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Spiel der Liebe

von

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Vorwärts gehen

Plötzlich bin ich wieder putzmunter als ich die unruhigen Bewegungen neben mir wahrnehme.

Uruha murmelt immer wieder etwas ganz leise vor sich her und augenblicklich rutsche ich ein ganzes Stück von ihm weg. Er hat immer noch ein unglaubliches Problem mit körperlicher Nähe und diese wird vor allem direkt nach Flashbacks und Alpträumen für ihn unerträglich.

Mein Atem geht ziemlich schnell und ich habe Schwierigkeiten mich nicht von seiner Panik anstecken zu lassen.

Wenn ich meiner eigenen Angst jetzt nachgebe, dann kann ich ihm keinen Halt geben.

Und das letzte was ich will ist ihm die ganze Sache noch schwieriger als ohnehin schon zu machen.

Mich zerreißt es innerlich ihn immer wieder während solchen Situationen nicht in den Arm nehmen zu können.

Am liebsten würde ich ihn gerade einfach nur festhalten und ihm versichern, dass er niemand hier ihm etwas böses will.

Aber ich weiß zu gut, dass Worte ihm die Erinnerungen nicht erträglicher machen können.

Vorsichtig rüttele ich ihn an der Schulter und da er einfach nicht wach wird kneife ich ihn in die Wange. Kurz verzieht er vor Schmerz das Gesicht ehe er mich schnell atmend und mit großen Augen anstarrt. Ich werde mich wohl nie an diese Situationen gewöhnen können, dabei werde ich momentan fast täglich mit genau diesen konfrontiert.

„Lass uns aufstehen, okay?“, fordere ich ihn auf.

Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass er sich im liegen einfach nicht mehr beruhigen kann. Es ist schwer Uruha zu helfen, da er einfach keine Hilfe annimmt und momentan gerne für sich alleine ist.

Aber das ist nun einmal nicht möglich, schließlich sind wir auf Tour und hocken so zwangsläufig ziemlich oft aufeinander.

Dabei versuchen wir ihm so oft Ruhepausen zu ermöglichen wie es eben geht, auch wenn wir dadurch mehr Arbeit haben als ohnehin schon. Wir können uns es einfach nicht leisten, dass Uruha ausfällt. In unserem Business gibt es keine Gnade und das bekommen wir ausgerechnet jetzt gezeigt.

Es ist ohnehin ein Wunder, dass wir Uruha den Klinikaufenthalt und alles andere nach der Vergewaltigung ermöglichen konnten. Psychische Erkrankungen haben einfach keinen Platz in unserer Gesellschaft und das hat uns auch die Reaktion einiger Fans gezeigt.

Leise seufzend schnappe ich mir die dünne Fleecedecke und gehe in den hinteren Teil des Busses zu der Sitzecke. Uruha folgt mir schweigend und man sieht es mehr als deutlich an seiner tattrigen Art, dass die Panik ihn immer noch im Griff hat. Nachdem er sich ans Fenster gesetzt hat, lege ich ihm die Fleecedecke über und streiche ihm ganz kurz durch die Haare. Widerwillig setze ich mich mit etwas Abstand zu ihm und lege die Füße auf den gegenüberliegenden Sitz.

Wenn er reden möchte, dann wird er schon den Mund aufmachen.

Und ich weiß genau, dass er dieses nicht machen wird.

Noch immer schämt er sich für seine Schwäche und vor allem schämt er sich dafür, dass ausgerechnet ihm das passiert ist.
 

Und so sitzen wir bis zum Sonnenaufgang schweigend nebeneinander. Immer wieder schlafe ich für einige Zeit ein und am liebsten würde ich Uruha einfach hier sitzen lassen und zurück ins Bett gehen. Jedoch ist die Angst zu groß, dass er sich was antun könnte und deshalb bleibe ich notgedrungen bei ihm sitzen.

Ob sich diese Angst irgendwann legen wird?

Ich erschrecke mich ziemlich, als auf einmal Reita sich zu mir herunterbeugt und fragt wie lange wir hier schon sitzen.

„Schon ein paar Stunden glaube ich. Er starrt die ganze Zeit einfach nur aus dem Fenster“, antworte ich ihm wahrheitsgemäß.

Kopfschüttelnd nimmt Reita meine Füße vom Sitz und schlaftrunken schaue ich ihm dabei zu wie er Uruha am Oberarm nimmt und mit ihm im unteren Teil des Busses verschwindet.

Was hat er nur vor mit ihm?

Meine Augenlider sind viel zu schwer und ich denke Mal, dass er sich schon gut um ihn kümmert.

Es dauert auch nicht lange ehe sich Reita ganz alleine neben mich setzt und meint: „Ich hab ihm was stärkeres gegeben. Leg dich am Besten auch noch einmal hin, heute wird ein langer Tag.“

Unsicher frage ich: „Hätte ich ihm eben schon was geben sollen?“

„Ich weiß es nicht, Aoi. Wir reden nachher einmal mit allen darüber, okay? Uruha braucht glaub ich gerade etwas was wir ihm nicht geben können und ich glaube es ist wirklich das Beste, wenn er wieder zurück in die Tagesklinik nach der Tour geht.“

„Daran hab ich auch schon gedacht. Nimm es mir nicht übel, aber ich will gerade einfach nur zurück ins Bett“, antworte ich und muss ein Gähnen unterdrücken.

Die Tabletten machen mich schon ganz schön müde und das merke ich vor allen an den Tagen, an denen mich Uruha wachhält.

Schweigend gehen wir zurück in unsere Schlafkojen und es fällt mir ganz schön schwer mich wieder neben Uruha hinzulegen. Möchte er das überhaupt?

Er liegt mit dem Rücken zu mir und dreht sich noch nicht einmal um.

Nachdenklich streiche ich ihm ein paar Mal über die Schulter und drücke einen Kuss auf seine Haare. Wenigstens zuckt er nicht zusammen.

„Schlaf gut“, meine ich noch ganz leise ehe ich wieder einschlafe.
 

Ein feuchter Kuss mitten auf den Mund holt mich aus dem Reich der Träume. Warum schmeckt dieser Kaffee?

Fragend ziehe ich die Stirn kraus und öffne die Augen.

Uruha streicht mir immer wieder liebevoll die Haare hinter die Augen und gibt mir noch einen flüchtigen Kuss auf die Stirn.

„Wie lange bist du schon auf den Beinen?“, frage ich ihn.

Es geschieht relativ selten, dass er morgens schon so aktiv ist.

„Schon eine ganze Weile. Magst du nicht frühstücken?“, antwortet er.

Seufzend reibe ich mir über die Augen und schlage die Bettdecke zurück. Muss ich jetzt ernsthaft schon aufstehen?

Es ist so still im Bus ohne die Motorengeräusche und selbst die anderen hört man nicht.

Ob sie schon in der Halle sind?

Plötzlich platzt es Uruha heraus: „Ich hab eben mit den anderen geredet und wir haben abgemacht, dass ich direkt nach der Tour wieder in die Tagesklinik gehe und ich hab das auch schon mit meinem Therapeuten abgesprochen. Es wäre schön, wenn ich trotzdem bei dir in der Zeit wohnen könnte.“

Irritiert schaue ich ihn an, es ist doch unsere Wohnung und seit wann sieht er das anders?

Oder ist es für ihn nicht unsere Wohnung, weil wir uns nie zusammen eine gemeinsame gesucht haben?

Gebe ich ihm das Gefühl, dass er nicht Willkommen ist?

„Es ist auch deine Wohnung, Uru-chan. Und mich freut es, dass das mit der Tagesklinik klappt. Möchtest du da wirklich wieder hin oder machst du das nur, weil Reita das will?“, erkundige ich mich argwöhnisch.

Leider bringt die Therapie nur etwas, wenn er es aus freien Stücken macht und ich kenne Reita

einfach zu gut. Und er weiß einfach was er sagen muss, damit Uruha ihm solche Wünsche erfüllt.

„Ich möchte das auch. Mich belastet es ja auch, dass ich nicht richtig zur Ruhe kommen kann und ich will mit dir wieder eine ganz normale Beziehung führen können. Auch wenn es jetzt nicht so scheint, aber mir fehlt halt doch all das intime ziemlich und ich will das alles nicht aufgeben. Und ich will das vor allem mit dir wieder angehen, wenn wir daheim sind“, erklärt er mir.

Denkt er etwa ich würde ihn wegen so einer Kleinigkeit sitzen lassen?

„Lass dir Zeit, Uru-chan. Und ich will dich wirklich zu nichts in die Richtung drängen. Wenn die Zeit dafür gekommen ist, dann klappt das schon alles. Mir reicht das wie es jetzt ist gerade und ich möchte nicht, dass du dich selbst so sehr unter Druck setzt. Ich wart auf dich egal wie lange, Schatz“, verspreche ich ihm und drücke ihm einen langen Kuss mitten auf den Mund.

Lächelnd schließt er mich in seine Arme und zieht mich an sich heran. Und ich genieße einfach nur die Nähe.

Leise lachend füge ich hinzu: „Die Tabletten von mir ersticken eh jedes Gefühl der Lust im Keim. Wann müssen wir zu den anderen?“

„In einer Stunde kommt uns Kai holen und bis dahin solltest du umgezogen sein und was gegessen haben. Ich hab ihm versprochen nicht mit dir im Tourbus herum zumachen und anständig zu bleiben“, gibt er zu.

Empört antworte ich: „Wir sind doch keine Teenager mehr! Manchmal haben die anderen echt eine ganz komische Vorstellung von unserer Beziehung. Lass uns aufstehen, ja?“
 

Es dauert auch nicht lange ehe wir zwei uns aus der Koje gezwängt haben und ich mir einen Jogginganzug angezogen habe.

Eher lustlos esse ich ein bisschen Reis mit Gemüse und lasse dabei Uruha nicht aus den Augen.

An sich scheint es ihm tatsächlich gut zu gehen, aber er ist ziemlich unruhig.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Uru-chan?“, erkundige ich mich besorgt.

„Denke schon, ja. Ich bin nur etwas überdreht wegen der Tabletten. Danke dafür, dass ihr zwei euch heute Nacht um mich gekümmert habt“, meint er und starrt mich ziemlich nachdenklich an.

Es fällt mir schon ziemlich schwer diese Frage zu stellen: „Schaffst du den Rest der Tour noch? Wenn es nicht geht, dann ist das völlig in Ordnung. Ich möchte nur nicht, dass du dich durch quälst. Und du musst dich nicht jedes Mal bedanken. Ich will nicht nur dein Sonnenscheinfreund sein, sondern dir egal was ist zur Seite stehen.“

Unsicher kaut er auf seiner Unterlippe herum und nimmt meine Hand und spielt etwas mit meinen Fingern.

Es ist schon süß, wenn er sich so verhält. Aber es macht mich zeitgleich auch traurig, dass er all das was wir für ihn machen nicht als Selbstverständlichkeit ansehen kann. Und vor allem finde ich es schlimm, dass er nur wegen einer Person so durch die Hölle gehen muss und es einfach nichts gibt, was ihm diese Erinnerung nehmen könnte. Es heißt zwar immer nach einer Traumatherapie ist es leichter mit dem Trauma selbst umzugehen, aber ist dem wirklich so?

Ich hoffe ja immer noch, dass irgendwann genug Zeit vergangen ist und er wenigstens wieder das Bandleben richtig genießen kann. Warum musste ihm ausgerechnet der Ruhm zum Verhängnis werden? Wieso gibt es Menschen, die denken eine Vergewaltigung sei nicht so schlimm?

Kein Mensch möchte auf diese Weise verletzt werden.

Und ich will mir gar nicht vorstellen wie sich so etwas anfühlt.

Lächelnd streiche ich mit meiner anderen Hand über seinen Unterarm.

„Es ist mein Job, Aoi. Ich kann nicht ewig davon rennen und es klappt doch mit den Interviews und Konzerten, oder? Und mit dem Rest komme ich schon zurecht. Bei der nächsten Tour wird es hoffentlich einfacher, auf jeden Fall meinte das mein Therapeut“, antwortet er leise.

Seufzend stehe ich auf und setze mich neben ihn und ziehe ihn in eine Umarmung.

Irgendwann wird es schon wieder besser werden.

Man merkt einfach zu deutlich, dass er nach wie vor nicht an eine Besserung glaubt.

Es macht mich unheimlich glücklich, als sich Uruha gegen mich lehnt und seine Augen schließt.

„Du machst deine Sache gut, Uru-chan. Der Rest wird schon wieder“, versichere ich ihm und küsse seine Haare.

Zaghaft streiche ich ihm über den Rücken und genieße einfach den Augenblick.

Er ist immer noch ziemlich dünn und ich spüre seine Rippen sehr deutlich.

Ob es ihm auch schon aufgefallen ist, oder ignoriert er das Problem?
 

Als Kai in den Bus kommt und sich uns gegenüber hinsetzt, signalisiere ich ihm leise zu sein.

Uruha liegt immer noch ganz entspannt in meinen Armen und ich will ihn einfach nicht aus dem Tagtraum reißen.

Ich warte noch ein paar Minuten ehe ich Uruha etwas von mir drücke und ihm einmal über die Ohrmuschel lecke. Grinsend nehme ich das Schaudern von ihm wahr.

Verwirrt blickt er mich an und als er Kai bemerkt, wird er plötzlich ganz rot und versteckt das Gesicht hinter seinen Händen. Es ist wirklich süß, dass er so unglaublich schüchtern ist und ihm alles was mehr als eine Umarmung oder ein kurzer Kuss ist direkt peinlich ist solange andere dabei sind.

Amüsiert meint Kai: „Ich störe euch echt nur ungern, aber ich soll euch für den Soundcheck holen.“

Auf dem Weg in die Halle fällt mir direkt auf, dass Uruha total unsicher auf seinen eigenen Beinen ist. Die Beruhigungstabletten haben es definitiv in sich und ich hoffe einmal, dass sich wenigstens die Unruhe bis heute Abend legt.

Immer wieder stolpert er.

Flüsternd frage ich Kai: „War heute Morgen alles okay nach dem Gespräch? Oder hat er noch was zusätzlich genommen?“

Leiser antwortet er: „Er hat nur das genommen, was er auch sollte. Reita war ziemlich lange mit ihm spazieren, da Uruha so aufgelöst war und sich nicht wirklich beruhigen wollte. Ich weiß nicht, warum er geweint hat. Danach schien es ihm auf jeden Fall besser zu gehen, ansonsten hätten wir ihn nie alleine bei dir gelassen. Ich denke einmal bei euch ist alles gut verlaufen? Er wollte ja alleine mit dir darüber reden und er wollte auch nicht, dass du bei dem Gespräch heute Morgen dabei bist.“

„Er hat mir schon gesagt, dass er wieder in die Tagesklinik gehen wird. Ich denke Mal es wird ihm dann auch wieder besser gehen? Und ich hoffe für ihn, dass sich die Unruhe im Laufe des Tages legen wird“, erwidere ich.

Schweigend betreten wir die Halle und es dauert auch nicht lange ehe der Soundcheck endlich beginnen kann.

Es ist schon erstaunlich wie gut Uruha funktioniert, obwohl die Nächte alles andere als gut verlaufen. Ich bewundere ihn richtig für sein Durchhaltevermögen.

Ich hätte schon längst aufgegeben.

Hoffentlich schafft er den Rest der Tour noch.

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Vielen Dank fürs lesen :)

Und so langsam nähern wir uns dem Epilog :) Es ist irgendwie ein komisches Gefühl, da mich die FF wirklich durch viele Höhen und Tiefen begleitet hat und das über 10 1/2 Jahre. Noch bin ich mir nicht zu 100% sicher wann das Ende genau kommt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Janine3878
2019-02-05T15:02:49+00:00 05.02.2019 16:02
Wirklich eine tolle Story. Und nach den ganzen Höhen und Tiefen würde ich mir für Uruha und Aoi ein Happy End wünschen!!!!!!!!!!!!! Lg
Antwort von:  Erdnuss91
08.02.2019 21:31
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar ♥ Ein Happy Ende wäre wirklich wunderbar


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