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Some Kind of Magic

Don't walk behind me I may not lead...
von

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L' École St. Croix

X X X

Es war noch dunkel, als Storm den Jet zur Landung ansetzte, deshalb konnte Frederica die Umgebung nicht genau erkennen, in der sie gelandet waren. Storm dirigierte den Jet über einen glatten Untergrund und steuerte das weite Tor eines Hangars an, in das sie hineinfuhr und das Flugzeug neben einem genauen Abbild des X-Jets in Parkposition brachte.

Frederica befreite sich von dem Gurt und wollte sich erheben, doch Logan war schneller und hob sie auf seine Arme.
 

"Du siehst müde aus. Ich werde dich tragen. Keine Widerrede!"

Sie verließen den Jet als Letzte, wo sie gerade noch mitbekamen, wie vier Männer, die sich wie eineiige Zwillinge glichen, aus verschiedenen Richtungen auf die X-Men zugingen. Vor ihren Augen verschmolzen die vier Männer zu einer Person, in dem sie einfach ineinander übergingen.
 

"Willkommen in der École St. Croix! Für diejenigen, die mich nicht kennen, ich bin James Madrox, Multiple Man. Ich kann Klone durch bloße Willenskraft generieren, ihr habt also keine Halluzinationen gehabt!"
 

Sein Lächeln galt Nightcrawler, Wolverine und Gypsy Witch, die neu in Xaviers Team waren und ihn noch nicht kannten.

Storm rannte begeistert auf ihn zu, schlang ihre Arme um ihn und drückte ihm einen herzlichen Kuß auf die Wange.
 

"Freut mich, dich zu sehen, Jimmy! Sind die anderen im Bett geblieben und Du mußtest wieder die Arbeit alleine machen?"
 

James lachte ausgelassen, während er Ororo im Arm behielt und sie an seine Seite drückte. Frederica hatte die stolze Storm noch nie so gelöst in Gegenwart eines anderen gesehen.
 

"Die bereiten euch das Frühstück. Kommt, stehen wir hier nicht herum! Braucht irgend jemand ärztliche Versorgung?"

Sein Blick blieb kurz an Frederica hängen, die jedoch schnell den Kopf schüttelte. Die Wunde heilte gut und Jean hatte ja schon nach ihr geschaut.
 

Sie folgten Multiple Man quer über den großen Hangar zu einer Tür, die über einen langen Tunnel zum Haupthaus zu führen schien.

Scott erklärte den Neuen im Team, wo sie sich befanden, da die drei ziemlich überrascht waren, als sie durch eine große Stahltür traten und in der Vorhalle eines prächtigen Palais landeten, die ganz in altem, eleganten Glanz erstrahlte.

"Das ist die École St. Croix, sozusagen unsere französische Dependance! Xavier ist der Kopf der X-Corporation. Das ist eine weltweite Organisation, die über die Rechte und die Sicherheit von Mutanten wacht. James und seine Kollegen sind auch X-Men. Die X-Corporation ist auch in Hongkong, Los Angeles, Mumbai, Melbourne und Amsterdam vertreten. Natürlich sind weitere Stützpunkte in Planung!"

Logan war tief beeindruckt. Xavier war ein Visionär, der aus dem simplen Wunsch nach Frieden zwischen Mensch und Mutant ein weltweites Imperium geschaffen hatte. Diesem Mann als Mitarbeiter unterstellt zu sein, erfüllte ihn mit nie gekanntem Stolz.

James führte sie in einen Salon, wo eine große Tafel für ein ausgiebiges Frühstück gedeckt worden war. Es duftete appetitlich nach Kaffee und frischgebackenen Croissants. Logan setzte Frederica vorsichtig auf ihre Füße und legte dann beschützend einen Arm um sie.
 

"Enfin! Charles et les autres! Und alle unverletzt, wie ich sehe! Willkommen!"
 

Eine junge, attraktive Frau mit langen, schwarzen Haaren und dem dunklen Teint ging mit ausgebreiteten Armen auf Xavier zu, der in seinem Gleiter so weit abhob, daß ihn die junge Frau ohne Probleme in die Arme schließen konnte. Sie begrüßte Xavier mit den traditionellen Küßchen auf die Wange und wiederholte die Prozedur dann bei allen alteingesessenen X-Men.
 

"Ich bin Monet Yvette Clarisse, etc., St. Croix. Ich leite diese Schule, aber bitte nennt mich bei meinem Codenamen MII, oder simplément M! Meine Eltern konnten sich damals nicht auf einen Namen einigen!"
 

Sie hatte einen bezaubernden französischen Akzent, der besonders Kurt zu beeindrucken schien, denn er nahm ihre ausgestreckte Hand und beugte sich darüber, um ihr einen Handkuß darauf zu hauchen.
 

"Enchanté, Mademoiselle M! Kurt Wagner, auch genannt Nightcrawler."

Seine gelben Augen blitzten fröhlich auf und M warf lachend ihren Kopf zurück, wobei ihre filigranen Goldohrringe mit den Diamanten im Licht der Lampen glitzerten.
 

Sie wandte sich immer noch ein Lachen im Gesicht Logan und Frederica zu: "Alors! Du mußt der berüchtigte Wolverine sein, dein Ruf ist schon bis Paris vorgedrungen!"

Sie streckte ihm die Hand entgegen und drückte seine fest, während Logan ihren Ausspruch mit einem leichten Heben der Augenbraue quittierte.
 

«Et vous! La petite sorcière qui a sauvé mon ami Jean.»

(Und Du, die kleine Hexe, die meine Freundin Jean gerettet hat)
 

Frederica wurde in eine begeisterte Umarmung gezogen und ebenfalls mit Küßchen begrüßt. Sie fühlte wie ihr das Blut in die Wangen stieg und war verwirrt, weil sie den Impuls verspürte, die Frau von sich zu stoßen. Sie schob das unerklärliche Gefühl auf die Nachwirkungen des nervenaufreibenden Einsatzes.

Vier weitere Mitglieder der X-Corporation betraten den Raum und wurden den Neuen vorgestellt. Frederica schwirrte der Kopf von so vielen Namen und Decknamen. Die Pariser Truppe war beeindruckend, ein wild gemischter Haufen aus aller Herren Länder.

Sam Guthrie, Cannonball, war Amerikaner, Laynia Petrova oder Darkstar kam aus Rußland, Julio Esteban Richter, Codename Rictor, war deutschstämmiger Kolumbianer und Ruth Bat-Seraph genannt Sabra war Israelin. M selbst war Französin und Multiple Man stammte aus Schottland.

Sie setzten sich um den Tisch und bald war der Salon von angeregten Gesprächen und leisem Lachen angefüllt, da M die Besprechung über den vergangenen Einsatz auf später verschoben hatte.

Die Last des Einsatzes fiel in dieser anheimelnden Atmosphäre von den X-Men und als die Sonne den Raum mit warmem Licht durchflutete, waren alle angenehm entspannt. Bis auf Frederica, die immer noch gegen Kopfschmerzen ankämpfte und sich innerlich immer noch angespannt fühlte.

Der Vormittagsunterricht war von M gestrichen worden, doch einige der älteren Schüler räumten den Tisch ab und waren dafür zuständig, für die jüngeren Schüler eine Beschäftigung zu finden. Die École St. Croix wurde mit der gleichen Effizienz geführt wie das Institut, das Xavier in den Staaten leitete.
 

"Eh bien! Le professeur, ich vergesse mich, en anglais... Charles hat angedeutet, daß ihr unsere Unterstützung bei der Abwicklung eures letzten Falles benötigt?"
 

M saß an der Stirnseite der polierten Tafel und ihr Blick blieb an Frederica hängen, die sofort die Schultern straffte und das Wort ergriff: "Das ist richtig! Unser letzter Gegner war ein mächtiger Hexenmeister namens Zoran de Fleur, der seit Hunderten von Jahren schwarze Magie praktiziert und dadurch sein Leben verlängert hat. Er tötete Jungfrauen, vorzugsweise Hexen aus dem Volk der Sinti und Roma, um sich durch ihre Opferung am Leben zu erhalten. Er hatte die Macht, die Frauen zu verfluchen, so daß sie als Totengeister über die Erde wandelten und ihm zu seinem Schutz dienen mußten. Die Frauen müssen rechtmäßig beerdigt werden, wenn wir sie von diesem Fluch befreien wollen."
 

Ruth, die neben ihrer Vorgesetzten saß, beugte sich in ihrem Stuhl vor und maß Frederica mit ihren stechenden, dunklen Augen.

"Sollten wir die toten Frauen nicht erst identifizieren, damit ihre Familien von ihrem Schicksal erfahren?"
 

Logan legte seine starke Hand auf Fredericas Unterarm und drückte sie beruhigend. Die Frage hatte anklagend geklungen und Logan gefiel nicht, daß der Vorwurf Fredericas Schuldgefühle noch verstärken könnte.
 

"Das ist leider nicht mehr möglich! Die Burg ist nur noch ein Haufen Schutt und ich bezweifle, daß wir mehr finden würden als Knochenstaub! Das ganze Areal ist ein Massengrab, de Fleur hat dort schon seit dem 18. Jahrhundert gewütet."

Frederica nahm einen tiefen Atemzug, bevor sie weitersprach, dabei hielt sie ihren Blick lieber auf M gerichtet, in deren Augen kein Vorwurf zu lesen war.
 

"De Fleur wird sich meist junge Frauen seines Volkes als Opfer gesucht haben, meine Leute scheuen den Kontakt mit der Polizei, wir werden wenig Spuren in dieser Richtung finden. Wenn ihr die Möglichkeit dazu habt, dann könnte man die Vermißtenmeldungen der vergangenen Jahre oder Jahrzehnte durchgehen. De Fleur hat sich mit Hilfe von Magie mühelos von Ort zu Ort teleportiert, deshalb kann das Suchgebiet nicht eingegrenzt werden. Und auch nicht das Aussehen oder das Alter der Betroffenen, wir werden den Familien leider keinen Frieden bringen können."

Frederica schloß kurz die Augen, da wieder Tränen in ihnen brannten, doch vor den Kollegen aus Übersee wollte sie sich nicht gehen lassen. Und schon gar nicht vor dieser Ruth, deren dunkle Augen sie an den stechenden Blick eines Habichts auf der Jagd erinnerten.
 

Darkstar, Laynia Petrova, schloß sich der kleinen Diskussion an, aber mehr aus Interesse denn in der Absicht, ihren Gast anzugreifen. Sabra konnte manchmal über das Ziel hinaus schießen, das führte auch unter den X-Men in Paris öfters zu Streitereien.
 

"Darf ich fragen, warum der Magier hinter dir her war? Wenn ich es vorhin recht verstanden habe, bist Du mit Wolverine verheiratet, oder?"

Logan stöhnte innerlich, er haßte es, wenn sein Privatleben an die Öffentlichkeit gezogen wurde, aber es vor den Teamkollegen im Ausland besprechen zu müssen, das war wirklich der Gipfel!
 

"Das ist etwas kompliziert! De Fleur wußte nicht, daß ich und Logan geheiratet haben. Es ist auch nicht lange her und war inoffiziell. Vergleichbar mit einer Nottrauung, da wir nur ein Ritual meines Volkes dazu verwendet haben. Wenn de Fleur die Tatsache bekannt geworden wäre, dann hätte er mich sofort umgebracht. Er dachte, ich sei seine Fahrkarte in das ewige Leben, da ich eine mächtige Hexe bin und mein Opfer ihm unendlich viel Macht verliehen hätte!"
 

Xavier tauschte einen Blick mit M aus, als er bemerkte, daß Frederica und Logan sich ziemlich unwohl bei dem Verhör fühlten. Es floß ein schneller Gedankenaustausch zwischen den beiden, da M auf dem Gebiet der Telepathie fast ebenso mächtig wie der Professor selbst war. Das war mit einer der Gründe, warum sie trotz ihrer Jugend diese Schule leitete.
 

"Bon! Ich glaube, wir wissen genug. Mein Team wird sich darum kümmern, daß der Ort geweiht wird und ein Priester für die Seelen der Verstorbenen betet. Wäre der Mann ein Mutant gewesen, würden wir genau dasselbe machen! Wir können nicht hingehen und den Familien von Vermißten mit der haarsträubenden Geschichte eines wahnsinnigen Hexenmeisters kommen! Genausowenig wie wir Familien erzählen, daß ihre Angehörige bösartigen Mutanten zum Opfer gefallen sind. Das Prozedere bleibt dasselbe. Gypsy Witch hat alles in ihrer Macht stehende getan und man kann ihr keinen Vorwurf machen, da sie ja nicht seit Jahrhunderten auf der Erde wandelt."
 

M blickte in genau in Ruths Richtung, die ein Nicken andeutete, um ihr Einverständnis mit der Vorgehensweise anzuzeigen.

"Machen Sie sich keine Sorgen mehr um die Seelen der Frauen! Rictor hat gute Beziehungen zur Kirche und wir werden die Zeremonie so schnell wie möglich veranlassen."
 

"Danke Monet! Wärt ihr noch so freundlich uns eine Schlafgelegenheit zur Verfügung zu stellen, bevor wir wieder nach Hause fliegen? Ich denke, wir alle können etwas Ruhe gebrauchen. Wir treten am späten Abend die Heimreise an und sind so wieder Zuhause, bevor der Unterricht beginnt. Auch wenn unsere Schüler darüber stöhnen mögen!"
 

Das verständnisvolle Gelächter löste die Spannung im Raum auf und zeigte gleichzeitig an, daß die Sitzung damit beendet war. Die X-Men erhoben sich und ließen sich von den französischen Kollegen den Weg zu ihren vorübergehenden Quartieren zeigen.
 

Frederica blieb etwas länger sitzen und hielt Logan an der Hand zurück, um seine Aufmerksamkeit zu wecken.

"Logan, ich würde gerne noch länger bleiben, um bei der Zeremonie dabei sein zu können! Die Anwesenheit eines Priesters reicht vielleicht nicht aus."
 

Frederica sah ihren Mann bittend an, der ihr lächelnd eine Hand auf die Wange legte und sich zu ihr herunterbeugte, um ihr einen Kuß auf die Lippen zu hauchen.
 

"Natürlich! Ich habe auch schon daran gedacht. Ich rede mit M und Charles. Du legst dich jetzt am besten hin. Du brauchst dringend Ruhe! Und wage es nicht, mir zu widersprechen!"

Logan legte einen Zeigefinger auf ihren zum Protest geöffneten Mund, um sie damit am Reden zu hindern.

"Wir haben zwar keine Hochzeit im traditionellen Sinn gehabt, aber zum Eheversprechen gehört auch, daß die Braut dem Bräutigam Gehorsam gelobt, oder nicht?"
 

Frederica konnte über diesen Scherz sogar lächeln und ließ sich von Darkstar in den zweiten Stock des Palais führen. Dort befanden sich die Schlafzimmer der Teammitglieder, M hatte Logan und Frederica großzügigerweise ihr eigenes Zimmer zur Verfügung gestellt, da sie von Charles erfahren hatte, daß die beiden praktisch auf Hochzeitsreise waren. Das Paar sollte es so angenehm wie möglich haben, nachdem sie bei dem schwierigen Einsatz ihr Leben riskiert hatten.
 

"Fühl dich wie Zuhause, Frederica. M meinte, daß Du dir ruhig Sachen von ihr ausborgen kannst, das Bad ist gleich hinter der Tür hier."
 

"Danke, Laynia."

Frederica sah sich anerkennend in Ms Quartier um, nachdem sich Darkstar von ihr verabschiedet hatte. Das elegante Zimmer wurde von einem riesigen Doppelbett beherrscht, das einen altmodischen Betthimmel aus meergrünem Tüll besaß. Die vorherrschenden Farben waren Grün, Crème und Gold. Einige der kostbaren Möbel sahen aus wie aus als entstammten sie der Epoche von Louis XIV.

Frederica ging ins angrenzende Bad, wo sie Carrara-Marmor und vergoldete Armaturen bewundern durfte. Sie beschloß, sich ein heißes Bad einzulassen, um ihre schmerzenden Glieder zu entspannen. Während das Wasser lief, ging sie durch Ms Schubladen und Schränke, da sie nicht im Sweatanzug schlafen wollte.
 

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Das Gespräch mit den beiden Anführern der Teams hatte etwas länger gedauert und Logan kam erst eine halbe Stunde später dazu, Frederica in Ms Zimmer aufzusuchen. Er hoffte, daß sie noch wach war, denn er wollte ihr mitteilen, daß ihr Aufenthalt und die Rückreise kein Problem mehr darstellten.

Darkstar würde ihnen die Reise über den Atlantik ermöglichen, ohne daß sie ein Flugzeug besteigen mußten. Charles hätte ihnen auch einen regulären Erste-Klasse-Flug bezahlt, doch Logan wäre nie durch die Sicherheitskontrollen gekommen, da sein Körper ja mit Adamantium durchzogen war.

Er öffnete leise die Tür zu Ms Zimmer und schaute zum Bett, das er leer vorfand. Sein Blick glitt suchend im Zimmer umher und in dem Moment trat Frederica aus einem angrenzenden Zimmer. Logan stockte der Atem.

Sie trug ein bodenlanges Nachthemd aus goldgelber Seide, das vorne unterhalb des Busens einen langen Schlitz hatte und darunter ein filigranes Höschen in der gleichen Farbe hervorblitzen ließ.

Sie bemerkte ihn und lehnte sich lasziv lächelnd an den Türrahmen, so daß der Schlitz weiter aufklaffte und ihre Beine enthüllte.
 

"Da bist Du ja endlich! Ich warte schon sehnsüchtig auf dich."

Sie schritt mit katzenhafter Grazie auf ihn zu und blieb dann vor ihm stehen, um eine Hand auf seine Brust zu legen. Ihr betörender Duft stieg ihm in die Nase und Logan vergaß alles andere, er zog sie in seine Arme und ihre Lippen trafen in einem leidenschaftlichen Kuß aufeinander. Frederica saugte sich an Logans Unterlippe fest und biß dann neckend hinein, während sie sich provokativ an ihm rieb.

Fredericas Hände glitten suchend über seinen Oberkörper und fanden den Reißverschluß der Uniform, den sie mit einem heftigen Ruck herunterzog.

Logan unterbrach den Kuß und nahm ihr Gesicht in die Hände.
 

"Frederica? Warte! Ich halte das für keine gute Idee. Ich sollte auf deine Übermüdung Rücksicht nehmen."
 

Sie sah ihn unter halbgesenkten Lidern an und bedachte ihn wieder mit einem angedeuteten Lächeln: "Sei doch kein Spielverderber, Logan!"

Sie fuhr mit ihrer Hand in seine krause Brustbehaarung und leckte sich aufreizend über die Lippen.
 

Logan nahm alle Selbstbeherrschung zusammen, die er in sich finden konnte, es war ihm noch nie so schwer gefallen, das Angebot einer Frau auszuschlagen.

Und bei Gott, sie waren sogar verheiratet! Wie war das noch mit den ehelichen Rechten und Pflichten?

"Sieh mich an, Frederica!"
 

Sie riß die Augen auf und er konnte sehen, daß ihre Pupillen leicht geweitet waren, auf ihrer Oberlippe glänzten ein paar Schweißperlen, obwohl es im Zimmer nicht besonders warm war. Logan glitt mit seinen Händen zu ihren Schläfen und nahm ihre erhöhte Temperatur wahr.
 

"Du hast Fieber, Frederica! Du gehörst ins Bett - und zwar alleine!", setzte er noch hinzu, als ihre Augen eifrig aufblitzten.
 

Er nahm sie in seiner schnellen Bewegung auf seine Arme und brachte sie zum Bett, wo er sie vorsichtig ablegte und sorgfältig zudeckte.
 

"Wieso legst Du dich nicht zu mir?"

Sie sah ihn vorwurfsvoll an und setzte einen entzückenden Schmollmund auf. Logan hätte nie gedacht, daß Frederica ihn so direkt anmachen würde, irgendwie kam ihm das fremd vor. Und er hätte sie auch nicht unbedingt für eine Frau gehalten, die weibliche Tricks einsetzte, um ihren Willen durchzusetzen. Er schob das auf das Fieber, erhöhte Temperatur führte in manchen Fällen zu Persönlichkeitsveränderungen.
 

"Weil das im Moment keine gute Idee ist, Darling. Du brauchst Ruhe und ich würde sie dir nicht gönnen."

Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und küßte sie kurz auf die heiße Stirn.

"Ich bleibe, bis Du eingeschlafen bist."
 

Frederica grummelte nur etwas und kehrte ihm dann beleidigt den Rücken zu.

"Wie Du willst, Spielverderber!"
 

Logan konnte nur grinsend den Kopf schütteln. Wenn sie in zwei Stunden immer noch Temperatur hatte, würde er Jean nach ihr sehen lassen. Sollte es ihr besser gehen, würde er liebend gerne Frederica Vorschlag folgen und sich zu ihr legen.

Gegen ihren Willen überkam Frederica ein bleierner Schlaf, sobald sie sich etwas entspannt hatte.
 

X X X

Frederica schlug die Augen auf und räkelte sich unter den seidenen Laken, die sie dann mit einer heftigen Bewegung zur Seite warf, weil ihr unerträglich heiß war. Sie sah sich nach Logan um, doch der war nirgends zu entdecken.

Wie lange hatte sie wohl geschlafen?

Sie fühlte sich seltsam unruhig und gierte nach frischer Luft. Sie schlüpfte aus dem Bett, ging zu den großen Flügelfenstern und schob die zarten Tüllgardinen zur Seite. Dahinter entdeckte sie einen großen Balkon, der scheinbar an der ganzen Rückfront des Palais entlang lief. Sie öffnete das große Fenster und trat auf den kalten Boden, breitete die Arme aus und tat einige tiefe Atemzüge, die in ihrer Lunge prickelten. Der Wind bauschte ihr Nachthemd auf, doch ihr wurde nicht kalt, sie genoß die kühle Luft auf ihrer Haut und drehte übermütig ein paar Pirouetten auf dem gefliesten Boden der Terrasse.

Frederica lachte ausgelassen. Sie begann, sich besser zu fühlen, doch sie verlangte auch nach Gesellschaft. Sie trat an das Fenster, das sie durch ihren kleinen Tanz erreicht hatte, und spähte hinein. Auf ihren Lippen breitete sich ein wölfisches Grinsen aus, das ihrem Gatten wohl alle Ehre gemacht hätte.
 

"Wen haben wir denn da? Mon petit ange!" (Mein kleiner Engel)
 

Archangel war gerade aus der Dusche gestiegen und hatte das Handtuch fallen lassen, das er um die Hüften gewickelt getragen hatte. Fredericas Augen blitzten erfreut auf, der Mann war gebaut wie ein junger Gott, und die weißen Flügel auf seinem Rücken steigerten den Reiz seines nackten Körpers noch.

Eine kleine Stimme in ihr warf ein, daß sie mit Logan verheiratet war, der selbst ziemlich beeindruckend gebaut war.
 

"Na und? Er ist nicht da, hat mich allein gelassen! Er hätte nur bei mir bleiben müssen!", murmelte sie erbost vor sich hin.
 

Frederica verzog den Mund zur Schnute und klopfte leicht mit ihren Fingernägeln an die Fensterscheibe, um sich bemerkbar zu machen. Warren drehte sich um, während er den Reißverschluß seiner Hosen zuzog, sein Oberkörper war noch nackt, bis auf die Federn, die seinen muskulösen Rücken umhüllten.

Er starrte überrascht auf die Vision in gelber Seide, die um ihren schlanken Körper flatterte. Ihre tiefroten Haare peitschten wild um ihr Gesicht, da draußen ein recht stürmischer Dezembertag herrschte.
 

"Frederica?", fragte er mit einem ungläubigen Ton in der Stimme.
 

Warren rannte zum Fenster und riß die Flügeltüren auf. Er wollte nach ihr greifen, doch sie wich vor ihm zurück.

"Was machst du draußen bei der Kälte, Du wirst dir den Tod holen!"
 

Frederica lachte Warren nur aus und tänzelte leichtfüßig von ihm weg.

"Versuch doch, ob Du mich kriegst!"
 

Sie lächelte ihn herausfordernd an und Warren rannte hinter ihr her, nur um sie um Haaresbreite zu verpassen. Sie war plötzlich vor seinen Augen verschwunden und stand nun auf dem etwa 1,50 Meter hohen Geländer, das die Terrasse einfaßte.

Wie hatte sie sich so schnell bewegen können, steckte da etwa Magie dahinter?

Sie kicherte wie ein Schulmädchen und Warren begann, sich langsam ernsthaft um ihren Gemütszustand Sorgen zu machen.
 

"Laß den Unsinn! Komm sofort da runter!", rief Warren mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete und die jeden seiner Untergebenen hätte stramm stehen lassen.

An Frederica prallte der autoritäre Ton jedoch ab, sie drehte sich auf Zehenspitzen zu ihm um und breitete wieder die Arme aus.
 

«Tous les hommes ici sont tourne-fêtes!»

(Alle Männer hier sind Spielverderber!)
 

Sie lachte wieder perlend und lehnte sich bedenklich weit zurück. Warren stieß sich in die Luft ab, gerade als Frederica sich mit einem Jauchzen auf den Lippen rückwärts fallen ließ. Er fing sie auf, bevor sie die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte.

Was war nur mit der Frau los?

Sie hatte nicht den Eindruck eines leichtfertigen, provokanten Frauenzimmers gemacht. Eine solch verantwortungslose Person hätte Xavier nie in sein Team aufgenommen.
 

«Encore une fois!»

Frederica hielt sich lachend an Archangels Hals fest und schmiegte sich an seine breite Brust. Sie kamen sanft auf der Terrasse auf und Warren schritt in sein Zimmer, um die Flügeltüren hinter sich zuzumachen. Er wollte verhindern, daß Gypsy Witch noch einmal so einen tollkühnen Streich vollführen konnte.
 

"Ich sagte, Du sollst den Unsinn lassen! Dein Mann killt mich, wenn dir etwas zustoßen sollte!"
 

Frederica biß sich auf die Lippen und sah ihn aus großen, unschuldigen Augen an.

"Ich bin brav, versprochen! Wo ist Logan überhaupt?"
 

Warren setzte die Frau auf ihren nackten Füßen ab und sah sich nach etwas um, womit er ihre aufreizende Erscheinung bedecken konnte. Eine falsche Bewegung und er würde mehr von der Frau sehen, als ihrem Mann gefallen konnte. Logan würde wahrscheinlich seine Augen mit seinen scharfen Klauen wie zwei Oliven aufspießen, wenn er das mitkriegen sollte.
 

"Er trainiert im Danger Room! Sabra, das ist Ruth, glaube ich, wollte ihn etwas herumführen!"
 

Fredericas Gesicht verfinsterte sich augenblicklich. Logan war bei dieser Frau?

Warren fand nur ein Männerhemd, das er Frederica gerade überstreifen wollte, sie warf sich jedoch an seine Brust und schlang ihre Arme um seinen Hals.

"Wenn er spielen darf, dann will ich auch!"
 

Sie zog Warrens Kopf zu sich herunter und preßte ihre heißen Lippen auf seinen schmalen Mund. Sein Protest wurde durch ihren leidenschaftlichen Kuß erstickt, den er sekundenlang zu erwidern versucht war. Die Kleine schien nur aus Feuer und Verlangen zu bestehen, dann setzte seine Hirntätigkeit wieder ein, und er löste sich mit Gewalt aus ihrer Umarmung.

Kurz zuvor hatte es von beiden unbemerkt an der Tür geklopft, die sogleich aufgeglitten war.
 

"Warren hast Du zufällig mitbekommen, wo Frederica hin..."

Auf Logans Gesicht breitete sich Ungläubigkeit aus, als er sah, wie Warren und Frederica sich küßten.
 

"Logan!", rief er bestürzt aus, als er sah, wer da ins Zimmer gekommen war.

Warren war kalkweiß geworden, weil er wußte, wie die Szene eben für Wolverine ausgesehen haben mußte.
 

"Schau doch nicht so, Logan! Ich habe mich nur bei Warren für seine Hilfe bedankt."

Frederica grinste Logan keck an und streichelte dabei aufreizend langsam Warren über die nackte Brust, während sie ihre rosa Zungenspitze lasziv über ihre Oberlippe gleiten ließ.
 

Logans Miene verfinsterte sich und sein blick wurde stechend. Er mußte seine Hände zu Fäusten ballen, damit seine Klauen nicht unkontrolliert herausschossen, und er sich womöglich wie ein tollwütiges Tier auf seinen Teamkollegen stürzte.
 

"Was geht hier vor?", preßte Logan zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
 

"Logan! Bitte versteh das nicht falsch! Ich glaube mit deiner Frau stimmt etwas nicht!"

Warren umfaßte Fredericas Handgelenke, um ihre Hände von seiner Brust zu entfernen. Er hatte wirklich keine Lust von einem tobenden Wolverine zum Zweikampf herausgefordert zu werden. Der Mann sah aus wie ein wütender Stier, der zum finalen Stoß ansetzen möchte.
 

Frederica riß sich von Warren los und starrte ihn erbost an. Wie konnte der gefiederte Kerl es nur wagen, so etwas zu behaupten! Mit ihr war alles in Ordnung, sie würde es ihm schon noch zeigen!

Sie blinzelte und stand dann plötzlich fast genau vor Logan, der erschrocken einen Schritt zurückwich. Er hatte nicht einmal bemerkt, daß sie sich bewegt hatte.

Logan zog die Augenbrauen zusammen und warf Warren einen nachdenklichen Blick zu, der unschlüssig auf dem Fleck verharrte und noch das Hemd in der Hand hielt, das er Frederica hatte überwerfen wollen.
 

"Warren? Hast Du vorhin Schmerzen beim Kontakt verspürt?"

Logan vermied es, das Wort Kuß in den Mund zu nehmen, er war bereits halb wahnsinnig vor Eifersucht, da mußte er die Sache nicht auch noch laut aussprechen. Warren schüttelte nur verwirrt den Kopf, er verstand nicht, warum ein relativ harmloser Kuß ihm Schmerzen bereiten sollte.
 

Frederica kam auf ihn zu, und er sah ihr genau in die Augen, wo er ein grünes Leuchten entdecken konnte, welches ihm klar machte, was mit seiner Frau los war.

"Freddy, hör mir zu!"
 

Er hatte unwillkürlich den Kosenamen benutzt, mit dem er sie bis vor kurzem noch auf die Palme hatte bringen können.

"Du mußt dich dagegen wehren! Ich brauche deine Hilfe, Du mußt mir sagen, was ich tun soll!"
 

Logan umfaßte ihr erhitztes Gesicht und blickte ihr tief in die Augen, die sich langsam aufklarten und ihre ursprüngliche dunkle Färbung annahmen. Sie atmete gehetzt und stöhnte auf, als hätte sie Schmerzen.
 

"Logan! Es... Bitte, es sind böse Augen. Du mußt die bösen Augen vertreiben!"

Ihre Augen leuchteten wieder grün auf und sie stemmte sich gegen seinen Griff. Er gab nach, weil er seine Hände einen Augenblick benötigte. Er griff in die Tasche seines Anzuges, wo er immer noch das goldene Kruzifix verwahrte. Bevor Frederica auch nur blinzeln konnte, hatte er ihr die Kette über den Kopf gestreift, wo das Kreuz dann genau zwischen ihren Brüsten zu liegen kam.

Ihre verheilende Narbe flammte blutrot auf und sie stieß einen spitzen Schmerzensschrei aus, der beiden Männern tief ins Mark drang und sie zusammen zucken ließ.
 

Mit weit aufgerissenen Augen sah Frederica Logan an.

"Bitte hilf mir! Bitte, Logan, die bösen Augen..."

Ihre Stimme erstarb und sie sackte kraftlos in sich zusammen. Warren sprang hinzu und fing ihren leblosen Körper auf, bevor sie auf den Boden aufprallen konnte.
 

"Logan, was ist los?", fragte Warren ziemlich alarmiert zu ihm aufschauend.
 

Der Angesprochene preßte die Lippen zusammen und nahm Warren Frederica ab, er war einen Moment zu geschockt gewesen, um schneller zu reagieren.
 

"Zoran de Fleur hat uns wohl ein kleines Geschenk dagelassen! Er hat irgendwie Frederica mit dem bösen Blick bedacht, das meinte sie mit den bösen Augen. Sie hat sich vorhin vor unseren Augen teleportiert, diesen Zauber hat sie noch nie zuvor angewendet. Ihre Augen leuchteten dabei grün, wie das Licht, das Zoran umgab."

Logan sah besorgt auf Fredericas schweißglänzendes Gesicht herunter und drückte kurz seinen Mund an ihre Schläfe, die sich immer noch bedenklich heiß anfühlte.
 

"Was bedeutet das jetzt? Mit dem bösen Blick bedacht?"

Warren streifte sich das Hemd über und knöpfte es schnell zu, bevor er in Socken und Schuhe schlüpfte.
 

"Ich erkläre das später! Ich bringe Frederica in die Krankenstation, kannst Du jemanden vom anderen Team alarmieren? Ich benötige die Hilfe eines Ortsansässigen."
 

Frederica bewegte sich unruhig in seinen Armen und warf den Kopf hin und her. Sie mußten sich beeilen, das Kruzifix würde sie nicht lange im Zaum halten können.
 

X X X

"Müssen wir sie wirklich festschnallen?", fragte Ororo mit seltsam dünner Stimme, die ihre Besorgnis verriet.
 

Sie blickte beunruhigt in Logans verbissenes Gesicht, während er Frederica in einem medizinischen Behandlungsraum auf einer Bahre mit Gurten festzurrte. Sie hatte Logan und Warren im Gang der Lehrerquartiere getroffen und war ziemlich erschrocken über Fredericas Zustand gewesen. Das Ganze erinnerte sie an den Vorfall, als Jean noch von dem Urwesen besessen gewesen war, und es machte ihr ziemlich Angst, weil diese Art der Bedrohung außerhalb ihres sonstigen Wirkungskreises lag.

Der Alptraum des vergangenen Einsatzes war also noch nicht vorüber.
 

"Glaub mir, das macht mir bestimmt keinen Spaß! Aber sie könnte sich oder einen anderen ernsthaft verletzen. Sie wehrt sich ziemlich heftig gegen die fremde Macht."

Logan legte ihr eine feuchte Kompresse auf die inzwischen glühende Stirn von Frederica.

"Wo bleibt der Kerl nur? Wir müssen uns beeilen!"
 

Logan sah ungeduldig zur Tür, die in dem Moment aufglitt. Es war jedoch nur Warren, der den Raum betrat, was Logan mit einem irritierten Stirnrunzeln zur Kenntnis nahm.
 

"Darkstar und Rictor sind unterwegs, es dauert bestimmt nicht mehr lange. Sollen wir die anderen nicht doch lieber alarmieren?"
 

Logan schüttelte den Kopf: "Nein, es reicht, wenn wir die Sache in die Hand nehmen! Frederica braucht keine medizinische Hilfe. Es geht nur um Zauberei, da können die anderen auch nichts machen. Laßt sie ruhig schlafen."
 

Warren fuhr sich nervös durch die blonde Mähne, so daß er seine Locken durcheinanderbrachte, ohne es zu bemerken. Er hatte gedacht, daß mit dem Tod des irren Zauberers die Probleme hinter ihnen liegen würden.
 

"Und wie willst Du ihr helfen? Ich dachte, Gypsy Witch sei die Einzige, die sich mit Magie und Zauberei auskennt."
 

"Ich bin der Auserwählte!", erwiderte Logan ruhig.

Sein Blick bohrte sich in Warrens helle Augen. Obwohl sein Ausspruch anmaßend geklungen hatte, entdeckte Warren in den Augen des wilden Kämpfers eine stille Demut, die oft mit großer Macht einherging.
 

"Das bedeutet, daß ich mit magischen Kräften ausgestattet bin. Als ihr Gefährte muß ich der Hexe in ihr beistehen und sie vor Gefahr schützen können. Mit dem Vollzug der Abiav wurden die Kräfte aktiviert, ansonsten hätte ich gegen de Fleur keine Chance gehabt."
 

Logan, der auf einem Stuhl neben der Bahre Platz genommen hatte, lehnte seine Stirn gegen Fredericas Hand.

Er hätte es gleich merken müssen, daß etwas mit ihr nicht stimmte, er war schließlich für sie verantwortlich! Er hätte die Zeichen nur richtig deuten müssen.

Storm trat neben ihn und legte ihm eine Hand tröstend auf die Schulter.
 

"Das muß beängstigend sein, plötzlich neue Fähigkeiten in sich zu entdecken."
 

"Das ist es nicht! Ich mache mir Sorgen, daß ich vielleicht einen Fehler mache. Es schwirren so viele Zaubersprüche in meinem Hirn herum, daß ich sie durcheinander bringen könnte. Normalerweise hat der Auserwählte Zeit, sich an das neuerworbene Wissen zu gewöhnen, wenn alles offiziell abläuft."
 

Logan sah mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen zu Ororo auf, die aufmunternd zurücklächelte: "Woher weißt Du das alles eigentlich?"
 

Warren lehnte sich mit verschränkten Armen an einen Medizinschrank, seine Flügel leicht ausgebreitet, damit die Federn dadurch keine Knicke bekamen.
 

"Ich konnte mich an das Leben vor dem Weapon-X-Projekt nicht erinnern. Aber während der Zeitreise, auf die mich Frederica unabsichtlich mitgenommen hat, habe ich ihre Urahnin getroffen, die mich eine Zeit lang auf mein künftiges Schicksal vorbereitet hat. Sie war eine mächtige Hexe und Seherin. Die Erinnerung kam dadurch wieder. Bis zum Ende des 1. Weltkrieges lebte ich bei den Zigeunern und gehörte ihrer Gemeinschaft an."
 

Die Tür glitt wieder auf und Darkstar betrat eiligen Schrittes den Raum. In ihrer rechten Hand hielt sie ein Kristallfläschchen, das sie dann Wolverine hinstreckte.

"Hier, das ist etwas ein halber Liter, reicht das? Rictor hat es abgefüllt, ohne zu fragen."
 

Logan sprang auf die Füße und nahm die Flasche mit dem kostbaren Inhalt entgegen.

"Danke! Die Menge ist nicht ausschlaggebend, es muß nur geweiht sein."
 

Logan drehte sich zu Frederica um und nahm einen tiefen Atemzug, um seine aufsteigende Nervosität zu bekämpfen. Warren stieß sich von dem Schrank ab und wollte das Zimmer verlassen, doch Logan hielt ihn am Oberarm zurück.
 

"Bitte bleib! Es könnte sein, daß Du noch mal Blut spenden mußt."

Blaue und braune Augen starrten sich sekundenlang abschätzend an, dann lächelte Archangel und ging zurück zu dem Schrank, wo er nach einem Skalpell suchte. Damit konnte er sich am schnellsten eine blutende Wunde zufügen. Er war froh, daß Logan ihm die Episode mit Frederica nicht nachtrug, sonst hätte er ihn wohl nicht zum Bleiben aufgefordert.
 

Darkstar hatte sich diskret zurückgezogen, das war eine Sache des Teams von Professor Xavier und sie hätte sowieso nicht helfen können. Sie hatte ihre Aufgabe erledigt, indem sie für die schnelle Beschaffung des Weihwassers gesorgt hatte.

Ororo wurde von Logan aufgefordert, zu Füßen Fredericas Stellung zu beziehen und sie festzuhalten, wenn es nötig werden sollte. Er selbst stellte sich an das Kopfende der Bahre und entstöpselte die Flasche.

Er beugte sich zu Frederica runter und flüsterte leise in ihr Ohr: "Du mußt mir dabei helfen, Freddy. Ich brauche dich hier bei mir!"

Er richtete sich wieder auf und hielt die Flasche über Fredericas Stirn, auf der Schweißperlen glänzten und von der heftigen Gegenwehr zeugten, die sie dem Bösen in sich leistete.

Er mußte sich nur die richtigen Worte erinnern. Der Zauber war sozusagen Grundlagenwissen der Hexerei, er konnte sogar von gewöhnlichen Menschen angewendet werden, die das Böse abwehren wollten. Es war einer der ersten Sprüche, die ihm Ceferina beigebracht hatte. Er schloß kurz die Augen und atmete dann tief durch.

Mit fester Stimme rezitierte er dann die Worte:
 

«Ich erblicke böse Augen,

Mögen sie zugrunde gehen.

Und dies heil´ge Wasser die Krankheit meucheln!

Hinfort aus deinem Kopf, aus deiner Brust,

Aus deinem Magen, aus deinen Füssen

Das Böse verscheuchen.

So auch hinfort aus deinen Händen!

Möge sich das Böse für immer abwenden!»
 

Logan goß bei jeder Wiederholung des Zauberspruches ein paar Tropfen Wasser auf die benannten Körperteile.

Ororo dachte zuerst, daß der Spruch nichts bewirken würde, doch nach etwa drei Wiederholungen begann Frederica, so heftig zu krampfen, daß sie sie fest an den Fußgelenken packte. Logan war sehr gründlich bei der Fesselung vorgegangen, so daß Frederica kaum Bewegungsfreiheit hatte, ansonsten wäre sie mit Sicherheit vom Tisch herunter gefallen.

Logan wiederholte den Spruch immer wieder, bis nur noch ein Rest in der Flasche war, und diesen goß er direkt auf die Narbe zwischen ihren Brüsten. Die Haut dampfte und zischte als hätte er kochendes Wasser über sie gegossen und Frederica schrie ihren Schmerz laut hinaus, während Tränen zwischen ihren geschlossenen Lidern hervor sprudelten. Die Wunde platzte auf und ein Schwall Blut ergoß sich über Fredericas Oberkörper, der so dunkel war, daß er fast wie schwarze Tinte aussah.

Storm blieb der Entsetzensschrei, den sie hatte ausstoßen wollen, vor Schreck in der Kehle stecken. Warren trat näher heran und Logan forderte ihn mit einer knappen Geste auf, Fredericas Wunde zu heilen, die erneut aufgeplatzt war und wieder stark blutete.

Warren setzte einen senkrechten Schnitt in die Pulsader der linken Hand, damit er schnell viel Blut weitergeben konnte. Er verzog schmerzerfüllt das Gesicht, da er den Schnitt immer wieder erneuern mußte, damit Frederica genug Blut für die Heilung von ihm bekam. Sein Selbstheilungsfaktor verhinderte unglücklicherweise nicht, daß er bei Verletzungen Schmerzen empfand.
 

"Das reicht Warren! Laß deine Wunde verheilen."
 

Ororo hatte inzwischen eine Schüssel mit warmem Wasser gefüllt und wischte das Blut mit Mullbinden so gut es ging von Fredericas Oberkörper. Die erlesene seidene Kombination war natürlich durch die Blutflecke auf ewig ruiniert. Logan befreite sie inzwischen von den Fesseln und wartete nervös, daß sie wieder zur Besinnung kam.

Als sie die Augen aufschlug und sich fragend im Raum umblickte, nahm Storm Warren bei der Hand und zog ihn aus dem Zimmer, sie wollte den beiden ein bißchen Privatsphäre gönnen.
 

Warren zog sie vor der Tür in seine Arme, weil er gesehen hatte, daß Storm ziemlich blaß um die Nase war und sie nie zugegeben hätte, daß sie jemanden zum Anlehnen brauchte.

Immer die stolze Eisprinzessin!
 

"Hey, Du mußt mir nicht die starke Frau vorspielen! Ich bin es, Warren."

Ororo seufzte leise und ließ ihren Tränen freien Lauf. Die Ereignisse der letzen Wochen und Monate forderte ihren Tribut und sie hatte sich bisher nicht einmal bei Jean richtig ausweinen können, die ja selbst genug durchgemacht hatte. Sie vermißte Warren unsagbar. Seitdem er die X-Men verlassen hatte, hatte sie einen ihrer engsten Vertrauten verloren.

Und Du bist selbst schuld daran!
 

Der Gedanke ließ die Tränen stärker fließen und Warren zog sie enger zu sich heran. Seine Flügel legten sich wie von selbst um Ororo und sie fühlte sich bald wie in einen weichen, weißen Kokon gehüllt. Man mußte genau hinschauen, wenn man ihren weißblonden Kopf noch unter den Federn ausmachen wollte.
 

"Ich glaube, dein Hemd ist jetzt vollkommen ruiniert!"

Ororo schniefte wenig damenhaft und Warren mußte unwillkürlich grinsen. Man ertappte Strom selten bei einer unkontrollierten Gefühlsregung.

Er hatte früher oft die Geduld mit ihr verloren und versucht, sie zur Weißglut zu treiben, um nur einen Funken Gefühl von ihr zu bekommen. Das war ein ziemlich kindisches und destruktives Verhalten von ihm gewesen, das wußte er jetzt.
 

Ihre Mutation erforderte emotionale Kontrolle, da sie sonst in ihrer Umgebung verheerende Wetterumschwünge bewirken konnte. Das hatte er erst verstanden, nachdem er die X-Men verlassen hatte und genug Abstand von ihr hatte, um in Ruhe über ihre Beziehung nachzudenken. Und dann war ja da noch die Tatsache, daß er früher Gefühle für Jean gehabt hatte, die ihre beste Freundin war. Das hatte das Ganze noch zusätzlich verkompliziert.

Warren tippte ihren Kopf am Kinn zu sich hoch und sah ihr forschend in die Augen.

"Alles wieder in Ordnung?"
 

Ororo blickte ihn unter tränenfeuchten Wimpern an und warf ihre Bedenken über Bord. Wenn Logan und Frederica unter solch extremen Bedingungen zueinander gefunden hatten, dann konnte sie auch etwas riskieren.

Zum zweiten Mal an diesem Nachmittag wurde Warrens Mund gegen seinen Willen von einem Kuß bestürmt, doch diesmal hielt er sich nicht zurück. Er umfaßte Ororos Gesicht und drang mit seiner Zunge in ihren Mund ein, wo ihr altbekannter, süßer Geschmack ihn begrüßte, der seine Sinne benebelte, wie es keine Frau vor ihr und keine nach ihr je vermocht hatte.
 

"Ro? Ich habe dich wirklich vermißt! Ich war so ein Idiot, das tut mir ehrlich leid.", flüsterte Warren nach dem Kuß in ihre Haare, in die er seine Hände gewühlt hatte.

Sie atmete tief durch und schmiegte ihr Gesicht in seine Halsbeuge.
 

"Nicht nur Du, Warren. Wirst Du bei uns bleiben?"
 

"Ich denke schon, auch wenn ich mich immer mal wieder um die Firma kümmern muß."
 

Ororo seufzte erleichtert, das war ein großes Zugeständnis, das Warren ihr da gerade machte.

"Wie wäre es Prinzessin, wenn wir beide uns vor der Heimreise noch etwas ausruhen?"
 

Ororo zog ihn im oberen Stock mit einem kleinen Lächeln zu sich ins Zimmer. Ausruhen, das konnten sie auch noch machen, wenn sie wieder Zuhause waren.
 

. . .

Logan und Frederica lagen sich indessen auch in den Armen. Er hielt sie nur fest an sich gedrückt und strich ihr beruhigend über den Kopf, da sie leise weinte. In seinen eigenen Augen sammelten sich Tränen der Erleichterung, doch er hielt sie mit aller Macht zurück. Er wollte Frederica nicht zusätzlich belasten, sie hatte schon genug mitgemacht.

Und zur Hölle, er hatte es geschafft, die letzten Hundert Jahre die Beherrschung zu wahren, da konnte er es auch noch eine Weile länger aushalten!
 

"Geht es wieder?"

Logan hob ihren Kopf zu sich an und sah ihr forschend in die vom Weinen geröteten Augen. Frederica schluckte und atmete tief durch, Logan sah so besorgt aus, daß sie es schaffte, den Tränenfluß schließlich einzudämmen.
 

Mit einem etwas zittrigen Lächeln auf den Lippen konnte sie ihm endlich antworten: "Ja, ich denke schon. Habe ich, habe ich jemanden verletzt?"
 

Logan zog sie wieder in seine feste Umarmung und schüttelte den Kopf, während er sein Gesicht in ihren Haaren vergrub.

"Nein, Du warst nur nicht mehr ganz Du selbst, Darling!"

Logan verzog den Mund und beschloß, daß sie nicht wissen mußte, was wirklich passiert war. Das war ja nicht sie gewesen, die sich so provokativ verhalten hatte, sie hatte ja nicht einmal mehr eine genaue Erinnerung daran.
 

Nach einigen Minuten wickelte Logan Frederica fürsorglich in eine warme Decke und trug sie zum Lift, der sie in die Etage von Ms Zimmer brachte. Dort nahm Frederica schnell eine Dusche und kroch anschließend zu Logan ins Bett, in dem er schon auf sie gewartet hatte.
 

"Du hast dir deine Flitterwochen bestimmt anders vorgestellt, Logan.", gab sie mit einem kleinen, bekümmerten Seufzen von sich, während sie sich vertrauensvoll in die Arme ihres Mannes schmiegte und ihren Kopf auf seine Brust bettete.
 

"Hm, ich hätte gut auf die Sorge um dich verzichten können, aber wir haben Zoran erledigt und das ist doch ein ziemlich willkommener Nebeneffekt unserer kleinen Reise in die Vergangenheit. Und ich mache mir wegen der Flitterwochen keine Sorgen, wo wir doch für den Rest unseres Lebens Zeit haben werden, sie auszuleben."

Logan drehte Frederica auf den Rücken und beugte sich über sie, indem er sich mit einem Ellenbogen aufstützte. Mit seiner freien Hand umfaßte er ihr Gesicht und strich mit dem Daumen zärtlich über ihre volle Unterlippe.
 

"Müde?", fragte er neckend, während sein warmer Atem die empfindliche Haut ihres Ohres streifte und ihr eine wohlige Gänsehaut verursachte.

Frederica hätte nicht gedacht, daß sie noch genug Energie übrig hätte, um die Augen noch lange offen zu halten. Doch das Verlangen nach Logans Nähe kochte in ihr hoch und wirkte wie ein Aufputschmittel, das heiß durch ihre Adern schoß.

Ihre Lippen trafen sich zu einem verzehrenden Kuß und ihre heißen, nackten Körper verschmolzen in der innigen Umarmung der Liebenden ineinander. Der Akt der Liebe, den sie miteinander teilten, wischte den Alptraum der vergangenen Stunden hinfort, zumindest für die Zeit, in der Frederica Erholung tanken sollte.

Logan sorgte dafür, daß sie an nichts anderes mehr denken konnte, trieb sie bis zur vollkommenen Erschöpfung an, bis sie warm und weich an ihn geschmiegt mit einem entrückten Lächeln in einen tiefen, erholsamen Schlaf glitt. Logan lauschte ihrem galoppierenden Herzschlag, bis er sich beruhigt hatte und er sicher sein konnte, daß sie wirklich tief und fest schlief, dann erst gestattete er es sich selbst, daß seine Augen zufielen.
 


 

Fortsetzung folgt...



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