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The Reverse Side of Love

Liebe ist ein Spiel [Kare/Yurei]
von

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In die Zukunft

Mein Tag war endlich gekommen. Kai war bei seiner Arbeit. Ich war alleine zu Hause. Ich hatte den Wecker auf zehn Uhr gestellt. So hatte ich genügend Zeit, meine Sachen zu erledigen, zu packen, und Kai meinen Brief auf den Tisch zu legen. Ich hatte es ihm noch immer nicht gesagt. Stattdessen hatte ich ihm einen langen Brief geschrieben.

Um halb zehn wurde ich wach. Musste an der Aufregung liegen. Aber da ich nicht mehr einschlafen konnte, obwohl ich mit Kai gestern noch lange auf war, stand ich auf und wie jeden Morgen schnurstracks ins Bad, um mir die Haare zu waschen und die Zähne zu putzen. Ich blieb lange unter der Dusche stehen. Meine Haut wurde schon ganz schrumpelig. Als ich dann aus dem Badezimmer trat, meine Haare zu einem dichten, feuchten Zopf geflochten, waren immerhin schon eineinhalb Stunden vergangen. Vorsichtig holte ich meine Sporttasche aus der obersten Abteilung meines Schrankes und warf sie auf das Bett. Dort schmiss ich alles an Kleider und Krimskrams rein, das ich hatte, separat, in eine Umhängetasche, all das, was ich während des Fluges brauchen würde. Als mein Schrank leer und die Tasche voll war, begab ich mich zum Tischchen neben dem Bett. Dort in der unteren Schublade war die Mappe, die Yuriy mir zusammen mit seiner Nummer gegeben hatte, vor nun fast einem Monat. Obendrauf, in einem Couvert, lag das Ticket. Vorsichtig legte ich beides auf das Bett neben die Tasche. Dann öffnete ich die oberste Schublade und kippte den ganzen Inhalt hinein. Als auch das Nachttischchen und die Kommode geleert waren, verfrachtete ich alles neben die Tür. Die Mappe und das Ticket hatte ich in die Umhängetasche gesteckt. Ich ging zurück zum Bett, schüttelte Kissen und Decke kräftig aus und strich alles glatt. Mit einem letzten Blick durch das Zimmer versicherte ich mich, dass ich nichts vergessen hatte. Ich hob Sport- und Umhängetasche auf und öffnete die Tür, warf einen letzten Blick zurück in das Zimmer, das zwei Monate lang meines war. Jetzt sah es aus, als wäre ich gar nie da gewesen. Mit einem Seufzer schloss ich die Tür und ging ins Wohnzimmer. Dort schaute ich auf die grosse Wanduhr und stellte fest, dass es schon nach ein Uhr war. In meiner Hosentasche fühlte ich den Brief. Ich zog ihn heraus. Er war ein bisschen zerknittert. Auf dem Umschlag stand gross ‚Kai’.
 

Das Wohnzimmer war immer der erste Ort, an den er ging. Ich legte den Brief auf das Salontischchen. Dann sah er ihn wenigstens sofort, dachte ich.

Eine Weile schaute ich den Brief an. Ich überlegte nichts, ich stand einfach nur da und starrte den Brief an. Doch dann wandte ich mich um und ging in die Küche, um mir etwas zu essen zu machen.
 

Kurz vor drei Uhr, ich hatte sogar noch abgewaschen und mir die Zähne nochmals geputzt, klingelte es an der Tür. Davor stand der Taxifahrer. Ich hatte ein Glück, dass Kai nie abschloss, wenn er zur Arbeit ging. Immerhin war immer jemand im Haus, auch wenn es nur jemand vom Personal war.

„Guten Tag, sind sie Ray Kon?“, fragte er freundlich. Ich nickte. „Wunderbar, dann kommen sie bitte mit mir. Ich nehme ihre Tasche“, fügte er noch an, als ich mich bückte um sie aufzuheben, und hängte sie sich über die Schultern. Dann ging er voran, ich im Schlepptau hintendrein. Beim Taxi angekommen, hielt er mir die Türe auf, und als ich eingestiegen war, schloss er sie wieder und legte dann die Tasche vorsichtig in den Kofferraum. Ich kam mir ein bisschen bescheuert vor. Aber nur ein bisschen. Irgendetwas sagte mir, dass ich mich daran gewöhnen musste.

Lange blickte ich der Villa nach, als wir abfuhren, bis ich sie aus den Augen verlor, weil wir um eine Ecke bogen. Dann starrte ich durch das Fenster nach draussen, mein Blick verlor sich irgendwo in der Gegend. Während der ganzen Fahrt sagte ich kein Wort. Erst als er mich noch bis nach drinnen zum Check-In begleitete, bedankte ich mich freundlich bei ihm und wollte ihm einige Münzen Trinkgeld geben, die ich mühsam zusammengekratzt hatte, doch er lehnte lächelnd ab. Dann eben nicht.

Lange stand ich nicht an, da ich erste Klasse flog und der grosse Haufen bereits eingecheckt hatte. Ich wartete dementsprechend auch nur kurz, dann wurden wir durch Lautsprecher aufgefordert, durch das Gate zu gehen und in den Flieger nach Moskau zu steigen.

Die Frau, die die Tickets ansah und den Passagieren die Plätze zuwies, sah mich merkwürdig an, doch dann zeigte sie in ein Abteil, das bei Weitem gemütlicher aussah als der Rest. Ich setzte mich an meinen Fensterplatz und guckte hinaus. Weit unten sah ich irgendwelche Männer in Uniformen rumrennen und Gepäck schleppen. Ich schaute auf die Uhr. In zwei Minuten war es soweit. Dann gab es kein Zurück mehr. Der Pilot begann auch schon, uns zu begrüssen. Mein Blick war jedoch schon wieder in weite Ferne gerichtet und meine Gedanken ganz wo anders.
 

Kai war unterdessen zu Hause angekommen. Wie gewöhnlich legte er den Autoschlüssel neben der Eingangstür in eine Schale auf den Schuhschrank, zog die Schuhe aus und ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Es war ruhig im Haus. Der kleine Chinese schlief bestimmt, immerhin wurde es letzte Nacht mal wieder spät. Oder er sass in der Badewanne, die er so mochte. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen.
 

Aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund konnte ich alles, was gerade passierte, mit ansehen, als stünde ich daneben. Kai ging nicht ins Wohnzimmer, wie ich eigentlich dachte. Er stieg die Treppen zum zweiten Stock hinauf. Sachte klopfte er an eine Tür. Stille.

„Ray?“

Keine Antwort. Vorsichtig öffnete er die Tür.

„Ray, bist du wa-?“

Er erstarrte mitten in seiner Bewegung, blickte fassungslos in den Raum. Er war leer. Hastig schloss er die Tür wieder. Hatte er sich etwa im Zimmer geirrt? Er eilte den Gang entlang, öffnete jede Tür, blickte hinein. Nichts. Er rannte runter, in die Küche, zum Pool, in den Spielraum, er suchte jeden Raum ab. Immer noch nichts. Von seinem schwarzhaarigen Chinesen fehlte jede Spur. Verzweifelt liess er sich auf das Sofa im Wohnzimmer fallen, sein Stammplatz. Da fiel sein Blick auf einen Umschlag, der auf dem Tischchen lag. Drei zierliche Buchstaben bildeten seinen Namen. Er packte den Brief, riss ihn auf. Hastig überflog er die ersten Zeilen, blinzelte, zog die Augenbrauen zusammen, las das ganze Geschriebene aufmerksam durch.
 

Lieber Kai

Als erstes musst du wissen, wie unendlich dankbar ich für all das bin, was du in den letzten Monaten für mich getan hast. Ich weiss nicht, was ich ohne dich gemacht hätte. Du hast meinem Leben wieder einen Sinn gegeben. Du warst immer da, wenn es mir schlecht ging, hast mich getröstet, mir Halt gegeben, wenn ich dich brauchte. Du hast mir sofort alles anvertraut, obwohl wir uns kaum kannten. Ich habe diese Zeit bei dir unglaublich genossen. Den Tag im Vergnügungspark werde ich nie vergessen! Er wird einer meiner schönsten in meiner Erinnerung sein. Und wer weiss, vielleicht kann ich eines Tages auch irgendetwas für dich tun?
 

Kai, wenn du diesen Brief liest, bin ich nicht mehr da. Es tut mir leid, dir das auf diese Weise erklären zu müssen, aber ich brachte es nicht übers Herz, es dir direkt ins Gesicht zu sagen. Du weißt, meine Schulzeit ist zu Ende und für mich beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Ich muss nun auch arbeiten gehen. Ich hatte mich zwar nie gross bemüht, eine Lehrstelle zu finden, aber... Vor etwa vier Wochen wurde mir dann etwas angeboten, das ich nicht ablehnen konnte.
 

Kai, wenn du diesen Brief liest, sitze ich bereits im Flugzeug Richtung Moskau. Yuriy meinte, ich hätte gute Chancen auf eine Karriere als Model. Ich zögerte lange, doch schliesslich habe ich sein Angebot, zu ihm nach Russland zu kommen, angenommen. Wenn ich wirklich eine Chance habe, mich in dieser Branche zu behaupten, dann möchte ich es versuchen. Meine Zukunft liegt nun etwa 20'000 Kilometer von dir entfernt. Bitte verstehe das. Und bitte sei Yuriy nicht böse, schlussendlich war es doch meine Entscheidung.
 

Ich habe dich wirklich sehr ins Herz geschlossen und es tut unglaublich weh, dich auf solch eine brutale Weise zurückstossen zu müssen. Trotz allem hoffe ich, dass sich unsere Wege nicht endgültig trennen! Denn ich weiss, wie es ist einen geliebten Menschen zu verlieren. Auch wenn es diesmal meine Schuld ist.
 

Bitte verzeih mir!
 

In Liebe

Ray
 

Es war Abend. Draussen verfärbte sich der Himmel langsam über Orange zu Rot, und schliesslich zu Dunkelviolett. Ich war in meinem Sitz eingeschlafen, die Gedanken zuletzt bei Kai. Das Essen, das mir hingestellt wurde, habe ich nicht angerührt. Es sah schon unappetitlich aus. Ich flog nun schon seit über vier Stunden, folglich war es in Tokio neun Uhr abends. In Moskau erst drei Uhr nachmittags. Ich drehte den Kopf auf die andere Seite und schloss die Augen wieder. Das Fliegen erschöpfte mich irgendwie. Es dauerte nicht lange, da schlief ich wieder ein. Meine Gedanken schweiften hin und her zwischen dem, was vor mir lag, und dem, was ich hinter mir liess.
 

Kai sass auf einem Sessel vor dem Kamin. Es war dunkel. Das flackernde Licht des Feuers warf grosse, verschwommene Schatten an die Wand. Das Holz knisterte. Auf einem Tischchen stand ein Glas. Drei Eiswürfel schwammen im russischen Alkohol. Kai starrte gedankenverloren in die gelb-orangen Flammen. In einer Hand hielt er einen Brief. In der anderen ein dünnes, silbernes Kettchen. Es war für mich bestimmt. Kai hatte es auf dem Nachhauseweg in einem Schaufenster gesehen. Dabei dachte er an mich. Er kaufte es. Wollte mich damit überraschen.

Er drückte die Faust fest zusammen. Schon wieder. Es war genau wie damals. Da war es nicht anders gewesen. Jetzt war es schon wieder passiert. Ein letzter Blick auf den Umschlag mit den geschwungenen Buchstaben, dann warf er ihn in die züngelnden Flammen. Er starrte das Papier an, das im Bruchteil einer Sekunde vom Feuer verschlungen wurde und dann als Asche in sich zusammenfiel. Dabei verfärbte sich das Feuer hellrot. Feuerrot. Eisblau.

>Yuriy<
 

~end~



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Jackie20
2010-09-20T20:59:57+00:00 20.09.2010 22:59
klasse kapitel
kai ist ziemlich sauer
ist er auf ray so sauer oder wegen yuriy?
und was meint er genau wie damals?
oh ich hoffe das ray nichts falsches gemacht hat
schreib schnell weiter
bye


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