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Yue -Der Mond

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von

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Ein neuer anfang

Heute war es so weit. Ich stieg in das Auto um meiner Vergangenheit und mir Selbst zu entfliehen. Der Himmel war klar und die Sonne schien sich über meinen Abschied zu freuen.

Keiner war gekommen um mich aufzuhalten. Ich sehe noch die tränen schweren Augen meiner Mutter und meine Blutverschmierten Finger. Er liegt immer noch bewegungslos auf dem Boden. Aber ich wollte das alles vergessen. Darum fahre ich fort von all der Enttäuschung und der grenzenlosen Angst.

Der Flughafen ist eine Stunde von unserer Stadt entfernt. Ab jetzt ist es Ihre Stadt und ich reise in meine ungewisse Zukunft.

Der Flughafen wirkte wie ein Ameisenhaufen. Organisiert aber unüberschaubar. Ohne jedes Leben. Kalt und mechanisch.

Ich weiß nicht warum ich das getan habe, aber jetzt ist es zu Spät um um zukehren. Es ging alles einfach zu schnell.

Der Flug dauerte eine Ewigkeit. Genug Zeit um ein neues Leben zu erfinden.

Der Mond ist genauso geheimnisvoll wie das Leben. Besonders meines muss ein einziges Geheimnis bleiben. Darum nenne ich mich von nun an Yue, Mond.

Tokio ist eine große Stadt in der jeder seine Päckchen mit sich herum schleppt. Darum passe ich perfekt hier rein. Ich gehe in der Menge unter.

Meine ehemalige Schwester hat für ein Apartment gesorgt und meine Mutter für mein Startkapital. Von nun an stehe ich auf eigenen Füßen. Zuerst muss ich ihre Sprache lernen. Bis das neue Schuljahr beginnt habe ich noch zwei Monate Zeit. Das muss wohl ausreichen.
 

Ich habe mich eingelebt. Was blieb mir anderes übrig. Die Aufnahmeprüfung für eine der Schulen in meinem Viertel habe ich auch bestanden.

Zum Glück war ich immer schnell von Begriff und konnte mir die schwerste Lektüre im Nu erarbeiten.

Trotzdem war es eine große Herausforderung für mich. Nebenbei habe ich einen Job in einem kleinem Supermarkt angenommen. Mein neues Leben fängt an sich zu formen.
 

Der erste Schultag. Sie haben mir gleich zwei Schuluniformen geschickt. Sie konnten sich wohl auch nicht entscheiden was ich eigentlich bin. Aber wenn man schon mal die Gelegenheit hat neu anzufangen, warum dann nicht gleich ganz?

Also entschied ich mich für die Schuluniform der Jungen. Meine langen Haare hatte ich mit meiner Vergangenheit zurückgelassen. Was meinen Busen betrifft, da hilft mir der Verband den ich seit meiner Flucht tragen muss.

Meine neue Klasse. Nicht anders als all die anderen. Aber dank meiner Selbstverachtung und der Gereiztheit, hasse ich jeden und alles.

Vom ersten Tag an spürte das jeder und hielt sich von mir fern. Kam mir doch einer dumm, weil er mich schief ansah und verdächtig flüsterte, gab es ein Paar Karategriffe zu Spüren die noch aus meinem altem Leben übrig geblieben.

Wer kann heute noch sagen, was sich hinter all den Masken, die sich jeder zugelegt hat, versteckt. Da gibt es zum Beispiel ein Mädchen, an der Schule, das alles bekommt was es will. Sollte sich ihr mal jemand entgegen stellen, auch wenn es die Lehrer sind, kommt der große Bruder und haut alle zu Brei. Auch die, die nicht einmal beteiligt waren.

Das sind die beiden auffälligsten. Das Mädchen wird Chloe genannt und von allen vergöttert und verehrt. Sie wirkt sehr selbstsicher aber ich kann sehen, dass sie es nicht ist.
 

Bei den Jungs gibt es nur ein Thema: wie überwindet man die größte Hürde die sie und ihr Traumweib von einander trennt. Ihren großen Bruder Shin.

Mit den langen Haaren und der Augenklappe könnte er frisch aus dem Gefängnis geflohen sein. Er wird überall gefürchtet. Keiner scheint ihn zu mögen.

Ein einsamer Wolf mit einem immensen Schwester komplex der gerne mit seinen Fäusten wie Wild umher fuchtelt. Das Leben könnte nicht schöner sein.

Natürlich „Beherrschen“ diese zwei die Schule und die gesamte Gegend drumherum. Wie sollte es auch anders sein. Mit ihren Anhängern und den wenigen die so verrückt sind sich ihnen entgegenzustellen, ist das auch kein Problem.

Natürlich fände mein früheres Ich das alles nicht so lustig und würde alles versuchen um Frieden zu stiften. Aber jetzt ist mir das schnurz egal und ich kümmere mich nur noch um mich selbst. Ich habe ja gesehen was daraus geworden ist, als ich mich wieder einmal eingemischt habe. Naja die Schmerzen in der Brust und die Narben auf ihr erinnern mich an alles.

„Hey. Geh mir aus dem Weg!“

Na toll! Da denkt man, man könne seinen Gedanken in Ruhe nachhängen und schon wird man gestört. Was soll’s jede Vernunft ist aus mir flöten gegangen darum leg ich mich mit allen an.

„Hast du ein Problem? Dann geh um mich herum!“

„Wie war das. Wirst du etwa frech? Du bist wohl neu hier?“

Um uns hat sich schon eine Gruppe von Gaffern gebildet. Das Geflüster von „Lebensmüde“ und „Verrückt“ und „Dem Tode ins Auge blicken“ ignorier ich einfach und schaue meinem Gegenüber in das eine Auge was mich wutentbrannt und Selbstsicher anstarrt. Während das andere hinter seiner Augenklappe ein Päuschen einlegt.

„Wow, Blitzmerker!“

Daraufhin bleibt ihm die Spucke weg und er holt mit seiner Faust aus.

Da ich ja recht flink bin, dank meinem Drahtischen Körperbau, ist es für mich ein Leichtes ihm auszuweichen. Gelassenheit macht schnell und ein leerer Bauch auch. Darum trifft mich der wütende Koloss nicht und verliert die Geduld.

Da ich zu Arbeit muss und keine Lust habe meinen Job zu verlieren sollte ich dem allem ein Ende setzten.

Mein Gegenangriff scheint ihm nichts auszumachen. Er steckt alles mit einem Feixer weg und scheint den Kampf mittlerweile lustig zu finden. Wenigstens hat einer von uns beiden Spaß.

Es wird Zeit mein Karate mit meinen früheren Tanzstunden zu kombinieren um ihm und den herumfuchtelnden Armen und Beinen auszuweichen, dann hinter seinem Rücken sein Hemd zu Packen und ihn über meine Schulter zu wuchten. Wuchten ist gut! Der wiegt ja fast eine Tonne! Oder bin ich so schwach geworden?

Mit einem lauten Plätschern landet der Typ in dem Teich der Schule. Wobei ich mich sowieso gefragt habe warum die Schule einen Teich ohne Fische und Pflanzen braucht. Eigentlich wenn ich das jetzt so betrachte, ist er ganz gut für eine kleine Abkühlung, für meinen Hitzköpfigen neuen „Freund“.
 

Egal eh ich mich versah machte ich mich aus dem Staub und war schon im Supermarkt angekommen. Der Verkäufer schaute mich verdutzt an.

„Hast du dich geprügelt?“

Mein Gott, konnte der etwa Hell sehen. Woher wusste er das. Ich wurde kein einziges mal getroffen.

Erst jetzt bemerkte ich einen warmen Fluss an meine rechten Seite und verzog mich ohne ein Wort in des Hinterzimmer.

Bei der Masse die ich mir zugemutet hatte, um sie in den Teich zu verfrachten, ist meine alte Wunde an der rechten Schulter wieder aufgerissen.

Natürlich machte sich der Schmerz jetzt reichlich bemerkbar. Das Pochen durchflutete meinen Körper. Kurzzeitig wurde mir schwindlig und mein Magen fuhr Karussell.

Ich versuchte mich wieder in den Griff zu bekommen. Nach einigen geübten Handgriffen hatte ich den Schaden behoben und mich hinter die Kasse geschoben.

Erst spät am Abend konnte ich mich auf den Heimweg machen und meinen leeren Bauch versorgen. Es regnete wie aus Kübeln und im Nu war ich genauso durchnässt wie Shin es gewesen war nach seinen kostenlosen Rundflug in den Teich. Der Typ aus dem Teich.

So werde ich ihn ab heute nennen. Aber besser immer nur dann wenn ich alleine bin. Also fast immer.

Wie das Schicksal so wollte begegnete ich am selben Abend auch noch den Traum aller Männer: Chloe.

Wieder einmal in Schale geworfen und umgeben von einem Haufen männlicher Harems. Ihr Teichbruder war mit von der Partie.

Zum Glück schienen die mich nicht bemerkt zu haben ansonsten hätte ich jetzt ein Problem.

Zu hause angekommen entkleidete ich mich, wechselte den Verband und legte mich ins Bett. Was für ein Leben. Jetzt schien mir mein früheres Dasein wie das reinste Paradies aber nun ist es zu spät.

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Am nächsten Morgen glaubte ich eine seltene Tierart zu sein. Alle starrten sie mich an und beobachteten jeden meiner Schritte. Allerdings reichte ein böser Blick von mir und alle verkrochen sich in ihre Mäuse löcher.

Natürlich hatte ich selbst Schuld. Einfach den amtierenden Boss in ein Wasserloch zu verfrachten und mich dann zu verdünnisieren, ohne seine Wut entgegen zu nehmen. Das war Lebensgefährlich! Dachten Sie.

Aber mir ist es piep egal ob der Prolet jetzt einen Racheplan schmiedete oder ob er sich mir wieder in den Weg stellte.

„Geh mir aus dem Weg!“

Na wer sagt’s denn. Da ist er ja, der aus dem Teich.

„Hast du ein Problem dann geh um mich herum!“

Irgendwie wiederholt sich alles. Diese Tatsache bringt mich lauthals zum lachen.

Was soll’s dann sterbe ich mit einem Lachen auf den Lippen.

„Was lachst du so dämlich?“

„Na wieder trocken?“ bei der Bemerkung konnte ich nicht anders als zu schmunzeln und zu dem entsetzten der Zuschauer stimmte der Typ mit ein.

„Was gibt es da zu lachen!“ wies er mich und zur Hälfte sich selbst zurecht und legte seinen Arm um meine Schultern.

„Du bist eine Type für sich. Gefällst mir. Aber das nächste mal mach ich dich kalt und jetzt geh mir aus dem Weg!“

Mit einem ruppigen Schleudergang, meiner Selbst gegen die Mauer, marschierten er und sein Gefolge an mir vorbei.

„Das gibt es nicht. Heute Früh hatte er noch so eine Wut im Bauch. Er wollte dich auf der Stelle Umbringen, für die Schmach von Gestern und jetzt?

Da lacht er mit dir. Mein Bruder hat schon seit Jahren nicht mehr gelacht.“

„Ui toll!“ schnippte ich sie an und machte mich aus dem Staub.

Kaum zu glauben jetzt war ich die Sensation des Jahrhunderts! Erst schmiss ich den brutalsten Typen der Schule in den Teich, dann bring ich ihn zum lachen, was unmöglich schien und jetzt sprach auch noch seine Schwester mit mir. Echt und da wollte ich doch eigentlich nicht auffallen und den Rest meinen Lebens Buße tun und für mich alleine leiden.

Doch stattdessen hatte ich neue Feinde gefunden. Von allem etwas. Juppie!

Der Unterricht verging wie im Flug selbst die Lehrer hatten die Hosen voll. Naja so einen Respekt hatte ich mir schon immer mal erträumt. Jetzt ist er Wirklichkeit. Meine Oma würde sich im Grabe umdrehen.

Draußen vor dem Schultor stand er wieder: der Typ aus dem Teich. Mitsamt seiner Schwester.

Natürlich habe ich keine Lust mir wieder den Rücken ausrenken zu müssen, deshalb „bewunderte“ ich das Unkraut auf der Straße und marschiert an ihnen vorbei.

Plötzlich griff eine Hand nach meiner Schulter. Vor lauter Schreck und aus Reflex griff ich sie und holte mir doch wieder fast einen Bruch indem ich Shin über meine Schulter warf.

...

Totenstille.

...

Mann ej immer ich. Echt mal!

Das wütende Auge schien mich auf der Stelle zu verschlingen.

„Huch na so was.“ kam es aus mir heraus und ich hielt ihm die Hand zur Versöhnung hin.

„Also jetzt bist du tot!“

Geschickt sprang ich nach hinten und direkt in die Arme seiner Schwester.

„Ach lass ihn doch Shin!“

„Ja genau, lass mich doch! Selbst schuld mich so zu erschrecken. Warn mich das nächste Mal vor und ich mach mich aus dem Staub.“

Ich holt tief Luft und wollte schon zu einem Sprint ansetzten als sich zwei schlanke Arme um meine Schultern schlingen.

„Außerdem sind wir ja hier um ihn einzuladen und nicht um ihn zu massakrieren.“

„Einladen zum letzten Henkersmahl oder was? Nimm deine Finger weg!“

Wutentbrannt stieß sie mich von sich und schnaubte Shin zu.

Dieser stand langsam auf und legte seinen Arm um mich. Schlechte Angewohnheit von diesem Typen man könnte fast meinen er wäre Schwul.

Egal das behalte ich lieber für mich.

„Man du hast Nerven. Niemand beleidigt meine Schwester so ohne was. Außerdem wenn du schon von ihr eingeladen wirst nimmst du auch an. Verstanden!“ sagte er halb lachend halb wütend.

Was der alles zustande bringt. Wie kann man nur wütend und fröhlich zugleich sein.

„Ne. Hab keine Zeit. Muss zur Arbeit.“ antwortete ich langsam und mechanisch dann stieß ich ihn mit dem Ellenbogen in die Seite und rannte was das Zeug hielt.

Also manchmal versteh ich mich selber nicht mehr. Mal bin ich todesmutig wie ein echter Mann dann aber wieder so ängstlich wie das kleine Mädchen das ich einmal war.
 

Nach einem spannendem Tag hinter der Kasse machte ich mich auf dem Heimweg. Der Park den ich immer durchqueren musste, um Heim zu kommen, war wiedereinmal voll gestopft mit Pärchen die, die Finger nicht voneinander lassen konnten.

Es raschelte im Gebüsch neben mir.

Ich blieb stehen und fragte mich wie es nur sein kann, dass manche Menschen ihre animalischen Begierden nicht in Zaum halten können.

Plötzlich Sprang etwas raus und ich ging so in Denkung, dass meine Wange von der anderen Seite mit einem Lippenstift bemalten Mund zusammen prallte.

Vor Schreck stolperte ich über meine eigenen Beine und landete nicht weniger Sanft auf meinem Allerwertesten.

Gelächter baute sich um mich herum auf und Shin trat mir vor die Füße.

Neben mir saß seine Schwester, die einen beängstigenden Blick drauf hatte.

„Tja wegrennen hilft nun mal nicht. Wenn meine Schwester sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann bekommt sie es auch.“ begrüßte mich der große Bruder aus dem Teich.

Natürlich nahm ich den Ärmel meiner Schuluniform und wischte mir den zart rosa farbenen Mund von der Wange.

„Du bist ja so niedlich.“ schwärmte das verrückte Weib und schmiegte sich an meinen Arm.

Wenn die wüsste, dass ich zu den Ihresgleichen gehöre, würde sie mich auf der Stelle umbringen.

„Weglaufen gilt nicht komm mit!“ flüsterte sie mir ins Ohr.

Noch entsetzt wegen des Überfalls stand ich auf und folgte ihnen Sprachlos in einen Nachtclub.

Alle wichen vor uns zurück und ich wurde mit neidischen Blicken durchbohrt.

Wir setzten uns an einen Tisch und ich schütte schon das erste Glas Bier hinter, ohne über die Folgen nachzudenken. Noch nie hatte ich zuvor Bier getrunken.

Ich war immer ein Mustermädchen. Wollte Weltfrieden, die große liebe finden, verabscheute Alkohol und Drogen und hasste den Krieg. Außerdem trieb ich regelmäßig Sport.

Was sich nicht alles verändert hatte.

Egal! Beim dritten Glas wurde mir schwummrig im Schädel und ich kam wieder zu mir.

Die Schmerzen der Wunden waren deutlich zu Spüren und ein Druck in der Blase.

Aber war das alles nicht genug, so schien mich Chloe mit einem Stuhl zu verwechseln und hatte es sich auf meinem Schoß gemütlich gemacht. Meine Hände hielt sie auf ihren Beinen gefangen.

Shin saß an der äußersten Ecke unseres Tisches und war vollkommen in sich gekehrt.

Sein glasiger Blick ließ einen Moment etwas wie Mitgefühl in mir aufkeimen. Doch ich kam gleich wieder zur Besinnung.

„Was machst du auf mir?“ fragte ich entsetzt das Weib auf meinem Schoß.

„Weiß nicht. Vielleicht dich ein wenig anheißen?“ hauchte sie mir ins Gesicht und mir wurde Blitzartig übel.

Sie wollte mich anheizen aber soweit ich wusste stand ich nie wirklich auf Mädchen.

Aber sie konnte das ja nicht ahnen. Ich hatte allerdings keine Lust als Schwuler dargestellt zu werden, also ließ ich sie da sitzen und trank das vierte Glas Bier.

Jetzt musste ich dringend aufs Klo!

Ich schubste sie von meinem Schoß und musste feststellen, dass ich kaum noch stehen konnte. Alles schien sich zu drehen und meine Beine waren zu allem Überfluss auch noch eingeschlafen.

„Wo willst du hin?“

„Wohin wohl nach vier Glas Bier?“ zischte ich sie an und schwankte zu einer Mulde, von der ich dachte, dort ginge es zum Klo.

Peng! Falsch! Da war eine Sackgasse und mein Kopf hatte es überprüft.

Lachend kam mir Shin hinterher und packte mich wiedereinmal an der Schulter.

„Komm mit ich hab keine Lust deinen Wasserschaden beheben zu müssen.“

Halt das ging doch nun wirklich nicht! Sonst erfährt er noch die Wahrheit.

Vergeblich versuchte ich mich zu befreien, doch er war wohl noch hundertprozentig nüchtern.

Dort angekommen stellte er sich schon hin und ich hörte nur noch ein unerträgliches Plätschern.

Also wirklich früher hatte ich nicht solche Probleme.

Shin drehte sich grinsend zu mir um.

„Soll ich Ihn etwa auch noch halten?“

Geschockt lief ich rot an und zischte kaum hörbar einen Fluch ihm entgegen.

Leicht spürte ich eine sanfte Brise und entdeckte ein offenes Fenster.

Mein vernebeltes Gehirn versuchte zu arbeiten und legte sich einen Fluchtplan zurecht.

Ich verschwand hinter einer der Türen und wartete bis der Typ aus dem Teich gegangen war.

Dann schlüpfte ich weniger elegant durch das Fenster und nach einigen Lautstarken Flüchen landete ich kopfüber in einer offen stehenden Mülltonne.

Das ist echt ein Witz!

Langsam glaube ich, dass ich vor dem Fernseher sitze und mich gerade über einen besoffenen Pechvogel in einer Mülltonne lustig mache.

Ich kletterte raus und stolperte nach Hause. Normalerweise bräuchte ich nur eine halbe Stunde um dorthin zu gelangen.

Leider fand ich den Weg nicht so richtig. Zwischendurch suchte ich endlich eine Gelegenheit um mich zu erleichtern.

Ein recht sympathisch wirkender Strauch hatte mich angelockt.

Doch irgendwie lief ich dreimal im Kreis und Zickzack bis ich ankam.

Endlich an meinem Ziel wuchtete ich mich ohne eine weitere Bewegung ins Bett.

mein Geheimnis fliegt auf

Am nächsten Mittag fand ich mich auf dem Klo wieder und schwor ein für alle Mal dem Alkohol ab.

Ich verpennte fast den restlichen Tag mit einem Kater im Kopf und in den Beinmuskeln.

Irgendwann am späten Abend klopfte es an der Tür. Bestimmt nur wieder Werbung.
 

...
 

Ich bring ihn um, wenn er weiter so gegen meine Tür hämmert!

Plötzlich machte es „klick“ und irgendwer stiefelte durch mein Chaos.

Mit meiner verlorenen Vergangenheit hatte sich auch mein Sinn für Ordnung verabschiedet.

Zu Schwach ein Augenlied zu öffnen stellte ich mich tot.

„Na mein Süßer hast wohl einen gewaltigen Kater.“

Mit einem Mal war ich putzmunter und blickte in die Augen der Irren und ihres Bruders.

„Was soll das denn? Man bricht nicht in fremder Leute Wohnungen ein.“

„Man haut auch nicht einfach ab, nachdem ich ihn schon eingeladen habe.“ entgegnete mir Shin und kehrte meine Klamotten vom Bett, um es sich gemütlich zu machen.

„Außerdem sind wir ja nicht mehr Fremd, immerhin habe ich beschlossen mit dir zu gehen.“ ergänzte das wohl noch betrunkene Mädchen.

Anders konnte ich mir ihr Grinsen und ihre feucht glänzenden Augen nicht erklären.

„Na klar und was träumst du Nachts?“

Shins Hände schossen vor und packten mich am Hemd.

„Willst du etwa meine Schwester abweisen? Das ist eine Ehre in unsere Familie aufgenommen zu werden!“

Was für ein Chaos!

Also Hirn wach auf und denk dir etwas aus! Schnell sonst bin ich gleich mit einem Mädchen zusammen.

„Ich hab aber schon eine Freundin.“ entgegnete ich mit tiefer Entschlossenheit.

Naja eine Lüge mehr ist auch nicht Schlimm. Meine jetzige gesamte Existenz ist eine Lüge.

„Wer ist sie? Ich habe dich nie mit einem Mädchen rum laufen sehen.“ fragte Shin mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Wir halten das natürlich geheim. Muss ja nicht jeder wissen“

„Wer ist sie den?“ beäugte Chloe mich misstrauisch.

„Ich halt es doch geheim schon vergessen?“

„Ab jetzt nicht mehr. Sag mir ihren Namen!“ keifte Shin wütend.

Warum er so wütend war? Keine Ahnung. Der Ändert seine Laune wie ein schwangeres Weib.

„Äh ... also … Chidori.“ fiel mir gerade so noch ein.

Shin ließ locker und setzte ein belustigtes Grinsen auf.

„Vergiss es. Die doch nicht. Sie hasst Männer über alles.“

„Mich nicht. Sie vergöttert mich.“

„Gut dann Beweis es uns Morgen in der Schule. Falls es stimmt werde ich dich aufgeben Süßer.“ zwinkerte mir Chloe zu und trollte sich mit ihrem Wachhund.

Merkwürdige Geschwister. Die gibt es wohl nur im Doppelpack.

Morgen früh muss ich gleich herausfinden wer diese Chidori ist. Hätte nicht gedacht, dass es die wirklich gibt. Mir hatte der Name nur so gut gefallen. Was für ein Chaos.
 

Am nächsten Morgen machte ich mich in der ganzen Schule auf der Suche nach dem vermeintlichen „Opfer“.

Ich hoffe, dass sie Typen nur hasst, weil die bis jetzt kein Interesse an ihr gezeigt haben.

Dank etlichen Befragungen fand ich sie schließlich im Schulgarten auf einer Bank sitzen. Ganz allein.

Früher hatte ich immer viele Freunde die um mich herum waren. Die Einsamkeit kenne ich erst seit ich hier bin. Also noch nicht so allzu lange.

Aber dieses Mädchen, soviel ich gehört habe, war ihr Leben lang einsam gewesen.

Wer weiß vielleicht könnte ich ihr ja eine gute Freundin sein ... äh halt ein guter Freund! Nicht vergessen du bist hier jetzt männlich!

Mann wie kompliziert!

Also ging ich zu ihr und setzte mich auf die Bank. Sie schmökerte irgend ein Buch dessen Titel mir unbekannt war. Sie ist echt hübsch. Man sollt nicht meinen ein Mädchen wie sie hätte keine Freunde. Auch die Jungs müssten sich doch um sie reisen.

„Sag mal warum verkleidest du dich eigentlich?“ fragte sie ohne zu Zögern. Vor Schreck wäre ich fast die Bank nach hinten runter gefallen.

„Wie jetzt?“ mein erstaunen war deutlich zu hören.

„Naja du bist doch ein Mädchen. Das sehe ich doch gleich.“

„Ach so.“ mehr als das konnte ich nicht zu Tage fördern.

„Mmhh... willst du was bestimmtes?“

„Nö eigentlich nicht.“

Halt warte mal da war doch was!

Gerade wollte sie aufstehen und gehen da konnte ich wieder klar denken.

„Halt. Warte! Da war doch was.“ Wie einfallslos ich manchmal bin!

„Und was?“ ich glaube sie hat das bezaubernste und zugleich berechnenste Lächeln aller Zeiten.

„Naja willst du mit mir gehen. Äh nur so tun. Nicht das ich auf dich stehe oder so. Ich muss mir nur Chloe vom Hals halten.“

Mein Gott was für ein Unsinn da aus mir heraus kommt. Die muss doch denken ich sei so ne Lesbe die sich wie ein Kerl verkleidet, weil sie denkt sie stecke im falschen Körper.

„OK.“

„HÄ?“

„OK.“

„Aber warum?“

„Weiß nicht. Du bist irgendwie interessant. Ich will dich kennen lernen und Chloe mag ich auch nicht so besonders.“

„Ach so.“ das ging ja leicht. Aber dass sie mich durchschaut hat ist nicht so toll. So ein Mist!

Shin´s Vergangenheit

Also gingen wir zum Unterricht und zu meinem erstaunen musste ich feststellen, dass Chidori mit mir in einer Klasse war. Sachen gibt’s die gibt es gar nicht!

Als die Schule endlich vorbei war begegneten wir Shin und Chloe samt Gefolge.

Chidori klammerte sich an mir fest und Chloe war das Entsetzten ins Gesicht geschrieben.

„Was glotzt du so?“ fragte meine neue Freundin überheblich.

„Seit wann stehst du denn auf Männer, Lesbe!“ zischte Chloe wütend zurück.

Nach ihrer Bemerkung war die Lösung zu entnehmen warum Chidori mich so interessant fand.

Echt ein Problem gelöst schon steht das nächste vor der Tür. Das ist ja schon fast wie in einer schlechten Soap. Also wirklich immer ich!

Aber trotzdem besser als jetzt im Gefängnis zu sitzen.

„Also wirklich Kleiner, dass hätte ich nicht von dir gedacht. Solche Weiber meiner Schwester vorzuziehen.“

„Halt dein losen Mundwerk. Tue nicht so als hättest du was besseres. Immerhin habe ich dich noch nie mit einem Mädchen rumlaufen sehen. Außerdem nenne mich nicht Kleiner mein Name ist Yue!“

„Werde mir ja nicht frech Kleiner! Du kannst ruhig mal bei mir mitmachen wenn du willst. Dann siehst du wie viele Weiber ich abschleppe.“

Das gibt’s doch nicht. So was aber auch. Also dafür finde ich jetzt keine Worte. Nicht einmal in meinen Gedanken!

„Er braucht deine kleinen Spielzeuge nicht. Immerhin hat er ja mich!“ zischte ihn Chidori an meiner Stelle an.

Jetzt bin ich froh sie auf meiner Seite zu haben. Wer weiß vielleicht werden wir doch sehr gut Freunde ... äh Freundinnen. Mann wie kompliziert!

Schnurstracks marschierten wir beide an ihnen vorbei und landeten in meiner Wohnung.

„Also wirklich. Und hier wohnt ein Mädchen? Ne oder? Du tarnst dich ja ziemlich gut.“

„Ja. Äh ... tarnen?“ wiedereinmal war ich entsetzt was sie nicht alles wusste.

„Ja. Ich glaube kaum, dass du der Meinung bist im falschen Körper zu leben und dich deshalb als Junge ausgibst. Also auf Frauen stehst du nun wirklich nicht.“

Man als ob die Gedanken lesen könnte.

„Also erzähl mal. Warum diese ganze Scharade?“

„Das kann ich dir leider nicht sagen. Ich muss mich verstecken. Das ist alles.“

„Verstehe und für wie lange?“

„Für immer.“

„Ganz schön lange Zeit.“

„Ja. Aber wenn es so weiter geht dann kommen noch mehr hinter mein Geheimnis.“

„Verstehe. Du musst auf Shin aufpassen.“ sagte sie in Gedanken versunken und ließ sich auf meiner Couch fallen. Ich bereitete etwas zu essen vor und setzte mich zu ihr, nachdem ich die Balkontür geöffnet hatte. Um den muffigen Geruch dieser Bude zu vertreiben.

„Warum vor Shin. Chloe kommt mir viel näher.“

„Naja. Shin hätte jeden fertig gemacht der ihn so gedemütigt und seine geliebte Schwester so beleidigt hätte. Und du bist nicht nur einmal davon gekommen. Das ist seltsam.“

„Nicht nur für dich.“

„Also nimm dich vor ihm in Acht.“

„Gut. Mach ich.“

Da kam mir eine Frage in den Sinn die mich schon lange beschäftigte:

„Aber sag mal. Warum kleben die beiden eigentlich so aneinander?“

„Es gibt viele Gerüchte.

Eines davon wäre, dass Shin und Chloe ineinander verliebt sind und gäben nur vor mit anderen rum zu machen. Das ist aber völliger Blödsinn! Auf mich wirken sie eher so als verbinde sie etwas. Keine Ahnung.“

„Und warum kannst du Chloe nicht leiden?“

Irgendwie komme ich mir vor als wäre ich ein Quizmaster.

„Du stellst aber viele Fragen. Es kommt mir so vor als sei ich bei einem Quizmaster. Was guckst du den so?“

Sie ist wirklich ein Medium und kann meine Gedanken lesen. Ich muss mich auch vor ihr in Acht nehmen. Sie trägt ebenfalls ein Geheimnis mit sich rum. Mittler weilen erkenne ich das schon von weitem. Sie ist ein weiterer Mensch mit einer Maske.

„Na egal. Ich hasse sie so, weil ich sie liebe.“ klipp und klare Antwort.

Ich gehe besser nicht noch genauer darauf ein, sie schaut so traurig.

„Also keine Angst ich bin nicht hinter dir her. Nur etwas eifersüchtig.“

Die ist vielleicht direkt.

„Brauchst du nicht. Ich steh auf Jungs!“

„Ich weiß“ und mit einem lachen verabschiedete sie sich ohne ein weiteres Wort und verschwand durch die Tür. Naja wodurch sonst. Also manchmal da greif ich mir an den Kopf.

Naja wenigsten weiß ich jetzt mehr als vorher. Mist ich hab vergessen sie zu fragen wie sie mich erkannt hat.
 

So verstrich die Zeit. Nach drei Monaten hatte ich es immer noch nicht auf die Reihe gebracht Chidori zu fragen wie sie mich durchschaut hatte. Aber mittlerweile war das auch nicht mehr so wichtig.

Wir wurden richtig gute Freunde. Wenn man das so nennen konnte. In der Schule machte sie sich einen Spaß daraus zu erzählen wie gut und wie oft wir miteinander schliefen.

Jedenfalls half das gegen Chloe. Die hatte schon einen neuen an der Angel und diesmal war er Feuer und Flamme für sie.

Ich weiß nicht wie es kam aber Shin und ich waren richtig gute Freunde geworden. Er lachte beängstigend oft. Meist ging das auf meine Kosten. So kamen wir uns wohl etwas näher.

Er wurde auch immer ruhiger und haute nicht mehr so auf den Putz.

Chidori hatte mir mal erzählt, er habe, bevor ich hier war, jeden vermöbelt der ihn auch nur an geschielt hatte. Sie hatten solche Angst. Besonders vor seinem Blick. Sein eines Auge starrte jeden mit Hasserfüllt an.

Ich finde es schaut eher wie das eines kleinen Kindes, verspielt und freundlich. Wer weiß woran das liegt.
 

Heute schien die Sonne. Man könnte fast meinen sie mache sich einen Spaß daraus meine Haut zu verkokeln.

Aber solche sonnigen Tage machen mich immer depressiv.

Sie erinnern mich an den Tag an dem ich ihn getötet habe und an meinen Abschied. Normalerweise wollte ich ja leiden und Buße tun aber irgendwie bin ich dafür viel zu glücklich. Das steht mir eigentlich nicht zu.

Meine Haare sind länger geworden. Das ging viel zu schnell.

Mann nicht schon wieder!

Das ist Heute schon das dritte Pärchen das ich rum fummeln sehe. Jeder scheint jedem die Zunge in den Hals zu stecken.

Mal sehen was Shin macht. Er müsste normalerweise jetzt im Geräteraum liegen und sein Schläfchen halten. Er verschläft immer den Matheunterricht. Naja wer muss den auch Zählen können?

Die Tür steht ja offen.

„Komm rein und mach mit. Sie reicht für uns beide.“ grinste mir Shin entgegen.

„Was ist den nur Heute los. Körperverinigungastag oder was?“

Shin setzte eines seiner belustigten Grinsen auf und versuchte sich aus der Umklammerung des halbnackten, vollbusigen Mädchens zu befreien.

„Naja wir haben Valentinstag.“

Das erklärt so einiges. Obwohl normalerweise beschränkt sich das doch auf Schokolade. Dacht ich zumindest.

„Also kommst du nun?“

„Aber klar doch. ... Du spinnst ja wohl! Wixer!“

Beschämt rannte ich den Gang entlang und suchte zu flucht bei Chidori.

Dachte ich. Wenn einmal, dann richtig. Die Steckte ihrerseits Chloe die Zunge in den Hals.

„Na willst du mit machen?“

Was war schon von Geschwistern zu erwarten. Beide gleich doof.

Sprachlos über die Tatsache, dass Chloe plötzlich die Ufer gewechselt hatte, schlich ich nach Hause und setzte mich vor die Glotze.

Hätte eh nur noch Mathe gehabt. Wie gesagt wer muss schon zählen können. Ich jedenfalls nicht!
 

Noch am selben Abend kam Shin mit einem Haufen an Bierdosen an und setzte sich mit mir auf den Balkon. Er kam schon des öfteren und hatte bei mir übernachtet. Natürlich nach einer langen durchzechten Nacht.

Nach zwei Dosen Bier des Schweigens setzte ich zu einem Gespräch an.

„Sag mal. Seit wann steht deine Schwester auf meine Freundin? Die haben sich heute fast gegenseitig verschlungen.“

„Ehrlich? Naja war ja zu erwarten Chidori stellt ihr schon lange nach. Chloe probiert eben gerne aus. Wenn es klappt bist du wieder Singel, oder?“

„Was heißt hier wenn’s klappt?“

Der Typ hat Nerven. Es muss klappen! Chidori ich wünsch dir Glück.

„Was mich schon lange interessiert: Warum hängt ihr eigentlich wie die Kletten zusammen rum?“

Nach unendlichen Schweigeminuten gab mir Shin zum ersten mal eine richtig ernste Antwort.

„Du bist der erste dem ich das erzähle. Ich hoffe du weißt das zu schätzen.

Als ich ungefähr neun war und Chloe sieben. Da mussten wir mit ansehen wie unser Vater unsere Mutter getötet hat und dann sich selbst.

Ich war machtlos und konnte mich nicht bewegen. Darum habe ich mir später geschworen der stärkste zu werden um alle zu vernichten, die mir meine Schwester auch noch wegnehmen könnten. Sie wiederum sucht jetzt verzweifelt nach Liebe. Aber wie soll das gehen wenn sie nie jemanden an ihr Herz ran lässt. Dieses Schicksal schweißt zusammen.

Na geschockt?“

Er grinste mich wie üblich an aber mir blieben die Worte im Halse stecken. Ohne dass ich es steuern konnte liefen Tränen über mein Gesicht. Keine des Mitleids. Nein er erinnerte mich an meine verhasste Vergangenheit.

Kann es sein, dass zwei Menschen fast dasselbe Schicksal erleiden konnten, um sich dann zu treffen?

„Was soll das. Heule nicht. Das sieht gar nicht männlich aus!“

Jetzt musste ich lachen. Das war wohl einer von Shin´s verzweifelten Aufmunterungsversuchen. Er kann sich wohl nicht anderes Ausdrücken.

„Ich komme jetzt damit klar also ist es Vergangenheit!“ Nach vier weiteren Dosen Bier mit vereinzelten Ansätzen ein Gespräch zu formen, fragte ich mich, ob ich Shin vertrauen konnte.

Ich meine früher, war ich einmal eine Musterschülerin. Ein Vorbild für alle. Jeder der Sorgen oder Probleme hatte kam zu mir und meine Eltern liebten mich.

Naja nicht ganz. Meine Schwester hasste mich.

Was ist jetzt?

Wenn ein unschuldiges Mädchen auf einmal einen Mord begeht, ist es kein Wunder, dass es einen an der Waffel bekommt und zu ihrem genauen Gegenteil wird:

einem Junge der sich auf dem Balkon betrinkt und gelegentlich mal prügelt. Mit einer lesbischen Freundin und einem schlechten Gewissen.

Ich habe niemanden dem ich mich anvertrauen kann.

Hab ich überhaupt das Recht mich jemanden anzuvertrauen, der statt gehandelt, zugesehen hat? Nein ich glaube eher nicht.

„Hättest du deinen Vater getötet, also ... an meiner Stelle. Ich meine nicht nur tatenlos zugesehen wie er dich und deine Familie in das verderben reist?“

Wenn ich so darüber nachdenke bereue ich nichts.

Immerhin habe ich meine Familie beschützt. Meine Mutter und meine Schwester. Auch wenn sie mich jetzt hassen.

„Ja!“

„Wow. Dann wärst du stärker gewesen als ich. Naja aber gesagt ist viel nur durchzuführen ist etwas anderes.“

„Stimmt. Man müsste damit leben einen Menschen umgebracht zu haben.“

„Man, du sprichst ja so als ob du schon mal jemanden getötet hättest.“

Ich antwortete nichts darauf sondern nippte nur an meinem Bier.

Mittler weilen vertrage ich wirklich viel. Habe auch eine Menge trainiert.

„Heute ist Vollmond“ murmelte Shin noch bevor er ein schlief.

Genauer betrachtet sieht er ganz gut aus.

Sein Gesicht ist eben mäßig und glatt. Er hat einen durch trainierten Körper. Die langen blonden Haare und die Augenklappe, zu seiner linken, unterstreichen seine Art wie er denkt und handelt. Sofern er mal denkt.

Wann habe ich nur angefangen ihn so zu lieben?

Ich weiß es nicht.
 

Nachdem ich den schlafenden Trunkenbold zugedeckt hatte legte ich mich in mein Bett und holte zum ersten Mal, nach langer Zeit, mein Handy wieder aus der Schublade raus. Doch ich hatte noch nicht den Mut es an zuschalten. Darum legte ich es wieder beiseite und schlief ein.

die Klassenfahrt

Am nächsten Morgen marschierte Shin nach Hause um sich, wie ich, auf die Klassenfahrt vorzubereiten.

Wir fuhren zu einer verflucht entlegenen Hochebene. Weit und breit keine Zivilisation. Nur Bäume und Sträucher. Ab und zu ein Teich und noch mehr Bäume.

Langweilig!

Shin war eine Klasse über mir und fuhr deshalb mit einem anderen Bus.

Chidori saß neben Chloe. Sie sind jetzt ein öffentliches Paar. Seit gestern hatte sich einiges getan. Ging ja schnell. Niemand traut sich darüber abzulästern aber die Jungs heulten ihr nach.

Immerhin wird sie von Shin beschützt und Chidori hat auch ein loses Mundwerk. Außerdem ist sie meine Exfreundin. Wir sind wohl zu einer Art Clique mit eigenem Fanclub geworden.

Ich hatte trotz allem wieder einmal das Glück gepachtet. Weil die beiden jetzt zusammen waren verbrachte Chidori nur noch Zeit mit Chloe. Mich hatte sie total vergessen. Auch das ging schnell. Ich war wohl nur Mittel zum Zweck. Tolle Freundin!

Darum musste ich jetzt neben einem sabbernden und schnarchenden Bücherwurm sitzen, der sich schon dreimal übergeben hat.

Immer ich!
 

Endlich angekommen machten wir es uns in einer Bruchbude, genannt Himmlische Pension, gemütlich.

Also echt alle Lügen was das Zeug hält!

Das schlimmere Übel kommt erst noch. Diese dumme Unterkunft hatte zu allem Überfluss ein hauseigenes Onsenbad. Heiße Quellen! Jeder liebte sie. Ich hasste sie. Dank meiner Tarnung.

Wie drücke ich mich nur davor?

Ich kann ja wohl schlecht sagen ich habe meine Tage.

Lachhaft diese Ironie.

Also muss sich mich wohl raus schleichen und einen Spaziergang im Wald wagen.

Außer uns waren noch andere Schulen hier.

Wow sogar welche aus Frankreich. Mein französisch hat ganz schön gelitten. Ich versteh nur Bahnhof!

Aber da war doch was. Warum habe ich gleich noch mal französisch gelernt?

„Mayura?“

Ach ja ich hatte da so einen anhänglichen Verehrer. Ein Austauschschüler. Irgendwie musste ich ihm ja eine Abfuhr erteilen. Also habe ich französisch gepaukt.

Man dabei konnte er fließend deutsch. Was für eine Verarsche!

„Mayura!!“

„Hä?“ da rief mich doch jemand.

„Seit wann hast du denn kurze Haare? Ich hätte dich fast nicht wiedererkannt. Gut siehst du aus meine Liebe.“

Nein oder? Der Typ. Der Franzose. Warum ist der hier? Warum in aller Welt muss ich ihm hier begegnen?

Schnell schaute ich mich um und zerrte ihn in ein Gebüsch. Ich hielt seinen Mund zu und versuchte gerade zu begreifen warum immer ich so ein Pech haben muss.

Das Leben will mich also doch bestrafen.

„Nagi? Was ... ich meine...“

„Ich bin auf Klassenfahrt. Genau wie du.“

Das erklärte einiges.

Oh dieses umwerfende Lächeln. Da frag ich mich warum ich den Kerl abblitzten lassen habe.

Egal ich bin jetzt eh ein Junge. Aber wie mache ich ihm das nur klar?

„Also. Ich weiß ja nicht ob du weißt, dass ich nicht mehr Mayura sein kann.“

„Ja hab schon davon gehört. Aber das ist mir egal. Du hast ja nur versucht dich zu wehren. Ich glaube, hättest du es nicht getan, dann hätte ich ihn wahrscheinlich abgestochen.“

Wie verständnisvoll er ist. Oje. Und was der alles weiß!

„Also. Sag mir wer du jetzt bist. Mich interessiert alles. Wir kennen uns doch schon so lange.“

Eh ich mich versah, ließen wir uns auf einer Baumwurzel nieder und ich beichtete ihm jede meiner Lügen.

Man tat das gut. Ich konnte mit ihm über meine Vergangenheit sprechen und über meine Probleme.

Wir lachten und dann fing ich an zu weinen.

Nagi erzählte mir, er sei kurz nach meiner Abreise wieder nach Hause geflogen. Ohne mich hätte sein Aufenthalt keinen Sinn mehr gemacht. Ich habe nie bemerkt wie nett er eigentlich ist.

Naja früher hatte ich einfach noch keinen Sinn für Jungs.

Mittler weilen war es Nacht geworden und der Mond strahlte über unsere Köpfe hinweg. Ich weiß nicht wie, aber ich bin in Nagis Armen gelandet.

Er spricht fließend Japanisch. Immerhin ist er in Japan geboren und erst mit zehn nach Frankreich gezogen. In der neunten Klasse kam er als Austauschschüler in unsere Klasse.

Ich glaube, ich konnte ihn nur deshalb nicht leiden, weil meine beste Freundin für ihn nach Frankreich gegangen war.

Ja das war der Grund. Wie lächerlich. Wie es ihr jetzt wohl geht und was sie von mir hält?

„Ich hätte dir gerne damals beigestanden und deine Tränen getrocknet!“

Seine Augen. Sie sind so klar. Sie erinnern mich an früher. Mein zuhause. Wie sehr ich mich danach sehne.

Am liebsten würde ich die Zeit anhalten und vollkommen in Ihnen versinken.

Seine Lippen. Sie sind so zart und weich. Mein erster Kuss. Jetzt fühle ich mich wieder wie das Mädchen, dass ich einmal war.

Ohne diesen schmutzigen Schimmer.

Nur für einen kurzen Augenblick war ich wieder rein.

Als ich meinen Kopf drehte, um ihn in seiner Schulter zu betten, erschrak ich.

Eine düstere Gestalt mit einem grell leuchtendem Auge, das alles vernichten wollte, starrte uns an.

Shin!

Zu schnell holte mich meine Realität wieder ein. Sie stand genau vor mir und stapfte wutentbrannt auf uns zu.

Mit einem Mal wurde ich zur Seite geschleudert und Nagi wurde mit einer blutigen Nase zu Boden geschmissen.

„Spinnst du?“ brüllte ich meinen wütenden Freund an und stellte mich beschützen vor meinen französischen Freund.

Das war das erste Mal, dass ich Shin so wütend sah. Jetzt erst wusste ich was Chidori meinte, als sie sagte, alle hatten Angst vor seinem Blick.

Selbst mir gefror das Blut in den Adern. Shin packte mich am Arm und zog mich zurück in unser Heim. Es kam kein einziges Wort über unsere Lippen. Nur er und ich und der Mond.

Bei unserem Ziel angekommen legten wir uns gleich schlafen. Ich traute mich nicht mehr von seiner Seite zu weichen.

Also wirklich gerade war ich so frei und jetzt fühle ich mich gefangen. Warum ist Shin nur so wütend? Mag er keine Schwulen. Immerhin muss es so ausgesehen haben also ob wir es wären.

Am nächsten Morgen war die Atmosphäre Grotten schlecht. Jeder bemerkte es und vermied Shin um jeden Preis. Er sah aus wie eine tickende Zeitbombe, die jeden Moment in die Luft zu gehen drohte.

Geplant war ein ausführlicher Wandertag. Aber eigentlich sah es eher aus als ob wir alle auf dem Weg zu unserer Henkersmahlzeit wären. Keiner sagte etwas. Jeder „bewunderte“ die Natur.

Chidori machte mehrmals den Anlauf mich nach dem Grund zu fragen aber Shin verhinderte, dass ich auch nur ein Wort an sie richten konnte.

Irgendetwas musste ich doch machen können. Vor allem musste ich mich bei Nagi entschuldigen.

Aber wie?

„Das Gestern. Naja das muss dir ja komisch vorgekommen sein.“

„Wer war der Typ?“

So eine eiskalte Stimme. Also die friert einem echt alles ab. Auch das was ich gar nicht besitze.

„Nagi. Ein Freund aus der Vergangenheit.“

„Warum hast du geheult?“

Geheult? Er war so wütend weil ich geheult habe? Ich dachte wegen des Kusses. Ich bin etwas enttäuscht. Klar was denk ich nur. Er ist doch nicht Schwul oder so. Das hat er oft genug bewiesen und leider war ich unfreiwilliger Zeuge.

„Wir haben über Früher geredet. Naja da kamen sie einfach. Ich konnte nichts dagegen machen.“

„Wart ihr etwa mal zusammen?“

Sein Blick durchbohrte mich.

„Nein. Ich habe ihm immer eine Abfuhr erteilt.“

Ich glaub ich träume. Hat er gerade erleichtert ausgeatmet?

Das war sicher Einbildung.

„Bist du Franzose?“

„ Nein. Wie kommst du denn darauf ?“

„Er ist einer. Naja sieht aus wie ein Japaner hängt aber mit den Franzosen rum.“

„Geboren wurde er auch in Japan aber er ist mit zehn nach Frankreich umgezogen.“

„Also seid ihr Sandkastenfreunde?“

„Nein. Ich habe ihn erst kennen gelernt da waren wir in der Neunten.“

Mann ist der Neugierig.

„Kapier ich nicht!“

„Ist auch egal.“

Mit diesen paar Worten war seine Wut anscheinend verflogen und der Wandertag konnte doch noch etwas heiterer weitergehen.

Allerdings hatten alle solche Blasen an den Füßen, dass keiner mehr gut gelaunt war.
 

Am späten Nachmittag schlich ich mich zu den Franzosen rüber. Es hatte etwas gedauert bis sie wussten was ich wollte. Dann aber brachten sie mich zu Nagi.

„Zum Glück ist deiner Nase nichts weiter passiert.“

„Schon OK. Das bisschen macht mir nichts aus.“

Eh ich mich versah hatte er mich wieder in die Arme geschlossen. Ich weis nicht warum aber wieder musste ich weinen wie in Schlosshund.

Es ist wirklich schrecklich. Nagi schafft es aus mir wieder das zerbrechliche Mädchen zu machen, dass nah am Wasser gebaut hatte.

Ob das so gut ist?

Wie bestellt stand Shin wieder vor uns.

Diesmal hatte er eher einen kühleren Blick als der:

„ich kill dich gleich Blick.“

Nagi schien diesmal besser darauf vorbereitet zu sein und stellte sich ihm gegenüber. Man konnte es beinahe Funken sprühen sehen.

Eine Zeit lang starrten sie sich nur an. Doch dann ergriff Nagi das Wort: „Ich rate dir lieber gleich aufzugeben. Mayu ... äh Yue gehört jetzt mir! Immerhin habe ich einen Vorteil.“

„Pha! Und der wäre?“

„Ich kenne die Geheimnisse des Mondes.“

„Was hat das mit dem Mond zu tun? Bist du blöd? Hab ich dir gestern zu viele Tassen aus dem Oberstübchen gehauen. Auweia. Hoffentlich findest du da wieder nach Hause!“

„Der einzige der Blöd ist bist du! Du weißt ja gar nichts. Mond heißt auf chinesisch Yue!“

Nach einigen Sekunden des Überlegens schien Shin sich der Bedeutung der Worte bewusst. Sein Blick wechselte zu dem traurigstem Auge der Welt.

Er murmelte etwas unverständliches und zog sich zurück.

Noch nie hatte sich Shin in seinem Leben zurückgezogen. Er tat mir Leid.

In meinem Herzen machte sich ein unerträglicher Schmerz breit und mir wurde mit einem Mal klar, dass ich nicht mehr das unschuldige Mädchen war.

Nein jetzt war ich ein Junge namens Yue. Der soeben seinen besten Freund zutiefst verletzt hatte, auch wenn es aus dem Mund eines Anderen kam.

„Nagi gestern Abend hatte ich für einen kurzen Moment das Gefühl als hätte ich nie jemanden Umgebracht.

Aber jetzt ist mir klar geworden, dass es nicht so ist. Ich habe es getan und daran lässt sich nichts mehr ändern.

Ich dachte wirklich ich könnte mich in dich verlieben.

Doch ich bin nicht mehr Mayura, die du einmal geliebt hast. Nein ich bin jetzt Yue der seinen besten Freund mehr liebt als alles andere. Aus diesem Grund kann ich ihm nie die Wahrheit sagen. Denn er hat das gleiche erlitten wie ich. Nur mit einem anderem Ausgang.

Bitte vergib mir. Ich muss dir schon wieder eine Abfuhr erteilen. Lebewohl.“

Mit tränen schweren Augen verabschiedete ich mich ein zweites Mal von meiner Vergangenheit.

Wieder schien die Sonne mit ihren hellsten Strahlen.
 

Der letzte Tag des Schulausfluges war wiedereinmal in endloses Schweigen gehüllt.
 

Es dauerte zwei ganze Monate bis Shin sich wieder mit mir unterhielt als wäre nichts gewesen. Doch etwas hatte sich verändert und das war nicht Ich.

Er sprach mich nicht mehr wegen Nagi oder meiner Vergangenheit an.

schlechte Neuigkeiten

Die Sonne verzog sich und machte dicken Regenwolken platz.

Wiedereinmal schlenderte ich nach meiner Arbeit an den Schaufenstern vorbei. Wer hätte gedacht, dass ich mal meinen BH vermissen würde.

Normalerweise wäre ich jetzt mit meiner Familie an der Ostsee. Ein beliebtes Ferienziel. Ich hätte einen neuen Bikini an und würde mich bräunen bis zum umfallen.

Doch stattdessen bin ich weiß wie ein Käse und habe nicht gerade den Sinn jetzt in einem Sommerkleid herumzulaufen. Schon wegen meiner Verkleidung nicht.

Zwar sind meine Verletzungen verheilt aber die Spur des Angriffs ist noch deutlich zu sehen.

Wer würde mich jetzt noch wollen.

Egal!

Kopf hoch. Das Leben geht weiter. Nicht zu oft hat mich Shin wieder aufgeheitert. Wenn es auch nicht mit Absicht war.

Na wer sagst denn. Da ist er ja schon.

„Hey Yue. Suchst du dir neue Unterwäsche aus?“ sein hämisches Gelächter war noch weit über die Straße hinaus zu hören.

Man warum findet der mich immer in so peinlichen Situationen. Ausgerechnet jetzt steh ich vor einem Dessous laden. Echt toll!

„Nein. Die ist nur für dich gedacht.“

„Reis dich ja zusammen Kleiner!“ ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, dass er seinen Arm mir um die Schultern legt, wenn er mich zurechtweist. Ist wohl so seine Art.

Wieder stiert mich nur sein eines Auge an. Da drängt sich mir wiedereinmal die Frage in den Kopf: was mit seinem anderen passiert ist.

„Wenn ich dich mit Bier locke, verrätst du mir dann endlich was mit deinem Auge passiert ist.“

„Du gibst wohl nie auf, was?“

„Nein, ich doch nicht.“

Lachend kaufte ich drei Sixpack und zog mich mit Shin in mein Apartment zurück. Jetzt bin ich sogar so trainiert, dass ich locker mit Shin mithalten kann.

Auf meinem Balkon angekommen ging er meiner Frage aus dem Weg und erkundigte sich nach seiner Schwester.

„Naja soweit ich von Chidori gehört habe fühlen sie sich ganz wohl.“

Chidori musste mit ihren Eltern in eine andere Stadt umziehen. Chloe war ihr gefolgt. Das bewies, dass Chloe endlich in der Lage war sich jemanden anzuvertrauen und zu lieben.

So hatte sich die Clique getrennt.

Shin schien nicht sonderlich traurig zu sein sie verloren zu haben. Bei einem unserer Zechnächten hatte er mir erzählt, wenn ich nicht gewesen wäre, wäre er Chloe gefolgt. Doch es war an der Zeit sie los zulassen.

Wenigstens konnte ich helfen.

„Chidori meldet sich immer seltener bei mir. Ich glaube sie fängt an mich zu vergessen.“

Mit ihr hatte ich wieder einmal eine Freundin verloren, mit der ich über vieles reden konnte. Sie kannte immerhin mein Geheimnis.

„Ist doch egal. Wir haben doch noch uns!“ manchmal kam es mir so vor als ob Shin immer Sentimentaler wurde.

Ich hoffe ich täusche mich, sonst habe ich eine schlechte Vorahnung.

„Also du schuldest mir etwas.“ hakte ich nach, um auf unser ursprüngliches Thema zurück zu kommen. Diesmal gebe ich nicht nach!

„Du kannst nerven!“

Nach einer langen Zeit und vier Dosen Bier entschloss er sich doch mir nachzugeben da ich ihn heute besonders belauerte.

Er drehte sich zu mir um.

„Also du willst es wirklich wissen?“

„Ja sonst würde ich dich nicht fragen.“

„Gut.“

Er nahm zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, die Augenklappe ab.

Was ich da sah war weder eine Leere Augenhöhle noch irgendetwas abstraktes.

Nein das Auge schien vollkommen in Takt zu sein. Es reagierte auf Licht und zog sofort seine Pupille zusammen.

Das einzige was ich erkannte war eine Narbe. Sie zog sich über das gesamte linke Auge und erinnerte mich an meine, über der linken Brust. Nur mit einem Unterschied: meine war deutlich länger.

„Als unser Vater auf Chloe los ging fing ich ihn ab und wir wurden beide die Treppe hinab gestoßen. Dabei kratzte mir eine Scherbe, eines zerbrochenen Glases, über das Auge. Chloe war unverletzt. Lediglich eine Platzwunde am Kopf.

Noch heute höre ich seine grässliche Lache, wenn ich die Narbe berühre.

Er glaubte wohl wir wären tot. Nur so überlebten wir.

Wusstest du das Chidori uns damals fand als sie Chloe zum spielen abholen wollte? Sie schwor nie jemanden etwas davon zu erzählen.

Ich habe diese Narbe versteckt um Chloe nicht immer weinen zu sehen. Sie erinnert sie an die Vergangenheit.

Und ehrlich mal so eine Augenklappe macht doch was her Oder?“

Mit einem aufgesetzten lächeln zog er wieder die Augenklappe über.

Manchmal würde ich mich selbst Ohrfeigen wenn ich könnte. Warum muss ich immer alles wissen. Obwohl ich niemanden was von mir wissen lasse.

Das erklärte auch die Verbindung zwischen Chloe und Chidori. Trotzdem könnten sich die beiden auch mal melden.

„Ich habe auch eine Narbe, die mich an meine Vergangenheit erinnert.“

Ich strich mir mit dem Finger über die linke Brust. Bis kurz Oberhalb des Bauchnabels und dann setzte ich ihn auf meiner rechten Schulter ab und zog eine Kerbe nach.

Shin sah mich mitleidig an und wechselte gleich wieder zu seinem üblichen kalten Blick.

„Weiß dein Freund von dieser Narbe?“

Freund? Meint er etwa Nagi?

Mit einem Schulter zucken antwortete ich: „Weiß nicht. Von mir kennt er sie nicht aber vielleicht hat ja meine Schwester ihm etwas davon erzählt.“

„Du hast eine Schwester?“

Stimmt das war das erste Mal, dass ich sie erwähnte. Obwohl ich ihr eigentlich dankbar sein müsste.

„Der kennt sie auch noch?“

Wütend stand Shin auf und fing an die Dose in seiner Hand zu zerquetschen, so dass der Inhalt von meinem Balkon auf die Wiese darunter tropfte.

Ich hatte es wieder geschafft und ihn wütend gemacht. Aber warum wird er nur so aggressiv wenn ich von Nagi erzähle.

„Naja. Er ist ihr paar mal begegnet als er mich besuchen kam.“

Warum bin ich jetzt eigentlich so ehrlich? Ich könnte ihm auch etwas vorlügen. Nein, das will ich nicht mehr!

Langsam setzte er sich wieder und ließ die Dose fallen.

„Sei ehrlich. Warum erzählst du mir nie etwas aus deiner Vergangenheit. Du heulst nur bei diesem Typen. Eigentlich find ich das ja erbärmlich. Aber noch erbärmlicher ist es, dass du nur vor ihm weinst und nicht vor mir. Immerhin kennst du auch meine ganze Vergangenheit.“

„Shin ich kann dir nichts erzählen. Du würdest mich nur verachten. Das will ich nicht.“

Mein blick wanderte zu meinen Händen und beobachteten wie sich meine Finger ineinander verkrampften.

„Also gut! Dann sag’s mir halt nicht!“

Mit einem lautem Schnauf machte er sich aus dem Staub.

Wütend auf mich selbst, knallte ich mich in mein Bett und griff zu dem Handy, dass die letzte Verbindung zu meiner Vergangenheit war.

Jetzt ist ein Jahr her, dass ich es zuletzt benutzt habe. Egal. Mit tränen in den Augen legte ich es wieder zurück und schlief ein.
 

Wiedereinmal war dicke Luft. Ich schlich mich in die Schule und versuchte mich zu entspannen. Doch heute hatten wir Sport. Der reinste Stress!

Ich kroch in mein Versteck, ein Geräteraum, um mich unbemerkt umzuziehen.

Mit der Zeit hatte ich mich so an meinen Verband gewöhnt, dass ich ihn kaum noch spürte.

Plötzlich hörte ich wie das Schloss der Tür zufiel und drehte mich um.

Shin.

Wiedereinmal erwischte er mich in einer meiner berühmten peinlichen Situationen. Mit irgendeinem Weib, dessen Gesicht mir vollkommen egal war, stand er Arm in Arm vor mir.

Es kam mir vor als könnte er durch mich hindurchsehen. Hoffentlich bemerkte er nicht die kleine Wölbung in meinem Brustbereich und stellte irgendeine doofe Frage.

„Wer ist denn dieser süße Typ?“

„Geh.“ befahl Shin seiner neuesten Eroberung.

„Was?“

„Geh!“

Mit einem wutentbrannten Gesicht schickte sie sich an, rauszugehen.

Lange Minuten verstrichen bis er ansetzte etwas zu sagen. Doch bevor er dazu kam ergriff ich das Wort.

„Der Verband ist für mich wie deine Augenklappe.“

Zum Teil stimmte meine Behauptung ja. Aber auch nur zum Teil.

Er kam auf mich zu, Schritt für Schritt und ich wich zurück.

Aber in einer Ecke war nichts mit ausweichen.

Manchmal wünschte ich mir, er wäre noch der Typ aus dem Teich. Aber er hatte sich so verändert, dass ich mich nicht mehr gegen ihn wehren konnte.

„Ich will sie sehen!“

„Was?“ irritiert blickte ich in sein wütendes Auge.

„Die Narbe. Du hast meine auch gesehen.“

Ein eiskalter Blitzt durchzuckte meine Muskeln. Sie waren wie gelähmt.

Was sollte ich jetzt tun? Wie kann ich ihm entkommen ohne unsere Freundschaft noch mehr zu gefährden?

„Los zeig sie mir!“

Wütend schnappte er sich meinen Arm und packte den Verband mit seiner rechten Hand.

Die Tränen schossen mir in die Augen und für einen Moment schien Shin zu zögern.

Doch es war zu spät. Alles verloren.

Meine Brüste streckten sich ihm entgegen und das Entsetzten war ihm ins Gesicht geschrieben.

„Was? Du hast ja einen Busen! Verarscht du mich gerade?“

Verzweifelt versuchte ich sie mit meinen bloßen Händen zu bedecken.

„Na klar ich hab sie mir angeklebt! Blödmann!“

Zum ersten Mal weinte ich richtig vor seinem Auge.

Zum Glück gelang mir die Flucht. Ich ließ einfach de entsetzten Typen zurück.

Zu Hause legte ich mich weinend ins Bett und wünschte ich wäre tot. Die Wunde in meinen Herzen bekam einen weiteren Riss.

Als ich wieder zu mir kam war es spät in der Nacht. Ich wusch mir das Gesicht und zog mir ein T-Shirt über. Diesmal ohne Verband.

Dann holte ich mein Handy aus der Schublade und schaltete es ein. Zum ersten Mal seit einem Jahr.

Ich hatte es zuletzt verwendet um mir ein Taxi zu rufen. An dem Tag, als ich als Mayura starb.

Nanu ich habe ja eine Nachricht. Geht denn das überhaupt noch? Das Wunder der modernen Technik.

Meine Schwester.

Wie lange ich sie nicht mehr gesehen habe.
 

Er hat überlebt!
 

Was?

Meine Hände fingen an zu zittern und ich fühlte mich so komisch. Sollte er wirklich überlebt haben. Dann war alles umsonst.

Die Narben. Die Tränen. Die Angst gefunden zu werden. Die Geheimnisse.

Mama! Sabbi! Sie sind in Gefahr. Hoffentlich ist es nicht zu Spät. Ich muss sofort zurück.

Sofort!

Noch bevor ich wieder klar denken konnte war ich auf dem Flughafen und wartete auf den nächsten Flug zurück nach Hause. Für diesen Tag hatte ich lange gespart.

Meine Versuche sie zu erreichen blieben auch bloß reine Versuche. Ich konnte niemanden erreichen.

Wenn es zu Spät war konnte ich mir nicht verzeihen. Es musste zu Spät sein. Immerhin hatte sie mir die Nachricht drei Tage nach meiner Abreise geschickt.
 

Während des Rückfluges fragte ich mich was ich wohl machen würde wenn ich ihm begegnete? Meinem Vater der versucht hatte meine geliebte Mutter und meine Jüngere Schwester zu töten.

Ihn noch mal ein Messer in den Bauch rammen. Nein! Diesmal direkt in das Herz!

Happy End?

Als ich an meinem Ziel angekommen war kaufte ich mir erst einmal ein neues Kleid und eine Haarschleife, etwas Make Up und eine Tasche.

Wenn ich ihm schon begegnen sollte dann als seine Tochter Mayura und nicht als Yue. Denn hier ist meine Vergangenheit kein Geheimnis.

Das Taxi das ich mir nahm, brachte mich nach Hause. Es goss in Strömen als wolle mich der Himmel hin fort spülen.
 

Es war nicht besonders groß aber es war das Haus indem ich aufgewachsen bin. Seltsam, es strahlte nicht mehr die Wärme aus die ich einst kannte.
 

Licht! Ob er es ist?

Mein Herz hämmerte wie wild. Mein Atem stockte vor Anspannung.

Der Vorraum sieht noch immer so aus wie früher.

Auf der Couch im Wohnzimmer saß jemand. Nein sie schlief.

Ach Sabbi, meine Schwester. Eine mit allen gewaschene Hackerin. Wer hätte gedacht, dass sie mal so friedlich aussehen könnte.

Sie war immer das Schwarze Schaf in der Familie. Ich glaub jeder hätte eher ihr zugetraut jemanden zu töten als mir. Aber Er ist ja nicht tot und ich bin keine Mörderin. Irgendwie verrückt.

Sabbi hatte mir dank ihres Könnens eine Maschine gebucht und mir ein Apartment besorgt.

Mutter gab mir ein neues Konto mit einem minimalem Startkapital.

Alles geschah in der selben Nacht in der Er mich angegriffen hatte und ich ihn.

„Mayura?“

Vor Schreck hätte ich beinahe eine Vase vom Schrank gefegt.

„Mayura!“

Mit Tränen überfluteten Gesichtern nahmen sich gerade zwei Schwestern in den Arm, die sich seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatten.

Wir brauchten etwas um wieder zu uns zu kommen. Als wir uns auf die Couch setzten, kamen mir tausend Fragen in den Kopf und ihr auch.

„Ach Sabrina. Wie konnte das alles nur geschehen?“

„Ich weiß es nicht.“

„Wie geht es Mutter?“

„Sie ... ihr geht es soweit ganz gut. Sie ist im Krankenhaus.“

Das entsetzten war mir ins Gesicht geschrieben.

„Was? Wie?“

„Die Ärzte sagen es war eine zu große psychische Belastung. Ihr Kreislauf. Sie war schon immer so schwach und dann bist du einfach nicht wieder gekommen. Wir haben dich einfach nicht erreicht.“

„Ich dachte Vater ...“

„Nein. Er ist nicht mehr hier. Er ist unterwegs ins Gefängnis.“

„Das ist schön.“

Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich hatte ihn nicht getötet und er bekam das was er verdiente. Eine gerechte Strafe.

„Wie geht es dir, Mayu?“

„Gut. Die Wunden sind verheilt. Nur mein schlechtes Gewissen hätte mich noch zur Verzweiflung getrieben.“

„Du wolltest uns nur beschützen. Dank dir habe ich mein Leben überholt. Ich bin jetzt eine ehrliche Bürgerin geworden.

Ich hatte dich immer gehasst und für überheblich gehalten.

Immer bekamst du deinen Willen und warst bei allen so beliebt.

Erst damals begriff ich wie großartig du bist. Mutig und tapfer. Ich hätte es nie geschafft. Also mach dir keine Vorwürfe.“

„Danke. Ich habe mir ein Beispiel an dir genommen. Mir war alles egal und ich ließ meine Wut an allen aus. Das hat mir geholfen. Danke.“

„Hey! Pass auf was du sagst!“

Mit einem lächeln und einer Nacht voll mit Berichten über das vergangene Jahr schliefen wir gegen Morgen ein.

Am nächsten Nachmittag ging ich in mein Zimmer und bestaunte mein altes Leben. Ich fühlte mich wohl. Aber irgendwie war das nicht mehr ich.
 

Wir besuchten am darauf folgenden Tag unsere Mutter.

Sie lag in einem Bett und wirkte so schwach. Ihr langes braunes Haar hatte jeden Glanz verloren und ihre Augen schienen von unendlicher Leere erfüllte zu sein.

Aber sie erkannte mich und schloss mich in die Arme. Sie liebt Narzissen. Darum brachten wir in der darauf folgenden Woche ihr jeden Tag Blumen.

In Japan sind Blumen Luxus. Aber hier. Naja es gibt so viele Unterschiede.

Am Abend saß ich mit Sabbi zusammen und wir erinnerten uns an unsere Kindheit.

„Weist du noch als wir uns den ganzen Abend im Keller versteckt hatten, weil wir Mutters frisch gebackene Plätzchen stibitzt hatten?“ begann ich.

„Ja. Und ich bekam wieder mal den meisten Ärger von Vater. Natürlich glaubte er ja nicht du, seine geliebte Mayura, hätte mich dazu angestiftet. Obwohl es so gewesen war!“

Plötzlich zog ein finsterer Blick in die Augen meiner kleinen Schwester ein.

„Wann hatte es eigentlich angefangen, dass er auf mich und Mutter so böse wurde?“

Sabbi hatte da ein Thema angeschnitten, was mich schon lange beschäftigte.

„Ich glaube kurz nach der Affäre von Mutter und diesem komischen Typen. Er kam immer zu ihr in die Bankfiliale und hatte sie bezirzt. Naja zwischen unseren Eltern war halt schon lange die Luft raus.

Ich verstehe sie, sie wollte nur wieder geliebt werden und nicht diesen Alltagstrott.“

Wir schwiegen eine Weile.

Sabbi war damals nicht daran interessiert gewesen, was unsere Mutter tat. Darum wusste sie nichts von der Affäre. Erst als unser Vater auf sie los ging erfuhr sie davon.

„Es ist vorbei.“ kam es aus mir heraus, wie aus einem fernen Traum.

„Ja. Aber was hast du jetzt vor?“

„Wieso?“

„Naja du lebst doch in Tokio. Bleibst du hier oder gehst du zurück?“

Gute Frage.

Ich weiß nicht was Shin jetzt von mir hält. Immerhin hatte er herausgefunden wer ich war und anstatt mich ihm zu stellen floh ich hier her. Ich glaub ich hatte das Handy nur in der Hoffnung angeschaltet, um einen Grund zu finden von ihm weg zu kommen.

„Ich bin so feige.“

„Warum?“

„Ich bin wieder geflohen Wäre ich damals, statt davon zu laufen, hier geblieben wäre Mutter jetzt nicht in diesem Zustand.“

„Das stimmt nicht. So oder so wäre es dazu gekommen. Sie musste mit ansehen wie ihr Mann, ihre Kinder und sie bedrohte. Sie gab sich die Schuld nicht früher bemerkt zu haben was er wirklich war.“

„Vielleicht hast du recht.“

Ohne ihre Frage zu beantworten ging ich ins Bett. Aber für mich war die Antwort schon klar.
 

Am nächsten Morgen besuchte ich alleine unsere Mutter. Sabbi war in die Schule gegangen.

„Hallo Mutter. Wie geht es dir Heute?“

„Er war ganz schön geschockt.“

„Wer?“

„Dein Vater. Als du ihn angegriffen hattest und ihm das Messer in den Bauch gestoßen hast. Er war so traurig, dass er einfach aufgab.

Später im Gericht erzählte er mir, dass er mich und Sabbi aus dem Weg räumen wollte um mit dir, seinem ein und alles, den Rest seines Lebens zu verbringen. Er hatte wohl Angst, dass ich dich nach unserer Scheidung ihm wegnehmen würde. Das wollte ich eigentlich auch.

Er liebte dich wie kein anderer Vater. Du hast ihm das Herz gebrochen.“

Ich setzte mich zu ihr auf das Bett und dachte über ihre Worte nach.

„Naja das ist jetzt vorbei. Werde schnell wieder Gesund. Ja?“ versuchte ich mit einem aufgesetzten Lächeln umzulenken. Ich wollte nicht über damals sprechen. Nicht mit ihr.

„Ja. Immerhin will ich dich mal besuchen kommen. Ohne dich wären wir ja jetzt nicht mehr hier.“

„Besuchen?“

„Glaubst du ich hätte nicht gemerkt, dass du nicht mehr meine kleine Mayura bist. Du hast dich verändert. Ist ja auch kein Wunder. Nach all den Erlebnissen.“

„Ach Mutter.“

Mir rannen Tränen der Trauer aber auch des Glücks über das Gesicht. Wieder einmal hat sie mir ins Herz gesehen. Genau wie damals. Sie hat mich nicht aufgehalten. Nein! Sie wusste, um mich selbst zu finden, musste ich soweit weg wie möglich.

Da ich in Japan geboren wurde, wusste ich wo ich hingehen konnte.

„Es wird Zeit. Ich muss mich noch von Sabrina verabschieden. Ich will so schnell wie möglich zurück. Verzeih mir.“

„Was gibt es da zu verzeihen?!“

Wir umarmten uns und ich machte mich auf den Weg nach Hause.

Sabrina hatte wohl geahnt was los war und brachte mich noch zum Flughafen. Auf dem Weg dorthin schwiegen wir.

Er war wie ein Ameisenhaufen, organisiert aber unüberschaubar. Doch voller Leben und wärme.

So empfand ich es Heute.

„Gleich geht mein Flug.“

„Ja. Es ist eigentlich kein Wunder das du dich in Tokio so wohl fühlst. Immerhin bist du dort geboren. Vater ist auch Japaner. Also liegt es dir im Blut.“

„Ja. So ist es wohl. Mutter ist Deutsche und darum bist du hier zu Hause. Bei ihr. Pass gut auf euch auf.“

„Ja und du lass gefälligst deine Haare wieder lang wachsen. Damit ich dich besser wieder erkenne!“

Mit einer letzten liebevollen Geste stieg ich wieder einmal in das Flugzeug ein, dass mich in meine neue ungewisse Zukunft bringen sollte.
 

Diesmal brauchte ich mir keinen neuen Namen zu zulegen. Ich fliege als Mayura nach Hause. Ich bin nicht mehr die, die ich einmal war.

Nein ich bin stärker.

Diesmal bin ich, ich selbst.
 

Endlich angekommen stand ich nun vor der Tür die mich zu ihm bringen wollte. Zaghaft klopfte ich an.

Erst dachte ich er lässt mich nicht rein, doch nach etlichen Versuchen stapfe er wütend zur Tür.

Shin.

Er ist ja betrunken.

„Wer bist du?“ mit seinem glasigen Auge schielte er mich an und schien reichlich verärgert. Doch wie gesagt ich bin stärker geworden.

„Mein Name ist Mayura. Darf ich rein kommen.“

Er zuckte bei dem Klang meiner Stimme zusammen. Doch er ließ mich rein.

Meine Güte man sollte nicht meinen hier wohne ein Junge. Es sieht aus wie geleckt.

Das hätte ich ihm jetzt nicht zugetraut. Alle Achtung.

Ich setzte mich auf einen Stuhl neben dem Couchtisch. Shin ließ seinen Körper direkt in die Couch fallen.

Einen Moment lang starrten wir uns nur an.

„Also du wolltest doch die Wahrheit hören oder?“

Er schwieg.

Mit seinem Auge schien er mich fest zu nageln.

Ich konnte kaum Atmen.

Wie reagiert er wohl auf die Wahrheit?

„Vor einem Jahr. Da bin ich aus Deutschland geflohen. Mein Vater kam wie immer nach der Arbeit nach Hause. Doch diesmal war irgendetwas anders.

Ich weiß nicht was der Auslöser war. Aber er marschierte in die Küche und holte ein Messer. Wir, meine Schwester, meine Mutter und ich, saßen am Abendbrottisch. Ich stritt mich mit meiner Schwester, wie fast jeden Tag. Sie konnte mich noch nie besonders leiden.

Er setzte zum Angriff an, ohne ein Wort zu verlieren und zielte mit dem Messer auf meine Mutter.

Ich konnte ihn gerade so noch aufhalten. Aber er war außer Kontrolle und fuchtelte mit dem Ding nur so rum. Dabei Schnitt er mir über die Brust und ich ging zu Boden.

Er war wohl wütend über sich, dass er mich verletzt hatte also visierte er meine Schwester an und stach zu.

Statt sie zu treffen, hatte ich mich aufrappeln können, sie zur Seite stoßen und das Messer mit meiner Schulter abgefangen.

Er konnte es nicht raus ziehen und ich ...“ ich musste Luft holen.

Mir schnürte es fast die Kehle zu. Meine Hände fingen an zu zittern. Tränen quollen hervor.

„Ich zog es aus meiner Schulter. Er kniete vor mir nieder und bettelte mir etwas von Vergebung vor. Doch ich sah nur noch die Gefahr für meine Familie und das Messer in meiner Hand.

Was blieb mir anderes übrig als zu zu stechen. Ich rammte ihm das Messer in den Bauch. Er sackte zusammen und bewegte sich nicht mehr.

Wir hatten alle solche Angst. Meine Schwester hackte sich in den Computer und ich buchte mir die erste Maschine nach Tokio. Meiner Geburtsstadt. Mir viel nichts besseres ein. Alles ging so schnell. Da konnte keiner von uns richtig klar denken.“

Shin hatte mittlerweile seinen Blick von mir ab gewannt. Er schien in die Ferne zu blicken und nachzudenken.

„Verachtest du mich jetzt? ... bitte antworte mir doch Shin ... sag etwas ... irgendetwas.“ schluchzte ich in an.

Doch mein flehen blieb eine Zeit lang unerhört.

Er streifte seine Augenklappe ab und sah mich direkt mit beiden Augen an.

Sie gaben mir keine Antwort. Sie starrten mich einfach nur an.

„Damals, als ich dir von meiner Vergangenheit erzählte, da fragte ich, ob du an meiner Stelle meinen Vater getötet hättest. Du hast mit ja geantwortet.“

Wieder verging die Zeit ohne dass einer von uns beiden etwas dazu sagte.

„Warum hast du dich mir nicht anvertraut? Immerhin konnte ich das doch auch.“

„Du glaubtest auch nicht ein Mörder zu sein. Ich dachte du hasst mich, wenn du die Wahrheit erfährst.“

„Unsinn. Ich wünschte ich wäre so stark gewesen wie du. Dann wäre wenigstens meine Mutter noch am Leben.“

„So stark war ich nicht. Ich bin geflohen. Vor mir selbst und den Meinungen der Anderen. Außerdem lebt mein Vater noch. Er ist nicht gestorben.

Wäre ich nicht geflohen, dann hätte ich die Wahrheit viel früher erfahren.“

„Spinnst du!“ Shin schrie mich an und stand Blitzartig auf. Er stürmte zu mir.

Ich konnte mich nicht bewegen und eh ich mich versah, riss er mich in seine Arme und umklammerte meinen Körper.

„Wärst du nicht geflohen, dann wären wir uns nie begegnet. Du hättest nie meine Wunden geheilt. Nie!“

Ich zitterte am ganzen Körper und erwiderte seine Umarmung.

„Mann ej und ich hatte schon Angst ich wäre Schwul geworden.“ flüsterte er mir ins Ohr und ich musste unwillkürlich anfangen mit lachen.

Wer hätte das gedacht.

„Wir haben wohl gegenseitig unsere Wunden geheilt.“

„ ... „

Er flüsterte mir etwas ins Ohr.

Ich hatte nie gedacht es je aus seinem Mund zu hören:
 

Danke.
 

Alle Geheimnisse sind nun gelüftet.

Epilog

Wir umarmten uns eine Weile und eine endlose Stille umhüllte uns.

„Sag mal. Jetzt kannst du mir doch deine Narbe mal zeigen.“

„Hä?“ muss dieser Idiot jetzt damit ankommen.

Oh man, schnell einen Ausweg finden.

„Du hast die doch schon gesehen.“

„Nee da hab ich nur auf deine Brüste gestarrt.“

Na toll. Das wird ja immer peinlicher!

„Nein.“

„Komm sei nicht so.“

„Nein!“

Ich befreite mich aus seiner Umarmung und schlich mich langsam rückwärts zur Tür. Er folgte mir mit großen Schritten. Also irgendwie kommt mir diese Szene bekannt vor.

„Sei nicht so prüde. Los zieh dich aus.“

Also der nimmt ja wirklich kein Blatt vor den Mund.

„Bin ich aber.“

Mit einem Mal hatte ich die Tür erreicht und knallte sie ihm vor der Nase zu.

Der Typ hat Nerven!
 

Ab der nächsten Woche ging ich wieder normal zur Schule. Diesmal trug ich allerdings die Uniform der Mädchen. Die hatte ich für alle Fälle aufgehoben.

Kommt mir das nur so vor oder sind diese Röcke wirklich so kurz?

In Deutschland gab es zum Glück noch keine Schuluniformen. Da hatte ich nicht dieses Problem.

Diesmal gafften mir alle Kerle hinterher und die Weiber durchbohrten mich mit prüfenden blicken. Immer stand ich im Mittelpunkt. Das gefiel mir gar nicht!

Ich wünschte Chidori wäre jetzt hier. Aber die hat sich ja nicht mehr gemeldet und kennt nicht mal den Ausgang der Geschichte.

Auf einmal wurde ich von hinten gepackt und mir grapschte ein Kerl unter den Rock. Ich schleuderte ihn über meine Schulter und wuchtete ihn in den Teich.

Man ich glaube mein Rücken macht das nicht noch öfter mit.

Shin starrte mich verwundert an und ich musste Lauthals lachen.

Da war er wieder der Typ aus dem Teich.

Er grinste mir hämisch zu und hievte sich zu mir. Er legte seinen Arm um meine Schulter und flüsterte mir ins Ohr.

„Wir sehen uns im Geräteraum. Da erwarte ich eine liebevolle Entschuldigung für diese Blamage gerade.“

Er ließ mich los und trollte sich.

Also wirklich wenn das so weitergeht scheint ja meine Zukunft recht lustig zu werden und anstrengend zugleich. Das hast du nun davon wenn du mit einem Weiberhelden zusammen bist der dermaßen von sich selbst überzeugt ist!
 

Doch Shin wartete vergebens auf seine Geliebte.

„Na warte.“ murmelte er bevor er vor Langeweile ein schlief.
 


 

___________________________________________________________________
 

so das wars wiedermal.
 

eine FF mehr beendet XDD
 

ja das kapi ist etwas (sehr) kurz geratenaber es sollte auch nur so einen Art zusatz kapitel sein
 

>-< aber füre in was muss ich mich noch entschuldigen. ich habe diese FF schon vor ein oder zwei jahren geschrieben und nur nochmal urz überflogen, als ich sie reingestellt habe, darum ist die qualität nicht so dolle. ganz zu schweigen von der Rechtschreibung XDD
 

naja ich hoffe sie hat euch trotzdem gefallen und ich freu mich über jedes einzelne Kommentar von euch
 

nun denn bis bald und ich würde mich riesig freuen, wenn ihr auch mal einen Blick in mein neuestes Werk: "Das Geheimnis des Spiegels." werfen würdet XD
 

eure hina chan



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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Von:  Thuja
2008-01-15T16:24:33+00:00 15.01.2008 17:24
der krönende Abschluss ^^

was mir wieder am meisten gefallen hat, der Humor. Während das letzte Kapitel so ernst war, war das hier ein schöner Kontrast.
Oh je die beiden laufen echt in ne anstrengende Zukunft, aber die packen das schon :D

Danke das ichs lesen durfte

lg
Von:  Thuja
2008-01-15T16:20:42+00:00 15.01.2008 17:20
"puh"
"erleichtert bin"
es geht ihrer Familie gut und ihr Vater wandert ins Gefängnis.
Darauf hab ich echt gehofft.
Zudem ist sie nun endlich über ihre Vergangenheit hinweg.
Das freut mich für sie.
Außerdem find ich es klasse, dass Shin sie umarmt. Das war richtig schön.
Und ich geb Shin recht. Ihre Flucht und ihre Tarnung, das alles war nicht umsonst (schon weil es sonst ja keine Fanfic darüber geben hätte ^^) Nein aber mal ganz im ernst, nur dadurch haben sich die zwei gefunden.
Am Anfang hab ich Shin echt für nen dummen Raufbold gehalten, aber inzwischen ist er mir ans Herz gewachsen.

Nur ne kleine Kritik was den Ausdruck an geht. Es war ein wenig störend, dass du andauern die Zeit wechselst. Mal schreibst du im Präsens, mal im Präteritum.

les jetzt erstmal den Epilog
Von:  Thuja
2008-01-02T12:42:48+00:00 02.01.2008 13:42
das Kapitel hat mir total gut gefallen
es war sowohl lustig als auch spannend

"Man warum findet der mich immer in so peinlichen Situationen. Ausgerechnet jetzt steh ich vor einem Dessous laden. Echt toll!." Jo das ist echt blöd. Da kann Shin direkt auf falsche Gedanken kommen. Aber sie hat ja mal wieder toll reagiert. Gut, dass sie schlagfertig ist

was Shin jetzt wohl denkt, wo er weiß, das sie ein Mädchen ist. Ich fand es einerseits schockierend das (vor allen wie :D) er es rausgefunden hat, anderseits ist es bestimmt besser das er es weiß

Oo richtig schlimm fand ich die Nachricht, dass der Vater überlebt hat.
Ich hoffe ihre Familie lebt nocht.
Schon schlimm genug, dass diese ein Jahr unter dem Vater vllt. noch leiden mussten.
Es wäre so schrecklich wenn sie tot wären.
Ich hoffe das das nächste Kapitel so bald wie möglich kommt,
Ich will unbedingt wissen, wie es jetzt weiter geht





Von:  Thuja
2007-12-10T13:14:56+00:00 10.12.2007 14:14
irgendwie war das Kapitel traurig, zumnindest im Gesamtbild.
trotzdem gab es aber auchsehr lustige Stellen.

Oh mann, der arme Shin. Er versteht gar nichts. Ich fand den Franzosen dennoch nett, vor allen das mit dem Kuss war süß. Das zwischen den beiden nicht ernsthaftes werden konnte war ja klar. Sie wollte schließlich schluss machen mit ihrer Vergangenheit, trotzdem war es süß.

Hat mir also wieder sehr gut gefallen
Von:  Thuja
2007-12-01T20:05:55+00:00 01.12.2007 21:05
Chidori ne Lesbe. Habs mir fast gedacht "g".
Aber das sie was von Shins Schwester will. Lol. Das war unerwartet. Naja aber ob sie ihr Ziel erreicht.
Och wie süß, Yue hat sich auch verliebt. hm aber damit ihre Liebe ne Chance hat. müsste sie ihm die Wahrheit sagen. Keine leichte Entscheidung.

Naja das Geheimnis ihre Vergangenheit lüftet sich so langsam, wie ein Puzzle. Scheinbar hat sie ihren Dad umgebracht, allerdings weil sie musste.


Naja hat mir wieder richtig gut gefallen.
Ach ja und um meine Treue musst du dir absolut keine Gedanken machen "g"

cu
Von:  Thuja
2007-11-24T21:21:40+00:00 24.11.2007 22:21
Der Humor dieser Geschichte ist echt toll (dauergrinsen im Gesicht hab)
Klar ich denke mal sie wird ihr Geheimnis nicht ewig behalten können, aber zurzeit klappt ihre Tarnung ganz gut.
hihihi, ich lach mich kaputt. Jetzt hat sie sogar ne feste "Freundin" War wohl Schicksal das sie gerade den Namen von einem Mädchen genannt hat, welches sie durchschaut hat.
Die story ist echt klasse :D
Von:  Thuja
2007-11-04T13:00:03+00:00 04.11.2007 14:00
oh je, arme Yue, was für ein Tag. Sie hat es aber echt nicht einfach. Naja sich als Mann auszugeben ist aber auch ziemlich schwer. Ob ihr Schwindel irgendwann auffällt. Ich glaub der "große" Shin würde aus allen Wolken fallen, wenn er erfahren würde, dass eine Frau ihn in den Teich geschmissen hat
ich find ihre sarkastische Seite witzig. lol. Die bringst du echt gut rüber.

ach ja ein kleiner Tippfehler ist mir aufgefallen
Weiß nicht. Vielleicht dich ein wenig anheißen?“ hauchte sie mir ins Gesicht und mir wurde Blitzartig übel
--> meinst ja sicher anheizen :P
Von:  Thuja
2007-10-30T18:27:03+00:00 30.10.2007 19:27
hm, ein ganz andere Stil von dir, aber ich muss sagen, der gefällt mir auch ziemlich gut.
Und der Witz, der darin enthalten war, z.b. das sie ihn ab jetzt Typ aus dem Teich nennt. lol.
Dieser Shin und seine Schwester sind aber auch echt zwei Pappnasen. Ich find es gut, dass ihr verprügelt hat.

Frag mich nur, woher sie ne Schulterverletzung hat? Was genau ist in ihrer Vergangenheit passiert.
oO Ja ich weiß wird schwer für dich, aber mach auch hier ganz schnell weiter.
Und gib mir dann Bescheid

thanks

deine blackheart_


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