Hēi'àn - Finsternis
Übersetzung: Māomī - Kätzchen
Disclaimer: Ich verdiene weder Geld mit dieser Geschichte, noch gehört (außer der Idee) irgendetwas davon mir.
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Shànghǎi.
So hieß diese in Finsternis versunkene Stadt einmal vor langer Zeit - doch die meisten Menschen kannten diesen Namen nicht einmal mehr. Für sie war dies nur ein Ort, an den sich Wesen zurückzogen, die entweder nicht gefunden werden wollten oder die unfreiwillige Gäste dieser verwüsteten Stadt waren.
Zu letzteren gehörte Rei.
Die bernsteinfarbenen Augen des Neko-jin blickten ausdruckslos auf die Wand vor ihm. Er versuchte nicht zu denken, die Kälte zu ignorieren, die schon seit langer Zeit Besitz von seinem Körper ergriffen hatte. Er wusste nicht, wie lange er hier schon saß, ob es Tag war oder Nacht, ob die weit entfernt zu vernehmenden Schreie Einbildung waren oder Realität, wann er aufgegeben hatte... Er wusste es einfach nicht. Er meinte sich zu erinnern, dass da einmal noch etwas anderes gewesen war. In seltenen Augenblicken hörte er Stimmen, die fröhlich in seinen Ohren klangen. Er fühlte tief in seinem Herzen so etwas wie Wärme, die Nähe anderer, Anderer wie er... Aber außer ihm gab es nur Menschen hier. Er hatte nicht viele von ihnen zu Gesicht bekommen und kannte weder ihre Beweggründe, noch ihre Namen, doch er wusste, dass sie ihn von diesem früheren Leben getrennt hatten. Wut empfand er trotz dieses Wissens schon lange nicht mehr - nur noch Leere und Gleichgültigkeit beherrschten die Gedanken des Neko-jins...
Außer Kälte, Hunger und Trostlosigkeit gaben sie Rei nur eines: Regeln.
Sie hatten sie nicht ausgesprochen, sie ihm nicht erklärt, aber er wurde bestraft, wenn er eine von ihnen brach.
Er musste sie oft gebrochen haben, so wie sie ihn behandelten.
Er durfte nicht reden, obwohl er sich sicher war, dass er es einmal gekonnt hatte und er durfte sich nicht vom Fleck bewegen, wenn er nicht dazu aufgefordert wurde... Überhaupt durfte er nicht viel aus freiem Willen tun. Rei verstand noch immer nicht, woher die Menschen sich das Recht nahmen über ihn zu bestimmen, doch er stellte es nicht mehr allzu oft in Frage, weil er schlicht und ergreifend keine andere Wahl hatte, als sein Schicksal so hinzunehmen, wie es war.
Draußen donnerte es in regelmäßigen Abständen. Der Regen peitschte gegen das undichte Mauerwerk und Rei schloss resignierend die Augen. Lieber würde er jetzt draußen um sein Überleben kämpfen, als diese Ungewissheit ertragen zu müssen. Was hatte man mit ihm vor?
Die Stadt am Abgrund, so nannte man das ehemalige Shànghǎi im Jahre 3076 -
Hier war sie, die Geburtsstätte der Finsternis.