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100% Sorglospunks!

von

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Groß in Japan

„Juhu!“ Der laute Jubelschrei drang aus Nifens Büro durch die gesamte Sorglospunks-WG.

Es war allerdings nicht Nifen, die so laut jubelte, denn diese saß neben Easy und Jack im Wohnzimmer auf dem Sofa und versuchte Chibichi klarzumachen, dass selbst Teufel keinen Freibrief zum Schummeln bei Sorglospunk-ärgere-dich-nicht hatten. Easy hatte das Spiel umbenannt, nachdem Jack in einem akuten Kreativitätsanfall kleine Spielfiguren gebastelt hatten – Chris besaß somit kleine Gitarren, Easy kleine Mikros, Jack selbst Miniaturblockflöten und Nifen Mini-Handys. Für Chibichi arbeitete sie noch an den eigenen Spielfiguren. Ich besaß keine – denn Musen spielen nicht. Vielmehr lieferte ich den Spielern immer lustige Ideen für zwischendurch. Das war meine Art mitzuspielen.

„...äh“, meinte Jack, nachdem das Gejubel eine halbe Stunde andauerte. „Meint ihr, wir sollten mal nachsehen, was los ist? Nicht, dass er noch irgendein Onlinekasino aufgetrieben hat und unser schwer verdientes Geld verspielt.“

„Bloß nicht! Das ist für Kaffee und Schokolade!“ Easy war entsetzt.

Doch bevor die Band gen Büro stürmen konnte, schoss Chris aus demselben. Jubelnd, jauchzend und mit derartigen Luftsprüngen, dass er mit dem Kopf gegen den Türrahmen knallte, ins Stolpern kam, Kiwi ihm zwischen die Füße geriet und er einen Bruchlandung auf dem Couchtisch hinlegte – Jack hatte gerade noch das heißgeliebte Spiel wegreißen und retten können. Doch so etwas hielt einen Chris doch nicht auf. Einen Sekundenbruchteil später hopste er schon wieder durch den Raum, diesmal allerdings ein klein wenig vorsichtiger und mit einem minimal schmerzverzehrten Gesicht.

„Verrätst du uns, was dich so erfreut?“, brachte Chibichi die Sache auf den Punkt.

„Wir fliegen nach Japan! Wir fliegen nach Japan!“, begann Chris in dem Augenblick zu singen und machte damit sehr deutlich, warum Easy die Frontfrau der Band war.

„Tun wir?“, fragte diese auch schon verwirrt, während Jack den offenen Mund zuklappte. Sie hatte das Gleiche fragen wollen.

„Äh, Chris, wie wäre es mit mehr Infos?“, bat Nifen vorsichtig.

„Ich habe an einem Preisausschreiben mitgemacht und gewonnen! Wir fliegen nach Japan!“ Gut, so wirklich viele Infos waren das noch nicht und ganz behutsam zielte ich mit einem Ideenblitz auf Chris, um ihn dazu aufzufordern, doch mal endlich mit der Sprache rauszurücken.

Nur einen winzigen Augenblick später sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus und ich pustete liebevoll den Rauch von der Spitze meines Lieblingsblitzes. Ging doch. Und Chris erzählte und erzählte und erzählte. Dass er nicht warten wollte, bis er endlich genug Geld gespart hatte, um seine Internetbekanntschaft Umeko in Japan besuchen zu können und dass er daher bei einem Preisausschreiben teilgenommen und eine Reise gewonnen hatte. Für vier Personen, was wunderbar passte, denn damit war die ganze Band untergebracht – Teufel und Muse konnten natürlich unsichtbar und unentgeltlich reisen – und man könnte doch auch gleich versuchen, den japanischen Markt zu erobern. Easy würde doch sicher im Flugzeug ein paar Brocken Japanisch lernen können...

Schließlich reichte es Nifen und die praktische Managerin wollte die Unterlagen sehen. Und sie fand nichts daran auszusetzen. Gerade als sie diese jedoch zur Sicherheit noch Chibichi reichen wollte – wenn sich jemand mit fiesen Vertragstricks und dem Winzigkleingedruckten auskannte, dann wohl doch der Teufel höchstpersönlich –, winkte diese bedauernd ab.

„Sorry, ich muss los.“ Ihr Handy vibrierte schon die ganze Zeit äußerst hektisch in ihrer Tasche und konnte langsam nicht mehr ignoriert werden. „George W. Bush drängt mir seine Seele nahezu auf und Sonderangeboten konnte ich noch nie widerstehen. Außerdem ist da noch so ein dummes Drama mit so einer Jungband... Nevada Tan – jetzt heißen sie auf einmal wieder Panik –, die ihren Vertrag annullieren will. Nichts als Ärger.“ Der Teufel seufzte und verabschiedete sich. Es hätte ihr natürlich sehr viel mehr Spaß gemacht, mit der Band auf den Japan-Trip zu gehen, aber die Pflicht ging dummerweise vor.

Und somit gab es keine teuflische Analyse der Unterlagen. Nur eine langsam ausflippende Band. Easy und Jack hatten sich mittlerweile Chris’ Jubeltanz angeschlossen und Nifen verlor wenigstens einen Teil ihrer Skepsis.

Sie brauchten nur mit diesem Gewinnschein, der daraufstehenden Codenummer sowie gepackten Koffern am nächsten Tag vor zehn Uhr bei einem Reiseunternehmen ihrer Wahl auftauchen und alles vorlegen. Der Rest würde dann automatisch passieren.

Und da es ihnen ja geschenkt wurde... Warum nicht?
 

Somit brach in der Sorglospunks-WG eine recht große Kofferpackhektik aus, die dadurch unterbrochen wurde, dass immer irgendjemand zu Nifens PC hetzte, um dort das aktuelle Wetter in Japan nachzusehen. Man wollte ja entsprechend vorbereitet sein – insbesondere, wenn man ausnahmsweise mal keinen Teufel dabei hatte, der am Wetter drehen konnte.

Am nächsten Morgen war die Band samt Managerin und ihrer persönlichen Muse – mir – frühmorgens um halb neun auf dem Weg zu dem einzigen Reisebüro im Dorf.

Erstaunlicherweise gab es kein Problem, als Nifen dort die Unterlagen auf den Tisch legte.

„Ah, ja...“ Die Angestellte rückte ihre Brille zurecht und nickte. „Nehmen Sie noch einen Augenblick Platz, ich kümmere mich um alles.“ Und so war es auch.

Nach einer halbe Stunde des Wartens stand ein Reisebus vor der Tür und die Sorglospunks wurden zum Einsteigen aufgefordert. Einige Reisende saßen bereits darin und quatschten fröhlich über ihre Reise nach Japan, etwas, das die Band ein wenig aufhorchen ließ. Nun gut, aber vielleicht gab es bei diesem Preisausschreiben ja Massengewinne. Warum auch nicht?

Der Bus zuckelte langsam durch die Dörfer und bog irgendwann doch endlich auf die Autobahn ab.

„Ah, endlich...“, murmelte Chris, der schon die ganze Zeit auf glühenden Kohlen saß und eigentlich nur noch in den Flieger und dann nach Japan wollte.

Allerdings... fuhr der Bus an der Autobahnabfahrt zum Flughafen Stuttgart vorbei. Große Augen richteten sich auf das Abfahrtsschild, bis es entschwand. Die Hoffnung, dass der Fahrer sich vielleicht einfach nur vertan hatte und die nächste Abfahrt nutzen würde, erfüllte sich nicht.

Genauso wenig die Hoffnung, dass der Abflug dann eben über den Frankfurter Flughafen stattfinden würde. Pustekuchen. Dafür stieg in Frankfurt ein junger Mann ein, der sich als Reiseleiter entpuppte und wenigstens für etwas Stimmung sorgte. Man erfuhr etwas über Japan, doch auf die Frage, welchen Flughafen man denn jetzt ansteuere, schwieg er sich aus.

Easy seufzte irgendwann tief. „Ich sage euch, die fahren noch mit dem Bus bis Japan – oder aber die entführen uns.“ Das brachte ihr eine Kopfnuss von Jack ein, die ziemlich genau das Gleiche dachte, aber diese Gedanken nicht ausgesprochen hatte – und gar nicht ausgesprochen wissen wollte.

Mir dagegen schwante so langsam etwas anderes. Japan, hm? Ich klaute mir von Nifen die Reiseunterlagen und zog meine Supervergrößerungslupe hervor. Eigentlich hätte ich das ja schon eher tun können, aber mich hatte ja niemand gefragt...

...ja! Musen können auch schmollen!

Oha. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ja, nach Japan ging es ja schon irgendwie. Nur nicht zu dem Japan, das sich die Band vorstellte...
 

Der Bus fuhr schließlich in Düsseldorf ab und hielt mitten in der Innenstadt.

„Willkommen in der größten japanischen Gemeinde Kontinentaleuropas!“, verkündete der Reiseleiter und machte sich sichtlich bereit, die Beine in die Hand zu nehmen. Schien, als wenn dieser Gewinn schon häufiger nicht so gut angekommen war.

„Wir wollten doch nach Japan!“ Chris war den Tränen nahe. Keine Umeko! Nein, keine Umeko in Reichweite! Er seufzte zum Steinerweichen.

Jack klopfte ihm tröstend auf die Schulter und blickte Easy, Nifen und mich hilfesuchend an.

„Nun... Wir können wenigstens Düsseldorf unsicher machen!“ Easy strahlte über das ganze Gesicht. Sie musste kein Japanisch mehr lernen! Dem Gewinn sei dank! Und außerdem... „Wir sind hier im Pott, Leute! Hier ist alles cool! Wir sind im Pott!“ Und damit hopste sie jubelnd durch die Gegend.

Nifen dagegen seufzte ebenfalls. Sie hatte hier also ein deprimiertes Bandmitglied, eins, das gerade vor Begeisterung durchzudrehen drohte und auf die Königsallee stürmen wollte, und eins, das Gefahr lief, zum Doppelmörder zu werden.

„Los, wir schauen mal, dass wir hier ein Straßenkonzert geben können.“ Das schien am besten, um die Stimmung zu retten. „Und für deine Umeko filme ich das, dann sieht sich dich in Klein-Japan für sie spielen, okay?“ Damit war Chris beruhigt und Easys Hyperaktivität wurde durch die Aussicht auf einen Auftritt sofort gebremst – und damit war auch Jack nicht mehr akut gefängnisgefährdet. Wunderbar. Drei Fliegen mit einer Klappe erwischt. Dafür war sie ja schließlich die Managerin.

Einige Telefonate später war alles klar.

„Okay, wir dürfen in der Altstadt spielen.“

„Wow, wie hast du das gemacht?“ Easy sah Nifen mit großen Augen an.

„Och, ich habe nur dafür gesorgt, dass Chibichi ein paar Leute daran erinnert, dass sie ihr noch einen Gefallen schulden.“ Nifen grinste breit. „Wir kennen doch den Teufel, für uns ist nichts unmöglich!“

Gut, außer einem Flug nach Japan, ohne dafür Geld zu bezahlen.

Die Band zog also los Richtung Altstadt und Fußgängerzone. Dort war heute garantiert so einiges in Sachen shoppingfreudigem potenziellen Sorglospunkspublikum los und entsprechend würde es sicher auch so einige Zuschauer geben.

Schnell war eine geeignete Ecke vor einigen jungen Geschäften gefunden, deren Ladeninhaber nicht sofort einen Anfall bekamen, als die Band ihren Miniverstärker aufbaute und die Sorglospunksfrontfrau um Strom bettelnd hereinkam. Schnell war der Wunsch gewährt, schließlich tauchte auf einmal die Idee in dem Kopf des jungen Ladeninhabers auf, dass es eine gute Sache sein könnte, diese Band zu unterstützen, denn vielleicht machten die ja irgendwann mal Werbung für ihn. Außerdem war die Sängerin schließlich ziemlich süß...
 

Jack hatte mittlerweile begonnen, gemeinsam mit Nifen einen kleinen aufhängbaren Gong mit handlich zusammenschraubbaren Gestell nach bester Schwedenmanier aufzubauen. Damit sowie mit ihrer Triangel und ihrer Blockflöte, musste sie dieses Mal aufkommen, denn ein tragbares Taschenschlagzeug hatte schließlich noch niemand erfunden.

Und damit war die Band soweit fertig. Die ersten Schaulustigen blieben auch schon stehen und beobachteten das Geschehen. Besonders neugierig machte natürlich die Managerin, die mit der Kamera in der Hand herumwuselte.

„Willkommen Düsseldorf!“ Easy breitete die Arme aus und strahlte ihr Publikum an. Sie hielt ein Mikro in der Hand, das allerdings wenig Zweck erfüllte, war es doch an keine Boxen angeschlossen. Es ging ganz allein um die Show. Außerdem fühlte sie sich mit so etwas in der Hand weitaus sicherer. „Wir sind die Sorglospunks und schenken Klein-Japan ein Konzert der Superextraklasse! Ganz umsonst, ganz sorglos und ganz voller Punk!“

Und damit legte die Band los. Sie spielte ihr ganzes Repertoire durch und schaffte es natürlich, die Massen an Kaufwilligen zum Stehenbleiben zu bringen. Irgendwann war die Straße so verstopft, dass noch nicht einmal mehr ein Chihuahua hindurchgepasst hätte. Selbst Kiwi hätte bei der Menge an Beinen Schwierigkeiten bekommen, obwohl sie nahezu überall durchpasste, wo sie hindurch wollte.

Und dann... kam der Konzerthöhepunkt.

„Und allein für euch jetzt unser neuster Hit!“

Ich muss ehrlich sagen, ich freue mich mittlerweile jedes Mal auf diesen Moment. Erst hatte mir Easy mit diesen Augenblicken unheimlich viel Stress beschert, aber mittlerweile machte es Spaß. Ich jonglierte die Ideenblitze und überschüttete die Band mit goldenem Ideenkonfetti.

„Hey, hey, hey!

Hier sind wir jetzt!

Hey, hey, hey!

Und wir spielen jetzt!

Hey, hey, hey!

Für euch! Für euch!
 

Nach Japan wollten wir fliegen,

in Düsseldorf sind wir gelandet!

Hier sind wir jetzt!

Hey, hey, hey!
 

Und wir wären

Groß in Japan!

Ganz, ganz groß in Japan!

Hey, hey, hey!
 

Hey, hey, hey!

Hier sind wir jetzt!

Hey, hey, hey!

Und wir spielen jetzt!

Hey, hey, hey!

Für euch! Für euch!
 

Und wir sind Easy,

und Chris und Jack!

Und wir rocken euch jetzt!

Hey, hey, hey!
 

Und wir sind Easy

und Chris und Jack!

Und wir rocken den Pott jetzt!

Ja, wir rocken den Pott jetzt!“
 

Hey, hey, hey!

Hier sind wir jetzt!

Hey, hey, hey!

Und wir spielen jetzt!

Hey, hey, hey!

Für euch! Für euch!
 

Und wir ziehen weiter

nach Duisburg, Essen,

Bochum und Dortmund!

Hey, hey, hey!
 

Denn wir, wir rocken!

Wir rocken und punken!

Und wir punken den Pott!

Hey, hey, hey!”
 

Im Nachhinein habe ich Easy dann darauf aufmerksam gemacht, dass Düsseldorf nicht gerade dem Ruhrpott entspricht und sich von dem eigentlich doch eher distanziert, so wie sich der Pott selbst wiederum eher von Düsseldorf distanziert, aber gut... Sie kommt nun einmal nicht aus der Gegend. Und gute Werbung ist so ein Song dennoch allemal.

Nun, und die Düsseldorfer mochten ihn. Nur gut, dass Easy nicht auf die glorreiche Idee gekommen war, ihr nächstes Lieblingsziel Köln auch noch unterzubringen. Das hätte vermutlich dann doch mit einer überstürzten Flucht geendet. So allerdings konnten wir ein erfolgreiches Minikonzert verbuchen. Geld gab es auch, denn einige Zuschauer hatten den zufälligerweise offenliegenden Gitarrenkasten gut gefüllt.

Und so wie Chris gerade angedeutet hat, war seine Umeko von dem Konzert in Klein-Japan hin und weg...



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