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Ai No Kiseki

Wunder der Liebe
von

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Eine kleine Modenschau

Die Tage vergingen wie im Flug. Es wurde wärmer, die Tage wurden länger, und Michiru sprach beinahe jeden Tag davon, bald im Pool baden zu können. Eines Tages, als Haruka am Morgen zur Schule kam, standen Michiru und Nerissa vor dem Schwarzen Brett in der Halle und studierten einen interessanten Anschlag. Michiru grüßte freundlich wie gewöhnlich, aber für Nerissa Goku war Haruka wie gewöhnlich Luft.

„Haruka, hast du das schon gelesen?“ fragte Michiru aufgeregt.

Neugierig trat Haruka näher und studierte das große Plakat. Es handelte von einem bevorstehenden Schulball am Karfreitag, der sich offenbar schon in den Jahren zuvor einer großen Beliebtheit erfreut hatte.

„Der Ball ist klasse“, erzählte Michiru eifrig. „Die ganzen oberen Klassen kommen zusammen, und es herrscht tolle Stimmung, und die Musik ist schön romantisch... ich liebe den Osterball, mußt du wissen.“ Sie sah Nerissa an. „Du doch auch, oder?“

„Natürlich“, antwortete Nerissa. „Wir gehen doch zusammen hin, nicht wahr?“

Michiru nickte. „Klar. Wie jedes Jahr.“

Haruka war sich sicher, daß Nerissa das nur gefragt hatte, um ihr klarzumachen, daß sie erst gar nicht auf die Idee kommen sollte, daß Michiru vielleicht mit ihr zum Ball ginge. Dabei war das wirklich das Letzte, was Haruka vorgehabt hatte. Sie konnte tanzen – das hatte sie im Internat lernen müssen – aber sie hatte keine Lust, sich auslachen zu lassen. Und das war sie gewohnt. Alle lachten sie aus, wenn sie Kleider trug. Das paßte nicht zu ihrer maskulinen Erscheinung.

„Mit wem gehst du auf den Ball, Tenô Haruka?“ fragte Nerissa spitz.

„Stell dir vor“, gab Haruka ebenso spitz zurück, „ich habe keine Lust, meine Zeit auf diese Weise zu vergeuden. Es ist nicht jeder verrückt nach Bällen.“

„Was man ja verstehen kann“, bemerkte Nerissa dreist und musterte Haruka abschätzig von oben bis unten.

Vorwurfsvoll sah Michiru sie an. „Nerissa, du hattest mir doch versprochen...“, begann sie, als Nerissa ihr ins Wort fiel: „Jaja, ich weiß. Komm, laß uns gehen.“

Haruka starrte sie böse an, sagte jedoch nichts.

„Ich finde, du solltest auf den Ball gehen, Ruka“, meinte Michiru im Weggehen. „Sonst verpaßt du was.“

„Mal sehen“, murmelte Haruka.

Die beiden entfernten sich, und Haruka bekam nur noch mit, wie Nerissa mit hochgezogener Augenbraue fragte: „Ruka!?“

Wie albern, dachte sie. Ihr Blick fiel auf das Plakat. Sie erinnerte sich, wie sie im Internat oftmals mit einem Smoking zur Tanzstunde aufgekreuzt war und die Lehrerin regelmäßig einen Wutanfall bekommen hatte. Und sie überlegte, ob sie das hier nicht auch machen sollte. Andererseits vielleicht eher nicht, schließlich hatte sie keine Lust, sich wochenlang die Vorwürfe ihrer Tante anzuhören, die darüber bestimmt von Dr. Tomoe in Kenntnis gesetzt werden würde.

Als sie dies am Nachmittag Michiru gegenüber erwähnte, lachte diese. „Das wäre mal was anderes“, grinste sie. „Ich würde zu gern Tomoes Gesicht sehen, wenn eine seiner Schülerinnen im Smoking kommt! Obwohl, bei dir würde er es wahrscheinlich gar nicht bemerken. Du siehst ja sowieso aus wie ein Junge.“

„Danke“, lachte Haruka gutgelaunt, „das nehm ich als Kompliment.“

„So war es auch gemeint. Aber im Ernst, vielleicht solltest du es wirklich lassen. Sowie ich deine Tante kenne, reibt sie dir das noch Monate später unter die Nase. Aber ich helf dir gern, wenn du nicht weißt, was du anziehen sollst.“

Haruka schüttelte den Kopf. „Danke, das ist nicht nötig“, erklärte sie kurzangebunden. „Ich gehe nämlich ohnehin nicht.“

„Wie bitte?“

„Wieso, das hab ich doch schon heute morgen zu Nerissa gesagt.“

„Ja, aber ich dachte, du sagst das, um sie zu ärgern oder so“, wunderte sich Michiru. „Ich kenne niemanden, der sich einen Ball wie diesen entgehenlassen würde.“

Haruka lehnte sich mit verschränkten Armen gegen ihren Kleiderschrank. „Schön, dann bin ich eben die Erste“, erklärte sie schroff.

„Es macht nichts, wenn du alleine hingehst“, versuchte Michiru sie weiter zu überzeugen. „Die meisten gehen alleine hin. Und niemand verlangt von dir, daß du tanzt. Hauptsache, du bist dabei. Es macht irre Spaß, du wirst schon sehen.“

„Es geht nicht darum, daß ich niemanden habe, der mit mir hingeht. Ich komme gut allein klar. Ich hab erstens keine Lust auf solchen Mist und zweitens denke ich nicht daran, mich in einem der Kleider lächerlich zu machen, die meine Tante mir die ganze Zeit schenkt. Wenn ich nur schon an die gräßlichen Fummel denke, wird mir schlecht.“

Michiru lachte. „Keine Lust laß ich nicht gelten! Und wegen der Kleider... zeig mal her.“

Wortlos trat Haruka zur Seite, und Michiru öffnete den Kleiderschrank. Darin herrschte ein heilloses Durcheinander, aber schließlich fand Michiru, wonach sie gesucht hatte.

„Na jaaa“, sagte sie gedehnt. „Nicht schlecht, aber über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten.“ Sie betrachtete das enge, schwarze Kleid mit dem kurzen Rock und das kurze, bunte Minikleid seufzend.

„Meine Rede“, pflichtete ihr Haruka bei, „damit kann ich auf keinen Fall gehen.“

„Komm mal mit“, entschied Michiru und hängt die Kleider in den Schrank zurück.

„Wohin?“ fragte Haruka erstaunt, aber Michiru antwortete nicht und führte sie ins Nachbarhaus in ihr Zimmer.

Haruka war das erste Mal auf Michirus Zimmer. Normalerweise kam Michiru immer zu ihr hinüber. Das Zimmer war größer und heller als Harukas. Es hatte zwei große Fenster und war modern eingerichtet. Auf einem kleinen Glastischchen stand ein Laptop, der farblich genau auf die übrige Einrichtung abgestimmt war. An den Wänden hingen Bilder, die Michiru gezeichnet hatte. Es gab eine tolle Stereoanlage und einen Fernseh mit Videorecorder, und in einer Ecke stand ein Notenständer, und daneben lag die kostbare Geige auf einem Ständer. Auf dem Schreibtisch lag ein kleines Handy. Der Boden war mit Parkett ausgelegt. Es roch irgendwie elegant, und dazu lag noch ein Hauch eines betörenden Parfüms in der Luft.

„Warte, laß mich mal sehen“, murmelte Michiru, öffnete ihren großen Kleiderschrank und begann darin herumzukramen. „Hm, dieses türkisfarbene ziehe ich an. Es steht mir am Besten, findet Nerissa. Ich hab nicht viel, das dir passen könnte, aber manchmal vererbt mir meine Patentante was, und da dürftest du gerade noch reinpassen.“

Haruka sah an sich herunter. Wenn die Patentante die gleiche zierliche Statur hatte wie Michiru und deren Mutter, dann bezweifelte sie das.

Michiru lachte, als sie ihren skeptischen Blick bemerkte. „Meine Tante ist dir von der Größe her ebenbürtig“, erzählte sie. „Wenn sie nicht das Haar lang tragen würde, könnte man sie – mit etwas Phantasie allerdings – auch für nen Jungen halten.“ Sie fischte ein paar Kleider aus ihrem Schrank. „Los, anprobieren!“ befahl sie. „Ich dreh mich solange auch um.“

Während Haruka aus Hose, T-Shirt und Sakko schlüpfte, tat Michiru, als wäre sie intensiv damit beschäftigt, nicht existierende Falten aus ihrem langen rosa Rock zu streichen.

Haruka zwängte sich zuerst in ein sehr enges, schwarzes Kleid – das allerdings so kurz war, daß man kaum noch Kleid dazu sagen konnte.

„Verdammt, ist das vielleicht eng! Da kriegt man ja kaum Luft!“ stöhnte sie.

Michiru wandte sich um. Sie starrte Haruka an. „Wahnsinn“, sagte sie überrascht, „daß dieses Kleid steht dir besser als mir. Es bringt deine tolle Figur erst richtig zur Geltung.“ Bewundernd ging sie um die Freundin herum.

Haruka fühlte sich entsetzlich eingeengt. Alles zwickte und juckte, und am liebsten hätte sie sich überall gekratzt. Sie fühlte sich furchtbar unbehaglich und unbeholfen, ihre ganze Selbstsicherheit war verschwunden. „Es ist so verdammt eng!“ jammerte sie und versuchte ihren Rock weiter herunterzuzerren, der ihr nur bis knapp über den Po ging.

„Laß das, das gehört so“, sagte Michiru. Dann schüttelte sie den Kopf. „Aber du hast recht, es ist erstens zu eng, und zweitens bewegst du dich darin wie... nein, das sage ich jetzt besser nicht. Außerdem ist so ein kurzes Kleid wohl doch nicht das Richtige für den Ball. Nimm dieses hier.“ Sie reichte ihr ein weiteres Kleid.

Als nächstes probierte Haruka ein langes, gelbes Kleid, das einen weiten Ausschnitt hatte. Es war zwar wesentlich bequemer, aber Haruka fand die Farbe entsetzlich. Das nächste Kleid war hellblau und ähnlich geschnitten wie das gelbe, aber viel zu weit, wie Michiru fand. Und zu lang, dachte Haruka bei sich, als sie zum dritten Mal auf den Saum getreten und beinahe gestolpert war. Dann hatte ihr Michiru ein weiteres Kleid bereitgelegt, aber obwohl Haruka der schlichte Schnitt und das dezente Weiß zusagten, war es ihr oben herum viel zu eng und unten zu kurz. Laut Michiru sollte es bis an die Knöchel reichen – Haruka ging es lediglich bis an die Knie. Und ein anderes Kleid lehnte Haruka gleich von vornherein ab, da es sie zu sehr an ein Ballkleid aus „Die Schöne und das Biest“ erinnerte.

„Das war’s dann wohl“, bemerkte Haruka erleichtert, und Michiru nickte und räumte seufzend die Kleider wieder in ihren Schrank.

Mrs. Kaiou kam herein. Als sie Haruka sah, blieb sie überrascht stehen. „Ach, ich wußte gar nicht, daß du Besuch hast, Liebling! Grüß Gott, Miss Tenô! Ich habe mich ja noch gar nicht bei Ihnen bedankt, daß Sie sich so nett um Michie-Chan gekümmert haben, als wir neulich den Streit hatten.“

„Mama“, murmelte Michiru und wurde rot. Offensichtlich war ihr das peinlich.

„Was macht ihr denn?“ fragte Mrs. Kaiou mit einem Blick auf das weiße Kleid, das Michiru gerade in den Schrank hängen wollte.

Michiru erzählte von Harukas „Kleiderproblem“, wie sie es nannte. „Weißt du nicht ein Kleid, in dem Haruka nicht allzu feminin, aber auch nicht zu maskulin wirkt und das nicht zu eng, zu weit, zu lang und zu kurz ist und an den richtigen Stellen perfekt sitzt?“ fragte sie.

„Ich glaube, ich wüßte da etwas“, überlegte Mrs. Kaiou und ging hinaus. Wenig später kam sie mit einem violetten Kleid zurück. „Ziehen Sie’s an“, forderte sie Haruka auf.

Michiru wandte sich sofort dem Schrank zu und fing an, ihre Kleider ordentlich aufzuhängen. Mrs. Kaiou begutachtete derweil das Kleid, das Michiru sich für den Ball ausgesucht hatte. „Darin siehst du sicher bezaubernd aus, Michie-Chan“, sagte sie liebevoll und strich ihrer Tochter über das Haar. „Es paßt perfekt zu dem Kleid, das ich Miss Tenô gegeben habe. Ihr werdet beide die Stars des Osterballes sein, und die Jungen werden sich darum prügeln, mit euch zu tanzen. Hab ich nicht recht?“

„Sicher“, murmelte Michiru nur.

Haruka, die sich gerade in das Kleid zwängte, warf ihr einen schnellen Blick zu. Ihre Eltern wußten also noch immer nichts.

„Ich freue mich, daß du mit Miss Tenô auf den Ball gehst und nicht mit Miss Goku“, fuhr Mrs. Kaiou ahnungslos fort. Offenbar hatte sie das Ganze gründlich mißverstanden.

Haruka hätte ihr wohl nicht widersprochen, wenn sie an Michirus Stelle gewesen wäre. Aber Michiru war zu ehrlich, um ihre Mutter im Glauben zu lassen, sie würde gemeinsam mit Haruka zum Ball gehen.

„Ich gehe natürlich mit Nerissa hin“, sagte sie und preßte die Lippen aufeinander.

„So“, erwiderte Mrs. Kaiou nur, aber ihr mißmutiges Gesicht sprach Bände, was sie davon hielt.

„Ich bin soweit“, brachte sich Haruka wieder in Erinnerung.

Michiru und ihre Mutter wandten sich um, dankbar für die Unterbrechung. Beide sahen sie Haruka zuerst sprachlos an, dann pfiff Michiru durch die Zähne.

„Wow“, meinte sie anerkennend, „das Kleid sieht spitze an dir aus! Wenn du damit immer noch nicht zum Ball gehen willst, ist dir auch nicht mehr zu helfen!“

„Wirklich außerordentlich, wie dieses Kleid an Ihnen zur Geltung kommt, Miss Tenô!“ pflichtete Mrs. Kaiou ihr bei.

Haruka betrachtete sich in Michirus großem Wandspiegel. Sie erschrak fast, so fremd kam sie sich vor. Das Kleid betonte ihre Figur ungemein. Es war eng geschnitten und knöchellang. Eine Schulter war frei, über die andere verlief der Stoff des Kleides wie bei einer Schärpe.

„Du siehst klasse aus“, rief Michiru begeistert. „Aber warte, da fehlt noch etwas.“ Sie kramte in einer Schublade und förderte etwas daraus zu Tage, das sie Haruka um den Hals hängte. Es war ein länglich geformter Bernstein, der an einem schwarzen Band hing.

„Aber Michiru“, sagte Haruka verlegen. „Das willst du doch sicher selbst tragen, oder?“

„Nein, ich hab ein anderes. Du bist Wassermann, und das heißt, dein Schutzedelstein ist der Bernstein. Aber ich als Fischemädchen muß einen Aquamarin tragen“, erklärte sie lächelnd.

„Trotzdem kann ich es nicht annehmen.“ Die Freundlichkeit der Kaious machte Haruka schon richtig verlegen.

Michiru lächelte sie an. „Doch, das kannst du, Ruka. Ich schenke es dir. Das Kleid auch. Du weißt schon, warum.“

„Sie sollten das Kleid in Ehren halten“, meinte Mrs. Kaiou freundlich. „Es steht Ihnen großartig! Viel besser als mir oder meiner Tochter.“

„Ja, das... werd ich machen“, murmelte Haruka.

„Es läßt dich weiblicher aussehen“, grinste Michiru und zwinkerte ihr zu.

Haruka verdrehte die Augen. „Die Bemerkung war wirklich nötig, Michiru“, knurrte sie.

Aber sie war ihr nicht böse. Wenn Kleider auch nicht gerade ihr Ding waren, so würde sie wenigstens nicht ausgelacht werden auf dem Ball. Und sie konnte sich nicht helfen, sie freute sich darauf!



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