war, mir das Shirt ausziehen zu lassen. Ich gehorchte und ein paar Handgriffe später landete auch mein Oberteil auf dem Boden. Wieder stieg mir die Röte ins Gesicht, als ich bemerkte, dass Zero mich musterte. Ich kam mir, um es gelinde auszudrücken, verdammt schäbig vor im Gegensatz zu ihm. Zu dünn, zu groß und übersät mit blauen Flecken und Narben, die mir die Jahre auf der Straße eingebracht hatten. Ich rechnete fast schon damit, dass er mich abweisen, oder wegstoßen würde, doch stattdessen beugte Zero sich vor und begann an meinen Schlüsselbeinen zu knabbern. Sofort schlang ich beide Arme um seinen Oberkörper und beschloss insgeheim ihn nie wieder los zu lassen. Das Gefühl seiner bloßen Haut auf meiner war unbeschreiblich und wie von selbst erkundeten meine Hände seinen Rücken.

Ohne Vorwarnung änderte Zero auf einmal seine Position und setzte sich breitbeinig auf meine Hüfte, was mir ein heiseres Keuchen entlockte, denn die ganzen Küsse und Liebkosungen waren nicht spurlos an mir vorüber gegangen. Sofort wandte er sich wieder meinem Hals zu, der schien es ihm angetan zu haben. Mittlerweile kam mir sein Körper nicht mehr so kalt vor, wie noch vor ein paar Minuten, eigentlich fühlte sich die Temperatur seiner Haut sogar ziemlich angenehm an. Wahrscheinlich lag das aber größtenteils daran, dass meine eigene Körpertemperatur nun gefühlte vierzig Grad mehr betrug als im Normalzustand, denn obwohl seine Hände kühl waren, brannte meine Haut wie Feuer, dort wo er mich berührte.

Zeros Hände wanderten langsam aber stetig immer näher an meine Hüfte heran und ich sog jede noch so kleine Berührung in mich auf, genoss das Gefühl des Atems, den er in gleichmäßigen Zügen gegen meine Schulter hauchte.

Wieder schloss ich die Augen, riss sie jedoch überrascht und ein wenig erschrocken wieder auf, als Zero sein Becken gegen meines drückte.

Ich merkte nun deutlich, dass er nicht weniger erregt war als ich selbst und mir wurde mit einem Mal bewusst, worauf das alles hier hinauslaufen würde.

Ich wusste nicht, mit wie vielen Männern ich bis jetzt geschlafen hatte, aber es waren einige gewesen. Und es hatte mich schlichtweg angeekelt. Jedes mal aufs Neue. Ich hatte nie verstehen könne, dass es tatsächlich Menschen gab, die Spaß daran hatten, mit jemandem zu schlafen. Aber vielleicht würde es dieses Mal anders werden, immerhin war ich bisher noch nie verliebt gewesen, zumindest nicht in diesem Maße. Vielleicht würde ich es endlich einmal genießen können, wenn man mich auf diese Weise anfasste.

Ohne einen weiteren Atemzug zu verschwenden, legte ich meine Hand in Zeros Nacken und zog ihn zu mir, ich wollte seine Lippen ein weiteres Mal spüren, war jetzt schon süchtig nach seinen Küssen. Doch dieses Mal war ich es, der den Kuss herausforderte, so lange, bis ein leidenschaftliches Zungenspiel im Gange war. Er sollte wissen, dass ich bereit war mich ihm hinzugeben.

Offensichtlich hatte er den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden, denn Zeros rechte Hand setzte langsam ihren Weg fort. Ich konnte ein Keuchen nicht unterdrücken, als er meine Körpermitte erreicht hatte und mit leichtem Druck über meine Erregung strich, die, zu meinem Leidwesen, immernoch in eine schwarze Jeans verpackt war.

Mein Herz raste, als er begann einhändig an meinem Hosenknopf herum zu fummeln und das auch noch ohne den Kuss zu lösen. Langsam wurde mir der Sauerstoff knapp, doch ich dachte gar nicht daran, den Kuss zu beenden. Mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit hatte Zero binnen weniger Sekunden meine Hose geöffnet und seine Hand schob sich unverschämt langsam in meine Shorts hinein. Er löste den Kuss und machte sich wieder an meinem Hals zu schaffen. Mein Atem ging stoßweise und ich stöhnte leise auf, als er mir in den Hals biss, diesmal fester als beim ersten Mal. Fast gleichzeitig begann er, meine Erregung mit zunehmendem Druck zu massieren. Nicht gerade förderlich für eine regelmäßige Atmung.

Zielstrebig suchten nun auch meine Hände nach Zeros Hosenbund und ich begann meinerseits damit, die verwaschene Jeans zu öffnen, was mir allerdings nicht so schnell und präzise gelang wie Zero, denn mein Hände zitterten. Ungeschickt zerrte ich an Zeros Jeans herum, so lange, bis sie schlussendlich mit einem leisen Rascheln auf dem Boden landete. Nach getaner Arbeit schlichen sich meine Hände erneut Zeros Rücken hinauf, bis zu seinem Nacken, vergruben sich wieder in seiner seidigen Haarmähne.

Mir wurde zunehmend heißer und Ungeduld beschlich mich, denn scheinbar fand Zero Gefallen daran, mich zappeln zu lassen. Er saß immerhin, nur noch in schwarze Shorts gehüllt, auf meiner Hüfte und bearbeitete in aller Seelenruhe meinen Hals, während ich hier unter ihm schier platzte! Ich konnte mir in ungefähr vorstellen, wie viel Spaß ihm das bereitete.

Etwas unvermittelt begann Zero nun, mich aus meiner störenden Hose zu befreien und ich hob meine Hüfte ein wenig an, um ihm sein Vorhaben zu erleichtern. Mein Herz machte einen heftigen Satz, als er sich wieder in seine vorherige Position begab und sich zu mir herunter beugte. Er sah mich stumm an und ich versuchte, einen erneuten Anflug von Unsicherheit zu unterdrücken, zwang mich sogar, seinen Blick zu erwiedern. Nervös spielten meine Finger mit einigen der gewellten Haarsträhnen. Ich wusste nicht, was er nun von mir erwartete. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals so verunsichert gewesen zu sein, mich gleichzeitig aber so wohl gefühlt zu haben wie in diesem Moment. Immernoch sah er mir tief in die Augen, vollkommen wortlos. Ohne es wirklich zu bemerken, begann ich, auf der Innenseite meiner Unterlippe herumzukauen. Ein erstes offizielles Zeichen meiner Nervosität. Diese Regung schien Zero wachgerüttelt zu haben, denn während seine Hand meine Hüfte streichelte, trafen sich unsere Lippen ein weiteres Mal und verschmolzen zu einem hungrigen Kuss. Ich löste meine Hände aus Zeros Haarpracht und begann nun, seinen Oberkörper und seine Schultern zu erkunden. Ich wollte mir jedes noch so kleine Detail dieses Körpers einprägen und nie mehr vergessen. Mit geschlossenen Augen zeichneten meine Fingerkuppen Schulterblätter, Schlüsselbeine und Rippenbögen nach. Zero schien zu gefallen, was ich da tat, denn wieder entkam ihm ein leises Schnurren, das mich innerlich zum Lächeln brachte. Äußerlich war mein Mund nämlich gerade mit anderen Dingen beschäftigt.
 

[ADULT]
 

Eine Weile blieben wir ruhig liegen, keiner sagte ein Wort. Dann legte Zero sich neben mich und angelte nach seinen Shorts, während ich versuchte, meinen Körper wieder in den Griff zu bekommen. Ich hielt die Augen geschlossen, öffnete sie erst, als mir schlanke Finger sanft einige verschwitzte Haarsträhnen auf der Stirn strichen. Ich blickte geradewegs in Zeros schönes Gesicht und bemerkte, dass sich tatsächlich ein leichter Rotschimmer auf die sonst so blassen Wangen gelegt hatte. Er sah mich wieder mit diesem nicht zu deutenden Blick an und ich musste lächeln. Zu meiner Überraschung breitete sich auch auf Zeros Lippen ein kleines Lächeln aus. Das wiederum brachte mich zum Strahlen...
 


 

Tsukasas Wohnung, ca. 23.00 Uhr ...
 

Tsukasa stand vor dem weiß gestrichenen Mehrfamilienhaus und rauchte. Schon wieder. Trotz aller guten Vorsätze und Versprechungen. Es ging nunmal momentan nicht anders!

Mit einem leisen Klacken öffnete sich die Haustür und etwas Warmes legte sich auf seine Schultern. Verwirrt drehte er sich um und sah in Sagas Gesicht. „Wenn du schon draußen stehst und rauchst, dann zieh dir wenigstens ne Jacke an. Du erkältest dich sonst noch.“

Tsukasa nickte und zog an seiner Zigarette. „Dankeschön.“, sagte er und lächelte matt. Saga schien keine Anstalten zu machen, wieder ins Haus zu gehen, sondern starrte seinen Bruder nur fragend an.

„Und? Willst du mir nicht erzählen, was dich dermaßen fertig macht, dass du wieder mit dem Rauchen angefangen hast und auch noch glaubst, ich würde es nicht merken? Du bist seit Wochen vollkommen neben der Spur!“

Der Ältere schnaubte unwillig. „Habe ich eine Wahl?“

„Nö.“

„Wusste ich's doch.“ Ein kleines Lächeln breitete sich auf Tsukasas Gesicht aus. Es hatte keinen Zweck etwas vor Saga geheim zu halten. Früher oder später fand er es sowieso raus. Und wem sollte er sonst sein Herz ausschütten, wenn nicht seinem Bruder?

Immerhin hatte er es jetzt ganze zwei Wochen geschafft, ihn sich vom Leib zu halten. Doch Karyus Drohung und seine Rettungsaktion ließen dem Jäger keine Ruhe, auch, wenn es nun seit geraumer Zeit keine nennenswerten Zwischenfälle mehr gegeben hatte.

Und so erzählte Tsukasa detailgetreu was vorgefallen war und wie Karyu ihm das Leben gerettet hatte, nur um es ihm, wie er versprochen hatte, irgendwann selbst wieder zu nehmen. Saga hörte schweigend zu und sah hinauf in den schwarzen Nachthimmel. Am Horizont, dort wo die Lichter der Großstadt die Dunkelheit vertrieben, hatte er eine gelbliche Färbung angenommen. „Was willst du jetzt tun?“, fragte Saga leise und wandte seinen Blick nun Tsukasa zu. Der zuckte nur mit den Schultern. „Wenn ich das wüsste. Ich kann ihn nicht einschätzen. Karyu ist mächtig, unbestritten. Er ist nicht so einfach zu erledigen wie alle anderen vor ihm. Es wird schwierig werden.“ Tsukasa schmiss den Rest seiner Zigarette auf den staubigen Weg. Saga warf seinem Bruder einen verstohlenen Seitenblick zu. „Wie wäre es, wenn du ihn einfach in Ruhe lässt?“, bemerkte er etwas kleinlaut. Tsukasa brach in schallendes Gelächter aus.

„Sag mal wie stellst du dir das bitte vor? Soll ich zu ihm gehen und sagen:'Hey, Karyu, altes Haus! Wie wär's wenn wir uns einfach lieb haben, anstatt ständig zu überlegen, wie wir uns gegenseitig am besten umbringen? Was hältst du davon?', oder was?“

Saga zuckte die Schultern. „Zum Beispiel.“

„Pack dir mal an den Kopf! Was glaubst du denn, was der Typ mir dann erzählt? Der frisst mich! Das ist es was er mir erzählen wird!“, fauchte Tsukasa und kramte eine zerbeulte Kippenpackung aus seiner Hosentasche. „Du hast doch keine Ahnung!“, knurrte er, während er umständlich eine zweite Zigarette aus der Schachtel herauskramte und sie anzündete. „Vielleicht hab ich die tatsächlich nicht. Aber mal ganz ehrlich... Du hast doch genauso wenig Ahnung! Warum genau machst du überhaupt Jagd auf sie? Was ist passiert, dass du so besessen davon bist, sie zu vernichten?“ Saga verschränkte die Arme und in seinem Blick lag etwas, das Tsukasa verriet, dass es unmöglich war weitere Ausflüchte zu suchen.

„Ich war damals ungefähr zwölf glaub ich. Ich war auf dem Heimweg vom Sportunterricht und es war fast dunkel. Ich wollte eine Abkürzung durch irgendeinen Park nehmen und hatte Schiss, weil ich allein war und es eben bald dunkel wurde. Und irgendwann hab ich einen Schrei gehört. Ich hab mich dann doch entschieden nachzusehen, woher der Schrei kam und dann hab ich ihn gesehen. Mitten im Park saß ein Vampir und war dabei eine Frau zu fressen. Als er mich bemerkte hat er gegrinst und sich nicht stören lassen. Ich bin noch nie so schnell gerannt. Am nächsten Morgen stand in der Zeitung, es sei ein Raubmord gewesen.“ Er stieß eine bläuliche Rauchwolke in den Nachthimmel. „Und seitdem beschäftige ich mich mit ihnen, begann irgendwann damit sie zu jagen. Weil ich gesehen habe, wie abartig sie eigentlich sind. Nenn es wie du willst. Trauma, Neurose, Hass, was auch immer. Ist das in etwa nachvollziehbar?“

Saga nickte betreten. „Das wusste ich nicht.“

„Ich weiß.“

„Aber... Sie sind nicht alle gleich. Nicht alle sind so.“

Sagas Verteidigungsversuch brachte Tsukasa zum Lächeln. „Doch Saga, im tiefsten Innern sind sie alle so. Auch dein Hizumi... “
 


 

Nächster Morgen, Zeros Villa ...
 

Ein vorbeifahrendes Auto weckte Toshiya auf, der zusammengerollt in Zeros antikem Himmelbett lag. Verschlafen blinzelte er und sah sich um. Er war allein, das Bett war leer und nur die zerwühlte Bettdecke und das zerknautschte Kopfkissen verrieten, dass auch noch jemand anders hier geschlafen hatte. Gähnend fuhr Toshiya sich durch die zerzausten Haare und setzte sich auf. Er schmollte ein wenig, denn immerhin war dies der erste Morgen, den Zero und er als inoffizielles Paar verbrachten. Und jetzt war Zero weg.

Ein gedämpftes Klirren war zu hören, scheinbar war Zero in der Küche. Etwas ungelenk schwang Toshiya die langen Beine aus dem Bett und ging ins Bad um sich zu duschen und anzuziehen.

Fünfzehn Minuten später saß Zero in der Küche und nippte an einer randvollen Tasse Kaffee. Das leise Tappen bloßer Füße auf dem Marmorboden des Flurs drang durch die angelehnte Tür zu ihm hinein. Wenig später öffnete sich die Tür einen Spalt und Toshiyas Gesicht erschien.

„Guten Morgen.“ Der Junge lächelte und öffnete die Tür nun komplett.

„Morgen.“, kam es knapp von Zero, der sich nicht die Mühe machte den Blick zu heben.

Etwas irritiert über die kühle Antwort und den fehlenden Blickkontakt hielt Toshiya inne. „Ist irgendwas?“, fragte er zögerlich, die Hand immernoch auf der Türklinke. Endlich hob Zero den Blick und sah Toshiya an. „Toshiya. Wegen gestern. Vergiss das am besten, ja?“ Er stellte die Kaffeetasse leise aber direkt auf den Tisch. Es dauerte eine Weile, bis Toshiya realisierte, welche Bedeutung in Zeros Worten lag. Er blinzelte verwirrt und ließ die Hand sinken. „Aber- Wieso denn?“ Seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser.

Zero seufzte.

„Gestern das... Ich weiß nicht, was mit mir los war. Mir ist irgendeine Sicherung durchgeknallt, ich weiß es auch nicht.“, antwortete er emotionslos und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Aber du hast gesagt... dass du mich liebst.“, warf Toshiya ein und leise Verzweiflung durchzog seine Worte. Ohne es zu merken, begann er an seinen Nagelbetten herum zu piddeln, während er ziemlich verloren im Türrahmen stand und auf eine Antwort wartete.

Zero betrachtete ihn eine Weile wortlos, dann antwortete er leise. „Nimm das doch nicht so ernst.“

Fassungslos starrte Toshiya den Vampir an. Nachdem er den Sinn der Worte verstanden und realisiert hatte, nickte er zaghaft und senkte den Blick. „Ich hab es aber ernst gemeint.“, wisperte er kaum hörbar, mehr zum Fußboden, als zu Zero. Toshiya schniefte leise und eine einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über seine Wange. Fahrig wischte er sie fort und drehte sich um. Mit einem leisen Geräusch fiel die Tür ins Schloss. Zero blieb allein in der Küche zurück. Keine fünf Minuten vergingen, bis er hörte, dass die Haustür ging. Er brauchte nicht einmal aufzustehen und nachzusehen, um zu wissen, dass er den Halbvampir nun endgültig verloren hatte...

The Transformation

und hier ist das neuste chap. vorerst das letzte für 2 wochen, wie schon gesagt.

ich hoffe es gefällt euch. änderungen sind unter umständen vorbehalten, denn ich hab das chap in windeseile mitten in der nacht getippt « gut möglich, dass sich (trotz beta) noch ein paar rechtschreibfehler verstecken. ich bitte dies zu entschuldigen u_u
 

enjoy♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-
 


 

Toshiyas POV
 

Weinend taumelte ich die regennasse Straße entlang. Ich hatte die Tränen bereits nicht mehr zurück halten können, als ich in mein Zimmer gestürmt war um meine wenigen Habseligkeiten zusammen zu packen. Ich machte mir nicht die Mühe, sie weg zu wischen, es würden sowieso neue folgen und begann zu rennen, wollte nur noch weg. Weg von ihm. Weg von dem Mann, der mir soeben das Herz gebrochen hatte.

Und so verging der Tag und ich lief solange, bis meine Lungen brannten und ich keine Tränen mehr übrig hatte, die ich hätte vergießen können. Es wurde langsam dunkel, meine Füße schmerzten und ich hatte Seitenstechen. Ziellos irrte ich umher, wusste nicht mal mehr, in welchem Teil der Stadt ich mich überhaupt befand. Alles war mir vollkommen fremd. Nach einer Weile fand ich eine Unterführung. Erschöpft ließ ich mich dort auf den kalten Betonboden fallen. Immerhin hatte ich ein Dach über dem Kopf.

Ich durchwühlte meine Tasche und zog die durchlöcherte Wolldecke heraus, die ich seit Jahren mit mir herumtrug. Eingewickelt in diese Decke saß ich nun, hungrig und frierend auf dem nasskalten Boden. Wieder kreisten meine Gedanken nur um Zero. Und wieder war der bloße Gedanke an ihn mit einem heftigen Schmerz verbunden. Etwas in meinem Inneren war zerbrochen und spitze Scherben schnitten direkt in mein Herz. Ich hatte mir Hoffnungen gemacht. Ehrliche Hoffnungen. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis ich verstanden, mir vor allem eingestanden hatte, dass ich mich tatsächlich in Zero verliebt hatte. In seiner Nähe war ich glücklich gewesen, hatte mich zu Hause gefühlt. Ich mochte seine kühle, ruhige Art, etwas an seinem Verhalten hatte mir Sicherheit vermittelt. Es hatte mir Freude bereitet, ihn Lächeln zu sehen. Mitzuerleben, wie er von Tag zu Tag ein wenig mehr lächelte. Noch am vorigen Abend hatte ich mein Glück kaum fassen können, doch jetzt schmerzte der Gedanke an unsere erste und einzige gemeinsame Nacht. Wieder musste ich daran denken, wie glücklich ich gewesen war, als ich in dieser Nacht in seinen Armen einschlief. Nun schlang ich meine eigenen Arme um den Bauch, um meinen Körper daran zu hindern, vollkommen zu unterkühlen. Ich schloss die Augen. Sie brannten. Ich hatte definitiv zu viel geweint. Noch etwas, das ich an mir nicht leiden konnte. Ich war eine Heulsuse.

Mit zitternden Fingern umklammerte ich die Decke und zog sie enger um meine Schultern. Zufällig streifte ich dabei mein rechtes Schlüsselbein, das ein gutes Stück aus meiner Schulter hervorragte. Kein Wunder, dass er mich nicht wollte. Ich war nichts weiter, als ein dürrer, heimatloser Stricher.

Und anscheinend auch noch Halbvampir. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Weder Mensch, noch Vampir. Wieder etwas, das mir zeigte, dass ich scheinbar nirgendwo wirklich hingehörte.

In gewisser Weise konnte ich verstehen, dass Zero mich nicht lieben konnte. Er hatte etwas Besseres verdient.

Trotzdem tat es weh zu wissen, dass er auch nicht besser war als all die anderen vor ihm. Ich hatte mich in ihn verliebt, weil ich dachte, er sei anders. Ich hatte, naiv wie ich war, geglaubt, dass ich in seinen Augen nicht nur ein wertloses Stück Fleisch war. Lachhaft. Ausgerechnet bei ihm! Er war ein Vampir. Wenn ich für jemanden Fleisch war, dann doch wohl für einen Vampir, oder? Trotz allem hatte ich anfangs nie das Gefühl gehabt, dass er auf mich herabblickte. Im Gegenteil. In der viel zu kurzen Zeit bei Zero hatte ich begonnen, etwas zu entwickeln, dass in ferner Zukunft vielleicht einmal ein Selbstwertgefühl hätte werden können. Doch der heutige Morgen hatte all meine Fortschritte zunichte gemacht und jetzt fühlte ich mich schlechter als je zuvor.

Noch während ich mich fragte, ob er mich wenigstens ein bisschen vermissen würde, überfiel mich eine lähmende Müdigkeit und erst als mir das Kinn auf die Brust sackte, kam ich wieder zu mir. Ich konnte es mir nicht erlauben hier einfach so einzuschlafen. Es war gefährlich. Ich war allein, wusste nicht, wo ich mich überhaupt befand und zu allem Übel war es mittlerweile stockfinster geworden. Nur eine Lampe am Eingang der Unterführung warf spärliches Licht auf die beschmierten Betonwände. Ich gähnte und zog die Decke fester um meinen frierenden Körper. Draußen begann es zu regnen. Es war still, nur das ferne Rauschen der Autos, die auf irgendwelchen Straßen herumfuhren, war zu hören. Wieder schweiften meine Gedanken ab. Diesmal erinnerte ich mich zurück, an jene vergangene Nacht, in der ich, ähnlich wie jetzt, in der Kälte gesessen hatte, die gleiche Wolldecke um die Schultern geschlungen. In dieser Nacht war es Zero gewesen, der mich vor einem üblen Schicksal bewahrt hatte. Doch ein zweites Mal, würde mir das sicherlich nicht mehr passieren. Ich bedeutete ihm nichts und diese Erkenntnis schmerzte mehr als alles andere.

Ein Geräusch ließ mich zusammenzucken. Ich wandte den Kopf in Richtung Ausgang. Bildete ich mir das ein, oder waren da tatsächlich Stimmen zu hören? Ich drückte mich mit dem Rücken näher gegen die eiskalte Wand und wartete. Schon wieder. Das bildete ich mir nicht ein, irgendjemand sprach da. Es mussten mehrere Leute sein und die Stimmen kamen näher. Meine Augen fixierten die Richtung, aus der die Stimmen kamen, doch im Halbdunkeln des Tunnels konnte ich nichts erkennen. Nun gesellte sich der Klang von Schritten zum Stimmengewirr hinzu und wenige Sekunden später, konnte ich einige schemenhafte Gestalten wahrnehmen. Offensichtlich sah nicht nur ich sie, sie sahen auch mich, denn einer von ihnen verstummte und deutete mit dem Finger in meine Richtung. Meine Kehle war trocken und ängstlich starrte ich auf die Personen, die sich nun langsam auf mich zu bewegten. Als sie näher kamen, sah ich, dass es sich um drei Männer handelte, alle wahrscheinlich nicht viel älter als ich selbst, die keinen wirklich freundlichen Endruck machten. In geringer Distanz kamen sie schlussendlich zum Stehen und sahen grinsend auf mich herab. „Was haben wir denn hier?“, fragte einer von ihnen, ein großer Kerl mit einer Zigarette im Mundwinkel, mit gespieltem Erstaunen. Ich antwortete nicht. Eine kurze Pause entstand.

„Bist du schwerhörig, oder was? Was suchst du hier?“ Diesmal klang keine aufgesetzte Freundlichkeit in seiner Stimme, doch ich schwieg weiterhin, auch wenn ich wusste, dass ich ihn damit nur noch mehr provozierte. Der Raucher sprach gedämpft mit einem seiner Freunde, dann wandte er sich wieder meiner Wenigkeit zu. „Du weißt schon, dass wir hier keinen Platz haben, für Penner wie dich, oder?“ Er verschränkte die Arme und stieß mein Bein mit der Fußspitze an. Wie ein Stück Müll, das man gelangweilt über den Gehweg kickt.

Wieder blieb ich stumm. Ich wollte jetzt nicht reden, mit niemandem. Es machte keinen Unterschied, ob ich nun reden würde, oder nicht. Prügel beziehen würde ich an diesem Abend so oder so. „Vielleicht kann er ja nicht reden.“, feixte einer der anderen. „Vielleicht ist er stumm.“

Der Raucher schnaubte verächtlich. „Stimmt. Das könnte sein. Soll ich dir mal zeigen, wie man das ganz einfach feststellen kann?“ Die anderen Männer lachten. Noch ehe ich mir Gedanken darüber machen konnte, was er mit diese Worten überhaupt meinte, traf mich ein Tritt in die Seite. Überrascht keuchte ich auf und krümmte mich reflexartig zusammen. Sekundenbruchteile später packte mich eine Hand am Kragen und zog mich auf die Beine. „Du solltest nachts nicht alleine an solchen Orten bleiben, Kleiner.“ Während er sprach, holte er aus und schlug mir mit der geballten Faust ins Gesicht. „Es könnte nämlich sein, dass du jemandem in die Hände fällst, der es nicht so gut mit dir meint, wie wir.“ Ein zweiter Schlag. Ich schmeckte Blut und ein leises Wimmern entkam mir. „Ach, sieh an! Hat er da etwa tatsächlich einen Ton von sich gegeben?“ Mein Angreifer grinste hämisch. „Also ich hab nichts gehört.“, rief einer der anderen und ich konnte hören, dass auch er ein Grinsen im Gesicht hatte. Mit einem Ruck knallte mein Rücken gegen die Betonwand und ein zweiter Tritt traf mich. Diesmal in den Bauch. Der Schmerz war unerträglich und ich musste würgen. In meiner Mundhöhle vermischte sich der metallene Blutgeschmack mit bitterem Magensaft. Irgendwo in der Ferne hörte ich Gelächter. Am Rande bekam ich mit, dass mich weitere Schläge trafen, in die Seiten, in den Magen, ins Gesicht. Irgendwann war es vorbei und benebelt merkte ich, wie ich fallen gelassen wurde. Mein Kopf schlug auf dem harten Steinboden auf, etwas Warmes rann meine Schläfen hinab. Dann wurde meine Welt schwarz...
 


 

Drei Tage später, Sagas Schlafzimmer, ca 7.30 Uhr ...
 

Saga saß kerzengerade im Bett. Ein klirrendes Geräusch und Tsukasas leises Fluchen aus der Küche hatten ihn aufgeweckt. Was zur Hölle suchte der Kerl um diese Uhrzeit in der Küche? Es war Samstag!

Ein ungutes Gefühl beschlich Saga und er lauschte auf weitere Geräusche seines Bruders. Eine Weile blieb es still, dann ging die Haustür. Augenblicklich sprang Saga auf und stürmte ins Wohnzimmer. Er war allein, Tsukasa hatte die Wohnung verlassen. Der Braunhaarige machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in seinem Zimmer. Er krallte sich die erstbesten Klamotten und zog sich um. Keine fünf Minuten später fiel die Wohnungstür erneut krachend ins Schloss und Saga lief durch die Morgenkälte. Im Westen durchzogen rosa schimmernde Wolkenfetzen den dunkelblauen Himmel. Ringsumher war es dunkel, bis auf das elektrische Licht der vollgeschmierten Laternen, die auf der anderen Straßenseite standen. Suchend blickte Saga sich um. Es gab genau zwei Richtungen, die sein Bruder eingeschlagen haben konnte. Rechts, oder geradeaus. Saga entschied sich für Letzteres. Er begann zu rennen. Irgendeine innere Stimme sagte ihm, dass hier etwas verdammt falsch lief. Es war nicht normal, dass Tsukasa das Haus um diese Uhrzeit verließ ohne wenigstens einen Zettel da zu lassen.

//Es sei denn, er will nicht, dass ich weiß, dass er das Haus verlassen hat.//, dachte Saga und plötzlich dämmerte es ihm. Er machte auf der Stelle kehrt und lief den Weg, den er gekommen war zurück, bis zur Kreuzung.

Wenn man zu Hizumi wollte, musste man die Straße entlang gehen, die rechts vom Wohngebäude abzweigte. Entschlossen schlug Saga nun den anderen Weg ein, wieder rannte er. Einige hundert Meter später erkannte er die Silhouette einer schwarz gekleideten Person, die den Gehweg entlang trottete. Unverkennbar Tsukasa. Saga verlangsamte sein Tempo. Er war verunsichert. Sollte er seinem Bruder unauffällig folgen, um zu sehen wo er eigentlich hin wollte, oder sollte er ihn direkt zur Rede stellen? Er entschied sich dafür, mit der Ausfragerei zu warten. Darum bemüht, keine lauten Geräusche zu verursachen, folgte er Tsukasa. Plötzlich bog der Ältere in eine Seitengasse ab, war somit aus Sagas Blickfeld verschwunden.

//Scheiße!//

Ohne Vorwarnung begann die, mittlerweile verheilte, Bisswunde an Sagas Unterarm schmerzhaft zu pochen. Erstaunt warf er einen Blick auf seinen Arm und langsam verstand er, was der Schmerz zu bedeuten hatte. Eine Welle der Übelkeit stieg in ihm auf, doch Saga unterdrückte das Gefühl und zwang sich dazu, klar zu denken. Hektisch beschleunigte er sein Tempo. Rennen fiel flach, der Lärm, den seine Schritte dabei verursachen würden, würde Tsukasas Aufmerksamkeit auf sich lenken. Schließlich gelangte er an der Einmündung an und spähte vorsichtig um die Ecke des Hauses, neben dem die enge Gasse lag. Es war stockfinster zwischen den Gebäuden, doch auch wenn seine Augen nicht sehen konnten ob sich jemand in der Gasse aufhielt, seine Ohren bestätigten es ihm schon nach wenigen Sekunden.

Jemand sprach.

Tsukasa.

Saga verstand herzlich wenig, doch plötzlich mischte sich eine zweite Stimme dazu. In Sagas Gehirn arbeitete es. Diese Stimme kannte er. Wieder sagte Tsukasa etwas Unverständliches, dann ertönte ein leises Lachen.

Karyu!

Dieses Lachen gehörte eindeutig Karyu. Geschockt ließ Saga sich auf den Boden sinken. Was hatte das denn nun wieder zu bedeuten? Sein Bruder traf sich mit diesem Vampir. Und das auch noch am frühen Morgen. An einem Samstag!

Er musste wissen, was hier vor sich ging! Langsam begann Saga auf allen Vieren weiter in die Gasse hinein zu krabbeln. Keine fünf Meter entfernt stand ein verrosteter Müllcontainer. Wenn er es bis dort hin schaffen würde, ohne dass sie ihn entdeckten, dann war es sicherlich möglich zu verstehen über was genau geredet wurde. Mit klopfendem Herzen robbte der Braunhaarige über den verdreckten Boden. Es stank. Diese ganze verdammte Gasse stank zum Himmel. Der Müllcontainer kam näher, Tsukasa und Karyu redeten immernoch. Plötzlich klapperte etwas lautstark hinter Saga. Erschrocken fuhr er herum und bemerkte, dass sein Fuß gegen eine löchrige Blechdose gestoßen war, die nun in aller Seelenruhe in die Mitte der Gasse rollte. Die Stimmen verstummten und Saga konnte förmlich spüren, wie beide Männer in seine Richtung starrten.

Von ihrem Platz aus würden sie ihn nicht sehen können, immerhin hockte er hier im Schatten des Containers. Er hörte Schritte. Panisch sah Saga sich nach einem Fluchtweg um, doch ohne entdeckt zu werden würde er hier nicht mehr wegkommen. Plötzlich packte ihn eine kalte Hand im Nacken und zog ihn ruckartig auf die Beine.

„Sieh an, was haben wir denn hier?“

Karyu hob erstaunt die Augenbrauen. „Tsukasa? Kann es sein, dass das hier zu dir gehört?“, fragte Karyu lächelnd und zerrte Saga aus dem Schatten des Müllcontainers hervor. Der wusste gar nicht wie ihm geschah und kam vor lauter Verwirrung und Nervosität nicht einmal darauf sich zu wehren. Hastig kam Tsukasa auf den Vampir und sein Fundstück zugelaufen. „Saga?“ Entsetzt starrte Tsukasa seinen jüngeren Bruder an. „Was um Himmels Willen tust du hier?“

„Ich- Ich hab gehört wie du raus gegangen bist. Ich hatte ein ungutes Gefühl und bin dir gefolgt.“, murmelte Saga schuldbewusst, Karyus Hand immernoch im Nacken. „Offensichtlich hatte ich ja Recht mit meiner Vermutung.“, fügte er hinzu und warf Tsukasa einen bösen Blick zu. „Was bitte macht ihr hier?!“

„Das würde mich allerdings auch mal interessieren!“, rief plötzlich eine vierte Stimme vom anderen Ende der Gasse her. Drei Gesichter wandten sich gleichzeitig in Richtung Straße. Eine kleine Gestalt stand auf dem Gehweg und setzte sich nun in Bewegung. „Hizumi?“, murmelte Saga ungläubig. Er hörte, wie Karyu entnervt seufzte. „Was wird das denn hier, wenn's fertig ist?“ Mittlerweile war der junge Vampir nur noch wenige Meter von der ungleichen Gruppe entfernt. Vor Karyu kam er zum Stehen.

„Eigentlich wollten Tsukasa und ich unseren kleinen Streit hier endgültig austragen, aber wir wurden gestört.“, sagte Karyu und verfestigte den Griff um Sagas Hals. Der warf Hizumi einen hilfesuchenden Blick zu. Die Schmerzen, die nun von der Wunde ausgingen, hatten sich um ein Vielfaches verstärkt und Saga biss die Zähne zusammen, um einen Schmerzensschrei zu unterdrücken.

„Aber dein Liebchen hier ist seinem Bruder anscheinend nachgelaufen.“, säuselte Karyu in Richtung Hizumi. „Du solltest deinen Bruder wirklich besser erziehen.“, fügte er, an Tsukasa gewandt, tadelnd hinzu.

Tsukasa schwieg, es war Hizumi der das Wort ergriff. „Karyu, lass ihn los! Bitte!“ Der Jungvampir machte einen Schritt auf Karyu zu. „Halt ihn da raus!“

Karyu begann zu lachen. „Ach weißt du, Hizumi. Wir wollten ihn ja da raushalten. Was glaubst du, warum ich sonst am frühen Morgen in einer nach Pisse stinkenden Gasse rumstehe? Tsukasa und ich wollten eigentlich eben anfangen und uns, um es einmal banal auszudrücken, auf die Fresse geben. Wenn du verstehst, was ich meine. Aber scheinbar, muss der kleine Bruder sich ja auch noch in diese Angelegenheit einmischen.“ Eine gefährliche Stille machte sich breit. „Saga, mach das du verschwindest!“, sagte Tsukasa ruhig. Alle Augen waren nun auf den Vampirjäger gerichtet, der, die Arme verschränkt, schräg hinter Hizumi stand. Wieder durchschnitt Karyus leises Lachen die Stille. „Oh, wer sagt denn, dass ich ihn gehen lasse?“

„Karyu, wir hatten eine Abmachung!“, warf Tsukasa ein und klang nun gar nicht mehr so ruhig.

„Stimmt, die hatten wir. Wir haben abgemacht, dass ich Saga nichts tue, mich von ihm fernhalte. In dieser Abmachung war allerdings nie davon die Rede, dass der Kleine freiwillig in meine Arme rennen könnte. Demnach ist die Abmachung in diesem Falle null und nichtig.“, erklärte Karyu sachlich und zog Saga mit einem Ruck zu sich. „Karyu verdammt! Du lässt ihn los! Du hast mir was versprochen!“, rief Hizumi und seine Stimme überschlug sich. Das Vampiroberhaupt lächelte kalt. „Hast du mir eben nicht zugehört?“

Nun ergriff Tsukasa das Wort: „Karyu, ich warne dich. Lass ihn los, oder ich bringe das zu Ende, was ich vor kurzem begonnen habe!“ Blitzschnell hatte er Hizumi in den Schwitzkasten genommen und hielt ihm den kleinen Silberdolch gegen die linke Brust. Karyu begann zu lachen. „Du willst mir drohen?“

„Lass ihn los! Lass ihn-“

„Halt den Mund, Hizumi!“, blaffte Karyu unwirsch, ohne den Blick von Tsukasa zu wenden. „Du glaubst also wirklich, dass ich es einfach so hinnehme, dass du Hizumi jetzt schon das zweite Mal durch die Mangel nimmst, obwohl er nicht das Geringste getan hat?“

„Natürlich hat er etwas getan!“, verteidigte sich der Vampirjäger.

„So? Was denn bitteschön?“

„Er hat eine komplette Familie umgebracht!“

Wieder ertönte Karyus leises, melodisches Lachen. „Oh ja. Vor fünfzehn Jahren. Das hatte ich schon ganz vergessen. Im Gegensatz zu dir, hat er damals allerdings getötet, weil er nicht anders konnte. Du geilst dich doch daran auf, du kleiner Freak!“ Der Vampir festigte den Griff um sein Opfer. „Und jetzt glaubst du, ich lasse dich einfach so davon kommen, ohne dir eine Lektion zu erteilen? Oh nein mein Lieber. Das kannst du vergessen!“ Mit diesem Worten rammte Karyu seine Zähne in Sagas Halsschlagader. Ein markerschütternder Schrei hallte von den schmutzigen Wänden der Gasse wieder. Doch unerwarteterweise war es nicht Saga der schrie. Die Stimme gehörte Hizumi, der sich mit einem Ruck aus Tsukasas Griff befreit hatte und nun Anstalten machte, auf Karyu los zu gehen. Der ließ sich jedoch nicht in seinem Tun beirren und schleuderte den jüngeren Vampir mit einer bloßen Handbewegung an die gegenüberliegende Wand. Hizumi fiel zu Boden und blieb regungslos liegen.

Fassungslos starrte der Vampirjäger auf seinen kleinen Bruder, der mit schmerzverzerrten Gesicht in Karyus Armen hing, während dieser dabei war, ihm das Blut aus den Adern zu saugen. Ein Ruck ging durch Tsukasas Körper und er hechtete nach vorn, den Dolch auf Karyu gerichtet. Doch bevor er den Vampir erreichen konnte, erhob sich dieser und ließ Saga fallen. Um den Hals des Braunhaarigen bildete sich langsam eine Blutlache und seine Muskeln zuckten in unregelmäßigen Abständen. „Du hast die Wahl, Tsukasa. Noch lebt er. Einer von uns hätte die Fähigkeit, ihn endgültig zum Vampir zu machen.“ Er wandte den Blick zu Hizumi, der langsam wieder zu sich kam. „Falls du allerdings nicht möchtest, dass dein Bruder auch zu einem deiner Monster mutiert, dann wird er sterben. Entscheide dich, er hat nicht mehr viel Zeit.“ Als er geendet hatte, drehte Karyu sich um und verschwand lautlos. Sofort fiel Tsukasa neben seinem Bruder auf die Knie und rüttelte den sterbenden Körper. Ohne es zu merken, hatte er begonnen zu weinen.

„Saga! Saga du musst durchhalten, verstehst du mich?“, wisperte er mit tränenerstickter Stimme. „Du packst das!“

„Nein, das wird er nicht.“, entgegnete plötzlich eine zweite Stimme leise hinter Tsukasas Rücken. Der drehte sich um und sah in Hizumis blasses Gesicht. „Er wird sterben.“

Entsetzt starrte der Jäger in die hellen Augen seines Gegenübers. „Das kann nicht dein Ernst sein.“, hauchte er fassungslos. „Glaub mir, ich wünschte, es wäre gelogen.“, sagte der Vampir traurig.

Eine Weile herrschte Stille, nur Sagas unregelmäßger Atmen war zu hören.

„Scheiße! Du kannst ihn retten, oder?“, rief Tsukasa aufgewühlt und schluchzte leise. Hizumi nickte. „Ja, kann ich. Aber dann wird er einer von uns.“

„Jetzt mach endlich! Sonst stirbt er!“

Hizumi nickte und taumelte einige Schritte nach vorn, dann ließ er sich langsam neben Saga in die Knie sinken. Während Hizumi Saga vorsichtig in seine Arme zog, um ihn in eine halbwegs aufrechte Position zu bringen, fiel Tsukasas Blick auf seinen Rücken. Hizumis helles Oberteil hatte sich zwischen Schulterblättern und Steißbein, entlang der Wirbelsäule, dunkel gefärbt, der Stoff war blutdurchtränkt. Der Jäger bemerkte, dass Hizumi leise begann, mit Saga zu sprechen und ihm vorsichtig über die Wange strich. Dann beugte er sich vor und biss zu. Nur wenige Zentimeter über die schon vorhandene Wunde. Saga gab einen schwachen Schmerzenslaut von sich und seine Hände verkrallten sich krampfhaft in Hizumis Oberteil. Entsetzt blickte Tsukasa auf das Bild, das sich ihm bot. Es dauerte nicht lange und Saga lag völlig regungslos in Hizumis Armen. Der Vampir ließ von seinem Opfer ab und wischte sich fahrig über den blutverschmierten Mund. „Er... wird jetzt eine Weile Ruhe brauchen. So eine Verwandlung bringt viele Schmerzen mit sich.“, sagte Hizumi, ohne den Blick zu heben. Tsukasa nickte mechanisch. „Ich werde ihn mit zu mir nehmen müssen. Es ist gefährlich, wenn er direkt nach der Verwandlung unter Menschen kommt.“ Er hob zögernd den Blick und sah in Tsukasas Gesicht, in dem sich Fassungslosigkeit, Trauer und Wut spiegelten. „Es tut mir Leid. Ich wollte nicht, dass es so kommt. Ich wollte, dass er lebt.“ Betreten sah Hizumi in Sagas blasses Gesicht.

Anstatt etwas zu erwidern erhob sich Tsukasa langsam. „Sag Karyu, dass er gewonnen hat.“, murmelte er tonlos und ließ Hizumi und Saga allein in der Dämmerung zurück...
 


 

Am selben Abend, Hizumis Wohnung, ca 8.30 Uhr ...
 

Sagas POV
 

Ein merkwürdiger Traum weckte mich auf. Irgendetwas mit Vampiren. Wirres Zeug.

Ich blinzelte verschlafen, schloss die Augen jedoch schnell wieder, denn sie brannten. Eine Weile dämmerte ich so vor mich hin, dann wurde mir bewusst, dass mein Hals schmerzte. Ich wollte die Hand heben, um zu ertasten, was genau mir weh tat, doch etwas hielt meine rechte Hand zurück. Und so öffnete ich, trotz Brennen, die Augen und blickte auf die Stelle an der besagtes Körperteil lag. Ein brauner, zerzauster Haarschopf ruhte auf der Bettkante und meine Hand ließ sich nur aus dem Grund nicht bewegen, weil sie bereits durch eine andere Hand beschlagnahmt worden war. Erst jetzt stellte ich fest, dass ich hier nicht in meinem eigenen Bett lag. Ich sah mich um. Ich befand mich unverkennbar in Hizumis Wohnung. War nur logisch, denn es war immerhin auch Hizumi, der hier in einer sehr unbequem aussehenden Haltung auf der Bettkante hing und zu schlafen schien. Wieder fiel mir etwas auf. Hizumis Hand war warm. Wie war das möglich? Er war tot! Wieso fühlte sich seine Haut plötzlich so warm an? Und wie war ich überhaupt hier her gekommen? Und warum hatte ich kein Herzklopfen? Immerhin lag der Traum meiner schlaflosen Nächte hier mehr oder weniger neben mir.

Ruckartig setzte ich mich auf. Der Traum. Tsukasa.

Mir wurde schlecht.

Meine Bewegung hatte Hizumi offenbar aufgeweckt, denn er sah mich verwirrt und aus kleinen Augen an. „Du bist schon wach?“, fragte er leise. Ich nickte. „Was ist hier los? Warum liege ich in deinem Bett?“ Er seufzte schwer. „Saga, die Sache ist die...“ Somit begann er zu erzählen, was sich vor wenigen Stunden ereignet hatte. Also war es kein Traum gewesen. Das wirre Zeug, das mir durch den Kopf geschossen war, war die pure Realität. „Das... heißt also, dass ich jetzt tot bin?“, fragte ich zur Sicherheit noch einmal nach. Er nickte stumm und starrte auf seine Hände, die er mittlerweile auf die Knie gelegt hatte. „Ich wollte nie, dass es so weit kommt. Das musst du mir glauben, bitte.“, murmelte er gedämpft. Erschöpft ließ ich mich zurückfallen und stieß einen Seufzer aus. Mein Körper fühlte sich kraftlos an, irgendwie fremd. „Sicher glaub ich dir. Du konntest am wenigsten dafür.“

„Saga, du weißt, dass das nicht stimmt! Wenn ich mich damals-“

„Fang bitte nicht schon wieder so an. Das haben wir schon hundert mal diskutiert.“ Ich legte eine Hand übers Gesicht und schloss die Augen. Ich fühlte mich erschlagen. Im übertragenen Sinne.

Hizumi schwieg eine Weile, dann sagte er kleinlaut. „Trotzdem.“ Bevor ich etwas erwiedern konnte, durchschoss mich unvermittelt eine heftige Schmerzwelle. Ich stieß einen überraschten Laut aus und krümmte mich zusammen. Sofort griff Hizumi erneut nach meiner Hand und begann, beruhigend auf mich einzureden. „Ganz ruhig. Das ist normal. Solche Krämpfe wirst du in den nächsten paar Tagen öfter haben. Ich weiß wie schlimm es ist. Irgendwann geht es wieder vorbei.“ Am Rand der Schmerzen spürte ich, wie er sanft über meinen Handrücken streichelte. Nach einer knappen Minute war der Schmerz so schnell vorbei wie er gekommen war. Schwer atmend lag ich in den zerwühlten Kissen und starrte die weiße Decke an.

Eine Weile verharrte ich vollkommen reglos und versuchte, meinen Verstand wiederzufinden. Plötzlich fiel mir etwas ein. Wieso zur Hölle hielt Hizumi eigentlich meine Hand? War das nur eine nett gemeinte Geste, oder steckte da mehr dahinter? Wobei, laut eigener Aussage, hatte Hizumi ja keine Gefühle für mich. Zumindest nichts, was über rein platonische Liebe hinausging. Ich traute mich nicht zu fragen. Einerseits hoffte ich natürlich, dass er sich vielleicht umentschieden hatte, andererseits hätte ich eine zweite Abfuhr in meinem jetzigen Zustand definitiv nicht auch noch verkraftet. Also blieb ich stumm und versuchte mich auf die ungewohnt warme Hand zu konzentrieren, die meine eigene umfasst hielt. Nun dämmerte mir, wieso er sich nicht mehr so kühl anfühle, wie gewöhnlich. Er war nicht wärmer geworden. Nein, mein Körper war mittlerweile lediglich so kalt wie Hizumis es war.

Ich schloss die Augen und eine Zeit lang saßen wir beide schweigend da. Ich konnte deutlich spüren, dass er mich ansah, doch ich traute mich nicht, die Augen zu öffnen, aus Angst etwas Unbedachtes sagen zu können.

Nach einer Weile verschwand die Hand und ich hörte, wie ein Stuhl leise nach hinten gerückt wurde. Daraufhin folgte das Geräusch von Schritten, die leise die Treppe hinunter gingen. Offenbar befand er sich gerade in der Küche, denn eine Schublade wurde aufgezogen, etwas rumpelte blechern und mit einem “Klack“ wurde die Schublade wieder geschlossen. Dann erneut Schritte, diesmal die Treppe hinauf, zurück zu mir. Als ich sicher war, dass Hizumi wieder neben dem Bett saß, öffnete ich die Augen und blickte ihn an. Das erste mal seit meinem Erwachen sah ich ihm bewusst ins Gesicht. Er sah krank aus. Blasser als sonst und seine Augen waren gerötet. Hatte er geweint?

Viel zu spät bemerkte ich das blitzende Messer in seiner Hand. „Was zum-“, setzte ich an, doch meine Frage beantwortete sich von selbst, als Hizumi die Klinge an den Pulsadern seiner rechten Hand ansetzte und mit einer fließenden Bewegung die dünne Haut durchtrennte. Entsetzt starrte ich ihn an. „Was soll das?“, fragte ich, während ich beobachtete, wie dunkles Blut Hizumis Unterarm herunter lief. „Trink.“

Ich starrte ihn verblüfft an. „Was?“

„Du musst das trinken, dann geht’s dir besser.“ Er hielt mir seinen Arm unter die Nase. Ich glotzte fassungslos auf das dünne Handgelenk und den tiefen Schnitt, der darauf zu sehen war. Und dann passierte etwas, das ich nie für möglich gehalten hatte: In der Sekunde, in der meine Nase den Blutgeruch aufnahm, wurde ich hungrig. Ein furchtbares Hungergefühl übermannte mich und ehe ich mich versah, hatten sich meine Lippen auf die Wunde gelegt und ich trank. Wie ein Verdurstender presste ich die Lippen auf die blutende Stelle und begann zu saugen. Es tat gut. Zu meiner Überraschung schmeckte es auch noch! Nach einer viel zu kurzen Zeit zog Hizumi seinen Arm zurück und rieb sich das Handgelenk. „Das reicht fürs erste, sonst kipp ich hier gleich um.“ Er lächelte schief. Jetzt erst begriff ich, was ich gerade getan hatte. „Scheiße.“, murmelte ich und wischte mir über dem Mund.

„Daran wirst du dich gewöhnen müssen.“ Hizumi rieb sich den Arm. „Das wird ab jetzt dein Grundnahrungsmittel sein. Wobei du all dein Blut eigentlich aus Blutkonserven beziehen wirst. Das hier war eine Ausnahme.“

„Wieso?“

„Was „Wieso“?“, fragte er verwirrt.

„Wieso hast du mich dieses Mal von deinem Blut trinken lassen?“

Er senkte den Blick. „Naja, weil...“, nuschelte Hizumi verlegen. „Mit der Person, deren Blut man als erstes direkt nach der Verwandlung trinkt, ist man den Rest seines Daseins auf eine ganz spezielle Art verbunden.“ Ich blinzelte erstaunt. „Wie meinst du das?“, fragte ich. „Wenn du in Gefahr bist, werde ich es spüren können, wenn es dir schlecht geht, oder du Angst hast, werde ich es merken. Umgekehrt ist es genauso. Es ist so eine Art Seelenverwandtschaft, verstehst du?“ Ich nickte und irgendwie gefiel mir der Gedanke, mit Hizumi auf diese Art verbunden zu sein. Es hörte sich schön an. Ich hob den Blick und sah direkt in ein helles Augenpaar. Mit einem Mal fühlte ich, wie eine bleierne Müdigkeit sich auf mich legte und ich schloss die Augen. Es dauerte nicht lange, bis ich in einen tiefen Schlaf gesunken war...

Apprehension

so! nach 2 wochen endlich wieder neuer lesestoff. innerhalb von einem tag geschrieben und durch die beta geschickt. (danke, bunny!♥)

auch, wenn das kapitel nicht wirklich lang ist und wieder mehr so ein übergangs-chap ist...ich hoffe es gefällt euch.

das nächste wird auf jeden fall länger!
 

enjoy♥
 


 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 


 

Nächster Morgen...
 

Toshiya
 

Noch bevor er die Augen öffnete, spürte er Schmerzen. Schmerzen in den Fingern, in den Rippen und im Bauch. Toshiya blieb reglos liegen, hielt die Augen geschlossen und fragte sich, wie lange er nun so dagelegen hatte. Es war merkwürdig warm und irgendwie schien der nasse Asphalt verschwunden zu sein. //Bin ich tot?//, dachte er und versuchte vorsichtig, die Finger seiner rechten Hand zu bewegen. Der Schmerz, der ihn daraufhin durchzuckte, bewies ihm das Gegenteil. Erschrocken riss Toshiya die Augen auf und starrte gegen eine weiße Zimmerdecke. Sein Atem prallte stoßweise gegen die rauen, aufgeplatzten Lippen und fast schon panisch ließ der Junge seinen Blick umherschweifen. Das alles kam ihm verdammt bekannt vor!

Toshiya startete nun einen äußerst schmerzhaften Versuch, sich aufrecht hinzusetzen. Seine Rippenbögen machten ihm jedoch einen gehörigen Strich durch die Rechnung und mit einem leisen Ächzen gab er es auf und ließ sich zurück in die Kissen fallen. Plötzlich durchschoss ihn der Gedanke wie ein Blitz.

Zero.

Er befand sich in Zeros Gästezimmer. „Sein“ Zimmer. Beim bloßen Gedanken an den Vampir krampfte sich Toshiyas Herz schmerzhaft zusammen. Er drehte den Kopf vorsichtig zur Seite und starrte auf seine dick verbundenen Hände. Diese Typen hatten offensichtlich etwas mit seinen Fingern angestellt. Das musste passiert sein, nachdem Toshiya in Ohnmacht gefallen war, denn er konnte sich nicht an Verletzungen an den Händen erinnern.

Langsam und lautlos öffnete sich die Tür. Toshiya erschrak und schloss hastig die Augen. Er konnte hören, wie leise Schritte den Raum durchquerten und vor seinem Bett zum Stehen kamen. Er spürte, dass ein hellbraunes Augenpaar ihn ansah. Ein Stuhl wurde neben das Bett gerückt.

„Geht's dir gut? Ich weiß, dass du wach bist.“, sagte Zeros dunkle Stimme gedämpft. Toshiyas Herz machte einen unangenehmen Hüpfer und zögernd öffnete er die Augen.

„Ist das ein Traum?“, fragte der Junge heiser und warf Zero einen kurzen Blick zu.

Der schüttelte den Kopf. „Nein, ist es nicht. Als ich mitbekommen habe, was dir gestern passiert ist, konnte ich dich nicht einfach so liegen lassen.“

Eine Weile war es totenstill. Zeros Blick lastete auf Toshiya, doch der sah nur unentwegt auf die gegenüberliegende Wand hinter Zero.

„Warum nicht?“, fragte er schließlich kaum hörbar.

Der Vampir streckte zögerlich eine Hand aus und legte sie behutsam auf Toshiyas bandagierte Hand. „Hör mal.“, begann er. „Ich hab dir gesagt, dass ich dich nicht liebe. Nicht, dass du mir total egal bist.“

Der Liegende drehte sich ruckartig auf die andere Seite und seine Augen füllten sich mit Tränen. Zum einen, weil ihn Zeros Worte wieder an sein gebrochenes Herz erinnerten, zum andern, weil seine ebenfalls gebrochenen Rippen gegen die plötzliche Bewegung protestierten. Ein leises Schluchzen entfuhr Toshiyas Kehle und er schloss die Augen. Bloß nicht wieder heulen!

Zero seufzte. Er erhob sich und umrundete das Bett. Auf der anderen Seite angekommen, kniete er sich neben Toshiya, war nun auf einer Augenhöhe mit dem Halbvampir. Doch als Zero ansetzte etwas zu sagen, zog sich Toshiya mit einer ruckartigen Bewegung die Bettdecke über den Kopf.

„Toshiya. Bitte sei nicht sauer.“

So schnell, wie die Decke oben gewesen war, wurde sie nun wieder weg gezogen.

„Ich soll nicht sauer sein? Sag mal hast du sie noch alle? Warum verdammt nochmal sollte ich nicht sauer auf dich sein?“ Der Vorwurf klang nicht halb so wütend, wie er hätte klingen sollen, denn Toshiyas Stimme zitterte. Wieder war er den Tränen gefährlich nahe, doch momentan überwogen Enttäuschung und Wut.

Zero blinzelte überrascht. Mit einer so heftigen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Reumütig blickte er zur Seite. „Ja, du hast Recht. Du hast allen Grund sauer auf mich zu sein. Ich kann nur sagen, dass es mir Leid tut.“

Nach Fassung ringend biss Toshiya auf seiner sowieso schon spröden Unterlippe herum. Er schien offenbar nach Worten zu suchen. Seine Augen fixierten nun nicht mehr Zeros Gesicht, sie blickten ins Leere. „Warum... warum hast du dann überhaupt gesagt, dass du mich liebst, wenn's gar nicht stimmt?“, fragte er leise.

„Ich weiß es nicht.“
 


 

Hizumis Wohnung...
 

Sagas POV
 

Als ich aufwachte, war es bereits hell. Ich hatte furchtbar schlecht geschlafen, denn immer wieder hatten mich heftige Schmerzen aufgeweckt. Dementsprechend unausgeruht fühlte ich mich an diesem Morgen. Ich warf einen kurzen Blick auf die andere Bettseite. Hizumi lag zusammengerollt, mit dem Rücken zu mir, da und schien zu schlafen. Es hatte mich eine Menge Überredungskünste gekostet, ihn dazu zu bewegen, mit mir im gleichen Bett zu schlafen. Er hatte darauf bestanden, auf dem Sofa zu schlafen. Erst, als ich ihm in einem ziemlich zynischen Tonfall versichert hatte, dass ich nicht die Absicht hegte, ihn im Schlaf zu betatschen, hatte er zugestimmt.

Ich seufzte lautlos. Was für eine beschissene Situation. Ich war tot. Um genauer zu sein untot. Genau wie Hizumi. Also stand einer Beziehung eigentlich nichts mehr im Wege. Bis auf eins: Hizumi empfand einfach nicht das gleiche für mich, wie ich für ihn. Ich rollte mich ungelenk auf die Seite und betrachtete den schmalen Rücken meiner ersten großen (und vor allem unglücklichen) Liebe. Er trug ein schwarzes, weites T-Shirt und ich bemerkte, dass ein Stück Mullbinde über der leicht verrutschten hinteren Kragenöffnung hervorblitzte. War er verletzt?

Angestrengt versuchte ich die schicksalhafte Begegnung mit Karyu und Tsukasa zu rekonstruieren, doch mir fehlten einige Gedächtnisteile. Ich würde Hizumi fragen, was genau mit ihm passiert war.

Plötzlich drifteten meine Gedanken zu Tsukasa. Eigentlich hatte ich seit meiner Verwandlung nicht mehr an ihn gedacht. Wie es ihm wohl ging?

Mit einem Mal wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich meinen Bruder vor wenigen Tagen das letzte Mal gesehen hatte. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Ich war zu einem dieser Wesen geworden, die mein Bruder über alles hasste. Empfand er nun die gleiche Abscheu auch für mich? Vermisste er mich überhaupt? War ich ihm vielleicht sogar vollkommen egal, nun, da ich ein Vampir war?

Die Fragen quälten mich, doch am schlimmsten war die Tatsache, dass ich so schnell keine Antworten bekommen konnte. Wenn es stimmte, was Hizumi gesagt hatte, dann konnte ich Tsukasa in höchste Gefahr bringen, wenn ich mich mit ihm traf. Und das wollte ich auf keinen Fall. Trotzdem schien der Wunsch, meinen Bruder zu sehen, oder wenigstens mit ihm zu reden, übermächtig.

Ein leises Rascheln riss mich aus meinen Gedanken. Hizumi hatte sich herumgerollt und sah mich aus kleinen Augen an. „Morgen.“, nuschelte er.

„Morgen.“ Ich lächelte schief. Er schien jedoch sofort gemerkt zu haben, dass etwas nicht stimmte. „Was hast du?“, fragte er und klang sogar ziemlich besorgt. Wenigstens etwas. „Nichts. Ich musste nur gerade an Tsukasa denken. Ich werde ihn nicht wiedersehen können, oder?“

Hizumi sah mich fast schon mitleidig an und schüttelte betreten den Kopf. „Nein, das kannst du in der Tat nicht. Du würdest ihn und dich in Gefahr bringen.“ Er seufzte schwer. „Es tut mir alles so Leid.“

„Wenn du das noch einmal sagst, dann mach ich Hackfleisch aus deinem Kater.“, sagte ich trocken, konnte mir ein Grinsen jedoch nicht verkneifen. Auch auf Hizumis Gesicht breitete sich ein zögerliches Lächeln aus. „Ok, hab verstanden.“

Eine ganze Weile lagen wir uns gegenüber und musterten den jeweils anderen stumm. „Wenn ich mich wenigstens hätte verabschieden können.“, murmelte ich irgendwann, mehr zu mir selbst, als zu Hizumi. Der blinzelte und schien nachzudenken. Plötzlich sprang er auf und eilte die Treppe hinunter. Ich hörte, wie er herumkramte und wenige Sekunden später stand er wieder neben dem Bett, ein Handy in der Hand.

„Du kannst dich zwar nicht mit ihm treffen, aber das heißt nicht, dass du nicht mit ihm telefonieren kannst!“, sagte er triumphierend und hielt mir das Telefon unter die Nase. Ich strahlte. Auf diese banale Idee wäre ich wahrscheinlich nie im Leben-...Tod-... Was auch immer... gekommen! Sofort schnappte ich mir das Handy und wählte Tsukasas Nummer. Immerhin kannte ich die auswendig. Mit zitternden Fingern drückte ich auf den grünen Hörer. Es tutete.

//Geh schon ran! Bitte!//, beschwor ich meinen Bruder in Gedanken. Eine Zeit lang hörte ich nichts weiter, als des monotone Freizeichen, dann ein leises Klicken und endlich meldete sich mein Bruder mit einem tonlosen

„Ja?“

„Tsukasa? Ich bin's... Saga.“
 


 

Zeros Villa, Gästezimmer...
 

Toshiyas POV
 

Ich weiß es nicht.

Diese Worte taten mehr weh, als alles andere. In ihnen schwang die selbe Gleichgültigkeit, die ich in Zeros Augen bemerkt hatte, kurz bevor ich gegangen war. Ich nickte schwach und versuchte mit aller Kraft die Tränen zu unterdrücken, die in mir aufstiegen. Langsam zog ich die Bettdecke höher, bis zum Kinn. Ich starrte die Wand an, schaffte es einfach nicht ihn anzusehen. Ich zuckte heftig zusammen, als er meine Wange kurz mit den Fingerspitzen berührte.

„Bist du ansonsten ok?“

Meine Antwort war ein halbherziges Schulterzucken. Ich war mir nicht sicher, ob ich ok war. Momentan überlagerte der seelische Schmerz den körperlichen. Wieder entfuhr mir ein leises Schluchzen und ich wischte mir ungeschickt mit meiner lädierten Hand über die Augen. Zero schien es bemerkt zu haben. „Bitte nicht weinen.“ Er klang ein wenig überfordert. „Ich kann das nicht sehen, wenn du so traurig bist.“

Jetzt war es endgültig vorbei. Ich brach in Tränen aus und drückte die Bettdecke fest an mich. „Ich bin aber traurig. Weil du mir Hoffnungen gemacht hast. Warum hast du überhaupt mit mir geschlafen, wenn du mich nicht liebst? War das nur so ne Laune? Hast du gedacht, nur, weil ich ein Stricher bin, ist es mir egal, mit wem ich in die Kiste hüpfe?“ Zitternd wischte ich mir erneut über meine brennenden Augen und versuchte mich zu beruhigen. Ich hatte nicht groß über meine Wortwahl nachgedacht. Momentan dachte ich gar nicht mehr. Aus mir sprachen Trauer und Enttäuschung.

Zero sah mich geschockt an und schüttelte kurz den Kopf. „Nein, das hab ich nicht gedacht.

„Er machte eine Pause. „Ich würde es dir erklären, aber ich kann es nicht in Worte fassen.“

Zero suchte offenbar meinen Blick, doch ich schaffte es nicht, ihm jetzt in die Augen zu sehen. Ich konnte ihm ja nicht mal ins Gesicht sehen, wie sollte ich da zu Blickkontakt fähig sein?

Wieder nickte ich nur stumm. So konnte man's auch machen. Um Ausreden war er offensichtlich nicht gerade verlegen.

Er lächelte schief. „Du glaubst mir nicht, hm?“, fragte er leise. Ich gab ihm ein erneutes Schulterzucken als Antwort. Ich glaubte an gar nichts mehr. Der Vampir seufzte und stand auf. „Ok, ich lasse dich besser allein. Hast du Hunger oder so?“

Ich schüttelte den Kopf. Die Tränen waren mittlerweile getrocknet und hatten einen brennenden Salzfilm auf meinen Wangen hinterlassen. Ich wollte nicht wissen, wie mein Gesicht aussah, wollte nicht wissen, wie sie mich zugerichtet hatten.

Zero warf mir einen letzten Blick zu, dann stellte er den Stuhl zurück neben den Bücherschrank und verließ mit leisen Schritten den Raum...
 


 

Hizumis Wohnung, ca 10.30 Uhr...
 

Sagas POV
 

„Ja?“

„Tsukasa? Ich bin's , Saga.“

Stille. Nur das leise Rauschen in der Leitung.

“Das glaub ich jetzt nicht...“

Wie meinte er das denn jetzt bitte? War er sauer, weil ich anrief?

„Ähm...“

“Wie geht’s dir? Ist alles in Ordnung? Wo bist du?“

Ich hatte Mühe überhaupt etwas von dem zu verstehen, was er da hektisch in den Hörer stammelte.

„Mir geht’s relativ gut. Glaub ich... Ich bin bei Hizumi. Ich rufe von seinem Handy aus an.“

“Oh Gott. Verdammt Saga. Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Ich dachte du stirbst!“

Ich schluckte. Wusste er es etwa noch nicht?

“Und bevor du fragst. Doch, verdammte Scheiße! Ich weiß ganz genau, dass du jetzt einer von ihnen bist. Aber um ehrlich zu sein, das ist mir tausendmal lieber, als damit leben zu müssen, dass du komplett tot bist!“

Jetzt war ich baff. Das hatte ich meinem Bruder nun nicht zugetraut.

„Also hasst du mich nicht?“

Entnervtes Seufzen am anderen Ende der Leitung. Ich konnte förmlich sehen, dass Tsukasa die Augen verdrehte.

“Wie könnte ich dich hassen? Du bist immerhin mein Bruder. Und das wirst du immer bleiben, egal welcher Rasse du jetzt angehörst.“

Ich war gerührt und in diesem Moment hätte ich alles dafür gegeben, um Tsukasa in den Arm nehmen zu können.

„Danke. Das bedeutet mir viel.“ Und wie viel mir das bedeutete! Mir fiel ein Stein vom Herzen! „Ich hab dich lieb!“, fügte ich wahrheitsgetreu hinzu.

“Ich hab dich auch lieb. Auch, wenn wir uns jetzt nicht mehr sehen können.“

„Ich werde dich so oft es geht anrufen. Dann können wir wenigstens reden.“

“Ist gut. Ich muss jetzt auflegen. Gleich hab ich ne Vorlesung.“

Mit diesen Worten beendete er das Telefonat und ich starrte das Handy an. Irgendwie fühlte ich mich komisch. Einerseits war ich erleichtert. Immerhin hasste mein Bruder mich nicht! Doch irgendwie hatte Tsukasa mir eine Spur zu ruhig und gefasst geklungen. Wahrscheinlich ging es ihm ziemlich bescheiden. Es war typisch für ihn, seine Sorgen vor mir geheim zu halten, weil er mir nicht auf die Nerven fallen wollte. Ich seufzte laut.

„Und? Was hat er gesagt?“, meldete sich Hizumi zu Wort, den ich für eine kurze Zeit vollkommen vergessen hatte. Er saß im Schneidersitz neben mir auf dem Bett und sah mich interessiert an. „Er hat gesagt, dass es ihm lieber ist, einen untoten Bruder zu haben, als einen toten. Und er hat gesagt, dass er mich trotz allem noch lieb hat.“ Ich musste unwillkürlich lächeln und schien Hizumi damit anzustecken. „Wie schön.“, sagte er und ich konnte spüren, dass er es ernst meinte.
 


 

Tsukasas Wohung, Treppenhaus...
 

Tsukasa
 

Er hastete die Treppe hinunter, stolperte, fing sich jedoch rechtzeitig wieder. Tsukasa war auf dem Weg nach draußen, er hielt es nicht mehr aus in der Enge seiner eigenen vier Wände. Draußen in der Kälte angekommen kramte er im Gehen in seiner Jackentasche herum. So wie es aussah, entwickelte er sich mehr und mehr zum Kettenraucher. Na herzlichen Glückwunsch. Als ob nicht alles schon beschissen genug wäre. Jetzt musste er sich zusätzlich wieder sein altes Laster auferlegen.

Hastig zündete er die Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Immernoch schwirrten ihm Sagas Worte im Kopf herum. Er hatte mit allem gerechnet, allerdings nicht mit einem einfachen Anruf. Aber wenigstens schien es Saga gut zu gehen. Gedankenverloren stapfte Tsukasa in Richtung Uni und hoffte, wenigstens dort ein wenig Ablenkung zu finden.
 

Als er das Universitätsgebäude verließ, war es bereits stockfinster. Eilig machte er sich auf den Heimweg. //Vielleicht schaffe ich's dieses mal ja mal nach Hause, ohne von irgendeinem Junkie, Mörder, oder Vampir belästigt zu werden.//, dachte er finster und stopfte die Hände in die Manteltaschen. Nach guten zwanzig Minuten, die ohne Zwischenfall verlaufen waren, tauchte das kleine Mehrfamilienhaus in Tsukasas Blickfeld auf. Vor der Haustür machte der Vampirjäger Halt und fischte eine Zigarette aus der Tasche. Rauchend stand er, an die Hauswand gelehnt, in der Dunkelheit und starrte in den schmutzigen Großstadthimmel. Ein leises Geräusch ließ ihn zusammenzucken.

„Guten Abend.“

Tsukasa verdrehte die Augen. „Ich hatte mich schon gewundert. Bis jetzt ist mein Nachhauseweg ruhig verlaufen. War klar, dass wieder einer von euch auftauchen würde.“, sagte er unbeeindruckt.

Karyu lachte. „Wow, so gefasst heute? Ich hab eigentlich damit gerechnet, dass du mir an die Kehle springst.“ Der Vampir kam einige Schritte näher, doch Tsukasa blieb ungerührt stehen. „Wieso sollte ich? Du hast gewonnen. Du hast mir denjenigen genommen, den ich beschützen wollte. Was bringt es mir, dich jetzt noch zu töten?“

Karyus Augenbrauen hoben sich. „Meinst du das ernst?“, fragte er überrascht und verschränkte die Arme vor der Brust. Tsukasa nickte. „Sehe ich so aus, als würde ich scherzen? Wenn du's genau wissen willst... Ich schmeiße den Job hin. Ihr Blutsauger könnt von mir aus machen, was ihr wollt. Ich werde mich nicht mehr einmischen. Such dir jemand anderen, dessen Leben du versauen kannst.“

Karyu setzte sich auf die kleine Steinmauer, die sich direkt neben dem Weg zur Haustür befand und sah Tsukasa stirnrunzelnd an. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so schnell zu brechen bist.“, murmelte er und klang fast schon empört. Tsukasa begann zu lachen. „Sag mal was bildest du dir ein? Bist jetzt hier hin gekommen, um dich über mich lustig zu machen? Du hast meinen Bruder umgebracht! Du hast mir alles genommen, was ich hatte! Wofür soll ich noch kämpfen, wenn ich nichts mehr habe, für das es sich zu kämpfen lohnt?“ Tsukasas Stimme war ruhig, doch in ihr schwang ein hasserfüllter Unterton. Gleichgültig warf er die Zigarettenleiche in den Staub und zertrat sie mit der Fußspitze. „Du hast gewonnen, Karyu.“

Der Vampir stützt die Ellenbogen auf die Knie und legte das Kinn in die Hände. „Hey. Sag mal, glaubst du eigentlich, ich hätte deinen Bruder grundlos ermordet? Immerhin hast du mit diesem dämlichen Katz-und-Maus-Spiel angefangen. Ich habe keinen Massenmord begangen. Und außerdem. Ich hätte Saga gar nicht erst gebissen, wenn Hizumi nicht in der Nähe gewesen wäre. Ich wollte dir eine Lektion erteilen, weiter nichts.“

„Soll das jetzt eine Entschuldigung sein, oder was?“

„Nein, soll es nicht. Nur eine Erklärung. Hast du schon mal daran gedacht, dass ich Saga einen Gefallen getan habe?“, fragte Karyu gelangweilt, ohne den Blick von Tsukasa abzuwenden. Dieser stand noch immer reglos da, den Rücken an die Hauswand gelehnt. Er wandte seinen Blick nun Karyu zu. „Oh ja. Einen großen Gefallen hast du ihm getan. Du hast ihn umgebracht.“, antwortete Tsukasa zynisch. Karyu begann zu grinsen. „Ja stimmt, hab ich. Aber wenigstens kann er jetzt bei dem sein, den er liebt. Hast du darüber mal nachgedacht?“

Der Angesprochene schnaubte nur verächtlich. „Oh ja. Falls du es noch nicht mitbekommen hast. Hizumi hat ihm einen Korb gegeben. Für wen hältst du dich eigentlich?“

„Ja stimmt, das hat er. Aber ich kenne Hizumi seit dem Tag, an dem ich ihn gebissen habe. Seit über zweihundert Jahren also. Ich weiß, das er Saga liebt. Und ich weiß, dass er mich hasst, weil ich Schuld bin, dass sein Liebster jetzt genauso untot ist wie er. Die Abfuhr war nichts weiter als ein billiger Fake. Hizumi wollte deinen Bruder nicht gefährden, das ist alles.“, erklärte der Vampir sachlich.

„Du lügst doch!“

„So, glaubst du? Was würde mir eine Lüge jetzt noch bringen?“

Tsukasa schwieg. Er war dabei sich eine zweite Zigarette anzuzünden. „Du solltest nicht so viel rauchen. Das ist ungesund.“, bemerkte Karyu beiläufig und streckte sich. „Es geht dich einen Scheiß an, was ich tue oder lasse!“, blaffte Tsukasa aufgebracht und nahm einen provozierend tiefen Zug.

Ein Grinsen breitete sich auf Karyus Gesicht aus. „Ich weiß ja nicht. Irgendwie gefällst du mir.“ Tsukasas Mund klappte auf und die Zigarette landete geräuschlos auf dem Boden. Als er sich gefangen hatte, fluchte er leise und sah Karyu wütend an. „Du hast sie echt nicht mehr alle!“

„Warum nicht? Wenn du nicht gerade irgendwen ermordest, bist du eigentlich sogar ziemlich anziehend. Wir sind uns in vielen Dingen ähnlich.“, sagte Karyu lächelnd und erhob sich. Mit einer eleganten Bewegung strich er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Aber ich will dich nicht länger bei deinem lugenkrebsfördernden Tun stören. Eins kann ich dir allerdings versprechen. Wir haben uns nicht zum letzten Mal gesehen.“ Mit diesen Worten drehte Karyu sich um und ging in aller Seelenruhe in Richtung Straße davon. Wenige Meter später verschluckte ihn die Dunkelheit. Zurück blieb ein fassungsloser und ziemlich aufgewühlter Tsukasa...

River Flows

und wie versprochen, das neuste chap!

viel gibt's nicht zu sagen, außer, dass sich die lage langsam aber sicher zuspitzt.

und ich musste feststellen, dass ich blake liebe!

er ist so ein wunderbares assoziales arschloch xDDD ich mag solche charas sehr :D
 

für alle, die es noch nicht mitbekommen haben:

es wird bald auch illustrationen zu hollow geben. (die werden dann in meiner zeichner galerie zu finden sein^^)

die idee kam mir spontan, als ich unbdingt ein bild von toshiya zeichnen wollte, um es auf meinen neuen schulordner zu kleben.

das bild ist unter illustrationen zu finden.

es werden wie gesagt noch weitere illus folgen, die werden dann allerdings nicht abgezeichnet sein, sondern tragen meinen stil und die charas werden so zu sehen sein, wie ich sie mir vorstelle.

^^

aber jetzt genug gelabert.
 

enjoy ♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 


 

Am selben Abend, Hizumis Wohnung...
 

Sagas POV
 

Ich saß mit Hizumi zusammen am Küchentisch und starrte skeptisch auf das mit Blut gefüllte Glas vor meiner Nase. „Ich weiß, es ist am Anfang etwas merkwürdig, aber wenn du nichts trinkst, bringt dich das auch nicht weiter.“, sagte Hizumi, der mein Zögern sofort bemerkt zu haben schien. Gab es eigentlich etwas, das diesem Kerl nicht auffiel?

Ich warf meinem Glas einen weiteren skeptischen Blick zu, dann stürzte ich den Inhalt entschlossen meine Kehle hinunter. Wieder war ich schockiert über meine eigenen Geschmacksnerven, denn tatsächlich schmeckte es mir. Schon wieder! Ich seufzte schwer. Daran würde ich mich wohl tatsächlich gewöhnen müssen.

Ich bemerkte, dass mein Gegenüber mich interessiert musterte. „Und? Schmeckt's?“ Ich nickte resignierend und Hizumi begann zu lächeln. „Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie es war, als ich zum ersten Mal „gegessen“ habe. Glaub mir, irgendwann gewöhnst du dich vollkommen daran. In den ersten paar Wochen ist es sowieso besser, wenn du nichts außer Blut zu dir nimmst. Dein Magen muss sich erst noch umstellen. Wenn du noch ein Mensch wärst, müsstest du jetzt kotzen, dein Magen würde das ungekochte Blut gar nicht vertragen. Deswegen mutest du ihm jetzt am besten nicht zu viel zu.“

Wieder nickte ich und starrte gedankenversunken auf den Boden des Glases, auf dem sich noch ein paar Tropfen übrig gebliebenes Blut gesammelt hatten. „Ist es normal, dass ich die ganze Zeit so müde bin?“, fragte ich. Obwohl ich die meiste Zeit des Tages im Bett verbracht hatte, fühlte ich mich erschlagen und ausgebrannt. Kurz gesagt müde. Hizumi wiegte den Kopf. „Jain. Bei jedem verläuft die Verwandlung ein bisschen anders. Es kann gut sein, dass bei dir extreme Müdigkeit auftritt. Du solltest dich sowieso wieder ins Bett legen, du siehst aus, als würdest du jeden Moment vom Stuhl fallen.“

Ich nickte, stand auf, stellte brav mein leeres Glas ins Spülbecken und schlurfte die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Ich hörte, dass Hizumi mir folgte. Oben angekommen warf ich mich aufs Bett und gähnte ausgiebig. „Kommst du zu mir?“, fragte ich leise und realisierte erst einige Sekunden später, was ich überhaupt gerade von meiner mich nicht liebenden Liebe verlangt hatte. Ich wartete darauf, dass mir das Blut ins Gesicht schoss, doch nichts geschah. Natürlich nicht. Ich war tot.

In Gedanken verfluchte ich mich für meine Vergesslichkeit.

Hizumi sah mich verwirrt an, doch zu meiner Überraschung nickte er und krabbelte etwas ungelenk auf die andere Seite der Matratze. Jetzt lagen wir also da und schwiegen uns an.

Toll.

Ich warf einen kurzen Seitenblick in Richtung Hizumi und nahm einen tiefen, unnötigen Atemzug. „Hizumi? Darf ich dich was fragen?“

Er blinzelte verwirrt und drehte sich auf die Seite, sodass er mir ins Gesicht sehen konnte.

„Klar. Was denn?“

Ich atmete ein zweites Mal tief durch. Jetzt oder nie!

„Was bin ich für dich?“

„Hä?“

Na toll. Das verstand er jetzt nicht, oder was? Gedankenlesen konnte der Typ, aber normal gestellte Fragen waren ihm zu hoch, oder was? Gut, dann halt ausführlicher!

„Also, ich meine, du hast mir klar und deutlich gesagt, dass du mich nicht liebst. Aber wenn dem wirklich so ist, dann versteh ich nicht, wieso du meine Hand gehalten hast, als ich aufgewacht bin. Wieso du mir dein Blut zu trinken gegeben hast und nicht einfach das aus irgendeiner Blutkonserve. Und ich verstehe nicht, wieso du mich ständig ansiehst, wenn du meinst, dass ich es nicht bemerke.“

Hizumi schwieg und sah mich mit unveränderter Miene an. Eine ganze Weile blieb es still, keiner von uns sagte ein Wort und irgendwie erschien mir mein eigener Atem in diesem Moment viel zu laut und absolut störend. „Jetzt gib mir bitte eine Antwort.“, drängte ich. Der erste Teil meiner erbetenen Antwort bestand aus einem langgezogenen Seufzer.

„Ach verdammte Scheiße. Was soll ich dir denn jetzt bitte schön sagen?“

„Die Wahrheit.“

Wieder zögerte er. „Ok, wie du willst. Die Wahrheit ist, dass ich eigentlich seit unserer ersten Begegnung bis über beide Ohren in dich verliebt bin. Die Wahrheit ist, dass ich dir damals nur eine Abfuhr gegeben hab, um dich zu schützen. Immerhin hätte ich dich fast gebissen.

Nachdem ich damals die Tür zugeknallt habe, hab ich heulend auf dem Boden gesessen. Ich hatte panische Angst um dich an diesem Abend. Als du mir dann auch noch erzählt hast, dass du angegriffen worden bist, war die Sache für mich praktisch schon gelaufen. Aber wie auch immer. Die ganze Wahrheit ist schlicht und einfach, dass ich dich liebe.“

Jetzt war ich an der Reihe mit Starren. „Das glaub ich nicht.“

Er lächelte verlegen und senkte den Blick. „Ist aber so.“ Sollte ich jetzt lachen oder weinen? Offensichtlich hatte Hizumi mich die ganze Zeit verarscht. Gut, zu meiner eigenen Sicherheit. Verarsche blieb allerdings Verarsche. „Warum hast du mir nichts gesagt?“

„Was hätte das gebracht? Du warst ja so schon unglaublich hartnäckig, selbst als ich dir erzählt habe, dass ich nichts für dich empfinde.“ Er lachte leise. „Wenn ich dir die Wahrheit gesagt hätte, dann wäre ich dich nie losgeworden und das hätte für dich übel ausgehen könne. Ok, im Nachhinein war das alles ziemlich sinnlos, weil genau das passiert ist, was ich vermeiden wollte. Du bist untot.“

„Aber eigentlich ist das doch gut, oder? So können wir immerhin zusammen sein... Sofern du das willst, natürlich.“, druckste ich herum. Jetzt war eh schon alles raus, da konnte ich auch ruhig noch eine Stufe weitergehen!

Auf Hizumis Züge schlich sich ein mildes Lächeln. „Du musst noch so viel lernen. Irgendwann wirst du verstehen, warum ich es lieber gesehen hätte, wenn du dein Leben weitergelebt hättest.“ Er machte eine kurze Pause. „Aber um deine andere Frage zu beantworten... Ich wäre unglaublich gern mit dir zusammen.“ Wäre ich zu diesem Zeitpunkt noch am Leben gewesen, hätte mein Herz sicherlich einen enormen Hüpfer gemacht. Doch so breitete sich lediglich ein strahlendes Lächeln auf meinem Gesicht aus. Ich war sprachlos. Was jetzt? Ich hatte erreicht was ich wollte, hatte Hizumi endlich ein Geständnis entlockt. Aber wie sollte es jetzt weitergehen? Sollte ich ihn umarmen? Oder vielleicht sogar küssen?

Ich fühlte mich mindestens genauso hilflos, wie ein Teenager beim ersten Date. Super! Ich hatte bei aller Liebe schon unzählig viele Dates gehabt, aber erstens waren meine Verabredungen zur damaligen Zeit eigentlich (fast) immer weiblicher Natur gewesen und zum anderen hatte ich meine große Liebe bis Dato noch nie zu Gesicht bekommen. Momentan lag besagte große Liebe allerdings nur wenige Zentimeter von mir entfernt und sah mich mit einem undeutbaren Blick an. Ich kratzte mein letztes bisschen Mut zusammen und rückte ein Stück weiter zu Hizumi heran. Zögerlich legte ich eine Hand auf seine Wange und sah ihm in die Augen. Und wieder musste ich feststellen, dass ich absolut fasziniert war, von diesen hellbraunen Iriden, die mich erwartungsvoll anblickten.

Ohne weitere Gedanken zu verschwenden, überwand ich die letzten paar Zentimeter und küsste ihn. Diesmal war es anders, als beim ersten Mal. Im Gegensatz zu unserem ersten gemeinsamen Kuss, erwiderte Hizumi nun direkt. Ich sah, dass er die Augen schloss und wenig später spürte ich eine Hand im Nacken, die sich sachte in meinen Haaren verkrallte.

Und mit einem Mal war alles um uns herum unwichtig. Die Zeit stand still und plötzlich fand ich den Gedanken daran, eine ganze Ewigkeit zu existieren nicht mehr so beängstigend wie noch wenige Minuten zuvor...
 

Als ich die Augen aufschlug brauchte ich eine Weile, bis ich verstand, wo genau ich war. Mein Gedächtnis kam wieder auf Touren und plötzlich wurde mir heiß. Ich hatte ihn geküsst. Einfach so! Und Hizumi hatte tatsächlich erwidert. Aber irgendwann und aus einem unerfindlichen Grund, musste ich wohl wieder eingeschlafen sein. Ich verfluchte meinen geschwächten Körper dafür!

Doch nun, da mein Hirn wieder begann, mehr oder minder seinen Dienst zu tun, bemerkte ich, dass etwas auf meiner Taille lag. Vorsichtig zog ich die Bettdecke ein Stück beiseite und konnte mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Obwohl es erst halb zehn war, schlief Hizumi tief und fest. Aber der schlief nicht nur. Nein! Hizumi lag vollkommen friedlich neben mir, einen Arm um meine Hüfte geschlungen, das Gesicht irgendwo Richtung Brusthöhe in meinem Oberteil versteckt. Behutsam strich ich ihm eine der vielen wirren Haarsträhnen aus der Stirn. Momentan konnte ich mein Glück kaum fassen, hatte fast schon Angst, in den nächsten paar Minuten erneut aufzuwachen, nur um festzustellen, dass alles ein Traum gewesen war.

Ich überlegte, ob ich Hizumi bitten sollte, mich zu kneifen... Dafür hätte ich ihn jedoch wecken müssen und das wollte ich nicht. Aber vielleicht konnte ich mich ja auch selbst kneifen. Kurzerhand verscheuchte ich die merkwürdigen Gedanken aus meinem Schädel. Offenbar schien Hizumis Unterbewusstsein gemeldet zu haben, dass ich nicht mehr im Traumland wandelte, denn er murrte leise vor sich hin und wurde unruhig.

Wenig später öffnete er verschlafen die Augen und sah mich etwas verwirrt an. Ich konnte nicht anders, als ihm mein strahlendstes Lächeln zu schenken. „Na, ausgeschlafen?“

Er schüttelte den Kopf und schloss die Augen abrupt wieder.

Dann eben nicht. Ich hatte beim besten Willen nichts dagegen, wenn er noch eine Weile weiter so neben mir lag. Wäre es nach mir gegangen, hätte er ruhig noch einige Jahrhunderte in dieser Position verharren können!

Etwas unsicher legte ich nun meinerseits einen Arm um den schmalen Körper. Hoffentlich ließ er so viel Nähe zu.

Doch meine Sorgen bleiben unbegründet, denn ein kleines Lächeln breitete sich auf Hizumis Zügen aus und er drückte sich näher an mich. Für einen kurzen Moment wünschte ich mir ein schlagendes Herz. Wahrscheinlich hätte ich diese Situation als Mensch kaum ohne bleibende Schäden überstanden. Das Herz hätte mir garantiert bis zum Hals und noch viel weiter geschlagen. Aber sowas gehört doch eigentlich auch dazu, oder?

Komisches Gefühl. So ganz ohne Herzklopfen...
 


 

Am nächsten Tag, Zeros Villa, ca 15.30Uhr...
 

In einen bleiernen Halbschlaf versunken, lag Toshiya in die warme Bettdecke eingewickelt da und dämmerte vor sich hin. Währenddessen werkelte Zero in der Küche herum und ärgerte sich über ein umgestürztes Glas Wein. In der letzten Zeit war der Vampir mit seinen Gedanken überall, aber nicht in der Realität. Entnervt begann Zero, den roten Weinfleck vom dunklen Parkettboden zu wischen. Plötzlich ertönte ein leises Lachen.

Verwirrt hob der Schwarzhaarige den Blick und sah direkt in Karyus Gesicht, von dem ein amüsiertes Grinsen Besitz ergriffen hatte. „Das machst du aber schön!“, griente der Größere und stämmte die Hände in die Hüften. „Du kannst bei mir zu Hause gleich weitermachen.“

Zero verdrehte die Augen und rappelte sich auf. „Du hältst es auch nicht mehr für nötig zu klingeln, oder?“

„Nö.“

Zeros Antwort blieb ein verachtungsvolles Schnauben. Er warf den Putzlappen achtlos in die Spüle und begab sich ins Wohnzimmer. „Also, was ist los. Du kommst nie grundlos zu mir. Entweder irgendwas Wichtiges ist passiert, oder du hast Hunger.“ Sichtlich genervt warf sich Zero auf einen der Wohnzimmersessel. Karyu tat es ihm gleich und besetzte das Sofa. „Letzteres nein. Ersteres ja. Wobei... wenn du schon so fragst. Was zu Essen wäre auch nicht schlecht.“ Karyu setzte einen absolut unpassenden Bambiblick auf. „Erst Erzählen, dann Essen.“, befahl Zero gelangweilt und schlug die Beine übereinander. Karyu räusperte sich und begann schließlich ohne weitere Umschweife zu erzählen.

„Also unser Hizumi-Problem hätten wir offiziell gelöst.“

„Wie meinst du das?“

„Ich hab Saga gebissen.“

Zeros Mund klappte einen Spalt breit auf und die hellbraunen Augen weiteten sich ungläubig. „Du hast was?“

„Ihn gebissen. Eigentlich wollte ich mir nur Tsukasa vorknöpfen, aber ironischerweise ist der kleine Bruder mitten in unsere Unterhaltung hineingeplatzt. Und es gab keine bessere Methode Tsukasa eins auszuwischen. Nebenbei hab ich auch noch Hizumi glücklich gemacht.“

„Dir ist schon bewusst, dass dir Blake für solche nicht angekündigten und vor allem unnötigen Verwandlungen den Kopf abreißen kann, oder?“

„Oh ja, Blake.“ Karyu lachte abfällig. „Den hatte ich ja ganz vergessen. Du weißt ganz genau, dass er mich nicht anrühren würde. Das würde er nicht wagen.“

„Woher willst du das wissen? Du weißt wozu er fähig ist.“

„Und er weiß, wozu ich fähig bin.“

Resignierendes Seufzen aus Richtung Sessel. „Wie du meinst. Es ist dein Kopf.“ Der Kleinere lehnte sich zurück und knackte mit den Fingerknöcheln. „Gut, Saga ist also ein Vampir. Und wo ist er jetzt abgeblieben?“

„Dreimal darfst du raten.“

„Bei Hizumi?“

„Jup.“

„Der redet noch mit dir?“

Ganz unerwartet verdüsterte sich Karyus Miene. Er zuckte die Schultern. „Ich schätze, er wird in den nächsten paar Jahrhunderten kein Wort mehr mit mir sprechen. Vielleicht kommt ihm irgendwann in den Sinn, dass ich ihm eigentlich nur einen Gefallen tun wollte.“

„Du hast den Mensch getötet, den er liebt. Wie nett von dir!“ Zero hob die Augenbrauen und knackte mit dem rechten Zeigefinger.

„Stimmt. Aber erstens haben wir damit jetzt Tsukasa vom Hals. Der hat nämlich alles hingeschmissen. Und zweitens können die zwei Turteltäubchen jetzt endlich zusammen sein. Manchmal muss man halt Opfer bringen.“, sagte Karyu betont lässig. Sein Gegenüber schüttelte nur sachte den Kopf. „Tu doch nicht so. Es macht dich fertig, dass er nichts mehr von dir wissen will.“

Wie auf Knopfdruck wurden Karyus Augen eine Tick heller und er starrte Zero wutentbrannt an. „Tu du nicht so, als ob die wüsstest, was in mir vorgeht!“, zischte er und beugte sich ruckartig nach vorn. Zero wich zurück und hob beschwichtigend die Hände. „Ruhig, Brauner! Das kann man auch freundlicher sagen.“

Karyu blinzelte kurz, schüttelte dann fast unmerklich den Kopf und ließ sich mit einem leisen Seufzen zurückfallen. „Anderes Thema. Was macht eigentlich dein Haus-Mensch?“ Das einzige, was Karyu zur Antwort bekam, war ein unterschwellig bösartiges Schnauben und eine Augenbraue, die in den Angriffsmodus wechselte.

„Ok. Wie geht es Toshiya.“, wiederholte Karyu seine Frage mit einem nicht zu überhörenden, zynischen Unterton.

„Der schläft. Ihm geht nicht so besonders. Irgendwelche Spinner haben ihn verprügelt. Und frag nicht nach Sonnenschein. Mich wundert um ehrlich zu sein, dass er überhaupt noch lebt.“

„Du meine Güte. Wie zur Hölle ist das passiert? Ich dachte, er wäre die ganze Zeit bei dir gewesen?“

„Nein, war er nicht. Er ist vor 5 Tagen abgehauen.“

„Moment.“ Karyu wedelte hektisch mit den Armen. „Auszeit!“ Er beugte sich so weit vor, dass er nun mehr stand als saß und stützte die Hände auf dem Couchtisch ab. Nur noch wenige Zentimeter trennten ihn so von Zero. „Da ist doch was faul! Was ist da gelaufen zwischen euch?“

Unbeeindruckt verschränkte Zero die Arme. „Es sind Dinge gelaufen, die nur mich etwas angehen. Ich kann dir so viel verraten: Diese Dinge hätten nicht passieren sollen und werden auch nicht wieder passieren.“

„Du hast ihn gefickt?“ Karyu grinste breit und Zero verspürte den dringenden Wunsch, ihm dieses Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln. Doch er beherrschte sich, setzte nur einen gleichgültigen Blick auf und lächelte abwertend.

„Schließ nicht immer von dir auf andere Karyu. Ich denke du hast verstanden, was ich gesagt habe. Find dich damit ab, du sensationsgeiles Lästermaul.“

Der Ältere schmollte und war nun sichtlich beleidigt. Er nahm wieder eine normale Sitzposition ein und gähnte. „Und? Was willst du jetzt mit ihm machen? Willst du ihn weiter hier behalten, oder bringst du ihn irgendwann wieder dahin, wo er hingehört?“ Für die letzte Bemerkung erntete Karyu erneut einen todbringenden Blick. „Er bleibt so lange hier, bis die Verletzungen wieder geheilt sind. Er hat zwei Rippenbrüche, diverse Prellungen, Quetschungen, Kratzer. Die ganze Palette halt.“

„Wie wär's, wenn du ihn einfach ins Krankenhaus bringst?“

„Geht nicht. Er ist nicht versichert. Kein Krankenhaus nimmt sich einer sozusagen obdachlosen und nicht versicherten Person an. Kurz nachdem ich ihn wiedergefunden habe, hab ich nen Arzt gerufen, der das Nötigste diagnostiziert und behandelt hat. Den Rest bekomme ich selbst hin. Immerhin habe ich schon einiges an Wunden und Verletzungen gesehen.“

„Oh man. Ich hoffe, ich begegne ihm gleich nicht im Flur. Wenn er mich sieht, bekommt er garantiert noch einen Schock dazu. Soweit ich das mitbekommen habe, hat er ja Angst vor mir.“, grinste Karyu und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Bild dir nicht so viel darauf ein. Er hat auch Angst vor Spinnen und Fledermäusen.“

„Oh, du hast ihn in den Keller geschickt?“

„Er wollte unbedingt selbst das Wasser raufholen. Ich hab ihn gewarnt.“

Nun musste auch Zero kurz grinsen. Er fing sich jedoch schnell wieder und strich sich eine Haarsträhne aus dem blassen Gesicht. „Übrigens, wir sollten wirklich aufpassen. Es sind Gerüchte im Umlauf. Moskaus Unterwelt ist momentan ein wahrer Hexenkessel. Mehrere von Blakes engsten Beratern sind dabei erwischt worden, wie sie Geschäfte mit Menschen gemacht haben. Angeblich größtenteils Mafiamitglieder. Scheinbar ging es um ne ganze Menge Kohle und noch mehr Blut. Menschenhandel, wenn du mich fragst. Blake hat Wind davon bekommen und alle, die involviert waren, noch am gleichen Tag exekutieren lassen.

Der Kerl ist scheinbar tierisch geladen. Bis jetzt haben sie unsere Eskapaden ja offensichtlich noch hingenommen, aber ich glaube, wenn noch mehr Mist aus unserem Revier zu ihnen durchkommt, dann haben wir die Kacke echt am dampfen.“, berichtete Zero und beobachtete einen Vogel, der draußen auf dem Fensterbrett herumpickte.

„Da sieh mal einer an. Die Kalkfratze bekommt Komplexe, wenn die Mafia Lebendfutter für seine Freunde anschafft. Wie unsozial von ihm.“

„Du solltest eine Versammlung einberufen, wir müssen uns vorsehen. Wir haben genug Mitglieder durch Tsukasa verloren, wenn wir jetzt auch noch Russland am Hals haben, dann können wir bald einpacken. Du weißt, wie scharf die umliegenden Clans auf das Tokyoter Gebiet sind.“

„Ok. Wenn's dich glücklich macht. Für Morgen Nacht setze ich was an, ok?“

„Mein Held.“

„Jaja, das sagst du mir ständig. Autogramme gibt’s später.“

Karyu erhob sich schnell, aber elegant. Sein Rücken dankte es ihm mit einem mörderischen Knirschen. „Ich werde alt.“

„Du wirst alt?“, stichelte Zero und stand ebenfalls auf. Und das vollkommen ohne schmerzhaft klingende Geräusche! Karyu wandte sich zum Gehen. „Ich mach mich vom Acker. Ich hab noch einiges zu erledigen.“

„Musik in meinen Ohren.“

„Ich hab dich auch lieb, Zero.“, murmelte Karyu beiläufig, während er die Tür zum Flur öffnete. „Bis spätestens Morgen Abend.“ Das nächste, das Zero hörte, war das leise Geräusch der zufallenden Haustür. Ohne Zeros Zutun trugen seine Füße ihn wie von selbst in den Flur, von dort aus zu Toshiyas Zimmertür. Einen Moment lang überlegte er. Sollte er dem Drang nachgeben und eintreten? Eine innere Stimme brüllte geradezu, dass dies keine gute Idee war. Zero schickte die Stimme zum Teufel und öffnete leise die Tür.

Toshiya lag auf dem Rücken und starrte geistesabwesend an die Decke. Er zuckte kurz zusammen, als er bemerkte, dass Zero in der Tür stand. Eine kleine Ewigkeit sahen sich beide lediglich stumm an, dann ergriff Zero leise das Wort. „Wie geht’s dir? Was machen die Rippen?“ Langsam machte er einige Schritte in den hellen Raum hinein und kam neben Toshiyas Bett zum Stehen.

„Geht so. Ich kann mich fast schon wieder auf die Seite rollen, ohne, dass es weh tut.“ Toshiya startete einen Versuch, zu lächeln. Dieser scheiterte jedoch ziemlich kläglich und er gab es auf.

„Zero?“, fragte Toshiya leise, ohne den Blick von der Zimmerdecke abzuwenden.

„Mh?“

„Wenn ich wieder gesund bin, wo soll ich dann hin?“

Der Vampir überlegte kurz. „Bis dahin werde ich was für dich gefunden haben. Ich nehme nicht an, dass du hier bleiben willst.“ Er lächelte schief und sah aus dem Fenster. Toshiya schwieg, drehte dann langsam den Kopf zu Zero. „Gibst du mir mal meinen Rucksack?“

Etwas verwirrt nickte der Angesprochene und bückte sich nach der ausgeblichenen, schwarzen Tasche, die unbeachtet neben dem Bett lag. Er stellte sie auf die Bettkante und sah erstaunt zu, wie Toshiya sich umständlich auf die Seite rollte und begann in dem durchlöcherten Gebilde herumzukramen. Nach einer Weile war er offensichtlich fündig geworden und fischte etwas heraus, das einer Kette ähnelte. Bei genauerer Betrachtung erwies sich der Gegenstand als eben dieses.

Eine schmale Goldkette, die von einem ebenfalls in Gold gefassten, hellen Edelstein verziert wurde.

Toshiya betrachtete das Schmuckstück kurz, dann hielt er es dem Vampir unter die Nase. Der blinzelte verwirrt. „Hier.“, sagte Toshiya leise und senkte den Blick.

„Toshiya. Was-?“

„Bitte, nimm sie an.“

„Wo hast du die her? Das Teil ist doch bestimmt verdammt wertvoll!“

„Die hab ich von meiner Mutter. Meiner richtigen. Sie hat sie mir vererbt.“

Fassungslos blickte Zero auf die schmale, bandagierte Hand, die ihm da ein antikes Schmuckstück hinhielt. „Aber warum willst du sie mir geben? Die muss doch wichtig für dich sein?!“

Der Junge kaute verlegen und unschlüssig auf seiner Unterlippe herum. „Weil...“ Er zögerte. „Weil ich nicht will, dass du mich irgendwann vergisst. Du lebst ewig. Ich nicht. Vielleicht erinnerst du dich so noch an mich, wenn ich schon lange nicht mehr lebe.“ Toshiyas Stimme zitterte, doch er gab sich sichtlich Mühe, die Beherrschung nicht zu verlieren. Zero war sprachlos. Anstatt einen weiteren Versuch zu starten, Toshyia sein Vorhaben auszureden, nahm er die Kette an.

Ein leises „Danke.“ war alles, was er herausbrachte, bevor er den Rucksack wieder zurück auf seinen Stammplatz stellte und sich auf die Bettkante setzte, die Kette immernoch in der Hand.

„Du bist wirklich was Besonderes, Toshiya.“, sagte Zero leise und musterte den Liegenden. Der wurde rot und senkte den Blick.

Wieder herrschte Stille.

So lange, bis Toshiyas Magen sich mit einem unüberhörbaren Knurren meldete.

„Ich glaube, du solltest was essen.“, bemerkte Zero und erhob sich. Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand er in der Küche...
 


 

Moskau, Krypta, 23.38 Uhr...
 

Blake saß, die Beine lässig übereinander geschlagen, auf einem roten Samtsofa. Sein Arbeitszimmer war, wie immer, in ein dämmriges Licht getaucht, das obskur wirkende Schatten an den Wänden tanzen ließ. Ihm gegenüber saß ein schlankes, bildhübsches Mädchen mit hellbraunen Locken. Sie hatte die Hände auf eine schwarze, geöffnete Kladde gelegt und sah Blake aufmerksam an.

„Also, Jelena, was hast du dieses Mal für mich?“

Das Mädchen lächelte und die hellen Augen funkelten. „Einige Dinge, die Euch sicher nicht gefallen werden. Es sind mehrere Regelverstöße im Tokyoter Revier gemeldet worden. Unerlaubte Verwandlungen und Morde. Sowohl an Menschen, als auch an Vampiren. Wer genau dahinter steckt ist nicht bekannt, aber offensichtlich handelt es sich bei den Vampirmorden um einen Jäger. Es ist schon eine Weile her, dass er damit angefangen hat, Untote zu eliminieren. Es war eine Menge Arbeit, überhaupt etwas über diesen Vorfall herauszubekommen. Die Clanoberhäupter haben alles daran gesetzt, es zu verbergen.“

Blake lächelte süffisant und ließ sich mit einem zufriedenen Seufzen zurück fallen. Er streckte die Arme seitlich über die Sofalehnen und blickte an die beige, mit Stuck verzierte Zimmerdecke.

„Das sieht Karyu ähnlich. So etwas Wichtiges vor mir zu verbergen.“ Der Schwarzhaarige grinste breit. „Ich glaub es wird langsam Zeit, dass er mir einen Besuch abstattet.“

Jelenas Blick veränderte sich schlagartig. Sie wirkte fast schon panisch, als Blake den Namen des japanischen Clanberhauptes erwähnte.

„Bitte denkt jetzt nicht, dass ich an Euch zweifle, aber...“

Blake winkte gelangweilt ab. „Ich weiß genau was du denkst, Jelena. Du denkst, er könnte uns den gleichen Ärger machen wie beim letzten Mal. Aber dir sei versichert, dieses Mal bin ich vorbereitet. Dieses Mal werde ich es sein, der ihn in seine Schranken weist. Und nicht umgekehrt.“ Noch bevor Jelena etwas erwidern konnte, ertönte ein markerschütternder Schrei. Angewidert verzog die Brünette das makellose Gesicht. Blake wandte den Kopf in Richtung Tür und hob die Augenbrauen.

„Sind die immernoch nicht fertig?“

Seufzend schüttelte Jelena den Kopf und ließ die seidigen Locken sachte auf und ab wippen.

„Nein, die Exekutionen dauern schon den ganzen Tag und die halbe Nacht. In dieser Menschenhandels-Geschichte hingen viel mehr Personen drin, als wir ursprünglich geglaubt haben. Ein wahres Nest!“

„Wer ist zuständig?“

„Natalia führt die Aufsicht und die Wachen übernehmen den schmutzigen Teil.“, erklärte Jelena und bei der bloßen Erwähnung ihrer Schwester, schlich sich eine leise Eifersucht in ihre kindliche Stimme.

„Gut, dann geh zu ihr, sobald wir hier fertig sind und sag ihr, dass sie den restlichen Dreck morgen entsorgen sollen. Ich habe den ganzen beschissenen Tag über gearbeitet, ich brauche Schlaf!“, säuselte Blake, während er in Gedanken die verschnörkelten Deckenmuster nachzeichnete. „Ach Moment, bevor du gehst. Weißt du etwas neues von meinem Sohn?“

Ein kurzes Zittern überlief Jelenas Körper und sie schluckte hörbar. „Nicht direkt. Wir wissen, dass er sich immernoch in Tokyo befindet. In Karyus Revier um genau zu sein. Aber das ist Euch ja schon bekannt. Das Problem an der Sache ist, dass wir so nicht an ihn rankommen. Wir wissen weder, wie er aussieht, noch, wie wir ihn erreichen können. Über Gedankenkontakt ist er nicht zu finden und das Wissen unseres Informanten ist ziemlich beschränkt. Es ist praktisch unmöglich, von hier aus etwas über ihn herauszufinden. Geschweige denn ihn zu finden! Dieses japanische Pack hält dicht. Karyu hat seine Leute fest im Griff, ohne Folter würde keiner von ihnen etwas preisgeben.“ Sie zögerte. „Wobei ich bezweifle, dass sie überhaupt wissen, dass Euer Sohn sich überhaupt in ihrer Nähe befindet.“

Das Vampiroberhaupt nickte versonnen. „Damit könntest du Recht haben. Aber umso besser. Es ist wesentlich einfacher, wenn wir ihn zuerst finden. So kann Karyu sich nicht wieder einmischen.“, murmelte er und streckte sich.

„Und jetzt raus hier. Ich will meine Ruhe. Sorg dafür, dass sie nicht so brüllen, bevor sie gepfählt werden. Mir egal wie. Brich ihnen den Kiefer oder reiß ihnen die Stimmbänder raus, oder sowas. Hauptsache, sie halten ihr Maul, denn sonst komm ich nie zum Schlafen.“

Jelena nickte demütig, erhob sich und verließ schwebenden Schrittes den Raum...

Discipline

ACHTUNG:

bevor ihr anfangt zu lesen, lasst euch gesagt sein: dieses kapitel ist zwar lang, hat aber auch nen riesigen klumpen an inhalt. normalerweise mag ich es nicht, so viele infos auf einen haufen zu packen, aber um weiter zu kommen, musste so viel rein. die lage wird sich in den nächsten kapiteln wieder etwas entzerren, das ist sicher.
 

so. jetzt zum üblichen präkapitulären-gefasel... ich hatte wortwörtlich einen mordsspass beim tippen >xD

wie immer hab ich währenddessen musik gehört und mir ist aufgefallen, dass ein song von nine inch nails absolut zu HOLLOW passt (besonders zur beziehungskiste zwischen toshiya und zero!).

hörts euch an, wenn ihr zeit und lust habt ;)
 


 

http://www.youtube.com/watch?v=UEW8riKU_tE
 


 

mehr gibts nicht zu sagen.
 

enjoy♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

Irgendwo in Tokyo, in einer verlassenen Lagerhalle, 20.37 Uhr...
 

„Also, hat noch irgendjemand Fragen?“ Karyu lehnte sich lässig gegen eins der abgeschalteten Fließbänder und sah prüfend in die Runde. Vor ihm standen, im Halbkreis formiert, sechs Vampire, von denen jeder weitgehend die Oberhand über einen Teil des Reviers hatte.

Eine blasse Hand schoss in die Höhe. Karyu hob die Augenbrauen und deutete vage auf die Person, der besagtes Körperteil gehörte. Eine zierliche Vampirin trat nach vorn. „Ich habe eine Frage!“, verkündete sie.

„Dann stell sie, Akima! Ich wollte heute auch nochmal nach Hause.“ Karyu warf Zero, der nur wenige Meter von ihm entfernt herumstand, einen vielsagenden Blick zu. Da sah man's mal wieder. Diese Weiber waren zu nichts zu gebrauchen.

//Ich wusste ja schon immer, dass sie blöde ist.//, dachte Karyu und bedachte Akima mit einem abschätzenden Blick. Hübsches Mädchen, aber nicht gerade besonders helle. Was Zero sich bloß dabei gedacht hatte, ausgerechnet sie ins Amt eines Revieroberhauptes zu heben? Akima machte ihre Sache zugegebenermaßen nicht schlecht, allerdings gab es ein entscheidendes Problem mit der Vampirin: Sie hatte eine menschenfreundliche Ader. Wann immer sie einen halbtoten Menschen in die Finger bekam (vorwiegend Selbstmörder und Drogenopfer.), ließ sie es sich nicht nehmen, den Vampirbestand zu vergrößern...

Karyus Gedanken wurden prompt durch eine helle Stimme unterbrochen.

„Was sollen wir tun? Du redest hier die ganze Zeit von Gefahrenprävention. Wir haben eine Menge Zuwachs bekommen. Allein im letzten halben Jahr haben wir an die sechzig Jungvampire erschaffen. Was unter anderem daran liegt, dass die Selbstmordrate selten so hoch war! Es ist kaum vermeidbar, dass einer von denen austickt und sich sein Futter selbst besorgt!“, warf Akima ein und verschränkte die Arme. Das attraktive Clanoberhaupt runzelte nur unbeeindruckt die Strin. „Wie wäre es, meine Liebe, wenn ihr dann einfach mal mit eurer beschissenen Mitleidsschiene aufhört? Wenn Menschen sich umbringen, dann ist das ihre Sache. Nur weil du gerne Mutter Theresa spielst und sie zurück holst, heißt das nicht, dass du damit den Rest deiner Existenz lang durchkommst. Lass sie verdammt nochmal verrecken! Wir haben andere und wichtigere Probleme. Wie ich eben bereits erwähnt habe, ist Blake auf hundertachtzig. Sollte einer von deinen Schützlingen sich daneben benehmen, obwohl du es hättest verhindern können, dann werde ich deinen hübschen Arsch höchstpersönlich bis zum Flughafen treten und dich in den ersten Flieger nach Russland setzen. One Way natürlich! Wenn Blake mit dir fertig ist, dann brauchst du kein Rückflugticket mehr, dann schicken sie dich nämlich in ner Pappschachtel nach Hause zurück!“, erläuterte Karyu sachlich. „Also tu uns allen einen Gefallen und sieh zu, dass du deine Kinder in den Griff bekommst!“

Akima schürzte die Lippen, doch bevor sie eine Antwort zu Stande bringen konnte, ertönte Karyus tiefe Stimme erneut. „Ok, Leute. Ich hoffe mal, alles ist geklärt soweit. Um es nochmal zusammen zu fassen:

Erstens:Keine Verwandlungen mehr, egal ob angekündigt, oder unangekündigt, solange bis die Russen sich wieder abgeregt haben. Zweitens: Haltet das blutjunge Pack unter Verschluss, sperrt sie ein, schafft sie aus Tokyo raus, mir egal. Aber sorgt dafür, dass sie keinen Ärger machen! Klar soweit?“

Einstimmiges Nicken.

„Wunderbar.“ Karyu strahlte und streckte sich. „Dann macht euch vom Acker und fangt am besten gleich mit der Umsetzung des Notfallplans an.“

Nur wenige Minuten später war die Halle leer, bis auf die beiden Clanoberhäupter, die immernoch in der gleichen Position verharrten, die sie bereits die ganze Zeit über eingenommen hatten. Zero strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und warf Karyu einen flüchtigen Blick zu. Der gähnte und wandte sich zum Gehen. „Na was ist, Alter. Wollen wir jetzt schon wieder heim, oder gehen wir noch einen trinken?“

Zero hob die Augenbrauen. „Du? Mit mir? Zusammen?“

„Natürlich. Wie in alten Zeiten. Wie zu der Zeit, als du noch kein langweiliger, alter Sack mit zu großem Haus warst.“, grinste Karyu und klopfte Zero auf den Rücken.

„Ich erinnere dich nur zu gern daran, dass du ein ganzes Stück älter bist, als ich.“

„Ansichtssache. Im Geiste bin ich jung geblieben!“

„Zurückgeblieben trifft's wohl eher. Welchen Altersbereich definierst du denn mit „jung“? Grundschulalter bis Pubertät?“

„Sehr witzig.“ Karyu verzog das Gesicht. „Nur weil ich nicht so spießig bin wie du! Nur, weil ich ein Sexleben hab! Nur weil ich cooler bin als du!“, maulte Karyu theatralisch und stopfte die Hände in die Manteltaschen.

„Karyu?“

„Ja bitte?“

„Lass uns was trinken gehen. Möglichst schnell. Wenn du trinkst, dann kannst du nicht reden!“
 

Etwa eine halbe Stunde später befanden sich die Vampire vor einer verrosteten Metalltür. Ohne zu zögern stieß Karyu die Tür auf und dröhnender Lärm schrie den beiden entgegen. „Das ist nicht dein ernst?“, murmelte Zero mit einem leisen Anflug von Panik in der Stimme. „Du willst nicht ernsthaft, dass ich da rein gehe?“

Karyu winkte ab. „Stell dich nicht so an! Da gibt’s die besten Cocktails! Außerdem haben die ne VIP-Lounge, da ist es ruhiger und wir zwei Süßen sind ganz ungestört.“ Der Blonde grinste breit und legte Zero einen Arm um die Schulter. Der verdrehte nur die Augen und seufzte schwer.

„Wie war das mit Sexleben?“

„Was soll das denn heißen?“

„Ich glaube du hättest es mal wieder ganz dringend nötig. Jetzt fängst du sogar schon an mich anzubaggern. Ist dir denn gar nichts peinlich?“ Mit diesen Worten betrat Zero den Vampirclub, in dem buchstäblich die Hölle los war. Karyu folgte ihm auf den Versen und sie durchquerten die tanzende Menge ohne größere Probleme. Immerhin waren sowohl Karyu als auch Zero keine unbekannten Gesichter. Auch nicht in der Jungvampirszene. Dieser Tatsache hatten sie es zu verdanken, dass sich langsam aber stetig eine Schneise in der Menge öffnete und sie die schwarze Tür am anderen Ende des verspiegelten Raums zügig erreichen konnten. Hinter besagter Tür befand sich ein dunkel getäfelter Gang. Am anderen Ende des Ganges stand ein Schrank von einem Mann, ebenfalls untot, der die Clanoberhäupter skeptisch musterte. „Wo wollt ihr denn hin?“

Karyu begann zu lachen. „Du bist nicht von hier, oder?“ Der Türsteher war sichtlich verwirrt, fing sich aber schnell wieder. „Nein, bin ich nicht, wieso?“ Karyu nickte verständnisvoll. „Dachte ich mir schon fast. Wenn du aus dieser Gegend kämst, dann wüsstest du, wen du hier vor dir hast.“ Er lächelte nachsichtig. Plötzlich wurde eine Tür aufgerissen und ein panisch dreinblickender Vampir, offensichtlich der Clubbesitzer, stürmte auf den Türsteher zu und flüsterte ihm, während er Karyu mit einem bangen Blick bedachte, etwas ins Ohr. Der Angesprochene wurde einen Tick blasser und verbeugte sich tief, während der Besitzer des Nachtclubs eine wahre Entschuldigungssalve abfeuerte. Karyu winkte grinsend ab und öffnete die, nun nicht mehr versperrte, Tür.

Der Raum, der sich nun vor ihren Augen auftat, war das krasse Gegenteil der überfüllten Tanzfläche. Sofort fiel Zero auf, dass er sich nun hinter der Spiegelwand befinden musste, denn die ravende Meute war gut zu erkennen. „Blinde Spiegel.“, sagte Karyu plötzlich. „Ne praktische Angelegenheit. Du kannst sie sehen, aber sie dich nicht. So kannst du Weibern auf den Arsch gucken, ohne, dass sie es merken.“ Er strahlte und scannte den in schwarz-rot gehaltenen Raum nach einer freien Sitzmöglichkeit ab. Einige der dunkelroten Samtsofas waren bereits besetzt, doch keiner der Anwesenden schenkte Zero und Karyu große Aufmerksamkeit. Immerhin handelte es sich bei dieser Raumbelegschaft um Vampire, die größtenteils genauso einflussreich waren, wie die beiden Clanoberhäupter selbst. Karyu hatte eine freie Sitzgelegenheit erspäht und steuerte nun schnurstracks darauf zu. Er ließ sich in die weichen Kissen fallen und studierte noch im gleichen Augenblick die Getränkekarte. Zero nahm ihm gegenüber Platz und ließ den Blick über die Tanzfläche gleiten. Rote Stroposkoplichter zuckten durch den überfüllten Raum und ließen die Menge wirken, wie einen blutigen pulsierenden Fleischklumpen.

„Na, schon nen hübschen Arsch entdeckt?“, fragte Karyu gut gelaunt über den Rand der Getränkekarte hinweg.

„Noch nicht. Momentan versuche ich auszumachen, welches Körperteil da zu wem gehört.“, antwortete Zero gelangtweilt und angelte sich nun seinerseits eine Karte.

„Ich nehm nen Wodka.“, beschloss Karyu und legte das Papier bei Seite, um sich voll und ganz der Tanzfläche zu widmen. Der Raum musste gut isoliert sein, denn nur die dumpfen Bässe der ohrenbetäubend lauten Clubmusik drangen bis in den VIP-Bereich durch. „Ich nehme die Bloody Marry.“ Mit diesen Worten schob auch Zero die Karte von sich weg.

Nachdem beide das gewünschte Getränk bestellt und erhalten hatten, ließ Zero sich zurückfallen und seufzte.

„Alles ok? Du wirkst schon wieder so depressiv!“, fragte Karyu und nahm einen Schluck von seinem Wodka-Blut-Gemisch.

„Gar nichts ist ok. Ich habe heute etwas raus gefunden, das am besten nie ans Tageslicht gekommen wäre.“ Nun wandte auch er sich, mehr als aufmerksam dem Alkohol zu. Karyu erkannte schon am Tonfall seines Partners, dass etwas gehörig nicht stimmte. „Was ist los?“ Diesmal war Karyus Ton eine Spur schärfer und er blickte den Schwarzhaarigen ernst an.

„Wir haben ein gehöriges Problem an der Backe.“, begann Zero. „Toshiya hat mir gestern seine Kette geschenkt. Spar dir blöde Kommentare, die Lage ist ernst.“, fügte er ohne mit der Wimper zu zucken hinzu. „Ich hab mir das Teil mal genauer angesehen und rate mal, was ich entdeckt hab.“

„Was denn?“

Mit einer raschen Bewegung zog Zero die wertvolle Kette aus der Hosentasche und drückte sie Karyu in die Hand. „Sieh sie dir an, und sag mir, dass ich mich geirrt habe!“

Karyu betrachtete die Kette eine Weile, dann verfinsterte sich seine Miene schlagartig. „Wo hat er die her?!“, murmelte er fassungslos.

„Er hat gesagt, es ist ein Erbstück. Von seiner toten Mutter.“ Zero nahm einen weiteren Schluck und presste Daumen und Mittelfinger der rechten Hand fest gegen die Nasenwurzel.

„Schonmal daran gedacht, dass er sie geklaut hat?“

Der Jüngere schüttelte den Kopf. „Nein, er hat die Wahrheit gesagt, ich hab's gesehen.“

„Gottverdammte Scheiße! Auch das noch!“

„Meine Worte.“, seufzte Zero resigniert und nahm die Kette wieder an sich. „Die Möglichkeit, dass wir uns irren, ist so gut wie gar nicht vorhanden. Es passt alles zusammen... Er hat seine Mutter nie gekannt, er ist eindeutig Halbvampir und seine menschliche Familie hatte Angst vor ihm.“

„Aus gutem Grund.“, warf Karyu ein. „Wenn es wirklich stimmen sollte, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn a) zu verstecken, oder ihn b) umzubringen. Fragt sich, was die bessere Lösung wäre...“
 


 

Hizumis Wohnung, ca 22.30 Uhr...
 

Sagas POV
 

Ich hatte es tatsächlich mal aus dem Bett geschafft! Und nebenbei bemerkt fühlte ich mich nicht mal schlecht. Zumindest nicht so schlecht, wie in den letzten Tagen. Ich saß auf dem Sofa und sah fern, während Hizumi im Bad herumhantierte. Im TV lief eine von diesen dämlichen Castingshows und eigentlich wünschte ich mir, dass Hizumi jetzt, möglichst spärlich bekleidet, aus dem Bad kam und sich zu mir setzte.

Wie auf Knopfdruck erfüllte sich mein Wunsch. Ich unterdrückte eine Freudenträne, als ich meinen Mitbewohner nur in Jeans und mit freiem Oberkörper in der Badezimmertür stehen sah. Unwillkürlich schlich sich ein dämliches Grinsen auf meine Züge. Hizumi begann zu lachen, als er mich so sah. „Ich will dich ja ungern aus deinen versauten Gedanken reißen, aber ich bräuchte mal deine Hilfe.“ Ohne zu zögern sprang ich auf und taumelte. Das war wohl zu viel des Guten gewesen. Mein Kreislauf streikte!

Ich blieb ein paar Sekunden lang regungslos stehen und stütze mich auf die Sofalehne. Langsam nahm die Welt um mich herum wieder ihre gewohnten Farben an und mein Kopf wurde klarer. In angemessenem Tempo ging ich nun zu Hizumi und kam nicht umhin ihn von oben bis unten zu betrachten.

„Wow.“, murmelte ich.

Er lächelte und senkte kurz den Blick. Solche Schüchternheit war man ja gar nicht gewöhnt! Ich beschloss, ihn nicht weiter zu ärgern und fragte, was genau er denn von mir wollte.

„Es wäre gut, wenn du mir den Rücken neu verbinden würdest. Ich bekomme das alleine nicht wirklich auf die Reihe.“, sagte er und sah mich aus seinen hellbraunen Augen an. Seine Augenfarbe erinnerte mich an den Schock, den es mir versetzt hatte, als ich den ersten Blick in den Spiegel geworfen hatte und mein Spiegelbild aus hellen Augen zurückgestarrt hatte. Es hatte den halben Tag gedauert, bis ich diesen Schock überwunden hatte. Dieser kurze Blick in den Spiegel hatte alles plötzlich wesentlich realer gemacht.

„Was ist denn mit deinem Rücken?“, fragte ich dämlich. Ich hatte bemerkt, dass Hizumi einen Verband um den Brustkorb gewickelt hatte, doch warum der jetzt da war, das wusste ich nicht.

„Am Tag als du gebissen wurdest.“ Er zögerte. Noch immer konnte er diesen Satz nicht aussprechen, ohne reumütig den Blick zu senken. „Da hat Karyu mich an ne Hauswand geschleudert, als ich versucht habe ihn aufzuhalten. Die Narbe ist wieder aufgerissen.“

„Welche Narbe?“

Er drehte sich langsam um und was ich sah verschlug mir die Sprache. Über Hizumis schmalen Rücken zog sich eine daumenbreite, weißlich schimmernde Narbe, die an einigen Stellen aufgeplatzt und entzündet war. Genauer gesagt handelte es sich um zwei Narben, die ein Kreuz bildeten. Der längere Schnitt reichte vom hinteren Halsansatz fast bis hinunter zum Steißbein, der andere bahnte sich quer über Hizumis Schulterblätter.

Ich schluckte.

„Was ist da passiert?“, fragte ich leise, doch noch bevor ich den Satz beendet hatte, dämmerte mir wieder, wer dafür verantwortlich gewesen war.

„Das war Tsukasa, hab ich Recht?“ Hizumi wandte mir wieder seine Vorderseite zu und seufzte tief. „Ja, das war er. Und ich bin froh, dass es nur das ist.“, sagte er leise und starrte ein Loch in den Boden.

„Was genau hat er getan?“, brachte ich nach einigem Zögern hervor. Hizumi schüttelte vage den Kopf. „Ich glaube nicht, dass du das wissen solltest. Er ist dein Bruder, ich will nichts zwischen euch kaputt machen.“ Er sah mir in die Augen und ich merkte sofort, dass es ihm ernst war. Ich nickte schwach und versuchte meine Gedanken in andere Bahnen zu lenken. „Also, wo ist das Verbandszeug?“, fragte ich mit einem schiefen Lächeln. Hizumi deutete mir an, ihm zu folgen und wir betraten das kleine, aber hübsche Badezimmer. Er drückte mir einen Batzen Mullbinden und eine Tube Creme in die Hand und machte es sich auf dem Badewannenrand bequem, mit dem Rücken zu mir, die Füße in der Wanne. Wortlos machte ich mich an die Arbeit und verband den vernarbten Rücken mit aller Vorsicht, die ich aufbringen konnte. Danach trat ich einen Schritt zurück und betrachtete mein Kunstwerk. „Sieht ganz gut aus. Hab ich irgendwo zu fest gezogen?“

Vorsichtig drehte Hiumi sich um und hüpfte vom Wannenrand. „Nein, sitzt alles ganz prima. Dankeschön.“, lächelte er und ging einige Schritte auf mich zu. Mir wurde mulmig zu mute. Irgendwie fühlten sich meine Knie ziemlich puddingartig an.

Während mein Hirn sich noch selbst zermarterte, hatten sich meine Hände, so ganz ohne zu fragen, auf Hizumis Hüfte gelegt und zogen ihn näher an mich heran. Jeder schlechte Gedanke war vergessen, als Hizumi die Pfötchen um mich warf und den Kopf an meine Schulter legte. Ich strahlte und fragte mich insgeheim, wie lange ich dieses Gefühlschaos und die verschiedenen Emotionen, die hier im Minutentakt auf mich einprasselten, noch ertragen konnte, ohne vollkommen den Verstand zu verlieren. Ich legte mein Kinn auf Hizumis dunkelbraunen Haarschopf und schloss die Augen. Es erschien mir immernoch ungewohnt, dass dieser Körper in meinen Armen sich nicht mehr so kalt anfühlte, wie es noch vor einer Woche der Fall gewesen war. Meine ziemlich selbstständige rechte Hand wanderte Hizumis Rücken hinauf, zu seinem Hinterkopf und ich strich ihm sanft durch die struppigen Haare. Er hatte geduscht und ähnelte momentan eher einem aufgeplatzten Sofakissen, als einem Vampir.

Nicht, dass er mir nicht gefallen hätte. Im Gegenteil. Es sah niedlich aus!

Mir entfuhr ein stummer Seufzer der Resignation. Jetzt dachte ich schon, dass ein Kerl niedlich war. Und das ganz ohne etwas Schlimmes daran finden zu können....
 


 

Zeros Villa, 00.47 Uhr...
 

Auf Zehenspitzen betrat der Vampir das dunkle Haus und gab sich Mühe, die Haustür so leise wie möglich zu schließen. Er zog sich lautlos Mantel und Schuhe aus und schlich in die Küche. Erstmal was essen!

Wenig später saß Zero mit einem vollen Glas Blut und einer Tüte Gummibärchen auf dem Sofa und ließ den Abend Revue passieren. Es war schon schlimm genug, dass er tatsächlich mit Karyu zusammen in diesem unsäglichen Club versackt war. Dazu kam noch, dass sich ein gewaltiges Problem ergeben hatte. Beherzt griff Zero in die bunte Plastiktüte und stopfte sich eine gehäufte Hand voll Gummibächen in den Mund. Es war zum Heulen!

Jetzt fing er schon an wie Hizumi.

Frustfressen!

//So was machten pubertierende Mädchen, wenn der Schwarm sie versetzt hat...und Hizumi... aber doch nicht ich!//, dachte Zero deprimiert und verhalf den Fruchtgummis mit einem ordentlichen Schuss Blut zu einem schnelleren Weg durch die Speiseröhre. Wenige Handgriffe später waren sowohl das Glas, als auch die Tüte leer. Fast schon entsetzt glotzte der Vampir auf die leeren Behältnisse und beschloss im Geheimen, nie wieder eines dieser klebrig-süßen Gummitiere anzurühren.

Zero erhob sich und stapfte ins Badezimmer, wo er sich eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht warf.

„Du widerst mich an!“, zischte er seinem Spiegelbild zu und trocknete sich ab. Das einzige, das jetzt noch half, war schlafen. Viel schlafen!

Gähnend durchquerte der Schwarzhaarige den Flur und stockte, als er bemerkte, dass Licht durch den Türschlitz von Toshiyas Zimmer schimmerte. Zögerlich öffnete Zero die Tür und streckte den Kopf ins Zimmer. Toshiya lag zusammengerollt auf der Bettdecke und schlief. Auf der Bettdecke, wohlgemerkt. Stirnrunzelnd trat der Vampir näher und betrachtete den schlafenden Jungen. Er griff nach einer Wolldecke am Fußende des Bettes und legte sie vorsichtig über den dünnen Körper. Toshiya murmelte etwas unverständliches, schlief jedoch weiter.

Nachdem er einen letzten Blick auf den Schlafenden geworfen hatte, löschte Zero das Licht und verschwand nun selbst nach oben, um noch ein paar Stunden Schlaf zu ergattern.
 

Am nächsten Morgen wurde der Vampir vom Rauschen der Dusche geweckt. Unwillig drehte er sich auf die andere Seite und versuchte erneut in Tiefschlaf zu verfallen. Sinnlos.

Wenn er einmal wach war, dann schlief er so schnell nicht wieder ein. Aber nichts sprach dagegen, noch eine Zeit lang im warmen Bett liegen zu bleiben, bevor man sich wieder den Gefahren des Vampiralltags stellen würde. Eine gute Viertelstunde verging, bevor Zero sich dazu entschloss aufzustehen. Als er den Flur durchquerte, kreuzte Toshiya seinen Weg. „Guten Morgen.“, lächelte er müde.

„Morgen.“

Zero senkte den Blick. Wieder ergriff ein schlechtes Gewissen Besitz von ihm. Jedes Mal, wenn er Toshiya lächeln sah, oder vielmehr, wenn er den Versuch eines Lächelns sah, fühlte er sich schuldig. Zero erinnerte sich daran, wie oft Toshiya gelächelt hatte. Wirklich gelächelt.

Doch das war zu einer Zeit gewesen, bevor er ein gebrochenes Herz sein eigen hatte nennen können. Mittlerweile hatte sich das glückliche Strahlen in ein gezwungenes Lächeln verwandelt, in dem jedes Mal ein Hauch Trauer mitschwang.

„Wie geht’s deinen Verletzungen?“, fragte Zero und musterte sein Gegenüber skeptisch. Toshiyas Gesicht hatte seinen normalen Zustand größtenteils wieder erreicht. Lediglich die eingerissene Unterlippe ließ noch auf einen Kampf deuten.

„Es geht. Langsam wird es besser. Ich kann auch schon wieder aufstehen.“

Der Vampir nickte knapp und setzte seinen Weg in die Küche fort, Toshiya folgte ihm. „Danke übrigens.“, murmelte er unerwartet. Verwirrt sah Zero von seiner Kaffeekanne auf. „Wofür?“

„Dafür, dass du mich gestern Abend zugedeckt hast.“ Verlegen senkte der Jüngere den Blick und ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen.

„Bitte.“, sagte Zero gleichgültig und schaufelte löffelweise Kaffee in die Glaskanne. „Wieso hast du dich nicht selbst zugedeckt? Es ist nicht wirklich normal, wenn man auf seiner Bettdecke schläft.“

Eine kurze Pause entstand.

„Das lag daran, dass ich eigentlich gar nicht einschlafen wollte. Ich hab auf dich gewartet.“, gab Toshiya kaum hörbar zu und begann an seinen Nagelbetten zu zupfen. Ein leises Seufzen entfuhr Zeros Mund. „Ach Toshiya. Warum machst du sowas?“

„Weil ich...“ Toshiya stockte und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Einfach so.“, wisperte er und blickte unverändert starr auf seine verbundenen Hände...
 


 

Hizumis Wohnung, ca 10.30 Uhr...
 

Unentschlossen verlagerte Hizumi das Gewicht vom einen auf den anderen Fuß. „Und du bist ganz sicher, dass ich dich allein lassen kann?“ Saga nickte enthusiastisch. „Natürlich. Mir geht’s soweit gut und du hast jetzt schon seit über einer Woche die Uni nicht mehr von innen gesehen. Ich will nicht schuld sein, wenn du verkalkst!“, sagte er und grinste breit. Hizumi lächelte und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Saga einen Abschiedskuss auf den Mund zu drücken. „Na gut, wie du meinst. Ich bin gegen sieben wieder da. Bis dann.“ Er griff nach seiner Umhängetasche und verließ die Wohnung. Saga blieb allein zurück und sah sich um. Merkwürdig, so ganz allein in der großen, hellen Wohnung zu sein. Die Rollos der riesigen Panorama Fensterfront waren bis zum Boden nach unten gezogen worden, denn zur Abwechslung schien draußen die Sonne. //Wie ironisch. Der erste Sonnenschein seit über zwei Monaten und ich kann nicht raus.//, dachte Saga deprimiert und ließ sich aufs Sofa fallen. Was sollte er mit dem Tag anfangen? Rausgehen fiel flach, Tsukasa anrufen auch. Immerhin saß der höchstwahrscheinlich genau in diesem Moment in irgendeinem Hörsaal.

Ein Geräusch ließ Saga aufblicken. „Was willst du denn hier?“, fragte er den weißen Kater.

Mr Kitty saß fauchend neben den Füßen des jungen Vampirs und sah ihn aus gelben Augen mordlüstern an. „Glaub ja nicht, dass ich dich aufs Sofa lasse! Da sitz ich jetzt! Hau ab!“ Saga wedelte mit der Hand vor der eingedellten Nase des Katers herum. „Ksch!“ Eine Antwort folgte auf der Stelle und das in Form einer tiefen Bisswunde.

„Scheißvieh!“, rief Saga und hielt sich die blutende Hand. „Du wirst mit mir klar kommen müssen, ob dir das jetzt passt oder nicht!“, schnaubte er und warf ein Kissen nach dem felligen Ungeheuer. Mr Kitty machte kehrt und schwebte hocherhobenen Hauptes ins Badezimmer, um das Waschbecken in Besitz zu nehmen.

„Dummes Vieh.“, murmelte Saga leise und machte sich auf die Suche nach einem Pflaster.
 


 

Am selben Abend...
 

Hizumi
 

So schnell wie möglich verließ Hizumi das Universitätsgebäude. Den ganzen Tag über waren seine Gedanken nicht etwa um kunstgeschichtliche Ereignisse, sondern um Saga gekreist.

//Jetzt reiß dich zusammen, Hizumi! Er ist keine fünf mehr! Er wird auch mal einen Nachmittag alleine klarkommen!//, rief sich der Vampir selbst zur Ordnung und ging schnellen Schrittes über den Campus. Plötzlich stockte er. Etwas stimmte nicht.

Hizumi blieb stehen und schloss die Augen.

„Was willst du?“, zischte er leise.

„Mit dir reden, nichts weiter.“

Ruckartig drehte der Braunhaarige sich um die eigenen Achse und sah geradewegs in Karyu ernstes Gesicht. Der Ältere stand nur etwa einen halben Meter entfernt und blickte stumm auf Hizumi herab. Der schüttelte nur kurz den Kopf und lachte leise. „Karyu, es gibt nichts zu bereden!“, sagte er leise. Sein Versuch, dem Clanoberhaupt den Rücken zuzukehren, wurde jedoch durch eine Hand gestoppt. Karyus Hand lag wie Blei auf Hizumis Schulter und hinderte ihn am Gehen.

„Hast du verstanden, was ich gesagt habe?“

„Ja, hab ich. Und hast du verstanden was ich gesagt habe?“, fauchte Hizumi und schlug Karyus Hand mit einer heftigen Bewegung weg. „Es gibt nichts zu reden! Dass du es überhaupt wagst, mir noch unter die Augen zu treten!“ Helle Iriden musterten Karyu wutentbrannt. „Ich will dich nicht mehr sehen, verstehst du mich? Wir sind fertig, ok?!“

Karu schürzte die Lippen, blieb jedoch stumm.

„Und jetzt lass mich in Ruhe, ich muss nach Hause zurück. Saga wartet auf mich.“ Mit diesen Worten drehte Hizumi sich um und machte Anstalten, ohne ein weiteres Wort davon zu gehen.

„Wow, er muss dir ja wirklich was bedeuten, wenn du ihn mir vorziehst.“ Karyu lächelte schief.

„Fick dich!“

Ohne auf die Beschimpfung einzugehen, fuhr Karyu fort. „Glaubst du wirklich, dass ich ihn gebissen hätte, wenn ich gewusst hätte, dass du so darauf reagierst? Ich konnte es langsam echt nicht mehr mit ansehen! Deine beschissenen Depressionen, dann auch noch der Liebeskummer und nicht zuletzt dein ewiger Selbsthass! Was glaubst du, wie ich mich gefühlt hab?“, fragte Karyu ruhig.

„Seit wann interessiert es dich, was andere fühlen?“

„Hör auf mir die Worte im Mund rumzudrehen! Du weißt so gut wie ich, dass du für mich nicht „andere“ bist!“

„Oh, wie rührend! Und weil es mir so schlecht ging dachtest du „Bring ich doch mal die Person um, die er liebt, dann wird’s ihm besser gehen.“, oder was?“, blaffte Hizumi unwirsch und wischte sich fahrig über die Augen.

„Nein. Ich dachte, dass du vielleicht jemanden brauchst, der immer für dich da sein kann. Ich dachte, wenn du jemanden hast, den du liebst und der dieses Gefühl erwiedert, dann ginge es dir besser. Wenn ich allerdings gewusst hätte, dass du mich für den Versuch dich glücklich zu machen hasst, dann hätte ich's gelassen!“

Fassungslos starrte Hizumi den Älteren an. Eine erdrückende Stille entstand. Dann senkte Hizumi den Blick und seufzte leise.

„Geh einfach. Oder ich tu's.“, murmelte er, einen unbestimmten Punkt auf dem Boden fixierend. Karyu nickte stumm, drehte sich um und war wenige Sekunden später aus Hizumis Blickfeld verschwunden...
 


 

Zeros Villa
 

Ein Klopfen ließ Zero von seinen Unterlagen aufschrecken. Er streckte sich, stand auf und ging die Treppen hinunter zur Haustür.

„Was machst du denn hier?“, fragte er Karyu, der auf der Türschwelle stand.

„Würdest du mir nen Gefallen tun?“

Zero runzelte die Stirn. „Was ist passiert? Du siehst aus wie sieben Tage Regenwetter. Und, dass du mich ohne zynischen Spruch begrüßt, gibt mir auch zu Denken!“, sagte Zero skeptisch. „Aber komm erstmal rein.“ Karyu nickte und wenig später saßen sich beide im Wohnzimmer gegenüber. Zero ergriff das Wort. „Reden. Jetzt!“

Karyu seufzte schwer. „Es gibt nicht viel zu reden. Ich will nur, dass du Hizumi sagst, dass er auf sich aufpassen soll. So wie ich Blake kenne, hat er schon einen ganzen Trupp Späher auf den Weg nach Tokyo geschickt.“

„Wieso sagst du ihm das nicht selbst?“

Der Blonde lächelte schief und ließ den Kopf in den Nacken kippen. „Weil er nicht mit mir redet. Um genau zu sein, will er offenbar nichts mehr mit mir zu tun haben.“ Nun war Zero mit Seufzen an der Reihe. „Woher willst du das denn wissen, wenn er nicht mit dir redet?“'

„Er hat eben mit mir geredet. Er hat es mir ins Gesicht gesagt. Das war eindeutig, denke ich.“

Zero warf seinem Gegenüber einen mitleidigen Blick zu. „Der kriegt sich bestimmt wieder ein.“, versuchte Zero einen Aufmunterungsversuch. Karyus schiefes Grinsen wurde eine Spur breiter. „Glaubst du eigentlich selber, was du da versuchst mir weiß zu machen?“

„Wir werden sehen. Ich bezweifle, dass er eine ganze Ewigkeit böse auf dich sein wird.“

Karyu zuckte die Schultern und starrte an die Decke. Dann erhob er sich und wandte sich Zero zu. „Also wie gesagt. Sag ihm bitte, dass er vorsichtig sein soll. Ich hab kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache hier.“

„Mach ich.“

„Achja. Und sieh zu, dass Toshiya nicht vor die Tür geht, ok? Solange zumindest, bis wir wissen, ob die Russen tatsächlich im Anmarsch sind.“ Zero nickte und musterte Karyu eindringlich. Der ignorierte die Blicke des anderen Vampirs gekonnt und machte sich wortlos auf den Heimweg...
 


 

Am nächsten Abend, ca 19.30 Uhr...
 

Tsukasa
 

Eine Sporttasche über der Schulter ging Tsukasa durch die dunkle Seitengasse. Obwohl der Tag sonnig gewesen war, herrschte nun tiefschwarze Nacht und eine eisige Kälte. Es war Dezember geworden, von Schnee zwar keine Spur, doch die Kälte war beißend. Nach einer Weile ragte vor Tsukasas Augen die Silhouette einer renovierten Fabrikhalle in den schmutzigen Nachthimmel empor. Wie gut, dass Saga sich Hizumis Adresse auf einem Post-It Zettel notiert hatte. Noch besser, dass besagter Zettel vollkommen offen zugänglich am Bettpfosten geklebt hatte.

Entschlossen drückte Tsukasa auf den Klingelknopf. Die Tür öffnete sich langsam und Hizumis blasses, hübsches Gesicht kam zum Vorschein. Er erstarrte, als er Tsukasa sah, der ihm wortlos in die Augen blickte.

„Keine Panik, ich wollte nur ein paar von Sagas Sachen vorbeibringen.“, sagte Tsukasa hastig und hielt Hizumi die Sporttasche entgegen. Der nahm sie zögerlich an und schien heillos überfordert zu sein. Immerhin befand sich der Mensch, der seine Familie getötet hatte, nun in greifbarer Nähe. Pech nur, dass besagter Mensch Sagas Bruder war. Hizumi unterdrückte die aufkeimende Mordlust und biss sich auf die Unterlippe. „Danke.“

Tsukasa nickte mechanisch und versuchte einen Blick in die Wohnung zu erhaschen. „Geht es ihm gut?“, fragte der Jäger leise, ohne Hizumi wirklich ins Gesicht zu sehen.

„Verhältnismäßig ja. Er fängt langsam an sich daran zu gewöhnen.“ Mit versteckter Genugtuung beobachtete Hizumi, wie Tsukasas Gesichtszüge für einen kurzen Moment entgleisten.

„Tsukasa?“, rief plötzlich eine Stimme aus der Wohnung. Hizumi zuckte zusammen. Nervös kaute nun auch Tsukasa auf seiner Unterlippe herum.

Hizumi drehte den Kopf und rief ein „Bleib wo du bist, Saga!“ nach drinnen. Saga stand unschlüssig mitten im Raum und sah zur Tür. Zögerlich machte er einige unsichere Schritte nach vorn.

„Bleib da. Bitte!“

Selbst nach außen hin war der Kampf, der momentan in Sagas Innerem tobte, deutlich sichtbar. Der Drang, sich Tsukasa in die Arme zu werfen, war schier übermächtig. „Ich glaube, es ist besser, wenn du gehst.“, sagte Hizumi an Tsukasa gewandt.

„Nein!“ Sanft aber bestimmt schob Saga Hizumi zur Seite, stand so Tsukasa genau gegenüber. Noch bevor Hizumi eingreifen konnte, lagen sich beide in den Armen. „Ich hab dich vermisst!“, murmelte Saga und drückte seinen großen Bruder fester an sich. „Frag mich mal.“, antwortete Tsukasa.

Plötzlich ging ein Ruck durch Sagas Körper. Seine Finger verkrallten sich krampfartig in Tsukasas Rücken und ein leises Knurren entkam seiner Kehle.

„Oh Scheiße!“, entfuhr es Hizumi, der mit einem Satz bei Saga war und versuchte, ihn zurück zu ziehen. Geschockt stemmte Tsukasa die Hände gegen Sagas Brustkorb, versuchte ihn von sich zu schieben, doch der Jüngere bewegte sich keinen Millimeter.

„Saga verdammt! Hör auf! Lass ihn los!“, rief Hizumi panisch. Kurz hob Saga den Kopf und starrte Hizumi aus gelblichen Pupillen an. „Beruhig dich. Bitte! Du tust ihm weh! Beruhig dich und komm her!“ Hizumi wusste, dass Tsukasas Leben momentan am seidenen Faden hing. Es war das erste mal, dass Saga Lebendfutter genau vor der Nase hatte. Direktes Eingreifen würde das ganze nur noch schlimmer machen, denn sobald Saga sich bedroht fühlte, würde ihm wahrscheinlich auch die letzte verbliebene Sicherung durchknallen. So wie bei jedem frisch verwandelten Vampir.

Regungslos betrachtete Saga sein Opfer.

Tsukasa war in eine Art Schockzustand verfallen und rührte sich nicht. Wenige Sekunden später gellte ein Schmerzensschrei durch das menschenleere Treppenhaus und ein lebloser Körper fiel zu Boden...
 


 


 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*

cliffhanger und schluss!

morddrohungen und/oder heiratsanträge bitte per ENS oder GB.

Rejection

erstmal eine 1000fache entschuldigung für die verspätung! ich hatte stress, meine beiden betas hatten stress, jeder hatte stress und das war verdammt stressig! @_@

aber hier habt ihr's, frisch aus dem open office und in windeseile beta gelesen! ich hoffe es gefällt, auch wenn es nur "normale" länge hat. irgendwann, wenn ich mal mehr zeit habe, kommt wieder ein längeres.
 

achja, gewidmet ist das chap übrigens den personen, die hier schon seit unzähligen kapiteln jedes mal einen lieben kommi da lassen. besagte personen wären:
 

MYM
 

Haidogirl
 

_-Nick-_
 

[[ _Jiye_]]
 

und
 

abgemeldet
 

vielen dank an euch alle, ihr saugt euch jedes mal sehr liebe kommis aus den fingern, die mich total freuen und motivieren. die widmung habt ihr euch redlich verdient.
 

(und das nächste chap werde ich allen schwarzlesern widmen, die mich zwar aboniert haben, aber noch nie n kommi dagelassen haben >xD)
 

genug gefasel.
 


 

enjoy♥
 


 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

Hausflur, ca 20 Uhr...
 

Entsetzt taumelte Saga zurück und klammerte sich am Türrahmen fest. Zu seinen Füßen lag Tsukasa und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Hals.

„Fuck!“, murmelte Hizumi und packte Saga am Arm. „Geh rein und leg dich hin! Ich regel das! Bleib drinnen, ok?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, schob er Saga in die Wohnung zurück und zog die Tür zu. Langsam kniete Hizumi sich neben Tsukasa und legte zwei Finger an dessen Halsschlagader. Der Puls war hoch. Viel zu hoch.

//Er macht es nicht mehr lange.//, schoss es Hizumi durch den Kopf. Der Jäger lag hilflos am Boden und rührte sich nicht, nur seine Augen rollten panisch in den Höhlen hin und her. Gebannt betrachtete Hizumi den sterbenden Körper neben sich.

„Eigentlich hättest du es verdient.“, sagte er leise und bohrte seinen Blick in Tsukasas. Der Vampir beugte sich vor, um Tsukasa etwas ins Ohr zu flüstern.

„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich es genießen würde, dich jetzt hier sterben zu sehen.“

Ein glucksendes Geräusch ertönte. Tsukasa grinste, so gut es sein körperlicher Zustand erlaubte. „Monster.“,wisperte er erstickt.

„Nicht mehr und nicht weniger, als du auch. Glaub mir.“ Hizumi warf Tsukasa einen letzten Blick zu, dann stand er auf und schloss die Augen.

Zehn Minuten später hallten Schritte durchs Treppenhaus. Eine schlanke, schwarzgekleidete Gestalt erschien am Treppenaufgang und betrachtete die Szene.

„Ah das meintest du mit Unfall.“, sagte Karyu und verschränkte die Arme. Hizumi würdigte ihn keines Blickes. „Er wollte ein paar von Sagas Sachen vorbeibringen. Saga hat ihn angegriffen, ohne, dass ich es hätte verhindern können. Allerdings hat er die Schlagader nicht getroffen.“

Karyu trat näher an Tsukasa heran und stieß ihn kurz mit der Fußspitze an. „Er sieht ein wenig blutleer aus.“, bemerkte Karyu und beugte sich interessiert über den am Boden Liegenden.

„Mach mit ihm, was du willst. Ich mache mir die Finger nicht an solchem Abschaum schmutzig.“, sagte Hizumi und lächelte bitter.

„Wow, wie erwachsen von dir. Ich an deiner Stelle hätte ihn schon längst in Stücke gerissen. Nach allem, was er dir angetan hat.“ Übertrieben vorsichtig strich Karyu Tsukasa einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Die Augenlieder des Verletzten begannen zu flattern und jeder seiner Atemzüge brachte ein leises Pfeifen mit sich.

„Du kannst dir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie gern ich ihm den Rest geben würde. Aber das kann ich Saga nicht antun.“

„Und darum überlässt du den Dreck mir?“

„Richtig. Mach mit ihm was du willst, mir egal. Bring ihn um, friss ihn. Was auch immer.“ Mit einem letzten Blick auf die Blutlache, die sich um Tsukasas Hals herum auf dem Boden gebildet hatte, zog Hizumi den Haustürschlüssel aus der Tasche, schloss auf und war wenige Sekunden später in seiner Wohnung verschwunden. Die Tür fiel krachend ins Schloss und Karyu blieb allein mit Tsukasa zurück.

„Was...“, setzte Tsukasa an und begann heftig zu husten. Ein dünnes Blutrinnsal bahnte sich seinen Weg vom rechten Mundwinkel bis hinab zur Kinnspitze. „Was hast du vor?“

Karyu lächelte freundlich und setzte sich im Schneidersitz neben den Sterbenden. Behutsam hob er den verblutenden Körper an und legte Tsukasas Kopf in seinen Schoß. „Sehr schwierige Frage.“, sagte Karyu und strich gedankenverloren durch Tsukasas dunkelbraunes Haar. „Ich könnte dich hier verbluten lassen. Ich könnte dich fressen.“ Karyus Finger strichen nun sanft über die hohen Wangenknochen des Liegenden. „Oder ich könnte dich beißen.“ Die dünnen, kalten Finger hatten sich nun bis zu Tsukasas bleichen Lippen vorgetastet, zogen nun deren feine Konturen nach. „Momentan frage ich mich, was für dich die größere Qual wäre.“

Tsukasa lag vollkommen kraftlos in den Armen des Vampirs. „Eigentlich ist es schade. Umgebracht vom eigenen Bruder.“ Karyu lachte leise. „Ich hätte es viel schöner gefunden, wenn ich für deinen frühzeitigen Tod verantwortlich gewesen wäre.“ Er streichelte den blutverschmierten Hals kurz oberhalb der Bisswunde. „Aber so ist nunmal das Leben. Man bekommt leider nicht immer, was man will. Das müsstest du auch schon gelernt haben, nicht wahr?“ Ein Zittern ging durch Tsukasas Körper und seine Augen verdrehten sich gefährlich schnell nach oben. „Hey, nicht wegsterben! Ich bin noch nicht fertig mit dir. Obwohl...“ Karyu lächelte. „Den Rest können wir eigentlich auch später besprechen.“ Mit diesen Worten versenkte Karyu seine Zähne tief in Tsukasas Hals, was dem nicht mehr als ein dumpfes Stöhnen entlockte. Schon nach kurzer Zeit ließ Karyu von seinem Opfer ab und rappelte sich, den bewusstlosen Tsukasa auf dem Arm, etwas schwerfällig auf.

Eine fröhliche Melodie vor sich hin pfeifend, verließ er das Gebäude...
 

Hizumis POV
 

Ich knallte die Tür zu und ließ mich erschöpft mit dem Rücken an das kühle Holz sinken. Für einen Moment schloss ich die Augen, um wenigstens einen kleinen Teil meiner Selbstkontrolle zurück zu erlangen. Es hatte mich ein Menge Kraft gekostet, Tsukasa nicht auf der Stelle umzubringen. Es wäre die perfekte Gelegenheit gewesen.

Als ich die Augen öffnete, fiel mein Blick auf das Sofa. Saga saß mit hängenden Schultern, das Gesicht in den Händen vergraben, da und schien mich nicht zu bemerken. Ohne auch nur einen einzigen weiteren Gedanken an Tsukasa zu verschwenden, ging ich langsam auf Saga zu. Ich streckte die Hand aus, um ihn sachte an der Schulter zu berühren. Er zuckte heftig zusammen und sah mich aus geröteten Augen an.

Ich ließ mich neben ihn aufs Sofa fallen und suchte nach Worten.

Die Suche blieb erfolglos.

Anstatt zu reden, zog ich Saga wortlos in meine Arme und hielt ihn fest. Offensichtlich hatte ich das Richtige getan, denn er erwiederte die Umarmung augenblicklich und vergrub das Gesicht an meiner Schulter. In der Hoffnung, ihn etwas beruhigen zu können, streichelte ich seinen Rücken. Ich spürte deutlich, dass er zitterte. Während ich so dasaß und Saga im Arm hielt, liefen meine Gedanken Amok. Mir war nicht bekannt, was genau Karyu nun mit Tsukasa angestellt hatte.

Ich war mir jedoch ziemlich sicher, dass er ihn gebissen hatte. Immerhin verfolgte Karyu, liebevoll wie immer, nur einen einzigen Plan und der bestand darin, Tsukasa leiden zu lassen. Und womit konnte er so etwas besser erreichen, als durch Tsukasas Verwandlung in eines der Wesen, die der abgrundtief hasste?

Trotzdem schien Karyu unbewusst eine gewisse Faszination für Tsukasa zu hegen, das war mir schon eine ganze Weile lang aufgefallen. Ich unterdrückte den Gedanken an Karyu. Meine Worte waren eindeutig gewesen. Ich hatte ihn nicht mehr sehen wollen und wollte es auch jetzt nicht. Allerdings war er die einzige Hilfe gewesen, die mir auf die Schnelle in den Sinn gekommen war. Offenbar hatte ihn Tsukasas „Unfall“ nicht sonderlich beeindruckt.

Meine Hände strichen unermüdlich über Sagas Rücken und langsam schien er sich zu beruhigen.

„Geht's wieder?“, flüsterte ich und drückte ihn enger an mich. Ein schwaches Nicken war die Antwort. Eine Zeit lang saßen wir beide unverändert und schweigend in der dämmrigen Wohnung, dann löste Saga sich von mir.

„Ich wollte das nicht. Ich wollte ihn nicht verletzen! Mein Körper hat gehandelt, ohne, dass mein Verstand etwas dagegen tun konnte. Ich wollte nicht-“

„Pscht.“ Ich legte ihm einen Finger an die Lippen. „Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Es gibt keinen Grund. Ich weiß ganz genau, wie es sich anfühlt. Es ist nicht deine Schuld. Das war dein Instinkt. Auch wenn es brutal klingen mag: Tsukasa war... ist ein Mensch und somit deine natürliche Beute.“, sagte ich so ruhig wie möglich und nahm Sagas Hand. „Ich würde jetzt sagen „Mach dir keine Vorwürfe“, aber das wäre totaler Scheiß. Du wirst dir so oder so welche machen.“ Ich grinste schief und hoffte, dass er diesen Satz nicht in den falschen Hals bekommen würde. Zu meiner Erleichterung brachte Saga ein verunglücktes Lächeln zustande. „Du hast Recht. Ich werde mir, glaub ich, solange ich lebe Vorwürfe machen. Und das dürfte ja eine ganze Weile sein.“ Er senkte den Blick. „Was ist jetzt mit Tsukasa? Wo ist er?“, folgte schließlich die Frage, vor der ich mich am meisten fürchtete. Ich holte tief Luft.

„Ich weiß es nicht. Karyu hat ihn mitgenommen.“

Sagas Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig und er zog abrupt seine Hand aus meiner. „Wie bitte?“

„Ich wusste nicht, was ich tun sollte! Ich konnte ihn schlecht da liegen lassen.“

„Sag mal bist du irre? Wieso ausgerechnet Karyu?“

Ich schluckte, denn Wut mischte sich in Sagas Stimme und ich entschied mich, ihm die Wahrheit zu sagen. Er hatte es verdient.

„Also gut, ich sag dir warum! Wenn ich auch nur eine Sekunde länger allein mit Tsukasa im Flur gewesen wäre, dann hätte ich ihn auf der Stelle umgebracht. Und zwar endgültig.“ Ich bemühte mich, die Gefühle, die bei der bloßen Erwähnung dieses Momentes in mir aufkeimten zu unterdrücken. „Und ich bezweifle, dass du nochmal rausgekommen wärst, um ihn endgültig zu beißen und zum Vampir zu machen.“

Saga starrte mich an und schwieg. Dann stand er ruckartig auf und taumelte ins Badezimmer. Vor den Kopf gestoßen fixierte ich die Badezimmertür. „Scheiße.“, entfuhr es mir und ich schlug die Hände vors Gesicht. Toll gelaufen.

Momentan war mein Leben voller Enttäuschungen. Karyu hatte mich enttäuscht, ich hatte wiederum Saga enttäuscht und irgendwo enttäuschte es mich, dass er mich offenbar nicht verstand.

Ich stand auf und ging so leise wie möglich zur Badezimmertür. Unschlüssig starrte ich das weiße Holz an und legte die Hand auf die Klinke. Ich lauschte. Kein Geräusch zu hören. Nichts.

Langsam drückte ich die Klinke hinunter und öffnete die Tür. Saga saß auf dem Boden, den Rücken an die Badewanne gelehnt und starrte ins Leere.

Ich blieb im Türrahmen stehen und musterte ihn. In meiner Gefühlswelt herrschte das pure Chaos und ich wusste nicht, wie Saga nun auf mich reagieren würde. Es war durchaus möglich, dass er mich für meine Aktion hasste und das versetzte mir einen mehr als schmerzhaften Stich. Unvermittelt sah der Sitzende auf und blickte mich wortlos an.

Ich stand da wie ein Vollidiot und mir fehlten die Worte. Innerlich hoffte ich, dass er etwas sagen würde. Irgendetwas. Egal was.

Die Ungewissheit brachte mich schier um den Verstand.

Erwartungsvoll sah ich ihn an, doch er blieb weiterhin stumm. Ich senkte den Blick, starrte auf meine Füße und langsam wurde mir bewusst, was ich angerichtet hatte...
 


 

Zeros Villa, 20.48 Uhr...
 

Erschöpft ließ Zero sich aufs Bett fallen. Auch wenn es noch recht früh war, fühlte er sich erschlagen und totmüde. Der vergangene Tag war ein einziger Krampf gewesen. Es hatte Probleme gegeben. Eher gesagt ein Problem. Und das war schon fast übernatürlich groß.

Am Nachmittag hatte eines der Revieroberhäupter vor der Tür gestanden und beunruhigende Dinge erzählt. Eine kleine Gruppe völlig unbekannter Vampire war am helllichten Tag mitten in Tokyo gesichtet worden. Laut Aussage einer jungen Vampirin handelte es sich um Russen.

Zero stieß einen lauten Seufzer aus und starrte an die weiße Zimmerdecke. Die Lage wurde ernst, und zwar schneller, als er befürchtet hatte. Blake war scheinbar nicht auf halbe Sachen aus. Für einen kurzen Moment schweiften Zeros Gedanken zu Toshiya . Der hatte sich den ganzen Tag kaum blicken lassen, war nur zum Essen kurz aus seinem Zimmer herausgekommen. Wieder entkam dem Vampir ein Seufzen. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen und dachte nach. Draußen begann es langsam zu regnen und Regentropfen klopften wie kleine Finger gegen das Fenster.

Zero ertappte sich dabei, langsam in eine Art Halbschlaf wegzudämmern, als ihn plötzlich ein gedämpfter Schrei aufschreckte. Der Schwarzhaarige saß kerzengerade auf dem Bett und brauchte einige Sekunden, bis er begriff, dass der Schrei geradewegs aus Toshiyas Zimmer gekommen war.

Augenblicklich sprang er auf und hastete die Treppe hinunter. Ohne zu klopfen riss er die Zimmertür auf und sah, wie Toshiya zusammengerollt und leise wimmernd auf dem Bett lag, die Hände um den Kopf geschlungen. Mit wenigen Schritten war Zero bei ihm und berührte Toshiyas Schulter. „Was ist los?“, fragte er und versuchte so ruhig wie möglich zu klingen. Der fragile Körper des Jungen zitterte heftig und seine Wangen waren bereits tränennass. Toshiyas Atem ging ruckartig und flach.

„Toshiya! Was ist los?“

Es dauerte gut eine Minute, bis Toshiyas Atmung sich wieder einigermaßen normalisiert hatte und er fähig war, einen verständlichen Satz hervorzubringen. „Ich hab-“ Er starrte Zero panisch an. „Ich hab glaube ich gerade deine Gedanken mitgehört.“, flüsterte er heiser und vergrub das Gesicht in der völlig zerwühlten Bettdecke.

Überrascht hob Zero eine fein gezupfte Augenbraue. „So, hast du das?“

Toshiya antwortete nicht, blieb nur reglos liegen, doch Zero bemerkte, dass er langsam begann, sich wieder mehr oder weniger zu entspannen. Zögerlich setzte Zero sich auf die Bettkante und musterte den Jüngeren, der zusammengerollt wie eine Katze, das Gesicht halb in der Bettdecke versteckt, da lag und schwieg.

Die Zeit verstrich und keiner sagte ein Wort. Irgendwann durchbrach Zero die Stille. „Was hast du gehört, Toshiya?“

Wie in Zeitlupe schob sich Toshiyas momentan leichenblasses Gesicht aus dem Schutz der Decke. Für einen kurzen Moment sah er Zero in die Augen, senkte den Blick jedoch schnell wieder. „Du hast an mich gedacht.“, war die gemurmelte Antwort.

Zeros Gesicht bleib vollkommen regungslos.

„Ist das alles was du gehört hast?“

„Nein.“

„Was hast du noch gehört?“

Wieder zögerte Toshiya und schien nach den richtigen Worten zu suchen. „In deinen Gedanken hat es sich so angehört, als würde ich dir etwas bedeuten.“ Toshiya hatte sich langsam aufgerichtet und saß nun, auf seine Hände starrend, neben dem Vampir. Zero verzog kurz den Mund. „Das tust du.“, sagte er knapp, doch Toshiya winkte ab. „Nein. Nicht so. Ich meine... In dem Sinne, in dem du mir etwas bedeutest.“ Schlagartig röteten sich Toshiyas bis eben noch bleiche Wangen. „Ich meine, es klang für mich so, als...“ Wieder zögerte er. „Als würdest du mich auch lieben.“, beendete er den Satz fast im Flüsterton.

Zeros Mine bleib versteinert und sein Blick haftete weiterhin an Toshiya. „Du hast dich verhört.“, antwortete er kühl.

Ein kurzes Zucken ging durch Toshiyas Körper und er biss sich auf die Unterlippe. „Wieso sagst du sowas?“, fragte er kaum hörbar.

„Weil ich es so meine.“

„Du lügst.“

„Achja? Woher willst du das wissen?“ In Zeros Augen loderte für einen kurzen Moment etwas Unbeschreibliches auf.

„Weil du etwas anderes gedacht hast.“

Endlich hob Toshiya den Blick und sah dem Schwarzhaarigen direkt in die Augen. „Sag mir die Wahrheit. Bitte.“

Anstatt die gewünschte Antwort zu geben, erhob Zero sich wortlos und verließ das Zimmer. Toshiya blieb allein zurück und versuchte einen erneut aufkommenden Weinkrampf zu unterdrücken. Kurz entschlossen stand er auf und taumelte unsicher ins Wohnzimmer. Nichts. Der Vampir musste sich im oberen Stockwerk befinden. Toshiya machte kehrt und ging so leise wie möglich die Treppe hinauf. Auch Zeros Büro war leer. Blieb eigentlich nur noch das Schlafzimmer. Hier wurde Toshiya fündig.

Zero stand, mit dem Rücken zu Tür, am Fenster und blickte hinaus in die verregnete Nacht.

„Was willst du denn noch?“, fragte er, ohne Toshiya eines Blickes zu würdigen.

„Ich will nur wissen, ob es stimmt, was ich gehört habe.“, sagte Toshiya und blieb im Türrahmen stehen.

„Die Wahrheit tut nichts zur Sache. Es ist vollkommen egal, ob ich dich liebe, oder nicht. Wir könnten so oder so nie zusammen sein, ich kann dir unmöglich geben, was du willst. Deswegen ist es unwichtig.“

„Wieso können wir nicht zusammen sein?“

Ein freudloses Lachen ertönte. „Toshiya, sei doch nicht immer so naiv. Um es klar auszudrücken: Du bist die Beute, ich der Jäger, ok? So kann man keine Beziehung führen.“

„Aber ich bin zur Hälfte doch auch-“

„Mensch. Ganz genau. Du bist zur Hälfte Mensch. Mehr Mensch als alles andere. Und jetzt geh bitte!“

„Nein. Ich will aber nicht gehen! Nicht solange, bis du mir gesagt hast, was ich wirklich für dich bin.“

„Ich sagte doch schon, dass das egal ist.“

Nun hielt es Toshiya nicht länger im Türrahmen und er machte einige Schritte ins Rauminnere hinein, befand sich nun nur noch einen Meter von Zero entfernt, der ihm immernoch beharrlich den Rücken zugewandt hatte. „Es ist nicht egal. Für mich ist es wichtig. Du bist der Erste, der mir wirklich etwas bedeutet. Ich liebe dich. Und es tut mir unglaublich weh, dass du meine Gefühle nicht erwiederst. Aber ich hab es akzeptiert, ich kann dich nicht zwingen mich zu lieben. Ich habe gedacht, dass ich mich wohl damit abfinden muss. Aber jetzt habe ich vor ein paar Minuten erfahren, dass du vielleicht gelogen hast und doch etwas für mich empfinden könntest. Ich will einfach nur wissen, ob es so ist.“ Toshiya nahm einen zittrigen Atemzug. „Ich will nur einmal im Leben hören, dass ich für jemanden wichtig bin, dass ich jemandem etwas bedeute. Bitte, wenn du mich bisher angelogen hast, dann sag mir wenigstens jetzt die Wahrheit. Nur ein einziges Mal. Du musst mir nichts versprechen, wenn wir nicht zusammen sein können, dann ist es eben so. Es reicht mir schon zu wissen, dass du mich liebst... Falls das der Fall ist. Bitte!“

Erwartungsvoll sah der Junge auf Zeros Rücken. Eine grausame Stille beherrschte den Raum und mit jeder Sekunde, die verstrich, verließ Toshiya ein Stück mehr seines eben erst gefassten Mutes.

Endlich drehte Zero sich langsam um und überwand den letzten Meter, der ihn von Toshiya trennte. Der hatte den Blick mittlerweile wieder gesenkt und betrachtete mit hängenden Schultern den Fußboden. Zero zögerte kurz, legte dann jedoch den Zeigefinger unter Toshiyas Kinn und schob es sanft nach oben, so, dass Toshiya gezwungen war, dem Kleineren ins Gesicht zu sehen.

Einen kurzen Momente blickten sich beide stumm in die Augen. „Wenn du die Wahrheit wissen willst. Ich war seit einer halben Ewigkeit nicht mehr so sehr und so unglücklich verliebt wie ich es jetzt bin. Und es tut mir Leid, dass ich dich so enttäuscht habe... Und, dass ich dich weiterhin enttäuschen werde. Ich liebe dich, Toshiya, aber es geht einfach nicht. Es ist zu riskant.“ Der Vampir strich kurz über Toshiya Wange und seufzte leise.

In Toshiyas Gesicht lieferten sich die verschiedensten Emotionen einen erbitterten Kampf. Zum Schluss gewannen die Tränen und der Braunhaarige warf sich Zero förmlich in die Arme und vergrub das Gesicht in dessen Halsbeuge. Wortlos erwiederte Zero die Umarmung, streichelte vorsichtig über Toshiyas schmalen Rücken.

„Es tut mir Leid.“, fügte er ein weiteres Mal leise hinzu.

Die einzige Antwort, die er erhielt, war ein gedämpftes Schluchzen. Nach einer Weile hatte Toshiya sich wieder beruhigt und sah Zero aus gerötete Augen an. Ein verunglücktes, aber dafür ehrliches Lächeln breitete sich langsam auf seinen Zügen aus. „Schon gut.“ Toshiya schniefte leise, löste sich von Zero und wischte sich fahrig mit dem Handrücken über die Augen.

„Ich glaube ich werde jetzt ins Bett gehen. Ich bin müde.“ Das Lächeln verfestigte sich ein wenig und Toshiya warf Zero eine letzten Blick zu. „Schlaf gut.“, sagte er und ging, immernoch ziemlich wackelig auf den Beinen, die Treppen hinunter, zurück ins Erdgeschoss...
 


 

Nächster Morgen, Karyus Wohnung...
 

Es war bereits hell, als Tsukasa erwachte und das erste, das ihn in der Welt der Untoten willkommen hieß, waren heftige Schmerzen. Immer neue Schmerzwellen fluteten durch den Körper des Liegenden und er verkrallte die dünnen Finger im Bettlaken. Tsukasa bemerkte nicht, dass sich die Tür langsam öffnete und eine große, schlanke Gestalt den Raum betrat. Karyu machte direkt neben dem Bett halt und betrachtete ihn ungerührt. „Das 'Guten Morgen' kann ich mir sparen, oder? Das wäre wirklich eine Spur zu ironisch.“, sagte er lächelnd und setzte sich neben Tsukasa.

Der konnte sich eine Antwort lediglich denken, denn er fühlte sich nicht in der Lage auch nur ein einziges Wort über die Lippen zu bringen.

Es dauerte bis die Schmerzen langsam abflauten. Tsukasa atmete schwer und war nun endlich im Stande Karyu zu fixieren. „Bist du nur hier, um dich über mich lustig zu machen, Arschloch?“, fragte er und gab sich sichtlich Mühe, seine Stimme gefestigt klingen zu lassen. Wieder breitete sich ein Lächeln auf Karyus Gesicht aus. „Nein, eigentlich wollte ich nur nach dir sehen.“

„Wie großzügig.“

„Hab ich dir schonmal gesagt, dass ich deine zynische Art sehr anziehend finde?“ Das Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen, mit dem man den Äquator locker zweimal hätte umwickeln können.

Tsukasa verdrehte angewidert die Augen und versuchte sich auf die Seite zu drehen, doch erneut kamen ihm schmerzhafte Krämpfe dazwischen und wieder dauerte es gute fünf Minuten, bis er sich im Griff hatte. „Hättest du mich nicht einfach umbringen können?“, fragte er matt und starrte an die Zimmerdecke. Karyu schüttelte vehement den Kopf. „Nö, das wäre witzlos gewesen. Sieh es als kleine Lektion in Sachen Toleranz an.“ Er zwinkerte.

Ein fast schon verzweifeltes Seufzen verließ Tsukasas blasse Lippen. „Klein ist gut... Sind diese Schmerzen normal?“

Der Größere wiegte den Kopf. „Ja und nein. Eine Verwandlung ist generell mit Schmerzen verbunden, allerdings sind sie bei dir wesentlich heftiger, weil du dich mental dagegen wehrst, ein Vampir zu werden. Du kannst die Verwandlung nicht stoppen, du machst sie dir nur schwerer, indem du sie nicht akzeptierst.“ Karyu hob kurz eine Augenbraue, als Tsukasa begann, spöttisch zu lachen. „Ach, ich soll es also einfach akzeptieren meinst du? Wie könnte ich sowas akzeptieren? Wie kann ich es akzeptieren, selbst so ein Monster zu werden, wie du es bist?“, flüsterte er und sah Karyu hasserfüllt an. Der Blonde zuckte gelassen die Schultern. „Gut, dann nicht. Aber fang nicht an zu heulen, denn das, was du bis jetzt an Schmerzen ausgehalten hast, war nur der Anfang.“, sagte er gleichmütig und erhob sich. „Ich lass dich jetzt mal in Ruhe, ich möchte ja nicht, dass deine zarte Psyche durch meine Anwesenheit noch länger zusätzlich belastet wird.“ Wenige Augenblicke später fiel die Zimmertür leise ins Schloss.

Tsukasa blieb allein in Karyus abedunkeltem Schlafzimmer zurück und beobachtete, wie schwache Lichtstrahlen durch die halb geschlossenen Rollladen fielen und helle Punkte auf den weißen Teppich zauberten. Langsam dämmerte ihm das eigentlich Offensichtliche. Er war tot. Kein Herzschlag mehr, keine Atmung, kein Leben. Wieder durchzuckte ein scharfer Schmerz den angeschlagenen Körper und Tsukasas Kehle entwich ein ungewolltes Wimmern. Sein ganzer Körper brannte. Zumindest fühlte es sich genauso an. Panik ergriff ihn und er rollte sich hilflos zusammen, in der Hoffnung den Schmerz so etwas lindern zu können. Als auch diese Maßnahme nichts brachte, beschloss er, einfach darauf zu hoffen, dass es vorbeigehen würde und schloss die Augen. Doch anstatt sich langsam zu verflüchtigen, nahm der Schmerz zu und ließ Tsukasa heiser aufschreien.

Vollkommen benebelt bemerkte er nicht, dass Karyu schon wieder im Türrahmen stand. Der Vampir nährte sich dem Bett, blieb jedoch dieses Mal stehen. „Weißt du jetzt was ich meinte?“, fragte er ruhig. Der Liegende hatte die Arme verkrampft um den Bauch geschlungen und lag zuckend auf der zerwühlten Bettdecke. „Halt's Maul! Hilf mir lieber!“, brachte er mit Mühe hervor und klang nicht halb so drohend wie beabsichtigt.

Karyu verschränkte die Arme. „Dir helfen?“ Er lachte. „Ich kann dir nicht helfen. Gut, ich könnte etwas tun, dass den Schmerz ein wenig lindert, aber ich bezweifle, dass du das willst.“

Schmerzenstränen bahnten sich unbemerkt ihren Weg über Tsukasas Wangen. „Mir egal was! Mach was! Bitte!“, stammelte er und vergrub das Gesicht in den Kissen.

„Wie du willst.“

Karyu verschwand und kam wenig später mit einer Rasierklinge wieder. Wortlos und offenbar bei bester Laune setzte er sich auf die Bettkante. Tsukasa, der sein Gesicht wieder aus dem Kissen entfernt hatte, starrte entsetzt auf Karyu, der dabei war sich in aller Seelenruhe die Pulsader der rechten Hand aufzuschneiden. „Was zum Teufel...Was tust du da!?“, fragte Tsukasa mit einem leicht hysterischen Unterton in der Stimme. Karyu legte die blutige Klinge auf den Nachttisch und hielt Tsukasa sein Handgelenk direkt unter die Nase. „Frag nicht, trink.“, befahl er und wedelte kurz mit dem Arm. Die Augen des Braunhaarigen weiteten sich ungläubig und er schüttelte ruckartig den Kopf, doch bevor er eine sinnvolle Antwort hervorbringen konnte, begannen die Krämpfe von neuem. „Trink, dann wird es besser.“, erklärte Karyu geduldig. Hin und her gerissen zögerte der Angesprochene, legte dann jedoch zögernd die Lippen an Karyus blasses Handgelenk. Tsukasa trank, das Blut tat seine Wirkung und langsam wurden die Schmerzen schwächer. Langsam schob Karyu Tsukasa von sich und zog seinen Arm zurück.

„Na, wird’s besser?“

Betreten nickte der frisch gebackene Vampir und schien fassungslos über sich selbst. „Du wirst dich wohl oder übel daran gewöhnen müssen.“ Karyu angelte nach einer Packung Taschentücher auf einem Regal. Ohne den Blick von Tsukasa abzuwenden, tupfte er sich das überschüssige Blut von der Hand. Tsukasa lag nun flach auf dem Rücken und machte einen mehr als erschöpften Eindruck.

„Ruh dich auch. Schlaf am besten, dann geht’s dir bald auch nicht mehr ganz so dreckig.“ Karyu beugte sich vor und wischte mit dem Zeigefinger sanft einige Bluttropfen von Tsukasas Kinn. „Soll ich hier bleiben, oder willst du, dass ich dich in Ruhe lasse?“

Tsukasa rollte sich auf die Seite und zog die Bettdecke bis zum Kinn. Er warf Karyu einen kurzen Blick zu und schien ernsthaft nachzudenken. Dann seufzte er und murmelte etwas, das mit ein wenig Fantasie wie 'Hierbleiben.' klang...
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

sense.

das chap ist ein gefundenes fressen für alle, die schon von anfang an heimlich vermutet haben, dass zwischen tsukasa und karyu sicherlich mal was laufen wird. tja liebe verschwörungstheoretiker~ noch liegen die karten verdeckt, aber wir (bzw IHR) werden sehen, wie es sich entwickelt...

(tja, den ausgang der story kennen nur 3 personen, mich inbegriffen. das gefühl von macht ist so erfüllend, ich könnte weinen vor glück xD)
 

see u next time ♥

Higher Level

nach einem monat endlich wieder frischer lesestoff! das krea-tief ist mithilfe von ferien, schlaf und alkohol überwunden worden und ich hab endlich wieder wirklich lust zum schreiben *_* dh: wahrscheinlich werdet ihr auf die nächsten chaps nicht so lange warten müssen. (sofern ich in den ferien mal zuhause bin, werde ich jede freie minute zum tippen nutzen ^^)
 


 

enjoy♥
 


 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 


 

Zeros Villa, Küche, ca 10 Uhr...
 

Toshiya saß am Küchentisch und stocherte schweigend in seiner Suppe herum. Von Zeit zu Zeit warf er Zero, der mit dem Rücken zu ihm stand und den Herd schrubbte, einen kurzen Blick zu. Eine angespannte Atmosphäre lag über der Szene und draußen prasselten winzige Regentropfen gegen die Fensterscheiben. Toshiya seufzte leise und blickte geistesabwesend hinaus in den grauen Himmel..

„Wieso sagst du nichts?“, fragte er schließlich leise. Der Vampir hielt inne und wandte sich um. „Was sollte ich denn deiner Ansicht nach sagen?“

Ohne den Blick zu heben zuckte Toshiya die Schultern. „Ich weiß nicht. Irgendwas.“

Anstatt des erhofften Gesprächs trat erneut eine quälende Stille ein, die Toshiya zusätzlich verunsicherte. Er stand auf, nahm die halbleere Suppenschüssel und stellte sie ins Spülbecken. „Ich glaub, ich geh ein bisschen raus.“, sagte er matt und steuerte auf die Flurtür zu. Mit einer einzigen fließenden Bewegung packte Zero ihn am Arm und hielt ihn fest.

„Nein, du gehst nicht raus.“

Verwirrt starrte der Braunhaarige auf die weiße Hand, die sich auf seinen Unterarm gelegt hatte und ihn so zurückhielt. „Wieso nicht?“

Zero legte den Spüllappen beiseite und ließ Toshiya los. „Weil es gefährlich ist, darum.“, sagte er ernst und strich sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Toshiya runzelte die Stirn und verschränkte die Arme. „Was ist daran gefährlich, wenn ich einen Spaziergang mache?“, fragte er verständnislos. „Verheimlichst du mir wieder irgendwas?“

Zero verzog den Mund und setzte sich auf die Anrichte. „Ich würde es nicht gleich verheimlichen nennen-“

„Also ja?!“

„Es gibt Dinge, die du einfach nicht wissen solltest.“

Offenbar versuchte Zero sich hier aus irgendeiner Affäre herauszuziehen, doch dieses Mal würde Toshiya sich das nicht gefallen lassen. „Wenn es um mich geht, dann habe ich ein Recht darauf, es zu erfahren! Vertraust du mir wirklich so wenig, dass du mich ständig anlügst?“ Noch während er sprach, schlich sich ein trauriger Ausdruck in Toshiyas Augen. Augenblicklich schüttelte Zero den Kopf. „Nein, es hat nichts mit mangelndem Vertrauen zu tun, es dient deinem Schutz. Hier laufen momentan Dinge ab, mit denen du am Besten nie etwas zu tun hast. Es geht hier um viel mehr, als du dir vorstellen kannst.“, versuchte Zero zu erklären, doch der Jüngere blieb stur.

„Bitte, Zero! Sag mir, was los ist. Du machst mir Angst mit deinen Geheimnissen.“

Zeros Antwort ließ eine Weile auf sich warten, doch dann hüpfte er von der Ablage. „Wie du willst. Komm mit.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Zero die Küche und ging die Treppen hinauf. Toshiya blieb ihm auf den Fersen und schon bald standen beide in Zeros chaotischem Büro. Während Zero in einem Aktenstapel herumwühlte blieb der Braunhaarige schweigend im Türrahmen stehen und harrte der Dinge, die da zweifelsohne kommen würden.

Erst, als eine vergilbte Mappe mit einem leisen Klatschen auf den Schreibtisch befördert wurde, traute sich Toshiya, den Raum zu betreten.

„Also du willst die Wahrheit, du bekommst sie.“, sagte Zero kühl und setzte sich auf den Schreibtischstuhl. Er öffnete die Mappe und nahm ein schmutziges Stück Papier heraus. „Du hast gesagt, deine Mutter ist tot, habe ich das richtig verstanden?“

Diese direkte Frage ließ Toshiya merklich zusammenzucken, doch er nickte wahrheitsgemäß.

„Dann sieh dir das jetzt mal an und sag mir, was du davon hältst.“ Er schob ihm das Papier hin. Toshiya erkannte schon nach wenigen Sekunden, dass es sich wieder um einen Stammbaum handelte, dieses Mal jedoch einen ziemlich weit verzweigten. Konzentriert studierte er die Zeichnung und wurde blass.

„Da steht der Name meiner Mutter drauf.“, murmelte er, mehr zu sich selbst, als zu Zero. „Aber von meinem Vater steht hier nichts. Hier steht ein anderer Name. Und mein Name steht auch nirgendwo.“

Zero nickte. „Gut erkannt. Ich will dich nicht länger auf die Folter spannen. Deine Mutter war ein Mensch, zumindest damals noch, als sie dich bekommen hat. Dein leiblicher Vater allerdings war ein Vampir. Der Mann, den du 'Vater' genannt hast, ist nichts weiter, als dein Stiefvater.“

Sichtlich schockiert biss Toshiya auf seiner Unterlippe herum..

„Wie kannst du das wissen?“

Zero lächelte kurz. „Es war eigentlich ein Zufall, der mir das klar gemacht hat.“, sagte er und kramte in seiner Hosentasche herum. „Als du mir deine Kette geschenkt hast, habe ich sie mir mal genauer angeschaut.“ Er legte das Schmuckstück auf den Schreibtisch. „Dieses Wappen ist nicht irgendein Wappen. Es handelt sich hier um das Familienwappen deines Vaters. Nachdem ich das erkannt hatte, hat der Rest deiner Geschichte auch Sinn ergeben.“

„Du kennst ihn?“

„Ich kenne ihn besser, als mir lieb ist.“ Zero nahm die Kette wieder an sich und rollte den Stammbaum zusammen. Toshiyas Verwirrung war nun sichtlich größer geworden und er piddelte an seinen Fingernägeln herum. „Du hörst dich so an, als könntest du ihn nicht leiden.“, murmelte er kleinlaut und sah auf seine Füße. Zero seufzte und erhob sich.

„Ich möchte nicht unhöflich wirken, aber dein Vater ist ein Arschloch sondergleichen. Ich schätze, dass es daran liegt, dass er gebürtiger Engländer ist. Die sind meistens komisch.“ Zero stopfte das zusammengerollte Papier unsanft zwischen einige eingestaubte Bücher.

„Ok, mag sein, aber wieso darf ich deswegen jetzt nicht vor die Tür?“, bohrte Toshiya nach.

„Gut, ich muss dafür weit ausholen, ist alles eine lange Geschichte. Ich bin dafür, wir gehen ins Wohnzimmer, hier ist es kalt.“

Gesagt getan, wenig später saßen beide auf dem Sofa und mittlerweile wiesen Toshiyas Nagelbetten eine beunruhigende Rötung auf.

Endlich erlöste Zero ihn von seiner Qual und begann zu reden.

„Ich habe dir schon erzählt, dass wir hier einen Clan haben, oder?“

Nicken.

„Gut. Natürlich gibt es nicht nur diesen einen Clan hier, überall auf der Welt verteilt leben Vampire in solchen Gemeinschaften. Und damit alle Gesetzte eingehalten werden und es zu keinem Krieg oder ähnlichem, zwischen Untoten und Menschen kommt, gibt es eine Regierung, den Orden. Also ein paar Vampire, die das weltweite Sagen haben. Eine Art Parlament, wenn du so willst.

Diese Typen hängen in Moskau rum und mischen sich von da aus in alles ein, was ihnen Spaß macht. Eigentlich eine gute Sache, ohne sie würde es wahrscheinlich Anarchie geben, allerdings sind wir mit den Russen schon einige Male aneinander geraten. Besonders Karyu hat so seine Probleme mit ihnen.

Und dein Vater ist niemand anderes, als Blake. Das Oberhaupt des Ordens. Um es kurz auszudrücken: Dein Vater ist der mächtigste Vampir dieses Jahrhunderts. Und offensichtlich hat er herausgefunden, dass du in diesem Revier aufgetaucht bist. Deswegen hat er seine Leute geschickt, damit sie dich suchen und finden, er will, dass du sein Nachfolger wirst, nehme ich an.“

Nachdem Zero geendet hatte, sah er Toshiya an, der stumm und reglos da saß und alles nicht so recht fassen konnte. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.“, murmelte er und blickte betreten auf seine Finger. Am Nagelbett seines rechten Zeigefingers bildeten sich kleine Bluttröpfchen.

„Ich weiß, dass es alles sehr schwer zu begreifen ist, aber deswegen möchte ich nicht, dass du nach draußen gehst. Erst gestern sind welche von Blakes Leuten hier in Tokyo gesehen worden. Sie suchen dich. Wenn sie dich finden, dann bringen sie dich nach Russland und das erste, das sie dort tun werden, ist dein Leben beenden. Du kannst nur als Vampir die Nachfolge antreten.“

Toshiya nickte und schwieg. Besorgt musterte Zero den Jungen, der mit hängenden Schultern neben ihm saß und heillos überfordert zu sein schien.

Er zögerte, legte dann jedoch vorsichtig seine Hand auf Toshiyas. Ein dunkelbraunes Augenpaar sah ihn überrascht, fast schon erschrocken, an. Die eigentlich nett gemeinte Geste steigerte Toshiyas Verwirrung zusätzlich und er begann damit, auf seiner Unterlippe herum zubeißen.

„Das ist alles so viel. Gestern sagst du mir, dass du mich liebst, aber dass wir nicht zusammen sein können. Heute sagst du mir, dass der Mann, den ich für meinen Vater gehalten habe, es gar nicht war und dass mein eigentlicher Vater ein Vampir ist und mich umbringen will.“, sagte Toshiya tonlos und betrachtete Zeros schmale Hand auf seiner eigenen.

„Ja, ich weiß. Aber solange du hier bleibst, bist du relativ sicher. Keiner von Blakes Leuten traut sich auch nur in meine Nähe. Am sichersten wärst du bei Karyu, aber das will ich dir nun wirklich nicht antun.“ Zero grinste schief und auch über Toshiyas Gesicht huschte ein winziges Lächeln.

„Diese ganze Sache macht mir irgendwie Angst.“, flüsterte er, ohne den Blick zu heben.

„Verständlich.“

„Zero?“

„Ja?“

„Nimmst du mich in den Arm?“

Der Schwarzhaarige hob überrascht die Augenbrauen und schien zu überlegen. Diese Zeit erschien Toshiya wie eine Ewigkeit. Endlich zog Zero den Halbvampir in seine Arme und strich ihm sanft über den Hinterkopf. Toshiya erwiderte die Umarmung sofort, lehnte den Kopf an Zeros Schulter und schloss die Augen.

Draußen wurde die Welt in einen grauen Regenschleier gehüllt...
 


 

Karyus Wohnung, 11.27 Uhr...
 

Nur in Jeans gehüllt und ein Handtuch um die Schultern geworfen, betrat Karyu leise den abgedunkelten Raum. So leise wie möglich öffnete er die weiße Schranktür und begann in den Klamottenbergen nach einem passenden Oberteil zu kramen. Ein Murren ertönte und langsam schob sich Tsukasas brauner Haarschopf aus dem Deckengewirr des Bettes.

„Was wird das denn wenn's fertig ist?“, nuschelte er verschlafen und beobachtete Karyu, als habe er Angst vor einem gewaltsamen Übergriff welcher Art auch immer. Karyu würdigte Tsukasa keines Blickes. „Verzeih mir, Dornröschen, aber das hier ist mein Zimmer, in dem mein Schrank steht und um an meine Klamotten zu kommen, muss ich mich zwangsweise hier aufhalten. Aber keine Angst. Sobald ich was gefunden hab geh ich wieder und lass dich hier alleine dahin siechen. So wie du es gern hast.“ Er begutachtete ein schwarzes Shirt mit weißem Aufdruck. „Ich muss gleich für eine Weile weg. Ich hab noch einiges zu erledigen. Kann ich dich allein lassen?“, fragte Karyu, während er sich das ausgewählte Kleidungsstück überzog. Unter leisem Ächzen richtete Tsukasa sich auf und rieb sich müde die Augen. „Ich bin keine fünf mehr!“, sagte er trotzig und machte Anstalten, das Bett zu verlassen.

Karyu grinste. „Und genau dieser Satz beweist mir, dass du es tief im Innersten doch bist.“ Er schloss die Schranktür und verließ den Raum, ohne dem verblüfften jungen Vampir auch nur einen einzigen Blick zu schenken. Tsukasa verschränkte beleidigt die Arme, ließ sich zurückfallen und bedachte nun, statt Karyu, die Decke mit bösen Blicken. Auf der anderen Seite der Wand rumpelte etwas und wenig später steckte Karyu den Kopf durch den Türspalt. „Ich bin in spätestens einer Stunde wieder da. Sei schön brav und lass die Wohnung ganz.“ Der Blonde grinste breit und verschwand, ohne eine Antwort abzuwarten.

//Arsch.//, dachte Tsukasa erbost und zog sich die Decke bis zum Kinn. „Das hab ich gehört!“, flötete Karyu, scheinbar unverschämt gut gelaunt, aus Richtung Wohnzimmer. Nur wenig später fiel die Haustür ins Schloss.
 

Karyu ging, die Hände in den Taschen, durch den strömenden Regen und fragte sich, warum er an diesem Morgen bereits geduscht hatte. Aber so war das nun mal. Mit den Jahrhunderten vermatschten die Synapsen. Irgendwann klappte das mit dem geradlinigen Denken nicht mehr so, wie es sollte.

Der Vampir bog in die lange Allee ein, die selbst an sonnigen Tagen recht düster wirkte und nahm Kurs auf Zeros Villa, die bei diesem Wetter mehr denn je einer Horrorfilmkulisse glich. Karyu betätigte den Türklopfer, wie jedes mal, wesentlich lauter als nötig, doch der Lärm verfehlte seinen Effekt nicht. Sekunden später stand Zero in der Tür und schien nur mäßig erfreut über Karyus Anwesenheit.

„Du schon wieder.“

„Es ist so schön am Morgen ein so fröhliches und liebevolles Gesicht zu sehen.“

Zero verdrehte die Augen und zog Kayru wortlos am Handgelenk in den Flur.

„Halt den Mund und komm rein. Es zieht!“

Keine zwei Minuten später saßen sich beide im Wohnzimmer gegenüber. „Also. Was ist?“, fragte Zero. Karyu bemerkte, dass sein Gegenüber ziemlich müde aussah. Fast schon krank.

„Das Tsukasa-Problem hat sich von selbst gelöst.“, sagte Karyu gut gelaunt und schlug die Beine übereinander. Zero hob skeptisch eine Augenbraue. „Wie meinst du das?“

„Ich hab ihn gebissen.“

Der Schwarzhaarige erstarrte. „Du hast was?“

„Ihn-“

„Du hast was getan!?“ Zero schien fassungslos zu sein und starrte Karyu, mit einem leichten Anflug von Wahnsinn, an. Der hob beschwichtigend die Hände. „Warte. Bevor du ausrastest, hör dir erst mal die ganze Geschichte an.“ Und so begann Karyu alles Vorgefallene zu schildern. Hizumis Hilferuf, Sagas Kontrollverlust und zu guter Letzt, Tsukasas Verwandlung. Als er geendet hatte, schüttelte Zero nur fassungslos den Kopf. „Du hättest ihn sterben lassen müssen. Das weißt du.“, murmelte er matt. „Du verstößt gegen deine eigenen Gesetze. Was bist du eigentlich für ein Oberhaupt? Sagst den anderen, sie sollen auf keinen Fall irgendwelche Verwandlungen einleiten, tust es aber selbst.“

Karyu verschränkte die Arme und schürzte die Lippen, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Zero ihm über den Mund. „Und natürlich suchst du dir für deine Spielchen den besten Zeitpunkt aus. Du weißt so gut wie ich, dass Blakes Leute hier rumschnüffeln. Und glaub mir, die werden rausfinden, was passiert ist. Eigentlich können wir schon mal Koffer packen.“

„Und wenn schon! Glaubst du, er kann mir was anhaben? Ich sag dir mal was Sache ist. Der Kleine hat Schiss vor mir.“

„Verdammte Scheiße nochmal!“ Zeros Hand schlug mit einem lauten Knall auf die Tischplatte. „Du bist ein egoistisches Arschloch, weißt du das? Es geht nicht nur um dich! Versteh das endlich, ok? Es geht hier um alle, um unser komplettes Gebiet! Es geht hier unter anderem um mich, Toshiya und auch um Hizumi! Das einzige, das Blake daran hindert, dieses Revier jemand anderem zuzuteilen, bist du! Und auch, wenn du es nicht hören willst, ihr seid euch in vielerlei Hinsicht ähnlich. Glaubst du wirklich, er hätte seit dem letzten Mal untätig herumgesessen? Er wird nach Möglichkeiten gesucht haben, dich zu bändigen, den gleichen Fehler wie beim letzten Mal wird er auf keinen Fall nochmal begehen!“

„Du hast was vergessen, mein Lieber. Selbst wenn Blake mächtiger geworden ist. Auch ich hab nicht faul rumgesessen. Wenn du mich fragst, dann ist es längst überfällig, diesem Arsch nochmal zu zeigen, wo der Hammer hängt. Und das hat nichts mit Egoismus zu tun!“

„Ach nein? Und was soll es deiner Ansicht nach dann sein? “

„Kalkulation. Hast du mal daran gedacht, dass ich es provozieren will, ihn zu treffen, um diesem ganzen Müll hier endlich ein Ende zu setzen? Das käme uns allen zu Gute.“

„Tolle Kalkulation. Gewöhn dir endlich mal ab, für deine Pläne über Leichen zu gehen, Karyu! Du könntest irgendwann das Pech haben, dass es jemanden erwischt, der dir nicht egal ist!“

„So weit wird es nicht kommen.“

Ein verächtliches Lachen verließ Zeros Mund. „Oh doch, früher oder später wird es das.“

Der Größere warf Zero einen hasserfüllten Blick zu und schwieg. Zeros Pupillen hatten ein gelbliches Hellbraun angenommen und er schien sichtlich darum bemüht, die Fassung nicht zu verlieren. „Wo ist Tsukasa jetzt?“

„Bei mir in der Wohnung.“

Zero nickte und erhob sich. „Es ist besser, wenn du jetzt gehst, bevor ich endgültig den Verstand verliere.“, sagte er ruhig und hielt Karyu die Tür zum Hausflur auf. Der nahm das Angebot nur zu gerne an und verließ grußlos das Haus.

Als kalte Regentropfen über Karyus blasse Haut perlten, begann sein Verstand sich langsam ein wenig aufzuklaren. Der rote Schleier aus Wut, der sich über ihn gelegt zu haben schien, löste sich langsam auf. Ungewohnt langsam machte der Vampir sich auf den Nachhauseweg, den Kopf voller Gedanken.
 

Hizumi Wohnung, ca 16.30 Uhr...
 

Hizumi saß im Schneidersitz auf dem Boden und starrte durch das Panoramafenster hinaus auf die Stadt, die im Regen zu ertrinken schien. Seit dem Vorfall am Morgen hatten er und Saga kein Wort mehr gewechselt und dementsprechend im Keller war die Laune des Vampirs. Irgendwo in der Wohnung hörte man Saga herumkramen, Hizumi schätzte, dass er dabei war, seine Sachen auszupacken.

Doch nach einer Weile herrschte wieder vollkommene Stille und ein leises Seufzen entfuhr Hizumi.

„Saga?“, fragte er leise in den Raum hinein. Nach einer kurzen Zeit vollkommener Stille, war das leise Tapsen bloßer Füße auf dem hellen Holzboden zu hören. Hizumi brauchte sich nicht umzudrehen, er wusste, dass Saga nur wenig Schritte entfernt hinter ihm stand.

„Was denn?“

Der Kleinere suchte nach geeigneten Worten.

„Wie soll das jetzt weitergehen?“ Er zögerte, starrte weiterhin nach draußen. „Das mit uns.“

Saga schwieg und Hiumis Herz wurde mit jeder stillen Sekunde die verstricht, schwerer. Anstatt direkt zu antworten, überwand Saga den letzten Meter Distanz und ließ sich neben Hizumi auf den Boden fallen. Den Blick hatte er starr auf seine Hände gerichtet.

„Ich weiß es nicht. Im Moment wächst mir alles über den Kopf.“, murmelte er.

Stummes Nicken.

„Es ist nicht einfach für mich im Moment. Ich hab meinen eigenen Bruder umgebracht. Und ich muss damit klarkommen.“

Hizumi senkte betreten den Blick und schlang die Arme um den Bauch. „Auch, wenn du's nicht hören willst. Es tut mir Leid. Alles.“

Auf Sagas Gesicht schlich sich ein schiefes Lächeln. „Du hast Recht, das will ich in der Tat nicht mehr hören.“, sagte er und warf Hizumi einen kurzen Seitenblick zu. „Hizumi, ich will, dass du eins weißt. Du bist mir unglaublich wichtig und ich will nicht, dass das mit uns hier kaputt geht. Aber im Moment kann ich es einfach nicht. Ich brauche Abstand. Von allem. Nur weiß ich nicht, wie ich den bekommen soll, immerhin kann ich die Wohnung nicht verlassen.“ Er seufzte schwer. „Es tut mir Leid.“

Der Angesprochene schüttelte nur schwach den Kopf. „Schon gut.“, sagte er leise. Seine Stimme klang ein wenig heiser. Wieder entstand eine zermürbende Stille, dann ergriff Saga erneut das Wort. „Nein, nichts ist gut. Ich tu dir weh und das ist verdammt nochmal nicht gut.“

„Aber du hast allen Grund dazu.“

„Nein, hab ich nicht. Nichts von dem was passiert ist, ist deine Schuld. In gewisser Weise kann ich sogar verstehen, dass du Karyu um Hilfe gebeten hast. Du hast in der letzten Zeit auch genug mitgemacht.“ Saga biss sich auf die Unterlippe. „Eigentlich war mir das schon von Anfang an klar, aber es ist leichter, wenn man jemanden hat, dem man die Schuld an allem geben kann.“ Er lächelte zynisch.

„Wie meinst du das?“

„Mein ganzes Leben, besser gesagt, meine Existenz, hat sich vom einen auf den andern Tag verändert. Ich komm damit nicht klar und in gewisser Weise frustriert es mich, dass ich machtlos bin gegen das alles hier. Ich kann mich nicht kontrollieren, hab meinen Bruder angefallen. Das macht mich wütend und traurig und verzweifelt und alles auf einmal. Irgendwie musste ich diese Wut loswerden. Es war am einfachsten, auf dich wütend zu sein, auch, wenn du es absolut nicht verdient hast. Es war absolut dumm und kindisch von mir und es tut mir Leid, dass du darunter leiden musst.“

Ohne ein Antwort von Himzui abzuwarten, beugte Sagas sich etwas zur Seite und legte sachte eine Hand unter Hizumis Kinn, zwang ihn so zum Blickkontakt. „Auch wenn es in der letzten Zeit nicht den Anschein gehabt hat... Ich liebe dich.“ Hizumi blinzelte kurz und schien für den Moment ein wenig überfordert zu sein. Dann umspielte ein winziges Lächeln seine Mundwinkel. „Ich dich auch. Und ich kann durchaus nachvollziehen, wie du dich gefühlt hast. Mir ging's in der ersten Zeit nicht anders.“, murmelte er und rückte ein Stück näher an Saga heran. Der schlang beide Arme um Hizumi und zog ihn an sich. „Ich bin froh dich zu haben. Ehrlich.“ Der Ältere nickte und lehnte die Stirn an Sagas Schulter. Er schloss die Augen, drückte sich enger an Sagas Oberkörper.

Saga war sich nicht sicher, wie lange er Hizumi so im Arm gehalten hatte, doch nach einer Weile schweifte sein Blick über den wolkenverhangenen Himmel. Kleine Flocken schwebten durch die Luft und verschwanden, sobald sie die schmutzige Straße berührten. „Es schneit.“, murmelte er leise und schien Hizumi damit aus seinem fast schon komatösen Zustand erweckt zu haben. Der blinzelte verschlafen und drehte sich zur Fensterfront.

„Wurde ja auch Zeit.“, sagte er und lächelte.
 


 

Karyus Wohnung...
 

„Willst du auch ne Tasse Kaffee?“, fragte Karyu gleichmütig, während er in seiner Kaffeetasse herumrührte. Tsukasa schüttelte den Kopf. „Sobald ich an was Ess- oder Trinkbares denke, wird mir schlecht.“ Karyu grinste breit. „Versuchs mal mit Blut, das hilft.“

Tsukasa schnaubte beleidigt und verschränkte die Arme.

„Schmollen bringt dir nichts, Süßer.“ Karyu hob die Augenbrauen und nippte an seinem Getränk. Für einen kurzen Moment entgleisten Tsukasas Gesichtszüge. „Wie hast du mich genannt?“, blaffte er ungehalten und starrte Karyu wutentbrannt an. Das führte jedoch nur dazu, dass das Grinsen, das in Karyus Gesicht schier festzukleben schien, sich noch verbreiterte. „Du hast mich schon verstanden.“

„Du bist doch gestört.“

„Ach, du etwas nicht? Hey, zu Lebzeiten hast du deine Freizeit damit verbracht, Fabelwesen zu jagen. Ein bisschen arm, findest du nicht? Ich mein, du warst Student. Normalerweise macht man da nichts, außer schlafen, saufen und ficken.“

„Ach halt's Maul. Was weißt du schon?“

„Ne Menge. Ich war schon einige Male an der Uni.“

Tsukasa schnaubte verächtlich und ließ sich aufs Sofa fallen. „Ich weiß schon, warum ich dich liebend gern umbringen würde.“ Er krallte sich ein Kissen und machte Anstalten in Karyu Richtung zu zielen.

„Solltest du auch nur den Gedanken hegen, dann werde ich dich dumm sterben lassen. Die Betonung liegt auf sterben und dumm.“

„Was soll das denn jetzt heißen?“

„Das heißt, dass ich was weiß, was du nicht weißt, was du aber wissen solltest, weil es dabei um den Erhalt deines hübschen Arsches geht.“

Ohne Vorwarnung feuerte Tsukasa das Kissen ab, verfehlte jedoch Karyu, der ungerührt einen Schritt zur Seite machte. Mit einem leisen 'Polpp' landete das Wurfgeschoss auf dem Küchenboden. „Und das wäre?“, fragte Tsukasa, sichtlich beleidigt und frustriert über den misslungenen Wurf.

„Wie viel genau weißt du über unsere Kultur?“ Karyu blickte Tsukasa über den Rand seiner Tasse aus an. Der wiegte den Kopf. „So einiges. Kommt drauf an, worauf du dich beziehst.“

„Russland.“

Tsukasa überlegte offenbar angestrengt. „Ich weiß nichts Genaues, nur, dass es dort einen sehr mächtigen Clan zu geben scheint. Mehr war beim besten Willen nicht heraus findbar.“

Während Tsukasa gespannt zuhörte, begann Karyu den genauen Aufbau der Vampirdynastie zu erläutern. Als er geendet hatte, sah der Braunhaarige ihn fragend an. „Und wieso erklärst du mir das jetzt alles?“

„Weil es gut möglich wäre, dass du irgendwann in näherer Zukunft mit diesen Typen konfrontiert wirst. Und ganz unter uns... Das sind alles richtige Arschlöcher. Besonders Blake.“ Leise aber bestimmt stellte Karyu seine leere Tasse auf einem Bücherregal ab. „Ich hab uns allen einiges an Ärger eingebrockt und das nur, weil ich dich gebissen habe. Aber diese Genugtuung wollte ich mir nun mal nicht nehmen lassen.“ Er lächelte gut gelaunt und streckte sich. „Es wird mal wieder Zeit, dass der lernt, wo sein Platz ist.“

Tsukasa schnaubte und ein Lächeln, das pure Verachtung symbolisierte, beherrschte sein Gesicht. „So. Und du willst ihm den zeigen, oder was?“

„Es wäre nicht das erste Mal, dass ich das tue.“

„Aha. Und wenn du so mächtig bist, warum sitzt du dann nicht auf dem Thron?“

„Ob du's glaubst oder nicht. Eigentlich wäre es mein Erbrecht, allerdings gab es vor längerer Zeit einige Komplikationen. Eine Verschwörung gegen mich, ne miese Sache. Nach diesem ganzen Mist hatte ich herzlich wenig Lust, mich noch weiter mit dem Thema zu befassen und ziehe es vor, mich hier in Tokyo aufzuhalten. Weniger Stress und nettere Leute. Außerdem ist mein Russisch ziemlich dürftig.“

Tsukasas rechte Augenbraue schoss in die Höhe „Was meinst du mit Erbrecht? Willst du sagen, du bist mit diesem Typ verwandt? Mit Blake?“

Karyu verzog angewidert das Gesicht. „Ja, leider. Er ist mein Halbbruder. Wir haben deprimierenderweise den selben Vater. Allerdings ist Blakes Mutter menschlich gewesen. Engländerin, so weit ich weiß. Meine war Japanerin. Im Gegensatz zu ihm, bin ich allerdings ein 'Native'. Das heißt, dass ich, schon als Vampir geboren wurde. Und bevor du fragst, ja sowas geht. Ich erklär's dir später irgendwann mal. Ist alles etwas kompliziert.

Auf jeden Fall ist Blake der Ältere von uns beiden, was nichts daran ändert, dass er gegen mich nicht ankommt, sobald es ernst wird. Die Situation hatten wir vor ungefähr 60 Jahren schon mal. Das dürfte er bis heute nicht vergessen haben.“

Der Blonde griff nach der leeren Tasse und verschwand in der Küche. Wenig später kam er mit einem Glas und einer Blutkonserve wieder. „Starr mich nicht so an, das macht mich nervös.“ Er warf Tsukasa den mit Blut gefüllten Plastikbeutel zu und stellte das leere Glas vor ihn auf den Couchtisch.

„Hier, trink mal was. Du siehst ganz blass aus.“
 


 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

und sense.

im nächsten kapitel wirds dann mal ernst >xD

Departure

und in neues kapitel. wieder nach so langer zeit -.-

im moment ist mal wieder stress bei mir. haushalt schmeißen, orchester, schule und führerschein @.@

zwischendurch brauch man ja auch noch zeit für party machen, feund(e), etc.

ich bin vielbeschäftigt *drop*

aaa~ber hier endlich wieder was neues. auch, wenn ich nichts versprechen kann, ich versuche echt, mich am riemen zu reißen, damit ihr das nächst chap früher bekommt.
 

enjoy ♥
 


 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 


 

Hizumis Wohnung, ca 19.30 Uhr...
 

Sagas POV
 

Ich lag ausgestreckt auf dem Sofa und sah fern. Hizumi hatte es sich auf meinem Bauch bequem gemacht und ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären, wie er es schaffte, in dieser halb eingerollten Position zu schlafen. Aber ganz offensichtlich gelang es ihm.

Ein Lächeln kämpfte sich aus meinem Innersten hinaus auf mein Gesicht. Vorsichtig, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken, strich ich durch Hizumis zerzaustes Haar. Auch, wenn ich das Gedankenlesen noch nicht beherrschte, ich hatte doch deutlich mitbekommen, wie sehr ihm der Streit zugesetzt hatte. Und es tat mir Leid. Es tat mir richtig Leid.

Jetzt, im Nachhinein fand ich mich selbst in gewisser Weise abstoßend. Sicher, ich hatte versucht, Hizumi meinen Standpunkt zu verdeutlichen und ihm eine Begründung für mein Verhalten zu liefern. Und auch, wenn er immer wieder betont hatte, das alles nachvollziehen zu können... Das bezweifelte ich stark. Immerhin verstand nicht mal ich selbst meine eigenen Gefühle.

Es war Ätzend. Ich hatte weder meinen Körper, noch meine Gefühlswelt unter Kontrolle und darunter hatten nun zwei Personen gelitten, die mir alles bedeuteten.

Tsukasa und Hizumi.

Jackpot geknackt. Herzlichen Glückwunsch, Sie sind im Recall.

Hier in unserer landesweiten Castingshow für Mörder und Mobber!

//Du widerst mich an!//, dachte ich im Stillen.

Unbewusst drückte ich Hizumi näher an mich. Ich bewunderte ihn. Seine Geduld mit mir war unglaublich, jeder andere hätte mich wahrscheinlich schon längst vor die Tür geworfen. Aber er nahm es hin, versuchte sogar, mir zu helfen und mich zu verstehen.

Konnte das gesund sein?

Wahrscheinlich nicht.

Ich würde ihn eines Tages, wenn sich die Wogen geglättet hatten, darauf ansprechen. Aber nicht jetzt. Momentan gab ich mich damit zufrieden, ihm beim Schlafen zuzusehen. Er gab nämlich ein äußerst niedliches Bild ab, das ich mir auf keinen Fall entgehen lassen wollte. Der blöde Fernseher war unwichtig.

Der war eh nur Tarnung!

Aber hatte ja geklappt, mein ausgeklügelter Plan! Sich unter dem Vorwand TV zu gucken aufs Sofa setzen, Hizumi fragen, ob er mit gucken will und der Rest...der kam von ganz alleine. Ich Fuchs, ich!

Etwas regte sich und Hizumi begann unwillig zu brummeln. Ich musste grinsen. Er war definitiv süß. Jeder, der etwas anderes sagte, log!

Wieder kraulte ich ihm beruhigend den Nacken. Das half tatsächlich, denn er wurde augenblicklich still und schlief ruhig weiter. Diesen Zeitpunkt nutzten meine Gedanken, um auf Wanderschaft zu gehen. Erstes Ziel war Tsukasa. Ich vermisste ihn schrecklich. Auch, wenn ich versuchte, mir die ganze Situation schön zu reden ( Immerhin ist er jetzt auch ein Vampir, wie du! Ihr könnt euch theoretisch sehen, wenn ihr wollt!), fühlte es sich mehr als mies an. Die Schuldgefühle plagten mich und ich schätzte, dass sich dies wahrscheinlich für den Rest meines untoten Lebens nicht mehr ändern würde. Wahrscheinlich würde es irgendwann einmal weniger werden, aber komplett verschwinden würden diese Gefühle nie.

Plötzlich verspürte ich das dringende Bedürfnis, die Stimme meines Bruders zu hören, doch im nächsten Moment rief ich mich selbst zur Ordnung. Er hatte mich, laut eigener Aussage, nicht gehasst, weil ich nun zu den Untoten gehörte, aber dafür, dass ich ihn auch zu einem solchen gemacht hatte, dafür hasste er mich garantiert!
 


 

Moskau, Roter Platz...
 

In schwarze Mäntel gehüllt, die Köpfe gesenkt, liefen zwei schmale Gestalten über den gefrorenen Boden des Roten Platzes. Natalias Stilettos hallten leise auf den Steinplatten wieder, während sie sich bemühte, mit ihrer Schwester Schritt zu halten. „Wieso zur Hölle rennst du so?“, zischte sie. Jelena lief ungerührt weiter. „Wir haben es eilig, verstanden?“

„Wieso? Den Privatjet können wir schlecht verpassen, oder?“

Die Jüngere verdrehte entnervt die bernsteinfarbenen Augen. „Sag mal bist du eigentlich schwer von Begriff, oder was? Verkalkst du so langsam? Blake hat gesagt wir sollen so schnell wie möglich nach Tokyo, also beeil dich, verdammt nochmal! Du weißt, dass es wichtig ist!“

Bevor Natalia antworten konnte, blieb Jelena abrupt stehen.

„Hier muss es irgendwo sein.“

„Da hinten.“ Die Kleinere der beiden deutete auf einen schwarzen Van, der nur ein paar Meter entfernt in einer Seitenstraße geparkt hatte.

Wenige Minuten später saßen die beiden Schwestern nebeneinander auf dem Rücksitz und sahen zu, wie die verschneiten Straßen hinter den getönten Scheiben des Autos vorbei flogen. Weitere zwanzig Minuten vergingen und Jelena schälte sich aus ihrem Pelzmantel.

„Ich hasse diese dämlichen Kontrollen an den Gates“, knurrte sie leise.

Der Sicherheitsmann bedeutete den beiden Vampiren mit einer kurzen Handbewegung, ihre Mäntel wieder an sich zu nehmen, nicht, ohne vorher jedoch einen Blick auf die auffallend hübschen Figuren der Mädchen zu werfen. Im Gegensatz zu den anderen Reisenden, machten sich Natalia und Jelena jedoch nicht die Mühe ein weiteres Mal durch die Passkontrolle zu gehen, nur, um sich danach eine weitere halbe Stunde in der Passagierreihe anzustellen.

Ihr Weg führte sie geradewegs hinaus aufs Rollfeld, begleitet von einem Flughafenmitarbeiter.

„Bitte schön die Damen, Ihre Maschine dürfte schon startbereit sein“, sagte der junge Mann freundlich lächelnd. Natalia bedankte sich höflich, während ihre Schwester dem Menschen nur einen verächtlichen Blick schenkte.

Die schmale Gangway knarrte unter zwei paar Manolo Blahniks und mit einem leisen Klicken fiel die Flugzeugtür in Schloss.

Erschöpft ließ sich die Jüngere in einen der Sitze fallen.

„Jetzt stell dir mal vor, wir müssten uns mit diesem ganzen Abschaum zusammen in eine unzureichend klimatisierte Maschine wie diese da-“ ihr dünner Finger deutete auf eine abhebende Passagiermaschine „-setzen. Ekelhaft!“

„Krieg dich ein Jelena.“
 

10 Stunden später...
 

„Ich kann Japan nicht leiden. Ich weiß auch nicht warum“, sagte Natalia leise und gähnte. Das Flugzeug setzte zum Landeanflug an und Jelena leerte in einem Zug ihr mit Blut gefülltes Weinglas.

„So, haben wir die Koordinaten? Tokyo ist groß!“

Die Ältere kramte ihren Laptop unter dem Sitz hervor und wenige Klicks später erschienen einige GPS-Daten auf den Bildschirm. „Unser Fahrer dürfte wissen, wo das ist. Ich hoffe nur, dass Karyu auch zu Hause ist. Er wird sich bestimmt freuen uns zu sehen.“ Sie grinste.

„Ganz bestimmt!“, sagte Jelena in übertriebener Zustimmung und begann zu lachen.
 


 

Karyus Wohnung...
 

„Was willst du damit sagen?“

Karyu schlug die Beine übereinander und hob eine Augenbraue.

„Du fragst mich echt, was ich damit sagen will?“

„Ja verdammt! Bist du taub, oder so?“

„Sei nicht immer so unfreundlich, Tsukasa.“

Der Kleinere schüttelte fast schon resignierend den Kopf und seufzte. „Sag doch jetzt bitte einfach, was du damit meinst.“

Der blonde Vampir lächelte. „Ich meine damit, dass heute im Laufe des Tages zwei untote Models vor meiner Tür stehen werden, die die Absicht haben uns in ein Flugzeug zu packen und nach Russland zu kutschieren.“

Tsukasa hob ungläubig die Augenbrauen und wedelte mit der Hand. „Und weiter?“

„In Russland angekommen schaffen sie uns zu Blake. Der wird tierisch Bock dazu haben mir höchstpersönlich den Kopf abzureißen und dir gleich mit.“

„Was hab ich denn damit zu tun?“

Karyu begann zu lachen und Tsukasas Augenbrauen erreichten nun fast den Haaransatz.

„Das fragst du nicht wirklich, oder?“ Der Vampir lachte immer noch. „Süßer, du hast hier für soviel Ärger gesorgt, wie wir ihn lange nicht mehr hatten! Du hast ein Viertel unseres ansässigen Clans ausgerottet! Glaubst du, dass der Obermacker dir das durchgehen lässt?“

Karyus Gegenüber schluckte. „Woher willst du das wissen? Haben die dich angerufen, oder was?“

„Och Tsukasa, jetzt stellst du dich blöder, als du bist. Du müsstest doch eigentlich diese kleine Gedankenlese-Sache kennen, oder?“

„Auf die Entfernung?“

„Nein, eben nicht. Bis nach Moskau komme ich leider gedanklich nicht. Erstens ist es zu weit und zweitens hat Blake die Stadt versiegelt. Ich kann nichts mithören, was er, oder einer seiner Arschkriecher, da hinten denkt. Allerdings konnte ich heute Nachmittag hören, was die beiden kleinen Schlampen gedacht haben. Wenn man eins und eins zusammen zählt, ist es nur logisch, dass sie sich nicht mehr in Russland befinden. Sie sind auf dem Weg zu mir. Offensichtlich sind Blakes Leute noch mieser, als ich dachte. Die ganze Stadt ist voller Spitzel und trotzdem bekommt keiner was auf die Reihe und er muss seine zwei Haus- und Hoffledermäuse schicken.“

Er schüttelte mitleidig den Kopf. „So was hätte es früher nicht gegeben. Früher hat man sich noch von Angesicht zu Angesicht die Fresse poliert, ohne irgendwelche minderbemittelten Zwischenposten.“

Während Karyu über gute alte Zeiten sinnierte, erhob sich Tsukasa und verschwand in der Küche. Als er zurück kam, hielt er eine Blutkonserve in der Hand. Er seufzte tief, ließ sich aufs Sofa fallen und riss mit einer schnellen Handbewegung den Plastikbeutel auf. Unter Karyus erstaunten Blicken leerte er die Blutkonserve in einem Zug und wischte sich fahrig über den Mund.

„Du liebe Güte. Was ist bei dir kaputt?“, fragte Karyu in ehrlichem Erstaunen.

Der Jüngere lächelte schief.

„Ich kann's doch eh nicht ändern, oder?“ Er legte die leere Konserve auf den Wohnzimmertisch. „Ok. Also, ums kurz zu machen: Die wollen mich umbringen? Endgültig?“

„Jap.“

„Und dich auch?“

„Jap.“

„Und das alles lässt dich vollkommen kalt?“

„Jap.“

Mit einem leisen Klatschen landete Tsukasas rechte Handfläche auf Karyus Stirn. „Hast du Fieber, oder was?“, keifte er. „Ich hab keinen Bock zu sterben! Jetzt fang ich gerade an, mich mit diesem abartigen Untotenleben zu arrangieren, dann erzählst du mir, dass ich bald ganz verrecke! Glaubst du, das lass ich mir gefallen?!“

Karyu blinzelte und pflückte Tsukasas Hand von seinem Kopf.

„Wer hat denn gesagt, dass ich zulasse, dass sie dir was tun?“

Verwirrung machte sich auf dem gegenüberliegenden Sofa breit.

„Du gehörst mir. Ich werde es nicht dulden, dass Blake dich auch nur schief anguckt. Mag sein, dass er stärker geworden ist, aber ich bezweifele, dass er mir in irgendeiner Weise überlegen ist. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen. Davon mal ganz abgesehen, werde ich sowieso nur dann nach Russland kommen, wenn es mir passt. Nicht dann, wenn seine zwei Flittchen hier vor meiner Tür stehen.“

Zu Karyus Überraschung nickte Tsukasa ohne Widerworte zu geben und ließ sich erschöpft in die weichen Sofakissen zurückfallen...
 


 

Zeros Wohnung, ca 23.00 Uhr...
 

Toshiya lag zusammengerollt und in eine Decke gewickelt auf dem Sofa und döste vor sich hin, während Zero ihm gegenüber in einem Sessel saß und ein Buch las. Der Halbvampir blinzelte verschlafen und gähnte.

„Meinst du nicht, du solltest ins Bett gehen?“

Kopfschütteln.

„Warum denn nicht?“

„Kann nicht schlafen.“

Zero runzelte die Stirn und ließ sein Buch sinken.

„Du schläfst ja jetzt schon halb.“

Toshiya schüttelte störrisch den Kopf und starrte gegen die Wand. Er gähnte erneut und richtete sich langsam auf. „Zero?“

„Mh?“

Der Schwarzhaarige ahnte, dass diese Frageeinleitung nichts Gutes mit sich bringen konnte. Mittlerweile kannte er Toshiya gut genug, um das beurteilen zu können. Er sah den Jüngeren fragend an. Der schien nach den richtigen Worten zu suchen.

„Du hast gesagt, sie wollen mich zu einem Vampir machen, in Russland.“ Er warf Zero einen flüchtigen Blick zu. Dieser nickte nur stumm und wartete darauf, dass Toshiya Klartext sprach.

„Würdest-„ Er atmete zittrig ein und begann an seinen Nagelbetten herumzureißen. „Würdest du mich beißen?“

Zeros Gesicht verdüsterte sich.

„Du kennst meine Antwort, Toshiya.“

„Ja aber-„

„Kein aber. Ich werde dich nicht beißen!“

„Du verstehst das nicht!“, rief Toshiya so plötzlich aus, dass Zero leicht zusammen zuckte. „Sterben muss ich so oder so, das hab ich begriffen! Hab ich nicht ein Recht darauf, mir meinen Tod selber auszusuchen? Ich möchte nicht von jemandem getötet werden, den ich nicht kenne und der offensichtlich generell bösartig ist.“ Offenbar war der Jüngere selbst über seinen Gefühlsausbruch überrascht, denn er errötete und blickte betreten auf seine Hände, die er krampfhaft ineinander verknotet, auf seine Knie gelegt hatte. Ein langes Schweigen trat ein.

„Ich würde besser damit klarkommen, wenn du es tun würdest, glaub ich.“, murmelte Toshiya leise, ohne den Blick zu heben.

Zero seufzte schwer und schüttelte vage den Kopf. „Ich geh jetzt ins Bett.“ Er erhob sich, wünschte Toshiya eine gute Nacht und verschwand nach oben...
 


 

Karyus Wohnung, ca 30 Minuten später...
 

Karyu lächelte wissend, als es leise gegen die Wohnungstür klopfte. Er erhob sich und ging in aller Seelenruhe durch den kleinen Flur. Langsam öffnete er die Tür und blickte in zwei makellose Gesichter, die ihn kalt anstarrten.

„Ich hab mich schon gefragt, wann ihr euch hierher bequemt, meine Damen.“, sagte er und setzte ein charmantes Lächeln auf.

Natalia ergriff das Wort. „Guten Abend, Karyu. Lange nicht gesehen.“

„Allerdings nicht, aber ihr seht keinen Tag älter aus. Kommt rein, es wäre unhöflich von mir, euch einfach so hier stehen zu lassen. Setzt euch ins Wohnzimmer.“ Er trat einen Schritt nach hinten, um die beiden Schwestern einzulassen und nahm ihnen die Mäntel ab. Natalia und Jelena folgten seiner Anweisung und nahmen beide auf dem Sofa Platz.

Karyu ließ sich auf den Sessel ihnen gegenüber fallen. „Also, Ladys, was steht an.“

„Als ob du das nicht schon wüsstest“, sagte Jelena leicht patzig. Natalia gebot ihr mit einer schnellen Handbewegung, augenblicklich den Mund zu halten.

„Blake möchte dich sehen. Am besten sofort. Es geht um die Art und Weise, mit der du diesen Bezirk hier verwaltest. Er ist, um es mal gelinde auszudrücken, not amused über die Vorfälle, die sich hier vor kurzem ereignet haben.“

„So, ist das so? Und was gedenkt er jetzt zu tun?“

„Ich bin nicht befugt, dir das zu sagen. Tut mir Leid.“

Karyu lächelte umsichtig. „Natürlich bist du das nicht. Ich hab ganz vergessen, dass ihr nur zwei hübsche Schoßhündchen seid, die die Drecksarbeit erledigen müssen. Wird euch zwei Süßen das nicht langsam langweilig?“

Jelenas Unterkiefer klappte ein Stück weit auf, doch bevor sie etwas erwidern konnte, meldete sich ihre ältere Schwester zu Wort. Sie lächelte.

„Nein, langweilig wäre es vielleicht, wenn wir nicht noch nebenbei modeln und ständig auf irgendwelchen High Society Partys abhängen würden. Aber so führen wir ein ziemlich abwechslungsreiches Dasein. Danke der Nachfrage.“ Sie schlug elegant die Beine übereinander und strich sich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr.

Auf Karyus Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. „Wäre es zu viel verlangt, dich um ein Date zu bitten, nachdem ich deinem Chef das Fell über die Ohren gezogen habe? Wenn du auf die Schoßhündchen Nummer stehst, die kannst du bei mir auch gern haben.“

Ein helles Lachen ertönte.

„Immerhin hast du noch Sinn für Humor.“, flötete die Vampirin gut gelaunt. „Aber zurück zum Geschäft. Du hast bis spätestens Ende dieser Woche in Moskau zu erscheinen, sonst wird es massive Probleme geben. Wir werden die Woche über hier in Tokyo bleiben, nur um sicher zu gehen, dass du dich nicht aus dem Staub machst. Sag Bescheid, wenn du dich seelisch und körperlich in der Lage zu dieser Reise fühlt, wir organisieren das ganze Drumherum.“

„Du glaubst also wirklich, dass ich es nötig hätte, mich wie eine feige Ratte zu verstecken?“

„Das habe ich nie gesagt. Aber ich schließe eben ungern Risiken aus. Achja, fast hätte ich's vergessen.“ Sie fasste sich kurz an den Kopf. „Den Vampirjäger sollst du auch mitbringen, genauso wie Zero, Hizumi und den anderen frisch Verwandelten.“

„Oh, wie schön, eine Familienversammlung.“

„So ähnlich.“

Karyu und Natalia tauschten einen kurzen Blick. Plötzlich wurde Jelena unruhig. „Du hast noch was vergessen“, raunte sie ihrer Schwester zu, den Blick dabei fest auf Karyu geheftet. Natalias Gesicht wurde für einen kurzen Moment von einer Welle der Ratlosigkeit überflogen. Ihre kleine Schwester ergriff das Wort.

„Es geht um Blakes Sohn. Wir wissen, dass er sich in eurem Gebiet aufhält. Ich bezweifle, dass dir die Späher entgangen sind, die hier seit ein paar Tagen rumlaufen.“

„Ach, die Ratten gehörten zu euch?

Ungerührt durch Karyus bissigen Kommentar fuhr das Model fort.

Blake ist sich sicher, dass du bereits weißt, wo Toshiya sich aufhält. Du sollst ihn auch mitbringen, sonst lässt er das gewaltsam geschehen.“

„Willst du mir drohen?“

Karyus breites Grinsen schien Jelena einzuschüchtern, denn sie schüttelte hastig den Kopf und senkte den Blick.

Der hochgewachsene Vampir knackte mit den Fingerknöcheln und gähnte. „Meine Damen, ich möchte nicht unhöflich sein, aber auch ich werde mal müde. Ich werde mich melden, darauf könnt ihr euch verlassen.“ Er erhob sich. „Diesen Spaß will ich mir nicht entgehen lassen.“

Nun standen auch Jelena und Natalia auf. Die Ältere nickte. „Das will ich hoffen. Dann sehen wir uns in den nächsten Tagen.“

„Wir können uns danach auch gerne nochmal sehen. Privat.“ Karyu half Natalia in ihren weißen Pelzmantel, die bedankte sich, ignorierte Karyus anzüglichen Kommentar jedoch gekonnt. Ihre kleine Schwester im Schlepptau verließ sie die Wohnung, dreht sich im Hausflur noch einmal um.

„Bis dann.“ Sie lächelte und drehte dem Vampir den Rücken zu...
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

zack.

schluss. fürs erste.

ich werde versuchen, morgen mit dem nächsen chap anzufangen u_U

sofern ich nicht wieder spontan mit meinem neurotischen kater zum vet muss, oder unerwarteterweise 5 stunden beim frisör sitze -.-

*drop*

Dead Is The New Alive

Verzeiht die Verpätung!

Hier ist das neuste Chap und endlich gibt's wieder Action! *_*
 


 

enjoy!♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

Karyus Wohnung, 00.05 Uhr...
 

Unmittelbar nachdem die beiden Russinnen Karyus Apartment verlassen hatten, stürmte auch schon Tsukasa ins Wohnzimmer. Bis jetzt hatte er schweigend auf Karyus Bett gelegen und versucht, seine Ohren auf Rhabarbergröße wachsen zu lassen, um wenigstens einen Bruchteil des Gesprächs mitzubekommen.

Da Tsukasa jedoch leider nicht über solch unnatürliche und nebenbei auch irgendwie unmoralische Kräfte verfügte, musste er sich mit einigen wenigen Wortfetzen begnügen, die leise durch die Wände gedrungen waren. Karyu ließ sich aufs Sofa fallen und warf Tsukasa einen fragenden Blick zu.

„Tsukasa! Sei nicht so hektisch! Bitte!“, seufzte er und verdrehte entnervt die Augen.

Anstatt eine wirkliche Antwort zu geben platzte Tsukasa mit einem unwirschen „Und?“ heraus.

„Was 'und'?“

„Ja und?!“

Karyus Augenbraue hob sich.

„Das ganze jetzt in einem zusammenhängenden Satz mit Subjekt, Prädikat und am besten noch Objekt.“, lächelte er und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Der Braunhaarige schnaubte beleidigt und lehnte sich an die Kante eines Bücherschranks, der rechts von ihm an der Wand stand.

„Ich hab dir schon mal gesagt, dass du ätzend bist, oder? Egal. Also.“, er machte eine kurze Kunstpause. „Was haben die beiden untoten Damen, die soeben deine Wohnung verlassen haben, dir berichtet?“

„Wow! Sogar mit Adjektiven!“

Karyu strahlte.

„Ich hasse dich. Ehrlich.“, murmelte Tsukasa und wollte schon resigniert ins Schlafzimmer zurückkehren, als Karyu sich, Tsukasas Hassparolen völlig missachtend, endlich dazu erbarmte zu antworten.

„Ne Menge Müll. Zusammengefasst: Wir sollen uns noch diese Woche in den Flieger nach Russland setzen. Du, Ich und alle anderen, die auch nur im entferntesten Sinne etwas mit den Vorfällen der näheren Vergangenheit zu tun haben.“

„Definiere 'alle anderen'.“

„Ja, auch Saga.“

Tsukasas ohnehin schon blasse Haut wurde noch ein gutes Stück bleicher und er sah Karyu ernst an.

„Ihm wird nichts passieren, oder? Er hatte mit der Sache so gesehen nie wirklich etwas zu tun.“

Der Ältere zuckte nur kurz die Schultern. „Ich kann für nichts garantieren. Würde ich gerne, kann ich aber nicht. Wie gesagt, Blake ist ein blutrünstiges, selbstgerechtes Arschloch. Wenn er mies drauf ist, dann schert es ihn einen Dreck, ob Saga etwas getan hat, oder nicht.“ Während Karyu sprach wurde Tsukasa zusehends unruhiger. „Das ist doch völlig idiotisch! Er will mich verdammt! Er soll Saga da raushalten!“

Der Blonde schnaubte leise. „Nur, weil er dich will, heißt das noch lange nicht, dass er dich auch bekommt. Keiner wird dich töten außer mir, nur, damit das klar ist. Was auch immer Blake mit dir vorhat, ich werde es zu verhindern wissen.“, sagte Karyu bestimmt und überschlug die Beine. Sein Gegenüber runzelte die Stirn. „Wenn du mir wirklich nen Gefallen tun willst, dann beschütz meinen Bruder und nicht mich.“ Er warf Karyu einen fast schon flehenden Blick zu, doch der lächelte kühl. „Wer sagt denn, dass es mir darum geht, dir einen Gefallen zu tun?“
 


 

Nächster Morgen, Zeros Villa, ca. 9.30 Uhr...
 

Zero lag quer am Kopfende seines Bettes und starrte die Decke an. Er hatte ein ungutes Gefühl und wartete nur darauf, dass irgendetwas passieren würde, das seine Vorahnung bestätigte. Wie auf Knopfdruck durchzuckte seine Stirn plötzlich ein leichter Schmerz und er schloss automatisch die Augen. Karyu hatte sich in seine Gedanken eingeklinkt und schien ihm etwas mitteilen zu wollen.

'Guten Morgen, Liebster.'

Zero bekämpfte den Drang, die Augen zu verdrehen.

'Morgen, Nervensäge. Was gibt’s?'

'Ich wollte es dir ja persönlich sagen, aber mir war das Risiko zu groß.'

'Bitte?'

'Ich wollte nicht Gefahr laufen, dass mich deine miese Laune erwischt. Die wirst du nämlich zweifelsohne und berechtigterweise gleich bekommen, wenn ich dir erzähle, wer gestern bei mir war.'

'Ich höre?'

'Blakes Schoßhunde.'

'Die Russen-Schlampen?'

'Genau die.'

Zero seufzte gequält und presste sich eine Hand auf die Augen. Das konnte nichts Gutes bedeuten!

'Was haben sie gesagt?'

'Wir sollen noch diese Woche den Flieger nach Moskau nehmen und uns dann mit Blake treffen. Der Drecksack will den halben Clan sehen. Uns beide, Tsukasa, Hizumi, Saga und vor allem Toshiya.'

'Das kann er vergessen! Toshiya bleibt hier in Tokyo, der steigt in keinen Flieger! Noch wissen sie nicht, wo er ist.'

'Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du das länger vor ihnen verheimlichen kannst, oder? Blake weiß, dass er bei uns ist, er weiß nur noch nicht, wen er foltern muss, um es am einfachsten herauszufinden. Uns bleibt nichts anderes übrig. Wir haben nur eine Chance, wenn wir uns freiwillig stellen und ihnen so jede Möglichkeit nehmen, uns aus dem Hinterhalt anzugreifen. Wenn wir uns widersetzen und einfach hier bleiben, dann haben wir ein dickes Problem. Dann wird es früher oder später Krieg geben und auch, wenn ich fähig bin, Blake auszuschalten, sobald er hier mit einem Sturmtrupp von blutrünstigen Vampiren anrückt, sind wir alle geliefert! Wir haben nicht genug Leute, um dem etwas entgegenhalten zu können.'

Diese Worte musste Zero nun erst einmal verdauen. Eine schleichende Übelkeit stieg seine Kehle hinauf und er dachte kurz an Toshiya, der ein Stockwerk tiefer friedlich schlief.

'Wie lange bleibt uns noch?'

'Heute. Zeit genug um zu packen und alle darauf vorzubereiten, was sie erwartet. Ich werde mich gleich auf den Weg zu Hizumi machen und versuchen ihm zu erklären, was Sache ist. Dasselbe solltest du mit Toshiya tun.'

'Gut, ok. Ich bin weg.'

Mit diesen Worten öffnete der schwarzhaarige Vampir die Augen und richtete sich langsam auf. Es war zum kotzen.

Zero erhob sich vollends und ging geräuschlos ins Badezimmer. Unter der Dusche zerbrach er sich den Kopf darüber, wie er Toshiya am besten klar machen sollte, dass der heutige Tag wahrscheinlich der letzte war, den er in Tokyo verbrachte...
 


 

Hizumis Wohnung, 09.49 Uhr...
 

Verschlafen und zerzaust öffnete Hizumi die Wohnungstür einen kleinen Spalt breit. Welcher Idiot klingelte denn bitte um die Uhrzeit an einem Samstag?

Als der Vampir erkannte, um was für einen Idiot es sich handelte, war er mit einem Schlag hellwach.

„Was willst du?“, fragte er kalt, traute sich jedoch nicht wirklich, Karyu in die Augen zu sehen.

„Ich muss was mit dir besprechen. Es ist wichtig, es betrifft uns alle, auch Saga.“, erklärte Karyu ruhig und ließ sich nicht anmerken, was er wirklich über Hizumis abweisendes Verhalten dachte.

Hizumi nickte nur knapp und trat einen Schritt zurück, um Karyu hineinzulassen. Der steuerte in Richtung Sofa zu und setzte sich. Nur wenige Sekunden später räkelte Mr Kitty sich schnurrend auf seinem Schoß.

„Ich verstehe immer noch nicht, warum das Vieh dich so mag.“, murmelte Hizumi, mehr zu sich selbst, als zu jemand anderem.

„Wahrscheinlich, weil ich genauso asozial bin wie er.“, sagte Karyu und grinste schief. Hizumi antwortete nicht und setzte sich Karyu gegenüber. „Also, was wolltest du jetzt?“

„Gestern haben mich Natalia und Jelena besucht. Sagt dir das was?“

Hizumi schüttelte den Kopf.

„Das sind zwei von Blakes Arschkriecher-Bediensteten. Die beiden waren gestern da und haben mir erzählt, dass wir uns alle bis Ende der Woche in Russland blicken zu lassen haben. Auch, wenn ich nicht weiß, was sie von dir wollen... Sie wollen auch, dass du mitkommst. Inklusive Saga. Wir fliegen schon morgen los, am besten du fängst gleich mit dem Packen an.“ Nachdem Karyu geendet hatte, warf er Hizumi einen fragenden Blick zu. Der saß vollkommen enspannt auf seinem Sessel und blickte auf den Boden.

„Und wenn ich sage, dass ich nicht mitkommen werde?“

„Dann werde ich dich wohl oder übel dazu zwingen müssen.“, sagte Karyu ruhig. „Auch, wenn du es mir nicht glaubst, mir wäre es tausendmal lieber, wenn sie dich da raushalten würden. Mir passt die Sache überhaupt nicht, aber wenn wir nicht freiwillig zu ihnen kommen, dann holen sie uns mit Gewalt.“ Er fixierte sein Gegenüber mit einem nicht zu deutenden Blick und seufzte leise. „Das war alles, was ich wollte. Wir treffen uns morgen um 14.00 Uhr bei Zero. Seid bitte pünktlich.“ Karyu kraulte den weißen Kater ein letztes Mal hinter den Ohren, schob ihn dann bei Seite, um sich aufzurichten.

„Bis dann.“

Mit einem leisen Klicken fiel die Tür ins Schloss. Hizumi saß noch immer vollkommen regungslos da und blickte starr auf den Fußboden...
 


 

Karyu...
 

Als der Vampir nach Hause kam, rümpfte er die Nase. Nach einem kurzen Blick durch die Wohnung wurde ihm klar, woher der unangenehme Geruch kam. Tsukasa saß am offenen Fenster und rauchte.

„Kippe aus, es stinkt.“ Karyu schmiss seine Jacke über den Fernseher und ging mit festen Schritten zu Tsukasa. Der Machte wenig Anstalten, seine Zigarette loszuwerden. „Ich hab ein Recht darauf zu rauchen!“, meckerte er und rückte einige Zentimeter von der nahenden Bedrohung, in Form eines großen, blonden Sarkasten, weg.

„Hast du, Süßer, aber nicht in meinerWohnung!“

„1. Nenn mich nicht Süßer und 2. Wo bitte soll ich sonst rauchen? Du predigst mir doch alle zehn Minuten, dass ich ja keinen Fuß vor die Tür setzen soll, weil die Gefahr zu groß ist, dass ich unschuldige Kinder fressen könnte.“, keifte der Braunhaarige zurück und nahm einen provozierend langen Zug von seiner Zigarette.

Vollkommen ungerührt machte Karyu einen letzten Schritt, packte Tsukasas Handgelenk und drückte zu.

„Aua! Verdammt was soll das?“, rief der aufgebracht.

Karyu lächelte und hob den Kippenstummel, den Tsukasa hatte fallen lassen, auf. „Wie bei Hunden und kleinen Kindern. Wer nicht hören will muss fühlen.“ Er drückte die Zigarette auf dem Fenstersims aus und warf den Glimmstängel aus dem Fenster. Ungläubig sah Tsukasa auf sein Handgelenk, um das sich eine beträchtliche Rötung gebildet hatte, dort, wo Karyus Finger vor wenigen Sekunden zugedrückt hatten.

„Du spinnst doch.“, murmelte er, stand auf und verschwand beleidigt im Schlafzimmer...
 


 

Zur gleichen Zeit in Zeros Villa...
 

Zero saß in der Küche und schlürfte seinen morgendlichen Kaffee, die Haare hingen ihm nass und wirr ins Gesicht und seine Stirn wurde von einer deutlichen Sorgenfalte durchzogen. Er bemerkte kaum, dass die Küchentür sich langsam öffnete und Toshiya den Raum betrat.

„Guten Morgen.“, sagte er lächelnd. Doch das Lächeln wurde unsicher, als er bemerkte, wie besorgt Zero aussah.. „Stimmt irgendwas nicht?“

„Eine ganze Menge stimmt nicht. Setz dich.“ Er deutete auf den Stuhl neben sich.

Toshiya nickte und nahm Platz. Er bedachte Zero mit unruhigen Blicken und wartete darauf, dass er etwas sagen würde.

Der Vampir holte Luft und begann Toshiya zu berichten, was sich ereignet hatte. Toshiya hörte schweigend zu und nickte.

„Das heißt also, dass ich auch mit nach Russland muss.“, wiederholte er sinngemäß. Zero nickte.

„Ja, das heißt es.“

Eine kurze Pause entstand, dann fragte Toshiya leise „Werde ich wieder mit zurück kommen können?“

Zero schwieg und suchte nach den richtigen Worten.

„Es ist unwahrscheinlich bis unmöglich. Du sollst Blakes Erbe werden, deswegen schätze ich, dass du direkt dableiben musst.“

Zu Zeros Überraschung nickte Toshiya nur kurz und wirkte alles in allem sehr gefasst. „Dann wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben.“ Er lächelte schief und warf Zero einen kurzen Blick zu, der ziemlich mitgenommen aussah.

„Wieso macht es dich so fertig, dass ich gehen muss?“, fragte der Halbvampir leise und bohrte seinen Blick in Zeros helle Pupillen. Der brach den Blickkontakt schon nach wenigen Sekunden ab.

„Weil du mir wichtig bist und das weißt du auch.“, erwiderte er etwas zögerlich.

„Jetzt, wo du weißt, dass du mich heute das letzte Mal siehst, gibt es da vielleicht was, das du mir noch sagen willst?“, bohrte Toshiya nach.

Wieder entstand eine unangenehme Pause und man konnte merken, dass Zero sich momentan ein großes Loch wünschte, in das er sich verkriechen konnte. Doch da Zeros Fußboden ein ganz normaler Fußboden war und leider nicht urplötzlich schwarze Löcher spie, erfüllte sich dieser Wunsch nicht.

Zero betrachtete angestrengt seine Hände.

„Nein.“, sagte er schließlich. „Ich habe alles gesagt, was notwendig war.“

Enttäuscht wandte nun auch Toshiya den Blick ab und nickte. „Ok.“, hauchte er und schwieg daraufhin. Daraufhin stand er auf und schob den Stuhl zurück an den Küchentisch.

„Ich geh packen...“
 

18.37 Uhr...
 

Toshiya lag zusammengerollt auf dem Sofa und sah fern, während Zero irgendwo im Obergeschoss herum polterte.

Plötzlich vernahm der Junge das Geräusch von Schritten auf der Steintreppe im Flur. Wenig später wurde die Tür aufgerissen und Zero kam herein. Seit dem vergangenen Morgen hatten die Konversationen der beiden nur aus wenigen Worten bestanden, bis sie schließlich, gegen Mittag hin, ganz abgeebbt waren. Der Vampir war den ganzen Tag noch stiller als sonst gewesen und hatte sich direkt nach dem Mittagessen in seinem Büro verschanzt, das er bis zu diesem Moment nicht wieder verlassen hatte. Nun durchwühlte er gerade den Kühlschrank, wahrscheinlich auf der Suche nach etwas Essbarem. Zero wurde fündig und ließ sich, mit einer Tafel Schokolade, neben Toshiya aufs Sofa fallen.

Schweigend starrten beide auf das flackernde Fernsehbild und Toshiya begann sich sichtlich unwohl zu fühlen.

„Wieso redest du jetzt nicht mehr mit mir? Hab ich was falsch gemacht?“, fragte er schließlich sehr leise. Zero blinzelte und legte die angebissene Schokolade auf den Tisch.

„Nein, hast du nicht. Ich bin momentan nur überfordert. Hat nichts mit dir zu tun.“, antwortete er tonlos. Obwohl Toshiya diese Sache doch sehr in Frage stellte, nickte er und richtete sich etwas umständlich auf.

„Ich will nicht weg von dir, Zero.“ Die gemurmelten Worte trafen Zero, doch er bemühte sich, sein Gesicht zu wahren.

„Ich finde es auch beschissen, aber es geht nicht anders.“

Wieder ein stummes Nicken.

Im TV dudelte der Slogan irgendeines Werbespots und draußen war es bereits vollends dunkel geworden.

Toshiya hatte das dringende Bedürfnis den Raum zu verlassen, denn die kalte Stille, die schon den ganzen Tag über dem kompletten Haus zu liegen schien, setzte ihm mehr zu, als er sich eingestehen wollte. Er schielte kurz in Zeros Richtung und bemerkte erst jetzt, dass dieser ihn offensichtlich die ganze Zeit lang durchdringend gemustert hatte.

„Ist es wirklich das, was du willst?“, fragte Zero unvermittelt.

Auf Toshiyas Zügen machte sich Verwirrung breit. „Was meinst du?“ Der Braunhaarige klang unsicher.

„Willst du wirklich, dass ich derjenige bin, der dein Leben beendet?“

Toshiya saß vollkommen überrumpelt auf dem Sofa und versuchte verzweifelt seine wild umher kreisenden Gedanken zu ordnen. Langsam jedoch verstand er, worauf Zero hinaus wollte und nickte zaghaft.

Zero bedachte seinen Sitznachbarn mit einem kurzen Blick und rückte ein Stück näher an ihn heran. Toshiya hielt den Atem an und wagte es nun, das erste Mal seit Beginn des Gesprächs, Zero in die Augen zu sehen. Bevor er eine Antwort formulieren konnte, legte sich eine kühle Hand auf seine Wange und strich kurz darüber. Toshiyas Herz begann heftig zu schlagen und er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Besagtes Herz setzte für einige Sekunden vollkommen aus, als Zero sich vorbeugte und dem Braunhaarigen einen sanften Kuss auf die Lippen hauchte.

Absolut überfordert wusste Toshiya nicht, ob er nun etwas erwidern sollte, oder nicht. Bevor er sich jedoch darüber seine Gedanken machen konnte, spürte er die Lippen des Vampirs an seinem Hals.

Wenige Augenblicke vergingen, dann durchzuckte ihn ein Schmerz, der weitaus schlimmer war, als alles, was er bis jetzt hatte erleiden müssen...
 

Ein Schmerzensschrei zerriss die nächtliche Stille und Toshiyas Finger verkrallten sich krampfhaft in Zeros Oberteil, als er versuchte, ihn von sich zu drücken. Adrenalin strömte durch seine Blutbahnen und sein sterbender Körper versuchte panisch sich zu befreien. Doch Zeros Hände hinderten Toshiya mit Leichtigkeit an Gegenwehr jeglicher Form.

Die Zähne des Vampirs bohrten sich tiefer in sein Fleisch und schon nach wenigen Sekunden war er zu geschwächt, um weiteren Widerstand zu leisten. Toshiya lag vollkommen reglos in den Armen seines Mörders und starrte ins Leere. Von Zeit zu Zeit wurde sein Körper von Krämpfen geschüttelt, doch auch diese verebbten irgendwann, so dass er nun, leblos wie eine Puppe, da lag.

Zero ließ von seinem Opfer ab und betrachtete den toten Jungen. Sanft strich er ihm über die Wange und erhob sich, Toshiyas dünnen Körper immer noch im Arm haltend. Er brachte ihn ins Gästezimmer, legte ihn behutsam aufs Bett und setzte sich auf die Bettkante.

Jetzt hieß es abwarten. Spätestens am nächsten Morgen würde Toshiya aufwachen und sich selbst als vollwertigen Vampir wiederfinden.

Es war unwahrscheinlich, dass er noch weitere Schmerzen haben würde, immerhin war er von Geburt an zur Hälfte ein Geschöpf der Nacht gewesen.
 

Als die ersten dämmrigen Strahlen durch die halb zugezogenen Gardinen schimmerten, kehrte das Leben in den toten Körper zurück.

Zero, der die Nacht über wach geblieben war, bemerkte sofort, dass sich auf dem Bett etwas regte. Er beugte sich vor und nahm Toshiyas Hand. Der blinzelte verschlafen und schien mit den Gedanken noch in irgendeiner weit entfernten Welt zu sein, denn sein Blick fixierte einen unbestimmten Punkt.

„Toshiya?“, fragte Zero leise.

Er blinzelte erneut und diesmal schien er ansprechbar zu sein.

„Was ist passiert?“, murmelt er verwirrt, den Blick auf Zero gerichtet.

„Du bist tot.“

Toshiya schien über diese Antwort nachzudenken, dann nickte er und bereute diese Geste augenblicklich. Es tat höllisch weh. Sein Hals begann nun schmerzhaft zu pochen und Tränen stiegen ihm in die Augen, die er jedoch gleich wieder weg blinzelte.

„Warum?“, fragte der frisch gebackene Vampir matt „Warum hast du es dir anders überlegt?“

Zero seufzte und drücke kurz Toshiyas Hand.

„Weil du Recht hattest mit dem was du gesagt hast. Hätte ich dich nicht gebissen, hätte Blake es getan und das wollte ich dir nicht zumuten.“ Er lächelte schief.

Toshiya warf einen Seitenblick auf Zeros Hand, die sich fest um seine eigene gelegt hatte.

„Zero?“

„Ja?“

„Was ist das zwischen uns?“

„Wie meinst du das?“

„Naja, ich bin jetzt ein Vampir, genau wie du. Prinzipiell stünde doch nichts mehr zwischen uns, oder?“

Zero schrumpfte unter Toshiyas durchdringendem Blick förmlich in sich zusammen und zögerte.

„Toshiya... Ich habe dir doch gesagt, dass das nichts wird mit uns.“, erklärte er unbeholfen. „Es ist egal, ob du Mensch oder Vampir bist, es kann nicht funktionieren. Es ist unmöglich! Wir können nicht zusammen sein.“

„Zero, bitte! Ich möchte doch nur wissen, was du für mich empfindest, egal, ob wir nun zusammen sein können , oder nicht. Ich will doch nur wissen, was ich für dich bin.“ Der Braunhaarige biss sich auf die Unterlippe und sah Zero bittend an.

Draußen kämpfte sich die Sonne durch den Morgennebel, nur um sogleich wieder von einer dunklen Wolke verschluckt zu werden. Irgendwo in der Nähe fuhr ein Rettungswagen herum.

Zeros leises Seufzen erfüllte den Raum.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich nach all den Jahrhunderten noch fähig bin irgendetwas zu fühlen. Aber als ich dich kennen gelernt habe, musste ich feststellen, dass ich das sehr wohl noch kann. Ich bin nicht gut darin, über so was zu reden, aber ich hoffe, dass du mich trotzdem verstehst.“ Zero zog seine Hand zurück und sah Toshiya fest in die Augen. „Du bedeutest mir alles. Und wenn ich könnte, würde ich meine Prinzipien sofort über den Haufen werfen, nur um mit dir zusammen sein zu können. Es tut mir Leid, dass ich dich verletzt habe, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen.

Nachdem ich an diesem einen Abend schwach geworden bin, habe ich mich mehr als beschissen gefühlt. Vor allem, weil ich dich am nächsten Tag abgewiesen habe. Das tut mir Leid. Ehrlich.“ Der Vampir holte tief Luft und senkte den Blick. „Ich liebe dich, Toshiya.“

Toshiya musterte den Schwarzhaarigen, der mit hängenden Schulten auf dem Bettrand saß und starr auf seine Finger sah. Irgendwie wirkte er im Moment nicht mehr so souverän und kühl wie sonst immer. Momentan wirkte Zero fast schon menschlich.

Eine schmale, blasse Hand legte sich auf Zeros und brachte ihn dazu, den Liegenden erneut anzusehen.

Toshiya lächelte.

Es war kein breites Lächeln, aber es war ehrlich.

„Mehr wollte ich doch gar nicht hören.“, sagte er leise, immer noch lächelnd. Mit diesen Worten schloss Toshiya erschöpft die Augen und verfiel in einen Dämmerschlaf...

Judea

salut meine lieben. ja, ich weiß, es gab ne verzögerung -.- bedankt euch beim vollen zeitplan meiner betas ^^"

aber nun ist es doch geschafft!

mehr will ich dazu jetzt gar nicht sagen xD lest einfach selber.

heiratsanträge und morddrohungen bitte per ENS!

dankeschön :D
 

enjoy ♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

Hizumis POV
 


 

Hizumis Wohnung, ca 19.00 Uhr...
 

Ich saß auf dem Boden und starrte hinaus in die Nacht. Der Himmel war wolkenverhangen und reflektierte das Großstadtlicht, es sah nach Schnee aus. Unzählige Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, doch alles lief auf einen einzigen hinaus: Würden wir Russland heil überstehen?Hinter mir raschelte etwas und Saga setzte sich zu mir auf den Boden. „Hey.“ Er lächelte, doch ich bemerkte sofort, dass er skeptisch war.

Er wusste, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Während Karyus Besuch hatte Saga die Dusche blockiert, doch ich bezweifelte stark, dass ihm unser, wenn auch kurzes, Gespräch entgangen war. „Hey.“, sagte ich leise und überwand mich zu einem kleinen Lächeln. Er runzelte die Stirn. „Was ist los?“

Ich seufzte tief.

Ich musste es ihm so oder so beichten, immerhin würde er morgen mit mir zusammen im Flieger sitzen. Auch, wenn ich den Orden und seine Methoden nur aus Erzählungen kannte, so war ich mir ziemlich sicher, dass weder Blake, noch jemand anderes damit einverstanden war, wenn Saga und ich den Termin versäumten.

Es dauerte einige Zeit, bis ich die richtigen Worte gefunden hatte. Ich tat mich schwer damit, Saga den Sachverhalt zu erklären, immerhin wusste ich selbst nicht, was mich und alle anderen in Moskau erwarten würde.

Saga hörte schweigend zu.

„Ich weiß nicht, was genau sie von dir wollen. Vielleicht sollst du einfach nur der Vollständigkeit halber mitkommen.“, zog ich hoffnungsvoll in Erwägung. Beim bloßen Gedanken daran, dass es anders sein könnte, drehte sich mir der Magen um.

Meine große Liebe nickte bedächtig. „Okay. Das ist eine Sache. Aber warum wollen sie dich? Du hast doch nichts getan.“Seine Worte brachten mich zum lächeln.

„Ich habe so einiges getan.“, sagte ich leise und starrte auf meine Hände und war damit beschäftigt, das Hochkochen alter, schmerzhafter Erinnerungen zu verhindern. „Wenn du wüsstest, was ich schon alles getan habe.“ Meine Stimme war kaum mehr ein Flüstern. Ich fühlte mich nicht in der Lage dazu sie laut auszusprechen, aus Angst, alles Geschehene noch einmal erleben zu müssen.

Sagas Blick durchbohrte mich. „Wie meinst du das?“

Ein Schauer überlief mich.

„Ich möchte nicht darüber reden, okay? Auf jeden Fall wäre es möglich, dass sie mich zur Rechenschaft ziehen wollen.“ Mein Blick klebte irgendwo auf dem Boden fest. Wie sollte ich ihm das denn jetzt am besten erklären?

Ich war mir nicht sicher, wie konnte ich auch, aber irgendetwas sagte mir, dass sie in Russland nicht nur mit mir reden wollten. Diese Einsicht machte mir Angst.

Saga schwieg und rutschte nervös neben mir herum. Draußen begann es zu schütten und irgendwie deprimierte mich diese Situation nun noch mehr, da ich insgeheim mit Schnee gerechnet hatte.

„Worauf willst du hinaus, Hizumi?“, fragte mein Nebenmann plötzlich unvermittelt.

„Ich will auf gar nichts hinaus.“, sagte ich etwas patzig. „Ich kann nur Vermutungen anstellen, sonst nichts.“

„Und was vermutest du?“

„Ich vermute, dass sie mich in irgendeiner Form bestrafen wollen.“

Jetzt war es raus.

War wahrscheinlich besser so, irgendwann wäre es sowieso zu spät gewesen, das Offensichtliche länger zu verheimlichen. Ich schielte kurz zur Seite und erkannte sofort, dass Saga vollkommen überfordert war. Schon seine Körperhaltung ließ aufkeimende Verzweiflung erkennen. Er saß in sich zusammengesunken da, die Hände ineinander verknotet und starrte geradeaus in den Regen.

„Es heißt ja nicht, dass es wirklich so sein wird. Vielleicht bin ich auch nur paranoid.“, versuchte ich ihn zu beruhigen und verfluchte mich für mein loses Maul.

//Warum kannst du nicht einmal etwas für dich behalten, Hizumi?//, schalt ich mich selbst in Gedanken.

Aber jetzt war es ohnehin zu spät...
 


 

Nächster Morgen, Zeros Villa, ca 09.00 Uhr...
 

Toshiya wischte sich über den Mund und betrachtete skeptisch Zeros blutendes Handgelenk. „Und was sagtest du, bringt das jetzt?“, fragte er heiser.

„Das ist ein Blutband, es verbindet uns mental miteinander. Eine praktische Angelegenheit eigentlich.“, erklärte Zero, der auf Toshiyas Bettkante saß und dabei zusah, wie sich der breite Schnitt in seiner Pulsader binnen weniger Sekunden wieder schloss. Mit großen Augen starrte Toshiya auf das nun wieder vollkommen unversehrte Handgelenk.

„Werde ich so was auch irgendwann können?“, fragte er staunend.

Der Schwarzhaarige zuckte kurz die Schultern. „Wenn du erst mal so alt bist, bestimmt. Aber bis dahin sind's noch ein paar Jahrhunderte. Wobei es dir wahrscheinlich leichter fallen wird, alles zu lernen. Immerhin bist du zur Hälfte Native.“

„Was heißt das?“

Du bist zur Hälfte geborener Vampir gewesen. Du bist im Endeffekt mächtiger als Vampire, die nur durch bloßes Beißen entstanden sind.“

Toshiya nickte langsam und rieb sich geistesabwesend den Hals. Die Bisswunde war über Nacht geheilt und lediglich zwei hellrote Punkte kurz über seinem Schlüsselbein zeugten noch von der Verwandlung.

„Kannst du aufstehen?“ Zero legte den Kopf schräg und schien etwas beunruhigt zu sein.

„Ich kann's versuchen.“ Mit diesen Worten schob Toshiya langsam seine Beine aus dem Bett und rappelte sich etwas umständlich auf. Er verzog kurz das Gesicht, ging jedoch dann einige unsichere Schritte vorwärts.

„Wenn es nicht geht, dann leg dich wieder hin.“, sagte Zero schon fast etwas ängstlich.

Toshiya lächelte breit. „Ach, es geht schon. Mein Rücken tut ein bisschen weh, aber ansonsten geht’s. Lieb, dass du dir Sorgen machst.“ Er warf Zero einen kurzen Blick zu und strahlte ihn an.

Der Vampir schien ein wenig überrumpelt und erwiderte das Lächeln. Wenn auch etwas schief.

Plötzlich jedoch hielt der Ältere in seiner Bewegung inne.

„Toshiya, guck mich mal an.“, sagte er langsam. Der Angesprochene blinzelte verwirrt, tat dann aber wie ihm geheißen wurde und sah Zero tief in die Augen.

Zero schluckte.

„Ach du heilige Scheiße.“, murmelte er leise.

Diese Worte machten Toshiya sichtlich nervös. „Was ist denn?“, fragte er mit einem leicht ängstlichen Unterton in der Stimme.

„Deine Augen.“, murmelte Zero nur ungläubig und trat einen Schritt näher an Toshiya heran. „Es ist Ewigkeiten her, dass ich so etwas gesehen habe.“ Toshiya hob eine Augenbraue und senkte automatisch den Blick. „Was ist mit ihnen?“

Zero lachte kurz leise auf. „Guck mal in den Spiegel, dann weißt du es.

Der Braunhaarige tapste auf wackeligen Beinen zum Spiegel und sah hinein. Doch als er sein Spiegelbild erblickte, zuckte er erschrocken zurück.

„Ach du Scheiße.“, rief er aus und starrte ungläubig in sein eigenes Augenpaar. Toshiyas Pupillen hatten keine, für Vampire so gewöhnliche, hellbraune Färbung. Toshiyas Iris leuchtete in einem hellen, leicht gelblichen Kupferton. Der junge Vampir betrachtete sich eine Weile im Spiegel, dann drehte er sich langsam zu Zero um.

„Warum sieht das so anders aus? Wieso habt ihr alle dunklere Augen?“ Er klang ein wenig beunruhigt.

Zero legte den Kopf schräg und lächelte.

„Genau erklären kann ich es mir auch nicht, aber ich schätze, dass mehr Macht in dir steckt, als du glaubst. Die Augenfarbe eines Vampirs kann oft etwas über seine Kraft aussagen. Und wenn wir danach gehen, dann besitzt du eine Kraft, die verdammt außergewöhnlich ist.“

Ein leises Seufzen verließ Toshiyas Lippen. „Wieso kann ich denn nicht einmal normal sein? Nicht mal als Vampir bin ich normal. Irgendwer hasst mich, glaube ich.“ Er verschränkte die Arme und starrte deprimiert auf den Boden. Zero trat auf ihn zu, schob den Zeigefinger unter Toshiyas Kinn und drückte es sachte ein wenig nach oben.

„Toshiya. Mach dich nicht immer selbst fertig. Du bist was Besonderes, ganz einfach. Anders zu sein heißt nicht immer, schlecht zu sein. Und selbst, wenn du normal wärst, für mich wirst du immer etwas besonderes bleiben, verstehst du?“

Der Größere runzelte die Stirn und schien offenbar etwas überfordert mit Zeros plötzlich so liebevollen Worten zu sein, doch dann lächelte er.

„Es ist unfair.“ Er senkte den Blick und eine Spur Wehmut schlich sich auf das blasse Gesicht. „Ich will dich nicht schon wieder verlieren.“

Der schwarzhaarige Vampir schwieg und senkte kurz den Blick, diese Sekunde nutzte Toshiya, um einen Wunsch zu äußern, der ihm schon lange auf der Seele brannte.

„Zero?“ Auf diese kaum hörbare Frage erhielt Toshiya ein leises „Hm?“, als Antwort. Er nahm einen tiefen Atemzug und sah Zero fest in die Augen.

„Darf ich dich küssen? Nur ein einziges Mal. Ich würde gern wissen, wie es ist, dich zu küssen, ohne dass direkt danach etwas Schmerzhaftes passiert.“

Anstatt zu antworten, schwieg Zero nur, er senkte kurz den Blick, wandte sich dann jedoch wieder seinem Gegenüber zu. Ohne ein weiteres Wort legte Zero seine Hand in Toshiyas Nacken und zog ihn zu sich hinunter. Er legte seine Lippen sanft auf die des Größeren, dem sofort die Augen zu fielen. Toshiyas rechte Hand verfing sich in Zeros Locken, die andere ruhte auf seiner Gesichtshälfte.

Während die zwei Vampire in ihrem ersten wirklichen und gleichzeitig auch letzten Kuss versunken waren, fielen draußen lautlos vereinzelte Schneeflocken auf die schmutzige Straße...
 


 

Karyu
 

Der Blonde saß auf der Fensterbank im Wohnzimmer und war dabei, gedanklichen Kontakt zu Hizumi aufzubauen. Von Tsukasas Anwesenheit ließ er sich herzlich wenig stören.

Der ehemalige Vampirjäger lag bäuchlings auf dem Sofa und sah aus dem Fenster. Er war ungewöhnlich still und wirkte noch blasser als sonst. Ab und zu warf er Karyu einen skeptischen Blick zu.

Nach einiger Zeit regte sich der Größere.

„Gut, ich würde sagen in einer Viertelstunde geht’s los. Hizumi und Saga sind fertig, sie werden sich am Flughafen mit uns treffen. Genau wie Zero und Toshiya.“ Karyu gähnte herzhaft. Die Nacht über hatte er kein Auge zugetan, da es seine Aufgabe gewesen war, einige Dinge zu klären, bevor er den Rest des Clans durch seine Abwesenheit erfreuen würde. „Hast du alles gepackt? Blutkonserven, Zahnbürste, Sarg?“, fragte Karyu trocken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

Ruckartig setzte sich Tsukasa auf.

„Sag mal bist du wirklich so bescheuert, oder bilde ich mir das nur ein? Wenn ich richtig informiert bin, kann es sein, dass wir den heutigen Tag nicht überleben. Wie zur Hölle kannst du da noch fähig sein, deine dämlichen Sprüche zu reißen!“, platzte er heraus und durchlöcherte Karyu mit bösen Blicken.

Der Vampir zuckte nur unbeeindruckt die Schultern.

„Du hast mir eben nicht zugehört. Ich hab dir schon mehrmals erklärt, dass es soweit nicht kommen wird. Keiner wird verletzt werden, geschweige denn sterben, okay? Ist dein hübsches Köpfchen fähig genug, um diese Information aufzunehmen und abzuspeichern?“ Karyu erhob sich und ging in die Küche. Bevor Tsukasa reagieren konnte, prallte ein mit Blut gefüllter Plastikbeutel gegen seine Stirn und landete mit einem leisen Pflapp auf dem Teppichboden.

„Und hör auf mich ständig mit diesem Scheiß zu bewerfen!“, fauchte Tsukasa aufgebracht.

„Meine Güte. Wenn du 'ne Frau wärst, könnte man meinen, dass du dauerhaft deine Tage hast. Trink was, vielleicht bist du dann umgänglicher. Wobei, warte... Auch, wenn du satt bist, bist du unausstehlich. Wie konnte mir das nur entfallen? Ich Dummerchen!“, säuselte es aus der Küche.

Tsukasa gab ein leises Knurren von sich und griff nach der Blutkonserve. Mit einem Ruck riss er sie auf und nahm den kompletten Inhalt auf Ex.

„Zehn Minuten noch, Tsukasa. Wenn du irgendwas mitnehmen willst, dann pack's jetzt ein, ich werde nicht auf halben Weg wieder umdrehen, weil du dein Handy vergessen hast, oder aufs Klo musst!“

„Karyu! Kannst du nicht einmal den Mund halten? Nur ein einziges Mal? Nur fünf Minuten!?“

„Lass mich kurz überlegen...“ Karyus Kopf schob sich langsam durch die halbgeöffnete Küchentür. „Nein, tut mir Leid. Kann ich nicht...“
 


 

Flughafen Tokyo, Terminal II, 11.25 Uhr...
 

Unruhig scharrte ein paar schwarzer Converse Allstars über den Asphalt. Hizumi stand, die Arme fest verschränkt, vor dem Terminal und starrte auf die überfüllte Zufahrtsstraße des Flughafens.

„Sind wir zu früh?“, fragte Saga leise.

Der Kleinere schüttelte den Kopf.

„Eigentlich sind wir genau pünktlich. Die andern sind mal wieder zu spät.“, nuschelte er und trat nun nervös von einem Bein auf das andere. Eine Zeit lang ließ Saga sich Hizumis hektisches Verhalten gefallen, doch dann fasste er den Braunhaarigen sanft am Arm.

„Du machst mich nervös.“

„Oh... Entschuldige.“ Hizumi seufzte tief und gab sich nun damit zufrieden, auf den nassen Asphalt zu starren. Er zuckte leicht zusammen, als sich zwei Arme um seine Taille legten. Hizumi blickte kurz in Sagas angespannt lächelndes Gesicht, legte dann seine Stirn gegen die Schulter des Größeren und schloss für einen Moment die Augen. Eine sanfte Welle der Erleichterung durchströmte ihn. Besagte verflüchtigte sich jedoch augenblicklich, als neben ihnen ein schwarzer Landrover zum stehen kam.

Das Schlagen von Autotüren brachte Hizumi endgültig aus der Ruhe und er löste sich von Saga.

Zeros leise Schritte gingen vollkommen in hektischen Getümmel des Flughafens unter. Er ging langsam und geschmeidig wie immer und wieder einmal erinnerte er Hizumi eher an ein Raubtier als an etwas menschliches. Toshiya folgte ihm mit einigen Metern Abstand und schien jetzt schon kurz vor dem Nervenzusammenbruch zu stehen.

Die Nachhut bildeten Karyu und Tsukasa.

Hizumi konnte förmlich spüren, dass Sagas Blick auf Tsukasa haftete, doch keiner der beiden Brüder sprach ein Wort. Es herrschte eine eisige Stille zwischen den Fronten.

Zero kam als erster vor den Wartenden zum Stehen und begrüßte Hizumi mit einer kurzen Umarmung. Saga schenkte er nur einen flüchtigen Blick.

Noch bevor sich ein Gespräch entwickeln konnte, ging Zero wortlos in Richtung Terminal und die anderen fünf folgten ihm.

Keiner sprach ein Wort und erst, als die ungleiche Gruppe, neugierig beäugt von einigen anderen Reisenden, an der Passkontrolle ankam, erhob Zero das Wort.

„Wenn einer von euch die Russinnen sieht, dann sagt er Bescheid, okay? Sie wollten hier auf uns warten.“

Einstimmiges Nicken.

Noch während sechs Augenpaare suchend umherblickten und die Menschenmassen nach zwei russischen Topmodels abscannten, wurde Saga plötzlich unruhig. Er schlang die Arme um den Bauch und biss sich auf die Unterlippe.

„Ist alles okay?“, fragte Hizumi leise und musterte seinen Freund mit besorgter Mine.

„Ich weiß nicht genau.“ Saga atmete zittrig ein und sein Blick huschte über die vorbei hastenden Menschen. „Ich... Ich hab Hunger.“ Die pure Verzweiflung lag in Sagas Blick, als er Hizumi hilfesuchend ansah. Der schluckte und drehte sich einmal um die eigene Achse. „Verdammt nochmal, wo sind diese Schlampen?“, murmelte er aufgebracht und wandte sich wieder Saga zu, der von Sekunde zu Sekunde unruhiger zu werden schien. Prüfend blickte Hizumi ihm in die Augen und bemerkte sofort, dass die Farbe der Iris langsam aber sicher immer heller wurde.

„Zero?!“

Der Angesprochene drehte sich langsam um und hob nur fragend eine Augenbrauen.

„Wir müssen Saga hier wegbringen. Er bekommt Probleme.“, erklärte Hizumi knapp, sichtlich darum bemüht, die Fassung zu bewahren. Zero verstand die Situation sofort und schürzte die Lippen. Doch bevor er die Möglichkeit hatte, etwas zu sagen, tauchten zwei blonde Frauen aus dem Getümmel auf und gingen zielstrebig in seine Richtung.

„Sind sie das?“, fragte Toshiya leise und warf Tsukasa, der zufällig neben ihm stand, einen fragenden Blick zu. Der zuckte nur die Schultern. Immerhin war heute auch für ihn das erste Mal, dass er die beiden Frauen zu Gesicht bekam.

„Entschuldigt die Verspätung. Wir hatten da ein paar Stau-Probleme. Noch ein Grund, warum ich Tokyo nicht ab kann.“, flötete Jelena gut gelaunt zur Begrüßung.

„Ach kein Problem, wir warten gerne. Besonders mit drei Jungvampiren im Schlepptau, die hier jede Sekunde auf die Idee kommen könnten, ein paar Plätze im Flugzeug unerwartet wieder frei zu machen.“ Karyu hob eine Augenbraue und musterte Jelena abschätzend. „Überlass lieber deiner Schwester das Reden, Jelena. Sie versteht sich besser darauf als du.“ Er streckte eine Hand aus und tätschelte der Blonden kurz die Wange. Die abwertende Note in diesem Verhalten war nicht zu übersehen.

„Weißt du Karyu, eigentlich ist es eine Schande, dass sie dich exekutieren wollen.“, meldete sich nun Natalia zu Wort. „Ich kenne keinen Todgeweihten, der es schafft, dauerhaft so charmant zu sein wie du.“ Sie lächelte kühl und verbeugte sich kurz zur Begrüßung.

„Und ich kenne niemanden, der so ignorant ist wie ihr! Wenn wir nicht bald hier wegkommen, dann bekommen wir ein großes Problem!“

Ruckartig drehten sich alle Köpfe zu Hizumi, der einen zitternden Saga im Arm hielt. Hizumi blickte hilflos in die Runde und streichelte fahrig über Sagas Rücken. Die Augen des Größeren leuchteten nun in einem gelblichen Hellbraun und starrten apathisch ins Leere.

„Was ist mit ihm?“ Tsukasa machte unerwartet einige Schritte auf Saga zu.

„Er ist kurz vor'm Durchdrehen. Er ist zu jung, um so viele Menschen um sich herum ertragen zu können!“, mischte sich Karyu ein.

„Können wir bitte endlich von hier verschwinden!?“, rief Hizumi aufgebracht. Er zuckte kurz zusammen, als Sagas Lippen ein leises Knurren entkam. „Verdammte Scheiße nochmal!“

„Hizumi hat Recht. Sehen wir zu, dass wir hier wegkommen.“, sagte Karyu und begab sich ohne weitere Umschweife in Richtung der Gates, wo er ein kurzes Gespräch mit einem Wachmann führte und dann den Rest der Gruppe zu sich heranwinkte. Schweigend liefen die Vampire durch eine unscheinbare weiße Eisentür auf der ein Nur für Personal-Schild prangte. Hizumi stützte Saga so gut er konnte und bemerkte Tsukasas Blicke kaum.

Keine fünf Minuten später befand sich die Gruppe auf dem Rollfeld. Ein starker Wind kam auf und trieb dunkle Wolken vor sich her. Natalia deutete auf einen silbernen Privatjet, der etwa zweihundert Meter weiter stand.

„Das ist unserer.“, sagte sie. Für einen Moment fixierten ihre hellen Augen Karyu. Der hatte sich jedoch Hizumi zugewandt.

„Geht es ihm besser?“, fragte der Blonde und schien tatsächlich, auf seine Art und Weise, ernsthaft besorgt zu sein.

Hizumi nickte. „Ja, langsam beruhigt er sich wieder, glaube ich.“

„Du siehst verdammt fertig aus, weißt du das eigentlich?“, Karyu musterte den kleinen Braunhaarigen ernst, doch der zuckte nur die Schultern. „Momentan müssen wir alle Opfer bringen, oder?“ Mit diesen Worten wandte er sich von Karyu ab und dieser erkannte sofort, dass es sinnlos war, einen weiteren Kommunikationsversuch zu starten. Deswegen beschleunigte er seinen Gang und schloss sich den beiden Russinnen an, die die Spitze des ungewöhnlichen Trupps bildeten.

In der Mitte schritten Zero und Toshiya schweigend nebeneinander her, Tsukasa bildete das Schlusslicht und schien mit der Gesamtsituation mehr als unzufrieden zu sein. Immer wieder streifte sein Blick seinen kleinen Bruder, der mittlerweile wieder mehr oder weniger eigenständig gehen konnte, sich aber zur Sicherheit trotzdem noch von Hizumi stützen lies.

Es begann zu regnen, als Natalia als erste die Gangway des Jets bestieg, gefolgt von Jelena und den anderen.

„Setzt euch wohin ihr wollt, wir werden in spätestens zehn Minuten abheben.“, sagte sie und nahm sofort einen Fensterplatz in Beschlag.

„Ach du Schande. Kann es sein, dass ihr Russen zu viel Kohle habt?“, stellte Karyu fest, als er sich umsah. „Die erste Klasse ist ein Dreck dagegen.“ Er schnippte kurz mit dem Finger gegen einen der Straußenledersitzbezüge.

„Wir reisen nun mal viel. Glaubst du, ich habe Lust, mir auf stinknormalen Lufthansa-Flügen die Sitzreihe mit einer hysterischen Hausfrau zu teilen, die im Akkord Tabletten gegen Flugangst frisst, während einen Sitz vor mir ein Kind Gefallen daran findet, mir die Rückenlehne gegen die Schienbeine zu rammen? Nein danke! Dann doch lieber so.“ Natalia warf die Haare in den Nacken und schlug die Beine übereinander. „Hier hat man wenigstens Beinfreiheit.“, stellte sie lächelnd fest.

„Das kannst du laut sagen. Hier könntest du Walzer tanzen, ohne jemanden zu stören.“ Karyu sah sich noch einmal um und wählte dann den Platz direkt neben der hübschen Vampirin.

„Wenn Sie gestatten, meine Dame.“ Er grinste breit und warf Natalia einen eindeutigen Blick zu.

Tsukasa, der genau in dieser Sekunde den Mittelgang passierte, verdrehte genervt die Augen und ließ sich am hinteren Ende des Flugzeugs in einen der gemütlichen Sitze fallen. Missmutig starrte er hinaus in den Regen.

Nun nahmen auch die restlichen vier Platz. Toshiya saß vor Tsukasa, neben ihm Zero, der sich kaltblütig den Fensterplatz unter den Nagel gerissen hatte. Hizumi und Saga teilten sich eine weitere Sitzreihe.

Zero seufzte lautlos und schielte kurz zu Toshiya, der, weiß wie eine Wand, da saß und scheinbar das dringende Bedürfnis hatte, auf der Stelle in der Sitzpolsterung zu verschwinden.

„Toshiya? Alles ok?“, fragte Zero gedämpft. Als Antwort erhielt er ein mechanisches Nicken.

„Du siehst so blass aus.“

„Das liegt daran, dass ich tot bin.“

Zero hob irritiert die rechte Augenbraue.

„Seit wann bist du unter die Sarkasten gegangen?“

„Seitdem ich hier in diesem Flugzeug sitze!“

„Wieso? Hast du Flugangst.?“

„Weiß ich nicht. Ich bin vorher noch nie geflogen.“

Toshiya atmete tief ein und schloss kurz die Augen. Er ließ den Hinterkopf erschöpft gegen die Kopflehne fallen und starrte an die Decke. Plötzlich spürte er etwas Warmes auf seinem Handrücken und lächelte leicht, als er erkannte, dass es sich um Zeros Hand handelte.

„Ich hab Angst, Zero. Nicht nur vor dem Flug.“, murmelte Toshyia schließlich leise mit gesenktem Blick.

„Ich weiß. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich keine hätte.“

Zero blickte angestrengt aus dem Fenster und schwieg.

Währenddessen verschluckte Saga sich fast an dem Blut, das er von der einzigen anwesenden Stewardess in einem teuren Kristallglas bekommen hatte.

„Nicht so hastig.“, sagte Hizumi und grinste kurz. „Ich hab keine Lust, dass du erstickst.“

„Ich auch nicht.“ Saga wischte sich fahrig über den Mund und schloss die Augen. „Ich will nach Hause.“, sagte er matt. Das mittlerweile leere Glas stellte er vor sich auf einen kleinen Tisch.

„Frag mich mal...“

Bevor Saga etwas erwidern konnte, hallte eine Durchsage von den metallenen Flugzeugwänden wieder.

Hier spricht Ihr Kapitän. Ich freue mich, Sie hier an Bord dieser Maschine begrüßen zu dürfen. Wir werden nun zum Start ansetzen. In ungefähr sechs Stunden werden wir voraussichtlich unseren Zielflughafen in Moskau erreicht haben. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug.

Kaum waren die Worte verklungen, startete die Maschine mit einem dumpfen Brummen und überquerte das Rollfeld.

„Na dann mal los. Jetzt bin ich mal gespannt, was wirklich hinter diesen Liebesgrüßen aus Moskau steckt.“, sagte Karyu und lehnte sich breit grinsend zurück...

The Final I

und dieses mal sogar pünktlich das neuste chap!

ich glaube, dass ich gar nicht viel sagen brauche....

lest es einfach :D
 

enjoy ♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 


 

Irgendwo über dem eurasischen Kontinent, 13.49 Uhr...
 

Zero blickte aus dem Fenster und betrachtete nachdenklich die Wolkenfetzen, durch die das Flugzeug schoss. Neben ihm saß Toshiya und biss auf seiner Unterlippe herum.

Auch, wenn er anfangs sehr ängstlich gewesen war, schien er sich nun an die ungewohnte Situation im Flugzeug gewöhnt zu haben. Von Zeit zu Zeit sah er sogar interessiert aus dem Fenster. Diese Phasen hielten jedoch nur so lange an, bis Löcher in der fast geschlossenen Wolkendecke auftauchten und den Blick auf den mehrere Kilometer weit entfernten Erdboden frei gaben.

„Wo sind wir?“, fragte Toshiya und gähnte. Wenn man bedachte, dass er erst vor kurzem sein menschliches Dasein gegen ein vampirisches eingetauscht hatte, ging es ihm, sowohl physisch, als auch psychisch, erstaunlich gut. Lediglich eine bleierne Müdigkeit hatte seit einiger Stunden von ihm Besitz ergriffen.

„Irgendwo über Irkutsk, glaube ich. Keine Ahnung. Aber wir

werden noch eine Weile unterwegs sein, denke ich.“

Toshiya warf einen kurzen Blick hinaus auf die Wolken und nickte, auch, wenn er nun nicht viel

schlauer war als vorher.

Zwei Sitzreihen weiter vorne unterhielt sich Karyu mit Natalia, während Jelena zu seiner Linken ziemlich beleidigt dreinschaute. Immerhin hasste sie es, wenn ihre große Schwester mehr Aufmerksamkeit erhielt als sie.

Das monotone Surren des Flugzeugs wirkte beruhigend auf Saga, der an Hizumis Schulter eingenickt war. Sein Körper war von der Situation des „Beinahe-Kontrollverlusts“ ziemlich mitgenommen worden und er war bereits nach einer Stunde Flugzeit in einen tiefen Schlaf versunken. Zerstreut streichelte Hizumi über Sagas Haarschopf.

Unzählige Gedankenfetzen trieben durch seinen Kopf und kaum einer von ihnen wurde durch Optimismus geprägt. Hizumi versuchte die immer wieder aufkeimende Panik so gut es ging zu

unterdrücken, doch die Angst saß tief.

Tsukasa lag mehr, als dass er in seinem Sitz saß und blickte von Zeit zu Zeit finster nach vorne zu Karyu, der scheinbar bei bester Laune war und abwechselnd mit den beiden untoten Blondinen flirtete.

Dieser dumme Idiot war schuld!

Ohne ihn und sein übergroßes Ego säße jetzt keiner von ihnen in diesem dämlichen Flieger

auf dem Weg ins Ungewisse. Auf den Gedanken, dass eigentlich er der Hauptschuldige für die missliche Lage war, kam Tsukasa nicht wirklich.

Der ehemalige Vampirjäger seufzte tief und schloss die Augen. Er hatte herzlich wenig Lust, sich nun mit irgendjemandem zu unterhalten. Einige Zeit später bemerkte er im Halbschlaf etwas an seinem Arm.

„Tsukasa?“, fragte eine vertraute Stimme leise.

Mit einem Mal war Tsukasa hellwach.

„Saga?“

Er öffnete die Augen und blickte in ein schief lächelndes Gesicht, das eindeutig seinem jüngeren Bruder gehörte. Saga sah Tsukasa fragend an und setzte sich dann zögerlich neben ihn.

„Kann ich mit dir reden?“

Der Angesprochene nickte stumm und harrte der Dinge, die da kommen würden.

„Tsukasa... Ich- Ich weiß nicht, was sie da in Moskau genau von uns wollen, aber falls-“

Saga räusperte sich und senkte kurz den Blick.

„Kannst du mir verzeihen?“

Tsukasa sah seinen Bruder lange an, dann lachte er leise.

„Saga, du bist ein Idiot. Nein, eigentlich sind wir beide Idioten. Du hast viele Dinge falsch gemacht und ich wahrscheinlich noch mehr.“ Er seufzte schwer. „Wenn du es genau wissen willst. Ich war dir nie wirklich böse. Ich war, beziehungsweise bin nur enttäuscht, verzweifelt und frustriert. Und zwar darüber, wie sich alles entwickelt hat. Und hey, etwas Gutes hat es immerhin, dass ich jetzt auch ein Vampir bin. So ´ne Situation wie damals im Treppenhaus wird sich bei uns beiden nicht mehr wiederholen können.“

Tsukasa grinste schief.

„Egal was du tust... Du wirst immer mein Bruder bleiben, okay? Du weißt genau, dass ich dir eigentlich nicht böse sein kann.“

Saga nickte zögerlich.

„Es tut mir trotzdem Leid. Wer kann schon von sich behaupten, seinen eigenen Bruder umgebracht zu haben?“, sagte er und lächelte traurig.

Anstatt zu antworten beugte Tsukasa sich vor und schloss Saga fest in die Arme. „Ist gut, ja? Wir müssen halt das Beste draus machen. Ein Zurück gibt es so oder so nicht mehr.“

Der Braunhaarige nickte kurz und schmiegte sich eng an seinen Bruder.

„Ich hab dich lieb.“

Saga schlang nun seinerseits die Arme um die schmalen Schultern des anderen.

„Ich dich auch, Kleiner.“

Die Geschwister saßen noch eine Zeit lang da und ganz in Gedanken versunken, merkte Tsukasa nicht, dass es nun Karyu war, der ihm einige flüchtige Blicke zuwarf.

Auch Hizumi beobachtete die Szenerie aus sicherer Entfernung. Während er einerseits froh war, dass Saga nun eine Sorge weniger hatte, empfand er andererseits immer noch einen tief verwurzelten Hass gegen Tsukasa. Wahrscheinlich würde sich dieser Zustand nie ändern, immerhin hatte Sagas großer Bruder nicht nur versucht Hizumi umzubringen, sondern auch den kompletten Rest seines Clans ausgelöscht. Und dieses Verbrechen würde er nicht verzeihen.

Doch der junge Vampir gab sich Mühe, sich wenigstens ein bisschen zu freuen, Saga zu Liebe. Auch, wenn er Tsukasa einen baldigen und schnellen Tod an den Hals wünschte.

Doch das war wieder eine dieser Aussagen, die er lieber für sich behielt.

Der restliche Flug verlief ohne weitere Zwischenfälle und etwa eine halbe Stunde vor der Landung war der Großteil der Passagiere in einen unruhigen Halbschlaf gesunken.

Toshiya und Jelena waren die Einzigen, die nun wach waren. Toshiyas Nervosität stieg mit jeder Minute.

Weitere quälende Minuten vergingen, dann hallte ein zweites Mal an diesem Tag die Stimme des Kapitäns durch die Kabine.

“Wir werden nun zum Landeanflug ansetzen. Bitte schließen sie ihre Sicherheitsgurte. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt.“

„Halt's Maul, Arschloch.“, murmelte Hizumi, der durch die Durchsage geweckt worden war. Er rieb sich die Augen und schloss vorschriftsmäßig seinen Sicherheitsgurt.

„Weiß der Kerl eigentlich, wie zynisch sein Gelaber hier ist?“, fragte er Saga, der sich nun auch wieder -im übertragenen Sinne- im Reich der Lebenden befand. Der Größere gähnte und schüttelte den Kopf.

„Bezweifle ich doch stark. Wahrscheinlich weiß der nicht mal, dass hier eine Horde Vampire an Bord sitzt.“ Somit schloss auch Saga seinen Gurt.

Draußen, hinter den doppelten Plastikfenstern der Maschine, kam der Erdboden näher.

„Die haben hier ja Schnee!“, stellte Toshiya staunend fest. Er hatte sich halb über Zero gebeugt, um einen guten Blick aus dem Fenster haben zu können.

„Toshiya, wir sind hier in Russland. Die haben streckenweise -20°C hier. Außerdem... Seit wann kannst du aus dem Fenster gucken, ohne, dass dir schlecht wird?“

Zero hob die Augenbrauen und grinste leicht.

Toshiya schob daraufhin die Unterlippe vor und gab dem Älteren einen kurzen Knuff mit der Faust. „Ich hab halt geübt, während du geschlafen hast!“, rechtfertigte er sich und schloss mit einem leisen Klicken nun auch seinen Gurt.

Das Flugzeug kippte plötzlich merklich nach unten und setzte endgültig zur Landung an. Panisch drückte Toshiya sich mit dem Rücken in den Sitz und versuchte verzweifelt, seine Ohren zu einem Druckausgleich zu motivieren. Bevor es jedoch so weit kommen konnte, setzte das Flugzeug mit einem heftigen Ruck auf dem vereisten Boden auf.

Toshiyas Mund entkam ein überraschter Laut, doch dann atmete er erleichtert aus.

Nun kam langsam wieder etwas Leben in die Gruppe. Karyu stand als erster aus und griff nach seinem Mantel, den er unter dem Sitz verstaut hatte.

„Mädels, ihr solltet euch warm anziehen. Draußen schneit's.“, wandte er sich an die anderen, während er in aller Ruhe die Knöpfe seines knielangen schwarzen Mantels schloss. Auch Hizumi erhob sich und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster.

„Na spitze. Da draußen sind es mindestens -10°C.“, murmelte er finster und angelte blind unter seinem Sitz nach der schwarzen Bikerjacke und dem Schal. Saga tat es ihm gleich und schon bald hatten sich auch die übrigen in Jacken oder Mäntel gehüllt. Jelena und Natalia sahen in ihren dicken Pelzmänteln noch dünner aus, als sie ohnehin schon waren und Jelena verstärkte diesen Eindruck sogar noch, indem sie sich eine teuer aussehende Pelzmütze aufsetzte.

Nacheinander verließen die Flugzeuginsassen nun die Maschine und stolperten die glatte Gangway hinab. Der Wind jagte über das Rollfeld und wirbelte Schneewehen auf. Staunend ließ Toshiya den Blick über das öde Flughafengelände schweifen.

Auf dem Rollfeld war das Schneechaos dank Räumdienst überschaubar, doch dahinter türmten sich die Schneemassen. Ein paar dürre blattlose Bäume ragten neben der Landebahn in den grauen Himmel empor und wurden hilflos vom scharfen Wind hin und her gepeitscht. Hier in Russland war es, dank Zeitverschiebung nun bereits Abend und somit stockfinster, die einzigen Lichtquellen waren der Terminal und Flutlichter, die auf die Landebahn gerichtet waren.

Jenseits dieser beleuchteten Zone versank die Welt im Dunkeln.

Die Japaner fröstelten allesamt und wickelten sich tiefer in ihre Mäntel, Schals, oder was auch immer sie sonst gegen die Kälte dabei hatten. Nur den beiden Russinnen schien die beißende Winterkälte nichts auszumachen. Schweigend verließen die acht Vampire das Rollfeld und standen wenig später in einem trostlosen Terminalgebäude.

Das einzige hier an diesem Flughafen. Es war erstaunlich leer, nur einige wenige Menschen hetzten an ihnen vorbei und die großen Hallen ließen jedes Geräusch gespenstisch wiederhallen.

Immer noch sprach keiner ein Wort und einige Male warfen Tsukasa oder Toshiya staunende Blicke auf die unbekannte Umgebung und versuchten vergeblich im Stimmengewirr der Flughafenbesucher bekannte Silben zu erkennen.

Nachdem sie den Terminal durchquert hatten, fanden sie sich vor dem Gebäude wieder und hier lies sich das volle Ausmaß des russischen Winters erstmals erahnen. Rund um die freigeschaufelten Zufahrtsstraßen türmten sich meterhohe Schneewände. Wie schon in Tokyo wartete auch hier ein unauffälliger Wagen auf die Gruppe.

Mit einem erleichterten Seufzen ließ Saga sich auf den komfortablen Rücksitz des Vans fallen. Wenigstens herrschten in diesem Auto keine Minusgrade mehr! Hizumi nahm neben ihm Platz und blickte starr aus dem, von Eisblumen verschleierten, Fenster.

Es war offensichtlich, dass er Angst hatte. Saga warf seinem Freund einen kurzen Blick zu und seufzte erneut, diesmal innerlich. Er hatte auf dem langen Flug viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Irgendwann jedoch war ihm eben diese Zeit zum Verhängnis geworden, denn mit jedem weiteren Gedanken an diesen ominösen Orden und alles, was damit zusammenhing, stieg auch die Panik. Diese Tatsache war ein ausschlaggebender Grund für Saga gewesen, möglichst schnell das malträtierte Hirn abzuschalten und einzuschlafen.

Die Autofahrt verlief vollkommen still, keiner sprach auch nur ein einziges Wort und in der Luft lag eine Spannung, die förmlich spürbar war.

Nach etwa einer halben Stunde kam der Van zum Stehen und ein kurzes, kaum wahrnehmbares Zucken ging durch Toshiyas Körper. Wieder waren es Jelena und Natalia, die als erste hinaus in die kalte Winternacht traten.

Als alle anderen ihnen gefolgt waren und auf dem gefrorenen Pflaster standen, fuhr das Auto an und verschwand im Gewirr der engen Gassen. Die Vampire befanden sich nun in einem Teil Moskaus, den wahrscheinlich nie ein Tourist betreten hatte. Die Straßen waren eng und dunkel, die Häuser heruntergekommen und nur eine rostige Straßenlaterne spendete gelbliches Licht, das die Schatten noch schwärzer erschienen ließ.

„Da hinten geht’s lang.“

Jelena streckte den dürren Arm aus und deutete in eine Sackgasse.

„Gemütlich habt ihr's hier. Muss schon sagen.“, frotzelte Karyu, während er sich umsah. Jelena strafte den Blonden mit Ignoranz und stampfte entschlossen in den dunklen Schlund hinein. Die anderen folgten ihr auf dem Fuße und schließlich kamen sie vor einer mit Eisen beschlagenen Tür zum Stehen.

„Jeder, der größer ist als eins siebzig sollte den Kopf einziehen.“, sagte Natalia und warf Karyu und Toshiya einen kurzen Blick zu. „Auf den ersten paar Metern wird es eng.“

Mit einem kräftigen Ruck öffnete das zierliche Model die schwere Tür und blieb stehen, darauf wartend, dass die anderen eintraten. Mit gesenkten Köpfen betraten die Vampire den obersten Teil der Krypta. Im Innern des Ganges brannten Fackeln.

„Du meine Güte. Ich dachte ich wäre klischeegeprägt.“, murmelte Zero leise.

Überrascht drehten sich sieben Köpfe nach dem Schwarzhaarigen um, der das Schlusslicht der Schlange bildete.

Zero hob eine Augenbraue.

„Was denn? Darf ich nicht auch mal was sagen?“, fragte er patzig und verschränkte die Arme.

Ohne weitere Worte oder Zwischenfälle setzten alle ihren Weg fort, der Boden war abschüssig und in der Tat war der enge Gang ziemlich niedrig, sodass ein aufrechter Gang für

Toshiya und Karyu unmöglich war.

Hizumi dagegen hatte herzlich wenig Probleme.

Das Dämmerlicht gab nun die Sicht auf eine weitere Tür frei und auch diese wurde ohne weitere Umschweife aufgestoßen. Staunend blickte Toshiya sich um. Vor ihm erstreckte sich nun kein stinkender Gang mit zu niedriger Decke mehr. Seine Augen schweiften durch ein ziemlich großes Gewölbe. Anstatt der notorischen Kerzenleuchter sorgte hier normales elektrisches Licht für Helligkeit und auch der schwarz-weiß gekachelte Boden war weder schmutzig, noch stank er nach undefinierbaren Stoffen.

Das Gewölbe war in einer ovalen Form gehalten und an den Seiten befanden sich ein gutes Dutzend Türen.

„Gut. Wir sind da. Blake will euch in einer halben Stunde sehen. Solange bekommen jeweils zwei von euch ein Zimmer. Was ihr mit der halben Stunde die euch noch bleibt anfangt ist mir ziemlich egal, aber seht zu, dass ihr pünktlich wieder hier eintrefft, verstanden?“, stellte Natalia mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen klar.

Einstimmiges Nicken.

Die beiden Models verfrachteten die anderen jeweils in Zweiergruppen in eines der Zimmer, die

sich hinter den schweren Eichentüren verbargen.

Krachend fiel die erste Tür ins Schloss und zeitgleich ließ Karyu sich auf das dunkelrote Samtsofa fallen.

„Gut, ich nehm alles zurück. Eigentlich ist das echt geil hier. Etwas staubig und modrig, aber ansonsten... Mein missratener Halbbruder hat Geschmack, was die Einrichtung angeht.“ Er nickte anerkennend.

Tsukasa, den sich Karyu schlichtweg unter den Nagel gerissen hatte, legte behutsam seine Jacke auf einem kleinen Beistelltisch ab.

„Karyu, ich will dir nicht zu nahe treten, aber...“

Er holte tief Luft.

„Sag mal, was läuft da schief in deinem Gehirn? Was fehlt? Welches lebensnotwendige Detail fehlt dir, dass du über beschissene Möbelstücke sinnierst, während wir hier hocken wie die Schafe auf dem Weg zur Schlachtbank?!“

Wutschnaubend trat Tsukasa gegen den Beistelltisch, der mit einem lauten Knall in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes landete.

„Und was ist das hier überhaupt für eine Scheiße? Wieso steht der verkackte Tisch hier rum?!“

Karyu saß zurückgelehnt auf der Couch, die Beine übereinandergeschlagen und beobachtete interessiert den Ausraster seines Zimmerkollegen.

„Wow.“, gab er ehrlich beeindruckt von sich.

„Was willst du schon wieder?!“, fauchte der Kleinere ungehalten und warf Karyu einen bitterbösen Blick zu.

Auf Karyus ebenmäßigem Gesicht breitete sich ein unsägliches Grinsen aus. „Weißt du Tsukasa, ich glaube, wenn das hier alles vorbei ist, werde ich dich fragen, ob du mit mir ausgehen willst....“
 

Während Karyu fliegenden Gegenständen auswich, plagten Toshiya erheblich andere Sorgen. Der Junge lag ausgestreckt auf dem Boden und starrte an die Decke.

„Hier gefällt es mir nicht.“, sagte er leise und drehte den Kopf zu Zero, der am anderen Ende des Raumes stand und offensichtlich tief in Gedanken versunken war. Er blinzelte kurz und fixierte dann Toshiya, der ihn aus traurigen Augen ansah.

Zero lächelte verunglückt.

„Mir auch nicht.“

„Ich hab Angst vor dem was gleich passiert. Ich will nicht hier bleiben. Ich hab mir immer gewünscht irgendwo zugehörig zu sein. Und jetzt, wo ich meinen eigentlich Platz gefunden habe, wäre es mir lieber, dass alles wieder so wie vorher wäre.“

Er seufzte schwer und rollte sich zusammen.

„Ich will nicht hier bleiben...“

Zero schwieg eine Weile, dann senkte er kurz den Blick und setzte sich zu Toshiya auf den Boden.

„Komm her.“, sagte er leise und breitete die Arme ein Stück weit aus. Natürlich ließ Toshiya sich nicht zweimal bitten und warf sich förmlich in die Arme das Kleineren. Er schlang seinerseits die Arme um Zeros Brust und legte den Kopf an seine Schulter.

„Aber dir werden sie nichts tun, oder?“

Seine Stimme klang rau und in ihr schwang deutliche Angst mit. Das Schweigen, das daraufhin folgte, ließ diese Angst wachsen.

„Oder?!“, hakte Toshiya nach und sah Zero in die Augen.

„Ich weiß es nicht. Ich bin genau wie Karyu Clanoberhaupt und somit für das verantwortlich, was im Revier passiert. Tsukasa hat uns ganz schönen Ärger bereitet. Er hat es fast fertig gebracht, die Geheimhaltung unserer Existenz zu gefährden.“

Toshiya blieb Zero eine Antwort schuldig und ließ den Kopf zurück an Zeros Schulter sinken, vergrub das Gesicht an seinem Hals. Beide Vampire saßen schweigend und sich in den Armen haltend auf dem Boden und warteten buchstäblich auf den Anfang vom Ende...
 

Nur eine Wand entfernt saß Hizumi, den Rücken an die Wand gedrückt da und vergrub das Gesicht in den Händen. Saga stand ein wenig abseits und betrachtete ihn hilflos, fast schon verzweifelt.

„Hab ich Recht, wenn ich sage, dass alles gut wird?“, fragte er leise und empfand seine eigenen, fast geflüsterten Worte, als ohrenbetäubend laut.

Hizumi hob kurz den Blick und lächelte schief.

„Ich wünschte, es wäre so. Aber um ehrlich zu sein... Nichts ist gut. Überhaupt nichts.“ Der Kleinere atmete zittrig ein. „Ich will nicht, dass du da raus gehst.“

Saga zuckte kurz, blieb jedoch unschlüssig an seinem Platz stehen.

„Mir bleibt aber nichts anderes übrig.“

„Ich weiß.“ Hizumi schlang die Arme um den Oberkörper und bohrte die Fingernägel in seine dünnen Arme.

„Ich weiß...“
 

Quälende Minuten vergingen, dann fanden sich alle sechs Angeklagten erneut in der großen Eingangshalle wieder. Natalia und Jelena erwarteten sie freudestrahlend.

„Gut. Ich hoffe, ihr habt eure letzten Minuten genossen. Verabschiedet euch schon mal, denn die ersten werden jetzt mitkommen.“, eröffnete die ältere der beiden. Toshiya blickte ängstlich zu Zero und nahm hektisch seine Hand.

„Also, da Blake keine Lust hat sich mit euch allen gleichzeitig rumzuschlagen, sind Karyu, Toshiya und Hizumi die Ersten. Folgt mir jetzt bitte.“ Natalia hob kurz die Hand und machte eine winkende Bewegung.

Sagas Mine versteinerte bei ihren Worten und er starrte Hizumi entgeistert an.

„Das können sie nicht machen.“, wisperte er.

Anstatt verbal zu antworten, warf Hizumi seinem Freund einen Blick zu, der mehr als tausend Worte sagte. Unfähig etwas zu sagen, blieb Saga stehen und sah dem Braunhaarigen nach, der sich langsam umdrehte und in Bewegung setzte.

Toshiyas Reaktion fiel ähnlich aus, auch er versuchte sich fast schon panisch an Zero festzuhalten, doch der schob ihn sanft zur Seite.

„Geh schon. Dir wird nichts passieren.“, sagte Zero und strich dem Größeren kurz über den Handrücken.

Dann ließ er los.

„Na dann mal los. Ich kann es kaum erwarten, den kleinen Bastard nochmal live und in Farbe zu sehen.“, strahlte Karyu und erntete daraufhin mehr als vernichtende Blicke. Die drei Vampire gingen nun, angeführt von Natalia, durch eine breite Tür am nördlichen Ende der Halle. Toshiya warf einen letzten Blick zurück, bevor sich die schwere Eisentür endgültig schloss. Ein langer, dunkler Gang folgte, der dem ersten, den sie durchquert hatten, in nichts nachstand. Auch hier hatten Schimmel und Dreck die Oberhand gewonnen und Hizumi zuckte kurz zusammen, als eine Ratte seinen rechten Knöchel streifte.

„Ach, hierfür haben die Renovierungsgelder nicht mehr gereicht?

Mein Bruder braucht wirklich mal ein Finanzcoaching.“, murmelte Karyu und verzog angewidert das Gesicht.

Eine letzte Tür kam in Sicht. Natalia hämmerte gegen das rostige Metall und augenblicklich wurde geöffnet. Vor den Augen der vier lag ein dämmriger Raum. Die Wände waren vollgestopft mit Regalen, in denen sich wiederum Tonnen von Büchern türmten. Fenster gab es keine; die einzige Lichtquelle war ein antiker Kristalllüster, der leise klirrte. Die Decke war mit Stuck verziert und auf dem schwarz-weiß gekachelten Boden standen unter anderem ein wuchtiger, schwarzer Schreibtisch und ein dunkelrotes Sofa.

Auf der Tischkante saß eine recht zierliche Person mit schulterlangem, schwarzem Haar.

Als Natalia die Tür hinter sich schloss und sich der Rest der Gruppe staunend und skeptisch umsah, kam Leben in Blakes Körper und er schwang sich elegant von der Tischkante.

„Einen wunderschönen guten Abend.“, begrüßte er seine Gäste. Blake hatte eine angenehme, eigentlich sogar sehr warme und freundliche, Stimme und machte auf den ersten Blick nicht wirklich den Eindruck eines machthungrigen Psychopathen. Auch sein Äußeres wirkte erschreckend normal: Er trug eine schlichte, schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt mit irgendeinem verschnörkelten Aufdruck.

Alles in allem sah er aus wie ein ganz normaler Dreißigjähriger.

„Wie ich sehe seid ihr ja alle hocherfreut mich zu sehen.“ Blake grinste breit und erinnerte Hizumi dabei in gewisser Weise tatsächlich ein wenig an Karyu. Offenbar waren die beiden sich ähnlicher, als sie wahrhaben wollten.

„Ach, das bildest du dir ein! Wir freuen uns riesig auf unsere Hinrichtung, wirklich.“, erwiderte Karyu lächelnd

Blake hob die Augenbrauen.

„Ach Karyu. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich solche Kommentare vermisst habe.“

Blake ging nun auf die drei Japaner zu und musterte alle ausgiebig.

„So.“

Er wandte sich an Hizumi und Toshiya, die beide gleichermaßen eingeschüchtert nebeneinander standen.

„Also jetzt, da wir alle so gemütlich beieinander sind, würde ich gerne wissen, wer von euch beiden hier jetzt mein Sohn ist.“ Hizumi warf Toshiya einen flüchtigen Seitenblick zu, der daraufhin kurz die rechte Hand hob. Auf Blakes blassem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Er nahm Toshiya an der Hand und zog ihn zu sich.

„Endlich bekomme ich dich mal zu Gesicht. Es ist fast neunzehn Jahre her, seitdem ich dich das letzte Mal gesehen habe.“, sagte er und betrachtete seinen Sohn. Doch plötzlich fiel ihm etwas auf.

„Moment mal.“, murmelte er langsam und sah Toshiya prüfend in die Augen. „Du müsstest eigentlich ein Halbvampir sein, aber deine Augenfarbe verrät mir etwas anderes.“

Toshiya setzte zu einer Erklärung an, doch Blake winkte ab.

„Ach egal. Wie auch immer. Natalia? Kümmer dich um Toshiya.“ Er gab der Vampirin ein Handzeichen, die den Jungen augenblicklich am Arm packte und ihn in die entgegengesetzte Ecke des Raumes geleitete. Toshiya wusste sich nicht anders zu helfen, als Karyu einen hilfesuchenden Blick zuzuwerfen. Doch der hob nur die Hand und winkte kurz.

„Bevor ich mich Familienangelegenheiten zuwende, muss ich leider meinen Job machen. Also... wer von euch will zuerst?“

Karyu begann plötzlich schallend zu lachen. Dieses Verhalten schien Blake für den Bruchteil einer Sekunde zu irritieren, doch er fing sich augenblicklich wieder.

„Sag mal, Kleiner, hast du sie eigentlich noch alle? Hast du vergessen, wen du vor dir hast? Du willst dich nicht ernsthaft ein zweites Mal mit mir anlegen?“

Karyu ging einen Schritt auf seinen älteren Halbbruder zu und sah abschätzend auf ihn hinab.

„Wenn du auf's Maul willst, das kannst du haben.“ Karyus Lächeln ähnelte nun eher dem Zähnefletschen eines Raubtieres, doch Blake gab sich unbeeindruckt.

„Aber sicher doch. Kayru, sag mal glaubst du, ich hätte mich nicht vorbereitet, oder was? Ich rate dir, zu gehorchen, denn sonst wird hier jeder von euch verrecken. Und zwar auf grausamste Art und Weise.“

„Willst du mir drohen?“

„Ich sage dir nur, was passieren wird, wenn du dich der Obrigkeit widersetzt.“

„Dann sag ich dir mal was: Ich scheiße auf die Obrigkeit.

Blake seufzte und verdrehte genervt die Augen.

„Jaja, ist gut. Ich weiß, du warst schon immer der Punk in der Familie.“ Er lachte spöttisch, dann wandte er sich Hizumi zu. „Aber jetzt erstmal zu dir. Du weißt, warum du hier bist?“

Hizumi war vollkommen überrumpelt über die plötzliche Ansprache und nickte zögerlich.

„Ich glaube schon.“

„Du hast dich des willkürlichen Mordes an mehreren Menschen schuldig gemacht, nebenbei hast du fast dafür gesorgt, dass unsere Existenz auffliegt. Klingelt da was bei dir?“

„Ja... Ja, es stimmt, aber-“

„Kein aber, Hizumi. Ich weiß, dass du es nicht mit Absicht getan hast, du bist noch jung. Doch das ändert nichts an der Tatsache. Jede Schuld muss gesühnt werden, oder siehst du das anders?“

Der junge Vampir ließ die Schultern hängen und schüttelte resignierend den Kopf.

„Nein.“, entgegnete er kaum hörbar und senkte den Blick.

„Gut. Dann steht einer standesgemäßen Exekution ja nichts mehr im Wege!“, sagte Blake gut gelaunt und klopfte Hizumi ermunternd auf die schmale Schulter.

„Und ob da was im Weg steht.“

Karyu, den Blake in den letzten Minuten gekonnt ignoriert hatte, baute sich nun zu voller Größer hinter dem Ordensführer auf. Der drehte sich ruckartig um und funkelte den Blonden hasserfüllt an. „Karyu, ganz ehrlich, langsam fällst du mir auf die Nerven mit deiner aufmüpfigen Art.

Eigentlich wollte ich mir dich bis zum Schluss aufheben, aber daraus wird wohl nichts.“

Ohne einen weiteren Wimpernschlag zu verschwenden holte Blake aus und seine Faust traf Karyus Gesicht. Seine Fingernägel durchtrennten mühelos die blasse Haut des anderen. Überrascht betastete Karyu seine rechte Wange, starrte dann auf seine Hand, an deren Fingerspitzen Blut klebte.

„Sag mal hast du mich gerade gekratzt?“, fragte er zweifelnd.

Nun war es Blake, der lachte.

„Na was ist, wie sieht's aus mit Gegenwehr?“

„Du legst es drauf an, oder?“

„Aber sicher doch. Ich will dich bluten sehen, verstehst du?“

Karyu seufzte entnervt und sah nun zu Hizumi.

„Hizumi, geh nach da hinten.“ Er deutete in die geschützte Ecke, in der bereits Natalia und Toshiya saßen und gebannt zusahen, wie die beiden Vampire sich gegenseitig anstachelten.

„Aber-“

„Kein aber! Du bewegst deinen Arsch jetzt hier weg, hast du mich verstanden?“, herrschte Karyu den Jüngeren an. Der nickte hastig und durchquerte mit wackligen Knien den Raum. Karyu und Blake standen sich nun in der Mitte des Raums gegenüber und warfen sich Blicke zu, die jeden Sterblichen wahrscheinlich direkt ins Reich der Toten hätten befördern können.

„Na komm schon, Ladys first, Kleiner!“ Auf Karyus Worte hin entkam Blakes Kehle ein leises Knurren und er ging leicht in die Hocke, sah nun aus, wie eine Raubkatze kurz vor dem Sprung. Karyu hingegen blieb regungslos stehen, doch seine Augen fixierten jede noch so kleine Bewegung des anderen.

Blitzschnell schoss Blake nach vorne und holte aus, doch Karyus Reflexe sorgten dafür, dass die Faust des Älteren ihr Ziel verfehlte und ins Leere ging. Gebannt verfolgte Toshiya Karyus blitzschnelle Bewegungen.

„Wieso bewegt er sich so schnell?“, wisperte er leise und sah Hizumi an.

„Keine Ahnung. Jahrelanges Training, schätze ich. Aber mit der Technik hat er Blake schon letztes Mal fertig gemacht, soweit ich weiß.“, antwortete Hizumi und biss sich auf die Unterlippe. Natalia warf den beiden einen bösen Blick zu, schwieg jedoch.

„Oh Blake... Du wirst alt. Alt und langsam.“ In Karyus Stimme schwang eine Welle der Euphorie und er strich sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich aufgrund der schnellen Bewegung dorthin verirrt hatten.

Anstatt einer Antwort folgte ein Schlag mitten in Karyus Gesicht. Er keuchte erschrocken auf. Auf Blakes Gesicht breitete sich nun ein kaltes Lächeln aus.

„Du solltest nicht so viel reden, Karyu. Töne spucken bringt dich hier nämlich nicht weiter.“ Wieder machte der Vampir einen Satz nach vorne, doch dieses Mal wehrte Karyu den Schlag gekonnt ab und bohrte seine Fingernägel tief in Blakes Arm. Sofort bildeten sich dunkelrote Ringe auf dessen weißer Haut.

Nun begann Karyu damit, den Arm langsam zu verdrehen. Das Vampiroberhaupt konterte jedoch augenblicklich. Blakes freie Hand schnellte nach vorn und legte sich um Karyus Hals, dann beugte er sich blitzschnell nach vorn, den Mund weit aufgerissen, bereit zuzubeißen. Karyu reagierte sofort und schleuderte seinen Rivalen mit voller Wucht an die gegenüberliegende Wand. Die Wucht des Aufpralls war so groß, dass einige Teile des Verputzes abbröckelten und zu Boden fielen. Blake tat es ihnen gleich und saß keuchend auf dem gekachelten Fliesenboden.

Doch er schaffte es, sich erstaunlich schnell wieder aufzurichten und ging nun ohne Rücksicht auf Verluste auf seinen Bruder los. Blakes Augen hatten nun eine hellgelbe Färbung angenommen, und auch Karyus Iriden schimmerten in einem sehr hellen Bernsteinton. Der Schwarzhaarige hatte die Zähne gefletscht und verbiss sich blitzschnell in Karyus Schulter. Blakes Zähne bohrten sich bis zum Anschlag unter Karyus Schlüsselbeinknochen und entlockten somit dem Vampir ein wütendes Knurren. Erneut schleuderte er Blake von sich, die Verletzung beeinträchtigte ihn nicht weiter.

„Du willst also spielen, ja?“

Nun ging Karyu zur Offensive über. Er streckte den Arm aus und ballte die Hand zur Faust. Plötzlich veränderte sich Blakes Mine. Karyu senkte den Kopf und schloss die Augen, er riss seinen Arm senkrecht in die Höhe. Der schwarzhaarige Vampir krümmte sich vor Schmerzen.

„Was zur Hölle tut erda?“, rief Toshiya panisch und drückte sich enger gegen die Wand.

„Er kontrolliert sein Schmerzzentrum.“

Auch Hizumi starrte fassungslos auf die Szene, die sich ihm bot. Blake kniete am Boden und hielt sich keuchend den Hals. Dann entkam ein Schrei, gefolgt von einem Schwall dickflüssigen Blutes, seinem Mund. Nach einer Weile ließ Karyu die Hand sinken und betrachtete zufrieden sein Werk.

„Hast du genug?“, fragte er.

Blake gab einen Laut von sich, der zuerst nach einem Wimmern klang, dann jedoch zu einem wahnsinnigen Lachen mutierte.

„Scheiße, was wird das!?“, hallte plötzlich Hizumis Stimme durch den unterirdischen Raum. Ruckartig drehte Karyu sich um.

Vor ihm stand lächelnd Natalia, die ihm pfeilschnell einen silbernen Dolch mitten in die linke Brustseite rammte. Der Blonde sah ungläubig auf das verzierte Silbermesser, dass in seiner Brust steckte.

Langsam bildete sich ein dunkelroter Kranz um die Einstichwunde.

Der Vampir taumelte.

„Du feiges Arschloch.“, murmelte er fassungslos....
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

morddrohungen bitte per ENS ♥

The Final II

und zweiter teil des finales.

ich kann kaum fassen, dass es bald vorbei sein wird ;_;

ich hoffe sehr, dass keine fehler drin vorkommen, weil diesmal aus zeitgründen nur 2 anstatt 3 betas drübergelesen haben ö_ö

wer fehler findet, der teile mir das bitte mit^^
 

enjoy ♥
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

Blake lachte und erhob sich ohne größere Probleme. „Du bist so leichtgläubig. Dachtest du wirklich, ich würde nochmal auf deine kleinen Spielchen hereinfallen? Ich muss dich enttäuschen, Karyu.“ Er ging in aller Seelenruhe zu Karyu und zog ihm mit einem Ruck das Messer aus der Brust. Der Größere stöhnte vor Schmerz leise auf und presste die Hand gegen die Wunde.

„Du mieses Stück Scheiße!“

Noch bevor er reagieren konnte, hatte Blake eine Faust im Gesicht. Schräg hinter Karyu stand Hizumi, der ihn wutentbrannt und mit gefletschten Zähnen anstarrte.

„Karyu hatte Recht, du bist nichts weiter, als ein mieser, feiger Bastard!“, schrie Hizumi. Er holte zu einem weiteren Schlag aus.

„Hey. Seit wann interessierst du dich denn wieder für mich?“ Karyus Stimme klang rau, doch er lächelte.

„Halt den Mund!“

Nun mischte sich Blake ein.

„Ach Gottchen, wie rührend. Der verlorene Sohn ist zurückgekehrt? Wunderschön, findest du nicht auch, Natalia?“

Das helle Lachen der Russin hallte an der gewölbten Decke wieder und verlor sich irgendwo in der Dunkelheit der Katakomben. Dann verdrängte jedoch ein ohrenbetäubendes Krachen die melodischen Töne. Alle Augen wandten sich zur Tür, oder vielmehr, zu einer Öffnung in der Wand, die einmal eine Tür beinhaltet hatte. Besagte Tür lag nun auf dem Boden. Im Türrahmen stand eine blasse Gestalt mit langen, lockigen Haaren. Hände und Gesicht waren blutverschmiert.

„Zero?“ Hizumi blinzelte ungläubig. Auch Karyu, der mittlerweile in die Knie gegangen war und am Boden kauerte, sah auf.

„Hey man. Schön dich zu sehen. Ehrlich jetzt mal!“ Er grinste schief, musste dann jedoch heftig husten. Blake, der eigentlich gerade ausgeholt hatte, um auch Hizumi in ungeahnte Sphären des Schmerzes zu befördern, widmete seine Aufmerksamkeit nun dem zweiten Clanoberhaupt.

„Hab ich nicht gesagt, dass ihr draußen warten sollt?“ Blake klang weniger beeindruckt, als genervt.

„Ach, halt's Maul, okay?!“, blaffte Zero. Dann fiel sein Blick auf Karyu. „Ach du Scheiße.“ Mit wenigen Schritten war er bei dem Verletzen und schubste Blake unsanft zur Seite. Der stolperte, fing sich jedoch wieder und war sprachlos über so viel Respektlosigkeit. Das interessierte Zero momentan jedoch herzlich wenig. Er kniete sich neben Karyu.

„Was haben sie mit dir gemacht?“ Mit sanfter Gewalt zog er Karyus Hand von der blutenden Wunde und begutachtete den Schaden.

„Diese feige Sau hat tatsächlich ein Mädchen damit beauftragt, mich abzustechen. Kannst du dir das vorstellen?“ Karyu hustete erneut und ein dünnes Blutrinnsal fand den Weg von seiner Unterlippe hinab bis zum Kinn. Der Vampir atmete schwer, die hellen Augen blickten nun ausdruckslos ins Leere.

„Karyu! Wach bleiben, hörst du mich?“ Zero rüttelte an Karyus Schultern. „Okay. Gut. Dann leg dich erstmal hin.“ Vorsichtig verfrachtete Zero den Verwundeten in eine liegende Position. „Hizumi. Kümmer dich um ihn!“, befahl der Schwarzhaarige und erhob sich.

„Wo sind die anderen beiden?!“, fragte Hizumi, der sich hastig neben Karyu kniete.

„In Sicherheit.“, war die knappe Antwort.

„Seid ihr fertig?“, unterbrach Blake gelangweilt das Gespräch. Er stand mit verschränkten Armen nur ein paar Schritte von Zero entfernt. Der ignorierte jedoch das Vampiroberhaupt und drehte sich zu Natalia um, die schräg hinter Karyu stand. Der Vampir überwand die wenigen Meter an Distanz, die ihn und Natalia voneinander trennten und stellte sich nah vor sie. Ohne ein Wort holte er aus und schlug ihr mit der geballten Faust ins Gesicht. Das Model taumelte.

Zero schlug ein zweites Mal zu. Er nutzte Natalias Verwirrung aus, um nach dem Dolch zu greifen, der direkt neben ihm auf dem Boden lag. In aller Seelenruhe packte er Natalia am Hals und hob sie ohne Anstrengung in die Luft.

Das Mädchen wimmerte leise, wehrte sich jedoch nicht. Zero hob das Messer und ließ die Klinge langsam über das hübsche Gesicht streichen.

Dann stach er zu.

Natalias rosigen Lippen entkam ein markerschütternder Schrei, der eher aus der Kehle eines misshandelten Tieres hatte stammen könnte, als aus der eines menschlichen Wesens. Der Vampir ließ sich nicht beirren und begann ohne ein Wort damit, Natalias Gesicht mit tiefen Schnitten zu schmücken. Schon bald schimmerte die blasse Haut dunkelrot.

Die Klinge hatte sich nun ihren Weg zu den hellen Augen der Russin gebahnt. Zero zögerte einen Augenblick und schien darüber zu sinnieren, welches Auge er als erstes ausstechen sollte.

Er entschied sich für das rechte.

Dann ließ er sein Opfer achtlos auf den Boden fallen. Natalia presste sich wimmernd und schluchzen die Hände vor das blutüberströmte Gesicht und rollte sich zusammen. Außer Toshiya schenkte ihr niemand Beachtung.

Der Junge jedoch hatte sich, vollkommen verängstigt hinter dem Sofa zusammengekauert und konnte nicht fassen, dass es Zero war, der dieser Frau, ohne mit der Wimper zu zucken, solche Grausamkeiten antun konnte.

Blake stand immer noch ungerührt am gleichen Fleck.

„Bist du fertig?“

Zero wischte sich die Hände an der Hose ab und warf den Dolch weg.

„Mit ihr schon, mit dir noch lange nicht.“

Blake zuckte die Schultern. „Ok, wenn du unbedingt so enden willst wie Karyu, bitteschön.“

„Ach, hast du noch mehr Arschkriecher, die mit Brotmessern aus Ecken gesprungen kommen, um deine übermächtigen Feinde abzustechen?“

„Nein. Aber bei dir sind die auch nicht nötig.“

Blake schloss die Augen und plötzlich ging ein Ruck durch Zeros Körper. Der Vampir stieß einen Schrei aus und hielt sich den Bauch. Langsam zeichnete sich ein dunkler Streifen auf dem schwarzen Stoff seines Oberteils ab. Entsetzt musste Toshiya mit ansehen, wie Blake eine weitere

Kampftechnik gebrauchte.

Gedankenkontrolle in ihrer tödlichsten Form.

Diese Technik erfordert ein unglaubliches Pensum an Macht und Übung, doch beherrscht man sie, ist man fähig, die Nervenzellen schwächerer Gegner, sowie das Schmerzzentrum im Gehirn zu kontrollieren. Somit ist es möglich, dem Körper von sich aus und nur durch gedankliche Kraft,  tiefe bis tödliche Wunden zuzufügen.

Weitere Schnitte folgten, doch Zero hielt sich trotz allem auf den Beinen und ging zum Angriff über. Doch Blake wehrte sämtliche Schläge, Bisse und Tritte gekonnt ab, ohne derweil den Gedankenkontakt zu Zero zu unterbrechen.

Der war mittlerweile sichtlich angeschlagen und hielt sich nur noch mit Mühe auf den Beinen.

„Hört auf!“ Toshiya schrie und seine Stimme zitterte, genau wie der Rest seines dünnen Körpers.

Der Schrei seines Sohnes lies Blake aufsehen.

„Halt dich da raus, Toshiya!“

„Nein, das werde ich nicht! Lass die Finger von Zero!“

Wütend und voller Entschlossenheit ging der Junge auf Blake zu. Der lächelte nur müde.

„Toshiya, bitte.“

Doch Toshiya blieb stur und stellte sich schützend vor Zero. Die Panik war mittlerweile in blanken

Hass umgeschlagen. Ein helles Augenpaar durchbohrte Blake förmlich.

„Oh nein, jetzt sag mir bitte nicht, dass du etwas für ihn empfindest!“

„Doch, das tue ich! Und du lässt ihn in Ruhe, hast du mich verstanden? Du bist ein Monster!“ Toshiyas Stimme überschlug sich und er schüttelte Zeros Hand ab, die sich beruhigend auf seine Schulter legte. Währenddessen gab sich Blake herzlich unbeeindruckt.

„Ach, du etwa nicht? Vergiss nicht, dass du mein Sohn bist.“

„Ich habe wenigstens keinen Spaß daran, zu töten!“

„Toshiya, tut mir Leid, wir reden später weiter. Momentan störst du.“ Blake hob die Hand und machte eine kurze, schnelle Geste. Toshiya riss es von den Füßen und er knallte mit dem Rücken voran gegen die Wand. Ein überraschter Laut entkam seinen Lippen, dann blieb er reglos liegen.

„Also, wo waren wir? Ach genau.“

Erneut schloss der Vampir die Augen. Daraufhin schrie Zero heiser auf. Er fiel zu Boden und presste die Hände gegen den Kopf.

„Mal sehen wie lange es dauert, bis ich deinen Kopf dazu animiert habe, sich selbst zum Platzen zu bringen.“, säuselte Blake lächelnd. Ein tiefes Knurren ließ ihn herumfahren. Hinter ihm stand Toshiya in geduckter Haltung. Irritiert musterte der Clanführer seinen Sohn.

Toshiyas Gesichtszüge hatten sich verändert.

Die weichen, fast schon weiblichen Lippen waren fest aufeinander gepresst, die sanften Züge des Jungen wirkten härter, doch die größte Veränderung hatten die ehemals caramelfarbenen Augen durchgemacht. Toshiyas Pupillen waren so hell, dass sie aus der Ferne weiß erschienen, nur bei genauem Hinsehen erkannte man einen kleinen Gelbstich.

Vater und Sohn standen sich nun gegenüber.

Dann entkam Toshiyas Kehle erneut ein Knurren und er fletschte die Zähne. Blakes Augen weiteten sich, als er feststellte, dass nun nicht mehr nur Toshiyas Eckzähne übermäßig ausgeprägt waren. Den Mund des Vampirs füllten zwei Reihen spitz zulaufender, messerscharfer Zähne.

Bevor Blake reagieren konnte, hatte Toshiya zum Sprung angesetzt und verbiss sich augenblicklich im Hals seines Vaters. Blake stieß einen kurzen Schrei aus, jedoch resultierte dieser mehr aus Überraschung, als aus wirklichem Schmerz. Er stieß Toshiya von sich. Kaum hatte der junge Vampir den Boden berührt, stieß er sich schon wieder ab und ging ein weiteres Mal auf seinen Gegner los.

Erneut verbiss er sich in der Kehle seines Opfers.

Zero, der am Boden kniete, beobachtete den ungleichen Kampf, hin und her gerissen zwischen Faszination und Fassungslosigkeit.

Mit einem Ruck riss Toshiya den Kopf zurück und wieder hallte ein gellender Schrei durch die Nacht.

Blake presste sich die Hände gegen die Kehle. Ohne zu zögern spuckte Toshiya den breiten Hautfetzen, der einst Blakes Luft- und Speiseröhre bedeckt hatte, auf den Boden und ging zum Angriff über.

Unter Zeros entsetzten Blicken begann Toshiya nun Stück für Stück seinen vollkommen überrumpelten Vater buchstäblich auseinander zu nehmen. Blake hatte kaum Zeit zur Gegenwehr und wenn er dazu kam, dann brachte sie ihm nichts weiter, als eine kurze Verzögerung des Unvermeidlichen. Nach einer gefühlten Ewigkeit ging Blake zu Boden, doch Toshiya lies nicht von ihm ab.

Im Gegenteil.

Die Hand des Jungen griff nach dem Dolch und augenblicklich begann er damit, Blakes Bauch aufzuschneiden. Ein heftiges Zucken durchlief Blakes geschwächten Körper, doch kein Ton entkam seinem Mund. Zero wandte den Blick ab, als Toshiya das Messer mit einem Ruck nach oben zog, seinem Opfer somit einen Schnitt von beträchtlicher Länge und Tiefe zufügte.

Ein widerliches Knacken ertönte, als Toshiya Blakes Rippen auseinander schob und mit der bloßen Hand nach dem leblosen Herzen griff. Mit einer schnellen Handbewegung riss er das Organ aus dem toten Körper und warf es achtlos hinter sich.

Dann begann er zu fressen.

Während der ganzen Zeit hatte Hizumi vollkommen erstarrt auf dem Boden gesessen. Er hatte Karyus Kopf auf seinen Schoß gelegt, um zu verhindern, dass er sich an seinem eigenen Blut verschluckte. Nun fixierte sein Blick Toshiya, oder vielmehr das Wesen, das irgendwann, in einer anderen Zeit einmal, Toshiya gewesen war.

„Zero. Tu was verdammt nochmal. Er frisst ihn auf!“, wisperte Hizumi mit zitternder Stimme, den Blick immer noch an Toshiya und den toten Blake geheftet.

Zero zögerte einen Augenblick, dann erhob er sich, schwankte kurz und ging langsam auf Toshiya zu.

„Toshiya?“, fragte er leise. Seine Stimme klang in dem nun vollkommen stillen Raum unfassbar laut.

Ruckartig drehte der am Boden Sitzende sich um und sah Zero aus weißlichen Pupillen an. Zero zuckte augenblicklich zurück, als Toshiya sich erhob. Die aufkeimende Angst war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.

Der schwarzhaarige Vampir hob nun beschwichtigend die Hände

„Bleib ruhig, Toshiya. Ich bin's, Zero.“ Zero bemühte sich, so ruhig und gelassen wie möglich zu klingen, doch seine Stimme bebte, als er sprach. „Du musst dich jetzt beruhigen, okay? Du bist gerade nicht du selbst.“

Toshiya blieb stehen und musterte Zero mit leerem Blick. Dann machte er einen Schritt nach vorn. Zero musste den Impuls unterdrücken, zurückzuweichen. Er blieb stehen und streckte die Hand aus.

„Komm her. Es wird alles wieder gut, okay?“

Der junge Vampir betrachtete Zeros Hand.

Dann knurrte er wütend und seine Fingernägel fanden zielstrebig Zeros Gesicht. Die Kratzer waren

nicht sonderlich tief, bluteten und brannten deswegen jedoch nicht minder. Als Toshiyas Kratzattacke ihn traf, entkam Zero ein kurzer, überraschter Schrei. Der Kleinere presste sich die Hand gegen das linke Auge und verharrte reglos auf der Stelle. Es war ihm anzusehen, dass er sich nur noch mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Blakes Angriffe und die Angst um Toshiya und Karyu hatten ihn merklich geschwächt.

In Blakes Empfangszimmer war es nun totenstill.

Langsam ließ Zero seine zitternde Hand sinken und plötzlich ertönte eine ihm vertraute Stimme.

„Zero?“ Toshiyas Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. Er stolperte einige Schritte auf Zero zu.

„Was ist mit dir?“, fragte er ängstlich.

Der Schwarzhaarige lächelte schief.

„Schon gut, nicht der Rede wert. Alles okay.“

Toshiyas Pupillen hatten nun ihre hellbraune Farbe wiedererlangt und in ihnen stand die nackte Panik geschrieben. Er sah sich hastig um.

„Was zum Teufel ist hier passiert?“

Toshiyas Blick haftete an Hizumi, der den leblosen Karyu im Arm hielt und leise mit ihm sprach, die Anderen dabei jedoch vollkommen ausgeblendet zu haben schien. Dann jedoch machte Toshiya einen Fehler.

Er drehte sich um und hatte somit die beste Sicht auf Blakes verstümmelte Leiche.

Sämtliche Farbe wich aus Toshiyas Gesicht und er taumelte vollkommen überwältigt nach hinten, stieß dort fast gegen Zero.

„Oh Gott.“, war das einzige, das Toshiyas Mund verließ.

„Sieh nicht hin.“ Zero packte Toshiya sanft an der Schulter und drehte ihn herum. Ohne weitere

Worte zog er ihn in seine Arme und streichelte seinen Rücken.

„Sieh einfach nicht hin.“
 

Hizumi bemerkte kaum, was wirklich geschehen war, so sehr war er auf Karyu fixiert. Er nahm nur am Rand war, dass irgendwann, nach einer gefühlten Unendlichkeit, Tsukasa und Saga in den Raum gestürmt kamen und etwas unverständliches riefen. Auch Toshiyas Nervenzusammenbruch und Zeros Versuche ihn zu beruhigen bekam der Vampir nicht mit.

Das einzige, das nun für ihn zählte war Karyu, der aus halb geschlossenen Lidern ins Leere starrte.

Vollkommen überfordert saß Hizumi nun einfach nur da und hielt den leblosen Körper im Arm.

Zeros Stimme erlöste ihn.

„Hizumi, lass mich mal hierhin.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, schob Zero den jungen Vampir zur Seite und besah sich Karyu näher.

„Karyu? Hey genug geschlafen! Wach auf!“ Er rüttelte den Größeren unsanft, doch der regte sich nicht. Zero schluckte.

„Verarsch mich nicht, okay?“

Als Karyu erneut keine Reaktion zeigte, erhob sich Zero und wandte sich an Hizumi, der vollkommen apathisch auf dem Boden hockte und ins Nichts starrte.

„Du bleibst bei ihm, ich hole jemanden, der sich mit solchen Wunden auskennt.“ Mit diesen Worten

verschwand Zero.

Im Raum herrschte nun im wahrsten Sinne des Wortes Totenstille. Dem Betrachter bot sich ein bizarres Szenario.

In der Mitte des Zimmers, in einem See aus Blut und Organresten, lag Blakes toter Körper. Nur einen Meter entfernt stand Toshiya, der von Tsukasa und Saga so gut es ging auf den Beinen und bei Bewusstsein gehalten wurde. Etwas abseits kniete Hizumi, der immer noch leise mit Karyu sprach, ohne jedoch auch nur den Ansatz einer Antwort zu bekommen, während irgendwo in der Zimmerecke die sterbende Natalia leise schluchzte und ihre geraubte Schönheit betrauerte.

Keiner drehte sich um, als Zero, mit einem unbekannten Vampir im Schlepptau, das Zimmer betrat.

Offensichtlich war die andere Person nicht auf freiwilliger Basis hier. Beide Vampire gingen nun auf Hizumi und Karyu zu, der Fremde beugte sich hinunter und begann damit, Karyu zu untersuchen.

„Er ist schwer verwundet. Momentan ist er bewusstlos, aber noch nicht komplett tot. Ich habe um ehrlich zu sein keine Ahnung, ob er das hier überleben wird. Es sieht schlecht aus. Das Messer hat soweit ich das hier sehen kann, sein Herz gestreift.“, diagnostizierte der herbeigerufenen Heiler.

„Er hat viel Blut verloren. Das ist das, was er jetzt als erstes braucht.“

Zero nickte und sah sich suchend im Raum um. Sein Blick fiel auf den, in dieser Nacht schon so oft zum Einsatz gekommenen Dolch, der neben Blakes Leiche lag. Er machte Anstalten ihn zu holen, wurde jedoch von Hizumi zurückgehalten.

„Nein. Ich mache es. Du bist selbst verletzt.“, murmelte er tonlos.

Bevor Zero widersprechen konnte, hatte Hizumi sich aufgerappelt und wankte in Richtung Blake. Er hob das Messer auf und schnitt sich ohne weiter darüber nachzudenken die Pulsader der rechten Hand auf.

„Hizumi! Bist du bescheuert?! Das ist Silber, verdammt!“, brüllte Zero. Er machte einen Satz nach vorn und schlug Hizumi die Waffe auf der Hand. Mit einem hellen Klirren landete sie auf dem blutverschmierten Boden. Hizumi reagierte nicht, sondern ging wieder neben Karyu in die Knie. Er legte sein stark blutendes Handgelenk an Karyus Mund. Zero, der hinter ihm stand, schüttelte nur seufzend den Kopf und wandte sich nun Toshiya und den anderen zu.

Saga streichelte vorsichtig über Toshiyas Rücken, während Tsukasa versuchte, ihm das Prinzip des Kontrollverlustes zu erklären. Zero konnte nicht umhin, den Kopf zu schütteln.

Verkehrte Welt.

Toshiya, die Gutmütigkeit in Person, hatte seinen eigenen Vater getötet, Karyu, der mächtigste Vampir in diesen Hallen, lag im Sterben, während Tsukasa, der eingefleischte Vampirhasser und ehemaliger Jäger, darauf bestand, dass Toshiyas Ausraster ein unvermeidbares Versehen gewesen sei.

Zero beauftragte Tsukasa und Saga damit, Toshiya so gut es ging zu beruhigen und ihn so weit wie möglich vom Ort des Geschehens weg zu bringen. Er musste einen Großteil seiner verbliebenen Kraft aufwenden, um Hizumi von Karyus Seite zu entfernen und es kostete ihn eine Menge Überredungskunst, bis er den Jungen dazu bewegen konnte, mit den anderen zusammen den Raum zu verlassen. Doch schließlich blieb Zero alleine mit Karyu zurück.

„Karyu, du mieser Bastard! Jetzt hör mir mal zu! Du kannst mich jetzt nicht alleine in dieser Scheiße sitzen lassen, hast du kapiert? Das kannst du nicht bringen.“, murmelte Zero aufgebracht, während er den wesentlich größeren Vampir mit letzter Kraft auf seine Schultern hievte.

Anstatt einer gewohnt sarkastischen Antwort folgte ein nervenzerfressendes Schweigen.

Zero seufzte und machte sich daran, nun auch Karyu nach draußen zu schleppen. Diese Aktion nahm jedoch einige Zeit in Anspruch, da auch Zero Verletzungen aufwies und fast am Ende seiner Kräfte war.

Er schleifte Karyu hinaus in die Halle, in der bereits Tsukasa stand und offenbar lautstark mit Jelena diskutierte.

„...willst da überhaupt nicht rein! Glaub mir! Du willst da nicht rein!“, waren die ersten Worte, die Zero hörte, als er das riesige Gewölbe betrat.

„Du lässt mich jetzt vorbei, oder ich werde-“ Jelena stockte.

Ihr Blick fiel auf Zero und Karyus Körper, der reglos über dessen Schulter hing.

„Was ist da passiert? Wo ist meine Schwester!?“, schrie Jelena plötzlich und Hysterie mischte sich in ihre Stimme.

„Deine Schwester verreckt gerade. Genau so, wie Blake es schon vor einer Viertelstunde getan hat.“, warf Zero trocken in den Raum. Tsukasa klappte der Mund auf. Er konnte sich nur knapp auf den Beinen halten, als Jelena ihn zur Seite stieß und an Zero vorbei ins Empfangszimmer rannte. Nur wenig später ertönte ein spitzer Schrei, dann einige panische Sätze auf Russisch.

„Wir müssen hier weg. Noch ist es ruhig hier, aber sobald der Rest des Ordens mitbekommt, was passiert ist, können wir einpacken. Und zwar alle.“, sagte Zero an Tsukasa gewandt. Der nickte und warf Karyu einen skeptischen Blick zu.

„Wird er das überleben?“

„Keine Ahnung.“

Tsukasa nickte zögerlich.

„Soll ich die anderen holen gehen?“, fragte er. Zeros Antwort bestand aus einem Nicken. Ohne weitere Umschweife verschwand Tsukasa in einem der Zimmer, in dem sich Toshiya und Saga verbarrikadiert hatten. Toshiya lag eingerollt auf dem Boden und schien nicht ansprechbar zu sein. Hizumi saß zusammengesunken auf dem Sofa und ließ den Kopf hängen.

„Wir müssen hier weg. Zero wartet draußen auf uns.“, erklärte Tsukasa kurz. Saga, der neben Toshiya am Boden saß, verstand sofort und rüttelte den Jungen sachte an der Schulter.

„Toshiya. Du musst jetzt aufstehen. Wir werden jetzt von hier weggehen, verstehst du? Zero wartet auf dich.“

Toshiya blieb stumm, richtete sich jedoch langsam und umständlich auf. Saga tat es ihm gleich und beide folgten Tsukasa, zusammen mit Hizumi, zurück nach draußen.

„Hizumi. Würdest du dich bitte um Karyu kümmern? Nur kurz, okay?“ Zero warf Hizumi einen

bittenden Blick zu; er wusste immerhin, was er dem Jüngeren damit abverlangte. Doch Hizumi nickte sofort und war innerhalb weniger Sekunden bei Zero, um ihm Karyu abzunehmen. Er legte den schlanken Körper vorsichtig auf den Boden.

Zero begab sich in der Zwischenzeit zu Toshiya, der verloren mitten im Raum stand und geistesabwesend vor sich hin blinzelte.

„Toshiya? Alles in Ordnung? Bist du verletzt?“ Zero strich dem Größeren zärtlich über die blutverschmierte Wange. Toshiya schüttelte nur müde den Kopf.

„Meinst du, du schaffst es bis nach draußen?“

Zero erstarrte, als Toshiya ein weiteres Mal den Kopf schüttelte.

„Wieso nicht?“

„Ich werde nicht mitkommen.“

Toshiyas Stimme war nichts weiter als ein heiseres Flüstern. Er hielt den Blick gesenkt, während er sprach.

„Was meinst du damit?“, hakte Zero sichtlich schockiert nach.

„Ich habe jemanden getötet. Ich habe meinen eigenen Vater umgebracht! Ich bin ein Monster!“ Eine einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über Toshiyas Wange und hinterließ einen hellen Streifen in der dunkelroten Blutkruste.

„Du konntest nichts dafür. Du hast die Kontrolle verloren, nichts weiter.“

Nichts weiter!? Ich habe ihn auseinandergenommen! Was, wenn mir so etwas nochmal passiert? Wenn ich wieder töte? Ich will nicht ständig mit der Angst leben müssen, möglicherweise wieder jemanden umzubringen. Beim nächsten Mal ist es vielleicht jemand, der mir näher steht.“ Toshiya wischte sich fahrig über die Augen und schluchzte leise. Zwei blasse Hände legten sich auf seine Schultern.

„Ich weiß, dass du Angst hast. Ich kann es nachvollziehen. Aber trotzdem. Ich bitte dich, jetzt mit mir zu kommen, okay? Wir fliegen heute noch nach Hause und da können wir alles andere besprechen.“ Zum ersten Mal seit Jahrhunderten zeigte Zero wirkliche Emotionen. Momentan war es pure Verzweiflung, die ihn zu beherrschen schien.

„Toshiya, bitte. Komm jetzt mit, ja?“

Er erntete ein Kopfschütteln.

„Die bringen dich um, wenn sie dich hier finden!“ Zero rüttelte kurz, aber heftig an Toshiyas

schmalen Schultern. Doch der Jüngere schüttelte nur ein weiteres Mal den Kopf.

„Sollen sie doch. Ich hab's nicht anders verdient.“

„Jetzt red nicht so eine Scheiße!“

Bevor Zero seinen Satz beenden konnte, hallte das Geräusch von Stimmen durch den Gewölbekeller.

„Ich glaube, wir bekommen Besuch.“, sagte Tsukasa beunruhigt und ließ den Blick durch die Halle

schweifen. Durch die Form des Raumes war es schier unmöglich zu erkennen, aus welcher Richtung genau die Stimmen kamen, das einzige, das jedoch deutlich war, war die Tatsache, dass sie sich schnell näherten.

Zero ergriff Toshiyas Hand, doch der riss sich los.

„Ich bleibe.“, sagte er entschlossen. Er sah Zero fest in die Augen.

„Das kannst du nicht machen.“

„Ich muss.“

Toshiya lächelte matt und zog Zero in seine Arme.

„Ich liebe dich.“

Er vergrub sein Gesicht in Zeros Halsbeuge und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Vollkommen überrumpelt schlang Zero nun seinerseits die Arme um Toshiya.

„Toshiya. Bitte...“, flüsterte er, doch tief im Innersten wusste er, dass Toshiyas Entscheidung bereits gefällt und unumstößlich war.

„Geh jetzt.“

Mit diesen Worten schob er Zero sanft, aber bestimmt, von sich. Der andere setzte erneut zu einem

Überredungsversuch an, wurde allerdings durch einen lauten Knall davon abgehalten. Hizumi zuckte heftig zusammen, als direkt neben ihm eine Tür geräuschvoll aufgerissen wurde und ein unbekannter, aber ziemlich großer Mann darin erschien.

„Was zur Hölle ist hier passiert?!“ Der Unbekannte sah sich um und schien sofort zu erkennen, was sich ereignet hatte. „Wo ist Blake?“

Tsukasa deutete wortlos in den Nachbarraum.

Der fremde Vampir folgte Tsukasas Fingerzeig und ging mit schnellen Schritten in die Empfangshalle.

Tsukasa warf Zero einen fragenden Blick zu. Der war momentan jedoch damit beschäftigt, seinem Herz klar zu machen, dass es im Unrecht war.

Es war sinnlos, weiterhin zu versuchen, Toshiya zum mitkommen zu überreden. Das sagte der Kopf. Das Herz jedoch dachte anders.

Wie jedes Mal verlor es den Kampf.

Zero schenkte Toshiya einen letzten Blick und kehrte ihm dann den Rücken zu.

„Los. Raus hier.“, sagte er tonlos und setzte sich in Bewegung. Noch bevor die Gruppe die Tür erreicht hatten, ertönte die donnernde Stimme des Eindringlings.

„Was habt ihr getan?!“, schrie er. Bevor er jedoch zum Angriff übergehen konnte, stellte Toshiya sich ihm in den Weg.

Das letzte, das Zero vernahm, nachdem die schwere Tür zum Ausgang hinter ihm ins Schloss fiel, waren Schreie. Von wem sie stammten, war ungewiss.

Als Zero die zweite Eisentür öffnete, schlug allen der beißende Nordwind ins Gesicht. Die Vampire traten hinaus in den Schnee. Sie befanden sich nun wieder in der engen, dunklen Gasse.

Tsukasa sah sich um und stellte benommen fest, wie unwirklich ihm diese Welt an der Oberfläche mit einem Mal vorkam.

Helle Schneeflocken fielen aus dem rabenschwarzen Himmel hinab auf die Erde. Sie schien es nicht zu interessieren, dass nur wenige Meter unter der Erde erneut Blut floss...
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*

und sense.

bevor einer fragt: JA! das ist das ende!

es folgt noch ein epilog, aber der ist eher unbedeutend^^

seit gestern nacht um halb 4 steht auch der plott für den 2. teil. also lasst euch überraschen (:

Thoughts

Es ist mittlerweile über zwei Jahre her, dass du mich allein gelassen hast.

Oder dass ich dich allein gelassen habe.

Wie man's nimmt.

Vielmehr wie man es nehmen will.

Wie ich es nehmen will.

An manchen Tagen habe ich dich fast schon dafür gehasst und das solange bis ich mir vor Augen geführt habe, dass du dich wie niemand vor dir darauf verstanden hast Gefühle in mir wachzurütteln von denen ich dachte sie seien bereits lange erkaltet. Auf deine ganz spezielle Art.

Und nun stehe ich wieder hier, wie fast jeden Abend seit damals.

Stehe hier und starre aus dem geöffneten Fenster.

Der Himmel färbt sich langsam blutrot denn die Sonne geht unter. Es ist Sommer und das treibt mich dazu die Tagwelt zu meiden. Ich kann Sonne nicht leiden.

Das konnte ich noch nie.

Ich schätze Mal, dass du Sommer magst, oder vielmehr mochtest, denn diese Jahreszeit würde zu deinem Gemüt passen.

Ich kann nur schätzen, denn ich weiß es nicht. Es gibt so vieles, dass ich nicht über dich weiß. So vieles das ich dich noch fragen wollte.

Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder die Gelegenheit dazu bekommen werde.

Obwohl wir mental miteinander verbunden sind, bin ich nicht sicher ob du wohlauf bist. Die Entfernung ist zu groß als dass ich deine Gedanken lesen könnte.

Manchmal bilde ich mir ein etwas zu spüren, doch dieses Gefühl ist meist so kurz und flüchtig, dass ich es nicht deuten kann.

In den ersten Monaten nach unserer Rückkehr nach Tokyo habe ich mir jedes Mal aufs neue ausgemalt was ich hätte anders machen können.

Was ich dir hätte sagen können, was ich hätte tun können um dich zu retten.

Ich habe daran gedacht wie es wohl ausgegangen wäre wenn ich mein Pflichtbewusstsein auch nur für eine Sekunde hinten angestellt hätte. Vielleicht wäre unser beider Existenz dann jetzt schon lange beendet. Aber selbst wenn, dann wäre es immer noch besser als dieses Leben das ich jetzt führe.

Ich fühle mich leerer denn je.

Zudem plagt mich immer noch ein schlechtes Gewissen, wenn ich zurück an deine letzten Worte denke.

Ich liebe dich.

Diesen Satz habe ich einige Male von dir gehört. Du hast es ernst gemeint, das wusste ich sofort. Ein weiterer Charakterzug, den ich insgeheim sehr an dir bewundert habe: Deine Aufrichtigkeit und deinen Mut, besonders was Gefühle angeht. Du warst im Nachhinein mutiger als wir alle zusammen. Niemand, inklusive mir selbst, hätte dir so etwas zugetraut.

Sogar Karyu, der eigentlich nie viel von dir gehalten hat, gab später zu, dass dein Handeln mehr als bewundernswert war und uns, wie er es ausdrückte, „allen den Arsch gerettet hat“. Karyu ist es auch, der immer wieder versucht mich auf seine ganz eigene Art und Weise aufzubauen und das rechne ich ihm hoch an.

Immerhin hat er momentan selbst genug Probleme. Denn auch wenn er Blakes Angriff knapp überlebt hat kämpft er bis heute mit seiner Gesundheit. Ich nehme an, dass es sich in den nächsten Jahren wieder einpendeln wird, aber noch läuft er eher unter die Rubrik Pflegefall.

Ein leises Seufzen entweicht meiner Kehle.

Wie sehr wenige Stunden doch alles verändern können.

Ich habe so viel falsch gemacht.

Nichtmal an unserem letzten gemeinsamen Moment war ich fähig deinen Schwur zu erwiedern. Diese Tatsache schürt den Selbsthass den ich über die Jahre entwickelt habe wahrscheinlich mit Abstand am meisten.

Ich weiß nicht was ich dafür geben würde dich noch einmal im Arm zu halten und dir sagen zu können wie wichtig du mir in Wirklichkeit warst und immer noch bist.

Die einzige Hoffnung die mir bleibt ist, dass wir uns eines Tages wiedersehen. In welcher Welt auch immer.

Und bis dahin werde ich warten.

Wenn es sein muss eine Ewigkeit lang.
 


 


 


 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

DANKSAGUNGEN!:
 

Zu allererst danke ich MissNothing und Susu!

Ohne euch wäre HOLLOW nie entstanden, denn ohne euch und eure RPG Rollen gäbe es keine Story! Außerdem wäre diese FF ohne eure Betalese-Künste mehr als erbärmlich und es wären ungefähr fünfhundert "Tsuaksas" und "Hiuzmis" mehr in der Rechtschreibfehlerkiste.


 

Der nächste Dank geht an Haidogirl, die später als dritte Beta dazugekommen ist und den Zeitplan des kompletten HOLLOW-Teams merklich entzerrt hat.

Vielen Dank für deine Mühe und deine aufbauenden Mails/Kommis!
 

Und dann noch ein dickes Dankeschön raus in die weite Welt. Und zwar erstens an D'espairs Ray. Danke für ein geiles Konzert in Köln und dafür, dass ich mir eure Namen leihen durfte |D Das selbe gillt natürlich auch für Toshiya und Saga
 

Das größte Dankeschön an alle meine Leser!
 

Egal ob Kommischreiber oder nicht, ich liebe euch alle!

Eure Mails, GB Einträge und Kommentare allein haben es möglich gemacht, HOLLOW zu so einem großen Projekt zu machen. Nur durch euch habe ich über eineinhalb Jahre genug Power gehabt, diese Geschichte durchzuziehen.

Danke für alles!
 

Hiermit verabschiede ich mich für's erste.
 

Hochachtungsvoll,

Creep



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (194)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...20]
/ 20

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Trashxbaby
2011-06-11T01:35:22+00:00 11.06.2011 03:35
Q___________________________Q
Oh mein Gott.
*wein*
Ich hab die FF jetzt in einem durchgelesen und die halbe Nacht gebraucht...und...boahr moment ich hol mir erstmal ein Taschentuch...

Verdammt ich kann nicht aufhören zu heulen Q/////Q
*drop*
Das war jetzt mal mit Abstand eine der besten FFs die ich jemals gelesen hab...

Um ehrlich zu sein hat es auch eine Weile gedauert bis ich mich dazu durchgerungen hab sie zu lesen...sie wurde mir von Rizuloid empfohlen, allerdings höre ich nur wenig D'espairs Ray und kenne die Member so gut wie garnicht...deshalb hatte ich ein wenig gezögert. Im Nachhinein bin ich aber mehr als froh dass ich sie gelesen habe.

Nun~
Ich liebe deinen Schreibstil *____* Und die Art und Weise wie du den Personen ihre Charaktere zugeteilt hast. Ich muss zugeben in den ersten Kapiteln war Hizumi mein absoluter Liebling, Zero war mir zu...sagen wir mal verklemmt XD und Karyu konnte ich absolut nicht ausstehen, frag mich einer warum XD
Und jetzt hab ich es durchgelesen und alles hat sich irgendwie geändert...ich liebe Hizumi nach wie vor und die Story mit ihm & Saga war wirklich sowasvon niedlich >////< Ich bin froh dass Saga ein Vampir geworden ist...wäre es doch bloße Folter gewesen die Beiden zu trennen.

Zero mag ich jetzt auch bedeutend lieber. Ich persönlich fand die ganze Story über die Entwicklung zwischen ihm und Toshiya am wenigstens interessant (nicht uninteressant um Gottes Willen, nur fand ich die anderen cooler XDDDD) und jetzt musste ich am Ende doch heulen...es war so unglaublich traurig...vorallem die Tatsache jetzt nicht zu wissen ob Toshiya die Sache überlebt hat oder ob er nun tot ist...T^T Er hat das wirklich nicht verdient...sein Leben war doch schon immer so beschissen und jetzt auch noch das...die Beiden hat es tatsächlich am härtesten getroffen und wenn ich jetzt auf die Geschichte zurückblicke ist mir Zero ziemlich sympatisch geworden und er tut mir einfach nur unendlich leid.

Karyu hat sich zu meiner großen Liebe durchgemausert XDDD ich steh einfach auf sarkastische Arschlöcher (das könnte auch meine unglaubliche Liebe zu Dr.House erklären XDDDDD) und awwwww >/////< ♥ Wie geil er einfach nur ist. Als sich die Gruppe auf den Weg nach Russland gemacht hat war ich total in Sorge (Ja das war halt alles mitreißend...'verteidig* xD) aber Karyus Kommentare haben mich jedesmal wieder zum grinsen gebracht...oh man ich LIEBE LIEBE LIEBE ihn!
Boahr und ich war so nervös und bin nur so auf dem Stuhl hin und her gerutscht als diese verf**** Russenschlampe (xD) ihm das Licht ausblasen wollte...T______T Ich dachte die ganze Zeit grad 'Nicht sterben...nein....nicht Karyu...jeder aber nicht er....' Q^Q Und jetzt bin ich einfach nur unendlich froh dass er lebt. (Auch wenn er ein Pflegefall is xD) Er hat ja noch Tsukasa der ihn gesund pflegen kann >D Muhahaha~ Die Beiden sind seit den letzten Kapiteln zu meinem absoluten Favo-Pair geworden...so süüüüüß >/////< ♥ Und ich hoffe sie können das Date von dem Karyu gesprochen hat jetzt endlich erleben...rawr~ >3

So, ich schreib mir hier die Finger wund XD

Ums nochmal kurz zusammenzufassen. Ich LIEBE diese FF.
Ein riesen großes Dankeschön an dich dass du sowas tolles geschrieben hast und ich es lesen durfte Q/////Q *dir Kekse hinstell*

Uuuund ich freu mich schon darauf Teil 2 zu lesen...aber das verschieb ich lieber auf nächste Woche, denn jetzt bin ich müde xD *auf die Uhr blick*

LG & Gute Nacht XD ♥
Von: abgemeldet
2010-10-18T14:35:01+00:00 18.10.2010 16:35
Die beste FF die ich bisher gelesen habe ehrlich.
Ich dachte Anfangs //Vampirstory? Willste das echt lesen?//
Es ist nicht so, dass ich vampirstories nicht mag. Im Gegenteil aber leider neigen so viele zu solch enormen Übertreibungen, dass es einem einfach keinen Spaß mehr macht, sich dies weiter anzusehen.
(Allein schon Beipiele wie twilight. Yo schimmern wir mal wie ne Diskokugel und hängen uns gleich im Raum auf kein Ding! xD)
Vor allem ist danach ja so ein krasser Vampirwahn entstanden, dass diese schönen Fabelwesen einfach nur noch auf die Nerven gingen. >_>
Du hast dich, wie man es halt nennen mag, ziemlich an die 'Realität' gehalten, was man so aus vampirmythen kennt und es gut mit der menschlichen Welt verbunden und ernsthaft.
Das ist die erste Story die ich gelesen habe, bei der ich am Ende heulen musste xD
Von:  Zeryu
2010-10-10T09:57:44+00:00 10.10.2010 11:57
So~ zuerst muss ich sagen, dass man Twilight vergessen kann, wenn man deine FF hat *_*
So was Schönes habe ich schon lange nicht mehr gelesen.

HOLLOW hab ich schon vor ein paar Wochen zufällig entdeckt und vorgestern hab ich dann mal gedacht, dass ich sie "nebenbei" kurz lesen könnte.
Das Resultat war, dass ich bis vier Uhr morgens gelesen hab, weil mich deine Geschichte so gefesselt hat.

Du hast die einzelnen Charaktere einfach nur super beschrieben. Zero und Karyu gefallen mir am besten. Ich finde es einfach nur toll, wie du die Beziehungen zwischen ihnen beschrieben hast. Und ich liebe ihren Charakter.

Weil Karyu so unbeschwert und naiv ist, dachte ich, dass es ihn erwischen würde am Schluss. Doch zum Glück konnte er wieder mit nach Japan kommen. Ich liebe Karyu!

Hoffentlich treffen sich Zero und Toshiya noch mal wieder.. Toshi darf nicht tot sein.

Deinen Humor find ich absolut geil xD An manchen Stellen hab ich voll Lachanfälle bekommen^^
Mein Lieblingssatz ist: "Nach ein paar Minuten tauchte Zeros Bonzenvilla hinter der Bonzenallee, die von seinem Bonzentor bis zur Bonzenhaustür führte, auf."
Ich kam aus dem Lachen gar nicht mehr raus.

Du hast einen richtig schönen Schreibstil und kannst wunderbar beschreiben.
Den 2. Teil werde ich auf jeden Fall auch lesen.

HOLLOW gehört auf jeden Fall zu meinen absoluten Lieblingsgeschichten.

glG, Zeryu
Von:  Toffelchan
2010-10-08T18:16:51+00:00 08.10.2010 20:16
huhu :)

ich bins schon wieder XDD
ich hab gestern und vorgestern deine gesamte ff nochmal gelesen :)
und ich fand sie wieder toll bzw noch immer XDD
lol

hab auch direkt im anschluss die fortsetzung wietergelesen, da mach ich auch gleich ein kommi ;D

alson nochmal lob für die tolle ff <3<3<3<3<3
hab sie gern nochmals gelesen <3
Von:  Shiyoism
2010-07-21T12:13:54+00:00 21.07.2010 14:13
Hellow
Ich hab mich zu deiner FF verirrt und sie angefangen zu lesen!
Du schreibst toll *_________________* *anluv*
Erstmal ...kann ich es gar nicht erwarten weiter zu lesen x"D
Da ich mir deine FF ausgedruckt habe...doppelseitig und das is einhalbes buch x"D *augen schonen* ^^

Saga und Hizu da wirds wirklich spannend!
Q____q~~
Tsukasa is extrem...also wirklich...freak o_o"

Toshiya x Zero....ein sehr merkwürdiges gespann...bin gespannt worauf das hinaus läuft :D

Und Karyu das Arschloch <3

grüßle
Shiyó
Von: abgemeldet
2010-05-09T17:43:27+00:00 09.05.2010 19:43
extrem geil ich bin so durcheinader. so verblüfft.. überwältigt einfach geial. wie blake abgeschlachtet wurde die feige miese Sau. Und wie Toschiya über sich hinauswächst in rage. du schreibst so genial so bombastisch so WOW. Ich freu mich übertrieben auf den Epilog.
Von: abgemeldet
2010-05-07T21:04:05+00:00 07.05.2010 23:04
echt geil hab grade eine kurze nacht und n langen arbeitstag hinter mir und dacht du musst einfach weiterlesen und tada.

ich bin so gefesselt das gibs nicht.
ich liebe deinen fanfic. die art wie du schreibst und langsam alles in richtung katastrophe rauscht. tsukasa n vampir ich glaubs net.
träum... kurz afk geht und dann weiterliest ....
Von:  Toffelchan
2010-03-08T17:32:25+00:00 08.03.2010 18:32
Hey =)

Also erstmal giga Lob... ich hab eine so lange FF noch nie mit so viel Begeisterung gelesen!!!
Du hast das voll toll geschrieben, so fesselnd, mitreißend und so.

Vorallem die witzigen bzw zynischen Kommentare zwischendurch haben mich immer zum lachen oder schmunzeln gebracht.

Allerdings musste ich bei Toshiya und Zero weinen T____T
Nach der ersten und letzten gemeinsamen intimen Nacht (nebenbei ich fand den Lemon-Teil toll ♥) und er so enttäuscht wurde von Zero musste ich so weinen und jetzt am Ende nochmal T__T

Ich fand das Ende mit dem Gemetzel fand ich schon irgendwie geil xD das würd ich gern im TV angucken wollen, wobei ich eigentlich die ganze FF im TV ansehen will |D

Hizumi und Saga find ich so süß zusammen ♥
Und ich konnte mir die Story der Beiden so gut vorstellen *~*

Karyu fin dich geil *O* Er immer mit seinen Sprüchen und wie geil er drauf ist <3 Toll einfach und Tsukasa passt ja richtig zu ihm.. geil ist dessen hysterische Ader xD

Das geilste is allerdings.. Mr. Kitty xDDDDDDDDDDDDDDDDDD
LIEBÄH~

Naja ich mag deine FF <3
Richtig toll !
Wirklich alles dabei, was in nem guten Film auch dabei sein muss. Spannung. Liebe. Horror. Humor etc.


Als ich gesehen habe, dass es einen zweiten Teil gibt, hab ich mich gleich gefreut *O*
Den werde ich dann lesen <3

Liebe Grüße und weiter so *Q*

Toffel

♥~
Von:  HonjiHyuga
2010-02-18T08:58:23+00:00 18.02.2010 09:58
Also ich muss sagen deine Story hat eine sehr schöne Idee ^^

gefällt mir sehr gut auch bin ich von deiner Länge sehr fastziniert find ich gut!! Den zweiten werd ich mir auch antun GARANTIERT ^^

lg Honji Hyuga ^-^
Von:  Rayligh
2010-02-13T18:19:05+00:00 13.02.2010 19:19
Nachdem ich sie nun endlich endlich ganz durch habe, muss ich sagen, diese Geschichte ist verdammt nochmal absolut genial.
Und ich hätte dich umgebracht, wenn Karyu gestorben wäre. Er ist einfach genial
Man kann deiner Geschichte wirklich gut folgen und auch wenn sie ein paar Längen hat, wird sie in dem Moment, wo man sich überlegt, ne andere zu lesen, wieder interessant sodass man weiterliest
Aber ich denke mal, diese Längen liegen nicht an deinem Stil, sondern eher daran, dass ich bestimmte Szenerien allgemein langweilig finde und du manche Szenen sehr lang gestaltest und dafür andere, die ich mir etwas länger gewünscht hätte, kürzer hältst.
Rechtschreibfehler hab ich keine weiter schwerwiegenden Gefunden (ob das wohl an den vielen Betas liegt *g* ?) und auch ansonsten- ein tolles Werk
Ich erlaube mir, es in meine Favoritenliste zu packen
P´nO &C
Jiyu


Zurück