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100% Sorglospunks!

von

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Original vs. Fälschung

„Habt ihr das schon gesehen???“ Hysterisch mit einem offensichtlich von seinem ursprünglichen Bestimmungsort abgerissenen Plakat in der Hand stürmte Easy in das Wohnzimmer der Sorglospunks-WG. Dort saßen Nifen, Abranka und Chris gerade zusammen. Während Chris hingebungsvoll seine Gitarre polierte und darüber die Welt nahezu vergaß, schauten Nifen und Abranka mit großer Faszination die Verfilmung von „Stolz und Vorurteil“ aus dem Jahre 1940. Bei beiden hatte der SuV-Virus zugeschlagen und hielt sie hartnäckig in seinem Bann.

„Mhm?“ Nifen zwang sich dazu, sich vom Bildschirm loszureißen.

„Was?“, erkundigte sich Abranka und blinzelte aus dem Augenwinkel weiterhin zu Elizabeth und Mr. Darcy hinüber.

„Na, das hier!!!“ Man konnte die Ausrufezeichen hinter Easys Worten nahezu hören. Sie hielt das Plakat hoch.

‚The Carelesspunks’ stand dort in riesengroßen, hellgelben Lettern. Darunter war amateurhaft eine Gitarre mit Flossen gemalt.

„Die machen uns nach!!!“, rief die Sängerin der innovativen und wenigstens zweitbesten Band der Welt – der Sorglospunks, deren Logo übrigens eine Gitarre mit Flügeln war –, beinahe panisch aus.

„Dann aber schlecht.“ Nifen zog eine Augenbraue hoch. Abranka grunzte nur zustimmend und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder voll und ganz auf das Bildschirmgeschehen. Chris hatte noch nicht einmal kurz von seiner Gitarre aufgeblickt, sondern fuhr weiter liebevoll mit dem weichen Lappen über das Holz.

Empört stemmte Easy die Hände in die Hüften. „Das ist eine ernsthafte Bedrohung! Die wollen uns nachmachen!!!“

„Nein, das ist keine Bedrohung, sondern vielmehr eine Ehre, weil die euch so toll finden, dass die wie ihr sein wollen.“

Easy schnaubte vernehmlich. „Das glaubst du doch wohl selber nicht. Das ist Vorsatz! Vorsätzlicher Diebstahl! Nichts anderes! Und sowieso… Wo ist überhaupt Jack?“

Kaum gesagt, stürmte diese schon in das Wohnzimmer der sorglosesten Punkband der Welt.

„Habt ihr das schon gesehen???“

„Hat sie auch ein Plakat in der Hand?“, erkundigte sich Abranka, ohne Mr. Darcy aus den Augen zu lassen.

„Nein, sieht eher nach einer Zeitung aus“, erwiderte Nifen, die das Multipercussionswunder Jack aus dem Augenwinkel fixiert hatte.

„Mist.“ Damit drückte die Muse auf die Pausetaste des DVD-Players und richtete ihre Aufmerksamkeit nun tatsächlich auf Jack, die langsam wieder zu Atem kam. Nifen tat es ihr gleich und auch Chris blickte von seiner Gitarre auf.

„Hört euch das an“, keuchte Jack und begann vorzulesen, was in dem Artikel des dörflichen Käseblatts stand: „Die junge Punkbank The Carelesspunks ist die große Neuentdeckung dieses Winters. Mit frechen, unerwarteten Texten, dynamischer Musik und guter Laune eroberten sie am letzten Samstag den Stadtpark mit einem kostenlosen Konzert im Schnee. Innerhalb weniger Minute waren die Wiesen voll von begeisterten Zuhörern, die aus dem Jubeln kaum mehr herauskamen. Frontfrau Flimsy zeigte sich von der Stimmung begeistert und betonte, dass sie genau deswegen aus der Hauptstadt ins Schwabenland gezogen seien. Gitarristin Union, die sie als ihre Zwillingsschwester bezeichnete, obwohl sie sich bis auf die Haarfarbe nicht ähnlich sehen, war ebenfalls äußerst angetan und verkündete, dass unsere kleine Stadt zukünftig ihr Zuhause sein solle. Der Drummer Lutz war zu keiner Äußerung zu bewegen, da er die gesamte Zeit sein Schlagzeug polierte.“

„Die machen uns nach!!! Und zwar voll mit Absicht!!!“, rief Easy aus, kaum dass Jack geendet hatte.

Der Rest der Truppe sah sich an. Nifen, Abranka und Chris mussten einräumen, dass die Sorge der Zwillingsschwestern wohl doch begründet war.

„Ich recherchiere über die“, verkündete Nifen, waren doch gerade Recherchen für sie als Bandmanagerin absolutes Fachgebiet, und stürmte gen schneller PC davon.

„Ich helfe ihr“, entschied Chris und flitzte hinterher. Zuvor legte er seine Gitarre aber noch liebevoll bei Seite.

„Schreib einen neuen Song, Easy“, schlug Jack vor. „Wir brauchen einen echten Hammer, der alle Welt davon überzeugt, dass wir das Original sind und die überhaupt nichts.“

Entgegen ihrer sonstigen Ich-drücke-mich-vor-dem-Song-schreiben-Art salutierte Easy stramm und griff sofort nach Abrankas Arm.

„Los, wir müssen einen Hit schreiben!“
 

Zwei Stunden später hatten Muse und Songwriterin vom Texten die Nase voll und entschieden, bei einer großen Tasse heißem Kakao mit viel Sahne eine Kreativpause zu machen. Jack schlug auch recht schnell bei ihnen auf – sie hatte in der Zwischenzeit Nifen und Chris tatkräftig bei ihren Recherchen und dem Pläneschmieden unterstützt. Irgendwer musste schließlich dafür sorgen, dass sie nicht wieder im Cowboy-Outfit irgendwo auftraten.

Wenig später folgten noch Chris und Nifen zu dem erneuten Sorgloskriegsrat in der Küche. Auch wenn der heiße Kakao eine gewisse Linderung für jegliche Art von Aggressivität mit sich brachte.

Eines stand schnell fest: „Wir müssen die im direkten Vergleich schlagen und allen zeigen, dass wir das Original sind und niemand anderes.“ Das waren Jacks weise Worte, die keiner der Anwesenden bezweifelte.

„Aber… wie das anstellen?“, hakte Abranka sofort nach und erntete von Nifen ein breites Grinsen.

„Nun, auf ihrer Homepage haben die Carelesspunks“ – Easy warf dazwischen: „Widerliche Nachmacher!“ – „ihre Auftrittsdaten stehen und ich konnte euch für den kommenden Samstag bei der gleichen Veranstaltung unterbringen.“

„Und das wäre?“, fragte die Muse mit hochgezogener Augenbraue. Sie war ungeduldig, wussten doch Chris und Jack schon längst über alles Bescheid, nur sie und Easy nicht. Und Easy war gerade sowieso nur als sehr bedingt zurechnungsfähig einzustufen.

„Die spielen in einem Club… Dem Manhattan. Und wir treten nach denen auf und zeigen denen mal, was es heißt, das Original zu sein.“ Jack malte kampfeslustig mit den Worten ihren Sieg in die Luft.

„Sagst du auch noch, was der Nachteil daran ist?“, warf Chris ein und verzog das Gesicht, um ganz deutlich zu machen, dass er davon nichts hielt.

„Nachteil?“ Easy war sofort voll da und funkelte Nifen und ihre Zwillingsschwester an. „Was für ein Nachteil?“

„Na ja… Erstens bekommen wir kein Geld für den Auftritt und zweitens… wenn wir schlechter sind als diese Careless-Kerle, dann können wir wohl unseren Ruf vergessen…“, sagte Jack kleinlaut.

„Aaaaaber ohne Risiko kein großer Sieg.“ Nifen klang entschieden und äußerst überzeugt. „Glaubt an euch und ihr werdet sie besiegen.“

„Genau! Die sind doch bloß ne schlechte Kopie!“, jubelte Easy.

Abranka sah das Ganze schon etwas skeptischer und nutzte die Gelegenheit, sich zu einem kurzen Telefonat zu verdrücken. Der Sorglosfan Nummer eins und niemand anderes als der Teufel höchstpersönlich in Personalunion musste dringend von dem informiert werden, was hier vor sich ging. Und vielleicht konnte sie ja durchaus mithelfen und „ihren“ Sorglospunks beistehen…
 

Das Manhattan war ein Club, der sich bemühte, weltgewandt und international und besonders nach New York auszusehen. Da er jedoch die kleinstädtisch-provinzielle Sicht von New York widerspiegelte, hatte er mit der tatsächlichen Großstadt im fernen Amerika ungefähr so viel gemein wie eine Kuh mit Skispringen.

Nervös sahen sich die Sorglospunks inklusive der Zwei-Frau-Crew aus Nifen und Abranka (Chibichi hatte widerwillig absagen müssen, weil ihr schon wieder eine Himmel-&-Hölle-Konferenz dazwischen gekommen war, hatte aber angeboten, Murphy auf Abruf bereitzustellen) um, konnten aber in dem sich langsam füllenden Club ihre Widersacher nicht ausmachen. Hinter der Bühne jedoch, wo sich Umkleide und Aufenthaltsraum für die Künstler befanden, traf man sich jedoch.

Noch ehe irgendein Wort gefallen war, hatte Jack Easy auch schon am Arm gepackt und hinderte sie vorsorglich daran, sich auf ihre Gegenspieler zu stürzen.

Die Carlesspunks sahen den Sorglospunks so ähnlich wie ein Komplementärfarbenbild dem Original: ähnlich, aber eindeutig nicht gleich. Die Pseudozwillinge – denn dass das keine Zwillinge waren, sah man auf dem ersten Blick und spätestens an der Nase! – Flimsy und Union waren hellblond und hatten Sommersprossen und Lutz besaß leuchtendrotes Haar, das ihm buschig vom Kopf abstand. Die Art, wie er in Parodie auf Chris seine Drumsticks polierte, brachte den sorglosen Gitarristen dazu, sich beinahe auf ihn zu stürzen. Doch wieder war Jack schneller und packte ihren Bandkollegen am Schlafittchen.

„Schön euch zu treffen“, säuselte Jack, während sie Easy und Chris auf ein durchgesessenes Sofa bugsierte und wie ein Wachhund vor ihnen stehenblieb. „Ihr habt echt einen interessanten Bandnamen.“

„Danke.“ Flimsy strahlte ihre Konkurrenz an. „Es ist auch toll euch zu treffen…“

„…damit wir euch zeigen können, dass wir viel besser sind“, ergänzte Union und warf damit den Fehdehandschuh in die Runde.

Jetzt konnte auch Jack Easy nicht mehr bändigen.

„Ach ja? Wir sind tausendmal besser als ihr! Ihr habt ja noch nicht einmal einen gescheiten Manager!“, rief die Sorglospunks-Frontfrau aus und sprang auf.

„Wie kommst du denn darauf? Er muss uns nur nicht wie ein Kindermädchen betüddeln“, gab Union süffisant zurück, während Flimsy leise kicherte. „Und er sieht besser aus als eure Anzugheldin.“

Nifen zog die Augenbraue hoch. Hossa… Da war aber Gift im Spiel.

„Nifen sieht toll aus! Und sie ist die beste Managerin der Welt!“, explodierte Easy.

„Wie wäre es denn mit einem Wettkampf?“, schlug Jack betont lässig vor. „Wer das Publikum überzeugt, ist die bessere Band. Oder habt ihr Angst?“

„Wir und Angst vor euch? Niemals!“, rief Union aus. „Wir werden das Publikum im Sturm erobern und ihr müsst danach auf dem Boden kriechen!“

Natürlich brachte dieser Vorschlag nicht mehr Ruhe in die Situation, im Gegenteil.

Flimsy und Easy brüllten um die Wette, Chris und Lutz waren kurz davor, sich mit Drumsticks und Gitarre zu verprügeln und Jack und Union funkelten sich derart an, dass Nifen und Abranka, die natürlich unsichtbar bei der Band war, sich sicher waren, dass bei den beiden als erstes Blut fließen würde.

Gott sei Dank wurden dann die Carelesspunks auf die Bühne gerufen.

„Grauenhaft.“ Nifen schüttelte den Kopf. „Die sind so eine schlechte Kopie und so etwas von sich überzeugt. Widerlich.“

„Wenn es dich beruhigt: Sie haben keine Bandmuse. Jedenfalls noch nicht. Dafür müssen gewisse Voraussetzungen an Genialität, Originalität und Erfolg vorhanden sein und das besitzen die drei offenbar noch nicht“, sagte Abranka und flog dicht neben Nifens Ohr, um sich leise mit ihr unterhalten zu können.

Die Sorglospunks und ihre Zwei-Frau-Crew standen nun hinter der Bühne und beobachteten von dort den Auftritt der Carelesspunks.

„Das heißt, die könnten eine bekommen?“ Nifens Miene verfinsterte sich.

„Möglich wäre es.“ Abranka hob die Schultern. „Es ist auf jeden Fall nicht auszuschließen.“

Nifen seufzte tief. „Ich wette, dann werden die erst wirklich unausstehlich…“

Und mit diesen düsteren Worten schwieg Nifen dann und lauschte dem ersten Song der Carelesspunks.
 

Die Band bot genau das, was die Sorglospunks insgeheim erwartet hatten: Amateurhafte Fähigkeiten an den Instrumenten auf Anfänger-Schulbandniveau und pseudolustige, pseudointellektuelle Sorglos-Gute-Laune-Songtexte in schlechtem Schulenglisch. Kurzum: Das Original war besser. Und das nicht nur aus einem vollkommen voreingenommenen Blickwinkel. Auch das Publikum, das den Carelesspunks natürlich weitaus neutraler gegenüberstand, zeigte keine übermäßig große Begeisterung. Somit bestand für die Sorglospunks also die berechtigte Hoffnung, dass sie als Original weitaus besser aufgenommen würden als ihre schlechte Kopie.

Während die Carelesspunks gerade von Bananenregen und Butterbrotsoße sangen, machten sich die Sorglospunks bereit. Es gab einen fliegenden Wechsel, bei dem Lutz Chris die Drumsticks in den Bauch piekste, Jack Union ein Bein stellte und Easy von Flimsy zu Boden geschubst wurde. Dann standen die Sorglospunks auf der Bühne. Und mit ihnen niemand anderes als ihre unsichtbare Muse. Es war klar, dass sie wenigstens einen neuen Hit bringen würden. (Dessen Grundthema hatten Easy und Abranka ja schon erarbeitet.) Aber vorher gab es erst einmal eine ihrer Bandhymnen, denn die war bekanntlich ein toller Eisbrecher und ein wirklicher Kracher.
 

Zwei Songs später war es dann so weit. Abranka ließ die Inspirationsblitze fliegen und die Sorglospunks waren bereit, mit ihrem neusten Hit loszulegen.

„Und hier ist er, der ganz brandneue Song nur für euch und unsere liebe eklige Konkurrenz!“, schrie Easy ins Mikro und legte dann unter der Begleitung von Jack und Chris los:
 

„Klaut uns nicht unsern Namen

Versucht nicht zu sein wie wir

Denn wir, wir sind einmalig

Ja, wir sind einzigartig

Und ihr, ja ihr

…nur Nachahmer!
 

Sorglospunks sind stets sorglos

Ja, Sorglospunks sind stets sorglos

Und ihr doch viel, viel, viel

…zu verkrampft!“
 

Nie war das örtliche Käseblatt so sehnsüchtig erwartet worden, wie an dem folgenden Tag. Kaum hatte der Zeitungsbote dasselbe in den Briefkasten gestopft, als auch schon alle drei Sorglospunks nach unten stürmten, wieder hochgerannt kamen, allesamt über Kiwi stolperten und dann ins Wohnzimmer stürzten, um Abranka, Nifen und die zu Besuch gekommene, weil neugierig, Chibichi sofort zu informieren.

Jack hatte sich die Zeitung erkämpft und las keuchend vor, während Easy an dem Blatt zerrte und Chris sich sein geprelltes Schienbein rieb. Kiwi war sicherheitshalber zu Chibichi geflüchtet. Wer wusste denn schon, welch weitere gemeine Mordanschläge ihr noch drohten!

„Im Manhattan konnte gestern Abend der Showdown zwischen zwei jungen Bands beobachtete werden. Während die Sorglospunks sich hierzulande bekanntlich bereits einen Namen gemacht haben und regelmäßig in aller Munde sind, sind die Carelesspunks noch eine recht unbekannte junge Band. Dem Vorwurf, dass die Carelesspunks doch nur ein müder Abklatsch der allseitsbeliebten Sorglospunks seien, gaben die Musiker Easy, Jack und Chris deutlich Ausdruck, indem sie einen neuen Song zum Besten gaben, in dem es heißt: ‚Klaut uns nicht unsern Namen/ Versucht nicht zu sein wie wir’. Das nennt man Größe und Ironie, die den Carelesspunks sichtlich abgehen.

Auch das Publikum schlug sich deutlich auf die Seite der Sorglospunks, die die erste Runde in diesem Aufeinandertreffen eindeutig für sich entscheiden konnten. Ich bin mir allerdings sicher, dass wir von der Konkurrenz dieser beiden Bands auch in Zukunft noch hören werden.“

Jack grinste zufrieden, Easy reckte vor Begeisterung mit einem Jubelschrei die Faust in den Himmel und Chris hopste in die Luft, nur um sofort festzustellen, dass das mit seinem lädierten Bein keine so gute Idee war. Auch Chibichi, Nifen und Abranka grinsten zufrieden, wenngleich sie mit der Ansicht des Käseblatt-Journalisten übereinstimmten und sich ebenfalls recht sicher waren, dass das nur das erste Aufeinandertreffen und gegenseitige Messen dieser zwei Bands gewesen war…



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