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100% Sorglospunks!

von

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Germany's next Sorglospunk

„Jetzt reicht’s! Ich hab die Nase voll! Ich steig aus!“ Damit knallte Jack Triangel und Sticks auf den Tisch und stürmte aus dem Zimmer.

„Jack???“ Easy starrte ihrer Zwillingsschwester und einem der drei Gründungsmitglieder der Sorglospunks hinterher. Jack konnte doch nicht einfach abhauen! Das ging doch nicht! Sie waren mitten in der Probe! So wurde der neue Song doch nie etwas! Und überhaupt, was sollte das heißen „ich steig aus“???

„Jack!“ Chris legte seine Gitarre sanft bei Seite und stürmte dann hinter Jack her. Doch zu spät: Diese hatte sich bereits in ihrem Zimmer eingeschlossen.

Ratlos hockten die beiden verbliebenen Sorglospunks vor der Tür und versuchten, durch Rufen, Klopfen, die-Tür-beinahe-einschlagen, Brüllen, Gutzureden, Locken, Schmeicheln, Drohen und Betteln irgendetwas zu erreichen. Doch nichts geschah. Jack gab keinen Mucks von sich.

„Abranka! Hilf uns!“, jammerten die zwei vor der Tür lauernden Sorglospunks die Bandmuse an. Denn für sie als übernatürlicher Entität waren Türen natürlich nur ein äußerst bedingtes Hindernis – sie konnte mit ihrer Wolke locker durch das Fenster hineinfliegen, das bei den doch recht sommerlichen Temperaturen offen stand (Jack war eine regelrechte Frischluftfanatikerin).

„Ich halte das für keine gute Idee. Wir können Jack doch nicht dazu zwingen, mit uns zu reden, wenn sie nicht will“, lenkte Abranka behutsam ein.

„Doch!!!“, quengelte Easy.

Die Muse verdrehte die Augen. „Stell dir vor, du ziehst dich zurück und Chris und Jack stehen vor der Tür und wollen unbedingt, dass du einen Song schreiben sollst. Was würdest du tun?“

„Die Tür nicht aufmachen!“

„Siehst du. Lasst sie in Ruhe. Irgendwann muss sie schon wieder rauskommen...“ Abranka zuckte mit den Schultern.

Und während sie noch ins Wohnzimmer flog, um dort ein wenig „Babylon 5“ zu schauen (ihre Besessenheit für diese Science Fiction-Serie übertraf momentan sogar ihre Fußballbegeisterung), überfielen Easy und Chris Nifen, um die Bandmanagerin dazu zu bewegen, ein ernstes Wörtchen mit Jack zu reden.
 

Drei Stunden später hatten die beiden Sorglospunks beleidigt aufgegeben und vermiesten Abranka ihre Science Fiction-Laune. Als dann auch noch Nifen dazu kam, stellte sie seufzend den Fernseher aus. Es kommt eben keine wirklich gute „Wir ziehen in einen aussichtslosen Kampf“-Endzeitstimmung auf, wenn zwei Nervenbündel neben einem hocken und jemand Drittes anquengeln.

„Okay, Leute, beruhigt euch. Easy wollte schon dreimal aussteigen und Chris schon fünfmal nach Japan zu Umeko auswandern“, begann Nifen, was lautes Aufstöhnen bei Chris auslöste. Umeko war nämlich erst kürzlich von ihrem Praktikum auf Hallig Hooge nach Japan zurückgekehrt und Chris hatte es doch tatsächlich nur ein einziges Mal geschafft, sich zur Nordsee zu seiner Angebeteten durchzuschlagen.

„Es gibt also keinen Grund, uns jetzt schon verrückt zu machen. Es kann durchaus nur der Stress gewesen sein und...“

„Nein, ich steige definitiv aus“, sagte in dem Moment Jack, die sich regelrecht hereingeschlichen hatte. „Ich mache eine Ausbildung und höre mit der Musik auf.“

„WAAAAAAS???“ Easy starrte ihre Zwillingsschwester erschüttert an. „Verrat! Mord! Totschlag! Waruuuuum?“

„Ach, Leute...“ Jack seufzte tief und fuhr sich durch die Haare. „Seien wir doch ehrlich: Wir müssen erwachsen werden. Die Band ist ein toller Traum, aber wir werden das nie packen. Wir tingeln durch die Gegend und nehmen jeden noch so doofen Auftritt an und am Ende haben wir doch nichts davon, außer ein paar Cent mehr in der Tasche. Ich will mich nicht mehr fragen müssen, ob wir nächsten Monat die Miete noch zahlen können!“

„Und was hast du vor?“, fragte Chris betont ruhig. Nur seine zitternden Finger verrieten, dass ihn die ganze Sache sehr mitnahm.

„Ich fang eine Ausbildung an. Ich wollte schon immer Kartenlegen lernen und jetzt werde ich professionelle Wahrsagerin.“ Sie strahlte in die Runde.

Nifen und Abranka sahen sich an. Unter einer Ausbildung mit toller Zukunftsperspektive und sicherem Einkommen stellten die beiden sich zwar etwas anderes vor, aber wenn Jack meinte...

„Das kannst du doch nicht machen!“ Easy sprang auf. „Jack! Wir brauchen dich!“

„Ach, Quatsch. Jeder andere Drummer kann das auch übernehmen.“ Jack winkte ab. Sie schien sich das Ganze doch recht gut überlegt zu haben. Jedenfalls sah sie nicht so aus, als wenn sie sich von Easy-Gequengel, Chris-Argumenten und Nifen-Strategie erweichen lassen würde. Der Verdacht lag nahe, dass in diesem Fall sogar Chibichi auf Granit beißen würde.
 

An Chibichi gedacht, sie angerufen und auf Jack angesetzt. Und bereits nach fünf Minuten war klar, dass Jacks Entscheidung bombenfest stand. (Bis dato hatte sie auch sehr ausgiebige Easy-Bearbeitung hinter sich)

Sie würde die Band verlassen.

Und das hieß, dass die Sorglospunks dringend Ersatz brauchten. Ohne Drummer konnte die Band schließlich kaum richtigen Punk spielen. Das Schlagzeug war wichtig! Und natürlich dachten die verbliebenen zwei Sorglospunks nicht daran, aufzugeben. Oh nein! Jetzt mussten sie es schließlich nicht nur der Welt, dem Himmel und der Hölle, sondern auch noch Jack zeigen! (Zumindest dachten die beiden verbliebenen Sorglospunks so, nachdem Manager und Muse ihnen ausgiebig aufgelistet hatten, dass nahezu alle Bands irgendeinen Ausstieg und Personalwechsel hatten überstehen müssen. Sogar die Beatles waren schließlich mal zu fünft gewesen!)

Und während Jack auszog, um in einem Wahrsageschülerheim unterzukommen, machten sich die verbliebenen Bandmitglieder auf die Suche, einen Ersatz zu finden. Oder zumindest jemanden, der sowohl Drums als auch Triangel und möglichst noch Blockflöte spielen konnte.

Und das würde mit Sicherheit nicht einfach werden. Jack hatte die Latte schließlich sehr, sehr hochgelegt.

Und das wiederum bedeutete, dass das Sorglospunksduo sofort in die Vollen gingen, Anzeigen in den lokalen Käseblättern sowie auf der noch recht neuen Bandhomepage schalteten und das dringende Drummer-Bedürfnis in sämtlichen ihnen bekannten und vertrauten Internetforen hinausposaunten.
 

Die erste, die sich für die offene Stelle in der Band bewarb, war Himeka.

„Du kannst Schlagzeug spielen?“, fragten Chibichi und Abranka sie ungläubig.

„Klar. Muss man doch nur drauftrommeln“, sagte die rothaarige Hexe fröhlich und legte los.

Zehn Minuten später hatte die Sorglosjury – wie Easy spontan das doppelte Triumvirat aus ihr, Chris, Nifen, Abranka, Chibichi und last but not least Kiwi getauft hatte – es schließlich unter reichlich schmerzhaftem Ohrklingeln geschafft, ihr zu verstehen zu geben, dass das doch definitiv nicht ihr Ding war, dass ihr Bedürfnis, der Band zu helfen wirklich großartig war, aber sie ihnen sehr viel mehr half, wenn sie ihnen einen Trank gegen akute Ohrenschmerzen braute. Denn die würde die Jury garantiert noch bekommen. Das war ihr mittlerweile klar vor Augen geführt worden.
 

Staubig war es hier. Staubig und verschnarcht. Anders ließ sich dieses Haus mit seinen Bewohnern – den Schülerinnen und ihren Lehrerinnen – nicht beschreiben. Jack zog bereits die Nase kraus, als sie mit gepackten Taschen hineinmarschierte.

Noch mehr tat sie das allerdings, als sie im Klassenraum saß, inmitten von pinkfarbenen und goldenen Kissen, violetten Vorhängen und roten Seidenschals, die das Licht pseudogeheimnisvoll wirken ließen. Oh bei Gott, Teufel und Kiwi, wo war sie denn bitte hier gelandet?

„Eine von euch besitzt keine gute Aura“, sagte in diesem Augenblick die Lehrerin – unschwer erkennbar an Massen an Tüchern, die sie sich um Kopf, Hals und diverse andere Körperteile gewickelt hatte, und dem goldenen Kettchen, das irgendwie mit drumherumgewickelt war und an diversen Stellen immer wieder aufblitzte.

„Du.“ Sie zeigte auf Jack. „Wie lautet dein Name?“

„Jack.“

„Das ist kein Frauenname.“

„Für mich schon.“ Jack schob die Unterlippe vor und verschränkte die Arme vor der Brust. Na, das würde ja noch heiter werden…

„Für mich aber nicht.“

Stechende, blaue Augen, die ihre Farbe gefärbten Kontaktlinsen verdankten, fixierten sie, während die anderen Schülerinnen immer weiter von Jack wegrückten.

„Zeig mir, was du kannst, Mädchen.“

Jack erhob sich mühsam aus den weichen Kissen und kämpfte sich durch bis zu dem Tisch, auf dem das Kartenset lag.

„Und jetzt leg die Karten, Mädchen.“

„Könnten Sie darauf verzichten, mein Geschlecht ständig so zu betonen?“, maulte Jack, während sie die Karten mischte. „Alternativ kann ich ihnen gerne einen Dämon oder die Furien vorbeischicken.“ Das Verhältnis der Sorglospunks zu den drei Rachegöttinnen hatte sich dank deren verhältnismäßig regelmäßigen Beschäftigung als Sorglospunks-Sicherheitskräfte durchaus gebessert. Allerdings kippte es gerade wieder eher ins Negative, weil es für die immer noch chronisch Aushilfsjobs durchführenden Furien nicht genügend Einsätze gab, um genug Geld zu verdienen und den Fängen des üblen Entitäts-Arbeitsamts dauerhaft zu entkommen.

„Du drohst mir?“

„Nein, ich schlage Alternativen vor.“ Jack grinste, während sie die Karten lässig vor sich ausbreitete und langsam umdrehte.

Jetzt kam nur der Teil, bei dem sie nur noch Bahnhof und Koffer klauen verstand. Die Karten wollten keinen Sinn ergeben. Oder besser noch: Sie ergaben schon einen…

„Du bist hier falsch, Jack“, stellte die Kartenlegelehrerin trocken fest.
 

„Sie hat Gänseblümchen auf ihrem Kleid“, flüsterte Easy Chris leise zu. „Das ist nicht punkig. Überhaupt nicht punkig. Das ist spießig!“

„Ja, aber vielleicht ist sie ja dennoch gut…“, wandte Chris leise ein. Nachdem er fünf von Jacks Fußball spielenden Verehrern hatte hören müssen, die eigentlich erwartet hatten, Jack hier anzutreffen, deswegen enttäuscht waren und tatsächlich absolut katastrophal mit Schlagzeug, Triangel und Blockflöte umgehen konnten, war er bereit, jedem anderen eine Chance zu geben.

Ein Glück war außerdem, dass Himekas Trank gegen Ohrenschmerzen äußerst effektiv war.

Abranka und Nifen blickten sich an. Stillschweigend rückten sie beide die Ohrstöpsel in ihren Gehörgängen zurecht.

Bauschig hüllte das rosafarbene Kleid mit dem Gänseblümchenmuster die goldblonde Prinzessin ein, als sie sich auf dem Hocker hinter dem Schlagzeug niederließ.

Dann legte Dornröschen los – und hörte erst wieder auf, als Chibichi sie aus lauter Verzweiflung k.o. schlug. Das würde zwar einigen Ärger mit dem zentralen Märchenrat geben – schließlich musste Dornröschen doch eine Weile mit einer großen Beule herumlaufen –, aber dieser Ärger war eher in Kauf zu nehmen, als der drohende dauerhafte Gehörschaden.

„Wir finden nie einen Ersatz für Jack! Nie, nie, niemals, nie, nie, nie, NIE!“, jammerte Easy nach dem überstandenen Märchenattentat auf die Ohren und vergrub das Gesicht in den Händen.

Chris tätschelte ihr hilflos den Rücken und sah die anderen drei Rat suchend an. Diese zuckten auch nur die Achseln. Allmählich machte sich bei ihnen auch langsam das gleiche Gefühl breit. Aber dennoch mussten sie versuchen, ohne Jack zurechtzukommen.
 

Was nach der geschmissenen Wahrsageausbildung anfangen? Jack sah das Ganze recht pragmatisch. Wenn das Übersinnliche nichts war, dann war es vielleicht das ganz und gar Bodenständige.

Sie würde Köchin werden. Jack lächelte und machte sich an die Arbeit. Zum Glück hatte sie für alle Fälle noch ein Ass im Ärmel, dass dafür sorgen würde, dass sie auch etwas fand…
 

Zehn weitere Kandidaten später, von denen das Mädchen mit dem Micky Maus-T-Shirt und den hellblauen Haarsträhnen es geschafft hatte, die arglos hereinspazierte Kiwi mit einer akustischen Triangelattacke in Panik zu versetzen, war es Zeit für die Mittagspause.

Und während Easy wieder einmal darüber jammerte, dass Jack absolut unersetzbar schien, grübelten die anderen darüber, warum bisher kein einziger geeigneter Kandidat aufgetaucht war.

„Warum gibt es denn niemanden, der auch nur ein wenig Rhythmusgefühl hat?“, stöhnte Chris.

„Und der Triangel und Blockflöte spielen kann…“, fügte Nifen hinzu.

„Und Punk mag…“, ergänzte Chibichi. Ihr Hell-O-Berry piepste kurz und sie verschwand zu einem kurzen Telefonat.

„Vielleicht sind unsere Ansprüche ja zu hoch“, überlegte Abranka. „Jack ist genauso einzigartig wie Easy und auch eine zweite Easy wäre absolut unmöglich zu finden. Wir sollten keine Jack mehr suchen, sondern einen vernünftigen Schlagzeuger. Alles andere könnte der ja dann auch lernen. Was meint ihr?“

„Klingt nach einem Plan“, stellte Nifen nüchtern fest. „Aber dennoch nehmen wir am besten alle noch etwas von diesem Antiohrenschmerzentrank. Ich fürchte, wir werden ihn brauchen…“

Eine halbe Stunde später saß die Sorglosjury wieder bereit und ließ den nächsten Kandidaten vorspielen.

Die großen weißen Flügel und die Federn waren doch ein deutliches Anzeichen dafür, dass es sich bei Sataqiel um einen Engel handelte. Einen Engel, bei dem nach nur wenigen Sekunden klar war, dass er besser beim Harfespielen blieb denn beim Schlagzeug.

„Himmel…“ Nifen schüttelte den Kopf, während der Engel verlegen vor ihnen stand und vor Nervosität an seinen Federn rupfte.

„Ihr wollt mich nicht?“ Mit großen Augen sah er die Sorglosjury an.

„Sorry, aber nein.“ Easy ergriff äußerst energisch das Wort. Sie war ja nie darum verlegen, zu sagen, was sie dachte, und das war bei dieser ganzen Wir-suchen-einen-neuen-Schlagzeuger-Aktion von äußerst großem Vorteil. „Aber dein Rhythmus passt einfach nicht zu unserem.“

„Aber… Der Boss hat gesagt, ich soll bei euch anfangen und auf euch aufpassen wegen eurer Seelen und…“ Sataqiel kam ins Stottern, blickte zu Chibichi und brach dann vollständig ab. Jetzt scharrte er nur noch mit den Füßen und starrte auf seine goldenen Sandalen.

Die verbliebenen Sorglospunks, die Managerin und die Muse blickten den Teufel an.

„Hey, was seht ihr mich so an? Ich will eure Seelen gar nicht mehr!“, empörte sich dieser.

„Nein?“ Sataqiel lächelte glücklich. „Dann kann ich das ja ausrichten und die Mission war kein totaler Fehlschlag! Danke!“ Jubelnd und Halleluja singend flatterte er aus der Tür.
 

„Ich nehme keine Sardinen aus. Das ist eklig.“ Jack weigerte sich partout die Fische auch nur anzufassen, während der Starkoch neben ihr nur den Kopf schütteln konnte. Wer hatte ihm nur diesen Lehrling angedreht? Da musste schon viel Geld oder viel Vitamin B im Spiel gewesen sein. Dieses Mädchen konnte ja noch nicht einmal Zwiebeln schneiden, ohne Gefahr zu laufen, sich ihre Finger abzuhacken!

„Dann koch hinten mit Serge die Suppe“, fauchte er und wandte sich selbst den Sardinen zu.

Jack zuckte die Achseln und marschierte zu Serge hinüber, der gerade mit der Zubereitung einer frischen Kräutersuppe beschäftigt war. Wenigstens waren hier keine Fische im Spiel.
 

„Der Himmel war da, das Märchenland war da… Was kommt als nächstes?“ Abranka schüttelte den Kopf.

Die Frage war einen Augenblick später bereits beantwortet. Eine Muse flatterte auf ihrer fliegenden Wolke hinein.

„Was…?“ Abranka starrte ihre Arbeitskollegin verblüfft an.

„Oh, hi.“ Die Muse stellte sich als Calliope vor und grinste in die Runde. „Anstatt zu inspirieren möchte ich viel lieber selbst agieren und kreativ tätig sein. Apollo hat mir sein Okay gegeben.“ Sie strahlte. „Darf ich loslegen?“

Nifen zuckte nur mit den Schultern und deutete auf das Schlagzeug. Sie hatten ja nichts mehr zu verlieren…

Nachdem auch Calliope herauskomplimentiert worden war, wandte sich Chris an ihre Bandmanagerin.

„Nifen, wo zum Teufel – nichts gegen dich, Chi – hast du die Anzeige überall geschaltet?“

„Na ja…“ Nifen lächelte. „Einfach überall. Denn das Normale ist für die Sorglospunks doch gar nicht gut genug.“

„Nee…“ Der Gitarrist schüttelte den Kopf und raufte sich die Haare. „Aber wie sollen wir denn mit irgendeinem übernatürlichen Wesen normal auftreten können???“

„Och, die haben alle einen Tarnmodus“, warf Chibichi fröhlich ein. „Für die meisten Menschen sehe ich auch menschlich aus. Die können Hörner und Flügel gar nicht sehen.“

„Na super.“ Chris stöhnte auf. „Als wenn das alles besser machen würde.“

„Tut es nicht?“

„Nicht viel!!!“

„Der nächste ist da!“, rief Easy in dem Augenblick von der Tür aus und ließ den nächsten Sorglospunks-Anwärter herein.
 

Am nächsten Morgen fand sich die Sorglosjury verschlafen, sichtlich verkatert, obwohl keinerlei Alkohol im Spiel gewesen war, und desillusioniert in der Küche zum Frühstück wider.

Bisher hatte man ja doch noch gehofft, irgendwie einen brauchbaren Ersatz für Jack finden zu können, doch so langsam waren bei allen Beteiligten – und nicht nur bei Easy –die akuten Zweifel daran nicht mehr zu verdrängen.

„Also, mir hat ja Kali bisher am besten gefallen“, sagte Chris, während er genussvoll seinen Kaffee trank und sich dem langsamen Wachwerden hingab.

„Klar. Die hat ja auch zehn Arme und kann mehr gleichzeitig spielen als jeder normale Mensch. Aber kann sie das auf der Bühne auch wirklich verstecken?“, gab Nifen zurück. Der Sorglosklang würde durch Kali zwar definitiv absolut einmalig werden, aber die potenziellen Fans durften natürlich auch nicht verschreckt werden.

„Wir könnten die zusätzlichen Arme ja als Roboterarme verkaufen“, schlug Abranka vor, während Easy gar nichts dazu sagte, sondern vielmehr vor sich hinschmollte. Jack war und blieb für sie eben ein absolut notwendiges Mitglied der Sorglospunks.

„So etwas kommt dummerweise immer irgendwann raus.“ Nifen legte die Stirn in Falten. „Und das dürfte uns mehr Probleme bereiten als Nutzen.“

„Blöd…“ Abranka seufzte leise. „Also suchen wir weiter.“

„Was haben wir denn für eine Wahl?“, gab Nifen trocken zurück.
 

„Jaaaaack!!! Du kannst doch nicht in alle Gerichte Kaffee und Schokolade tun!“ Der Starkoch und Küchenchef hatte sich vor Jack aufgebaut und funkelte den ehemaligen Sorglospunks entsetzt an. „Was denkst du dir denn dabei?“

„Das sind doch Grundnahrungsmittel und das schmeckt immer.“ Jack blickte den Koch vollkommen verständnislos an.

„Neeeeeeein! Das schmeckt nicht! Gar nicht! Das schmeckt katastrophal!“

„Stimmt nicht.“ Jack schob schmollend die Unterlippe vor.

„Doch! Probier!“ Damit hielt er ihr einen Löffel mit der Suppe vor die Nase, die sie mit Schokolade und Kaffee aufgepeppt hatte.

Vorsichtig probierte sie und verzog dann das Gesicht. „Ähem… Das war doch keine gute Idee?“, räumte sie vorsichtig ein.

„Genau! Aber ich habe eine gute Idee: Du packst deine Sachen und verschwindest! Du bist gefeuert!“

Murmelnd, leise vor sich hinfluchend und äußerst betrübt legte Jack die Kochschürze ab und ging durch die Küche zur Tür. Sie warf noch einen kurzen Blick zurück, sah wie der Wasserdampf über den Töpfen hochstieg und durch die Luft waberte, die Kollegen eifrig ihrer Arbeit nachgehen und dass keiner ihr auch nur nachblickte. Wie gemein.
 

„Mein Name ist Kitty. Kitty Bennet.“ Die junge Frau in dem lilablassblauen Kleid strahlte in die Runde.

„Stolz und Vorurteil?“ Abranka blickte Nifen mit hochgezogenen Augenbrauen an. Nifen zuckte mit den Schultern.

„Schauen wir mal, was sie kann.“

„Hoffentlich mehr als Dornröschen“, kam es vergnügt von Chibichi.

Erstaunlicherweise besaß Kitty Bennet sogar ein recht gutes Rhythmusgefühl und konnte sogar mit der Triangel umgehen.

„Die beste, die wir bisher gehört haben“, stellte Chris fest.

„Warum möchtest du denn Mitglied bei uns werden und mit uns Musik spielen?“, erkundigte sich Easy in diesem Augenblick und musterte Kitty sehr genau.

„Ach… Drei meiner vier Schwestern sind verheiratet und zu Hause ist es so langweilig! Mary liest nur und spricht darüber, ins Kloster gehen zu wollen. Ich darf noch nicht einmal mehr zu einem Ball gehen und Offiziere gibt es auch nicht mehr in der Nähe. Da möchte ich etwas anderes machen. Etwas, das mich beschäftigt und wobei ich einen guten Ehemann finde.“ Sie strahlte Chris an und blinzelte ihm verführerisch zu.

Diesem lief es schlagartig eiskalt über den Rücken. „Veto“, flüsterte er nur leise. „Veto.“ Und sprach sich damit gegen die Entscheidung für Kitty aus.

„Aber sie ist die Beste“, raunte Abranka ihm zu.

„Ja, aber die will mich heiraten und dann macht Umeko mit mir Schluss“, beschrieb Chris leise sein persönliches Horrorszenario. Blanke Verzweiflung stand in seinen Augen.

„Okay…“ Abranka stupste Nifen in die Seite, deutete auf Chris und die Managerin verstand gleich.

„Vielen Dank, Kitty. Wir werden uns bei dir melden.“

„Aber macht schnell, ja?“ Damit hüpfte Kitty fröhlich winkend und Chris noch einmal zuzwinkernd aus der Tür.

„Uff…“ Der Gitarrist schnaufte tief durch und fuhr sich durch die Haare. „Das war knapp… Ich habe mich schon an sie gekettet gesehen.“

Die anderen wechselten einen langen Blick.

„Wir brauchen Jack zurück“, stellte Easy nüchtern fest. „Wir finden niemals jemanden, der gut spielen kann und zu uns passt. Nur Jack passt.“

„Probieren wir noch den nächsten?“, fragte Nifen.

„Na gut…“, wurde ihr widerwillig zugestanden.

Chris war es, der diesmal zur Tür ging, vorher jedoch rausspähte.

„Wir brauchen Jack ganz dringend zurück!“, rief er entsetzt aus.

„Hä?“

„Da draußen steht Nessie vor der Tür!!!“

Der Rest der Sorglosjury stürmte sofort zum Fenster und blickte hinaus. Tatsächlich. Dort stand das berühmte Monster aus dem Loch Ness noch etwas nass und mit Drumsticks in den großen Pfoten.

„Chi, wo ist Jack gerade? Was macht sie?“, wandte sich Nifen an den Teufel.

„Was? Du weißt, wo sie steckt?“, empörte sich Easy.

„Klar. Oder was glaubst du, wie sie sonst so kurzfristig an ihre Ausbildung gekommen wäre?“

„Verräterin!“ Mit erhobenen Fäusten ging Easy auf ihren Lieblingsteufel los.

„Gar nicht!“ Chibichi wehrte Easy mit Leichtigkeit ab. „Ich wollte sie nur im Auge behalten. Außerdem mag ich euch alle und helfe euch, wo ich nur kann.“

„Wo ist sie, Chi?“, drängelte Abranka.

„Studiert BWL. Nachdem die Ausbildung zur Köchin nichts war, hat sie damit angefangen. Ich bringe euch mit Baby hin.“ Sprach’s und schleppte die Sorglosjury zur Hintertür – dem Fenster zum Garten – nach draußen.
 

Jack fand die Vorlesung endlos langweilig. Wer hatte sich diesen trockenen Mist nur ausgedacht? Sie seufzte tief und stützte das Kinn in die Hände.

„Na, du siehst aber nicht gerade glücklich aus“, meinte der Kommilitone, der neben ihr saß, trocken.

„Nee… Das hier ist laaaangweilig.“ Sie drückte die Stirn auf die Tischplatte.

„Was hast du erwartet?“ Er schüttelte amüsiert den Kopf.

„Was Interessantes?“, gab sie zurück und blinzelte ihn von unten her an. Dann seufzte sie erneut. „Alles, was ich anpacke, ist eine Katastrophe. Zwei Ausbildungen geschmissen und jetzt das. Ich will wieder zurück!“

„Was hast du denn davor gemacht?“, fragte er neugierig.

„Ich war Drummer in einer Punkband.“

„Cool! Warum hast du das aufgegeben?“

„Weil ich dachte, dass das nichts bringt. Dass das keine Zukunft hat.“ Sie seufzte. „Aber das stimmt nicht. Alles andere bringt nichts.“

„Dann solltest du zurückgehen.“

„Und wenn sie schon Ersatz gefunden haben?“

„Hältst du dich für ersetzbar?“

„Nee.“ Sie grinste. „Ich bin einzigartig.“

„Na siehst du.“ Er erwiderte ihr Grinsen.

„Schreib mir deine Nummer auf, dann sag ich dir beim nächsten Gig Bescheid.“ Sie wartete einen Augenblick, bis er ihr den Zettel gab, dann sprang sie auf und eilte aus dem Hörsaal.

Freiheit, Sorglospunks! Das erwartete sie jetzt!
 

Als Jack auf den großen Platz vor dem Hörsaalzentrum kam, staunte sie nicht schlecht. Dort standen Easy, Chris, Nifen, Abranka und Chibichi. Sogar Kiwi hatten sie mitgebracht.

„Jaaaack!“ Easy stürmte sofort auf ihre Zwillingsschwester zu und fiel ihr um den Hals. „Du musst wieder zurückkommen! Du kannst ja nebenbei studieren und so. Aber du musst zurückkommen. Once more with feeling und so! Wir brauchen dich, Jack!“, sprudelte sie los.

Jack tätschelte ihr den Rücken und sah die anderen an.

„Alles Vollkatastrophen, die sich beworben haben“, grinste Chris. „Du bist die einzig Wahre.“

„Hey, das war doch wohl klar!“ Jack grinste breit.

„Also, kommst du zurück?“, fragte Nifen.

„Klar. Ich wollte gerade zu euch.“ Sie strahlte in die Runde, während Easy ihr vor Begeisterung die Luft aus der Lunge quetschte.

„Wir müssen ein Reunionskonzert geben!“, jubelte Chris.

„Ja, und zwar direkt hier auf dem Campus.“ Jack grinste. „Habt ihr die Instrumente mit?“

„Alles in Baby drin“, erwiderte Chibichi und gab Kiwi, die sie die ganze Zeit auf dem Arm gehalten hatte, an Abranka weiter, um das Equipment herzuholen.

„Ich kümmere mich um das Organisatorische“, kam es noch knapp von Nifen, dann flitzte sie auch schon Richtung Universitätsverwaltung davon.
 

Gerade einmal zwei Stunden später standen die Sorglospunks auf einer improvisierten Bühne zwischen Hörsaalzentrum und Universitätsbibliothek und zeigten dem gesamten Campus, was es hieß, eine sorglose Punkband zu sein.

Natürlich hatte Jack den netten Kommilitonen angerufen und freute sich darüber, dass er in der ersten Reihe stand, gar nicht unweit von Chibichi, die nun wieder Kiwi auf dem Arm hielt.

„Hallo Leute, hallo Uni, hallo Welt! Wir sind die Sorglospunks und unsere tolle Wiedervereinigung feiern wir heute bei euch mit unserem neusten Hit! Once more with feeling!“, brüllte Easy begeistert ins Mikro.

Abranka grinste und hielt ihre gesamte Inspirationsmunition bereit, während Jack die Drumsticks durch die Finger kreisen ließ und Chris die Saiten seiner Gitarre liebevoll tätschelte.

Und dann legten die Sorglospunks erst richtig los.
 

„Geh doch nicht!

Nicht hier und nicht jetzt!

Geh nicht!

Bitte, bitte, geh nicht!
 

Wir haben Gänseblümchen zusammen gepflückt,

sind an das Ende der Welt gelaufen,

wir sind um die Erde geflogen

und haben mit dem Marsupilami gesungen!
 

Oho…

Bitte geh doch nicht!

Nicht hier und nicht jetzt!

Geh nicht!

Bitte, bitte, geh nicht!
 

Denk doch zurück,

denk an uns, denk an das Wir

und du weißt,

wir sind Schillers Erben!

Wir rocken drauflos bis in den Tod!
 

Denk doch zurück,

denk an uns, denk an das Wir

und du weißt

Once more with feeling

und alles wird gut!

Denn wir, wir sind doch wir!“



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