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OS sammlungen

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Die Wächterin

Die Wächerin
 

Es war ein Bild wie aus einem Horrorfilm. Hell erstrahlte die Welt in dem Glanz, dem man nur zu sehen bekam wenn irgendwo etwas grausames passierte oder passieren würde. Leise wiegten sich die Blätter im Wind der sanft die reifen Weizenhalme bewegte. Irgendwo im angrenzenden Wald verströmte das Geplätscher eines Baches das Gefühl, als könnte die Welt nichts aus ihrem Gleichgewicht bringen.

Wahrscheinlich wäre dass auch der Fall gewesen, wenn da nicht die abgestanden schmeckende Luft gewesen wäre.

Zumindest schmeckte sie so für Joe. Obgleich noch etliche Soldaten mit stolzgeschwellter Brust und den Gewehren im Anschlag vor ihm standen, fühlte er wie sich die Angst in seine Knochen schlich.

Wie kalter Nebel schlängelte sie sich seine Beine empor, lies sich zu einem Klumpen aus Eis werden ehe die Angst sein Herz erreichte. Momente lang dachte er, er würde Sterben…Die Luft wollte seine schützenden Lungen nicht verlassen, beinahe so als hätte selbst die Luft Angst vor dem was kommen würde. Doch auch die Luft verlies schließlich die Lungen.

Genau wie der Mut Joe. Mit dem gelernten Pokerface sah er weiter gerade aus. Immer gerade aus. Anstatt Einzelheiten zu sehen, verschwamm alles zu einer grauen Masse. So wie er es gelernt hatte.

„Was du nicht siehst kann dich auch nicht in deinen Träumen verfolgen!“, erklang irgendwo im Hinterkopf.

Ein Ellbogen bohrte sich schmerzhaft in seine linken Rippen. Wie er es im Film schon so oft gesehen hatte, schloss er die Augen, in der festen Hoffnung wenn er sie Öffnet würde ihm der schreckliche Anblick erspart werden.

Doch als die Lider sich öffneten, blickte er wieder einmal in das Gesicht eines zu jungen Mannes. Noch immer Bartlos, blickte ihn der Jüngling mit weit aufgerissenen Augen an. Die Angst schien ihm aus allem Poren zu kommen, tropfte zusammen mit dem Schweiß gen Boden. Graue Augen durchbohrten den Jüngling. Kein Tropfen Mitgefühl war mehr in Joe. Kein Mitleid, keine Wut, keine Enttäuschung. Nur noch Schicksalsergebenheit.

Leicht beugte sich der Soldat zu seinem Mitstreiter hinunter.

„Lauf! Lauf und lerne in den Geschichtsbüchern die Vergangenheit. Lerne die Vergangenheit, um die Zukunft zu formen.“, erstaunt hielt Joe inne. Dann lächelte er. Für einen Moment sah er sich, wie er einst selbst vor Angst zitternd neben einen erfahrenen Soldaten stand. Damals, als der ganze Krieg seinen Anfang nahm. Er erinnerte sich noch zu gut an den Blick von seinem Mentor. Er musste genauso geblickt haben wie er heute. Leer.

Die Geschichte wiederholte sich. Vor 2 Wochen war er der Jüngling gewesen der heute vor ihm stand.

Die gleichen Worte hatte ihm damals der ältere mitgegeben. Die gleichen Worte, die er damals nicht verstanden hatte. Heute tat er es, doch für ihn war es zu spät.

Die Erde lechzte nach seinem Blut. Die Seelen der von ihm getöteten warteten schon auf ihn.

Mit einer Müden Handbewegung legte Joe dem Jungen eine Hand auf die Uniformierte Schulter.

„Geh, solange du kannst und rette das, was noch zu retten ist! Sollen die anderen dich einen Feigling schimpfen, für mich wirst du der einzig Mutige sein. Wahrscheinlich auch der einzige Sieger dieses sinnlosen Krieges- soweit es jemals einen Gewinner gibt.“

Endlich waren die Worte raus.

Stirnrunzelnd sah Joe wie irgendein Offizier in ein Feldtelefon schrie. Die Worte verstand er nicht, aber die Gesten. Dreimal hatte er sie nun schon erlebt. Dreimal war er zu etwas geworden, was er sich früher immer sein gewünscht hatte.

Dreimal wurde er zu seinem schlimmsten Albtraum.
 

Er hörte das Stampfen der Beschlagenen Schuhe. Er spürte das Beben der Erde. Er sah, wie der Jüngling angsterfüllt den Stahlhem von sich warf.

Von einem altem Kampfgeist erfüllt, schulterte er sein Gewehr.

Es gab nun jemand. Jemand der Hoffnung sähen würde.

Joe lächelte. Es wurde Zeit, dass die Erde mit dem gespeist werden würde, nachdem sie verlangte. Etliche Seelen sollten in Frieden ruhen.

Er musste es nur noch schaffen dass der Junge überlebte. Der Kampf musste nur lange genug andauern.
 

Die Angst die seine Beine gefangen hielt verflog. Sein Herz setzte kurz aus, ehe es dann so regelmäßig und kräftig wie lange nicht mehr schlug. Die stahlgrauen Augen blickten entschlossen auf den Rücken seines Vordermannes.

Im Gleichschritt ging es dann in Richtung Gegner. Das grüne Gras wurde rücksichtslos zertrampelt.

Hoch über ihnen zwitscherten die verbliebenen Vögel.

Joe blickte kurz zurück zu dem Wald. Vor 50 Jahren hätte er jetzt nicht mehr gestanden. Er erinnerte sich schaudernd an die Bilder der Panzer in Büchern. Fast schon war er froh, dass kurz vor seiner Geburt das letzte bisschen Erdöl verbraucht wurde- und damit die Ära des Maschinellen Krieges vorbei war.

Je näher er dem Feind kam, desto lichter wurden die eigenen Reihen. Bald schon waren die schwarzen Stiefel dunkel glänzend vom Rot der gefallenen.

Doch Joe ging unbeirrt weiter. Das Gewehr im Anschlag, den Finger am Abzug. Dann drückte er ab. Zu den vielen Salven kam nun auch die seiner MG42.

Wieder sah er Körper zu Boden gehen. Doch diesmal waren es Feinde.

Er schnaubte. Jetzt da er wieder kämpfte, scherte er sich nicht mehr um Geschichte. Feind war kein Mensch. Feind war Böse.

Aber auch er war ein Feind. Auch er war Böse.

Und während er fiel, niedergestreckt von einigen Kugeln, realisierte er erst das ganze und große Übel.

Sein Blick fiel auf eine Rote Mohnblüte. Verloren und verlassen stand sie dort zwischen zwei Körpern.

Stolz stand die Blume dort um über den ewigen Schlaf der Toten zu wachen.

Ein letztes Mal lächelte Joe, dann begab auch er sich in die wachende Obhut des rotbluten Mohns.

Seine letzten Gedanken, Wünsche und Gebete begleiteten den jungen Mann bis nach Hause, wo er sich schließlich mit einigen Geschichtsbüchern bewaffnet daran machte einen Krieg zu beenden.
 

Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Thuja
2009-01-16T15:07:03+00:00 16.01.2009 16:07
"gänsehaut"
mit einer deiner eindrucksvollsten Werke
das tiefsinnige ist eindeutig dein Ding
wunderbare Beschreibungen
der Krieg mit seiner Sinnloigkeit, seiner Brutalität und ein Soldat, bei dem man denken könnte, er habe wirklich gelebt
wirklich
ich bin fasziniert
fast schon könnte ich heulen
und dieser rote Mohn inmitten des Kampfes
wie mächtig die pflanze für mich wirkte
sowas könnte ich stundenlang lesen

hdl


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