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Drachenblut

von

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Kapitel 2
 

Bazalath schlenderte immer noch wütend den Gang entlang, als er die Stimme seiner Schwester aus Zaymons Turm hören konnte. „Mutter ist der Meinung, dass du diese Dinge regeln sollst. Ich denke sie hat Recht damit, denn Übung kann dir nicht schaden, da du eh bald Herrscher über Crysta´loh sein wirst. Mutter überlegt sich nämlich, ob sie ihr Amt früher niederlegen soll, weil eine Frau nach Ansicht der Tradition und des Volkes nicht auf diesen Posten gehört. Und sie hat bisher bloß darauf gewartet, dass du alt genug dafür bist und das bist du nun zweifelsohne.“

„Ja, Chyra, ich habe verstanden“, erwiderte Zaymon. „Aber was mich anbelangt…“ Dann erschienen die beiden neben Bazalath und Zaymon verstummte. Bazalath schaute ihn gefühlskalt an und er spürte die Angst seines Bruders. Wenigstens eine kleine Genugtuung an diesem Tag.

„Hallo Bazalath“, sagte Zaymon mit ängstlichem Unterton, den Bazalath genoss.

„Hallo“, erwiderte er ruhig und rauchig. „Gibt es Probleme?“

„Keine mit denen du dich beschäftigen musst, Bazalath“, entgegnete Chyra wütend. „Zaymon, komm jetzt endlich. Ich habe noch andere Dinge vor, als dich holen zu gehen.“

Bazalath grinste gemein und starrte seinem Bruder tief in die Augen. Ja, du hast Angst vor mir. Und so gehört sich das auch. Schließlich bist du der dreckige Dieb der sich meinen Thron angeeignet hat. Wieder meldete sich der Kristallsplitter und Bazalath keuchte.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Bazalath? Ist es wieder der Kristallsplitter?“, fragte Zaymon besorgt und die Angst vor Bazalath schien wie weggeblasen.

Bazalath stieß seinen Bruder weg, als dieser ihm beunruhigt seinen Arm auf den seinen legte. „Geh dein Reich regieren, Magier!“, knurrte Bazalath.

Er sah wie Zaymon nachdachte. Er konnte es an seinen Augen ablesen und es regte ihn auf, weil man ihn, Zaymon, immer für einen größeren Denker halten würde als ihn selbst. Schließlich ging Zaymon brav hinter Chyra her.

„Dieser miese kleine Heuchler! Reißt sich meinen Thron untern Nagel und gibt vor sich um mich zu sorgen. Er sollte sich lieber um sich selbst Sorge machen“, presste Bazalath erbost hervor. „Diese verdammte Wut halte ich nicht mehr aus. Bald werde ich explodieren, wenn das so weiter geht. Und dieser verdammte Kristallsplitter…“ Jetzt packte er das kleine Stück des Splitters, das aus seiner Brust heraus ragte und schrie vor Schmerz, als dieses seine mächtige Energie freisetzte, aber Bazalath ließ nicht los. Er packte noch fester zu und zog mit aller Kraft daran. Rote Blitze fuhren in seinen Körper hinein und wieder heraus. Er keuchte auf, doch zog er weiter. Je fester er versuchte sich von dem Kristallsplitter zu befreien, desto größer wurden die Schmerzen und desto schlimmer die Blitze. Er zog und zog und dachte nicht daran loszulassen. Er wollte den Splitter loswerden und wenn es ihn sein Leben kosten würde. Schweißperlen bahnten sich ihren Weg über seine roten Schuppen und verdunsteten durch die Hitze der Blitze. Schließlich bewegte sich der Kristallsplitter minimal, doch vernahm Bazalath nichts von seinem kleinen Erfolg. Bazalath brach zusammen und der Splitter kehrte in seine ursprüngliche Position zurück.

Er konnte ihn noch immer spüren. Er war bewusstlos und trotzdem fühlte er die Kraft des Kristalls. Sie floss wie ein unaufhaltsamer Strom durch seinen starken Körper und setzte hin und wieder seine schmerzhafte Energie frei.

Er konnte fühlen wie eine Schweißperle seine Schläfe entlang rollte und sich ihren Weg an seinem schuppigen Hals bahnte. Dann spürte er eine ihm sehr bekannte Aura.

„Wag es nicht, Ithilgore!“, zischte er aggressiv. „Das würde nicht nur dir wehtun, sondern auch mir!“

Der kleine Drache neben ihm zog blitzschnell seine Hand zurück. „Woher wusstest du…“

Bazalath keuchte arrogant: „Das ist doch offensichtlich! Du bist schließlich in deiner Drachengestalt und so kann ich dich spüren. Und da ich schon sehr lange in meiner Drachenhaut stecke, sind meine Drachensinne um einiges ausgeprägter, weshalb ich jede noch so kleine Bewegung von dir bemerken würde, wenn du sie tätest. Ich kann sogar dein Herz klopfen fühlen, wenn ich mich darauf konzentrieren würde.“

Ithilgore schluckte verängstigt, worauf Bazalath zu grinsen begann, dann öffnete er seine Augen. „Was machst du überhaupt hier? Ich habe dir doch gesagt, dass du hier nichts zu suchen hast!“

„Er hat sich um dich gesorgt, Dummkopf!“, sprach Chyra, die den Schlafraum in Bazalath´ Turm mit einer Schüssel mit flüssigem Eis betrat. „Er war es auch, der dich gefunden hat. Du könntest dich ihm ruhig etwas dankbarer zeigen, Bazalath!“

„Dankbar wofür?“, presste der rote Drache zwischen den gefletschten Zähnen hervor.

Chyra ging um sein Bett herum und stellte die Schüssel auf seinen Nachttisch ab. „Ach vergiss es, Bazalath!“, erwiderte Chyra genervt. Dann tupfte sie ihm seine Stirn mit einem ins kühle flüssige Eis getauchte Tuch.

Bazalath fauchte sie an: „Lass das verdammt! Du weißt genau, dass ich in diese Form kein flüssiges Eis vertrage!“

„Stell dich nicht so zimperlich an!“, keifte seine Schwester und fuhr fort.

Bazalath schlug ihre Hand weg, so dass Chyra das Tuch fallen ließ und gegen den Nachttisch stieß, der wiederum umfiel und das flüssige Eis auf dem Boden verschüttete und die Schüssel zerbrach laut klirrend in etliche kleine Scherben. „Zisch ab!“

Seine Schwester funkelte ihn zornig an und rieb sich die verletzte Hand. Dann eilte sie verärgert hinaus.

Bazalath richtete seine wütenden Augen auf seinen kleinen Bruder, der sich mittlerweile in einen Menschen verwandelt hatte, und knurrte ihn an: „Was willst du noch hier?“

„Ich wollte bloß…“, begann der kleine Igore, doch Bazalath beendete den Satz auf seine Weise: „Den Kristall anfassen! Und ich habe dir schon oft erklärt, dass dieser Kristallsplitter absolut tabu für dich ist! Und jetzt raus hier!“

Ithilgore blieb dort stehen und verschränkte seine Arme. Trotzig fragte er: „Und wenn nicht?“

Bazalath verengte die Augen und fletschte abermals die Zähne. „Mach dass du wegkommst oder ich werde dich in vielen kleinen Stücken aus dem Fenster werfen!“

„Das würdest du nicht wagen!“, sprach Ithilgore sicher und hatte wieder diesen seltsamen Blick in seinen Augen.

Bazalath blickte ihn verwundert an. „Woher willst du das wissen?“

„Erstens: Du würdest doch niemals jemanden aus deiner eigenen Familie töten, oder? Und zweitens: Ich weiß, dass ich auf eine andere Weise sterben werde!“

„Ach, was du nicht sagst?“, sagte Bazalath in herabwertenden Tonfall. „Und woher weißt du das nun wieder?“

„Weil ich es gesehen habe!“, erklärte der kleine knapp.

„So. Du hast es also gesehen, ja?“, fragte der Drache skeptisch. „Lass mich raten: Ihr Kinder habt beim Spielen draußen im Wald eine Kugel gefunden, die euch Visionen der Zukunft zeigt und in dieser konntest du deinen eigenen Tod sehen. Das klingt nicht sehr glaubwürdig, Ithilgore, denn wenn du deinen Tod gesehen hättest, würdest du doch nie und nimmer noch so ruhig bleiben.“

„Aber selbstverständlich“, entgegnete Ithilgore ihm. „Jetzt da ich weiß, was mir blüht, kann ich es verhindern. Und woher ich die Vision meines Todes hatte werde ich dir nicht verraten!“

„Gut. Da wir das nun geklärt hätten, kannst du mich ja endlich in Ruhe lassen!“, keifte Bazalath erneut.

„Bazalath, weshalb kapselst du dich so sehr von deiner Familie ab? Warum bist du wütend auf uns alle – ja sogar auf mich, der ich dir nichts getan habe? Es liegt doch nicht dran, dass Zaymon nun bald den Thron besteigen wird, oder?“

Bazalath wandte seinen Drachenkopf von dem kleinen Jungen eingeschnappt ab.

„Der Thron, der dir doch eigentlich zustehen würde. Ihm wird deine Krone aufgesetzt und er wird dein Reich verwalten und…“

„Hör auf damit!“, schrie Bazalath zornig und es stieg Rauch aus seinen Nüstern auf. „Du hast keine Ahnung! Und jetzt lass mich endlich in Frieden!“

„Das ist der Kristall, nicht wahr? Du wärest nicht so wütend, wenn der Kristall nicht wäre“, erwiderte Ithilgore.

„Wenn der Kristall nicht wäre, dann würde das alles mir gehören! Mir! Mir! Mir! Mein Thron, meine Krone, mein Reich. Einfach alles würde mir gehören und nur mir allein. Aber stattdessen setzt man diesen Nichtskönner von Magier auf den Thron! Auf meinen Thron! Wenn der Kristall nicht wäre, könnte ich wieder Mensch sein und man würde mir dies alles überlassen, wie es sich gehört! Verdammt noch mal hätte es doch Zaymon getroffen!“

Wenn Ithilgore überrascht war, dann konnte er es sehr gut vor seinem Bruder verstecken. „Zaymon kann nichts dafür. Genauso wenig wie ich oder Chyra oder Mutter oder sonst wer. Es ist nun einmal passiert und es lässt sich nicht ändern, Bazalath. Du solltest das Beste daraus machen und nicht immer zu sauer auf uns sein.“ Bazalath knurrte zornig und Angst einflößend, doch Ithilgore blieb weiterhin ruhig. „Ich fürchte mich nicht vor dir.“

„Das solltest du aber!“, schrie Bazalath. „Jeder sollte Angst vor mir haben, weil ich ein Drache mit Macht bin!“

„Du meinst ein Drache, der sich wie ein wildes Tier aufführt“, erklärte Ithilgore.

„Worauf willst du eigentlich hinaus?“, fragte Bazalath gereizt. „Bist du bloß hier um mich zu provozieren?“

„Mit Nichten, mein Bruder“, erwiderte Igore.

„Was ist es dann?“, wollte Bazalath wissen.

Jetzt war es wieder so, als wäre Ithilgore nichts anderes als ein Kind. Ein Kind, das er nun einmal war. Er wirkte wieder jung und unerfahren und sprach wie es ein Kind tat: „Ich will nur, dass es dir besser geht.“

Bazalath richtete sich in seinem Bett auf und lehnte seinen Kopf soweit nach vorne, dass sein ausgestoßener Atem die Haare von Ithilgore verwehte. „Dann verzieh dich endlich!“

Ein kleiner Funken von Angst war nun in den Augen des Kindes zu erkennen, was Bazalath ein von sich überzeugtes Lächeln auf die Drachenlippen zauberte.

Der Kleine stand auf und verließ schleunigst das Zimmer.

„Na endlich“, seufzte Bazalath und sah sich in seinem Schlafgemach um. Er stellte bald fest, dass auf seinem Tisch eine große Karaffe mit Kiri und einem Kelch aus Weißgold daneben stand. Er stand langsam und vorsichtig auf mit der Erwartung, dass jederzeit der Schmerz erneut losbrechen würde, wie jedes Mal, doch diesmal blieb er sonderbarerweise aus. Bazalath schlenderte zum Tisch und füllte sich den Kiri ein. Er schnupperte daran und genoss den wohligen Geruch, bevor er den Kelch in einem Zug leerte. Er füllte ihn erneut.

Ithilgore weiß etwas. Er ist mit der Zeit zunehmend seltsamer geworden. Er scheint Prophet zu sein. Das heißt wir haben noch einen widerlichen Magier in der Familie. Nur was ist es, was er gesehen hat? Und hat es etwas mit mir zu tun? Er will, dass es mir besser geht. Pah! So ein Heuchler! Aber was ist, wenn er etwas gesehen hat, was mich betrifft? Vielleicht meinen Tod? Aber warum das Interesse an meiner Wut? Ach dieser kleine Wurm will bloß versuchen mit mir zu spielen. Er hat Angst vor mir und deshalb will er, dass ich freundlicher zu ihm und den anderen bin. Das wird es sein.

Wieder schüttete er sich den Inhalt des Kelches mit einem Mal in den tiefen Schlund.

Aber wie kommt es, dass er manchmal so weise erscheint? Er scheint doch ein Prophet zu sein. Und wenn er einer ist, dann sollte ich seinen Worten vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit schenken. Am besten wäre es, wenn ich etwas Genaueres herausfinden könnte.

Bazalath füllte ein letztes Mal den Kelch, betrachtete ihn kurz und befingerte die kleinen roten Edelsteine, die ihn verzierten, bevor er ihn abermals leerte. Er stellte ihn zurück auf den Tisch und ging zur Tür.

Es war nur eine kurze Strecke und er hatte bloß wenige Schritte getan, doch trotzdem keuchte er vor Anstrengung auf. Schweißperlen schlichen sich zwischen seinen Schuppen entlang und ihm wurde schwindelig. Er schaute an sich hinunter und besah sich den Kristall, der nun seltsam zu leuchten begann. Ihm wurde schlecht und fiel der Länge nach hin. Seine Muskeln verkrampften sich und er erbrach sich neben sich auf den Boden. Er konnte kaum noch atmen und gab merkwürdige Laute von sich. Sein Herz raste und sein Blut kochte. Der Hass stieg abermals in ihm auf und der Kristall setzte seine Kräfte frei mit dem Unterschied, dass er diesmal sowohl schmerzte als auch die kräftigende Energie entfesselte. Bazalath war stark und schwach zugleich. Er konnte die Kraft spüren, die aus dem Kristall durch seine Adern floss, doch der Schmerz hinderte ihn daran, sich zu bewegen. Er schrie auf und er war kurz bevor das Bewusstsein erneut zu verlieren, doch kämpfte er mit allen seinen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen an.

Eigentlich wünschte Bazalath sich nichts sehnlicher als Erlösung. Er wollte kein Leid mehr ertragen, keinen Schmerz mehr spüren und niemals wieder diesen Kristall an sich erblicken müssen. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal geweint hatte, doch nun quollen dicke runde Tränen aus seinen Augen hervor und benetzten seine Schuppen mit Feuchtigkeit. Er schluchzte und keuchte in einem. Sein Atem wurde immer schwerer und er fühlte Angst.

Bazalath hat sich niemals Angst eingestanden. Weder vor jemand anderem noch vor sich selbst hat er jemals Angst gezeigt. Er hat es auch immer wieder gerne bewiesen. Das war auch damals der Grund für die Mutprobe gewesen. Er wollte seinem Bruder beweisen, wie mutig er war und was für ein Feigling Zaymon war. Doch nun spürte er die Furch in sich aufsteigen. Ein kaum gekanntes Gefühl, aber er wusste genau, was es war. Er hatte Angst zu sterben.

Er wollte nicht sterben. Nicht jetzt, nicht hier. Er war noch so jung und er wollte noch soviel tun. Zugegeben er wusste nicht, was er tun wollte, aber er würde es wissen, wenn er soweit war. Und nun glaubte er, sterben zu müssen und er wollte nicht. Er wollte nicht mit dem Kristall oder wegen dem Kristall sterben. Diesen Gefallen würde er diesem verdammten Splitter nicht tun!

„Niemals!“, presste Bazalath hervor, doch wollte der Schmerz immer noch nicht abklimmen, sondern wurde immer noch schlimmer. Bazalath hätte nicht geglaubt, dass man Schmerzen soweit steigern kann.

Die Kraft ließ nach, doch der Schmerz blieb. Der Kristall leuchtete immer noch, das wusste Bazalath, auch wenn er ihn nicht sehen konnte. Er spürte ihn in seiner Brust und er fühlte ihn anwachsen, wie eine Ranke, die sich an einem Pfahl empor hangelte.

Er riss die Augen weit auf und schrie aus Leibeskraft, weil die Schmerzen kaum noch auszuhalten waren und immer weiter anstiegen. Bald brach seine Stimme, doch der Schmerz blieb.

Dann ergab sich Bazalath, doch bevor er ohnmächtig wurde, konnte er die kleine Präsenz der Drachengestalt von Ithilgore spüren, die sich außerhalb der Schlossmauern befand. Es fühlte sich an, als würde er ihm sagen wollen: „Ich will bloß, dass es dir besser geht.“ Dann war alles schwarz.
 

„Mutter, was sollen wir bloß mit Bazalath machen?“, fragte Zaymon sorgenvoll und sah auf seinen bewusstlosen Bruder hinab, den sie gerade mit Mühe wieder in sein Bett gehievt hatten. „Die Heiler haben gemeint, dass Bazalath in seiner Drachengestalt gegen den Kristall ankommen würde, doch sie scheinen im Unrecht zu sein. Es quält ihn immer weiter. Meinst du wir sollten den Kristall doch entfernen?“

„Niemals!“, antwortete die Mutter. „Die Heiler mögen nicht Recht behalten haben, was die Heilung anbelangt, doch glaube ich, dass sie sehr wohl damit Recht haben, was sie zur Entfernung des Kristalls gesagt haben. Bazalath´ Herz ist durch den Splitter schwerwiegend verletzt. Ohne diesen Splitter wird er nicht leben können. Es ist sonderbar, dass in diesem Kristall eine so mächtige Energie haust, dass er Bazalath weiterleben lässt.“

„Glück im Unglück würde ich sagen“, erwiderte Zaymon leise und traurig. „Ich wünschte man könnte etwas für ihn tun.“

Sie schwiegen und sahen auf den besinnungslosen Körper hinab. „Er sieht so friedlich aus, wenn er nicht zu leiden oder mit dem Kristall zu kämpfen hat“, flüsterte die Mutter liebevoll grinsend in das Schweigen hinein. „Bazalath hat sich sehr stark verändert seit dem Tag vor acht Jahren. Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, was eigentlich passiert ist und was ihr dort oben eigentlich zu suchen hattet.“

„Ich möchte jetzt keinesfalls kindisch klingen und Bazalath die gesamte Schuld geben, aber es war seine Idee gewesen“, erklärte Zaymon. „Er wollte eine Mutprobe und die hat er bekommen. Ich bewunderte ihn schon immer für seine Tapferkeit und vor mir brauchte er sich niemals zu beweisen, aber ich wollte ihm damals zeigen, dass ich auch mutig sein kann. Deshalb nahm ich die Aufgabe seiner Mutprobe an. Und dann ist es passiert. Es tut mir so schrecklich leid und manchmal wünschte ich, es hätte mich getroffen oder man könnte etwas daran ändern.“

„Sag so was nicht, Zaymon. Woher hättest du wissen sollen, was euch dort oben widerfahren würde? Ihr seid beide mehr oder weniger wohlauf und das ist das einzige was zählt, denke ich. Auch wenn es hätte anders sein können und ich denke, anders wäre es besser gewesen“, sprach die Mutter und seufzte schwer. „Aber wenn du nicht reinzufällig deine Magie anwenden kannst um die Zeit zurück zu drehen, dann lass uns nicht mehr über Vergangenes reden.“

„In Ordnung“, willigte Zaymon nur schwer ein und es trat wieder Stille ein. Man hörte bloß ein paar Geräusche aus der Natur von draußen hineindringen und sonst war da noch Bazalath schwerer und lauter Atem.
 

Alles ging seinen gewohnten Gang. Es pochte in regelmäßigen Abständen und trieb das gesamte Gefüge an. Es war ein ewiger Rhythmus von auf und ab, offen und geschlossen, füllen oder leeren. Es wurde neue Energie gebildet um diesen Vorgang weiter anzutreiben und um neue Energie zu bilden. Alles hing davon ab, dass dieser Organismus am Laufen gehalten wurde, denn ohne ihn könnte der Kristall keine weitere Energie für sich einbeziehen.

Neben dem Rhythmus war es aber auch noch ein immer währendes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen, denn Bazalath´ Körper gab dem Splitter genügend Energie um sich weiter zu entwickeln und dafür stellte der Kristall seinem Körper ausreichend Kraft zur Verfügung um weiterleben zu können. Sie brauchten einander, sonst würde es nicht funktionieren.

Der Splitter saugte ihm nur ganz langsam Energie aus und es würde sehr lange dauern bis der Kristall voll aufgeladen sein würde, doch irgendwann würde es soweit sein. Der Kristallsplitter würde sich ausbreiten und nach und nach Besitz über den Körper nehmen. Und selbst danach würde er sich noch weiter entwickeln bis er die Vollkommenheit erlangen würde. Und nun war es endlich so weit einen weiteren, wenn auch nur kleinen Schritt in diese Richtung zu tun!
 

Zaymon seufzte schwer und plötzlich geschah etwas, dass er nicht fassen konnte. Er glaubte schon, dass etwas nicht mit seinen Augen stimmen würde, als sich der Kristallsplitter, der so fest in Bazalath´ Herz verankert zu sein schien, zu bewegen begann. Es schien als würde er herausquirlen, so wie es sich Zaymon und seine Mutter gewünscht haben, doch bald fiel auf, dass der Kristall gar nicht heraus quoll, sondern dass er zu wachsen begonnen hatte. Bazalath fing zu schreien an und riss weit die Augen auf. Seine Klauen griffen nach dem Kristall, den sie aber nicht zu fassen bekamen. Der Kristall wuchs weiter. Er wuchs zwar nur langsam, aber er wurde größer, was Zaymon große Sorgen bereitete. Um die offene Wunde, aus der nun Blut herausströmte, rissen die harten Schuppen mit einem Übelkeit erregenden Geräusch und gaben noch mehr Blutreserven frei, die sich ihren Weg aus dem Körper bahnten. Bazalath´ Schreien wurde immer qualvoller, doch Zaymon starrte immer noch gelähmt vor Angst auf den wachsenden Kristall, der sich Millimeter für Millimeter vergrößerte.

Nun begann auch die Mutter zu Kreischen: „Zaymon, tu doch etwas!“

Zaymon sah sie erschrocken an und dann wieder zu Bazalath, der sich vor Schmerzen wand und um sich trat und mit dem Schwanz um sich schlug, so dass manche Einrichtungsgegenstände im Umkreis zu Bruch gingen. Zaymon musste sich ducken während seine Mutter sich verängstigt zu Boden warf und nicht aufhörte zu kreischen: „Tu doch etwas, Zaymon! So tu doch endlich etwas!“

Der Magier wusste nicht, was er hätte tun sollen. Er rief seiner Mutter zu, dass sie einen der Heiler holen gehen sollte, während er sich etwas überlegte, um Bazalath zu beruhigen. Die Mutter kroch heulend aber eilig über den Boden aus dem Zimmer während Zaymon Bazalath´ Schwanz packte. „Bazalath, du musst dagegen ankämpfen.“

Das Schreien von Bazalath wurde noch lauter und fuhr Zaymon durch Mark und Bein, der schwer damit zu kämpfen hatte, Bazalath´ Schwanz ruhig zu halten. Einmal riss Bazalath ihn mit der Kraft seines Schwanzes sogar von den Füßen. Zaymon krachte mit voller Wucht gegen die kalten Mauern und schrie auf vor Schmerzen. In diesem Moment beruhigte sich Bazalath wieder. Es war so, als ob er nun friedlich eingeschlafen wäre und dieser Schrei schien der Auslöser dafür gewesen zu sein. Der Kristall hatte sich ebenfalls beruhigt und wuchs nicht mehr weiter. Die Blutungen waren ebenfalls gestillt und Zaymon sah auch bald warum. Der Kristall hatte sich um die Wunde ausgebreitet und eine ebenmäßige Schicht auf dem Brustkörper gebildet. Zaymon starrte immer noch verängstigt auf seinen Bruder herab. Er wirkte ruhig und zufrieden.

Nun kam die Königin in den Turm gerannt und hatte zwei Heiler im Schlepptau.

„Was ist passiert?“, fragte einer der beiden. „War es ein Anfall?“

Zaymon nickte stumm. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. „Ich denke schon, dass es sich dabei um einen Anfall handelte.“

Die Heiler besahen sich den friedlichen Körper, während sich Zaymon zu seiner Mutter stellte, die ihn sofort in die Arme schloss. „Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte sie flüsternd und er nickte schweigend.

Die beiden Heiler begannen zu tuscheln, was Zaymon und seine Mutter beunruhigte, doch beide hatten nicht den Mut die Heiler bei ihrer Arbeit zu unterbrechen. Schließlich wandte sich einer der Heiler ihnen zu und erklärte: „Der Kristall hat sich weiter ausgebreitet.“ Zaymon schaute ernst drein, die Mutter hingegen wusste nicht recht, wie sie sich fühlen sollte. Ihre Emotionen schwankten zwischen Unruhe, Angst und Traurigkeit. Dann fuhr der Heiler fort: „Das war zu erwarten.“

„Zu erwarten?“, platzte es aus der Mutter heraus. „Warum hat man mir nichts gesagt, wenn es zu erwarten war? Mein armer Bazalath muss leiden und ihr sagt mir nichts anderes, als dass es zu erwarten wahr?“

„Verzeiht, meine Königin, doch so ist es nun einmal, doch wenn Ihr erlaubt, würde ich Euch gerne ein paar Sachverhalte erklären.“ Die Königin winkte ihm fort zu fahren und er erwiderte: „Wie bereits gesagt, es war zu erwarten, dass der Kristall sich weiter ausbreiten würde, da es sich um einen ganz besonderen Kristall handelt. Wir sind Eurem Wunsch nachgekommen und haben uns einige Proben aus dem alten Tempel besorgt und diese Untersucht. Und wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass es sich bei diesem Kristallsplitter um ein Stück eines sehr intelligenten Kristalls handelt.“

„Wie kann denn ein Kristall intelligent sein? Das ist doch bloß ein gefühlsloser Stein“, warf die Königin ein und der Heiler startete wieder mit seinen Erklärungen: „Mitnichten, meine Königin, mitnichten. Dieser Kristall ist alles andere als ein gefühlsloser Stein. Ich stimme mit Euch überein, dass es sich dabei um kein Tier oder keine Pflanze handelt und einen Mensch stellt es am wenigsten da, doch dieser Kristall lebt, wenn auch auf eine seltsame Art und Weise. Er ernährt sich von Energie in Bazalath´ Körper um sich weiter fortentwickeln zu können, denn – wie bereits erwähnt – ist dies ein intelligenter Kristall, der – so vermuten wir zumindest – Besitz über den Körper unseres Prinzen nehmen will.

Wir haben in der letzten Zeit ziemlich viele Versuche mit Tieren und diesem Kristall gemacht und bei allen schlug dasselbe Resultat aus. Der Kristall verlor seine Farbe, sobald der Organismus erstarb und es war als wäre der Kristall gestorben. Doch hinzuzufügen ist, dass unsere Versuchsorganismen alle sehr schwach waren und deshalb nicht mit Bazalath zu vergleichen sind. Ich vermute, dass Bazalath stark genug ist um genügen Energie zu produzieren, um sich und den Kristall am Leben zu erhalten.“

„Es stellt sich nur die Frage für wie lange er stark genug sein wird“, murmelte Zaymon.

„Was meinst du, Zaymon?“, fragte die Mutter, doch bevor Zaymon seinen Einwand erklären konnte, fiel der zweite Heiler ein: „Ich verstehe Euer Bedenken, Sir, und wir vermuten dasselbe wie Ihr. Wenn der Kristall wächst, dann wird er vermutlich mehr Energie benötigen um sich aufrecht zu erhalten.“

„Das heißt, mein Bazalath ist dem Tod geweiht? Er wird nach und nach von diesem Kristall zerfressen?“, schluchzte die Mutter sorgenvoll. Zaymon nahm sie in den Arm und drückte sie fest an sich. „Keine Sorge, Mutter, wir werden einen Weg finden, um das zu verhindern.“ Dann wandte er sich an die Heiler: „Diese Anfälle wie ihr es nanntet - Was genau passiert während eines solchen Anfalls in Bazalath´ Körper?“

„Wir sind uns nicht sicher“, begann der erste Heiler, „aber wir vermuten, dass dies die Phasen sind, in denen der Kristall zuschlägt und sich seine benötigte Energie verschafft. Und bei diesem letzten Anfall war der – ich nenne es mal Proviant – groß genug um sich weiter auszubreiten. Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann der nächste Anfall folgen wird und wann der Splitter ein weiteres Mal wächst. Sicher steht nur fest, dass es dazu kommen wird.“

Die Königin sah auf und es kullerte eine Träne über ihre Wanger während sie sprach: „Da gibt es eine Sache, die ich nicht verstehe. Wenn es stimmt, dass der Kristall sich von Energie ernährt und ohne sie eingehen würde, wie eine Blume ohne fallendes, flüssiges Eis, dann frage ich mich, woher nimmt der Kristall seine Energie aus dem alten Tempel?“

„Eine berechtigte Frage, Königin“, begann der zweite Heiler. „Wir haben uns so gründlich in dem alten Gebäude umgesehen, wie es dieser verkommene Ort uns zugelassen hat und wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass es dort eine magische Quelle geben muss, die der Grund für das Überleben des Kristalls ist. Wir vermuten, dass der Zauber auf dem Boden liegt, doch von Magie haben wir bedauerlicherweise nicht sehr viel Ahnung. Zaymon, Ihr seid doch Magier, Sir, könntet Ihr uns nicht bei der nächsten Expedition begleiten und euch das genauer ansehen?“

Nun begann Zaymons Herz zu rasen. Ihm schossen die vielen schrecklichen Bilder durch den Kopf, die er damals hatte mit ansehen müssen, als er dort oben im alten Tempel seine Mutprobe ablegte. Er schloss die Augen und überlegte krampfhaft wie er sich da heraus reden konnte.

„Das kommt auf keinen Fall in Frage!“, rief nun die Mutter energisch. „Zaymon wird nicht noch einmal dort hinauf gehen. Es hat gereicht, dass er es damals zusammen mit Bazalath getan hat.“

Zaymon atmete erleichtert auf, als seine Mutter ihm diese Bürde abgenommen hat. Er hat tatsächlich immer noch Angst vor diesem Ort. Er wollte niemals mehr in seinem Leben dort hinauf gehen.

„Ich verstehe Eure Sorge, meine Königin, aber wäre es nicht trotzdem möglich, dass…“, fing der Heiler zu verhandeln an, wurde dann aber wieder von der Königin unterbrochen: „Zaymon bleibt hier. Er ist der zukünftige Herrscher, weil Bazalath diesen Posten leider nicht einnehmen kann. Also werde ich nicht zulassen, dass Zaymon sich unnötigen Gefahren aussetzt. Er bleibt hier und geht seinen Pflichten nach. Er hat auch gar keine Zeit um sich um andere dinge zu kümmern. Und außerdem bezahle ich euch Nichtsnutzigen doch für eure Arbeit!“

„Sehrwohl, meine Königin“, sprachen beide Heiler im Chor und verbeugten sich tief.

„Wenn Ihr erlaubt würden wie jetzt wieder unseren anderen Pflichten nachgehen, denn dem Prinzen scheint es ja nun besser zu gehen.“

Die Königin winkte den beiden zu verschwinden und wandte sich wieder Zaymon zu. „Wir sollten ihn in Ruhe schlafen lassen, denkst du nicht auch?“ Sie zog ihn sanft aus dem Zimmer und machte sich gemeinsam mit ihm auf den Weg zum Thronsaal. „Damit wir uns auch richtig verstanden haben, Zaymon, du erhältst von mir die Anordnung dich von dem alten Tempel fern zu halten.“

„Wie du wünscht, Mutter“, entgegnete der junge Magier und verbeugte sich.

„Du brauchst niemanden etwas zu beweisen oder irgendwelche Mutproben ablegen. Jeder hat seine Stärken und Schwächen und die erkennt man auch ohne absurde Prüfungen.“

„Ich verstehe, worauf du hinaus willst“, meinte Zaymon. „Ich bereue es auch gewaltig, dass ich mich damals darauf eingelassen habe, denn sicherlich denkt er genauso von mir wie ich von ihm. Und er müsste mir niemals etwas beweisen.“



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