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100% Sorglospunks!

von

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Take it, Easy – Nimm’s schon, Easy!

„Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht!“ Easy rannte um den Wohnzimmertisch, dicht gefolgt von Jack, die mit einem pinkfarbenen Post-it in der Hand wedelte.

„Oh doch! Du wirst, Easy!“, zeterte das musikalische Multitalent der Sorglospunks. „Und wie du wirst!“

„Ich will aber nicht!“

In dem Augenblick kam Easy ins Stolpern – Kiwi hatte sich neugierig vor ihre Füße geschlichen, um auf Jacks flauschige Socken loszugehen – und legte sich lang hin.

„Ha!“ Jack pappte ihrer Zwillingsschwester das pinkfarbene Stück Einkaufszettel auf die Stirn und grinste breit. „Du gehst einkaufen!“

„Das ist gemein! Nur, weil Kiwi mich gefoult hat!“ Böse blickte die sorglose Frontfrau den Kiwinator an, der natürlich jetzt vollkommen unschuldig dreinschaute und seine Vorderpfote leckte.

„Kannst ja Abranka mitnehmen“, gestand Jack ihrem optischen Gegenstück großzügig zu. „Vielleicht erinnert sie dich ja daran, dass du auch noch etwas anderes als Kaffee und Schokolade mitbringen solltest!“

„Hey!“, kam ein knapper Protest von meiner Wolke. „Du weißt, wie das mit den Ideen immer läuft!“

„Ach, red dich doch nicht ständig raus!“, knurrte Jack ungehalten und rauschte davon.

„Falsche Zeit im Monat?“ Ich warf einen mitleidigen Blick zu Easy, die seufzte.

„Und wie. Außerdem regt es sie auf, dass wir nicht von der Stelle kommen und Nifen noch keinen weiteren Auftritt für uns hinbekommen hat...“ Easy rappelte sich auf ihre Füße und testete demonstrativ vor Kiwis Augen, ob auch ihre Gliedmaßen noch alle heile und ungebrochen waren. Nicht, dass das das Bandmaskottchen in irgendeiner Art und Weise interessieren würde, aber hier ging es ums Prinzip!

„Na, dann los.“ Easy stockte mitten im Schritt. „Sag mal... Ich kann nicht zufällig auf deiner Wolke mitfliegen, oder?“
 

Natürlich konnte sie nicht. Musenwolken sind schließlich nur für Musen gedacht – und allenfalls mal für übernatürliche Kurzbesucher wie den Teufel, nicht aber für Menschen. Es war nicht genau absehbar, was passieren würde, wenn man versuchte, einen Menschen auf einer Musenwolke Platz nehmen zu lassen, allerdings würde das mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer unangenehmen Bruchlandung auf dem Boden enden – für den Menschen. Selbst Kiwi hatte mittlerweile eingesehen, dass sie sich nicht in die wattige Wolke kuscheln konnte, sondern immer mit meinem Schoß vorlieb nehmen musste, wenn sie fliegen wollte. Sie war immerhin schon rund zehnmal durch die Wolke gefallen, bis sie das begriffen hatte.

Und ehrlich... Man kann nicht von mir erwarten, Easy die ganze Zeit über auf den Schoß zu nehmen, oder?
 

„Denk an das Brot, Easy.“ Das war wohl meine fünfte Erinnerung an diesem Vormittag. Ob sie etwas bringen würde, stand in den Sternen, denn derzeit inspizierte Easy voller Begeisterung die Kaffeeabteilung des Supermarktes. Und da gab es ganz viele verschiedene Sorten, die sie noch nicht kannte und unbedingt ausprobieren musste. Den Cappuccino mit Schokogeschmack zum Beispiel. Und den Latte macchiato mit dem Schoko-Nuss-Zusatz... Oder...

„Easy!“

„Hä?“, lautete die intelligente Reaktion der Sorglospunksleaderin auf die Tatsache, dass ihr Name gerade von irgendjemandem gerufen worden war. Sie drehte sich um und sah sich auf einmal Chuck eins gegenüber, den sie ohne sein Kükenkostüm im ersten Moment fast nicht erkannt hatte. Nur fast. Schließlich erinnerte sich frau doch natürlich an interessante Bekanntschaften, selbst wenn diese meist gelb und flauschig gekleidet waren.

„Oh, hi.“

„Seid ihr Kaffeejunkies?“ Chuck eins spähte neugierig in die Einkaufskarre, was Easy rot anlaufen ließ.

„Äh... Nein... Wir... Ähm...“

„Hey, ist doch okay. Wir sind gummibärchensüchtig!“ Chuck eins grinste breit.

„Chuck!“, kam in dem Augenblick ein lauter Ruf aus einem der Seitengänge.

„Komme schon, Chuck!“, gab Chuck eins zurück und schenkte Easy noch ein Lächeln. „Man sieht sich. Und vielleicht hier!“ Er drückte Easy einen Zettel in die Hand, winkte noch einmal und verschwand in die Richtung, aus der der laute Ruf gekommen war. Neugierig flog ich etwas höher und sah Chuck zwei mit einem riesigen Berg an Gummibärchentüten kämpfen. Offenbar waren die beiden wirklich gelantine- und farbstoffsüchtig...

„Was ist das, Easy?“, erkundigte ich mich dann, als ich wieder auf menschlicher Höhe schwebte.

„Ein Flyer von einem Konzert für Nachwuchsbands. Dieses Wochenende.“ Easy starrte fasziniert darauf. „Da können wir mitmachen!“

„Cool!“

„Ja! Wir müssen sofort zurück!“ Sie wollte schon lossprinten, griff dann aber nach dem Einkaufswagen. „Aber vorher müssen wir das hier bezahlen!“

Und damit rannte sie Richtung Kasse – natürlich ohne das dringend benötigte Brot...
 

„Was? Ein Nachwuchsbandwettbewerb?“ Jack riss Easy den Flyer regelrecht aus der Hand. „Zeig!“

Chris schaute dem musikalischen Wunder direkt über die Schulter und las mit.

„Niiiiifeeeeeen!“, hieß es nur einen Sekundenbruchteil später in Stereo.

Die Bandmanagerin ließ sich nicht zweimal bitten – schon einen Augenblick später stand sie in der Tür. „Was gibt’s denn?“

„Das!“ Jack reichte ihr den Flyer und quietschte ungeduldig herum. Das war doch eine Chance! Das hieß, dass sie etwas tun konnten! Und dem Gewinner winkte sogar ein Plattenvertrag!

„Mhm...“, machte Nifen nachdenklich. „Schade, dass Chibichi gerade nicht...“, setzte sie an und unterbrach sich dann selbst. „Abranka, könntest du mal eben das Kleingedruckte prüfen?“

Sieh an, auch Manager waren lernfähig.

Hoheitsvoll nahm ich das Papier in die Hand und studierte es aufmerksam. Das einzige Manko war die Teilnahmegebühr von 100€ pro Band, aber ansonsten schien alles sauber zu sein. Und das sagte ich auch Nifen.

„Okay...“ Sie rieb sich die Hände. „Wollt ihr die 100€ investieren?“

„JA!“, kam es aus drei Mündern gleichzeitig. Das klägliche Maunzen einer hungrigen Kiwi, deren Katzenfutter natürlich auch bei dem Schnelleinkauf vergessen worden war, ging darin unter. Gab es für sie eben mal wieder etwas von den Vorräten aus der Tiefkühltruhe. Gebratenen Lachs oder so.
 

Keine halbe Stunde später war ein Anruf bei den Organisatoren getätigt und eine E-Mail mit allen weiteren Informationen zum Procedere eingegangen. Die Band war auf die Auftrittsliste aufgenommen worden und musste am Tag des Festivals ihre Teilnahmegebühr in bar einzahlen.

„Also, ihr dürft drei Songs spielen und müsst die noch nicht einmal vorher ankündigen. Das heißt also, wenn ihr wollt, könnt ihr wieder improvisieren. Allerdings dürft ihr nicht länger als eine Viertelstunde spielen“, erklärte Nifen der aufmerksam lauschenden Band.

„Klasse!“, jubelte Easy, die die Bandstärke vor allem in dem Improvisationssongwriting auf der Bühne sah.

„Mhm“, machte Chris nachdenklich. „Das heißt, wir müssen uns einigen, welche Songs wir mitnehmen und vorher noch mal ein bisschen einüben...“

„Die Bandhymne!“, jauchzte die Bandleaderin begeistert.

„Welche?“, gab Jack trocken zurück.

„Mhm...“ Damit war Easy grübeltechnisch beschäftigt, während die anderen beiden Bandmitglieder mit einem heftigen Songschlagabtausch begannen.

„Angst!“

„Beowulf!“

„In der Weihnachtsbäckerei!“

„Nee... Keine Weihnachtslieder. Das ist zu festgelegt!“

„Äh, dann... Faust!“

„Träume sind Schäume!“

„Golden Goal!“

„Nichts!“

„Robodog!“

„Looking for Kaffee!“

„Nee… Da ist ein Sample drin, das macht es schwierig…”

„Oh, dann... Kapitalismus!“

„Talent!“

„Groß in Japan!“

„Post it, Baby!“

„Das Weltendelied!”

„Melancholische Tomaten!”

„Zeitschriftenabo!“

„Zeitschriftenabo!“

„Okay, also Zeitschriftenabo.“ Jack wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Damit hätten wir den Song. Dazu eine von den Bandhymnen... Und den Rest überlassen wir dann Easy. Unter dem Druck wird ihr schon was einfallen.“ Sie grinste breit. Zuschauerdruck war bei Easy schließlich die beste Inspirationsstarthilfe.
 

Es waren wirklich viele Bands zu dem Festival gekommen. 32 Stück, um genau zu sein, was hieß, dass die Veranstaltung stolze acht Stunden laufen würde. Kein Wunder also, dass sie bereits um elf Uhr vormittags begann.

Die Sorglospunks mischten sich unters Volk. Sie waren relativ gegen Ende dran, erst um achtzehn Uhr. Das bedeutete, dass sie nun Zeit hatten und schauen konnten, wer sich hier sonst noch rumtrieb. Irgendwann trafen sie Chuck & Chuck und zogen mit diesen gemeinsam durch die Gegend. Es war interessant, wie unterschiedlich die Bands hier alle waren – und vor allem wie gut sie waren.

Nachdem sie schließlich bei ihrer kleinen Ecke wieder angekommen waren, wo Nifen neben den Instrumenten saß und einige Daten in den Laptop hackte, war die Band doch etwas verunsichert. Chuck & Chuck hatten sich bald wieder verabschiedet, um noch etwas zu üben, und so waren drei nervöse Sorglospunks und ihre Managerin – sowie ihre Muse – nun also allein.

Doch während Chris und Jack ihre Unsicherheit in den Griff bekamen, wurde Easy zum absoluten Nervenbündel.

„Nein, nein, nein, ich singe nicht! Ich singe nicht! Ich singe nicht!“ Sie schüttelte hektisch den Kopf. „Die sind doch alle tausendmal besser! Wir sollten aufgeben und Buchhalter werden! Ja, Buchhalter. Das ist ein superspannender Job und man muss auf keiner Bühne stehen. Ja, Buchhalter ist ein Superjob!“

Nifen blickte mich verzweifelt an, doch ich zuckte nur mit den Schultern. Jeder Ideenblitz, jede noch so kleine Inspiration konnten bei Easy nur noch ein Desaster auslösen, also ließ ich das lieber. Jetzt waren menschliche und nicht musische Fähigkeiten gefragt.

Chris und Jack zerrten Easy schließlich gen Bühne, als ihr Auftritt so langsam bevorstand. Anders war die Frontfrau gerade nicht in Bewegung zu setzen.

„Meinst du nicht, ein kleiner Blitz...“, murmelte Nifen leise und sah zu mir empor. Ich schüttelte jedoch nur bedauernd den Kopf.

„Bringt nichts. Da muss sie jetzt allein durch... Gegen Selbstzweifel und Lampenfieber habe ich kein Allheilmittel parat. Das hat noch nicht einmal der Teufel.“

Seufzend ließ Nifen das Handy wieder tiefer in die Tasche sinken. Sie hatte mit einem winzigen Funken Hoffnung daran herumgespielt. Doch es schien, als wenn es gerade wirklich nichts gab, was sie tun konnte. Nur daneben stehen, Easy gut zureden und ihr das Mikrofon hinhalten, das die sorglose Sängerin gerade absolut nicht nehmen wollte.

Schließlich nahm Jack Nifen das Mikro ab und hielt es Easy vor die Hand.

„Nimm’s, Easy!“

„Nein!“

„Nimm’s!“

„Nein!“

„Nimm es!“

„NEIN!“

„NIMM ES!“

„NEIHEIN!“

„Nimm es, verdammt noch mal!“ Jack zog das Mikro ihrer Schwester einmal über den Kopf – liebevoll geschwisterlich, versteht sich – und drückte es ihr in dem Augenblick der Desorientierung in die Hand. Chris schob von hinten kräftig und schon hatten sie die Treppe zum Backstagebereich erklommen. Jetzt mussten sie Easy nur gleich im richtigen Moment auf die Bühne schubsen...

„Und hier sind sie, unsere nächster Teilnehmer: die Sorglospunks!“

Damit gab Chris Easy einen kräftigen Schubser, der sie mitten auf die Bühne stolpern ließ, wo sie wie ein Reh, das in das Scheinwerferlicht eines heranrasendes Autos blickt, versteinert ins Publikum starrte.

Jetzt war es Zeit für mich...

„Los, Easy, du kannst das!“ Damit verpasste ich ihr eine geheime Neuentwicklung – einen Motivationsblitz, der nicht nach Ozon roch, sondern nach Kaffee und Schokolade. Wofür war ich denn Muse, wenn ich nicht manchmal die eine oder andere Idee für meine Zwecke nutzen konnte?

Gerade als das Publikum und die Organisatoren begannen, unruhig zu werden, bekam Easy endlich die Zähne auseinander.

„Hey, Leute! Wir sind die Sorglospunks und wir werden euch zeigen, dass sorgloser Punk die Welt bedeutet!“

Jack spielte bereit des Rhythmus der ersten Bandhymne an und gab Easy damit gar keine große Chance, noch weiter irgendetwas zu reden. Das hier war schließlich ein Nachwuchsbandwettbewerb – das hieß, dass sie Musik machen sollten und nicht reden!

Wie der Plan es vorsah, wurde nach der Bandhymne dann Zeitschriftenabo gespielt.

Und dann wurde es spannend.

Ich ließ meine Ideenblitze fliegen und die Band die Inspiration fließen.

„Take it, take it, Easy!“, begann Easy und sofort kapierten ihre beiden Bandmember, wie der Refrain lauten sollte.
 

„Take it, take it, Easy!

Nimm es, nimm es, Easy!

Take it, take it, Easy!

Nimm es, nimm es, Easy!

Nimm’s schon, Easy!“
 

Wir sollten Chris und Jack definitiv häufiger als Backgroundchor einbauen – sie waren toll!
 

„Oh nein! Oh nein!

Ich will aber nicht!

Ich will aber nicht!

Oh nein! Oh nein!

Ich will doch nicht!
 

Behalt den Einkaufszettel!

Behalt doch das Mikro!

Ich will nicht!

Nein, nein, ich will nicht!

Behalt den Einkaufszettel!“
 

„Take it, take it, Easy!

Nimm es, nimm es, Easy!

Take it, take it, Easy!

Nimm es, nimm es, Easy!

Nimm’s schon, Easy!“
 

„Oh nein! Oh nein!

Ich will aber nicht!

Ich will aber nicht!

Oh nein! Oh nein!

Ich will doch nicht!
 

Behalt den Besen!

Behalt die Spülbürste!

Ich will nicht!

Nein, nein, ich will nicht!

Behalt den Besen!“
 

„Take it, take it, Easy!

Nimm es, nimm es, Easy!

Take it, take it, Easy!

Nimm es, nimm es, Easy!

Nimm’s schon, Easy!“
 

Der Song kam sogar wirklich gut an. Nach einer Weile sangen sogar einige der Zuschauer mit.

Mit dem Sieg und dem Plattenvertrag wurde es aber leider nichts... Nicht, weil die Sorglospunks von irgendwem überflügelt worden wären. Nein. Es stellte sich nur heraus, dass der Organisator zum Zeitpunkt der Preisverleihung längst über alle Berge war und die gesamte Kasse mitgenommen hatte... Und dass das mit dem Plattenvertrag auch nichts weiter als ein Fake gewesen war.
 

„Mist aber auch, verdammter!“, fluchte Jack leise, als die Sorglospunks wieder in ihrer WG angekommen waren. „Das hätte eine Chance sein können, aber stattdessen... Das ist doch nicht fair!“

Chris griff betrübt nach seinem Bass und begann diesen zu polieren. Easy seufzte leise und ließ sich auf das Sofa fallen.

„Was nen Mist, Mist, Mist!“

„Hey, Kopf hoch. Immerhin habt ihr einen neuen Song, auch wenn die 100€ dafür doch ein bisschen teuer waren“, versuchte Nifen die drei aufzumuntern. War ja nicht so, als wenn sie auch noch in die Geldmangelkerbe schlagen musste. Viel sinnvoller war es da, ihre drei Schäfchen ein wenig aufzuheitern.

„Oh, ja, verdammt teuer!“, moserte Jack und verschwand Richtung Küche.

„Ah, Easy!“, kam der Aufschrei keine Minute später. „Du hast das verdammte Brot vergessen!“

„Oh.“ Easy war sofort auf den Beinen, das hieß...

„Easy!“ Jack kam mit einem pinkfarbenen Einkaufspost-it aus der Küche geschossen und einen Augenblick später lieferten sich die Schwestern eine Hetzjagd um den Wohnzimmertisch.

„Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht!

„Oh doch! Du wirst, Easy! Und wie du wirst!“

„Ich will aber nicht!“



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