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Die S-Collection

SasoDei One-Shots
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey!
Nach Jahren der Abwesenheit habe ich mal wieder einen Akatsuki One-Shot geschrieben. Natürlich SasoDei, was auch sonst? Schuld daran hat lunalinn, die mich mit ihren vielen Stories so lange gekitzelt hat, dass ich unbedingt auch wieder etwas schreiben musste. ;-)
Die Idee für den OS selbst stammt noch aus dem Jahr 2009, hat sich im Laufe der Jahre aber stark verändert. Ich bin gespannt, ob euch die aktuelle Version gefällt.
Nun viel Spaß! Komplett anzeigen

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Suizid

7589, 7590… Nichts… Wie lange denn noch? 7591, 7592, 7593… Schließlich hört er auf zu zählen. Es bringt ja doch nichts.

Das Bett knarrt. Hin… her… Auf den Rücken, Beine angezogen, Kopf unter das Kissen. Wieder nichts.

Wie hypnotisiert starrt er auf den Strahl kalten Mondlichts, der sich durch den kleinen Spalt im Fenster seinen Weg ins Zimmer bahnt. Fast schon bildlich kann er das Gesicht aus grauen Kratern auf der sich wölbenden Sichel vor sich sehen, sein höhnisches Grinsen in Anbetracht seines Zustands.

Nacht für Nacht wartet er darauf, dass seine Augenlider endlich zufallen, die Erschöpfung seines Körpers auch seinen Geist ergreift und ihm die Erholung gibt, die ihm seit Wochen verwehrt bleibt. Doch auch wenn ihn die Müdigkeit übermannt, sein Körper sich für einen Augenblick entspannt, reißen ihn die Albträume wieder zurück in die Gegenwart.

In der ersten Zeit hat sein Schreien und Keuchen noch die anderen Mitglieder auf den Plan gerufen. Seit der Erkenntnis, dass er nicht angegriffen wird, ignorieren sie ihn jedoch, überlassen ihn sich selbst.

Diese Momente, in denen er schweißgebadet und am ganzen Körper zitternd aufwacht und ohne Chance auf Erlösung das Geträumte immer und immer wieder in seinen Gedanken durchlebt, hasst er am meisten. Fast genauso sehr verabscheut er aber Nächte wie diese, deren Schlaflosigkeit an seinen Kräften zehrt.

Wie lange er nun schon wach liegt? Gefühlt müssen bereits Stunden vergangen sein, der Morgen bald grauen. Aber der Schein trügt. Immerhin hat er heute nicht einmal die 10.000 erreicht. Trotzdem kommt es ihm vor wie eine halbe Ewigkeit…

Sein Blick wandert von dem auf dem Türrahmen tanzenden Schein des Mondes zu seinem weit geöffneten Kleiderschrank, der sein leeres Inneres preisgibt, dem Berg schmutziger und stinkender Wäsche in der Ecke, der Schüssel verfaulten Obstes auf dem niedrigen Abstelltisch und verharrt erneut auf dem trostlosen weißen Streifen. Ein schweres Seufzen entweicht seiner Kehle.
 

Mit einem plötzlichen Ruck sitzt er aufrecht. Seine nackten Füße berühren den kalten Boden. Träge hallen die Schritte auf dem maroden Holz wider, begleitet vom knarzenden Geräusch einer sich öffnenden Tür.

Nach einem Moment der Dunkelheit finden seine Finger den Schalter. Die schwach leuchtende Deckenlampe erwacht flackernd zum Leben und wirft in unregelmäßigen Abständen ihr steriles Licht auf die milchig-weißen Kacheln an den Wänden.

Seine rechte Hand trifft auf kühles Metall, aus dem sich ein Schwall kalten Wassers ergießt. Immer wieder schöpft er die Fluten mit seinen Handflächen, taucht sein Gesicht in das eisige Nass. Links und rechts fliegen zahlreiche Wasserspritzer an ihm vorbei, sammeln sich auf den Fliesen in kleinen Pfützen. Es kümmert ihn nicht.

Die Kälte brennt auf seiner Haut. Taubheit breitet sich auf seinen Wangen aus und allmählich macht sich ein Stechen in seinem Kopf bemerkbar. Die Proteste seines Körpers gegen diese raue Behandlung nimmt er jedoch nur unterschwellig wahr. Vielmehr genießt er den körperlichen Schmerz, der seine Glieder durchfährt, gibt sich ihm vollständig hin, verschafft er ihm doch Linderung von seiner sonstigen Pein, klärt seine kreisenden Gedanken zumindest für diesen kurzen Augenblick.

Abrupt endet der plätschernde Strom und mit ihm die wohltuende Abkühlung, als er den Hahn schließlich zudreht. Noch über das Waschbecken gebeugt sucht er nach dem Handtuch, greift aber ins Leere, bis ihm einfällt, dass sich seine Wäsche seit Wochen auf dem Fußboden befindet. Genervt und mit noch geschlossenen Augen richtet er sich auf. Er fährt sich nachlässig mit der Handfläche über die feuchte Haut, wischt die klare Flüssigkeit weg, die ihm über den Hals rinnt, von seinem Kinn und seiner Nasenspitze tropft. Aus reiner Gewohnheit reibt er sich den nicht vorhandenen Schlaf aus den Augenwinkeln.

Mit einem Seufzen auf den Lippen schlägt er die Augen auf und starrt direkt in das Gesicht eines Toten.

Ein Blick in das leichenblasse Gesicht seines Gegenübers lässt jedenfalls darauf schließen, dass er dem Tod näher ist als dem Leben. Das Paar in ihren Höhlen versunkener, azurblauer Augen starrt teilnahmslos und jeglicher Lebendigkeit beraubt zurück, hat den Glanz aus vergangenen Zeiten verloren. Tiefe Schatten darunter zeugen von zahlreichen schlaflosen Nächten, die fahl schimmernde Haut, die sich über die eingefallenen Wangen spannt, wirkt wie die Maske eines Toten. Das einst kräftige, blonde Haar hängt in spröden, ungepflegten Strähnen von der Farbe schmutzigen Strohs herunter. Die Spuren, die die letzten Monate hinterlassen haben, sind wahrlich nicht zu übersehen.

Er blinzelt, in der verzweifelten Hoffnung, sein Spiegelbild dadurch als Trugbild zu entlarven, doch vergeblich. Vor Wut krallen sich seine Finger in den Rand der vergilbten Keramik und er wendet den Blick ab.

Was hat er nur aus ihm gemacht?
 

Du bist wirklich erbärmlich, Deidara.

Da ist sie wieder, die leise Stimme in seinem Kopf, deren Flüstern die letzten Wochen über immer stärker geworden ist, ihn stets in seinen schwächsten Momenten heimsucht. Sie beeinflusst, manipuliert ihn, führt ihm seine größten Zweifel und Ängste vor Augen, lässt ihn sich selbst vergessen. Sie weiß immer genau, welche Knöpfe sie bei ihm zu drücken hat.

Aber heute nicht. Heute wird er sie schlichtweg ignorieren.

Glaubst du, du kannst dich mir entziehen?, wispert sie, die Stimme, der seinen so ähnlich, aber mit einem Klang der Verachtung gefärbt, der seiner fremd ist.

Er darf jetzt nicht nachgeben, ihre Worte nicht an sich heranlassen. Noch ist es nicht zu spät.

Wir sind eins, Deidara.

Nein, das ist nicht wahr… Er schüttelt den Kopf, versucht, die geisterhafte Stimme zu vertreiben.

Leugnen ist zwecklos. Sieh dich doch an!

Warum sollte er? Er weiß bereits, wie miserabel er aussieht…

Trotzdem folgt er der Aufforderung, hebt wie an Fäden geleitet seinen Kopf und richtet den Blick auf sein gespiegeltes Selbst. Doch alles, was er sieht, ist eine scheußliche Fratze, ein verächtliches Grinsen auf den Lippen, die Augen zu boshaften Schlitzen verengt.

Unweigerlich keimt erneut die Frage in ihm auf, wie…

Du fragst dich, wie es so weit kommen konnte? Liegt das nicht auf der Hand? Die Stimme überschlägt sich beinahe vor Spott. Du bist schwach, Deidara! Sasori ist tot und jetzt bist selbst du nicht mehr zu retten. Die schlaflosen Nächte, die quälenden Gedanken am Tage. Du bist nur noch ein Schatten deiner Selbst. Sieh es ein, Deidara… Die Mundwinkel des Spiegelbildes formen ein hämisches Grinsen. Du vermisst ihn.

„Als ob!“, entgegnet er gereizt. Gut, die Kraft in seiner Stimme scheint ihn zumindest noch nicht verlassen zu haben. „Ich bin froh, dass er tot ist! Mit seinem ständigen Gerede über die ach so tolle Ewigkeit, seinem eingebildeten Gehabe, wenn er an seinen Marionetten bastelte… Und sowas nannte er Kunst! Jetzt kann er ja sehen, wohin ihn seine ‚Kunst‘ gebracht hat!“

Er stockt, schüttelt den Kopf. Er hat sich gar nicht derart in Rage reden wollen. Warum hat er überhaupt das Wort erhoben und auf die Provokation reagiert? Keiner kann ihn hier hören. Das sprechende Spiegelbild entspringt lediglich seiner Einbildung, ist nicht real. So macht er noch den Anschein, als würde er Selbstgespräche führen…

Aber er kann diese Behauptungen auch nicht auf sich sitzen lassen. Alles Lügen, die ihn schwächen, zermürben sollen.

Es ist nur…

Es ist nur was, Deidara?

Erneut ist sie ihm einen Schritt voraus. Er braucht seine Gedanken nicht einmal auszusprechen, sie weiß ohnehin, was in ihm vorgeht.

Sasori ist tot und du gehst daran zugrunde. Du weißt, dass ich Recht habe. Keine Frage, ein bloßes Flüstern, fordernd und verschlagen.

Stumm steht er da, seine Hände immer noch auf dem Rand des Waschbeckens abgestützt, weiß nichts zu erwidern. Diese Stimme mag vielleicht nicht real sein, aber ihre Existenz und die Wahrheit hinter ihren Worten kann er nicht bestreiten. Auch wenn er sich gern etwas anderes einredet…
 

Sasoris Tod hat ihn in ein tiefes Loch gestürzt, aus dem er bislang keinen Ausweg gefunden hat. Undurchdringliche Finsternis umgibt ihn seitdem, genährt von dem Hass auf seinen ehemaligen Partner. Hass auf seine Taten zu Lebzeiten, Hass darauf, welche Wirkungen sein Ableben mit sich gezogen hat… stärkere, als er bereit ist zuzugeben.

Die ruhelosen Nächte, sein furchtbares Aussehen, die ständige Gereiztheit… Kein Wunder bei dem Partner, den er nun an seiner Seite ertragen muss. In jeder Hinsicht unfähig, tollpatschig, unerträglich laut und darüber hinaus ohne jeden Funken künstlerischer Begabung. Nie hat er geglaubt, dass ihm jemals jemand derart auf die Nerven gehen könne… dass er sich statt seiner den arroganten, verbohrten Mistkerl zurückwünschen würde.

Durch ihre hitzigen Diskussionen hat er sich immerhin lebendig gefühlt, vor Ehrgeiz strotzend, der gleichgültigen, regungslosen Maske des rothaarigen Puppenspielers Emotionen zu entlocken. Diese Freude hat er ihm durch seinen Tod in egoistischer Weise genommen. So wie er immer nur um sein eigenes Wohl bedacht war.
 

Er knirscht mit den Zähnen, von Groll auf seinen ehemaligen Partner erfüllt, als ihn die unliebsamen Erinnerungen erneut einholen, die bei weitem die positiven überwiegen.

Sasori hat stets auf ihn herabgesehen. Anders als er hat der Puppenspieler ihn nie als ebenbürtigen Künstler behandelt. Denn obwohl ihr jeweiliges Verständnis von Kunst komplett gegensätzlich war, hat er dem anderen trotzdem Respekt gezollt, ihn insgeheim gar für sein handwerkliches Geschick und seine Fertigkeiten im Kampf bewundert.

Doch gleich wie viele Gegner er mit seinen explosiven Tonfiguren zerfetzt, wie viele Gebäude er mit ihnen zum Einsturz gebracht, Ländereien verbrannt und Machtapparate infiltriert hat, hatten Sasoris braune Augen nur einen geringschätzigen Blick für seine Leistungen, seine Kunstwerke, übrig. Nie kam auch nur ein Wort der Anerkennung aus seinem Mund, drückte er seine Wertschätzung durch ein simples Kopfnicken aus. Für Sasori gab es stets nur seine Marionetten, die für ihn Perfektion, ewige Schönheit verkörperten. Alles andere lag unter seiner Würde, ist es nicht einmal wert gewesen, dass er einen Atemzug, gar einen Gedanken daran verschwendete.

Noch heute treibt ihn der Gedanke daran zur Weißglut. Im Grunde hätte ihm die Meinung des anderen auch egal sein können… müssen… aber sie war es nicht, ist es auch jetzt nicht.

Wie oft hat er sich einreden wollen, dass ihn die ständige Ignoranz, die demütigende Herabwürdigung kalt lassen, und ist daran gescheitert? Es ist ihm immer noch ein Rätsel, wieso er so viel auf die Anerkennung des Marionettenkünstlers gibt… Doch er braucht die Bestätigung, den Respekt, den Sasori ihm nie entgegengebracht hat.

Er hat ja nun wirklich nicht zu viel verlangt. Ein dankendes Nicken, wenn er Sasoris Arsch mal wieder gerettet hat, hätte schon genügt. Aber nichts dergleichen hat er erwarten können. Statt ihm seine Dankbarkeit zu zeigen, hat Sasori seinen Eingriff stets als unnötig abgetan, die brenzlige Situation heruntergespielt und behauptet, er sei nicht auf seine Hilfe, seine „stümperhaften Knallfrösche“, angewiesen.

Ein Zittern durchfährt seinen Körper, angestaute Wut bahnt sich ihren Weg.

Sasori hatte ihn als Partner gar nicht verdient. Ebenso wenig wie seine Bemühungen, seine Anstrengungen, dem anderen die Vollkommenheit seiner Kunst zu beweisen. Denn Sasori hat ihn nie als das gesehen, was er ist… ein Künstler!
 

Zu seinen Lebzeiten hat er es nie geschafft, Sasori von seiner Kunst zu überzeugen. Deshalb hatte er sich schon den perfekten Plan zurecht gelegt, um dem Puppenspieler sein Geschick unter Beweis zu stellen, indem er ihn selbst in ein Kunstwerk verwandeln würde. Er war sich sicher, dass Sasori in dem Moment, in dem er in dem gleißenden Licht purer Energie, in einer Explosion unbeschreiblichen Ausmaßes von dieser Welt verschieden wäre, die Schönheit seiner Kunst erkannt hätte.

Doch mit seinem vorzeitigen Tod hat Sasori dieses Vorhaben vereitelt und ihm somit jede Chance genommen, diesem anhand seines Meisterwerks die Perfektion und die Überlegenheit seiner Kunst zu beweisen.

Gerüchten zufolge hat Sasori die von den Puppen seiner Eltern geführten Schwerter sogar absichtlich sein Herz durchstoßen lassen. Freitod… undenkbar von diesem mit Ausnahme seiner immerzu demonstrierten Überheblichkeit emotionslosen Verbrecher, der seinen Opfern bei lebendigem Leib die Haut abzog, um sie zu Marionetten umzubauen.

Aber ob nun freiwillig oder nicht, es macht keinen Unterschied. Indem sich Sasori von seiner Großmutter und der rosahaarigen Konoha-Göre hat umbringen lassen, ist er seinem Plan zuvorgekommen. Gut, er hätte sein Vorhaben immer noch umsetzen können. Aber nur dafür, einen leblosen Puppenkörper in die Luft zu jagen, ist ihm sein kostbarer Ton wahrhaft zu schade.

Jedenfalls hat Sasori ihn um seinen Triumph gebracht. Er hat seine Pläne durchkreuzt, indem er gestorben ist, bevor er zu seiner größten Explosion werden, seine Kunst anerkennen konnte. Das wird er ihm nie verzeihen.

Womöglich würde sich der Mistkerl an seiner Situation auch noch erfreuen, sich an seinem durch ihn hervorgerufenen Leid ergötzen. Ja, das sähe ihm ähnlich…

Was ihn wieder zu der Frage führt, warum zum Teufel ihn eine im Grunde unbedeutende offene Rechnung derart aus der Fassung bringt, dass er nun hier steht… elend und heruntergekommen wie dieses schäbige Badezimmer.
 

Ein Kichern, kaum hörbar, aber unverkennbar boshaft. Da ist sie wieder. Nicht dass er die Stimme vermisst hat, aber die Stille ist schon verdächtig gewesen…

Oh, Deidara. Fragst du dich wirklich immer noch, warum du dich so nach seiner Anerkennung sehnst?

Natürlich fragt er sich das… Die Stimme soll ja nicht so tun, als wisse sie mehr als er.

Tatsächlich, ich kenne den Grund, wispert sie verschwörerisch und für einen verstörenden Moment sieht es so aus, als zwinkere sein Spiegelbild.

„Ach ja?“, blafft er zurück, funkelt sein spiegelndes Selbst zornig an. „Du hast doch keine Ahnung! Also halt die Klappe!“

Du zuckst zusammen, wenn du auch nur seinen Namen hörst. Dein Körper verkrampft sich, wenn du dich an ihn erinnerst. Und dein Herz setzt aus, wenn du sein Bild vor dir siehst. Sie lacht gackernd auf. Was hat das alles wohl zu bedeuten, Deidara?

„Was weiß ich?!“ Wut steigt in ihm auf, lässt ihn seine Stimme erheben. „Lass mich damit in Ruhe!“ Dieses besserwisserische Gelaber geht ihm gehörig auf die Nerven. Sie soll endlich verschwinden. Ganz gleich, was sie zu wissen glaubt, es ist ohnehin nur gelogen.

Du kannst es leugnen, wie du willst, übergeht die Stimme seinen Ausbruch, macht eine spannungserfüllte Pause, während sein Spiegelbild höhnisch grinst. Rede dir ruhig ein, dass du ihn hasst. Aber in Wahrheit ist es so, dass du ihn l-

„HALT ENDLICH DEINE VERDAMMTE KLAPPE!!“
 

Ein ohrenbetäubendes Klirren ertönt, als der Spiegel zerbricht. Zahllose Scherben fallen aus der Fassung, prasseln auf den Boden.

Er lässt seine Hand sinken, immer noch zur Faust geballt. Seine Knöchel bluten von den scharfkantigen Bruchstücken, die sich in seine Haut bohren. Schweres Keuchen erfüllt den Raum.

Abwesenden Blickes starrt er auf den geborstenen Spiegel. Endlich hat er ihn zum Schweigen gebracht.

Er atmet tief durch, zieht die abgestandene Luft in seine Lungen. Er hat es geschafft, dessen ist er sich sicher. Die Stimme wird ihn nicht noch einmal heimsuchen, ihm Lügen ins Ohr flüstern, ihre falschen Ideen in seinen Kopf pflanzen.

Stumm betrachtet er den roten Lebenssaft, der aus seinen Wunden rinnt, von seiner Hand auf die weiße Keramik tropft, lässt den Blick zu dem Meer aus Scherben im Becken und auf den Fliesen schweifen.

Da liegt es, zerschmettert auf dem Boden der Tatsachen… sein Leben.

Wie ekelhaft metaphorisch, schießt es ihm durch den Kopf und er schüttelt ihn, um den Gedanken zu vertreiben. Doch lässt es sich nicht bestreiten, dass sein derzeitiger Zustand sein Leben nicht gerade lebenswert macht… Selbst seine geplante Vergeltung an dem verhassten Sharingan-Träger hat keinen Wert mehr für ihn, ist zur Bedeutungslosigkeit verkommen.

Seine Augen bleiben an einem Stück gespiegelten Glases hängen, das aufgrund seiner Größe, seiner extrem spitz zulaufenden Form, einer Klinge gleich, aus der Masse heraussticht.

Ein plötzlicher, neuer Gedanke keimt in ihm auf, verboten, aber so verführerisch… Was wäre, wenn er… Aber nein, so darf er nicht denken! Er ist nicht verloren… noch nicht. Aber es ist schon…
 

Sie sieht verlockend aus, nicht wahr?

Schock fährt durch seine Glieder. Das ist unmöglich. Er hat sie besiegt, den Spiegel zertrümmert, ihre Existenz ausgelöscht. Es kann also nicht sein, dass…

Du glaubst, du wirst mich so einfach los, Deidara? Die nun körperlose Stimme gackert belustigt, jedoch mit einem bedrohlichen Unterton. Ich bin ein Teil von dir und solange du lebst, werde auch ich existieren.

Nein, sie soll endlich verschwinden, ihn in Ruhe lassen!

Er krallt die Finger in seine Kopfhaut, mit dem kläglichen Versuch, die Stimme durch den Druck aus seinem Kopf zu verbannen. Vergeblich, das penetrante Flüstern reißt nicht ab.

Sein Blick fällt erneut auf die Scherbe… so handlich, so praktisch… Vielleicht kann er sich ihr entledigen, wenn er…

Los, heb sie auf, Deidara. Sie ermutigt ihn. Wieso? Ohne ihn würde auch sie aufhören zu existieren. Los, du willst es… Du brauchst es…

Tief in seinem Inneren wehrt er sich gegen ihre Worte, doch er folgt dem Befehl wie in Trance, bückt sich und nimmt die Scherbe in die Hand. Das Glas fühlt sich kalt und fremdartig an. Doch sie passt in seine Hand wie nichts Vergleichbares zuvor, wirkt auf befremdliche Art und Weise unerklärlich vertraut.

Warmes Blut tropft von seiner Handinnenfläche herab, als die scharfe Kante in seine Haut schneidet. Er merkt nicht einmal, dass er das Bruchstück immer fester umklammert hält, wie sich sein Griff stetig zusammenzieht.

Wohlige Wärme erfüllt ihn, aufziehender Nebel trübt seine Gedanken. Er fühlt sich eins mit der Klinge in seiner Hand, die so perfekt in seinem Griff liegt. Er müsste sie nur gebrauchen und alles wäre vorbei, die Stimme endlich ausgemerzt.
 

Doch er zögert.

Worauf wartest du noch? Sie wird ungeduldig. Nimm die Scherbe und benutze sie. Lass sie über deine Pulsadern fahren, schlitze dir die Kehle auf oder ramme sie dir ins Herz. Dafür ist sie gemacht, sie dient nur diesem einen Zweck.

Es ist verlockend… so verlockend…

Seine Hand bewegt sich wie von selbst, kennt jedoch noch nicht die Richtung ihres Ziels.

Komm schon, tu es! Es macht alles einfacher, du wirst sehen, stachelt die Stimme ihn weiter an, lockt ihn, drängt ihn. Dein Leben ist erbärmlich. Was macht es schon für einen Unterschied, ob du lebst oder tot bist? Bring es zu Ende!

Er zittert am ganzen Körper, doch innerlich ist er vollkommen ruhig. Es wäre so einfach…
 

Plötzlich hört er hastige Schritte, dann stürmisches Klopfen gegen seine Zimmertür. Gut, dass er sie seit dem ersten unerwünschten Besuch seiner Nervensäge von einem Partner stets verschlossen hält.

„Deidara-senpai?!“, ertönt eine vor Sorge getränkte Frage, dringt durch den Nebel aber lediglich gedämpft zu ihm durch. „Geht es Ihnen gut? Ich habe etwas zu Bruch gehen gehört! Sind Sie verletzt?“

Die Rufe hallen wie aus weiter Ferne, stammen aus einer anderen Welt, die nicht die seine ist. Er nimmt sie kaum wahr. Warum also antworten?

Sein Interesse gilt allein der gläsernen Klinge in seiner Hand. Wunderschön, wie sie im Schein des flackernden Lichtes glänzt. Faszinierend, wie bereits leichter Druck warme, rote Flüssigkeit von seinen Fingern perlen lässt.

Er spürt keinen Schmerz, nicht einmal Angst, bloß Neugierde. Neugierde auf das, was passiert, wenn er der Forderung der Stimme nachgibt. Und die aufkeimende Hoffnung auf Befreiung, Erlösung von seinem unerträglichen Zustand... wie sie es versprochen hat.

Finde es heraus, Deidara, haucht sie verführerisch. Es ist nur ein kleiner Schritt…

Das Poltern vor der Tür wird immer lauter, wird jedoch von dem Nebel verschluckt, der ihn umgibt.

Wie vom Wahnsinn ergriffen, kann er seine Augen nicht von der Scherbe abwenden. Die Kontrolle über seinen Körper hat er schon längst verloren.
 

Sein Arm bewegt sich wie von Geisterhand geführt…

Langsam senkt sich die Schwärze über seine Augen, umfängt ihn die Finsternis wie einen alten Freund. Wird er nun frei sein? Erschöpft schließt er die Lider, gibt sich ganz der wohltuenden Dunkelheit hin.

Stille legt sich über ihn, seine innere Stimme ist verstummt. Selbst die Geräusche der berstenden Tür nimmt er nicht mehr wahr. Einzig die ihm aus ferner Vergangenheit vertrauten Worte, spöttisch und verächtlich, doch im selben Moment voll kalter Gleichgültigkeit, hallen in seinem Kopf wider.

"Wahrlich erbärmlich... Deidara."



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  _pika_
2023-10-06T09:53:52+00:00 06.10.2023 11:53
Hach, jetzt habe ich weitergelesen, wollte dir wieder ein paar Worte als Feedback dalassen und nun mag ich zu diesem Kapitel gar nicht so viel sagen… ^^

Vielleicht so viel … Ich verstehe ihn. Und der Schluss hat mir gefallen, dass er zu Sasori zurück findet. Irgendwie … Scheinbar …

Weg vom Inhalt: Der Schreibstil ist wieder mal toll und die Sätze sind, wie du schon sagtest, weniger kompliziert als beim vorherigen Kapitel. Gefällt mir sehr gut und lässt sich leichter lesen. :)

*zum nächsten Kapitel husch*
Von: lunalinn
2015-05-29T16:14:57+00:00 29.05.2015 18:14
Huhu! :)

So, hier kommt mein längst überfälliger Kommentar.
Ich find's ja super, dass du nach so langer Zeit mal wieder etwas geschrieben hast - vor allem weil ich dir dabei auch endlich mal meine Hilfe anbieten konnte. xD
Zwar nicht viel, aber immerhin... ^^
Aber nun mal zum Inhalt...

Ich fand den Einstieg sehr gut, vor allem die Zeit-Form, die du für den OS gewählt hast...man fühlt sich dabei dem Geschehen irgendwie näher, Deidara mehr verbunden.
Ich hatte ein bisschen das Gefühl, als würde ich neben ihm stehen...und ihn beobachten, was ja auch irgendwie so ist *hust* Stalker *hust* ^^°
Also wie gesagt, der Einstieg war sehr gut, wobei ich's ja bewunderswert finde, dass er bis 10.000 zählen kann. Da muss der seelische Verfall ja wirklich groß sein, wenn er so verzweifelt ist.
Diese Verzweiflung hat man sehr gut spüren können - ich mag die Szene mit dem Wasser ins Gesicht spritzen, ich wette, du weißt warum. xD
Die Beschreibung von seinem zerstörten Aussehen war auch gut...da hab ich richtig Mitleid bekommen. Dabei ist er doch so ein hübscher...hach ja...
Und dann kommt die fiese Stimme...okay, die war wirklich mega fies. Ich hab so Mitleid mit Deidara gehabt...muss schlimm sein, wenn man schon so weit ist, dass man Stimmen hört. Beziehungsweise auch noch die eigene im Kopf, die man nicht abstellen kann und die genau zu wissen scheint, was in einem vorgeht, obwohl man es verdrängen will.
Hat bei Deidara ja nicht gerade gut geklappt, die Stimme ruhig zu stellen...ich mochte vor allem sein trotziges, stures Verhalten, obwohl er eben so zerrüttet ist.
Das hat ihn nicht ganz so erbärmlich wirken lassen...nicht so weinerlich, aber sowas mag ich ja ebenso wenig wie du, von daher alles gut.
Der Verlauf war schön nachvollziehbar...man konnte nach und nach erkennen, dass Deidara Sasori eben doch nicht gehasst hat...mehr so eine Hass-Liebe und die Stimme weiß natürlich wieder mal Bescheid, muhaha~ >:D
Passt ja auch nicht zu Deidara, sich einzugestehen, dass er den Puppenmeister (SasoMaso) eben doch nicht nur vermisst, weil er nun Tobi an der Backe kleben hat und sich niemandem mehr beweisen kann. Man kann ohnehin Leute nur richtig hassen, die einem was bedeuten...und Sasori hat ihm ziemlich viel bedeutet.
Beim Ende dachte ich so: "Neeein, tu's nicht, Deidara, neeeein!" xD
Obwohl ich ja schon wusste, worauf es hinausläuft, da ist der Titel ja recht eindeutig und immerhin haben wir vorher ausgiebig gequatscht...trotzdem schade, wobei Deidara vielleicht ja jetzt wieder bei seinem verhasst-geliebten Püppchen ist. Das wäre dann wenigstens ein positiver Aspekt seines Selbstmordes...
Am allermeisten hat mir aber das Ende gefallen.
Das war wirklich super! Ich habe Sasoris Stimme praktisch in meinem Kopf gehört...und das war irgendwie bitter. Musste ich gleich noch drei mal lesen, also den letzten Absatz.
Ein sehr schönes Ende, kurz und knackig und...eben sehr bitter...mich hat's richtig geschaudert. xD
Hast also all meine Nerven getroffen, Drama-lama, yay! :D
Okay...wundere dich nicht, ich bin auf Cappu...hoffe mal, du kannst mit dem Kommi trotzdem was anfangen. Ich habe mich bemüht! xD
Na ja, was bleibt mir noch zu sagen, das ich dir nicht samstag sagen kann...eh...also...schreib mehr davon? Hau in die Tasten, Alte! ^^b
Ich freu mich auf mehr! :)

LG


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