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Von Jenseits des Schwarzen Schleiers

Sirius Black sieht auf sein Leben von hinter dem Schwarzen Schleier zurück
von

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Das zweite Jahr

Kapitel 2

Das zweite Jahr

Quidditch

I

m Hogwarts Express sitzen Remus, Peter und Lily bei uns im Abteil. Sie kabbelt sich wieder ein bisschen mit James. Er kehrt den großen Macker raus (Heute würde man sowas als Macho bezeichnen, aber damals gab es diesen Begriff noch nicht) und sie weiss auch nur zu genau, was sie will. Ich finde das einfach nur witzig, denn wenn man genau aufpasst, merkt man nämlich, dass sich die zwei echt gern haben. Es ist nur so, dass sie dauernd klarstellen müssen, wer das Sagen hat.

Peters Augen flitzen zwischen ihnen hin und her, als würden sie einem Quaffel bei einem Quidditch Match folgen. Aber nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, hält er ihre Kabbelei für einen echten Streit. Nun, ich habe nicht die geringste Lust, ihn eines Besseren zu belehren, denn vielleicht irre ich mich ja auch, obwohl ich das nicht glaube. Ich muss unbedingt mit Remus darüber reden, wenn ich ihn mal wieder alleine erwische.

Es sind wirklich Testspiele für unsere Quidditch Mannschaft ausgeschrieben und James ist ganz aufgeregt. Es wird tatsächlich ein neuer Sucher benötigt.

„Mensch – Leute – Samstag – Testspiel“, kommt er zum Frühstück herunter gekeucht.

So aufgeregt habe ich ihn nur an dem Tag erlebt, als er Lily zum ersten Mal gesehen hat.

„Setz dich erst mal, James“, sagt Remus zu ihm, „und komm wieder zu Atem. Dann erzähl uns, worüber du so begeistert bist.“

Er folgt dem Rat, setzt sich und zieht sein Frühstück zu sich hin.

„Ich hab doch die ganze Zeit, wo du nicht bei uns warst Moony, mit Sirius für Quidditch trainiert, weil ich doch versuchen wollte, Sucher in unserer Haus-mannschaft zu werden und jetzt brauchen sie wirklich einen Sucher. Am Samstag sind die Testspiele für alle Hausmannschaften. Ihr kommt doch hin, oder?“

„Klar kommen wir hin, oder Jungs?“ bestätige ich.

Die beiden anderen nicken. Peter ist schon wieder entsetzlich aufgeregt und verherrlicht James so sehr, dass es fast nicht mit anzuhören ist. Lily wirft auch schon wieder giftige Blicke in James Richtung.

„Peter“, sage ich also, „Lass das doch, du machst den guten Prongs noch ganz verlegen.“

Er wirft mir einen fast beleidigten Blick zu und schweigt dann verdrossen. James schaut mich an und zieht fragend die Augenbrauen hoch. Ich nicke zu Lily hinüber und er versteht, zuckt aber nur die Schultern.

„Lass sie doch“, brummt er in seinen nichtvorhandenen Bart hinein.
 

Samstag. Die Testspiele.

Wir sitzen auf den Tribünen und sehen den Anwärtern zu. Sie fliegen alle wirklich gut, aber keiner so außerordentlich wie James. Es dauert nur Sekunden, bis er den Snatsch gefangen hat. Als unser Team die Entscheidung verkündet, James als Sucher aufzunehmen, springen wir auf und klatschen und jubeln unserem Freund zu. Hat er sich verdient.

Remus läuft zu ihm hinüber, aber ich habe etwas Interessanteres gesehen. Ich bin ziemlich aufgedreht darüber, dass James seinen Wunsch erfüllt bekommen hat und Peter hat das Selbe gesehen, wie ich. Uns beide reitet der Schalk, als wir dem Gesehenen hinterher eilen. Es ist mal wieder der alte Snivellus, der unsere Spötterlaue erregt hat und er latscht über den Rasen zur Schule hinauf. Die Schultern hat er eingezogen, wie eine Schildkröte und seine Nase schleift fast über den Boden.

„Sieh an, der alte Snivellus!“ rufe ich, als wir fast mit ihm gleichgezogen haben.

Er wirbelt herum.

„Was willst du, Black!“ faucht er mich an.

Himmel, sieht der Knabe sauer aus.

„Ach weist du“, spotte ich, „ich wollte nur sehen, ob du mit deinem Riesenzinken den Rasen pflügen kannst.“

Peter steht hinter mir und kichert hämisch. Ich höre eilige Schritte und James schließt mit Remus zu uns auf. Auch James konnte Snape noch nie leiden.

„Na sowas, Snivellus“, ruft er stichelnd. „Gar nicht versucht, in eure Hausmannschaft zu kommen?“

Ha, ha, der und Hausmannschaft.

„Snivelly und Quidditch?“ verspotte ich ihn weiter. „Hast du vergessen wie der fliegt?“

Snapes Gesicht nimmt die Farbe einer reifen Tomate an, war er vorher schon wütend, dann ist er jetzt echt stinksauer.

„Halts Maul, Black!“ faucht er mich erneut an.

„Na, na, du Schleimbeutel, das hat wohl gesessen?“ grinse ich ihn unverschämt an.

Es macht unheimlich Spaß, ihn so zu reizen. Es sind zu viele Lehrer im Gelände unterwegs, als dass er es wagen dürfte, seinen Stab zu zücken und außerdem sind wir zu viert. Nun ja, ich weis nicht, ob Remus mitmachen würde, denn er sieht nicht so aus, als wäre er einverstanden mit dieser Begegnung und eine steile Falte ist zwischen seinen Augenbrauen erschienen. Peter jedoch scheint diese Demütigung Snapes nicht zu genügen. Er flitzt an mir vorbei und zupft an Snivellys schäbiger Robe. Er zieht sie hoch und man kann seine blassen Beine und die verwaschene Unterhose sehen.

Snivellus ist außer sich vor Wut und stößt Peter mit aller Kraft zurück. Dieser läßt jedoch seine Beute nicht los und Snapes Robe reißt von oben bis unten auf. Es sieht verflixt komisch aus und James und ich, wir biegen uns vor Lachen. Peter schaut um Bestätigung heischend zu uns auf, aber Remus schüttelt ablehnend den Kopf.

Plötzlich wird Snapes Blick eiskalt und seine Augen so leer, wie schwarze Löcher. Er schüttelt sein fettiges Haar zurück, richtet sich auf und nimmt seine Robe zusammen. Mit einem Mal wirkt er, als sei er der

Überlegene. Er wendet sich ab und will gehen, doch Peter verdirbt ihm den ehrenhaften Abgang. Er stellt ihm ein Bein und Snivellus stürzt, mit dem Gesicht voraus auf die Steintreppe. Als er mit einem tödlichen Blick zu uns hochschaut, sehe ich dass er aus Nase und Mund blutet.

Remus packt James am Arm und zieht ihn die Treppe hinauf, heraus aus der Gefahrenzone. Peter kichert immer noch und ich kann nicht anders, als das Selbe zu tun, während wir unseren Freunden folgen.

In den nächsten Tagen ist Moony ganz schön wortkarg. James schiebt es auf den sich nähernden Vollmond, aber ich denke, dass es etwas anderes sein muss. Ich will mit Remus reden, aber ohne James und Peter. Die Gelegenheit bietet sich, als James beim Training ist und Peter für ihn den Besenträger spielt, damit er dabei zuschauen darf.

„Ey, Moony, was ist los mit dir“, frage ich ihn, als wir im Gemeinschaftsraum unsere Hausaufgaben erledigen. „Du hast in den letzten paar Tagen kaum mal ein Wort gesagt.“

Er schaut mich ausdruckslos an und schüttelt schweigend den Kopf. Wieder steht diese steile Falte zwischen seinen Augen.

„Nun, red schon, Kumpel“, dränge ich ihn.

„Das Ding letztens…“ murmelt er.

„Welches Ding?“

„Dieses gemeine Ding mit Snape“ antwortet er bestimmt.

Ich habe diese Begegnung mit dem schon fast vergessen, denn so wichtig ist die mir kaum erschienen.

„Ach komm schon, Moony, wir haben ihn doch blos ein bisschen verarscht.“

„Na ja, das war zwar auch nicht gerade nett, aber das ist normal. Aber das, was Peter gemacht hat, war wirklich fies und ihr beide steht nur daneben und lacht euch schief und haltet ihn nicht zurück.“

„Ach komm, es war doch echt zu komisch.“

„Zu komisch? Wie würdest du dich fühlen, wenn dir plötzlich jemand die Robe runter reißt und du fast nackt vor der halben Schule stehst? Ich kann Snapes Haltung nur bewundern. Er war wütend, ja, aber er hat versucht seine Würde zu bewahren und selbst das hat Peter ihm verdorben. Snape hat sich ziemlich wehgetan, er hat sogar geblutet und da hört der Spaß wirklich auf.“

„Du hast ja auch nichts gesagt.“

„Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich meine besten Freunde vor einem ungepflegten Sonderling wie Snape angehe, oder? Nun, du hast mich gefragt, was ich habe und jetzt weist du es.“

Er packt seine Bücher zusammen, steht auf und geht.

Wow, jetzt hat er mir aber die Meinung gesagt. Nun, irgendwie hat er Recht, aber Snape ist einfach ein zu gutes Opfer und es wäre ja nicht so, dass er ein armes, hilfloses Würstchen ist. Er weiss sich seiner Haut durchaus zu wehren und seine Flüche sind echt gemein. Ich möchte keinen Streit mit Remus, nur wegen dem alten Snivellus haben und entschließe mich, ihm nachzugehen.

Moony ist uns sehr lange beleidigt und spricht nur das Nötigste mit uns. Ich habe mit James darüber geredet und er hat nur gemeint:

„Lass ihn, das legt sich schon wieder. Ich lass mir von keinem, außer meinen Eltern sagen, wie ich mit anderen umgehen soll.“

Mehr als ein Monat vergeht.

James trainiert jetzt sehr viel für Quidditch und Peter ist immer mit dabei. Remus schmollt noch immer und ich hänge häufig alleine ab. Mir wird immer sehr schnell langweilig und ich überlege, was ich tun kann. Nun, da wäre immer noch Hagrid und ich beschließe, ihn in seiner Hütte zu besuchen.

Gedacht, getan.

Heute ist Halloween und gestern war Vollmond. Es ist schon fast dunkel und recht frisch, als ich über das Gelände in Richtung Verbotener Wald gehe, wo Hagrids Hütte steht. Ich klopfe an die Tür und sein riesiger Köter beginnt zu bellen. Hagrid öffnet.

„Ach, du bist as, Sirius, kimm eini“, brummelt er in seinen Bart und schiebt den Saurüden weg, damit ich die Hütte betreten kann.

Drinnen sitzt Remus wie verloren auf einem Küchenstuhl und sieht entsetzlich aus.

„Moony!“ entfährt es mir erschrocken. „Was ist denn mit dir passiert?“

Er blickt nicht auf, starrt nur vor sich in den Boden, als wäre der das Interessanteste, das er je gesehen hat. Seine Robe ist völlig zerfetzt und seine Haare sind mit Blut verklebt.

„In an Vabotanan Woid is ea g´streunt. De Zentauren ham des gar ned meg´n. Ham eam de hoibe Nacht g´jagt, bis ea wieda a Mensch war. Wia de Madame Pomfrey eam in da Fria ned in da Heulanden Hütt´n g´fund´n hod, is s zu mia kemma. Und i hob eam g´sucht und vor oana hoib´n Stund´n aa g´fund´n. A Häufal Elend.“

Ich werfe Hagrid einen fragenden Blick zu, als ich endlich in der Lage bin, die Augen von Remus abzuwenden.

„Red du mit eam“, brummt Hagrid, „Mia sogt ea nix. I bin draußd´n, wennst mi brachst.“

Er schnappt sich seinen Hund und verlässt mit langen Schritten die Hütte. Ich knie mich neben Remus auf den Boden und greife nach seinem Kinn, um ihn dazu zu bringen, mich anzusehen. Da leuchtet auch noch ein prächtiges Veilchen und alles ist zerkratzt.

„Mensch, Moony“, sage ich, „immer noch sauer?“

Er sagt immer noch nichts, aber in seinen Augen stehen Tränen und rinnen über meine Hand.

„Moony, Kumpel, sag doch was“, bettle ich.

Plötzlich fällt er mir um den Hals und weint - weint, als würde es ihm die Seele zerreißen.

„Remus, schon gut, beruhig dich doch“, sage ich leise und klopfe ihm besänftigend auf den Rücken.

„Padfoot“, schluchzt er. „Sirius, ich war so sauer auf euch und wollte es euch auch zeigen. Aber dann wusste ich nicht, wie ich wieder anfangen soll, mit euch zu reden…“

„Hey, einfach nur reden. Keiner von uns war sauer auf dich. Aber, jetzt sag, wie bist du in diesen schrecklichen Zustand gekommen?“

Er lässt mich wieder los und schaut mich an, schaut mich ganz genau an.

„Du weist doch, dass ich ein bisschen älter bin als du, oder?“

Ich nicke. Klar weis ich das.

„Diese Verwandlung war schlimmer, als jede zuvor. Ihr habt damals gesagt, dass der Werwolf fast ausgewachsen war … Nun, ich glaube, jetzt ist er es wirklich … Es waren letzte Nacht so viele verlockende Gerüche in der Luft … Die Hütte war so eng … ich habe fast keine Kontrolle über den Wolf … er lebt nach seinen Instinkten … ich weis zwar am nächsten Morgen, was ich als Wolf getan habe … aber wenn ich ein Wolf bin, kann ich nicht entscheiden, was ich tue – das tut das Biest.“

Er stottert und stammelt. Was ist nur mit meinem Kumpel los, so kenne ich ihn gar nicht. Remus, der reden kann, als wäre er ein ausgebildeter Redner.

„Remus, was willst du mir erzählen? Ich verstehe dich nicht ganz.“

„Ich will versuchen, dir zu erklären, was letzte Nacht los war, obwohl ich es selbst nur halb verstehe. Ich habe die Hündinnen im Dorf gerochen und der Geruch hat mich verrückt gemacht. Gewöhnlich weis ich - selbst als Werwolf - dass ich in der Heulenden Hütte zu bleiben habe. Es liegt auch ein Zauber am Ausgang, der nur Menschen und echte Tiere passieren lässt, keine Mischformen. Doch gestern konnte mich der Zauber nicht halten und ich bin unter der Weide heraus und einfach in den Wald gerannt - so weit hatte ich dann doch noch meinen Verstand beisammen, nicht ins Dorf zu laufen - und wie Hagrid schon gesagt hat, die Zentauren mochten das gar nicht.“

„Hm, die Hündinnen im Dorf? Mensch, Moony, ich glaube du bist in der Pubertät und beginnst auf weibliche Wesen zu reagieren.“

„Ich weis, ich hab da auch diese Träume und wenn ich wach werde, klebt alles.“

Er wird rot und dieses Geständnis ist ihm sichtlich peinlich.

„Na und?“ meine ich nur und klopfe ihm auf die Schulter. „Soweit ich weis, ist das ganz normal.“

„Das weis ich auch, aber du verstehst nicht ganz, Sirius … Ich werde es nie in meinem Leben wagen dürfen, etwas mit einem Mädel anzufangen. Ich könnte ein Kind zeugen und das wäre dann ein geborener Werwolf. Ich bin nur durch meine Dummheit einer geworden. Aber, wie auch immer, ich möchte niemand dieses Schicksal aufzwingen, schon gar nicht meinem eigenen Kind … Und du glaubst doch wohl selbst nicht, dass ich was mit ner Hündin anfange. Ich bin zwar n Werwolf, aber nicht pervers, oder?“

„Nee, aber wie wäre es mit einer hübschen Werwölfin, oder werden nur Männer zu Werwölfen?“ meine ich mit einem schiefen Grinsen.

„Sehr komisch, Padfoot“, meint er und findet das sichtlich gar nicht witzig.

„Sorry, ich wollte dich nur etwas aufmuntern“, erwidere ich.

Er grinst ebenso schief zurück und winkt ab.

„Schon gut. Aber ich glaube, du hast jetzt einen Eindruck von meinem Problem. Ich kann doch wohl kaum zu Dumbledore gehen und zu ihm sagen: ‚Sorry, Sir, aber sie müssen den Zauber an der Peitschenden Weide verstärken, mein Werwolf sucht ein Weibchen’, oder?“

Ich lache laut auf und es klingt mal wieder, wie das Kläffen eines Hundes.

„Nee. Wohl kaum.“

In diesem Augenblick beschließe ich, unsere Studien zum Animagus zu beschleunigen, denn Remus braucht wirklich dringend unsere Hilfe.

„Was willst du jetzt machen?“ frage ich ihn.

Er zuckt die Schultern.

„Weis nicht“, sagt er einfach. „Aber noch so ne Nacht brauche ich sicher nicht.“

Ich wüsste schon, was ich ihm vorschlagen könnte, denn ich bin alles andere als unaufgeklärt, bei einem Elternhaus, wie dem meinen, wo dauernd von reinblütigen Verbindungen und ähnlichem Mist geredet wird. Ich bin noch zu jung dafür - das heißt, mein Körper ist es - aber Remus nicht. Ich weis nur nicht, wie ich mich ausdrücken soll, ohne dass es unanständig klingt. Er sieht meinen nachdenklichen Blick.

„Sirius, wenn du eine Lösung weist, dann sag sie mir, ich mach es, was auch immer es ist.“

Er klingt wirklich verzweifelt.

„Ähm…“ setze ich an.

„Red schon, du wirst mir doch wohl kaum vorschlagen, dass ich mich umbringe, oder?“

„Nee du, sicher nicht. Aber ich weis nicht, wie ich es sagen soll, ohne, dass du es in den falschen Hals kriegst.“

„Bestimmt nicht. Sag´s einfach.“

„Machs dir selber.“

„Selber machen?“

„Na das, was in deinen Träumen passiert.“

Er wird noch röter und sein Blick wird unstet.

„Hast Recht“, murmelt er. „Das war jetzt echt peinlich. Aber glaubst du wirklich, dass es hilft?“

„Denke schon. Wenn du deinen Trieb als Mensch befriedigst, wirst du als Werwolf kaum mehr den Hündinnen hinterher laufen.“

Er schaut mich nachdenklich an, dann nickt er.

„Danke, Padfoot“, sagt er einfach.

Mein Blick fällt wieder auf die ganze Gestalt vor mir, nicht nur in Remus leidgeprüftes Gesicht.

„Du solltest unbedingt was gegen das Blut in deinen Haaren unternehmen. So kannst du nicht zum Schloss rauf“, meine ich, stehe auf und gehe zu Hagrids Spüle hinüber, denn dort liegt ein Handtuch, das ich nass machen kann.

„Da“, gebe ich ihm das Tuch. „Wisch dich ab.“

Da er nicht sieht, was er tut, hat er keinen großen Erfolg mit seinen Bemühungen.

„Nee, Moony so geht das nicht. Komm rüber zur Pumpe, dann wasch ich dir das Zeug raus.“

Er steht auf und bewegt sich etwas ungelenk. Die Zentauren müssen ihn gewaltig verprügelt haben, denn normaler Weise bewegt sich Remus mit der Eleganz einer Katze. Er bückt sich über das Becken und ich beginne, das Wasser aus der Pumpe zu befördern.

„Shit!“ ruft er. „Ist das kalt!“

„Halt still, dann ist es gleich vorbei“, drücke ich seinen Kopf in den Strahl.

Nur gut, dass Remus sehr kurzes Haar hat, sonst hätte ich das Blut nie raus bekommen ohne ihm den halben Skalp auszureißen. So ist es wirklich recht schnell vorbei. Er taucht vor mir auf und beutelt sich wie ein nasser Hund.

„Danke“, sagt er nochmals. „Sollen wir ins Schloss zurück?“

„Nee. Erstmal müssen wir deine Robe noch in Ordnung bringen. Sonst könnte jemand die falschen Fragen stellen.“

Ich zücke meinen Stab und „Reparo!“ sieht Remus wieder vorzeigbar aus.

„Jetzt können wir gehen. Das Fest fängt auch gleich an.“

Er grinst wieder sein übliches schiefes Grinsen und nickt. Vor der Tür verabschieden wir uns noch von Hagrid und gehen zum Schloss hinauf.
 

Remus hat nie wieder etwas gesagt, wenn wir es zu toll mit Snape trieben und wenn doch, hat er hinterher nie wieder geschmollt. Nur seine Blicke, die sprachen Bände…


 

Animagipläne

B

eim nächsten Vollmond sitze ich mit James mitten in der Nacht in einem leeren Zimmer des Schlosses und habe ein wirklich ernsthaftes Gespräch mit ihm. Wir waren gerade in der Küche und haben uns etwas zum Essen gemopst. Hähnchenschenkel.

Wir kauen an den Dingern herum, während wir uns unterhalten. Er weiss nichts Genaues über mein Gespräch mit Moony, denn ich weis nicht, ob ich mit ihm überhaupt schon über dieses Thema reden sollte. Ich erzähle ihm so von der ganzen Sache, als wenn Remus einfach nur aus schlichter Langeweile einen Mondscheinspaziergang im Verbotenen Wald unternommen hätte und dabei von den Zentauren erwischt worden wäre.

„…verstehst du Prongs, wir müssen einfach was unternehmen, dass er nicht mehr länger alleine sein muss, wenn er ein Werwolf ist.“

„Die Animagi…“ seufzt James. „Ich habe schon in den Sommerferien alle Bücher studiert, deren ich habhaft werden konnte - Du weist schon, solange du noch in Grimmauld Platz warst – Aber die Verwandlung ist so komplex, dass es mindestens noch zwei Jahre dauern wird, bis wir damit Erfolg haben. Auch werden wir uns sehr vorsehen müssen, dass niemand mitbekommt, was wir da vorhaben.

Einmal, weil der Zauber so irre vertrackt ist und so schrecklich leicht schief gehen kann. Zum anderen, weil man einen Animagus gewöhnlich beim Ministerium für Magie anmelden muss und das würde es wohl kaum ein paar Minderjährigen genehmigen, dass sie als Tiere rumlaufen. Schon gar nicht mitten in der Nacht bei Vollmond mit nem Werwolf.“

„Puh“, stoße ich aus. „Du hast ganz schon geschmökert, oder?“

„Yeah. Vergiss nicht, nicht nur dir liegt was an Moony, mir schon auch. Auch wenn ich mir von ihm keine Vorschriften machen lasse, ist er doch mein Freund, verstehst du?“

„Yeah. Klar. Aber du musst nicht die ganze Arbeit alleine machen, ich trag schon auch meinen Teil dazu bei.“

„Wirst du auch müssen. Die eigentliche Verwandlung kannst du nur selbst bewerkstelligen. Sicher, ich könnt dich in n Tier verwandeln, aber das wär dann kein Animagus und du könntest dich auch nicht selbst zurückverwandeln.

Und dann ist da auch noch Peter. Ich hör ihn immer noch quieken ‚Ich will auch mitmachen. Animagi und mit einem Werwolf rum rennen.’ Die dumme Niete.“

„Aber du bestätigst ihn doch immer darin, um dich rum zu spinnen.“

„Es gefällt mir halt. Ich finde es urkomisch, wenn er sich so aufführt. Aber du hast Recht, jetzt müssen wir den Preis dafür zahlen. Ich hab keinen Plan, wie er sich verwandeln will, ohne dass es schief geht.“

„Yeah. Magisch ist er eine echte Niete. Andererseits, können wir ihm vielleicht dabei helfen, wenn wir erst mal genau wissen, wie die Verwandlung genau funktioniert.“

„Richtig. Wir sind ja selbst noch nicht so weit. Was anderes: In was willst du dich eigentlich verwandeln?“

„In was wohl? In Padfoot natürlich!“

„Und wie soll Padfoot aussehen?“

„Ich dachte an nen großen, schwarzen Hund. Groß genug, dass er mit nem Werwolf fertig wird.“

„Yeah. Dann werd ich zu Prongs. Auch ein Hirsch ist groß und schnell genug, um mit einem Werwolf mitzuhalten.“

Ich muss lachen. Es ist eine echt witzige Idee unsere Spitznamen als Animagi zu benutzen.

„Wir können dann sogar darüber reden, ohne dass ein anderer weiss, wovon wir reden. Alle sind diese Spitznamen nur zu gewohnt.“

James grinst mich an und seine Augen funkeln und ich weis, er träumt mal wieder von neuen tolldreisten Abenteuern.

Doch vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt. Es bedeutet viele Stunden Arbeit in der Bibliothek und James muss auch noch für Quidditch trainieren. Auch müssen wir es vor Remus geheim halten. Nicht leicht, besonders, weil - um allem noch die Krone aufzusetzen - die Bücher, die ich brauche in der Verbotenen Abteilung der Bibliothek stehen.

Da kommt mir ein Zufall zur Hilfe.

Als ich mich in der Bücherei rum drücke, um eine günstige Gelegenheit abzupassen, sehe ich, wie ausgerechnet Snape, dem Bibliothekar Mr Atoz einen Kuchen vor die Nase stellt und als der beginnt, sich damit zu befassen, blitzschnell in die Verbotene Abteilung verschwindet. Echt nicht dumm, der alte Schleimbeutel: So lenkt man den alten Drachen also ab.

Ich spreche mich mit James ab.

Der schickt umgehend seine alte Schuhu los, damit sie ihm Kuchen besorgt. Man sieht es den Potters zwar nicht an, aber sie sind alles andere als arm. James hat immer genügend Gold zu Verfügung, im Gegensatz zu mir und das, obwohl meine Familie echt reich ist.

Auch bei mir klappt der Trick mit dem Kuchen und ich schleiche mich in die Verbotene Abteilung. James hat mir einen kleinen Zauber gezeigt, der mir jetzt hilft.

„Duplex!“ flüstere ich und die Seiten, die ich brauche, werden auf Pergament kopiert, das ich mitgebracht habe. Echt praktisch. Es dauert nicht lange und ich habe genügend Informationen. Das Pergament verstecke ich in der Innentasche meiner Robe und verdrücke mich wieder klammheimlich aus diesen Räumen.

Weihnachten kommt und ich werde die Feiertage wieder bei James verbringen. Meine Mutter hat mir einen regelrechten Drohbrief geschrieben, dass ich mich ja nicht in Grimmauld Platz blicken lassen soll, sie und mein Vater wären ohnehin nicht zu Hause.


 

Arbeitsame Feiertage

R

emus verbringt Weinachten zu Hause. Zum einen, weil wieder mal Vollmond angesagt ist, zum anderen, weil er das Fest bei seiner Familie ver-bringen will. Schließlich liebt er seine Leute und Peter ist ohnehin nie mit dabei in Godrics Hollow. Er will immer zu seiner Mutter, denn einen Vater gibt es nicht.
 

Kaum sind wir bei James zu Hause angekommen, schleppt der auch schon alle Bücher herbei, die wir brauchen können und ich packe meine Kopien aus.

Wir lesen, diskutieren und üben. James hat einen kleinen Zauber (Intimo Ferrendum) gefunden, der es uns ermöglicht, Magie zu betreiben, ohne dass das Ministerium davon Wind bekommt.
 

Erst jetzt, hinter dem Schwarzen Schleier, erfahre ich, dass Snivellus jahrelang den Selben Zauber benutzt hat, um seine Träne heimlich brauen zu können. Na sowas…!
 

Wir üben kleinere und größere Verwandlungen. Orion und Schuhu müssen nicht selten als Versuchsobjekte herhalten, ebenso wie James Besen, der Ball, mit dem wir Quidditch trainiert haben und unsere Hausschlappen. Wir haben es bisher noch nie nötig gehabt, viel zu lernen und so ist das jetzt etwas ziemlich Neues für uns, aber es macht Spaß.

Was allerdings Mrs Potter dazu gesagt hätte, wenn sie mitbekommen hätte, was wir mit ihrem Gummibaum angestellt haben, daran wage ich gar nicht zu denken. Wir haben dann auch ganz schnell einen Neuen besorgt.

Zu Weihnachten erwartet mich dieses Mal eine ganz besondere Überraschung. Mr Potter hat einen Arbeitskollegen aus dem Ministerium mitgebracht und stellt ihn uns verschmitzt grinsend vor.

„Ich kenne den guten Alphard schon ewig, aber erst jetzt ist mir der Familiennamen aufgefallen – Black – und ich habe nachgefragt. Sirius, darf ich dir deinen Onkel vorstellen.“

Mir fällt die Kinnlade herunter und ich starre den fremden Mann an. Nun, eine gewisse Familienähnlichkeit ist vorhanden. Schwarze Augen, schwarze Haare, die bereits anfangen grau zu werden, schlank, groß, gutaussehend.

„…und du bist also mein Neffe“, sagt er. „Der Sohn von Kassiopeia?“

Ich nicke wortlos, denn ich bin völlig baff und ich dachte immer, meine Familie bestünde nur aus schwarzen Magiern, aber Mr Potter würde nie ein solches Individuum in sein Haus bitten.

„Aber wie? … Was?“ stammle ich.

„Wir haben uns nie kennengelernt, mein Junge, weil mich die Black Familie schon vor über dreißig Jahren verstoßen hat, als ich begann, für das Ministerium als Auror zu arbeiten. Natürlich wurde ich sofort enterbt und mir wurde verboten, jemals wieder unser Stammhaus – dein Elternhaus – zu betreten. Und als mir der gute Potter hier erzählte, dass er einen Jungen namens Sirius Black in seinem Hause beherbergt, wurde ich neugierig.“

„Sie … Du … Äh…“

„Onkel Alphard, OK, mein Junge?“

„Onkel Alphard, gut. Äh…?“

„Was möchtest du wissen, Sirius?“

Ich starre ihn immer noch an und muss ziemlich dumm aus der Wäsche schauen, weil James zu kichern beginnt. Ich werfe ihm einen bissigen Blick zu, doch er grinst mich nur weiter an.

„Ich wusste gar nicht“, setzte ich an, „dass es Blacks gibt, die nicht auf der Schwarzen Seite stehen. Ich dachte, ich wäre der erste, der sich abwendet.“

„Nein, mein Junge. Sie reden natürlich nie drüber und tilgen unsere Namen einfach aus ihrem Stammbaum, doch Gott sei Dank bringt selbst ein schwarzer Stall, wie das edle und uralte Haus der Black, von Zeit zu Zeit eine anständige Person zu Stande.

Es ist nie einfach, sich gegen seine Familie zu stellen, mein Junge und entweder hast du es bereits gemerkt oder du wirst du es noch merken, spätestens dann, wenn sie dich rauswerfen und enterben.“

„Dann gibt es also auch noch Familie, die ich nicht zu hassen brauche“, murmle ich.

„Ja, ein paar.“

„Wen?“

„Nun, da ist Andromeda. Sie ist deine Cousine und vielleicht zehn Jahre älter als du. Sie ist mit einem Muggel zusammen und das hat genügt, sie aus der Familie zu verstoßen. Du weist schon … Toujours Pur.“

Ich nicke mit einem schiefen Grinsen.

Yeah. Der Spruch steht über unseren Familienstammbaum im Gästezimmer von Grimmauld Platz.

„Und ich bin selbstverständlich auch noch da. Nun, viele wagen es nicht, gegen das Credo der Blacks zu verstoßen, aber immerhin – es gibt uns - Willkommen im Club, mein Junge.“

Wir verbringen einen sehr interessanten Abend. Ich habe tausend Fragen an Onkel Alphard und er stellt sich als ein fröhlicher, witziger und amüsanter Gesprächspartner heraus.

„…nein, Sirius, da muss ich dich leider enttäuschen“, antwortet er auf meine Frage, ob ich ihn mal besuchen darf, „ich arbeite längst nicht mehr als Auror und das, was ich jetzt tue ist streng geheim. Leider darf ich keinem meinen Wohnsitz offenbaren, der noch minderjährig ist. Bitte frag nicht weiter nach.“

Ich bin zwar ein bisschen enttäuscht, nicke aber mit glänzenden Augen. Sein Leben klingt so spannend, so interessant, so aufregend. Vielleicht werde ich auch mal Auror.

Ein paar Tage später - Onkel Alphard ist längst wieder weg - gehen wir weiter unseren Verwandlungsübungen nach. Die einfachen Verwandlungen – unbelebt zu unbelebt - beherrschen wir inzwischen im Schlaf. Auch die zweite Stufe – unbelebt zu belebt und umgekehrt – fällt uns nicht weiter schwer. Aber die Interspezies Verwandlungen haben den Teufel gesehen. Sie sind verflixt schwierig und wir müssen uns gegenseitig dauernd kontrollieren, damit unseren Versuchsobjekten – bei denen es sich immerhin um unsere geliebten Haustiere handelt – nichts Ernstliches zustößt.

„Das reicht jetzt“, stöhnt James drei Tage vor Ende der Ferien. „Ein bisschen Freizeit möchte ich auch noch genießen.“

„Yeah. Hast Recht. Aber was ist mit den Verschwinde Zaubern?“

„Die haben Zeit bis zu den Osterferien, oder?“

Ich stimme ihm zu und er scheucht mich aus dem Zimmer, das uns in den letzten Tagen doch recht eng geworden ist. James organisiert im Keller einen uralten Holzschlitten, wir packen uns warm ein und suchen uns einen kleinen Hügel zum Schlittenfahren.

Den finden wir auch rasch. Er wird von einer Unmenge Muggelkinder belagert, die sich dort im Schnee vergnügen. Es wird schon bald offensichtlich, dass ein paar größere Jungs die kleineren Kinder tyrannisieren. Ich schaue James fragend an und der zuckt die Schultern.

„Solange sie uns in Ruhe lassen, kann es uns egal sein, was sie sonst machen.“

„Wenn Remus jetzt bei uns wäre, wäre er sicher anderer Meinung und ich denke, dass es nicht richtig sein kann, was diese großen Kerle mit den kleinen Kids anstellen.“

Es ist nämlich so, dass die größeren Burschen, die anderen Kinder umfahren, ihnen einfach die Schlitten wegnehmen oder sie nur so zum Spaß den Hügel hinunter schubsen. Mein Sinn für Fairness fühlt sich schon sehr getroffen.

„Hm“, meint James. „Stimmt schon. So toll finde ich dieses Verhalten wirklich nicht, aber was können wir tun? Magie dürfen wir nicht einsetzen und körperlich sind die uns weit überlegen. Ich kenne diese Kerle, die sind mindestens drei Jahre älter als wir.“

Ich grinse ihn an.

„Wie meinst du, bin ich mit unserem Haus-Boggart fertig geworden, ohne Magie zu benutzen?“

„Du kannst kämpfen?“

„Na ja, hauptsächlich kann ich gut ausweichen. Und du bist auch sehr schnell. Schließlich bist du nicht umsonst unser Quidditch Sucher.“

Jetzt grinsen wir beide. Als wäre es unser Hügel, stolzieren wir darauf zu. James hat mir Muggel Kleidung geliehen. Sie ist mir etwas zu kurz, aber mit den Hosenbeinen in den Stiefeln geht es schon. Wir fallen also nicht weiter auf. Nur unsere Körperhaltung erregt die Aufmerksamkeit der Krawallbrüder und sie kommen auf uns zu.

„Seht mal“, sagt der offensichtliche Anführer. „Zwei niedliche Schnullerbabys. Wenn dass nicht der halbblinde Potter ist…“

Ich wechsle einen schnellen Blick James, der nickt, dann lächeln wir diesen King Cool lieb an. Das provoziert ihn irgendwie.

„Her mit dem Schlitten, Potty“, grummelt er und greift nach der Zugleine.

„Nee“, sagt James einfach und lächelt weiter.

„Was? Wie war das, Potty-Baby?“

„Nee“, wiederholt James.

„Vielleicht musst du ja schreien, Prongs“, meine ich mit einem süffisanten Grinsen. „Damit das in seinen dicken Schädel eindringt.“

„NEE“, brüllt mein Freund.

King Cool scheint nur recht langsam zu kapieren, dass wir ihn gewaltig verarschen.

„Wenn ihr meint, ich bin doof…“

„…dann sind wir genau an der richtigen Adresse“, vollenden wir im Chor den Satz.

Der Kerl brüllt auf, senkt den Kopf und will auf uns zustürmen. James lässt den Schlitten los und macht sich bereit. Ich mache einen Schritt nach rechts, er einen Schritt nach links, der bullige Kerl stürmt stampfend auf uns zu und seine Kumpel feuern ihn eifrig an.

„Gib´s diesen Milchbubis!“

„Hau Potty zu Brei!“

„Mach sie fertig!“

„Mach sie alle!“

Er hat seine dicken Finger zu Klauen verkrümmt und will sie James um den Hals legen. Der weicht ihm so elegant aus, wie er sonst einem Klatscher entkommt und ich stelle King Cool ein Bein. Je größer sie sind, umso tiefer fallen sie.

WUMM! – Schon liegt er mit dem Gesicht im festgetretenen Schnee und schliddert den Abhang hinunter. Er rappelt sich wieder auf und röhrt wie ein wütender Drache. Seine Kumpel wollen ihm zur Hilfe kommen aber er brüllt:

„Zurück, die zwei Rotznasen gehören mir!“

Dieses Mal stampft er auf mich zu. Seine Arme schwingen wild, wie Windmühlenflügel. Rechts – links fliegen seine Fäuste auf mich zu. Ich ducke mich und sie sausen zischend über meinen Kopf hinweg. Der Kerl kommt aus dem Gleichgewicht, stolpert und fällt fast auf mich drauf. Ich lasse mich zu Boden gleiten und rolle mich zur Seite.

Plötzlich packen mich vier kräftige Fäuste und zerren mich hoch. Zwei seiner Kumpel halten mich eisern fest und James steht ihm nun alleine gegenüber. Mein Freund ist nicht umsonst ein exzellenter Quidditch Spieler und weicht dem Bullen mehrmals aus, bis auch er von zwei weiteren Kerlen geschnappt und festgehalten wird. Die Vier zerren uns aufeinander zu und stellen uns vor den King Cool hin.

„Jetzt hab ich euch. Jetzt kriegt ihr die Keile eures Lebens. Du bist sowieso schon lange reif dafür, Potty, wenn ich da an früher denke“, schnieft er durch seine blutige, dicke Nase.

Wir werden zwar festgehalten, aber unsere Oberkörper können wir frei bewegen. Der Bulle zieht aus und will James ins Gesicht schlagen. In diesem Augenblick duckt sich mein Freund und der gewaltige Hieb trifft einen der beiden Jungs, die James festhalten genau aufs Brustbein. Dem bleibt die Luft weg und er lässt meinen Freund los. Dann stürzt er wie ein gefällter Baum zu Boden.

James windet sich von dem anderen frei. Meine beiden Häscher starren den Jungen am Boden an und ihr Griff lockert sich. Sofort tauche ich ab und mit einem Satz stehe ich neben James. Wir werfen uns einen Blick zu. Da haben wir wohl mehr abgebissen, als wir kauen können.

„Rückzug!“ murmelt mir James aus dem Mundwinkel zu und ein Blick streift die fünf drohenden Gestalten.

„Yeah“, gebe ich zurück, „Rückzug.“

Wie ein Mann wirbeln wir herum und rennen davon. James bückt sich nach seinem Schlittenseil und zieht das Ding hinter sich her. Die Bande verfolgt uns wie eine Meute geifernder, mordlustiger Jagdhunde.

„Zum verlassenen Grundstück, Padfoot!“ keucht James mir zu.

„Was willst du dort?“

„Hast du deinen Stab dabei?“

„Yeah. Immer!“

„Dort können wir den Tarnzauber verwenden und dann machen wir die Kerle fertig. Haben sie schon längst verdient.“

Ich lache bellend auf.

„Yeah, machen wir das!“

Wie die Wilden laufen wir durch die winterlichen Straßen, schliddern, rutschen, gleiten aus, aber immer weiter und weiter rennen wir auf unser Ziel zu. James klatscht den Schlitten in die Hecke und dann sind wir wie der Blitz über den Zaun. Die Tatsache, dass unsere Verfolger den auch überwinden müssen, verschafft uns die Zeit den Tarnzauber auszusprechen. Drohend kommen die Fünf auf uns zu und sofort haben wir unsere Stäbe auf sie gerichtet.

„Was habt ihr da doch für feine Stöckchen“, sagt King Cool mit einer winselnden Babystimme. „Wollt ihr uns damit vielleicht verhauen?“

James und ich haben unser Selbstvertrauen wieder, hier sind wir in der Übermacht, auch wenn es nicht so aussieht. Die Sichel unserer Verfolger zieht sich immer enger um uns zusammen, aber James grinst die Fünf recht unverschämt an und auch mein Gesichtsausdruck ist alles andere als nett.

„Petrificus Totalus!“ ruft er und deutet mit seinem Stab auf King Cool.

Gleichzeitig rufe ich „Impedimenta!“ und schwinge meinen Stab über die restlichen vier Kerle. King Cool fällt um, steif wie ein Brett und kann sich nicht mehr rühren. Die vier anderen bewegen sich, als würden sie durch einen Kessel voll Sirup waten.

„Was meinst du, Padfoot? - So willige Versuchskaninchen für ne klassische Humanverwandlung finden wir nie wieder.“

„Yeah“, meine ich. „Bestimmt nicht so schnell.“

Wir grinsen uns dermaßen hinterhältig an, dass die Vier ihre Versuche einstellen, näher an uns dran zu kommen. Eine tollkühne Ruchlosigkeit überkommt mich und ich verwandle einen von ihnen in einen Dachs - es geht ganz leicht und der Verwandelte huscht ziellos über das Grundstück. James schwingt seinen Stab und verwandelt King Cool in ein kleines rosa Schweinchen, das jämmerlich quiekt. Die übrigen drei Helden fallen wie ein Mann in Ohnmacht.

„Rückverwandlung?“ frage ich James.

„Yeah. Sollte wohl sein. Wir müssen ja schließlich wissen, ob es auch klappt.“

Wieder schwingen wir unsere Stäbe und die beiden Jungen sind wieder sie selbst. War genauso einfach. Die Ganzkörperklammer und die Verlangsamungszauber werden von selbst auslaufen und die fünf Krawallbrüder werden schon keinem was davon erzählen. Wer würde ihnen diese Geschichte denn auch glauben?

Sehr vergnügt und äußerst zufrieden mit uns, klettern wir wieder über den Zaun auf die Straße zurück, schnappen uns James Schlitten und gehen rodeln, wie wir es ursprünglich vorhatten.

Als wir wieder am Hügel ankommen, werfen uns die Kinder dort eigenartige Blicke zu. Die Krawallbrüder sind uns mordlüstern nachgelaufen und jetzt kommen wir ohne die kleinste Schramme zurück. Klar, dass sie kucken.

Wir vergnügen uns stundenlang damit, den Hügel hinunter zu fahren und den Schlitten wieder hinaufzuziehen und es macht riesigen Spaß. Die Kids lassen uns in Ruhe und die Rüpel tauchen nicht wieder auf.

Zu Hause will ich von James wissen, was es mit den fünf Rabauken auf sich hatte.

„Weist du“, beginnt er zu erzählen. „Früher als ich noch kleiner war, bin ich häufig mit denen aneinander geraten. Sie hatten es immer auf Bob und Paul abgesehen, die früher neben uns gewohnt haben. Sie haben die beiden verdroschen, dass es eine wahre Pracht war. Irgendwann wurde es mir zu blöde und ich habe mich eingemischt.

Das musst du dir vorstellen. Ich, kaum einen Meter groß und die fünf anderen mindestens zwei Köpfe größer. Ich ein halbes Hemd und die – nun - Ochsen trifft es in vieler Hinsicht. Ich konnte sie natürlich nicht verprügeln, aber ich habe sie solange schwach angemacht, bis sie mich durch die halbe Stadt gejagt haben, bis wir an unserem Dorfpolizisten – Muggel – vorbei kamen. Er hat natürlich gesehen, wie fünf riesige Kerle einem kleinen Knirps hinterher gerannt sind und hat ihnen eine Gardinenpredigt verpasst, die sich gewaschen hat. Dann hat er sie zu ihren Eltern eskortiert. Du kannst dir sicher vorstellen, dass sie für einige Zeit recht kleinlaut waren.

Später haben sie mich dann meistens in Ruhe gelassen, weil ich mich ein wenig mit Officer Craven angefreundet habe.“

Ich muss über die Geschichte lachen, sieht James wieder mal ähnlich, ein paar Helden der Straße so fertig zu machen.

„Und jetzt haben die keine Angst, dass du wieder zu diesem Craven rennst?“ will ich wissen.

„Nee, einmal sind die echt viel zu dämlich, um aus Erfahrungen zu lernen“, erwidert er. „Zum anderen ist Craven schon seit ein paar Jahren im Ruhestand und von hier weggezogen. Und so dämlich sind nicht mal die, dass sie das nicht wissen.“

„Na gut. Morgen wieder rodeln?“

„Yeah, wenn du Bock hast.“

Aber auch da tauchen die Rabauken nicht mehr auf.


 

Streifzüge

G

estern ist wieder Vollmond gewesen und wir sitzen im Zug nach Hogwarts. Was bedeutet, dass Remus nicht da ist und Peter ziemlich nervt. Wir drei sitzen alleine im Abteil und können uns ungestört unterhalten.

„…und ihr habt wirklich schon eine Interspezies Verwandlung geschafft?“ quiekt er laut.

„Leise, Peter“, meine ich zum fünften Mal und zum fünften Mal kollidiert mein Stiefel hart mit seinem Schienbein.

Er muss schon einen blauen Fleck dort haben, was ihn aber nicht besonders zu stören scheint.

„Yeah“, antwortet James gleichzeitig, „Aber bis zum Animagus wird es noch dauern.“

„Wenn du wirklich mitmachen willst. Solltest du diese Zauber auch üben“, setze ich hinzu.

Peter wirft mir einen entsetzten und verzweifelten Blick zu. Wie gesagt, er hält nicht viel davon zu lernen oder zu üben.

„Es wird dir nichts anderes übrig bleiben“, meint James süffisant. „Du musst diese Zauber erst beherrschen, bevor du auch nur daran denken kannst, es mit einem Animagus zu versuchen.“

Peter grummelt vor sich hin und schaut geknickt zum Fenster hinaus. James wirft mir einen verschmitzten Blick zu und ich schüttle den Kopf. Peter nervt manchmal ganz schön, aber vielleicht sollte ich ihn trotzdem etwas aufmuntern. Bei Remus habe ich damit nicht das geringste Problem, aber mit dem kann man auch reden, wie mit einem vernünftigen Menschen. Peter ist so eine Art Klassenclown und es ist nicht leicht, ernsthaft mit ihm zu sprechen.

„Hey, Peter“, sage ich daher, „welches Tier willst du eigentlich werden?“

Wie erwartet, muntert ihn diese Frage auf.

„Zu was wollt ihr werden?“ piepst er aufgeregt.

„Tatze und Krone!“ meint James.

Peters Augen nehmen einen eigenartigen Ausdruck an.

„Wie eure Spitznamen“, meint er und zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, klingt er nachdenklich. „Wisst ihr eigentlich, wie der schmierige Snape mich immer nennt?“

Haben wir gehört, klar. Er nennt ihn immer „Ratte“ oder auch “Rattenschwanz“.

Also nicken wir bestätigend und er fährt fort.

„Also werde ich zu einer Ratte werden. Ganz heimlich und ohne, dass er es je erfahren wird“, zischt er mit einer finsteren Genugtuung, die auch völlig neu an ihm ist.

Klar, James und ich können Snape nicht leiden, aber warum Peter einen solchen Hass auf ihn schiebt, kann ich eigentlich nicht verstehen.

„Er ist ein so finsterer, schmieriger Bastard“, murmelt er in seinen nichtvorhandenen Bart.

Nun ja, Bastard im eigentlichen Wortsinn, würde eher auf Peter passen, als auf Snivellus, nach allem was ich weis, ist Snape nämlich ehelich geboren, ganz im Gegensatz zu Peter.

Wir planen weiter und unterhalten uns. Peter ist in einer eigenartigen Stimmung und dreht voll auf, aber nicht so wie sonst. Er feixt auf eine so unheimlich hinterhältige Art und Weise über Snape, dass sogar James und ich darüber erstaunt sind. Es braucht uns daher nicht zu wundern, dass Peter sich so sehr hochgeschaukelt hat, dass er wirklich dreist wird.

Snivelly steigt vor uns aus dem Zug und Peter hat nichts Besseres vor, als ihn die Treppen hinunter zu schubsen. Remus wäre sicher nicht damit einverstanden gewesen, aber es sieht einfach zu komisch aus.

Snivellus kniet auf allen Vieren am Bahnsteig und sein knochiger Hintern beult seine schäbige Robe aus. Himmel, kauft der sich denn nie eine Neue? Die hier ist ihm echt zu klein und würde eher Peter passen als ihm. Doch ich bin auch völlig aufgedreht und muss einen bissigen Kommentar abgeben:

„Ey, Snivelly, pass doch auf, wo du hintrittst.“

„Yeah, Schleimbeutel, lern erst mal richtig zu gehen“, fügt James höhnisch an.

Und alle Drei biegen wir uns vor Lachen. Snape rappelt sich auf und seine Augen werfen mal wieder Dolche. Seine Robe ist an den Knien völlig zerfetzt. Na, die kann er echt wegschmeißen.

Auch Peter will noch seinen Triumph haben und ruft; „Wasch dir mal wieder die Haare!“

Das ist seine Dauerbeleidigung, wenn er Snape sieht, aber er ruft es dieses Mal so komisch, dass James und ich noch mehr lachen müssen. Wir steigen über Snivellus weg und gehen zu den pferdelosen Kutschen hinüber, ohne ihn noch eines weiteren Blickes zu würdigen. Fürchten wir, dass uns einer seiner Flüche im Rücken treffen wird? Nee … Hagrid steht am See, um die Erstklässler hinüber zu bringen … und Snivellus weis nur zu genau, wann er seinen Zauberstab besser stecken lässt. Er mag alles Mögliche sein, aber dumm ist er gewiss nicht.
 

Wir langweilen uns bald wieder und streifen daher erneut nachts durchs Schloss. Heute hat James entschieden, dass er noch Hunger hat und dass wir einen Abstecher in die Küche machen könnten. Es ist wieder Vollmond und das heißt Remus sitzt wieder mal alleine unter der Peitschenden Weide und Peter schläft Gott sei Dank. In letzter Zeit nervt der nämlich entsetzlich mit den Animagi.

Unsichtbar schleichen wir uns aus unserem Turm und zahllose Treppen hinunter, bis zu dem Gang, der zu den Räumen der Huffelpuffs führt. In einem der Korridore hängen Bilder von Lebensmitteln und wir brauchen das mit dem Obstkorb. Dort muss man nämlich die Birne so lange kitzeln, bis sie sich in einen Türknauf verwandelt, dann kann man durch das Bild in die Küche gelangen. Dort laufen eine Menge Hauselfen rum und kaum haben wir den Umhang abgelegt, schießen auch schon ein paar auf uns zu.

„Brauchen sie etwas, Sirs?“ piepst ein kleines Stimmchen.

„Schön, sie mal wieder zu sehen“, freut sich ein anderes. (Wir sind hier inzwischen recht bekannt und auch beliebt).

Freundlich begrüßen wir die kleinen Wesen.

„Habt ihr etwas zu Essen, das wir mitnehmen können?“ fragt James.

„Was immer sie wünschen, Sir“, ist die vielstimmige Antwort.

James wirft mir einen Blick zu und ich überlege.

„Habt ihr vielleicht noch was von dieser köstlichen Fleischpastete von heute Mittag?“ frage ich und schneller als wir schauen können, schleppen sie eine riesige Pastete herbei.

Wir bedanken uns und verlassen die Küche. Unsichtbar natürlich.

„Wohin?“ murmle ich James zu.

„In das Zimmer, du weist schon, dort wo wir schon so oft waren.“

Gesagt, getan. Wir schleichen uns durch mondbeschienene Gänge und Korridore, bis wir den gesuchten Raum erreicht haben. James stößt die Tür auf und drinnen nehmen wir den Umhang ab.

„Peter nervt“, meint James etwas gereizt. „Ich bin schon froh, dass wir heute mal ohne ihn unterwegs sein können.“

„Schon richtig, aber wie du weist, wir sind selbst dran Schuld.“

„Yeah“, murmelt missmutig er und holt die Pastete unter seinem Umhang hervor.

Wir fangen an, sie zu essen.

„Wir müssen Peter echt helfen“, nuschelt er mit vollem Mund. „So mies, wie der als Zauberer ist, werden wir ihm schon gewaltig helfen müssen.“

„Yeah. Darin sehe ich ein echtes Problem. Er ist sogar zu ungeschickt, um mit uns durchs Schloss zu schleichen. Und dann ein derartig komplizierter Zauber … Nee, ich weis nicht.“

„Und dem guten Remus ist auch nicht geholfen, wenn Peter alles vermasselt“, grummelt James.

„Mitmachen lassen müssen wir ihn aber trotzdem. Ich habe keine Ahnung, was ihm einfallen könnte, wenn wir ihn jetzt doch nicht dabei sein lassen“, meine ich.

„Hast auch wieder Recht“, erwidert James.

„Ach was, wir finden schon eine Lösung, James, muss ja nicht heute sein.“

„Stimmt.“ Er gähnt. „Lass uns schlafen gehen, Sirius, ich bin echt müde.“

Ich nicke, wir wickeln uns wieder in den Umhang und gehen in unseren Turm zurück.

Erst jetzt sehe ich, dass wir bei dieser Unterhaltung nicht so alleine waren, wie wir dachten. Der alte Snivellus hat uns belauscht.

Warum hat er dieses Wissen nie benutzt? Vielleicht haben wir uns für ihn zu unklar ausgedrückt. Wir wussten ja, wovon wir sprachen und ein Außenstehender konnte aus unseren Worten auf nichts Bestimmtes schließen.
 

Wir haben in der nächsten Zeit so unsere Probleme, mal ein Wort zu wechseln, ohne dass Peter dazwischen piepst. Die einzige echte Möglichkeit ihm zu entkommen, sind nächtliche Aufenthalte in diesem einsamen Zimmer. Wenn Remus uns begleitet, habe ich nichts dagegen, denn der nervt nicht.

Wir schlafen nur noch wenig und kein auch noch so geheimer Winkel des Schlosses bleibt uns verborgen. Geheimtüren, verborgene Gänge, verlassene Zimmer, eigenartige Fundstücke. Das Leben kann so viel Spaß machen.


 

Zukunftspläne

E

s ist Zeit, die Fächer für die nächsten Jahre auszuwählen und wir Vier sitzen im Gemeinschaftsraum zusammen und diskutieren.

„Quidditch…“ meint James gerade verträumt.

„Davon kannst du auf Dauer aber nicht leben“, wirft Remus ein.

„Aber Moony“, unterbreche ich ihn. „James ist doch echt Klasse in Quidditch. Der könnte glatt für England spielen.“

„Ganz bestimmt“, piepst Peter dazwischen.

„Das leugne ich auch gar nicht“, gibt Remus zu. „Es ist nur so, dass eine Quidditch Karriere spätestens mit fünfunddreißig, vielleicht vierzig zu Ende ist. Dann sollte James noch Alternativen haben, womit er sein Gold verdienen kann.“

„Hmm“, meint James. „Richtig, aber worauf willst du hinaus?“

„Dass du trotzdem vernünftige Fächer auswählen solltest und auch auf gute Noten hinarbeiten solltest“, erwidert Moony.

„Yeah. Richtig. Mach ich und gute Noten waren noch nie ein Problem.“

„Was willst du eigentlich für Fächer nehmen?“ frage ich Moony.

„Alles, was mir vernünftig scheint, es zu studieren. Wahrsagen gehört zum Beispiel nicht dazu“, meint er und wirft einen zweifelnden Seitenblick auf Peters Pergament.

„Warum so viel?“ piepst Peter dazwischen.

„In meiner Lage muss ich soviel lernen, wie ich nur kann. Ich werde später wahrscheinlich jeden Job annehmen müssen, den mir jemand anbietet“, meint er traurig. „Ich muss also für alles offen bleiben. Wie ist es mit dir, Sirius?“

„Seit ich meinen Onkel Alphard kennen gelernt habe, schwebt mir eine Karriere als Auror vor. Ich stelle mir das wirklich aufregend und abenteuerlich vor.“

„Aber auch dafür brauchst du Bestnoten“, wirft Remus ein.

„Kein Problem“, erwidere ich und kreuze gleichzeitig alles, was mir geeignet erscheint.

„Was ist mit dir, Peter?“ fragt James.

„Weis nicht“, meint der und schaut verschreckt drein.

Seine Augen huschen das Pergament auf und ab. Dann kreuzt er das an, was ihm am Leichtesten erscheint. James wirft einen Blick auf meinen Zettel, dann auf den von Moony. Plötzlich lacht er.

„Ihr habt die gleichen Fächer angekreuzt. Wisst ihr was? Ich schließe mich einfach an. Dann bleiben wir wenigstens zusammen und können uns gegenseitig helfen, sollte es wirklich mal Probleme geben.“

Peter fummelt frustriert mit seinem Pergament herum.

„Was ist?“ fragt ihn James.

„Ich will auch bei euch dabei sein“, jammert Peter. „Aber jetzt habe ich doch ganz was anderes gewählt als ihr.“

„Du musst dir überlegen, was du willst“, meint Remus knapp. „Wir helfen dir natürlich beim Lernen. Was Jungs?“

Wir nicken unbestimmt. Noch mehr Peter - unsere Begeisterung hält sich echt in Grenzen.

„Aber wenn du andere Fächer nimmst, ist das nur schwer möglich. Wie gesagt, die Entscheidung liegt bei dir.“

Peter schwitzt Blut und Wasser. Dann kritzelt er auf dem Blatt herum, streicht Kreuze durch, kreuzt andere Fächer an.

„Dann nehme ich dieselben Fächer wie ihr“, seufzt er. „Aber ein paar weniger. Arithmantik klingt zum Beispiel echt gemein, genau wie Alte Runen, da nehme ich lieber Muggelkunde und Wahrsagen.“

Peter ist echt eine Niete und ein unglaublich fauler Kerl.

Die gedankliche Arbeit hat James hungrig gemacht und er will wieder mal in die Küche. Remus schüttelt den Kopf.

„Ich bin müde“, meint er. „In ein paar Tagen ist Vollmond und da will ich ein bisschen im Voraus schlafen.“

Ich werfe ihm einen fragenden Blick zu und er nickt mit seinem typischen schiefen Grinsen. Seine Lippen formen ein lautloses „Später“ und er weist mit dem Kopf auf James und Peter. Ich zwinkere ihm zu. Peter hat James so in Beschlag genommen und quengelt mitkommen zu wollen, so dass unser wortloser Gedankenaustausch unbemerkt bleibt.

Wieder sind wir im nächtlichen Schloss in Richtung Küche unterwegs. Remus ist gewohnt neben uns unter dem Umhang zu schleichen, aber Peter hat so seine Probleme damit. Dazu kommt, dass er wesentlich kleiner ist, als wir beide.

In die Küche schaffen wir es noch ohne Zwischenfälle, doch am Rückweg gibt es Probleme. Peter ist so gierig auf das Zusatzhäppchen, dass er schon im Gehen zu Essen beginnt. Er behindert uns, unsere Füße kommen durcheinander und wir krachen in eine Rüstung. James und ich rutschen unter dem Umhang hervor. Dieser gleitet über Peter und verbirgt ihn völlig. Der Lärm ist so groß, dass sofort ein paar Leute aufgeschreckt im Gang erscheinen. Allen voran Professor McGonagall, unsere Hauslehrerin und Filch, der Hausmeister. Sie ist stink wütend und er funkelt uns blitzend an.

„Potter, Black“, sagt sie streng. „Was machen sie um diese Zeit in den Korridoren?“

Plötzlich sind wir beide um eine Antwort äußerst verlegen und starren sie an, wie zwei gebadete Katzen.

„Nun?“ drängt sie. „Ich warte auf eine Antwort.“

„Äh - “ sagt James.

„Nun - “ stammle ich.

McGonagalls scharfer Blick wandert von einem zum anderen. Filch zeigt triumphierend auf die Pastete, die vor unseren Füßen liegt.

„Professor“, keucht er aufgeregt. „Sie haben Essen gestohlen!“

„Nachsitzen!“ sagt sie kühl. „Morgen Abend, bei mir in meinem Büro. Dort könnt ihr mir einen Aufsatz darüber schreiben, warum ihr nachts im Schloss nichts verloren habt.“

Wir schleichen gedemütigt in den Gemeinschaftsraum zurück und warten schweigend auf Peter. Der kommt ungefähr eine halbe Stunde später völlig eingeschüchtert durchs Porträtloch gestolpert.

„P-p-padfoot, P-p-prongs, tut mir leid. Ich wollte euch nicht in Schwierigkeiten bringen“, stammelt er.

James winkt ab und schüttelt finster den Kopf.

„Lass mal“, antworte ich lakonisch. „Es ist schon zu lange gut gegangen.“

Wir sind nicht wirklich sauer auf Peter. Er ist nun mal tollpatschig und ungeschickt, da kann man nichts machen.

„Bis du dich nicht richtig leise bewegen kannst, Peter“, meint James entschlossen, „wirst du nachts jedenfalls nicht mehr mitkommen.“

Peter wirft ihm einen bestürzten Blick zu und seine wässrigen Augen werden noch feuchter.

„P-p-prongs, bitte, ich…“

„Nee, Peter. Lern erst mal, dich richtig zu bewegen, dann kannst du wieder mitkommen“, sagt James unerbittlich.

Doch ich beschließe für mich, mal alleine was mit Peter zu unternehmen. Er tut mir einfach Leid.

Das Nachsitzen ist nicht weiter schlimm und in James Gesellschaft sogar recht amüsant. Mit Sicherheit hat es auf uns nicht die Wirkung, die es eigentlich haben sollte. Wir faseln in unserem Aufsatz ein paar Gemeinplätze zusammen und beschließen mit einem fröhlichen Grinsen, dass wir uns auch in Zukunft nächtliche Ausflüge nicht nehmen lassen werden.

Wie sagt James immer so schön: „Kein Risiko, kein Spaß!“


 

Froschlaich

B

evor ich jedoch dazu komme, mit Peter etwas anzustellen, habe ich Gelegenheit alleine mit Remus zu reden, als James mit Peter mal wieder beim Quidditch Training ist. Wir sind draußen im Gelände und genießen die ersten Sonnenstrahlen des kommenden Frühlings. Zum Hinsetzen ist es noch zu kalt, also schlendern wir über den Rasen.

„Ich wollte nicht vor James und Peter darüber reden, Sirius“, sagt Remus leise.

„Das dachte ich mir schon. James weis nichts von diesem speziellen Gespräch und mit Peter würde sowieso nicht über sowas reden“, bestätige ich.

„Danke. Dein Rat war gut. Die beiden letzten Verwandlungen waren danach nicht mehr ganz so schlimm. Ich konnte den Werwolf unter der Peitschenden Weide halten.“

Mir liegt es auf den Lippen, ihm zu sagen, dass wir Pläne haben, ihm zu helfen, ihm beizustehen, ihm als Wolf Gesellschaft zu leisten. Aber ich beiße mir auf die Zunge, denn was ist, wenn wir es nicht schaffen…

„Da bin ich froh. Echt, Moony, ich möchte nicht, dass dir im Verbotenen Wald was zustößt“, sage ich stattdessen.

Er grinst mich schief an.

„Yeah. Das Veilchen hatte ich noch über eine Woche.

Woher weist du solche Dinge, wie du sie mir vorgeschlagen hast?“

„Meine Familie. Die Reinheit des Blutes … Dabei haben sie auch bis ins kleinste Detail klargestellt, wie man sein Blut rein hält. Nicht, dass mich das sehr interessiert hätte, aber so ganz nebenbei habe ich dadurch eine äußerst umfangreiche Sexualaufklärung bekommen.“

Remus wird rot.

„Und das war dir nicht peinlich?“ fragt er fast flüsternd.

„Nee. Anfangs fand ich es eher witzig, aber dann war es doch recht interessant. Ich weis nicht, wann ich endlich alt genug dazu sein werde“, füge ich seufzend an.

„Du kannst es wohl gar nicht erwarten, oder?“ will Remus wissen und ist immer noch knallrot.

Ich zucke die Schultern.

„Nun, es bereitet mir keine schlaflosen Nächte, wenn du das meinst, aber neugierig bin ich dann doch.“

Ich will nicht genauer nachfragen, wie es ist, denn Remus ist die Sache ohnehin peinlich genug. Doch wenn ich es irgendwie aus ihm rauslocken kann, ohne direkt zu fragen ... Jetzt zuckt er die Schultern.

„So toll ist es nun auch wieder nicht. Manchmal finde ich es sogar eher lästig, aber es hilft, Sirius, es hilft und das ist mir im Augenblick das Wichtigste.“

Mehr bekomme ich an diesem Tag nicht aus ihm heraus, so sehr ich auch um den heißen Brei rumrede und schließlich gehen wir zum Schloss zurück.
 

Ostern kommt näher und ich habe noch immer nichts mit Peter alleine unternommen. Ich möchte es vor den Ferien tun, die ich wieder bei James verbringen werde, nachher vergesse ich es nur.

Es ist der Morgen, an dem wir fahren wollen. James packt und kann seinen Besen nicht finden. Er sucht ihn überall. Schließlich verschwindet er nach unten in die Umkleideräume der Quidditch Mannschaft. Remus erholt sich mal wieder vom Vollmond uns ist nicht da. Peter sitzt auf seinem Bett und lässt die Beine baumeln. Seine Augen funkeln seltsam.

„Was ist los, Peter, hast du ihm vielleicht den Besen versteckt?“

„Nee. Aber ich hätte einen so schönen Streich, den wir Snape spielen könnten.“

„Und an was hättest du gedacht?“

„Ich habe gesehen, wie er vorher zu Dumbledore rauf ist, wenn er wieder runter kommt, hätte ich da was für ihn.“

Er grinst und will es spannend machen. Ich tue ihm den Gefallen und frage nochmal nach. Jetzt ist die beste Gelegenheit meinen Plan auszuführen, warum also nicht?

„Was?“

„Froschlaich … Was hältst du davon, wenn wir das Zeug dem alten Snape in die Hose schütten?“

„Der hat doch gar keine Hose an“, erwidere ich.

„Eine Unterhose schon“, kichert er hämisch. „Und was für eine.“

Ich muss lachen. Der Streich ist ganz schön gemein, aber warum eigentlich nicht. Ich wollte dem alten Snivelly schon lange wieder mal eins auswischen. Seine Flüche sind echt hinterhältig.

„Dann komm, lass uns ihm auflauern, bevor er wieder in den Verließen verschwindet.“

Wir ziehen los. Peter hat mir den Beutel mit dem Froschlaich in die Hand gedrückt und wir verstecken uns hinter dem Gargoyle, der den Zugang zu Dum-bledores Büro bewacht. Tatsächlich kommt Snape schon kurz darauf zur Tür heraus. Er scheint recht gut drauf zu sein. Nanu, so kenne ich ihn ja gar nicht. Gewöhnlich ist „Trübsinn“ sein zweiter Vorname. Peter huscht ihm zwischen die Beine, bringt ihn zu Fall und kniet sich auf seinen Rücken, zwischen die Schulterblätter.

„Mach schon, Sirius!“ ruft er aufgeregt. „Her mit dem Froschlaich! Los, schnell, stopf ihm das Zeug in die Hose.“

Snape wehrt sich mit aller Kraft, aber Peter klammert sich an ihm fest und hält ihn unten am Boden. Ich gleite auf sie zu, schiebe Snivellys Robe hoch, ziehe ihm die Unterhose weg – so ein ausgeleiertes Ding – dann schütte ich ihm den Froschlaich hinein. Sein Hintern ist gar nicht so knochig, wie ich dachte. Er hat eine Form, die gerade zu dazu einlädt, drauf zu hauen. Ich gebe dem Impuls nach und schlage mit der flachen Hand fest zu. Es klatscht laut.

Peter kichert hämisch und ich lache mich über die ganze Situation kaputt. Wieselflink machen wir uns auf und davon. Snape bleibt verdattert und wahrscheinlich auch gedemütigt und wütend hinter uns zurück.

Wir fahren zu James. Remus wird nach den Feiertagen nachkommen und so werden wir Gelegenheit dazu haben, weitere Verwandlungen zu üben. Ich habe nachgedacht, geplant und ein bisschen aus dem Fenster geträumt, denn Lily streitet mal wieder mit James und da will ich nicht stören.

„Was habt ihr wieder mit Snape angestellt? Er ist wie eine zerrupfte Fledermaus durch die Eingangshalle geschlichen“, klagt sie an.

„Und was hat das mit uns zu tun?“

„Ihr liegt doch schon immer im Dauerclinch mit ihm, als ob ich das nicht wüsste.“

„Wann soll das denn gewesen sein?“ erwidert James gereizt.

Er will sich nichts von Lily vorschreiben lassen, aber dieses Mal kann er sich gar keiner Schuld bewusst sein. Ich habe nicht die geringste Lust, die Sache aufzuklären. Zum einen macht mir die Streiterei viel zu viel Spaß. Zum anderen habe ich keine Lust zum Objekt von Lilys Schimpftirade zu werden. Peter grinst mich an und beschließt wohl ebenfalls, lieber zu schweigen.

„Heute Morgen, eine halbe Stunde bevor der Zug abgefahren ist“, ist die Antwort.

„Da war ich in den Umkleideräumen und habe meinen Besen gesucht.“

„Und? Hast du Zeugen?“

„Zeugen? Spinnst du? Nein, ich war allein!“ er klingt völlig entrüstet.

„Du, Lily“, sage ich. „Das stimmt aber. James war wirklich unten und hat nach seinem Besen gesucht.“

„Du bist sein bester Freund und gibst ihm ein Alibi, wahrscheinlich warst du sogar bei der Sache, was auch immer es war, dabei – Pft!“ und wieder mal schmollt sie.


 

Mrs Potters zweiter Sohn

E

s wird echt schön sein, wieder bei den Potters zu sein. Dort ist das Zuhause, das ich nie gekannt habe.

Mr Potter hat uns alleine abgeholt. Seine Frau hat eine Erkältung und ist zu Hause geblieben. Sofort bitte ich ihn, einen Abstecher in die Winkelgasse zu machen.

„Warum möchtest du dort hin, mein Junge?“ fragt er.

„Ich möchte gerne etwas kaufen, Sir.“

„Hast du überhaupt noch Gold?“

Ich werde rot. Außer ein paar Kupfermünzen bin ich pleite, aber das will ich nicht vor Mr Potter zugeben.

„Dein Onkel hat mir das letztens gegeben, vielleicht löst das dein Problem.“

Er gibt mir einen kleinen Beutel und der ist schwer. Als ich hinein sehe, tummeln sich darin fröhlich einige Goldmünzen.

„Alphard hat gesagt, dass du an Weihnachten so traurig ausgesehen hast, als er erwähnt hat, dass du ihn nicht besuchen darfst. Er hat gemeint, du sollst nicht denken, dass er dich nicht mag und ich soll dir doch den Beutel geben, denn er ist sich sicher, dass deine Eltern dir nichts mehr geben werden.“

Ich lächle ihn erfreut an.

„Ab mit euch beiden in die Winkelgasse. Ich warte im Tropfenden Kessel auf euch.“

„Was willst du hier eigentlich?“ fragt James.

„Deine Mom ist doch krank und da möchte ich ihr ein Geschenk mitbringen. Was, meinst du, würde ihr gefallen?“

James grinst.

„Du, das ist echt nett von dir. Blumen, jede Art von Blumen.“

Wir durchstreifen die Winkelgasse, bis ich das Gesuchte finde. Veilchen. Schon bald sind wir im Tropfenden Kessel zurück und reisen nach Godrics Hollow.

Mrs Potter hat fiebrig glänzende Augen und rote, heiße Wangen, aber sie steht in der Küche und kocht für uns und sie sieht echt krank und müde aus.

„Mom, du lieber Himmel“, ruft James. „Geh ins Bett. Du bist krank.“

„Aber mein Junge“, sagt sie heiser. „Du bist doch heimgekommen und Besuch hast du auch mitgebracht.“

„Mrs Potter, gehen sie sich doch auskurieren“, beschwöre ich sie. „Bitte. James und ich kümmern uns schon um alles.“

„Aber Sirius, du bist doch ein Gast.“

„Schon, Mrs Potter, aber ich bin doch nur Sirius und ich fühle mich hier mehr zu Hause als in Grimmauld Platz.“

Sie wirft mir einen liebevollen Blick zu und lässt sich – immer noch etwas widerstrebend - von ihrem Mann nach oben führen.

Wir stehen recht hilflos in der Küche und sehen unzähligen Töpfen, Pfannen und Kesseln beim Kochen zu. Ich habe nich die geringste Ahnung, was wir damit anfangen sollen. Plötzlich kocht einer der Kessel über und eine weiße Masse tropft auf den Herd. James springt dazu und zieht das Ding vom Feuer. Dabei verbrennt er sich unheimlich die Finger. Eine gewaltige Qualmwolke driftet stinkend durch den Raum.

„Shit!“ ruft er und lässt das Ding wieder auf die Platte fallen. (Den Ausdruck hat er von mir und seine Mutter würde eine solche Sprache sicher nicht dulden.)

Ich schnappe mir einen Lappen und ziehe den Kessel vom Herd. Wir versuchen zu retten, was zu retten ist, bis Mr Potter wieder hereinkommt.

„Großer Merlin, Jungs“, hustet er, „was ist denn hier los?“

„Alles ist plötzlich übergekocht, Dad.“

„Wir haben versucht, das Schlimmste zu verhindern, Mr Potter.“

Er hilft uns sofort und zeigt uns, wie man es richtig macht. Es dauert über eine Stunde, bis wir das Essen auf den Tisch bringen können.

James Vater stellt seiner Frau eine Portion auf ein Tablett und will es nach oben bringen.

„Gehen sie rauf?“ frage ich.

„Ja. Warum?“

„Bitte, nehmen sie ihr doch die Blumen mit. Es war alles plötzlich so hektisch, da habe ich es ganz vergessen.“

Ich gebe ihm die Veilchen.

„Das ist wirklich nett von dir, mein Junge. Aber woher weist du, dass Veilchen ihre Lieblingsblumen sind?“

„Das wusste ich gar nicht. Es ist nur so, dass ich Veilchen auch total gern mag.“

Er lächelt mich herzlich an und nimmt die Blumen mit nach oben. Ich setze mich zu James an den Tisch und wir fangen an zu essen.

„Uff, Padfoot, es sieht so aus, als würden wir lernen müssen zu kochen, Mum fällt mindestens für eine Woche aus.“

„Das schaffen wir schon. Kann auch nicht schwieriger sein, als so ein bekloppter Zaubertrank vom alten Leech.“

„Na ja, aber es hat noch keiner behauptet, dass Zaubertränke auch schmecken müssen, oder?“ meint James trocken.

Ich habe mir gerade einen Löffel voller Essen in den Mund geschoben und pruste die ganze Portion über den Tisch. Dann muss ich husten.

„Das – war – echt – fies“, stoße ich zwischen den einzelnen Hustern aus.

James grinst verhalten. Da kommt sein Vater zurück.

„Sirius, meine Frau möchte, dass du nachher nach oben kommst, sie will sich für die Blumen bedanken.“

„Aber das war doch nichts, Sir, hab ich doch gerne gemacht“, stammle ich.

„Weist du, mein Junge, als James gesagt hat, er wolle dich mitbringen, hatte ich zuerst so meine Bedenken … Das Haus der Black ist im Auroren Hauptquartier nur zu bekannt … Aber inzwischen weis ich, dass du anders bist und ich bin froh, dass mein Sohn in Hogwarts einen so guten Freund gefunden hat.“

Jetzt werde ich echt rot.

„Danke“, murmle ich.

Das ist mir jetzt echt peinlich, so gelobt zu werden.

„Yeah, Padfoot. Du bist echt der beste Kumpel, den ich je hatte. Du und Remus“, fügt James an.

„Und du bist der beste, den ich je hatte. Du und Remus“, erwidere ich etwas heiser.

„Ihr mögt euren Freund, den Werwolf, wirklich gern“, sagt Mr Potter etwas erstaunt und wir nicken zustimmend. „Zuerst dachte ich, er täte euch nur Leid, dann habe ich gemerkt, was für ein anständiger Bursche er ist. Aber ich hätte nicht gedacht, dass so junge Leute, wie ihr, das bemerken und es auch zu würdigen wissen.“

„Weist du Dad“, erklärt James, „Moony war schon unser Freund, bevor wir wussten, was er ist. Und er ist echt ein Klasse Kumpel.“

„Dann haben wir uns so unsere Gedanken darüber gemacht, warum er so oft krank ist“, setze ich fort, „wir sind recht schnell auf den Vollmond gekommen.“

„Dann sind wir ihm nach. Du hattest mir ja den Umhang geschickt und wir konnten es ungesehen tun.“

„Wir sind ganz schön erschrocken, als wir ihn bei seiner Verwandlung gesehen haben…“

„Ihr habt ihn dabei gesehen?!“ wirft Mr Potter erschrocken ein.

„Yeah“, erwidert James. „Pure Neugierde. Aber uns ist nichts passiert.“

„Danach sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es echt cool ist, einen Werwolf zum Freund zu haben. Wer hat das schon?“

„Deine Abenteuerlust, nicht wahr, mein Sohn.“

„Yeah. Aber nicht nur. Moony ist echt schlau und kann die Dinge abwägen. Es ist echt gut, jemand zu kennen, der das kann“, meint James.

„Yeah, Mr Potter und man kann sich mit Moony auch echt Spitze unterhalten. Er kann voll gut zuhören und weis immer einen guten Rat“, füge ich hinzu.

„Also Jungs, jetzt was anderes: Wie wollen wir mit dem Haushalt fertig werden? Ich kann ein bisschen Kochen, aber es hängt noch viel mehr dran.“

„Wir helfen dir natürlich, Dad“, sagt James sofort.

„Aber sicher, Mr Potter“, bestätige ich.

Der Alte lächelt zufrieden. Dann erzählt er uns, während wir fertig essen, eine wilde Geschichte darüber, wie er gelernt hat zu kochen. Darin kommen ein Troll, ein Vampir und ein Riese vor, die sich nicht auf die richtige Zubereitung eines verirrten Magiers und dessen Eule einigen konnten und ein gewaltiger Kupferkessel, der dann das Problem auf recht unerwartete Weise gelöst hat. Sogar James hört dieses Mal zu, er scheint diese witzige Geschichte noch nicht zu kennen.

Nach dem Essen gehe ich zu James Mutter hinauf, wie sie sich es gewünscht hat. Allzu lange will ich nicht bleiben, denn in der Küche steht noch das ganze Geschirr rum und ich will Prongs nicht damit alleine lassen.

„Machen sie sich keine Sorgen, Mrs Potter. Wir schaffen das schon“, besänftige ich sie, denn sie will fast schon wieder aufstehen, um mitzuhelfen. „Bitte, werden sie doch erst mal wieder gesund. Sie sind eine so liebe Mum und James hat sie so gern. Sie müssen sich einfach ausruhen.“

Sie wirft mir einen liebevollen Blick zu.

„Du siehst plötzlich ganz traurig aus, mein Junge“, flüstert sie heiser.

Ich will mit einer gemurmelten Entschuldigung verlegen das Zimmer verlassen, aber sie hält mich zurück. Ihre Hand ist wirklich schrecklich heiß, aber ihr Griff ist sehr fest.

„Was ist los, mein Lieber?“ flüstert sie.

„Ich bin so neidisch auf James“, bricht es aus mir heraus. „Manchmal, verstehen sie … Er hat so großartige Eltern … Und was habe ich? Nur dieses schreckliche, verkommene, düstere Haus, wo es keine Liebe gibt und diese Wahnsinnige als Mutter … Verstehen sie mich bitte nicht falsch – James ist mein bester Freund und ich würde echt alles für ihn tun – darum finde ich es auch so mies von mir, auf ihn eifersüchtig zu sein … Aber ich kann gegen dieses Gefühl nicht an, wenn ich höre, wie liebevoll er von ihnen redet. Wie gerne er immer wieder nach Hause fährt. Wie frei, ja frei, er mit ihnen und ihrem Mann sprechen kann und seine eigene Meinung vertreten darf. Das dürfte ich mir zu Hause nie erlauben. Nicht, dass ich es nicht trotzdem täte … So neidisch, Mrs Potter, dass es richtig weh tut.“

Sie hat mir genau zugehört und sieht die unvergossenen Tränen in meinen Augen schimmern.

„Mein armer Junge“, haucht sie. „Aber es sollte dir doch inzwischen klar sein, dass du hier immer willkommen bist.“

„Das weis ich doch, Mrs Potter und ich bin ihnen auch so unermesslich dankbar dafür. Aber ich habe dabei ein furchtbar schlechtes Gewissen. Ich habe irgendwie das Gefühl, James sozusagen seine Eltern – nun – zu stehlen…“

„Aber Sirius, andere Leute haben doch auch mehr als ein Kind und sie lieben sie alle. Warum sollten wir dann ein Problem damit haben, dich und James zu lieben. Für mich bist so sowas wie ein zweiter Sohn.“

Jetzt weine ich wirklich.

„Aber leider bin ich nicht ihr Sohn. Ich bin der Sohn dieser Geistesgestörten…“

„Deine Empfindungen sind in dieser Sache wichtig, nicht irgendwelche belanglose Tatsachen.“

Ich habe mich neben das Bett gekniet. Jetzt verberge ich mein Gesicht in ihrer Bettdecke und heule mir schier die Seele aus dem Leib. Es war fast zuviel gewesen, zu sehen, dass es ihr nicht gut geht. In meinem Tiefst Inneren ist sie für mich meine Mutter. Sie streicht sanft übers Haar und murmelt.

„So gern hast du uns, mein Junge?“

Ich nicke wild in ihre Bettdecke hinein. Dann fällt mir ein, was Remus damals zu mir gesagt hat … Schaff dir doch hier deine eigene Familie … So hat er es wohl nicht gemeint, aber wie es kommt, so kommt es. Ich hebe wieder den Kopf und rede leise weiter.

„Ich habe mich so auf die Ferien bei ihnen gefreut. Es war mir als würde ich heimfahren. Verstehen sie, nicht nach Hause – heim!“

Sie streicht mir über mein tränenverschmiertes Gesicht und zupft nach einem Taschentuch.

„Schnauben“, sagt sie bestimmt.

Ich putze mir die Nase.

„Ich habe es schon gesagt und ich habe es auch so gemeint: Du bist für mich wie ein Sohn. Du musst nicht eifersüchtig auf James sein, denn wir haben dich so gern wie ihn. Wir wollten immer viele Kinder haben, aber es ist nur James geworden. Du musst auch kein schlechtes Gewissen haben, weil du gerne bei uns bist. Es ist einfach nur in Ordnung. Auch James hat dich sehr gern … So gern, wie er hoffentlich einen Bruder gehabt hätte. Ihr seid Freunde. Ihr könnt doch auch sowas wie Brüder sein.“

Der letzte Satz klingt schrecklich sehnsüchtig.

„Nur zu gerne“, schniefe ich. „Viel zu gerne, Mrs Potter.“

„Geh jetzt, mein Lieber, denn nun bin ich wirklich müde und möchte gerne schlafen.“

Ich stehe auf und gebe ihr einen Kuss auf die Backe. Ihre Augen strahlen.

„Gute Nacht, Mrs Potter“, murmle ich und als ich das Zimmer schon fast verlassen habe, ganz, ganz leise, „…Mum…“

Ich gehe zuerst ins Bad - die Beiden unten müssen nicht sehen, dass ich geweint habe - und wasche mir das Gesicht ab. Dann gehe ich wieder in die Küche hinunter. Schon bevor ich die Tür öffnen kann, höre ich James atemlos lachen.

„Weiter Dad“, ruft er, „das ist echt cool.“

Neugierig öffne ich die Tür und sehe wie Töpfe, Pfannen, Teller und Besteck eine Art Ballett mitten in der Luft aufführen. Mr Potter steht mitten im Raum und dirigiert das ganze Zeug mit seinem Zauberstab. Es sieht wirklich urkomisch aus. Schließlich lässt er alles an seinen angestammten Platz fliegen.

„Das bist du ja wieder, Sirius“, sagt er als er meiner gewahr wird. „Schläft meine Frau?“

„Ich glaube schon“, antworte ich. „Sie war sehr müde als ich ging.“

„Bin ich auch“, meint James. „Kommst du mit hoch, Padfoot?“

„Sirius, mein Junge“, wirft Mr Potter rasch ein, „bleibst du bitte noch einen Moment?“

Ich nickte und höre wie mein Freund die Treppe hinaufstapft.

„Du siehst aus, als wäre eben etwas – nun - Besonderes geschehen“, fragt er mich freundlich.

„Ja, Sir, schon irgendwie.“

„Was war denn?“

„Ich hatte ein sehr – äh - wichtiges Gespräch mit Mrs Potter. Es ging darum, dass ich eifersüchtig auf James bin…“

Ich erzähle ihm alles, worüber ich mich mit seiner Frau unterhalten habe.

„…und dann bin ich ins Bad und habe mir das Gesicht abgewaschen. Ich wollte nicht, dass James mich für eine Heulsuse hält“, ende ich.

„Tränen, mein Junge, lass dir das gesagt sein, sind kein Zeichen von Schwäche. Sie sind nur ein Zeichen für tiefe, eindringliche Gefühle. Und, was das andere betrifft, hat meine Frau natürlich ganz Recht. Auch ich würde mich sehr freuen, wenn James für dich eine Art Bruder wäre.“

Tränen sind kein Zeichen von Schwäche, hat er gesagt. Ich habe als Kind ganz was anderes gelernt. Er schaut mich fragend an.

„Glaubst du mir nicht? Du bist hier wirklich willkommen…“

„Das ist es nicht, Sir. Das habe ich immer so empfunden. Nein, es geht um das, was sie über Tränen gesagt haben. Ich dachte immer, ein Junge, der weint wie ein Baby, sei ein – äh, nun – ein Weichei…“

„Nein, Sirius, nein, gewiss nicht. Gefühle sind etwas sehr Starkes. Sie sollten ausgelebt werden, solange man keinem anderen damit schadet. Du schämst dich ja auch nicht dafür, wenn du etwas komisch findest und darüber herzlich lachst, oder?“

Das ist es wert, dass man darüber nachdenkt. Lachen … Nun, ich lache gerne und viel. Remus ist nicht ganz damit einverstanden, wenn wir uns über Snivellus lustig machen … aber das ist dann wohl die Sache mit einem Anderen schaden…

„Ja Sir“, sage ich. „Ja, ich verstehe. So hat es mir noch niemand erklärt.“

„Geh rauf, mein Junge und überschlaf das. Es ist eh schon spät.“

„Ja, Mr Potter und Gute Nacht.“


 

Unerwartete Aufgaben

A

m nächsten Morgen versuchen wir, ein Frühstück zu Stande zu bringen. Mit äußerst mäßigem Erfolg: Die Brötchen sind verkohlt, Schinken und Ei verbrannt – ein paar zerbrochene Eier kleben auch am Boden - der Kaffee ist lauwarm und sieht eher wie Tee aus, die Milch ist übergekocht und die Marmelade haben wir erst gar nicht gefunden. Um alles richtig zu machen, sind wir schon im Morgengrauen aufgestanden, als die beiden Erwachsenen noch schliefen und jetzt stehen wir vor dem jämmerlichen Ergebnis unserer Mühen. Wir knuspern gerade an den Kohlebrötchen herum, als Mr Potter zur Tür herein kommt. Eine dichte, schwarze Qualmwolke steht im Raum und es riecht brenzlig.

„Was habt denn hier angestellt?“ hustet er.

„Frühstück gemacht!“ ist die klägliche Antwort.

James Vater geht zum Fenster hinüber und reißt es auf. Langsam ist wieder etwas vom Zimmer zu erkennen, weil der Rauch nun abziehen kann. Er wirft einen doch sehr zweifelnden Blick auf das Chaos, das wir veranstaltet haben und meint:

„Das mit dem Mittagessen überlasst ihr dann wohl doch besser mir. Ihr könnt zuschauen, wenn ihr wollt. Vielleicht lernt ihr ja was dabei.“

Etwas später schrubbt James die übergekochte Milch vom Herd und den Glibber von den Dielen und ich entsorge mit Mr Potter die verkohlten Brötchen, samt Schinken und Ei. Er hat uns gezeigt, wie man richtig ein Frühstück macht, wo die Marmelade und die anderen Sachen stehen, die man so braucht. Jetzt sind wir erst mal satt und werden uns unter seiner Aufsicht weiter um den Haushalt kümmern.

Da wir in seiner Gegenwart keine Magie benutzen dürfen, wird es eine ziemlich harte Arbeit – Muskelschmalz ist gefragt. Es macht jedoch wirklich riesigen Spaß, ihm später beim Kochen zuzusehen. Sein Zauberstab wirbelt elegant durch die Luft und die Zutaten fliegen von alleine in die Töpfe, die Kochlöffel rühren selbständig um und Mr Potter summt fröhlich vor sich hin. Ab und an lässt er eine Bemerkung fallen, was er da eigentlich tut.

Das Ergebnis seiner Bemühungen ist zwar etwas exotisch, aber echt lecker. Er trägt erneut eine Portion zu seiner Frau hinauf und wir stopfen uns voll, dann machen wir uns daran, die Küche wieder in einen vorzeigbaren Zustand zu versetzen – nicht weiter schlimm, abspülen können wir inzwischen. Wir sind fast fertig, als Mr Potter wieder herunter kommt.

„Gut gemacht, Jungs, geht jetzt ein bisschen eure Ferien genießen“, meint er mit einem freundlichen Lächeln. „Und vielen Dank, für eure tolle Hilfe…“

Wir grinsen ihn an, flitzen aus dem Zimmer und aus dem Haus, dann spazieren wir durch den Ort und hängen beide unseren Gedanken nach. Unsere Schritte führen uns zu meiner Lieblingsbrücke. Lange Zeit starren wir schweigend in den Fluß.

„Ganz schön viel Arbeit, die Mum da jeden Tag hat“, murmelt James nach einiger Zeit.

„Yeah. Davon hatte ich keine Ahnung“, erwidere ich.

„Aber Dad ist echt witzig, wenn er kocht.“

„Yeah und das Essen schmeckt, auch wenn es ganz schön seltsam ist.“

James lacht in sich hinein.

„Yeah. Dad ist schon ein ulkiger Vogel.“

„Wie schaut´s aus, Prongs? Wann wollen wir die Verschwindezauber üben? Können wir nur machen, solange Remus noch nicht da ist.“

„Wie müde glaubst du, werden wir heute Abend sein?“ gibt er zurück.

„Wird schon gehen. Solange ich ein paar Stunden schlafen kann.“

„Klar, meinen Schlaf brauche ich auch, aber so ein paar Stunden sollten wir schon üben, wenn wir mit den Animagi weiter kommen wollen.“

Wir starren weiter in den Fluss.

„Mir ist langweilig“, meine ich nach einiger Zeit.

„Ne Runde fliegen?“

„Hhm, weis nicht. Moony fehlt mir irgendwie.“

„Yeah, mir auch. Dieser verdammte Werwolffluch.“

Wobei wir ganz vergessen, dass es dieses Mal gar nicht der Vollmond ist, der Moony nach Hause gebracht hat.

„Lass uns einfach noch ein bisschen durch den Ort zockeln“, schlage ich vor.

James nickt und wir latschen weiter. Mitten im Ort sehen wir King Cool und seine Gang auf der anderen Straßenseite. Ihre Blicke fallen auf uns und sie machen sich mit einem Affenzahn aus dem Staub. James schaut mich an, ich schaue James an, dann beginnen wir beide schallend zu lachen.

„Die hatten es aber eilig“, prustet James.

„Denen ist wohl eine dringende Verabredung eingefallen“, setze ich hinzu.

„Yeah. Mit Mamis Schürzenzipfel…“

„…oder dem nächsten Mauseloch.“

Dieser kleine Zwischenfall hat meine Langweile vertrieben und wir strolchen weiter durch den Ort bis es anfängt dunkel zu werden.

Als wir das Chaos nach dem Abendessen in der Küche wieder gebändigt haben, gehen wir rauf in James Zimmer. Wir sind beide nicht mehr besonders munter, nehmen aber trotzdem unsere Übungen auf. Die Verschwinde Zauber sind schwieriger als alles, was wir vorher schon ausprobiert haben. Man muss sich gewaltig konzentrieren und es fällt einem schwer, das zu tun, wenn man dauernd gähnen muss und einem die Augen vor Müdigkeit tränen.

Orion sieht wirklich eigenartig aus, da nur noch Kopf und Schwanz vorhanden sind und der Rest unsichtbar ist. Es dauert, bis es mir gelingt, den ganzen Kater wieder sichtbar zu machen. Das Tier ist schon längst kein kleines Katerchen mehr, er ähnelt eher einem etwas klein geratenen schwarzen Panther. Er maunzt mich so lange anklagend an, bis er wieder vollständig ist. Dann verschwindet er auf den Schrank und putzt sich beleidigt das ganze Fell. Die alte Schuhu schwirrt aufgeregt durchs Zimmer bis es James gelingt, ihre Flügel wieder sichtbar zu machen. Schließlich lassen wir uns erschöpft in unsere Betten fallen.

„So ganz das Wahre war das heute wohl nicht“, gähnt James.

„Nee, echt nicht. Da dürfen wir uns noch ganz schön anstrengen“, erwidere ich und auch mir fallen fast schon die Augen zu.

Wie die Katzen rollen wir uns in unseren Betten zusammen und liegen kurz drauf in Morpheus Armen.
 

Auch in den nächsten Tagen geht es uns nicht viel besser. Der Haushalt, nachmittägliche Spaziergänge und dann mangelhafte Versuche, unsere Haustiere verschwinden zu lassen. Hin und wieder schleiche ich mich auf einen kurzen Abstecher zu Mrs Potter, um zu sehen wie es ihr geht. Ich habe sie wirklich so wahnsinnig gern. Die Zeit vergeht rasch und Mrs Potter kann wieder aufstehen, genau an dem Tag, als Remus hereinschneit.

„Danke“, sagt er zu den Potters, „dass ich wieder herkommen durfte.“

Mrs Potter lächelt ihn an und nickt freundlich.

„Aber gern geschehen“, meint Mr Potter. „Ab mit euch ihr Rasselbande, hier geht jetzt alles wieder seinen gewohnten Gang…“

„Können wir die Besen haben, Dad?“ fragt James bittend.

Sein Vater wirft einen prüfenden Blick von einem zum anderen und er verweilt auf Remus, bis der bekräftigend nickt.

„Aber vorsichtig sein…“

James stürmt zur Besenkammer und nur wenige Minuten später sind wir am verlassenen Grundstück. Wir trainieren für James Quidditch Finale. Unsere Hausmannschaft liegt so gut, dass wir den Pokal gewinnen werden, wenn wir das Spiel gewinnen. Andern falls hat ihn Slytherin … und das gönnt ihnen keiner von uns. Der Rest der Ferien ist wesentlich erholsamer, als die erste Woche, aber Zeit, unsere Verschwinde Zauber zu üben haben wir auch nicht, weil ja jetzt Moony bei uns ist.


 

Gespräch mit Moony

K

aum sind wir wieder in Hogwarts zurück, ist das einzige Thema das Quidditch Finale. Es geht nämlich nicht nur um den Pokal, sondern auch um die Führung in der Hausmeisterschaft. Meistens sind es nur Gryffindor und Slytherin, die sich darum streiten. Ravenclaw und Huffelpuff haben zwar auch eine Menge Punkte, aber sie kommen so gut wie nie an die beiden anderen Häuser heran.

Es kommt zu Kabbeleien zwischen den Unterrichtsstunden und so manch ein Fluch oder Zauber fliegt hin und her. Eigenartiger Weise scheint das den alten Snivellus nie zu interessieren. Er ist nie bei denen dabei, die Ärger machen und verhält sich in letzter Zeit seltsam still. Vielleicht plant er ja was Größeres.

Es hagelt nur so Punktabzüge für beide Häuser, aber sie führen trotzdem noch immer in der Meisterschaft. Es ist ziemlich unruhig und daher nicht angesagt, nachts durchs Schloss zu streunen. Wir verschieben das bis nach dem Finale. Auch hat James nun derartig oft Training, dass er neben Unterricht und Hausaufgaben eigentlich nur noch schlafen will.

Ein böser Brief von zu Hause erreicht mich wieder mal:
 

Du Schande meiner Lenden,

du bist in diesem Sommer zu Hause nicht erwünscht. Wir bekommen Besuch von Verwandten aus dem Ausland und ich lasse mir meinen guten Ruf nicht von einem kleinen Bastard wie dir verderben. Sieh zu, wo du im Sommer bleibst. Hier will ich dich auf jeden Fall nicht sehen. Aber ich denke, diese heiligen Potters werden dich schon wieder aufnehmen, du bist ohnehin die meiste Zeit bei ihnen. Wenn ich da an deinen lieben Bruder, Regulus denke … Ja, mit dem kann man Staat machen. Warum bist du nur eine solche Missgeburt geworden, wir haben uns doch soviel Mühe mit deiner Erziehung gegeben.

Aber wahrscheinlich bist du wirklich bei der Geburt vertauscht worden. Du bist so aus der Art geschlagen, dass es mir mein Mutterherz zerreißt … Du bist eine einzige Schande.

Kassiopeia Black
 

Ich habe den Brief zwar schon am Morgen bekommen, wollte mir aber nicht den Tag damit verderben und so lese ich ihn erst gegen Abend, als ich kurze Zeit alleine im Schlafsaal bin, dann starre ich auf die gemeinen, beleidigenden Zeilen und auf einmal tropfen Tränen auf das Pergament. Orion schleicht sich an, springt auf meinen Schoß und rollt sich dort schnurrend zusammen. Er will mich trösten und ich kraule gedankenverloren seinen weichen Pelz.

Es ist ja nicht so, dass ich im Sommer nach Grimmauld Platz zurückkehren wollte. Ich wollte ohnehin nach Godrics Hollow. Nur, die Vorwürfe, die sie mir macht sind so … so ungerechtfertigt … Es gibt mir plötzlich einen Stich ins Herz, als wäre ich wirklich der ungeratene Sohn, von dem sie schreibt und nicht sie die üble Mutter. Die Tür zum Schlafsaal wird geöffnet und Remus kommt herein.

„Padfoot?“ fragt er. „Bist du da?“

„Yeah“, sage ich ganz leise und klinge verheult.

Moony kommt zu meinem Bett und wirft einen Blick hinter die Vorhänge.

„Sirius, was ist los? Du bist ja völlig aufgelöst.“

Ich will nicht sprechen, ich traue meiner Stimme nicht und so drücke ihm einfach nur den Brief in die Hand.

„Was ist damit? Soll ich ihn lesen?“

Ich nicke und weiter laufen mir die Tränen übers Gesicht. Moony vertieft sich in das Pergament. Seine Augen huschen über die Zeilen und sein Gesicht färbt sich abwechselnd rot und blas.

„Shit!“ sagt er. „Das ist echt verdammt fies.“ Er drückt mir ein Taschentuch in die Hand und spricht weiter. „Das klingt so, als wärst du echt das Letzte, was rum läuft. Aber, Padfoot, das bist du nicht. Du bist ein echt netter, anständiger Kerl und man kann mit dir Klasse auskommen. Gib nichts auf einen derartigen Brief voller Hass und Verachtung.“

Ich weine immer noch. Im Moment habe ich das Gefühl, als würde mir etwas die Seele zerreißen. Dieser spezielle Brief, war heute mehr, als ich ertragen kann.

„Ey“, sagt Moony leise, setzt sich neben mich aufs Bett und legt mir besänftigend den Arm um die Schultern. „Wir sind deine Freunde und du darfst nie glauben, dass wir auch nur im Geringsten so denken, wie deine Mutter.“

„Diese alte Vettel“, bricht es gequält aus mir heraus. „Ich wünschte, ich wäre nicht ihr Sohn. Ich wünschte, ich wäre der Sohn der Potters…“

„Soviel ich davon mitbekommen habe, wie sie mit dir umgehen, bist du für sie wie ihr Sohn.“

„Schon. Ich hatte an Ostern ein Gespräch mit Mrs Potter darüber, aber meine schlechtes Gewissen gegenüber James wird dadurch leider auch nicht geringer.“

„Warum redest du dann nicht einfach mit ihm darüber, Sirius.“

„Ich kann mir seine Antwort nur zu gut vorstellen“, erwidere ich. „Er würde mich ansehen, als sei ich nicht ganz richtig im Kopf und würde einfach nicht verstehen, von was ich rede. Wir sind wirklich wie Brüder. Aber eben nur wie und nicht wirklich. Dieser Brief heute hat mich aus dem schönen Traum gerissen, der Sohn der Potters zu sein und hat mir nur zu eindringlich klar gemacht, dass ich doch der Sohn meiner Mutter bin und das tut scheiß weh…“

„Es ist doch völlig egal, wessen Sohn du bist, mein Freund. Es kommt nur darauf an, was für eine Person, was für ein Mensch du bist. Und du bist ein wirklich prächtiger Mensch. Es spielt doch keine Rolle, von wem du abstammst, denn das kann sich keiner aussuchen.“

„Du hast Recht, Moony, ich kann es mir nicht aussuchen, in welche Familie ich geboren werde, aber auch wenn ich sie total ablehne, gehöre ich doch zu ihr und das ist so verdammt Scheiße.“

„Dann weine drüber, so wie du es tust. Weine, aber dann erinnere dich daran, dass du Freunde hast, die dich mögen und denen deine Leute völlig egal sind. Aber dann trocknest du deine Tränen und gehst einfach wieder zur Tagesordnung über. Was denkst du, wie oft ich nicht schon über den Werwolf geheult habe? Aber ich muss trotzdem weiter machen, wenn ich mich nicht umbringen will und seit ich euch kenne, will ich das sicher nicht mehr. Das Leben hat mir trotzt dieses Fluches zu viel zu bieten, als dass ich es so einfach würde wegwerfen wollen.“

So habe ich das noch nie gesehen und ich starre Moony groß an, denn es ist schon zum wiederholten Mal, dass er mir seine Freundschaft beteuert hat. Er ist ganz sicher mein Freund und das muss ich jetzt wirklich in meinen Kopf reinbringen.

„Danke“, murmle ich. „Danke, mein Freund.“

Er grinst mich mit seinem typischen schiefen Grinsen an und es bricht mir fast das Herz. Er leidet selbst, leidet jeden Monat, immer wieder aufs Neue und er hat trotzdem noch ein so großes Herz, einen verwirrten Jungen zu trösten, denn genau das bin ich im Augenblick … ein verwirrter Junge. Liegt es daran, dass er schon älter ist oder ist er einfach so? So freundlich, so anständig, so mitfühlend? Ein echter Freund? Er nimmt seinen Arm von meiner Schulter und klopft mir auf den Rücken.

„Kommst du mit runter Padfoot? Irgendwer hat Süßigkeiten organisiert und teilt sie aus.“

Ich nicke.

„Danke, Moony, du hast mir jetzt echt geholfen“, schniefe ich.

„Gern geschehen, mein Freund.“
 

Ich nutze jetzt jede freie Minute, um die Verschwinde Zauber zu üben. Ich will unbedingt die Animagus Verwandlung vorwärts treiben. Shit! – Ich will einfach nicht, dass er noch länger alleine ist, wenn er dem Fluch unterliegt. Es ist mir erst im Nachhinein klar geworden, was er da eigentlich gesagt hat: ‚…erst seit ich euch kenne, denke ich nicht mehr daran mich umzubringen…’ Das heißt doch, dass er früher schon oft darüber nachgedacht hat, wie wir es auch schon vermutet hatten. Meine Übungen lassen das Gefühl in mir aufkommen, wirklich etwas Sinnvolles zu tun und ich habe auch meine gute Laune wieder.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hotepneith
2006-08-03T11:09:26+00:00 03.08.2006 13:09
So viel zum Thema angenehme Kindheit..Es kann wirklich nicht sehr angenehm sein, solche Briefe von der eigenen Mutter zu erhalten.( Sie war ja noch nie dafür berühmt, charmant zu sein)
Eigentlich snd von den vier Rumtreibern drei mit ziemlichen Problemen geschlagen. Irgendwie kein Wunder, dass sie so zusammengehalten haben.


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