I need articulateness
Noch einige Schritte ging ich schnell, verlangsamte dann aber meinen Gang. Was war das nur gerade für ein Gefühl, das ich hatte? Es war so neu. So unbekannt. Während ich weiterging befühlte ich mein Herz, es schlug wieder normal, im Gegensatz zu einigen Momenten zuvor. Nein, es schlug nur schneller, wenn ich an Marikus Augen dachte, die tief in die meinen blickten. Aber wieso empfand ich nur so ein Gefühl, wenn ich an Mariku dachte? Er musste mich jetzt für den letzten Idioten halten, dass ich mich so aufführte. Irgendwie fand ich mein verhalten ja sogar schon fast kindisch. Was dachte er sich denn jetzt von mir? Noch mehr würde mich interessieren, ob er etwas gemerkt hatte. Aber es war ja ziemlich auffällig gewesen. Ich wusste nicht, was ich denken sollte, so verwirrt war ich und setzte meine Weg nach Hause fort.
Dort angekommen stellte ich mich im Bad vor den Spiegel und betrachtete mein Gesicht lange darin. Es sah so aus wie immer und trotzdem hatte sich etwas verändert. Aber was war es? Und was war vorhin geschehen? War es tatsächlich so, wie ich vermutete? Konnte es sein, dass ich wirklich so viel Zuneigung für einen Jungen empfand? Aber war es denn möglich? Es war doch ein Junge.
Ich erinnerte mich daran, als Ryou mir mal erzählt hatte, wie er ein Mädchen kennen gelernt hatte. Er sagte mir, dass er sich in ihrer Nähe immer so wohl gefühlt hatte, nervös wurde, sobald er mit ihr reden wollte und auch ab und zu errötete, wenn er sie ansah. Für mich war damals eins klar: Er war in dieses Mädchen bis in beide Ohren verliebt. Ich hatte zwar noch nichts mit solchen Gefühlen am Hut, aber ich freute mich für ihn. Schließlich war es doch völlig normal, wenn ein Junge sich in ein Mädchen verliebt hatte. Aber war es möglich, dass ein Junge auch derartige Gefühle für einen anderen Jungen empfinden konnte? Und war ich vielleicht dieser Junge?
Je länger ich so vor dem Spiegel stand, desto mehr wurde mir klarer, wie wenig ich mich eigentlich für Frauen interessierte. Ryou blickte so ziemlich jeder Frau nach, wenn wir auf der Straße gingen und erzählte mir hinterher immer, wie schön doch der Arsch von jener Frau gewesen sei, die großen Möpse der anderen, oder dass die und jene viel zu fett waren. Doch mich interessierte das herzlich wenig. Ich hatte noch nie einer Frau hinterher gesehen, das wurde mir erst jetzt richtig bewusst.
Eine andere Situation flog mir in Erinnerung: Es war ein Männerabend zu viert. Wir hatten uns an einem Abend mit Bier vor den Fernseher gesetzt und sahen uns einen Pornofilm über zwei lesbische Frauen an. Auch das hatte mich kalt gelassen, während die anderen, unter ihnen auch Ryou, pfiffen und jubelten. Ich kassierte nur kritische und verständnislose Blicke, als ich fragte, was daran so interessant sein sollte.
Dies leuchtete mir erst jetzt ein und ich fasste einen Entschluss.
Nach Stunden des Blicks in den Spiegel löste ich mich nun endlich davon und blätterte in meinem Rezeptbuch nach einem bestimmten Zettel, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich tatsächlich mal danach suchen würde. Da war er ja. Ein kleiner roter Zettel mit einer Adresse drauf.
Ryou hatte mir diese Anschrift aufgeschrieben und gemeint, es wäre ein Zwingerclub mit den heißesten Bräuten der ganzen Stadt. Als ich ihn ablehnte, nahm er mein Buch, in dem ich meine Rezepte für Kochgerichte aufschrieb und legte den Zettel grinsend hinein. Mit den Worten wohl eher zu sich selbst: „Ein Rezept um sich mal auszutoben und Spaß zu haben für Malik. Nur zu Sicherheit“
Da war es nun, das „Rezept“. Sollte ich wirklich dahin gehen?
Aber es blieb mir nichts anderes übrig, ich wollte wissen, ob ich mich tatsächlich nicht für Frauen interessierte. Aber was war mit Mariku? Immerhin sah ich ihn doch morgen in der Schule wieder und prompt fing mein Herz wieder an zu schlagen, als ich an ihn dachte.
Nein, dass musste ich jetzt herausfinden und so lange würde ich Mariku einfach aus dem Weg gehen, so gut es ging. Morgen Nachmittag musste ich arbeiten, also würde ich am Mittwoch dorthin gehen. Zwei Tage, das dürfte schon nicht so schwer sein. Ich musste mir einfach Klarheit verschaffen.