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100% Sorglospunks!

von

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Rotes Gras – schwarzer Tod?

Es begann damit, dass das Gras im Vorgarten und in dem wesentlich größeren Garten hinter dem Haus braun und trocken wurde.

Jack, das Multipercussionswunder, war die erste, der dieser Umstand auffiel.

„Easy, du musst den Garten gießen!“, rief sie zu ihrer Zwillingsschwester in den ersten Stock hinauf. Denn dort brütete die Frontfrau und Songwriterin wider Willen über neuen Texten.

„Mach’s doch selbst!“, gab diese lautstark zurück. Schließlich ließ sich doch ein waschechter Sorglospunk von niemandem irgendetwas sagen.

Und so blieb der Rasen ungegossen. Schließlich fühlte sich auch Gitarrist Chris schon aus Prinzip nicht zuständig und die Bandmanagerin Nifen ging davon aus, dass die drei Sorglospunks sich schon einigen würden, besonders da sie ja nur für die Zimmerpflanzen verantwortlich war und mit dem Rasen nichts zu tun hatte. Die Bandmuse Abranka weilte derzeit auf einem Kongress zum Thema ‚Genies der Musikgeschichte’, während Bandphilosoph LennStar eine philosophische Reise durch Indien unternahm.
 

Zwei Tage später fiel den Vieren beim Frühstück etwas Beunruhigendes auf. Nach dem ersten Schluck Hallo-wach-Kaffee merkte Chris nüchtern an: „Der Rasen ist rot.“

„Oh mein Gott!“, entfuhr es Jack, während Easy kreischte: „Der Garten brennt!“ und nach draußen stürmte, um Abhilfe zu schaffen. In ihrer Aufregung bemerkte sie den Mangel an Flammen, Hitze und Feuer an sich erst, als sie die Wiese schon vollkommen unter Wasser gesetzt hatte.

„Nun, Feuer ist es nicht“, meinte Nifen trocken, als sie nach draußen getreten waren, und sich bückte, um einige Halme abzuzupfen.

„Farbe auch nicht“, ergänzte Jack mit gerunzelter Stirn. Die Halme waren tatsächlich durch und durch rot.

„Eine der sieben Plagen?“ Chris sprach den Gedanken aus, ehe er weiter darüber nachgedacht hatte. Sofort zeigte Jacks Gesicht eine äußerst sorgenvolle Miene, war sie doch schließlich die Erstgeborene der Zwillinge.

„Nee…“ Nifen schüttelte energisch den Kopf. „Bei den sieben Plagen wird das Wasser rot und nicht das Gras. Und unser Wasser hier ist doch vollkommen klar. Nein, das kann keine der Plagen sein.“

„Aber was ist es dann?“ Jack war noch immer sichtlich unbehaglich zumute.

„Momentan einfach nur rotes Gras.“ Nifen hob die Schultern.

„Vielleicht ist das ja nur ein blöder Scherz“, vermutete Easy, die sich jetzt doch ein wenig blöd vorkam, weil sie so hektisch reagiert hatte.

Mit einem kurzen Lächeln wuschelte Jack ihr durch die Haare. „Komm, wir machen ein paar Fotos und stellen die ins Netz. Dann ist das da“ – sie deutete auf die rote Gras-Matschfläche – „wenigstens zu irgendetwas nutze.“
 

Weitere zwei Tage später wurde die aktuelle Hitzefront durch Regenwetter abgelöst. Doch während woanders dicke Tropfen vom Himmel prasselten, war es bei einem kleinen 08/15-Einfamilienhaus mitten im Schwabenland anders. Dort bestand der Regen nicht wie gewohnt aus Wassertropfen, sondern aus kleinen silbrig-pinken Glitzerflocken, die leise zu Boden sanken.

„Pink…“, stöhnte Nifen auf. Denn dieses Glitzerzeug sah auf dem noch immer roten Rasen – der a) zur Attraktion der Nachbarschaft geworden war und b) der Bandhomepage einige Tausend Klicks beschert hatte – ziemlich verboten aus.

„Zumindest sind es keine Frösche“, sagte Chris trocken und betrachtete das Schauspiel, während er sich in Gedanken Froschmatsche vorzustellen versuchte.

„Oder Hunde und Katzen“, fügte Easy hinzu. „Kiwi fände das nicht toll. Ganz und gar nicht.“

Kiwi war ihres Zeichens nicht nur eine hübsche getigerte Katze, sondern auch das Bandmaskottchen.

Jack holte ohne ein weiteres Wort die Kamera.
 

20.000 Klicks aka zwei Tage später lag das pinke Glitzerzeugs noch immer auf dem roten Gras. Misstrauisch beäugten Bandmanagerin und Sorglospunks das Geschehen draußen. Nach Adam Riese und gemäß all ihren Erfahrungen mit Murphy musste heute quasi wieder etwas geschehen. Und das tat es auch.

„Sagt mal, wird der Teich größer?“ Easy starrte die kleine Wasserfläche neben Lenns derzeit unbewohntem Fass an.

„Du spinnst!“, hatte Jack schon auf der Zunge liegen, doch mit bereits geöffnetem Mund verstummte sie.

Der Teich wurde tatsächlich größer! Und dunkler!

„Hilfe…“, jammerte Chris leise, als das schwarze Wasser über das Ufer trat und das Fass umspülte.

Nifen zog eine Augenbraue nach bester Vulkanier-Manier hoch. „Okay, wir brauchen ganz eindeutig Hilfe.“

„Chiiiiiii!“, rief Easy nur und stürmte Richtung Telefon.

Chibichi, der Teufel höchstpersönlich, hatte zwar schon viel gesehen und gehört, aber das hier war ihr alles vollkommen neu.

„Hör zu, Easy, ich kann hier dummerweise gerade nicht weg, sonst wäre ich ja schon längst im Turboaufzug. Die Furien haben Luzifer bekniet, sie wieder einzustellen, und diese Bande binde ich mir nicht wieder ans Bein. Das ist zu gefährlich! Aber jetzt muss ich mit ihm darüber debattieren…“

„Ich dachte, mit denen ist alles wieder gut.“ Easy runzelte die Stirn.

„Quatsch. Das sind Furien. Rachegeister. Was glaubst du, was die letztlich antreibt?“ Chibichi stockte. Ihr kam da ein Gedanke. „Holt Abranka aus ihrer Tagung. Sie muss zu euch kommen. Sofort! Und ich versuche, das hier so gut abzukürzen, wie es nur geht. Und Easy: Seid vor allem vorsichtig!“

Von dem Teufel eingeschüchtert und nun besorgter als zuvor legte Easy auf und berichtete wortgetreut, was Chibichi gesagt hatte.

Mittels ihres Hell-o-Berry war es für Nifen kein Problem, Abranka auf dem Olymp zu erreichen. Die Muse erkannte die Notlange sofort und rief nur: „Ich bin in zwei Stunden da!“, ehe sie wieder auflegte.
 

Die zwei Stunden zogen sich wie Kaugummi. Die drei Sorglospunks und ihre Managerin behielten den Garten im Auge, als wenn das rote Gras, das pinke Glitzerzeug und das schwarze Wasser, das bei Lenns Fass aufgehört hatte zu steigen, jederzeit aufspringen und sie attackieren könnte.

Sobald die Muse da war, wurde Kriegsrat gehalten.

„Eine Entwarnung haben wir schon mal: Hermes ist gerade anderweitig beschäftigt“, erklärte Abranka. „Der ist nämlich gerade in Zeus’ Auftrag beim alten Rauschebart und vor einem großzügigen Abendmahl kommt der da nicht weg.“

„Chi hat gerade noch mal angerufen und bestätigt, dass die drei Furien unten bei ihr sind und persönlich um Wiedereinstellung betteln. Die scheiden wohl auch aus“, fügte Nifen hinzu.

„Aber wer könnte dann dahinter stecken?“, fragte Chris in die Runde. „Das ist alles kaum ein Zufall.“

„Nein, wirklich nicht.“ Jack zog die Nase kraus.

„Und die Carelesspunks? Was, wenn die irgendetwas damit zu tun haben?“ Easy war diese schlechte Sorglospunkskopie immer noch ein Dorn im Auge, den sie tatkräftig verabscheute.

„Easy, ruf mal Chuck 1 an und bitte ihn, da vorbeizufahren und Nachforschungen anzustellen.“

„Menno, Nifen. Warum immer ich?“, schmollte die Frontfrau.

„Ganz einfach: Weil er das dir zuliebe sofort macht.“ Nifen lächelte und reichte Easy das Telefon.
 

Chuck 1 ließ sich natürlich nicht lange bitten. Er schwang sich direkt in den klapprigen Kükenbulli und sauste los.

Das bedeutete erneutes Warten. Und diese Zeit nutzten Abranka und Nifen für einige gemeinsame Recherchen. Währenddessen verriet die Muse Nifen einen Verdacht, der sich langsam zu erhärten schien.

„Sprich: Wenn es die Carlesslis nicht sind, muss es wohl so sein…“, fasste Nifen ihre gemeinsamen Überlegungen zusammen. Abranka nickte nur.
 

„Wir haben Antwort von Chuck!“, rief Jack schließlich hinüber und schnell flitzten die zwei wieder zu den anderen.

Easy legte gerade auf und verkündete: „Die Carlesspunks sind zu Hause auf dem Sofa und gucken ‚Das Geständnis – heute sage ich ihm alles!’.“

„Iek, gruselig!“, entfuhr es Jack.

„Aber Chuck hat nichts Verdächtiges feststellen können. Die sind wohl sauber“, fügte Easy leicht enttäuscht hinzu. Schließlich war den Carelesspunks absolut alles bis auf Unschuld zuzutrauen.

„Das bedeutet…“, setzte Nifen an, wurde aber von Chris unterbrochen: „Dass wir absolut keine Ahnung haben?“

„Nee, dass du die Klappe halten sollst, damit Nifen ausreden kann!“ Jack verpasste dem Gitarristen eine bedingt liebevolle Kopfnuss.

„Das bedeutet…“ Die Bandmanagerin ließ sich gar nicht aus der Ruhe bringen. „…dass wir es mit einem Kreativen Poltergeist zu tun haben.“

„Uh, Geister!“ Das gefiel Chris nicht besonders, waren doch Geister und ähnliche Gruselgestalten nicht so unbedingt sein Ding.

„Nein, nicht Geister, nur ein Geist.“ Easy tätschelte ihm tröstend die Schulter.

„Und was will der Geist? Er muss ja was wollen, wenn er uns nervt“, mischte sich jetzt Jack ein.

„Nun, das müssen wir herausfinden“, erwiderte Abranka.

„Und wie das?“

„Wir interpretieren seine Zeichen. Denn Poltergeister sprechen nicht.“

„Rotes Gras, pinker Glitzerschnee und schwarzes Wasser? Was soll das denn bitte bedeuten???“ Chris’ Stimme überschlug sich fast.

„Wir fragen Murphy. Als Dämonenkater sollte der doch eigentlich Poltergeistisch verstehen“, warf Nifen in die Runde.

„Und wo ist der gerade?“ So langsam war Jack genervt.

„Na, bei Kiwi. Den hält’s doch nie lange in der Hölle.“ Nifen grinste breit und marschierte los, um Murphy zu holen.

Derweil klingelte Easy bei Chi durch, damit der Teufel die Katzisch-Übersetzung übernehmen konnte.
 

Die Übersetzungskette war zwar auf den ersten Blick etwas kompliziert, funktionierte dafür aber erstaunlich gut. Murphy maunzte in Richtung Telefonlautsprecher, was er von den Poltergeistzeichen hielt, während Chibichi das wiederum übersetzte.

„Wir brauchen irgendwann einmal einen Universaltranslator“, murmelte Jack leise.

Etwa fünfzehn Minuten später hatten die Sorglospunks eine ungefähre Vorstellung von dem, was der Poltergeist wollte. Erstens wollte er ihre Aufmerksamkeit, was sie sich ja eh schon gedacht hatten. Zweitens wollte er, dass sie ihm einen Gefallen taten, was auch nicht gerade unerwartet kam. Tja, und drittens war dieser Gefallen doch etwas unerwartet. Der Poltergeist war nämlich niemand anderes ein junger Komponist, der tragischerweise sein Ableben bei einem Autounfall mit einem Möbelwagen gefunden hatte und dabei von einer Kommode erschlagen worden war. Da er allerdings seine einzige große Komposition noch nicht hatte fertig stellen und der Welt vorführen können, war er als Geist zurückgeblieben – in dieser Kommode. Und diese hatte ihren Weg in die Sorglospunks-WG gefunden. In dieser Kommode hatte der Geist viel Zeit verbracht und sich nicht sehen lassen, da er zu sehr mit seinem tragischen Schicksal beschäftigt gewesen war. Erst als er sich langsam mit seinem Geisterdasein abgefunden hatte, war ihm aufgefallen, dass er sich in der Nähe einiger junger, vielversprechender Musiker befand, die ihm vielleicht helfen konnten, seinen Traum zu verwirklichen. Daher hatte er begonnen, zu versuchen, sich ihnen verständlich zu machen. Angefangen hatte es mit Rappeln in Schränken und Klirren von Tassen und Gläsern, dem Verstreuen von Kaffee („Sorry, Kiwi, dass wir dich in Verdacht hatten!“) und schließlich mit den gezielten jüngsten Großaktionen.

„Faszinierend, was da alles drin steckte…“, murmelte Abranka und schüttelte den Kopf. Murphy warf ihr einen langen Blick zu, der deutlich sagte, dass sie doch bitte schön still sein sollte, weil er schließlich Ahnung hatte.

„Wie hat er das eigentlich gemacht?“, erkundigte sich Chris vorsichtig. Möbel rücken, Geschirr klirren lassen – das konnte ja noch nachvollziehen. Aber rotes Gras, pinkes Glitzerzeugs und schwarzes Wasser? Das ging doch bitte schön über die Durchschnittsfähigkeiten eines Geistes hinaus, oder?

Doch auch dafür gab es eine Erklärung: Jeder Kreative Poltergeist besaß quasi ein gewisses Kontingent an übernatürlichen Ereignissen, das er abrufen konnte. Drei Stück waren das pro Geist. Und ihr persönlicher Poltergeist hatte mit diesen drei Dingen eben dieses Kontingent ausgeschöpft.

„Uff“, machte Chris leise. Er hatte schon Böses für die Internetverbindung der WG befürchtet.

„Na, dann lass ihn mal seine Noten rüberrücken, Chris bastelt dann dran rum und Easy schreibt einen Text dazu“, entschied Jack, die den Poltergeist möglichst schnell beruhigt sehen wollte. „Könnte sich der Geist übrigens auch mal zeigen? Ich mag es nicht, mit irgendwelchen Unsichtbaren unter einem Dach zu leben!“

„Leider hat er es versäumt, seine menschlichen Gestalt mittels Konzentration beizubehalten“, kam Chibichis erklärende Stimme aus dem Telefon. „Aber Mehl oder Kaffeepulver sollten in seinem Ektoplasma hängen bleiben, sodass seine Gestalt zu sehen ist.“

Easy flitzte sofort los, um Mehl zu holen – Kaffee war schließlich zu wertvoll –, und Nifen erkundigte sich nach dem Namen des Geistes.

„Lars.“

Nifen zog eine Augenbraue hoch. Ein Geist namens Lars. Ein bisschen cooler hätte er ja schon heißen können… Das machte auf der Homepage schließlich etwas mehr her.

Mit etwas Mehl war Lars zu Gestalt geholfen – die akut an die klassischen Bettlakengespenster erinnerte – und er konnte immerhin mit einem Stift auf ein Blatt Papier seine Noten selbst malen.

„Klasse, warum hat er uns denn nicht einfach geschrieben, sondern diesen Zirkus veranstaltet?“, moserte Jack leise, während Easy bereits artig auf ihrem Bleistift herumkaute und von Abranka kräftig inspiriert wurde.

„Ich wage zu bezweifeln, dass wir ihm geglaubt hätten.“ Nifen zog eine Augenbraue hoch. Denn auch wenn viele komische Dinge im Hause Sorglospunks geschahen, hieß das noch lange nicht, dass sie wirklich alles auf Anhieb glaubten. Einem Brief war leichter zu misstrauen, wie wenn Lucky Luke oder die Grinsekatze tatsächlich vor der Tür standen.
 

Drei Stunden später war es so weit. Die Sorglospunks hatten ihre Instrumente im Garten aufgebaut, damit auch ja die ganze Nachbarschaft ihren neusten Song hören konnte – denn das würde Lars die gewünschte Erlösung beschaffen. Und Chris hatte aus Lars’ Melodie eine tolle Punkballade gebastelt, die sich wirklich hören lassen konnte.
 

„Mit rotem Gras, da fing alles an.

Das war die erste Botschaft von dir.

Pinker Schnee, der kam dann dazu.

Und schwarzes Wasser, ohohooo

So drohend wie der Tod.
 

Und du, du bist da.

Irgendwo, wo ich dich nicht sehen kann.

Ich dich nicht sehen kann.

Nicht sehen kann.
 

Und mit rotem Gras, da riefst du nach mir.

Und mit pinkem Schnee, da sprachst du mich an.

Und mit schwarzem Wasser, da schriest du hinaus

in die Welt:
 

Ich bin da, ich bin da.

Irgendwo, wo du mich nicht sehen kannst.

Mich nicht sehen kannst.

Nicht sehen kannst.
 

Und ich weiß, ja, ich weiß,

du bist hier und du bist ein Geist.“
 

Es machte nur leise „Puff“, als sich Lars, der Poltergeist, auflöste und seiner Erlösung entgegenstrebte. Er hinterließ nur dieses Lied und einen kleinen Haufen Mehl auf dem roten Gras.



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