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Ai No Kiseki

Wunder der Liebe
von

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Flucht vor sich selbst

Als Haruka merkte, was sie tat, überkam sie eine entsetzliche Panik. Das schöne Gefühl war verflogen, und statt der Schmetterlinge im Bauch waren da nur noch schreckliche Bauchschmerzen. Sie riß sich mit einem Ruck von Michiru los und stieß sie zurück.

„Ruka... was...“, Michiru sah verwirrt aus. Sie bedeckte ihre nackten Brüste mit den Händen, und ihre Augen waren ganz dunkel.

Haruka keuchte. „Entschuldige“, brachte sie mit rauher Stimme hervor. „Das... das hätte nicht passieren dürfen. Es tut mir leid.“

„Aber...“, begann Michiru hilflos, als Haruka aufsprang und zum Haus hinüber rannte.

„Ruka! HARUKA! Warte!“ rief ihr Michiru nach, aber sie hörte nicht. Sie wollte auch gar nicht hören. Sie hätte wissen müssen, das sie in so einer Situation nicht cool bleiben würde. Und jetzt war es passiert. Sie hatte sie geküßt. Und was das Schlimme war, selbst wenn sie es hätte rückgängig machen können, so würde sie das gar nicht wollen. Aber Michiru – was dachte sie jetzt?

Liebe ich sie? fragte sie sich plötzlich selbst mitten in ihre verzweifelten Gedanken hinein, als sie die Treppe hinauf in ihre Wohnung stürzte. Ja, gab sie sich dann gleich darauf die Antwort, ich liebe sie. Aber – diese Liebe hat keine Zukunft! Für mich nicht, und für Michiru erst recht nicht. Sie würde es zwar niemals zugeben, aber sie liebt noch immer Nerissa. Nerissa und nicht mich.

In ihrem Zimmer angekommen, sank Haruka auf ihr Bett. Auf dem Kopfkissen lag zusammengefaltet Michirus Nachthemd. Haruka fuhr sanft mit der Hand darüber. Es roch an ihr. Alles hier roch nach ihr. Und sie konnte ganz deutlich diese wunderschönen blauen Augen vor sich sehen. Der Gedanke daran machte sie verrückt.

„Ich muß hier raus!“ murmelte sie, während sie aufsprang und anfing, auf und ab zu gehen. „Ich muß hier raus und mit jemandem sprechen! Aber mit wem?“

Das lag eigentlich auf der Hand. Wer hatte denn von Anfang an gemerkt, daß Haruka Gefühle für Michiru hatte, selbst als sie sich noch nicht darüber im Klaren gewesen war? Meio Setsuna – sie würde ihr vielleicht helfen können.

Haruka zog T-Shirt und Jeans über ihren Bikini, schlüpfte in ihre Schuhe und verließ das Zimmer. Als sie unten gerade die Haustür öffnen wollte, hörte sie Michirus Stimme aus dem unteren Flur.

„Haben Sie vielleicht Haruka irgendwo gesehen?“ fragte sie. Es klang fast schon besorgt.

Wahrscheinlich hält sie mich für krank, dachte Haruka verbittert.

„Dem Lärm nach zu urteilen ist sie oben“, antwortete Mrs. Tenô aus dem Arbeitszimmer, und das Klappern der Tastatur und das Geräusch des Druckers waren zu hören. „Sagen Sie ihr bitte, sie soll nicht immer solchen Krach machen. Sie wohnt hier nicht alleine!“

Haruka rümpfte die Nase und machte, daß sie wegkam. Bevor sie nicht mit Setsuna gesprochen hatte, konnte sie Michiru nicht wieder unter die Augen treten.
 

Mrs. Meio öffnete Haruka die Tür. Sie war eine schlanke junge Frau mit einem energischen Kinn und den gleichen traurigen Augen, die auch ihre Tochter Setsuna hatte.

„Ach, Miss Tenô“, grüßte sie. „Wollen Sie zu den Jungs? Ich fürchte, Sie haben Pech. Taiki und Yaten haben einen Termin in der Stadt und Seiya ist ins Fitneßstudio gegangen.“

„Ich wollte eigentlich zu Setsuna“, sagte Haruka.

„Sie ist...“, begann Mrs. Meio, als Setsuna im Hintergrund auftauchte. „Ich bin hier.“

Mrs. Meio verschwand in der Küche und machte diskret die Tür hinter sich zu. Setsuna führte Haruka in ihr Zimmer. Sie trug ein buntes T-Shirt und eine weiße Leggins. Das lange Haar hatte sie aufgesteckt. Sie wirkte sehr erwachsen.

„Du siehst ziemlich durcheinander aus“, eröffnete Setsuna das Gespräch. Sie setzte sich im Schneidersitz auf ihr Bett und lehnte sich gegen die Wand, während Haruka auf dem Schreibtischstuhl Platz nahm.

„Ich bin durcheinander“, bekannte sie. „Weißt du, Setsuna... du hattest recht. Du hattest die ganze Zeit über recht, nur ich blöde Kuh hab es nicht gemerkt oder besser gesagt es mir selbst nicht eingestehen wollen, und...“

Setsuna sah nicht so aus, als ob sie irgend etwas verstanden hätte. „Entschuldige, aber wovon redest du?“ fragte sie.

„Von Michiru und mir“, erklärte Haruka. Sie wunderte sich, wie sie so ruhig bleiben konnte. „Über unser – wie sagtest du so schön?- was-weiß-ich. Über unsere Beziehung oder Freundschaft oder was auch immer es ist.“

Setsuna beugte sich vor. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Du Dickkopf!“ schmunzelte sie. „Siehst du es jetzt endlich ein?“

„Komm mir ja nicht so!“ fuhr Haruka auf. Sie war schon immer leicht ausgerastet, besonders, wenn man sie als „Dickkopf“ bezeichnete oder wenn man ihr unter die Nase hielt, daß sie unrecht gehabt hatte und auch sonst noch bei hundert anderen Kleinigkeiten.

„Geh nicht gleich an die Decke, Haruka“, sagte Setsuna beschwichtigend. „Ich weiß gar nicht, wo dein Problem ist.“

„Na du bist gut“, murmelte Haruka. „Was glaubst du denn, ist heute passiert, hm?“

„Es ist etwas passiert, das dir endlich die Augen geöffnet hat“, bemerkte Setsuna treffend.

Haruka funkelte sie wütend an. „Spar dir doch deinen Sarkasmus!“ fuhr sie gereizt auf. „Mir ist durchaus nicht nach dummen Sprüchen zumute! Ich habe – Michiru geküßt!“

„Oh, wie schön für euch“, meinte Setsuna. „Ist das alles? Haruka, wo zum Teufel liegt dein Problem!?“

Mein Problem bist du! hätte Haruka ihr fast ins Gesicht geschrien. Aber sie konnte sich gerade noch beherrschen. Setsuna konnte schließlich nicht wissen, was los war.

Seufzend erzählte Haruka, was sich zugetragen hatte. Als sie geendet hatte, herrschte für einen Moment Stille. Man hörte nur das nervtötende Summen einer dicken Fliege, die ständig gegen die Fensterscheibe flog.

Setsuna stand auf, öffnete das Fenster und scheuchte die Fliege hinaus. Dann drehte sie sich zu Haruka um. „Du bist weggerannt, nachdem du sie geküßt hast? Du hast sie einfach sitzenlassen?“ fragte sie schließlich fassungslos.

„Ja, verdammt“, knurrte Haruka, die Fäuste geballt. „Ich weiß auch nicht, was über mich kam. Ich konnte einfach nicht anders. Verstehst du, ich mußte sie ganz einfach küssen.“

„Du dumme Nuß, ich meine nicht den Kuß!“ fauchte Setsuna. „Ich meine, daß du einfach abgehauen bist und die arme Michie ganz allein gelassen hast! Was, glaubst du, muß sie jetzt von dir denken!?“

Haruka war zu erledigt, um sich über die „dumme Nuß“ groß aufzuregen. Sie seufzte. „Hätte ich sitzenbleiben und mir von ihr eine runterhauen lassen sollen?“ fragte sie nur matt.

„Wieso runterhauen?“ fragte Setsuna verständnislos. „Sie hat dich doch geküßt, oder etwa nicht? Ich meine, dann wird sie dir keine runterhauen!“

„Nein, Setsuna, nicht sie hat mich geküßt, sondern ich habe sie geküßt!“ verbesserte Haruka.

Setsuna stöhnte. „Also, für mich macht es keinen großen Unterschied, wer wen geküßt hat! Ich wüßte nur gern, was eigentlich dein Problem ist und warum du annimmst, Michiru könnte dir eine runterhauen. Tschuldige, aber das kapier ich einfach nicht.“ Sie wirkte tatsächlich verwirrt.

Haruka versuchte, es ihr zu erklären. „Ich hab sie überrumpelt“, versuchte sie deutlich zu machen. „Ich... hab ihr keine Zeit gegeben. Sie hat sich erst von Nerissa getrennt, und sie liebt Nerissa immer noch, das weiß ich! Vielleicht hat sie mich nur deshalb geküßt – um Nerissa zu vergessen, um alles zu vergessen. Verstehst du nicht, sie hatte sich vielleicht genauso wenig unter Kontrolle wie ich mich. Das war kein Kuß aus Liebe. Das kann kein Kuß aus Liebe gewesen sein! Ich weiß genau, jetzt denkt sie schlecht von mir und will nichts mehr mit mir zu tun haben, und das ist nur meine Schuld, weil ich meine Gefühle nicht gut genug im Griff hatte.“

Setsuna sah aus, als müßte sie sich ein Lachen verbeißen. „Oh, Haruka“, sagte sie schließlich, „du Arme, du bist wirklich total durcheinander. Ich glaube kaum, daß Michiru jetzt anders über dich denkt als zuvor. Wieso nimmst du nicht einfach an, daß es doch ein Kuß aus Liebe war?“

„Liebe...“, murmelte Haruka vor sich hin.

Setsuna trat neben sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ruka-Chan“, sagte sie ernst und benutzte ganz selbstverständlich dieses Kosewort, „liebst du Michiru?“

Haruka sah ihr offen in die Augen. Sie wollte es nicht länger leugnen. Außerdem hatte sie das Gefühl, daß sie es irgend jemandem erzählen mußte.

„Ja“, erwiderte sie fest. „Ja, ich liebe sie.“

„Ich glaube dir“, lächelte Setsuna. „Und wenn du sie wirklich so sehr liebst, dann mußt du um sie kämpfen!“

„Um sie... kämpfen?“ stammelte Haruka.

Setsuna nickte. „Ja“, erklärte sie, „du mußt genauso um sie kämpfen wie auf der Gartenparty, als du dich mit Seiya um sie geprügelt hast. Gib es ruhig zu! Dir ging es damals weniger darum, daß er sie betrunken gemacht hat, als darum, daß du schrecklich eifersüchtig auf ihn warst.“

Überrascht sah Haruka sie an. „Ja“, mußte sie eingestehen, „das ist richtig.“

„Dann kämpfe um sie! Ich kann dir nicht sagen, ob sie dich liebt oder nicht, das mußt du selbst herausfinden! Wieso... fragst du sie nicht einfach?“

Entgeistert starrte Haruka sie an. „Zum Narren machen kann ich mich auch selbst! Wenn ich ihr sage, daß ich sie liebe und sie erwidert meine Gefühle nicht, dann bin ich für alle Zeiten vor ihr blamiert und werde ihr auch nie wieder so nahe sein können, wie ich es als ihre beste Freundin gewesen bin!“

„Ganz schön kompliziert“, lächelte Setsuna. „Aber du schaffst es schon! Mit der Zeit merkst du, ob sie dich auch liebt, glaub mir.“

„Und wie soll ich ihr den Kuß erklären? Ich meine, wir wohnen praktisch zusammen – ich kann nicht so tun, als wäre nichts gewesen und ihr versuchen aus dem Weg zu gehen.“

„Genauso wie mir eben – als Ausrutscher, als was-weiß-ich. Aber ich an deiner Stelle, Haruka, ich würde ihr die Wahrheit sagen.“

Verzweifelt sah Haruka sie an. „Aber das kann ich nicht!“

„Nun, vielleicht hast du sogar recht. Nur solltest du aufhören, stets vor dir selbst davonzulaufen. Das bringt dir gar nichts. Steh dazu und kämpfe um Michirus Liebe. Sie ist ein klasse Mädchen, und du hast sie verdient.“

„Ich...“

„Wir haben immer die Wahl, welchen Weg wir gehen“, fuhr Setsuna ernst fort. „Mit etwas Liebe und Verständnis ist jeder Kampf überflüssig. Und damit meine ich auch den Kampf mit sich selbst.“

Haruka lächelte. Sie begegnete Setsuna fast schon mütterlichem Blick. „Danke“, sagte sie schlicht.

„Oh, gern geschehen“, erwiderte diese freundlich. „Schließlich sind wir jetzt sowas wie Freundinnen, oder?“

Überrascht sah Haruka sie an. Dann grinste sie. „Klar“, meinte sie und fühlte sich schon viel wohler, „natürlich sind wir Freundinnen!“

Auf dem Flur wurden Stimmen und Schritte laut. Es waren Yaten und Taiki von Three Lights.

„Ist Seiya schon zurück?“ rief Yaten, und Mrs. Meio antwortete aus der Küche. „Nein, nicht daß ich wüßte!“

„Hat wahrscheinlich eine Bekanntschaft im Fitneßstudio gemacht“, flüsterte Setsuna augenzwinkernd, und Haruka konnte nicht anders, sie prustete los.

Taiki rief laut nach Setsuna. „Setsuna! Hey, Poo-Chan, wo steckst du denn? Komm, laß uns schwimmen gehen! Mein Vater und meine Stiefmutter sind ausgegangen, wir haben den ganzen Pool für uns.“

„Ja doch, ich komme ja gleich“, rief Setsuna zurück.

Haruka stand auf, und die beiden traten auf den Flur. Taiki und Yaten kamen ihnen entgegen. In der Küche klapperte Mrs. Meio mit Geschirr.

„Hey, Ruka, schön dich zu sehen“, grüßte Yaten. „Kommst du mit schwimmen?“

Einen Augenblick lang stand Haruka in der Versuchung, Yatens Angebot anzunehmen und das Gespräch mit Michiru noch etwas hinauszuschieben. Aber Setsuna trat ihr kräftig auf den Fuß.

„Ruka hat keine Zeit, sie muß etwas dringendes erledigen“, sagte sie und betonte „dringend“.

Haruka lachte verlegen. „Ähem, ja, richtig, ich vergaß. Sorry, aber ich muß jetzt los.“

„Well, dann laß dich durch uns nicht aufhalten“, sagte Taiki. „War nett, dich getroffen zu haben.“

„Wir treffen uns ein anderes Mal zum Schwimmen“, fügte Yaten hinzu.

Haruka nickte, warf Setsuna einen letzten dankbaren Blick zu und ging zur Haustür. Setsuna begleitete sie, während Yaten und Taiki in ihren Zimmern verschwanden, um ihre Badesachen zusammenzusuchen.

„Bye“, sagte Haruka.

„Mach’s gut“, nickte Setsuna. Sie warf einen kurzen Blick über ihre Schulter, um zu sehen, ob sie alleine waren. Es war niemand in der Diele. Die Tür zur Küche war geschlossen.

„Und denk dran, Ruka – du mußt um Michiru kämpfen!“ flüsterte sie aufmunternd.

Haruka nickte und lachte. Dann machte sie sich auf den Weg nach Hause. Sie glaubte noch immer nicht daran, daß Michiru ihre Liebe erwiderte, aber sie war fest entschlossen, um sie zu kämpfen.



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