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He called me the Wild Rose

dedicated to my beloved
von

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He called me the Wild Rose

Eigentlich ist es ja ein schöner Tag.

Vögel singen, Schmetterlinge flattern über die duftenden Rosen.

Der Fluss plätschert langsam vor sich hin, sein klares Wasser funkelt im Sonnenlicht.

Und ich liege mittendrin.

Das Wasser umspielt meine Wangen, tanzt um meine schlanken Hüften.

Meine Haare bewegen sich sanft im kühlen Element.

Wenn man es so betrachtet bin ich sehr gut aussehend. Das weiche Gesicht, die langen Wimpern an den geschlossenen Lidern

Meine Lippen waren immer sehr rot. Ich habe das gehasst. Es sieht so aus als trage ich Lippenstift. Dabei käme ich nie auf die Idee mich zu schminken. Hey, ich bin schwul, aber keine Tunte.

Kerle die sich schminken fand ich immer ätzend. Außer vielleicht diese Gothik-Typen, die können manchmal ganz niedlich sein.

Auf jeden Fall habe ich viel Häme einstecken müssen, besonders in der Schule. Meine Eltern sagten immer: „Sei froh, dass du etwas hast, was dich von den Anderen unterscheidet.“

Meine Eltern waren Idioten. Sie lebten in einer anderen Welt. In einer Welt in der sich ein Highschoolschüler wünscht, sich von den anderen zu unterscheiden. So etwas ist immer gut. Man erlangt Aufmerksamkeit. Besonders von den beliebten Schülern. Ich habe mehr als einen Schultag eingeklemmt in einem Spind verbracht.

Meine Eltern hat das nie interessiert.

Meine Eltern... ich habe kürzlich noch an sie gedacht. Keine schönen Gedanken, aber das können sie auch sicher nicht von mir erwarten.

Ich habe lange dafür gebraucht mich von ihnen zu lösen. Zwei Tage. Zwei Tage nach meinem Highschoolabschluss bin ich von zuhause ausgezogen, in die große Stadt. In meine Zukunft, ein schwules Leben.

Ein Leben voller Lust und Spaß, Sex mit tollen Typen, Beziehungen, Trennungen, Streit, das ganze Programm.

Hey, ich sehe nicht schlecht aus. Mal abgesehen von meinen Lippen. Allerdings habe ich mir das alles etwas leichter vorgestellt.

Ich hatte immer einen Hang dazu, in Schwierigkeiten zu geraten.

Und hier bin ich nun.

Er war der Mann meiner Träume. Sah umwerfend aus, hatte gute Manieren. Er war so liebevoll und zuvorkommend. In meinen Fantasien war er der Ritter in der glänzenden Rüstung.

Er nannte mich seine wilde Rose. Aber eigentlich ist mein Name Elijah Dane.

Ich lernte ihn vor drei Tagen kennen.

Wir hatten drei wundervolle Tage miteinander.

Die letzten drei Tage meines Lebens.
 

~~~
 

Erster Tag
 

Wenn ich gewusst hätte, dass ich in drei Tagen sterben würde... wäre ich dann heute hier gewesen? Wahrscheinlich nicht. Ich wäre wohl abgehauen. In eine andere Stadt, ein anderes Land, vielleicht nach Australien.

Ich wollte immer schon mal nach Australien.

Aber ich wusste es nicht, also war ich hier. Eine kleine Kneipe. Am Ende der Straße, unauffällig, gemütlich. Nur die erst auf den zweiten Blick erkennbare Regenbogenfahne neben dem Eingang zeigt wo man sich hier befindet.

Eine Lasterhöhle, Sodom und Gomorra. Erwähnte ich, dass ich mich immer gern darüber lustig mache, wenn andere ein Problem mit Schwulen haben? Ist es nicht ein Heidenspaß ein von der Kirche verdammter Sodomist zu sein? Heidenspaß. Der war gut.

Also da war ich. Allein wie immer. Sehe ich denn wirklich so langweilig aus? Wie gesagt, ich bin nicht hässlich, aber ich bin auch keines dieser Bodybuilderexemplare mit gepiercten Nippeln, die den ganzen Abend oben ohne und in knallengen Hosen in einer Disko abtanzen.

Ich hasse Diskotheken.

Mochte ich noch nie. Laut, eng und man kann nie wissen, was man da im Drink hat, wenn man das Teil nur zwei Sekunden aus den Augen lässt.

Hier ist das nicht so. Nette Leute, gute Musik, keiner oben ohne. Kerle von nebenan, die normalen Typen eben, Jungs die keine Zeit haben, 90% ihrer Freizeit in einem Fitness-Studio zu verbringen, weitere 5% beim Vögeln im Fitness-Studio und die letzten 5% in einer dieser In-Diskos.

Nur warum beachtet mich keiner? Ich bin auch ein Kerl von nebenan. Keine tollen Klamotten, schlaksig, ein hübsches Gesicht. Hallo?! Will mir nicht wenigstens mal einer einen Drink ausgeben? Oder ein Bier?!

Dabei ist Bier eklig. Aber in der Not...

Wollte keiner. Warum bloß? Hey, muss ich mir erst ein Schild umhängen auf dem „Noch Jungfrau – dringend Abhilfe nötig“ steht? Natürlich mal wieder kein Stift und kein Papier zur Hand wenn man es mal braucht.

Seit zwei Stunden saß ich hier vor meiner Cola. Vielleicht war das der Fehler... Cola = Milchbubi. Nein, Cola ist nicht kindisch, Cola ist was für ganz harte Kerle die auch mit Koffein intus noch schlafen können. Das wollte ich bald tun. Schlafen gehen. Allein. Wie üblich.

Ich wiederhole mich, aber so etwas kann wirklich frustrieren. Besonders wenn man so große Erwartungen hatte.

Und ich war schon soweit, wieder einmal einen Abend für beendet zu erklären als er auftauchte... er.

Kein Typ von nebenan.

Er stach sofort heraus. Kurze schwarze Haare, kantiges Gesicht. Wusste der Mann wie göttlich dieser enge Rollkragen auf seinem trainierten Körper aussieht? Nicht falsch verstehen. Ich habe ja eben noch über diese Bodybuilder-Dussel hergezogen. Er war anders. Marke Schwimmer. Sehr lecker eben.

Eine Aura, die mit ihrer Präsenz sofort den Raum ausfüllte, obwohl das keiner außer mir zu merken schien. Ich habe ihn wohl angestarrt.

Muss so gewesen sein, denn er sah mich plötzlich an. Und er lächelte.

Nur noch einmal für alle, damit das auch wirklich klar wird: Er, Adonis persönlich, lächelte mir, den Langweiler von nebenan, zu!

Was soll man(n) da machen?

Zurücklächeln.

Natürlich, die einzige Möglichkeit. Und scheinbar hat das Eindruck gemacht.

Was soll ich sagen? Ich verbrachte diesen Abend nun doch nicht mehr allein. Er, sein Name war James, setzte sich zu mir an die Bar.

Ich war nie gut darin auf Leute zuzugehen. Ein wenig schüchtern, obwohl ich meine große Klappe unter Freunden nur schwer halten kann. Aber viele Freunde habe ich sowieso nicht.

Doch bei James war das anders.

Ich taute richtig auf. Er war nett zu mir, spendierte mir was zu trinken. Und die ganze Zeit sah er mich an als sei ich etwas ganz Besonderes.

Irgendwann war ich leicht angetrunken und er meinte zu mir, ich solle lieber aufhören. Nicht etwa die Masche á la „Trink schön weiter, dann denkst auch nicht daran, dass es ohne Kondom gefährlich ist.“! Nein. Er machte sich offenbar wirklich Sorgen, ich könne zuviel trinken.

Ist das nicht wundervoll?

Ich habe ihn wohl die ganze Zeit angehimmelt. Wer sagt eigentlich, dass Männer keine schmalzigen Komplimente mögen? Wisst ihr, wie man sich fühlt, wenn man gesagt bekommt, man sei der schönste Mann, den euer Gegenüber je gesehen hat?

Na gut, man glaubt es vielleicht nicht, aber man freut sich doch.

Irgendwann fing er an, mich „Wilde Rose“ zu nennen. Etwas verquer, aber was will man machen? Das war immerhin der erste Mann, der sich wirklich für mich interessierte. Ich denke es lag an meinen Lippen, aber ich habe ihn nie gefragt. Vielleicht hätte ich es tun sollen. Aber ich tat es nicht.

Er brachte mich schließlich nach Hause und wünschte mir eine gute Nacht. Als meine Tür ins Schloss fiel wusste ich, dass ich es verbockt hatte. Ich hatte ihn vom Haken gelassen.

Dachte ich.

Denn dann klopfte es an der Tür.

Als ich öffnete, stand er dort. Lächelnd. Ich habe eigentlich gar nicht mehr nachgedacht. Ich öffnete einfach nur weiter und ließ ihn in meine schäbige kleine Einzimmerwohnung.

Ich habe gezittert wie noch nie in meinem ganzen Leben.

Nimmt mir das jemand übel? Er war schließlich mein erster Mann.

Er lächelte nur und nahm mich in den Arm, vollkommen selbstbewusst, als wäre es das normalste auf der Welt. Und ich zitterte immer noch.

Auch als er mich aufs Bett legte und anfing meinen Hals zu küssen. Ich hörte selbst nicht auf als ich schließlich nackt unter ihm lag.

Da habe ich mich dann richtig blamiert. Ich fing an zu weinen.

Hallo?! Wenn jetzt jemand lacht... DAS TUT VERDAMMT WEH!

Aber er lachte nicht sondern strich mir nur die Tränen von der Wange. Ganz liebevoll und vorsichtig.

Nach dieser Nacht war ich keine Jungfrau mehr.
 

~~~
 

Tag 2
 

Ruft er an? Oder tut er es nicht?

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so werden würde. Das Telefon hypnotisieren. Ihm mental befehlen, doch endlich anzurufen.

Ist es nicht erbärmlich? Ich lese gerne diese Frauenromane mit einer witzigen Note. Die tun das auch immer. Darauf warten, dass der Traummann endlich anruft.

James.

James.

Ist nicht allein der Name schon wie Musik? Süßer als jedes Läute von himmlischen Engelsglöckchen... okay, jetzt habe ich vielleicht etwas dick aufgetragen.

Vor allem weil das alles überschattet wird von meinen typischen Ängsten. Ich bin nichts besonderes, er schon. Wird er überhaupt wieder anrufen? Oder wollte er nur dem grauen Mauerblümchen eine schöne Nacht schenken, damit es sich nicht vielleicht vom nächsten Fenstersims stürzt oder vor den fünf Uhr Bus wirft?

Man weiß es nicht.

Es kann doch alles sein. Mitleidsnummer. Aufmerksamkeit schenken aus purem Mitleid.

Vielleicht sollte ich doch ins Fitnessstudio gehen...

Ich tue es ja sowieso wieder nicht. Ist mir zu teuer, zu voll, zu... ich mag es einfach nicht. Außerdem ist mein innerer Schweinehund schon quasi ein Werwolf und hat mich bestens unter seiner Kontrolle.

Ruf an, James! Ruf endlich an! Los doch!

Aber er tat es nicht. Den ganzen Morgen nicht. Und auch nicht mittags. Und auch nicht um ein Uhr mittags. Nicht um zwei. Nicht um drei.

Er hatte früh weggemusst. Arbeit.

Vielleicht arbeitete er ja noch. Konnte doch sein. Da kann man nicht einfach mal seinen Freund anrufen. Freund. Höre sich das einer an. Eine Nacht und ich sehe mich schon als seinen Freund. Jetzt wird es wirklich erbärmlich.

Wahrscheinlich hat er mich schon vergessen.

Ganz sicher hat er das.

Ruf an, James! Ruf endlich an! Los doch!

Und immer noch klingelt das Telefon nicht. Habe ich eigentlich die Rechnung bezahlt? Vielleicht ist mein Apparat ja abgestellt und er kann mich gar nicht erreichen. Ich habe nicht viel Geld, sicher habe ich es vergessen und die Telefongesellschaft hat mich von der Außenwelt abgeschnitten.

Nein, gestern hat ja eine Freundin angerufen. Eine Stunde haben wir telefoniert, ich hatte schon nach fünf Minuten keine Lust mehr. Sie hatte ja nur ein Thema: Ihr neuer Freund. Ein Hengst, wenn man ihr glauben darf. Habe ich aber nicht. Wahrscheinlich war ich nur eifersüchtig. Aber jetzt muss ich das nicht mehr sein. Ich habe James. Oder auch nicht.

Jetzt ruf doch endlich an!

Ruf an, James! Ruf endlich an! Los doch!

Vielleicht hatte er einen Unfall. Kann doch sein. Er ist auf dem Weg zur Arbeit von der Straße abgekommen und verunglückt. Oder ihn hat jemand gerammt. Oder er ist beim Überqueren der Straße überfahren worden! Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Vielleicht hatte er auch einen Herzinfarkt. Ist einfach auf offener Straße umgekippt und war tot. Oder im Büro, vom Stress. Dahingerafft im besten Mannesalter. Oh, Gott. Ach so, ich war ja nicht wirklich gläubig.

Ruf an, James! Ruf endlich an! Los doch!

Vielleicht hat er auch...

...

Vielleicht habe ich ihm auch einfach nur nicht meine Nummer gegeben...

Oh, ich Esel!

Er hat meine Nummer gar nicht!

Wie konnte ich das nur vermasseln?! Jetzt ist alles vorbei. Er wird nicht anrufen, weil er denkt, ich will nichts von ihm und habe ihm deswegen die Nummer nicht gegeben. War das jetzt logisch?

Soviel zum Thema Freund. Ich bin wieder solo, nach nur einer Nacht. Ist das ein neuer Rekord? Hat das schon einmal jemand vor mir geschafft? Ich könnte mich selbst in den Arsch treten! Ich Idiot!

Ich werde ihn niemals wiedersehen.

Alles vorbei.

Als es an der Tür klingelte, wollte ich zunächst nicht aufmachen. Die Post wahrscheinlich. Oder eine Freundin. Vielleicht auch die nervige Nachbarin von nebenan, die immer noch feststellen will, ob wirklich ein verdammter Sodomist in ihrem ehrbaren Haus wohnt. Alte Schabracke.

Es klingelt schon wieder.

Geht doch alle weg, will ich schreien. Tue es aber nicht. Dazu bin ich zu höflich.

Die wenigen Meter bis zur Tür sind wie eine Qual. Oh, James... warum habe ich es nur verbockt. Es hätte so schön werden können. So wundervoll und unvergesslich wie diese eine Nacht mit dir.

Ich bin verliebt.

Scheiße, wie konnte das passieren? Liebe auf den ersten Blick gibt es doch gar nicht. Oder?

Wäre besser gewesen, wenn es sie nicht gäbe. Dann würde ich jetzt nicht so leiden. Ich könnte heulen. Vielleicht tue ich es auch. Sieht mich doch sowieso keiner. Bin ja allein. Dann kann ich auch heulen. Traurige Musik auflegen und einfach losflennen bis man nicht mehr aus den Augen gucken kann. Ja, das werde ich tun. Sobald ich die Nervensäge an der Tür los geworden bin.

Ich riss die Tür auf und wer stand da? Er! James! Beinahe hätte ich wirklich geheult!

Dieser Adonis, dieser Traummann. Genauso umwerfend wie in der letzten Nacht, mit einer einzelnen blutroten Rose in der Hand. Die schönste und perfekteste Rose, die ich je in meinem Leben gesehen hatte.

So wunderschön wie er.

Allerdings laut seiner Ansicht eher so wunderschön wie ich.

An die nächsten Momente kann ich mich eigentlich gar nicht genau erinnern. Die Erinnerung kehrt erst zurück als wir schon auf dem Bett liegen. Ich oben ohne, er küsst wieder meinen Hals auf diese unnachahmliche Weise. Gänsehaut. Leises Stöhnen.

Es ist perfekt.

Er fragt mich, warum ich so zittere. Und warum ich so seltsam geguckt habe, als er an der Tür stand, als sei mir ein Geist begegnet.

Und ich fing an zu reden. Wie ein Wasserfall. Von Verlustängsten, Minderwertigkeitskomplexen, mangelndem Selbstbewusstsein. Von schlechten Erlebnissen in der Schule, mit den Eltern, einem Elternhaus aus dem ich entfliehen wollte. Und der Meinung, dass ich einfach nichts Besonderes bin. Eher im Gegenteil. Dass man mich überhaupt nicht lieben kann.

Er hört einfach zu und lächelt nur. Küsst mich hin und wieder und flüstert, wie unrecht ich hätte. Dass ich wundervoll sei, ein Traummann und unglaublich schön. Dass er nicht zulassen würde, dass irgendjemand so über mich spräche... nicht einmal ich selbst. Weil ich etwas ganz Besonderes wäre. Eine wilde Rose.

Wieder diese Bezeichnung. Es ist schrecklich hochtrabend, fast schon schmalzig, und doch so wunderschön, dass mir schon wieder beinahe die Tränen kommen.

Ich bin eine solche Heulsuse.

Immer am Flennen. Früher weil ich dachte, dass ich dann vielleicht eher Beachtung bekomme, heute weil ich wirklich so emotional bin und nah am Wasser gebaut habe. Aber ich bin schwul, ich darf das.

Er lächelt bei all dem nur. Soviel Verständnis, soviel Liebe in den Augen. Liebt er mich? Ich traue mich nicht, diese Frage zu stellen. Das geht zu schnell und zu weit. Besser nicht. Wir haben sicher noch viel Zeit vor uns.

Nachdem die Schwere eingesetzt hat, die den Körper nach großartigem Sex erfasst, schaut er beinahe verträumt zu der kleinen Blumenvase auf dem Nachttisch, in der die Rose in der Sonne nahezu zu leuchten scheint.

Ob ich ihm vertrauen würde.

Ja! Ja, das tue ich! Ich liebe dich doch! Natürlich sage ich den letzten Satz nicht. Ein Loser wie ich darf nichts riskieren. Immer langsam. Er wird noch eine Menge an meinem Selbstbewusstsein arbeiten müssen.

Wenn er mir zeigen würde, wo die wilden Rosen blühen, würde ich dann mitkommen?

Ja! Ja! Ja!
 

~~~
 

Dritter und letzter Tag
 

Am letzten Tag fuhren wir lange in seinem Auto. Ein modernes Cabrio, nachtschwarz und schnittig. Passt zu ihm. Raus aus der Stadt, weg von vollen Straßen, hohen Häusern und einsamen Bäumen in Betonwüsten.

Raus aufs Land. Felder, endlose Alleen. Ob ich das Verdeck geöffnet haben möchte?

Natürlich!

Der Fahrtwind zerzaust meine Haare, aber ich finde es einfach nur lustig. Bei ihm kann ich sein, wie ich bin. Ich muss mich nicht verstellen. Einfach ich selbst.

Über anderthalb Stunden dauert die Fahrt und es gibt noch nicht einmal einen wirklichen Parkplatz. Nur einen ausgetretenen Waldweg auf dem er anhält. Um uns herum singen die Vögel in den Bäumen und die Sonne bricht durch die Äste.

Eine Idylle. Hier will ich nie wieder weg. Für immer mit ihm hier bleiben.

Ob ich müde sei, wir könnten eine Pause machen?

Nein, ich will weiter. Ich will die Rosen sehen.

Er nickt nur und lächelt. Dieses Lächeln, das mir bis ins Innerste geht. Warm und liebevoll, unendlich zärtlich. Ich liebe ihn so sehr.

Eine halbe Stunde dauerte der Weg durch den Wald und dann endlich. Da waren sie. Ein Meer aus Rosen an einem Ort, den wahrscheinlich kaum ein Mensch kennt. Außer ihm.

Am Rand eines kleinen Flusses wachsen sie. Frei, blutrot und wild. Keine Zuchtrosen, sondern so wie die Natur sie schuf.

James lächelt.

Und ich freue mich wie ein kleines Kind. Es ist so herrlich hier. Ich möchte nie wieder weg.

Wenn ich das nicht wolle, müsste ich es auch nicht, sagt er auf eine merkwürdige Weise.

Er sagt immer das Richtige zur rechten Zeit. Eine göttliche Gabe. Vielleicht ist er ein Engel.

James pflückt mir eine der Rosen und ich rieche daran wie ein verliebtes Schulmädchen. Wahrscheinlich grinse ich auch genauso.

Wir lieben uns im Gras am Rand des Flusses. Das Wasser plätschert leise, irgendwo quakt ein Frosch. Wir sind wie Adam und Eva. Allein im Paradies. Keine anderen Menschen, die uns stören, keine Welt, nur wir beide. Wäre es nur immer so...

Diesmal dauert es sehr lange, James lässt sich Zeit. Ich könnte ihm ewig zusehen. Unter seiner Haut bewegen sich die fein definierten Muskeln, sein Gesicht trägt einen Ausdruck von Anspannung und Genuss gleichzeitig, Schweißperlen glitzern auf seiner Stirn im Sonnenlicht und perlen herab.

Ich liebe ihn so sehr.

So etwas habe ich noch nie in meinem Leben gespürt.

Als es zu Ende ist liegen wir einfach nur da. Schauen in den Himmel an dem weiße Wolken entlang ziehen.

Ob wir öfter hierher kommen könnten, frage ich ihn.

Wir müssten nie wieder weg.

Die Antwort verwirrt mich, aber ich sage nichts. Der Moment ist zu schön. Er sollte am besten nie vorbei gehen. Wie hieß es schon in Goethes Faust? Die wahren Worte für den einzig wahren Moment:

Verweile doch, du bist so schön!

Er rührt sich neben mir, aber ich halte die Augen geschlossen. Wahrscheinlich wird er mich gleich küssen. Oder mir süße Worte ins Ohr flüstern.

Und wirklich, er sagte etwas.

Die letzten Worte, die ich je in meinem Leben hören sollte.

„Alles Schöne muss sterben.“

Ich öffne die Augen und da kniet er über mir, einen großen Stein in seinen Händen.

Dann wurde es dunkel.
 

~~~
 

Mein Körper wurde erst Tage später gefunden. James nie. Wer mein Leben beendet hat, ist bis heute ungeklärt. Vielleicht ist es auch gut so.

Meine Eltern haben schrecklich geweint. In der Kirche, am Grab.

Warum weinten sie?

Sie hatten mich doch schon lange vorher verloren. Vielleicht hatte auch ich selbst mich schon verloren, lange bevor ich James traf.

Meine Freunde weinten auch. Selbst der Himmel weinte, denn es regnete in Strömen.

Ich bin nicht dort geblieben.

Friedhöfe haben mich immer deprimiert. Die Toten sollen dort ruhen, aber für einen Lebenden ist es nur ein Ort der Trauer und des Verlustes.

Ich blieb dort wo die wilden Rosen blühen.

Er nannte mich seine wilde Rose, doch mein Name war Elijah Dane.

ENDE



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von:  EliseNightroad
2013-11-28T14:33:26+00:00 28.11.2013 15:33
Großartig. Wunderschön.
Wie du das Lied in seiner ganzen melancholischen Schönheit in eine traumhafte Story umgesetzt hast. Wie du mit den Bildern des Liedes spielst.
Wundervoll gemacht!!
Von:  Mystik1009
2012-04-08T03:37:13+00:00 08.04.2012 05:37
Hey.
Also um die Uhrzeit finde ich Deine Geschichte echt deprimierent.
Und das Du sie Deinem Freund gewidmet hast makaber. Deine Geschichte ist klasse geschrieben auch wenn ich nicht so ganz verstanden habe warum er sterben mußte. Das ist so verdammt traurig und sinnlos. Ich glaube ich lenke mich jetzt erst mal mit Deiner Weihnachtsgeschichte ab die ist hoffendlich nicht auch so.
Ich wünsche Dir fröhliche Ostern.
V.G. Mystik1009
Von:  Marubis
2010-04-07T17:30:02+00:00 07.04.2010 19:30
heul...
ich hasse traurige Geschichten
Aber wenn ich einmal angefangen habe kann ich nicht aufhören!
Es ist einfach zu wundervoll geschrieben.
*schmacht*
aber vielleicht kannst du mir auch sagen warum er ihn umgebracht
einfach so?
oder hattest du da einen bestimmten Gedanken im Kopf, dass du es so Enden gelassen hast und keine auf-ewig-zusammen-Happy-End
Grüße Kiri
Von:  me-luna
2010-02-22T16:40:05+00:00 22.02.2010 17:40
ah, jetzt ist mir doch noch etwas eingefallen, das ich vergessen habe:
dass du die person so charmant und witzig beschreibst, lässt die geschichte nochmal um einiges stärker an die nieren gehen, weil man sich den jungen eben so richtig gut vorstellen kann.
und (also ich zumindest ^^) auch eine menge von einem selbst oder einem "ganz normalen teenager" in ihm wiederentdeckt.
und dass die seele oder das körperlose selbst nun auf ewig dort gefangen ist, wo die wilden rosen blühen- also eigentlich auf ewig allein aber mit dem gedanken an seine große liebe und die letzten drei tage seines lebens -ahhh muss mir jetzt noch mal eine tasse tee einschenken ^^.
fazit: du hast in dieser geschichte alles richtig gemacht, was man richtig machen kann- habe selten etwas derart schönes gelesen.
es ist, wie die eine kommentatorin vor mir schreibt.
deine story ist wie ying und yang.
Von:  me-luna
2010-02-22T15:33:20+00:00 22.02.2010 16:33
p.s. aber irgendwie ist es markarbar, diese geschichte deinem freund zu widmen.
warst du da gerade irgendwie sauer auf ihn?
"hey schatzi, ich schreibe gerade eine geschichte über einen psychopahtischen mörder...und irgendwie werde ich sie dir widmen, musste gerade an dich denken..." *hust* ^.^
Von:  me-luna
2010-02-22T15:30:14+00:00 22.02.2010 16:30
ich hab zuerst die überschrift in einer liste gelesen, habe sie angeklickt und dachte, "er wird doch nicht...?".
du hast.
und zwar unheimlich gut.
so atmosphärisch dicht, dass man danach einen ganz dicken knoten im magen hat.
der arme junge gerade mal von zu hause ausgezogen, erste liebe und dann DAS!
bitter.
zumal es, glaube, ich auch ziemlich dauert, bis man auf diese weise wirklich tot ist- eine sehr üble art zu sterben.
etwas, was dieses ganze szenario aber noch verstörender macht.
der bestialische akt des mordens (jemandem mit einem stein den schädel einschlagen- unvorstellbar brutal (seit csi und co können wir uns das auch alle halbwegs bildlich vorstellen ^^)und im anschluss diese ästhetische glorifizierung des todes und der verwesung.
jedenfalls sehr sehr gut umgesetzt, trotz des heiklen und schwierigen themas.
und das du am ende schreibst, er hatte sich vielleicht bereits vor seinem tod selbst verloren, setzt dieser düsteren stimmung noch die krone auf.
*autsch*
gehe jetzt erst mal einen tee trinken. ^^
Von: abgemeldet
2007-12-03T16:20:27+00:00 03.12.2007 17:20
wow.
mehr fällt mir jetzt erstmal nicht ein.
als ich anfing zu lesen, fragte ich mich, worauf das wohl hinausläuft, wo die story hinwill etc.
nachdem dieser james so komische andeutungen gemacht hat, haben sich die ersten befürchtungen manifestiert und im endeffekt war mir dann schon klar, was passieren würde.
aber toll geschrieben und umgesetzt - wie immer XD

Von: abgemeldet
2007-09-11T13:42:42+00:00 11.09.2007 15:42
die geschichte ist hammer... echt geil geschrieben auch mit dem was die sagen.... aber warum muss er sterben? einfach so weil der ames ein bekloppter war? naja kanns mir ja ne ENS schreiben aber sonst ist due geschichte echt der burner.
Von: abgemeldet
2007-09-09T08:43:51+00:00 09.09.2007 10:43
Ich hab das zufällig gelesen und hab mir dabei eigentlich die ganze Zeit nur gedacht: Wie kannman nur so toll schreiben?
Ich bin echt begeistert.
Wirklich. Ich will nochwas lesen (das war mein zweiter gedanke...)
Von: BlaiseZabini
2007-09-09T03:24:08+00:00 09.09.2007 05:24
boh!
was soll ich den jetzt schreiben!
ich bin gerade noch total neben der spur!
das war cool, aber auch heftig!
lustig, aber auch sehr traurig!
es war süß, und doch grausam!
es war ein yin und ein yang!
einfach toll!
mach weiter so!
lg Blaise!

P.S.ich hoffe du verstehst was ich sagen will??


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