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Cause it's Life

- A Fateful Place Called School - ((KaixRay))
von

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Supported

Mein Dank geht an
 

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7. Kapitel: Supported
 

Kai wusste nicht, wie viel Zeit vergangen, war, als er die Augen das nächste Mal aufschlug. Dunkel erinnerte er sich daran, vom Fieber immer wieder in den Zustand des Schlafes gezwugen worden zu sein, wann immer sein Bewusstsein sich an diesem Tag an die Oberfläche gekämpft hatte. Zwischendurch hatte er das Gefühl gehabt, eine schemenhafte Gestalt neben sich zu sehen, doch war er nicht in der Lage gewesen, sie genauer wahr zu nehmen.

Das Fieber schien seinen Körper weitgehend verlassen zu haben, denn er war wieder in der Lage, zusammenhängende Gedanken zu formulieren, außerdem fühlte er sich neben der anhalten Müdigkeit und der Trägheit seines Körpers wieder halbwegs lebendig. Mühsam richtete er sich auf und fasste sich leise stöhnend an die Stirn, hinter welcher es schmerzhaft pochte.

>Ray hatte offenbar Recht behalten. Es war in gewisser Hinsicht wirklich besser, im Bett liegen zu bleiben.< Sein Magen knurrte. Kai schnaubte. >Hunger habe ich trotz allem.< Er sah sich um. Ray war nicht mehr da. Nachdenklich verschränkte er die Arme. >Ray ist nicht hier und ich habe Hunger. Versprechen hin oder her, ich gehe jetzt. Ich sehe nicht ein, nur wegen einem dummen Versprechen zu warten, bis der Herr sich hierher bequemt.<

Er schwang sich aus dem Bett und stand auf. Sein Schal und seine Weste waren zusammengefaltet auf den Stuhl gelegt worden, auf dem Ray vor ein paar Stunden noch gesessen hatte, doch Kai besaß nicht die Geduld, sich die Sachen überzuziehen. Also griff er lediglich nach seinen Schuhen.
 

„Wo willst du denn hin, wenn ich fragen darf?“ Kai drehte sich um. Ray stand in der Tür zum Krankensaal und sah ihn aus strengen Augen an. Kai unterdrückte den Drang, die Augen zu verdrehen.

„Ich geh etwas essen“, bemerkte er abwesend.

„Du sollst im Bett bleiben.“

„Ich hab Hunger. Oder willst du, dass ich wegen Unternährung wieder zusammenbreche?” Er grinste gehssig.

„Das kannst du haben, wenn du es drauf anlegst“, fügte er zynisch hinzu.

„Sei nicht albern, Kai.“ Ray betrat den Raum. Erst jetzt fiel Kai die dunkle Tasche auf, die locker über der Schulter des Chinesen hing. Ray griff nach ihr und platzierte sie auf Kais Bett. Argwöhnisch beobachtete der Russe, wie Ray sie öffnete und in ihr wühlte.

„Was soll das werden?”, fragte Kai schließlich geringschätzig, beobachtete mit wenig Begeisterung Rays Handeln. „Willst du mir dein altes Pausenbrot geben? Nein danke, so nötig habe ich es auch wieder nicht.”

„Idiot”, knurrte Ray und warf Kai etwas entgegen, wecher überrumpelt die Arme ausstreckte und es auffing. Nach einigen Momenten realisierte er, dass es sich dabei um frische Kleidung handelte.

„Ich war so frei, deinen Schrank ein wenig zu durchstöbern”, meinte Ray erklärend und schulterte seine Tasche. „Ich schätze, es wäre nicht wirklich ratsam, dich noch länger in den feuchten Sachen rumlaufen zu lassen.”

„Sie sind nicht mehr feucht”, gab Kai bissig zurück, musste sich jedoch eingestehen, dass Ray durchaus Recht hatte.

„Sie sind jetzt nicht mehr feucht, waren gestern aber alles andere als trocken.”

„Ja, ist gut”, meinte Kai wegwerfend und wandte sich ab. Ray blieb wo er war. Kai warf ihm über die Schulter einen finsteren blick zu. „Was ist, willst du mir beim Umziehen zusehen oder was?”

„Wie?” Ray blinzelte. Ein schwacher Rotschimmer erschien auf seinen Wangen. „Nein, ich ... vergiss es, ich hol dir etwas zu Essen.” Er drehte sich um und schritt schnell auf die Tür der Krankenstation zu. Kai meinte noch so etwas, wie „Wollte ohnehin selbst was essen” von ihm zu vernehmen, dann fiel bereits die Tür hinter dem Chinesen zu. Hätte Kai es nicht besser gewusst, hätte er Rays überstürztes Gehen als Flucht bezeichnet.

Nachdem er sich seiner Schuhe und noch imer leicht feuchten – ja, Ray hatte wieder einmal Racht gehabt – Sachen entledigt und die trockenen übergezogen hatte, ließ er sich auf der Fensterbank nieder. Er wollte nicht noch mehr schlafen und betrachtete schließlich notgedrungen den Himmel. Die Zeit verging und Kai sah zu, wie die Sonne allmählich hinter dem Horizont verschwand und den roten Abendhimmel in ein tiefes Azurblau tauchte.

„Wieso sorgt er sich um mich und bemuttert mich so?“, fragte er schließlich in die Stille des Raumes hinein, nachdem er seine wirren Gedankengänge leid war.
 

oOo
 

Ray war auf dem Weg zum Speisesaal. Auch er hatte Hunger. Darauf bedacht, Kais letzte Aussage ihm gegenüber zu vergessen und die Röte endlich aus seinem Gesicht zu vertreiben, betrat er den Speisesaal.

Dieser war bereits ziemlich leer - die Hauptessenszeit war längst vorbei. Mit wenigen Schritten erreichte er die Theke, nahm sich einen Teller und häufte sich Essen darauf. Danach ging er zu einem Tisch und ließ sich auf einem Platz nieder. Während er aß, dachte er an seinen heutigen Schultag zurück. Die Stunden hatten sich wie Kaugummi in die Länge gezogen und ständig waren seine Gedanken zu Kai abgedriftet. Warum eigentlich? Die Antwort war erschreckend simpel – er hatte sich sorgen gemacht. Kais Fieber war im Verlauf des Tages wieder angestiegen und Mrs. Dickinson hatte alle Mühe gehabt, es unter Kontrolle zu behalten. Erst gegen Abend war es wieder gesunken.

Aber warum zu Teufel machte er sich solche Sorgen um Kai? Eigentlich konnte er ihn doch überhaupt nicht leiden. Und trotzdem ...

>Ach, es ist doch zum wahnsinnig werden. Ich mach mir später darüber Gedanken. Ich sollte Kai jetzt lieber was zu Essen bringen, sonst haut er mir nachher doch noch ab.< Ray schob seinen Teller beiseite, stand auf, griff sich ein Tablett und häufte etwas zu Essen für Kai darauf. Schließlich verließ er den Saal und machte sich auf den Weg zum Krakenzimmer.
 

Er öffnete vorsichtig die Tür zum Krankenzimmer, darauf bedacht, das Tablett bloß nicht fallen zu lassen. Die Tür schwang lautlos auf. Ray trat ein und sah sich um. Für einen Moment befürchtete er bereits, Kai hätte sein versprechen gebrochen und den Krankensaal einfach verlassen, doch dann entdeckte er ihn am Fenster und hörte die leisen Worte des Russen: „Warum sorgt er sich um mich und bemuttert mich so?“

Mit dem Fuß schob Ray die Tür hinter sich zu. „Einer muss sich doch um dich kümmern, Kai.“

Der Russe sah kurz über die Schulter, erblickte Ray und wandte sich dann wieder dem Fenster zu. „Da bist du der erste.“

Ray stellte das Tablett auf den Nachttisch. „Und was ist mit Tala?“, fragte er wie nebenbei.

„Tala?“ Kai schnaubte. „Ich behandle ihn doch viel schlecht, als dass er sich verpflichtet fühlt, sich um mich zu sorgen.“ Ray stutzte und starrte den Rücken des Russen an. Dieser schien den Blick zu spüren, denn er sprach ohne sich umzudrehen: „Sieh mich nicht so an, es ist so.“

Diese Aussage schien Kai wirklich ernst zu meinen. Ungläubig schüttelte Ray den Kopf. „Du verstehst es nicht, oder Kai?“

Der Russe hob den Kopf, drehte sich jedoch nicht um. Ray ließ sich auf dem Bett nieder. Er lehnte sich nach hinten, stützte sich mit den Ellbogen auf der Matratze ab und sah an die Decke. Es war wohl an der Zeit, Kai zumindest in einigen Dingen reinen Wein einzuschenken. „Weißt du Kai, als du gesternzusammengebrochen bist, hab ich mir wirklich Sorgen um dich gemacht. Aber nicht nur ich, auch Tala war besorgt um dich.“ Kai bewegte sich nicht. „Und weißt du warum Tala sich Sorgen um dich gemacht hat?“, fuhr Ray ruhig fort, nahm den Blick von der Decke. „Weil ihr Freunde seid, Kai. Tala ist dein Freund.“

Kai lachte verächtlich. „Das glaubst auch nur du, Kon.“ Da war er wieder - dieser abweisende, regelrecht verhöhnende Tonfall. „Mag sein, dass Tala und ich uns lange kennen und es mag auch sein, dass wir miteinander auskommen, aber das heißt nicht, dass wir Freunde sind.“

Ray stand auf und seufzte. „Ich seh schon, du willst es nicht verstehen.“

Kai sah ihn nicht an, sondern blickte weiterhin starr aus dem Fenster. „Was gibt es da schon viel zu verstehen, Kon?“, fragte er emotionslos.

Ray durchquerte den Raum und öffnete die Tür. Kurz hielt er inne, drehte sich noch einmal um und sah Kai an, der ihm noch immer den Rücken gekehrt hatte. „Weißt du eigentlich, dass du mich immer dann Kon nennst, wenn unsere Gespräche in eine Richtung gehen, die etwas mit deinen Gefühlen zu tun hat?“ Er sah wie Kai überrascht den Kopf hob. „Warum machen wir uns wohl sorgen um dich, Kai? Doch nicht, weil du uns egal bist. Denk mal drüber nach.“ Mir diesen Worten schloss er leise die Tür hinter sich.

Mittlerweile war das Azurblau des Himmels einem tiefen Dunkelblau gewichen. Immer noch starrte Kai hartnäckig in den Himmel. Sein Blick war glanzlos während ein bitteres Lächeln auf seinen Lippen lag. „Nein, du irrst dich Ray.“

>Es macht sich nie jemand Sorgen um mich. Es ist nie so gewesen.<
 

oOo
 

Ray sah wiederholt auf die Uhr. Gleich war es halb zwei. Er blickte an die Decke. Von seinem Zimmerpartner Tala war nur das regelmäßige Atmen zu hören. Ray seufzte. Er lag jetzt hier schon zwei Stunden, hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte unablässig an die Decke. Er konnte nicht einschlafen.

Ständig musste er an Kai denken. Warum kam ihm seit dem letzten Tag immer die Bezeichnung niedlich in den Sinn, wenn er an diesen unterkühlten Eisklotz dachte? Kai war verdammt noch mal ein Junge. Und er war außerdem ein dickköpfiger, nie - sturert Idiot. Mist!
 

oOo
 

Zur selben Zeit lag Kai ebenfalls wach im Bett und starrte, genau wie Ray, an die Decke. Auch er konnte nicht schlafen. Das, was Ray gesagt hatte, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.

‚Warum machen wir uns wohl Sorgen um dich, Kai? Doch nicht, weil du uns egal bis. Denk mal drüber nach.’

Kai drehte sich auf die Seite.

‚Doch nicht, weil du uns egal bist.’

Er kniff die Augen zusammen. Er hatte es doch verstanden.

‚Denk mal drüber nach.’

„Ich denk doch drüber nach!“ Kai saß aufrecht im Bett, hatte die Hände krampfhaft in den Haaren vergraben. Einen Augenblick lang war er froh, Mrs. Dickinson heute Abend klar gemacht zu haben, dass es ihm gut ginge, er keine Hilfe brauche und dass sie getrost schon gehen könne, denn sonst hätte er sie mit diesem Ausbruch sicherlich angelockt.

Er konnte mit den Rays Worten nichts anfangen. Ray hatte wir gesagt, also meinte er nicht nur Tala, sondern auch sich selbst. Warum? Warum machte Ray sich Sorgen um Ihn? Warum? Warum hatte er sich um ihn gekümmert? Ray hatte gemeint, einer müsse sich ja um ihn kümmern - wenn der nur wüsste!

In seinem ganze Leben hatte sich noch nie einer um ihn gekümmert. Nie wurde er als er klein war, gefragt, wie es ihm ginge. War auch kein Wunder. Als er in der Abtei gelebt hatte, hatte sein Lebenssinn daraus bestanden, zu gewinnen, versagte er, wurde er bestraft. Unwillkürlich schauderte Kai. Diese Strafen. Sie hatten ihre Male hinterlassen. Nicht körperlich, man war nie bis an sein Limit gegangen, aber ein Schlag mit Verachtung war für ein Kind unerträglich. Er zerstörte einen ganzen lebensabschnitt, dafür musste man sich keine ausgefallenen Bestrafungen einfallen lassen, eine Ohrfeige mit den falschen Ambitionen war zerstörerischer als Worte. Wirte hinterließen ihre Narben, doch man konnte sie vergessen – Kinder konnten vergessen, wenn siewollten, genauso wie sie sich erinnern konnten, wenn sie wollten. Schmerzen prägten sich ein, sie prägten sich wie ein Brandmal ein, wenn hinter ihnen nicht nur Züchtigung, sonern auch Verachtung lagen.

Niemand würde einen Menschen akzeptieren können, der wie er von Verachtung gezeichnet war. Ein Kind des Hasses.
 

*~*
 

Er stand in einem Dunklen Raum. Vor ihm stand Boris. Er holte aus. Der Schlag traf ihn im Gesicht. Er schrie auf. Ging zu Boden. Boris zog ihn hoch.

Nein!

Schrie ihn an.

Nein, nein! Hör auf, lass mich los!

Nichts wirkte. Er musste ihm zuhören, musste es ertragen. Schmerz durchzog seinen Körper. Es sollte aufhören. Er wollte Ruhe. Warum ließ man ihn nicht in Ruhe?! Was hatte er verbrochen? Er würde stark sein. Er würde nicht wieder verlieren. Er würde es schwören!

Keuchend kniete er auf dem Boden, den Blick gesenkt. Erwartete die Worte, die Verachtung, den Hass. Stattdessen legte sich eine Hand auf seine Stirn. Er zuckte zusammen, sah auf, bickte direkt in das besorgte Gesicht Rays, der sich vor ihn gehockt hatte. „Warum machen wir uns wohl Sorgen um dich um dich, Kai?“ Die Hand von seiner Stirn verschwand. Ließ nichts als Kälte zurück. Er wollte protestieren. Wollte die Wärme zurück. Doch Ray wandte sich ab. „Doch nicht, weil du uns egal bist.“

Der Schwarzhaarige entfernte sich.

Nein, nicht! Er streckte die Hand aus. Wollte ihn aufhalten. Bleib hier! Wollte schreien. Doch kein Laut verließ seine Lippen. Ray verschwand. Wurde von der Dunkelheit verschluckt.

„Denk mal drüber nach.“

Geh nicht! Warum konnte er nicht rufen? Warum ließ man ihn allein? Er wollte schreien. Schreien nach Gerechtigkeit, doch es ging nicht. Verdammt!

Er schlug mit den geballten Fäusten auf den Boden.

‚Denk mal drüber nach.’

Das Echo hallte um ihn herum.

‚Doch nicht, weil du uns egal bis.’

Ach ja?! Warum war dann niemand da?

‚Denk mal drüber nach.’

Das tat er doch! Der Boden unter ihm bekam Risse. Er schluckte. Starrte wie gebannt nach unten. Die Risse breiteten sich immer weiter aus. Es splitterte. Der Boden brach. Er fiel ins Leere. Er sah Boris.

„Du bist ein Schwächling!“

Nein!

„Ich hasse Schwächlinge!“

Hör auf! Er hielt sich die Ohren zu.

„Du bist ein Nichts!“

Sei ruhig! Lass mich endlich in Ruhe!
 

‚Denk mal drüber nach.
 

*~*
 

„Nein!“ Er riss die Augen auf und setzte sich ruckartig auf. Keuchend und nach Luft ringend versuchte er herauszufinden, wo er war. Nach einigen Sekunden konnte er wieder einigermaßen klar denken, und auch seine Erinnerung an alles kehrte zurück. Er sah an sich hinab. Er war verschwitzt und sein Shirt klebte ihm am Körper.

Was war das nur für ein Traum gewesen? Warum bekam er in letzter Zeit immer wieder diese furchtbaren Träume? Und warum hörte er dauernd Rays Worte? Erneut gingen ihm die Wörte Rays durch den Kopf.

‚Doch nicht, weil du uns egal bist.’

Die Erkenntnis überrollte ihn. Das hieß - wollte Ray etwa damit sagen, dass auch sie Freunde waren? Er und Ray? Aber wieso? Es war schon merkwürdig genug, dass Ray sich überhaupt Sorgen um ihn gemacht hatte.

Sie stritten sich doch nur. Und der dauernde stumme Machtkampf, den sie außerdem noch austrugen, war trotz allem immer noch am Fortlaufen. Und trotzdem ... fühlte Kai sich in letzter Zeit seltsamerweise zu Ray hingezogen...

Allein diese Augen. Wie bei einer Katze Und er ... liebte Katzen. Was keinesfalls bedeutete, dass er Ray liebte. Es war einfach nur seine Meinung über Katzen, mehr nicht. Das hatte nichts mit Ray zu tun. Vor wem rechtfertigte er sich eigentlich? Er war sich doch für seine Gefühle für Ray vollkommen im Klaren. Da war nichts. Wenn er das also wusste, wieso machte er dann so einen Aufstand?

Er schob die Gedanken an Ray rasch beiseite. Nun, wo er beschlossen hatte sich den Katzen zuzuwenden, überkam ihn mit einem Mal die Erinnerung an einen ganz bestimmten Tag. Er lächelte leicht bitter. Der Tag, an dem er zum ersten Mal eine Katze gesehen hatte. Das erste Wesen, dass ihn so akzeptiert hatte, wie er war.
 

*~*
 

Ein kleiner Junge lief keuchend durch die verlassenen Gassen der Stadt. Es war mitten in der Nacht und regnete in Strömen. Der Junge blieb stehen und lehnte sich schwer atmend an eine schmutzige Hauswand. Der Schock saß ihm noch immer in den Knochen. Er war weggelaufen, geflohen, hatte die Abtei hinter sich gelassen. Es war ein schweres Stück Arbeit gewesen, etliche Kratzer und Schrammen zierten seine Arme und seine Hose hatte einige Risse. Doch er hatte es geschafft und war endlich frei!

Langsam ließ er sich an der Wand hinab gleiten. Er legte den Kopf in den Nacken und ließ sich den Regen auf sein erhitztes Gesicht prasseln. Einige Minuten saß er einfach nur da, ließ den Regen seine Sorgen wegspülen.

Unvermittelt hörte er ein Geräusch. Es war ihm unbekannt, klang jedoch ähnlich einem leisen Wimmern. Verwundert öffnete er die Augen und blickte in die Richtung, aus der das Geräusch kam.

Schwerfällig rappelte er sich auf und schleppte sich vorwärts, auf den Urheber des Geräusches zu. Als er um die Ecke spähte erblickte er ein kleines schwarzes Tier, das verzweifelt versuchte unter einer nassen Zeitung Schutz vor dem Regen zu finden. Eine Katze.

Es war das erste Mal, dass Kai eine lebendige Katze sah. Er kannte sie nur aus Büchern, war aber sofort von ihnen fasziniert gewesen. Vorsichtig näherte er sich dem Tier, dessen Ohren zuckten, als es die Schritte hörte. Als es Kai erblickte, gab es ein verschrecktes Maunzen von sich und wich zurück.

„He“, sagte der Junge, für seine Verhältnisse ungewöhnlich sanft. Langsam ließ er sich auf die Knie sinken und streckte die Hand nach dem Tier aus. „Na los - komm her.“

Sein Tonfall schien Wirkung zu erzielen. Das Tier kam vorsichtig näher, Pfötchen um Pfötchen. Kurz schnupperte es an Kais Fingern, dann schmiegte es sich schnurrend an seine Hand. Kai kraulte es hinter den Ohren. Plötzlich machte das Kätzchen einen Satz und sprang Kai direkt in die Arme. Im ersten Moment verblüfft, lächelte der Russe dann aber auf das schnurrende Bündel in seinen Armen hinab. Es war das erste Mal, seit er denken konnte, dass ein ehrliches Lächeln seine Lippen zierte. Zärtlich strich er dem Kätzchen über den Rücken, hielt jedoch inne, da das Fell vollkommen durchnässt war. Kai ließ sich in einer Ecke der Gasse nieder, zog sich seine Weste aus und wickelte sie um das zitternde Tier in seinen Armen. „So ist es besser, was?“

Die klamme Kälte, die an ihm hoch kroch ignorierend, kraulte er das Kätzchen weiterhin, welches die Augen geschlossen hatte und zufrieden schnurrte. Ein Blitz zuckte über den Himmel und im nächsten Moment folgte ein lautes Donnern. Das Tier riss erschrocken die Augen auf und Miaute erschrocken. Aus Angst hatte es die krallen ausgefahren und in Kais Arm vergraben. Der Junge zuckte kurz zusammen, konzentrierte sich jedoch sofort darauf, das Tier zu beruhigen. „Ganz ruhig. Ist schon gut.“

Die Worte erfüllten ihre Pflicht, vielleicht war es auch der sanfte Tonfall, jedenfalls rollte sich das Kätzchen wieder zusammen und drückte sich noch etwas mehr an Kai. Dieser war froh, endlich einmal nicht alleine zu sein.

Glücklich schloss auch er die Augen, lauschte dem leisen Schnurren. Das erste Mal in seinem Leben hatte er das Gefühl, einen echten Freund zu haben.
 

*~*
 

Ein bitteres Lächeln schlich sich auf Kais Lippen. Ja, dies waren die einzigen Stunden seines Lebens gewesen, in denen er das gefühlt hatte. Als er am Tag darauf aufgewacht war, war er vollkommen allein gewesen. Das Tier war verschwunden, hatte nichts als Kälte hinterlassen. Kälte und Selbstzweifel. Er hatte sich gezwungen, das Ganze zu vergessen, hatte sich klargemacht, dass es wichtigere Dinge zu erledigen gab. Dem war tatsächlich so gewesen.

Er war monatelang durch das Land gezogen, hatte nach außen hin seine Beybladetechnik perfektioniert, doch in Wahrheit war er auf der Suche nach seinen Verwandten gewesen. Schließlich, nach zwei Jahren, war er auf seinen Großvater getroffen. Es hatte ihn endlose Zeit der Recherche gekostet, seine Reise hatte in Russland begonnen, ihn nach Japan geführt und letztendlich wieder in Russland geendet. Er würde nie den Moment vergessen, als er seinem einzigen noch lebenden Blutsverwandten zum ersten Mal begegnet war. Voltaire hatte ihn lange angestarrt, voller Unglaube und Fassungslosigkeit, dann hatte er Kai an sich gezogen. Kai erfuhr, dass seine Eltern in jungen Jahren gestorben waren, dass man ihn in den entlegensten Winkel Russlands geschickt hatte, in dem Glauben, ihm dort eine gute Erziehung sicher zu können. Dies war das letzte Mal gewesen, dass man etwas von ihm gehört hatte. Voltaire war kein Mann vieler Gefühle und Kai konnte sich an keinen Moment in den folgenden Jahren erinnern, in dem sein Großvater auch nur annähernd ähnlich reagiert hatte, doch er hatte ihn aufgenommen und so oft Kai auch vor anderen über ihn herzog, sich beklagte und abfällig über ihn sprach, so war er doch seine Familie.

Von der Abtei und ihren Machenschaften hatte er nie wieder etwas gehört, Nachforschungen stießen auf Lücken in Regierungsakten, doch Kai hatte lange bevor er an diesen Punkt gekommen war, bereits das Interesse verloren. Er wollte bloß vergessen ...
 

Kai gähnte und zog die Decke fester um sich. Er schloss die Augen, wollte vergessen, wenigstens für ein paar Stunden. Seine Gedanken drifteten davon. Als er schließlich einschlief, verfolgten ihn zum ersten mal seit langem keine Albträume.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Vergangenheit
2008-02-12T17:38:28+00:00 12.02.2008 18:38
Tut mir leid, dass der Komm so lange auf sich warten ließ. Ich habe dich nicht vergessen, es gab nur ein paar technische Probleme zu Hause. ^^;

Wir kommen der Sache schon näher. Beide denken nach. Allerdings scheint Rei schon ein Stück weiter zu sein, aber sein Weg war ja auch nicht so lang. Kai musste ja erstmal mit sich und seiner Person ins Reine kommen und der erste Schritt ist getan.

Ich bin sehr neugierig darauf, wie es weitergeht. Wie Kai sich entwickelt, ob er irgendwann auch Yuriys Freundschaft erkennt und anerkennt und wann er und Rei es schaffen, den nächsten Schritt zu machen.

Mir gefiel Kais Erinnerung an die Katze. ^^ Es war so typisch Katze, am nächsten Morgen einfach fort zu sein. Ich liebe Katzen sehr und deine Darstellung war zwar wenig romantisch aber dafür realistisch.

Ich hoffe, du lässt uns nicht so lange auf das nächste Kapitel warten.

ByeBye
BlackSilverLady
Von:  Shane-
2008-02-10T22:11:15+00:00 10.02.2008 23:11
Das Kapi ist total schön geworden. Kai tut mir total leid! Und die Situation zwischen ihm und Ray wird auch immer spannender. Einfach nur total süß! Ich mag deinen Schreibstil sehr gern! ^-^
mach schnell weiter!
*gespannt ist*

mfg: Sayuki^^
Von: abgemeldet
2008-02-10T20:26:02+00:00 10.02.2008 21:26
Ich habe mich sehr über dieses Kapitel gefreut!
Es hat mir auch wirklich gut gefallen!
Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung!

Bye

Minerva
Von: abgemeldet
2008-02-10T19:50:21+00:00 10.02.2008 20:50
Kai hatte wirklich keine einfache Kindheit, das wissen wir alle...
Hast du toll geschrieben, nur manchmal am Anfang hat es kleine Tippfehler ^^
Ich hoffe es kommt bald ein 8. Kapitel...
bye


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