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Liebe...oder doch nicht?

(Puppyshipping)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein kleines Bonuskapitel zu Yugi und dem "schwarzhaarigen Retter aus der Kaibabar". Ist für den Verlauf der Story nicht relevant , sondern nur ein kleines Weihnachzsspecial ;)
Habt Spaß!

(Man kann das Kapitel auch getrost überspringen. Es ist ein Crossover Yugi x Rei [BeyBlade] und sehr, sehr, sehr Fluff...) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Also, gewarnt habe ich schon am Ende des letzten Kapitels, also viel Spaß beim Epilog ^.~
er ist aber extrem kurz geworden -.-"" gomen...bevor ihr euch wundert: aus Yugis Sicht! Komplett anzeigen

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Accident

„Willst du was sagen Mister Ich-Steh-Über-Dir!?“

Ein blonder, jünger Mann namens Joey Wheeler lehnte sich an eine Schulbank, vor welcher ihn ein, sich ’etwas’ arrogant haltende, Firmenchef saß, die Hände auf der Brust verschränkt.

„Runter von meiner Bank, Köter.“

Seine Worte unterstrich der Blauäugige mit einem herablassenden Lächeln, welches nichts außer abwertendem Amüsement ausdrückte. Doch bevor der Blonde darauf etwas erwidern konnte, wurde er von dem Gong unterbrochen und der Punkt ging an den Braunhaarigen. Dieser schaute hämisch seinem verärgerten Hündchen nach.

Wütend über seine Niederlage gegen Seto Kaiba versuchte Joey, erfolglos, dem Unterricht wenigstens halbwegs zu folgen. Als der Lehrer dabei war irgendwelche, Joey völlig nichtssagende, Formeln an die Tafel zu kritzeln, klopfte es und der stellvertretende Schulleiter schaute ernst und doch voller Mitleid herein.

„Joey Wheeler, kommen Sie bitte mit.“

„Hat der Köter wieder was angestellt?“, fragte Seto kühl mit leiser Stimme, als Joey an ihm vorbei ging.

Der Blonde warf Seto nur einen funkelnden Blick zu und folgte schweigsam dem Direktor.

Er konnte sich gewiss nicht daran erinnern etwas verbrochen zu haben, zumindest nicht in letzter Zeit. Gut, er hatte ein Paar Frischlinge in der Fußballmannschaft geärgert, doch deswegen wurde noch niemand zum Rex befördert.

Er stand im Büro des Schulleiters, vor genau diesem, und schenkte dem älteren Mann, dessen Haare schon eine Lichtung aufweisen konnten, verwunderte Blicke, denn der Ausdruck des Mitleides war für keine Sekunde vom Gesichts des älteren Mannes gewichen. Was konnte er denn so schlimmes angestellt haben?

„Mister Wheeler, ich habe eine unerfreuliche Nachricht für Sie, setzen Sie sich bitte…“
 

Mit tränennahem Gesicht stürmte Joey aus der Schule. Seine Sachen hatte er ganz vergessen, im Moment interessierten sie ihn wenig.

Er steuerte gerade aus, unfähig irgendein Ziel zu fixieren. Seine Beine trieben ihn von alleine immer weiter. Immer weiter weg von diesem Ort, der ihm auf einmal wie ein Schreckenshaus vorkam. Er hatte das Gefühl, sein ganzes Mageninnere würde sich umdrehen und wenden. Er war sich sicher, er würde sich übergeben, wenn er nicht schnell genug von hier wegkommen würde.

So lief er. Rannte um seine letzte Fassung.

Seine Kehle schnürte sich zu, sein Atem war stockend.

Er hatte verloren. Alles.
 

Er hatte den Direktor nur ungläubig angestarrt.

Es konnte doch nicht wahr sein. Nicht sein über alles gehasster Vater! So etwas konnte doch gar nicht passieren… Doch die Augen des Herrn vor ihm waren zu überzeugend gewesen. Traurig, mitleidig, ernst, bestürzt.

Es war die Wahrheit.

Sie schrieen ihm nach, wollten ihn aufhalten, doch er rannte. Rannte davon.
 

"Ist das nicht Joey, der da gerade aus der Schule stürmt?", murmelte Yugi zu Tristan neben ihm, der nur mit den Schultern zuckte. "Aber sein Schulranzen ist doch noch hier…"

„Der hat wohl endlich das gekriegt, was er verdient“, erklang eine verächtliche Stimme.

Yugi drehte sich zur Seite und bemerkte den zufrieden grinsenden Kaiba. Diesem nur einen bösen Blick zuwerfend wendete er sich wieder dem inzwischen leeren Schulhof zu. Der besorgte Ausdruck wich nicht aus seinem Gesicht bis zum Ende des Unterrichts. Nach dem Läuten blickte der Schuldirektor wieder in die Klasse und winkte Yugi, der unsicher auf Joeys Sachen blickte, zu sich. Flüsternd erklärte der Direkter dem Jüngeren die Situation in wenigen Worten. Immer weiter wich die Farbe aus Yugis Gesicht. Ohne groß nachzudenken packte er Joeys Sachen und verließ die Schule schnellen Schrittes.

Nein, viel mehr lief er. Rannte, wie Joey am Vormittag gerannt war.

Sogar der Rektor, trotz der üblichen Abneigung zu dem Rebell, schien besorgt. Es war schockierend.

Und noch schockierender war für Yugi wohl die Reaktion Joeys.

Hasste dieser seinen Vater nicht? Und doch… er war Joeys Familie. Wie war es wohl diesen Anker zu verlieren?
 

Wie es sich gehört, war die Schule nach Joeys Gang zum Direktor und seinem Verschwinden voll von Gerüchten und natürlich steckte in jedem dieser Gerüchte etwas Wahrheit drin. Alle waren sich einig, dass es um Joeys Vater ging, denn auch wenn er nicht der Beste war, war er doch nicht schlecht in der Schule und was angestellt hatte er ja in letzter Zeit nicht. Dass Joeys Vater Alkoholiker war und öfters ausrastete wussten inzwischen viele, denn die blauen Flecken waren beim Sportunterricht nicht zu übersehen. Doch wusste niemand wie schrecklich und doch befreiend der Grund für den Besuch beim Rektor diesmal war.
 

Yugi klingelte an Joeys Tür, abermals. Er stand schon seit einer Stunde da und tat nichts anderes außer Klingeln und Rufen.

„Joey, mach bitte auf! Joey!“

Doch niemand öffnete die Tür.

Seine Stimme wies schon erste Anzeichen von Heiserkeit auf.

Wieso nur? Wieso musste das unbedingt Joey passieren? Wieso jetzt? Und wieso machte er nicht auf? Konnte er ihn überhaupt hören?

„Joey…“, flüsterte Yugi leise. „Ich lege hier deine Tasche! Gut?“, seine Stimme hatte einen weinerlichen Unterton, doch war sie wieder laut. „Wir sehen uns morgen in der Schule! Bitte, komm morgen…“

Der Kleine lehnte sich mit dem Kopf an die Tür und lauschte, doch nach einer Weile ungebrochener Stille löste er sich und verließ traurig das Haus, fest entschlossen später wiederzukommen und wenigstens etwas für seinen Freund zu tun.
 

~~~
 

„…Joey, mach bitte auf! ...Joey!“

Wer war das? Jemand, der ihn rief. Doch wer? Er konnte sich nicht daran erinnern, wessen Stimme es war. Er wollte sich nicht erinnern. Er wollte sich an gar nichts erinnern. Es war inzwischen alles egal. Die Dunkelheit legte ihre kalten Hände um ihn und wiegte ihn in den Schlaf, einem ruhelosen.

Er erwachte, ohne es zu merken. Er saß an die Tür gelehnt und starrte in die Halbschatten vor ihm. Wo er war? Wusste er nicht. Interessierte ihn nicht. Wer er war? Genau so wenig.

Die Klingel. Das Rufen. Er konnte es nicht hören.

Die Stimme. Das Flehen. Es war ihm egal.

Zusammengekauert saß er da, zu einer kleinen Kugel zusammengerollt. Die Arme schützend um seinen Körper geschlungen.

Er wartete.

Darauf, dass sein Vater wiederkommen würde.
 

Doch er würde nicht wiederkommen!

Die Erinnerungen überfielen seinen trauernden Geist, verschlangen sein Herz vollkommen.

„Eines Tages ist es zu spät.“

Jetzt war es so weit. Ganz sicher…

Nichts mehr war zu ändern. Nichts würde so sein wie früher. Nichts so vertraut und sicher. Nichts so angenehm verhasst. Nichts. Nichts. Nichts.
 

Ein trauriger Tag, an dem unbekümmert die Sonne schien. Dem Himmelskörper war es egal, dass niemanden nach lachen zu Mute war. Er schien weiter. Brannte…

Wie später seine Augen gebrannt hatten.

„SERENETY! Mutter! Serenety, ich hole dich zurück… irgendwann mal. Ganz sicher. Warte auf mich!“

Ein Taxi, in dem eine Frau und ein kleines Mädchen saßen, fuhr davon, zum Flughafen. Dort wartete ein großes weißen Flugzeug, der sie mit sich in die Ferne nehmen würde. Ganz weit weg. Scheinbar für immer.

„Wenn du sie zurückholen willst, dann beeil dich. Es könnte irgendwann mal zu spät sein. Verschiebe nie etwas, irgendwann verlierst du es und dann ist es zu spät.“

Das war das einzige Mal, dass sein Vater ihm einen „Ratschlag“ gab. Danach trank er nur noch. Danach gab es nur noch Schläge.

Er wurde von der Arbeit geschmissen und trank nur noch mehr… Er trank, trank und trank seine Erinnerungen, seine Schmerzen, seine Gefühle weg. Und dies trieb ihn weiter in die Enge, weiter in den Selbsthass, weiter zu dem Alkohol. Ein Teufelskreis.

War das richtig so? Nein, es war der einfachste Weg. Sollte er auch den einfachsten Weg nehmen?
 

„Es tut mir leid, aber bei dem, wie er trank wäre es sowieso früher oder später dazu gekommen. Der Unfall hat nur seine Qualen verkürzt…“ brannten die Worte des Schuldirektors in seinem Kopf…
 

~~~
 

„Die Verspätung tut mir sehr Leid, Herr Kaiba, aber mein unfähiger Fahrer hat einen Unfall gebaut…“, entschuldigte sich ein etwas älterer Herr.

„Einen Unfall?“, fragte der Firmenschef mit wenig Interesse nach, er mochte es nicht, wenn man zu spät kam.

„Ja… Stimmt es, dass sie die besten Anwälte Japans haben?“, fragte der Leiter der EG wie beiläufig, sich den Schweiß von der Stirn mit einem kleinen Tuch abwischend.

„Ja, das stimmt. Ich habe immer nur das Beste“, Kaiba legte eine Pause ein und bedachte seinen Gegenüber mit einem musternden Blick. „Sie haben also einen Unfall gebaut und wollen nun, dass ich Ihnen mithilfe meiner Anwälte helfe. Richtig?“

„Nun ja. Sie möchten ja schließlich mit meiner Firma einen Vertrag schließen.“

Er mochte es zwar nicht, wenn man versuchte ihn zu etwas zu drängen, geschweige denn Anstalten machte ihn zu erpressen, vor allem weil der Vertrag mit der Europe Games nicht notwendig war. Doch würde es durchaus einfacher gehen mit ihm. Durchaus… Und er würde diesen Mann noch zurück auf seinen Platz stellen. Zufriedenheit, verborgen hinter dem geschäftlichen Lächeln, erfüllte den Firmenchef.

„Und wie ist der Name des Unglücklichen?“, fragte Seto tonlos nach.

„Eduard Wheeler.“

Seto erstarrte für einen kurzen Moment, doch war dieser Moment für niemanden sichtbar. War das der Grund für den ganzen Aufruhr um sein Hündchen rum?

„Gut, ich werde mich darum kümmern.“

„Danke.“
 

„Seto, es wird Zeit nach Hause zu fahren…“, sagte Mokuba, seinen Bruder am Zipfel des Ärmels ziehend.

„Seto? Ist irgendwas passiert?“, fragte er, als er keine Reaktion seitens Kaiba vernahm.

„Wie? Nein, nein. Fahr ohne mich, ich hab noch zu tun.“

„Du hast doch immer was zu tun…“, flüsterte der Kleine beleidigt und verließ traurig das Gebäude. Würde es jemals eine Zeit geben, wo sein Bruder mal nicht arbeitete?
 

Seto bemerkte weder wie sein Bruder gekommen war, noch wie er wieder verschwand. Sein Blick war auf den Monitor gerichtet, wo der Name „Eduard Wheeler“ eingegeben war. Joeys Vater. Joeys Vater, der tot war.
 

~~~
 

Die Sonne schien munter am Horizont. Es kümmerte sie nicht, was die Menschen auf der Erde davon hielte, sie setzte trotzdem ihren täglichen Weg durch den Himmel an. Eine Nacht war verstrichen. Eine Nacht, die Joey wie eine Ewigkeit vorgekommen war. Eine Nacht, die für ihn nur schmerzhafte Erinnerungen mit sich gebracht hatte. Und doch eine Nacht, die nun einfach verschwand.

Er hatte die ganze Zeit über regungslos vor der Tür verbracht.
 

„Ich brauche frische Luft…“, murmelte er. Sein Verstand wehrte sich langsam über den Kontrollverlust. Drängte die schwarzen Erinnerungen zurück.

Joey atmete tief durch und versuchte aufzustehen.

Doch seine Füße waren eingeschlafen und ihm wurde schwindlig. Eine unerklärbare Übelkeit machte sich bemerkbar. Nach einiger Zeit schaffte er es aufzustehen und arbeitete sich langsam, an der Wand haltend, zur Küche vor. Sein Kühlschrank war leer, auf dem Tisch fand er nur noch einen Apfel. Sehr widderwillig aß er ihn, denn neben der Übelkeit verspürte er auch Hunger, als ob er eine Woche nichts im Magen gehabt hätte. Doch nach einem Bissen konnte er nicht mehr. Dieses kleine Stück war schon zu viel für ihn. Wasser. Es war das Einzige, was er jetzt verkraftete.
 

„Ich muss hier raus…“
 

~~~
 

Es war ein verregneter Freitag. Die Sonne, die morgens so unbekümmert schien, hatte sich inzwischen hinter dunklen Regenwolken versteckt. Seto hatte schon seit dem Aufwachen schlechte Laune, was daran lag, dass er sich eingestehen musste, dass er sich Sorgen um sein Hündchen machte. Er wusste, dass es seinem Hündchen nicht gut gehen konnte. Doch wo war er nun? Was machte er? Was dachte er? Er wusste es nicht. Und dieses Gefühl der Unwissenheit versetzte Seto in Wut. Wut und Sorge, was ihn noch wütender machte. Er hatte schon die ganze Zeit über den Wunsch gehabt alles hinzuschmeißen und nach Joey zu suchen, seit der Name „Eduard“ gefallen war. Aber er konnte dies gut verbergen, bis jetzt.

Rain

Seto starrte aus dem Fenster auf den verregneten Schulhof, erwartend, dass ein Blondschopf doch auftauchen würde. Aber es war vergeblich. Der Schulhof blieb weiterhin leer und böses Augenfunkeln seitens Kaiba änderte diese Tatsache auch nicht. Der Wunsch Joey zu sehen drohte den jungen Firmenchef zu verschlingen. Trieb ihn in den Wahnsinn. In der vierten Stunde gab er endlich nach und meldete sich mit den Worten: "Ich habe einen wichtigen Termin!" ab. Das einzige was er zurück ließ waren ein verwirrter Klassenlehrer und ein Stück seines Stolzes.
 

Nun irrte er in der Stadt herum in der Hoffnung seinem Hündchen zufällig zu begegnen. Wo Joey wohnte wusste Seto nicht. Wahrscheinlich konnte er dies schnell herausfinden, aber sein Gefühl bestand darauf, dass der Blonde sich irgendwo in der Stadt herumtrieb. Irgendwo auf einer einsamen Straße.

Verirrt. Verwirrt.

Der Himmel war mit dunklen Regenwolken bedeckt und Wasser ergoss sich in Strömen auf die Stadt. Seto, der keinen Regenschirm mit sich führte, war schon nach wenigen Minuten völlig durchnässt.

Nach über einer Stunde sinnlosem Herumirren, kurz davor aufzugeben, blieb er in einem Park vor einer Laterne stehen.

Da saß er, im Regen, auf dem kalten Boden, angelehnt an die Laterne. Mit so leeren und ausdruckslosen Augen, welche er schon lange nicht mehr bei jemanden gesehen hatte. Welche ihn so sehr erinnerten…
 

~~~
 

Er ging durch die Straßen ohne zu achten wohin.

Es regnete.

Es regnete stark.

Aber er merkte es nur am Rande. Nahm es mit Gleichgültigkeit hin.

Er ging einfach Schritt für Schritt die grauen Straßen entlang.

Wieder einmal hatte sein Verstand aufgegeben. Doch auch die sonst immer so starken und ergreifenden Gefühle waren verschwunden. Versiegelt, versteckten sie sich hinter der Leere. Hinter dem Eis, das sich schützend über seine innere Welt gelegt hatte.

Bald schon fand er sich im Park wieder. Seine Füße hatten ihn einfach hingetragen.

Und wieder kamen Erinnerungen hoch.

Der einzige Funken Leben in ihm.

In diesem Park war er mehrmals die Woche mit seinen Freunden, immer wenn er sich mit seinen Vater stritt. Sie hatten sich hier oft duelliert. Hier hatte er sich eines Abends aufgebracht mit Tristan geprügelt. Hier hatte er zum ersten Mal vor seinen Freunden eine Träne vergossen.

Hier hatte er oft mit Serenety gespielt.

Jetzt gab es keinen Anlass seine Emotionen hier heraus zulassen. Sich hier mit den anderen zu treffen. Nun würde er sich nie mehr mit ihm streiten.
 

Eigentlich sollte er doch froh sein, oder? Sein Vater hatte ihn nie geliebt, er hatte ihn nur geschlagen und angeschrien, oder er hatte Joey Tagelang überhaupt nicht beachtet. Erholsame und doch immer quälende Tage.

Jetzt würde sein Vater für immer schweigen.
 

Warum? Warum tat es so weh, dass er gegangen war? Warum? Joey konnte es sich nicht erklären.

Tot. Einfach gestorben.

Wieso trieben ihn diese Gedanken in eine Ohnmacht? Ließen ihn nicht los, stachen sein Inneres mit säuerlichen Nadeln?!

Wieso musste dieser Scheißkerl sich überfahren lassen!
 

Resignation.

Irgendwo tief im Inneren hatte er wohl noch eine letzte kleine Hoffnung gehabt.

Dass er seinem Vater nicht egal sei, dass sich irgendwann mal etwas ändern würde. Aber nun war auch diese Hoffnung gestorben, zusammen mit seinem Vater.
 

Joey saß da, bemerkte nichts von seiner Umwelt, bis zwei schwarze Lackschuhe genau vor ihm stehen blieben. Langsam blickte er hoch.

„Aber… Du?“, Joey konnte nicht recht glauben, was er sah.

War es wieder eine Erinnerung? Aber wieso dachte er dann bloß jetzt an ihn?
 

Durchnässt stand Seto vor seinem Gesuchten. Kurz sah er eine Regung in dessen Augen. Einen Hauch Verwunderung.

Aber nun waren Joeys Augen wieder leer und so unendlich traurig.

Setos Bauch zog sich zusammen. Ein gequälter Ausdruck.

Nein. So nicht.

So wollte er den Blonden nicht sehen. Er wollte nicht in diese Augen blicken, die nichts außer Schmerz ihm zeigten. Schmerz, der sein Herz gefrieren ließ. Schmerz, der von einer Gleichgültigkeit überdeckt wurde, und doch so deutlich aus Joeys Augen sprach.

Er wusste, dass die Welt grausam war. Doch wieso war sie auch zu diesem Sonnenschein genauso grausam, wie zu ihm selbst?

Er wollte diese bodenlose Trauer nicht sehen. Nein, er wollte es nicht. Doch was sollte er dagegen tun?
 

Joey sah Seto an und warme Tränen fanden endlich ihren Weg nach draußen.

Daheim, in seiner kalten Wohnung konnte er nicht weinen. Hier, allein, konnte er nicht weinen. Es war so bitter einsame Tränen zu vergießen. So beängstigend.

Doch nun war Seto da.

Der Drache, der schützend seine Flügel über ihn legte.

Warme Tränen rannten seine Wangen herunter, vermischten sich mit den kalten Regentropfen. Er konnte das Salz auf seinen Lippen schmecken und ein Gefühl der Erleichterung breitete sich in dem Blonden aus, doch wollte die Dunkelheit ihr Opfer nicht aus ihren Fängen lassen.
 

Seto sah die Tränen Joeys und in seiner Brust schmerzte es bei dem Anblick.

Was sollte er bloß tun? Wie konnte er denn helfen? Wie konnte er den anderen in die Realität zurückholen?
 

Seto kniete nieder, so dass er auf Augenhöhe mit seinem Sonnenschein war. Seine Hand wanderte langsam zu Joeys Gesicht. Sanft streichelte Seto über dessen Wange. Bei der unerwartet zärtlichen Berührung zuckte Joey zusammen.

Dann nahm der junge Firmenchef den Blonden am Kinn und zog sein Gesicht zu seinem eigenen. Sanft legte er die Lippen auf die des anderes.

Er wollte ihn einfach nicht weinen sehen.
 

Joey war verwirrt. Verängstigt. Geschockt. Traurig. Und ungemein glücklich.

Seine Hände legten sich um Setos Hals wie von selbst. Er brauchte ihn.

Jetzt brauchte er nur ihn, nur Seto.

Verzweifelt klammerte er sich an die letzte Vertrautheit. An das, was mit seinem Vater nichts zu tun hatte.

Er spürte Setos weiche Lippen, spürte wie dieser ihm über die Lippen leckte und Joey öffnete leicht seinen Mund. Zart stupste Setos Zunge seine eigene an und er erwiderte die Berührung.

Vergessen.
 

Sie verschmolzen in einem unvergesslichen Kuss, die Welt um sich komplett vergessend. Und niemand sah sie. Niemand wusste es. Niemand konnte es nur ahnen.

Nur die kalten Regentropfen prasselten auf das Paar. Waren ihre Zeugen.

Walking down the Street

Langsam öffnete er die Augen und fand sich in einem weichen Himmelsbett wieder.

Die Sonne schien durch die halb zugezogene Vorhänge und erhellte das Zimmer. Am Fenster stand jemand und beobachtete ihn.

„Seto?“

„Bist du endlich aufgewacht? Das Frühstück ist gleich fertig“, antwortete eine sanfte Stimme.

Der Blonde blinzelte. Es war merkwürdig. So eine zärtliche Art kannte der Blonde an Seto gar nicht. Es kam ihm wie ein Traum vor, wie eine andere Welt. Aber ganz sicher nicht die Realität. Solch eine Tonlage hatte er bei Seto nicht einmal in Bezug auf Mokuba gehört.
 

„Was für ein schönes Zimmer…“, meinte Joey, während sein Blick durch den Raum glitt. Das Zimmer war unerwartet… fröhlich! Ganz anders als er es sich vorgestellt hätte, wenn er jemals über die Innenarchitektur von Kaibas Haus nachgedacht hätte, natürlich. Die Regale und der Schrank waren aus hellem Holz, das Bett dagegen etwas dunkler. Ein bunter Teppich zierte den Boden und ein paar Bilder die Wände. Die Sonne erhellte das Zimmer in einer wundervollen Pracht, die Joey staunen ließ. Und in diesem Licht stand dieser sich so merkwürdig verhaltender junger Mann, mit einem sanften Lächeln im Gesicht.

„Komm, das Frühstück ist gleich fertig. Na ja, eher Mittagessen.“

„Mittagessen?“

Nur wer danach suchte, konnte in Joeys Tonfall Interesse finden. Zeit war etwas Sinnloses.

„Im Schrank findest du was zum Anziehen, deine Sachen habe ich einem meiner Dienstmädchen angeordnet zu waschen, bis zum Abend werden sie wieder trocken sein. Das Esszimmer findest du im Erdgeschoss. Und komm bloß nicht zu spät, aber das wäre ja typisch für dich.“

Mit diesen scheinbar böse gemeinten Worten ging Seto raus, einen verwirrten Joey zurücklassend, der die ganze Situation einfach bizarr fand. Doch einst merkte der Blonde in diesen Worten. Es war anders als sonst.

Die Tür schloss sich und wieder brachen Traurigkeit und auch die Gleichgültigkeit mit ihr über ihn ein. Sein Blick wanderte durchs Zimmer. Hell. Ganz anders als bei ihm. Ganz anders als in einem Grab, zu dem sein „Zuhause“ nun geworden war. Einem Grab der Erinnerungen und Hoffnungen.
 

Das Zimmer war hell.

Das Leben ging weiter.

Auch er würde nicht jetzt aufgeben. Nicht wo Seto so anders zu ihm war. Er würde erst warten. Und dann… dann vielleicht.
 

Er ließ sich Zeit beim Anziehen, sich selbst davon überzeugend, dass runter gehen besser war, als das Leben einfach auszublenden.

Im Bad hing ein Spiegel.

Das, was er ihm zeigte war erschreckend. Und erweckend. Wie aus einem bösen Traum aufgewacht, hatte er einen erstickten Schrei von sich gegeben.

Tot.

Er sah tot aus.

Aber das war er nicht.
 

Im Schrank hatte er nur Anzüge gefunden, somit stand die Auswahl relativ klein. Er hatte sich für ein weißes Hemd und eine schwarze Anzughose 'entschieden'.

Nun war er im 'Esszimmer', das drei Mal so groß war, wie sein Wohnzimmer. 'Speisesaal' war wohl die treffende Beschreibung.

Ein großer Tisch war für drei Personen gedeckt. An einem Ende des Tischs saß Kaiba mit einer Zeitung in der einen und einem dampfenden Kaffee in der anderen Hand. Sein Kopf war etwas zur Seite gesenkt.

Er hatte interessiert die Börsenseite studiert, als Joey das Zimmer betrat.
 

Seto schaute kurz auf.

„Das ging ja schnell. Was für ein Wunder, du kannst ja doch überraschen“, stellte er amüsiert fest. „Setz dich, Mokuba ist schon weg und bleibt es auch den Rest des Tages.“

Schweigend setzte sich der Blonde. Es war schade, denn er hätte gern mit dem Kleinen ein Paar Worte gewechselt. Mokuba schaffte es irgendwie immer einem die Laune zu heben. Ein Hauch von Melancholie schlich sich in Joeys Blick, doch hatte er keine Zeit mehr nachzudenken. Er wollte nicht.

Außerdem hatte er das Essen erblickt. Und dieser Anblick ließ ihn einen unbändigen Hunger verspüren, so dass er sich ohne lange zu überlegen auf das Essen stürzte und es in großen Bissen verschlang.
 

„Köter, eindeutig ein Köter“, sagte der junge Firmenchef etwas entnervt, doch in seinen Augen lag nur Heiterkeit. Und ein Hauch Zufriedenheit.

“Schon mal was von Tischmanieren gehört? Wohl eher nicht bei deinem Benehmen.“

„Scher lemker“(sehr lecker), gab der Blonde zurück, jedoch die Finger vom Frühstück nicht lassend.

„Man redet nicht mit vollem Munde“, erwiderte das vermeidliche Herrchen diesmal amüsiert.

Noch eine Weile schaute Seto dem Blonden bei dessen Schlacht zu, wie er es gedanklich taufte, und schmunzelte. Kaum merklich.
 

Recht schnell hatte Joey alles vom Tisch weg gefressen und dieser war gewiss nicht mager bedeckt. Nach dem das Hündchen fertig war, schlug Seto kurzerhand vor eine Fahrt durch die Stadt zu unternehmen, man musste ja die Tatsache, dass es ein Samstag war ausnutzen.

Und da Joey eh “nichts vorhatte“ blieb ihm nichts anderes übrig, als einzuwilligen.

Was er, wenn er ehrlich war, gerne tat. Jede Ablenkung war recht. Vor allem solch eine ungewöhnliche.
 

Einerseits freute sich Joey Zeit mit Seto zu verbringen. Durch die Mauer der Gleichgültigkeit hatte sich eine leise Wärme geschlichen. Menschen lernten nicht dazu.

Andererseits hatte er auch Angst. Die Welt da draußen war kalt und grausam. So real. Anders als in der Villa, wo es zauberhafte Zimmer, zauberhaftes Essen und einen zauberhaften Seto gab. Als wäre die gute Fee vorbei gefralltert und hätte ihren Zauberstab geschwungen.

Würde das alles verschwinden, wenn er wieder rausging? Dahin, wohin er nicht wollte und wohin es ihn doch trieb. An die Scheide eines Messers.
 

Zuerst fuhren sie einfach nur in der Stadt herum. Seto hatte gespürt, dass der Blonde jetzt nur ungern unter Menschen gehen würde. Doch konnte er auch erahnen, dass es Joey nach draußen trieb. Ihm war es damals ähnlich ergangen. Gefürchtet hatte er sich und doch war er immer freiwillig geblieben.
 

Auch wenn das Wetter gut war, empfand Joey die Welt außerhalb des Autos bedrückend und kalt. Sie war ihm fremd. Fremde Leute gingen an einander vorbei. Jeder von ihnen hatte etwas an sich, doch niemand achtete darauf. Sie hatten Problemen, freuten sich, waren unglücklich, doch niemanden interessierte es. Sie gingen an einander vorbei, schauten weg vom Leid anderer, schauten weg vom Anders sein. Stießen an einander, entschuldigten sich, fluchten und gingen einfach weiter, merkten sich nicht einmal das Gesicht des anderen. Sie gingen und gingen, schauten niemanden in die Augen, sahen nur stur ihren Weg. Sie gingen und gingen, neben einander, vor einander, gegen einander, so verschieden und doch so gleich. Sie gingen, sich nicht kennend, und gingen, bis sie in der Masse verloren gingen.

Joey war auch Teil dieser Masse. Sein Leben lang war er durch diese Straßen gewandert, achtete auf niemanden und niemand hatte auf ihn geachtet. Jedem war der andere egal. Niemanden fiel auf, wenn einer weniger durch diese Straßen ging. Einer, zehn, hundert weniger, es machte keinen Unterschied, es würde niemanden auffallen. In dieser kalten grausem Welt.

Und er wollte zurück in diese Welt.
 

„Gehen wir spazieren?“, hatte Seto gefragt.

Stummes Nicken war die Antwort. Die ganze Fahrt über hatten sie kein Wort mit einander gewechselt.

Und nun saßen sie im Park auf einer Bank. Jeder in Gedanken versunken.
 

Dieser Park trug viele von Joeys Erinnerungen.

An seine Freunde, an Serenety und nun auch an seinen ersten Kuss.

An Freude, an Leid, an Wut und Schlägereien. An Lachen und tausende von Kartenduellen. Der Park war mehr sein Zuhause als die Wohnung, in der er Jahre lang übernachtet hatte.

Quälend war dieser Gedanke für ihn. Es hätte doch auch anders laufen können. Er hätte doch nur etwas anders machen sollen. Irgendetwas.

Musste dieser Park denn nun verschwinden, damit er sich nicht mehr so schuldig fühlte?
 

Kaiba beobachtete den Himmel, der sich langsam in der Abenddämmerung rot färbte. Wieso kümmerte er sich um Joey? Sie hatten sich immer nur gezankt und nun saßen sie friedlich auf einer Bank im Park. Im Park, in welchen er den Blonden einen Tag zuvor geküsst hatte. Was war es? Wieso hatte er das getan? Er konnte sich selbst nicht verstehen. Er wusste nur eins sicher, er wollte, dass das Hündchen alleine ihm, seinem Herrchen, gehörte. Er wollte es nie mehr so traurig und leer erleben. Er wollte ihn neben keinem anderen sehen. Er wollte ihn küssen, ihn berühren, sanft streicheln… Was war es bloß gewesen?

Wieso hatte er solche Neigungen Joey gegenüber entwickelt? Nein, nicht entwickelt. Warum hatten diese obsessiven Gedanken so plötzlich von ihm Besitz ergriffen?
 

Joey zog seine Beine zu sich auf die Bank und legte seine Arme um diese. Dieser Park war so groß und er selbst war so klein und unscheinbar.

Die Gedanken des Blonden waren bei dem Kuss stehen geblieben. Der Kuss… Wieso hatte er es zugelassen? Er wollte Seto spüren. Er wollte bei ihm sein, seine Wärme spüren, die Joey Geborgenheit gab. Er wünschte sich, es würde sich wiederholen, denn es hatte ihn zurückgeholt. In diese bittere Welt, nach der er sich doch sehnte. Seto war diese Welt. Auch wenn er nur seit weniger als 24 Stunden 'Seto' für ihn wurde.
 

„Eigentlich sollte ich doch froh sein. Für meinen Vater gab es mich nicht mehr… Seit Mama mit Serenety uns verlassen hatte, stritten wir nur, wenn überhaupt. Doch trotzdem tut es so weh… Warum?“

Seto wand seinen Blick Joey zu und beobachtete diesen lange Minuten lang schweigend.

„Ich bin zwar kein Psychologe“, durchbrach er schließlich die Stille. „Und kann mich irren, aber dass er sich mit dir gestritten hat, zeigt wohl, dass du ihm nicht völlig egal gewesen bist und ich denke mal er hat dich, sein eigenes leibliches Kind, wohl kaum gehasst. Zumindest nicht nur gehasst.“
 

Er wusste nicht wirklich warum, doch Setos Worte erleichterten Joey ein wenig. Es war als ob ein Knoten in seiner Brust anfangen würde sich zu lösen.

„Danke…“

Traurig und doch sehnsüchtig schaute Joey in die eiskalten blauen Augen seines Gegenübers.

Wieder fing es an zu regnen.

Sanfte Tropfen prasselten beruhigend auf die beiden.

„Komm, fahren wir zurück, sonst erkältest du dich noch und ein niesender Köter ist wohl das letzte“, sagte der Firmenchef anfangs leise, doch immer mehr gewann seine Stimme an Lautstärke und gewohntem Befehlston. Doch statt gehässig klang sie neckisch.

„Das sagt ja der richtige, du hirnloser Geldsack!“

„Bell dein Herrchen nicht an.“

„Herrchen?! Bei so einem wie dir würde ich ja verrecken!“

„Ah, du gibst doch zu ein Köter zu sein.“

„TU ICH NICHT!“

„Mach Platz.“

„Noch was?!“

Wut. Bitterkeit. Sie verwandelten sich schon mit den ersten Worten, die aus Joeys Brust drangen, in Empörung und… Heiterkeit.

Dafür war er dankbar.

Das Wortgefecht dauerte die ganze Rückfahrt über und verstummte erst, als Kaiba, in der Villa angekommen, anordnete seins und das Gästebad einzulassen.
 

„Gästebad… Gästebad… Wo ist das Ding?“

Joey irrte schon eine geschlagene Viertelstunde durch die Flure in der Hoffnung auf jemanden zu stoßen, der ihm sagen konnte wo sich der gesuchte Raum befand. Die Hoffnung ihn selbst zu finden hatte er nach den ersten Minuten schon aufgegeben.

„Diese Villa ist einfach zu groß“, seufzte er niedergeschlagen. Da würde Seto ja wieder was zum Lachen haben, wenn er hörte, dass sich Joey ja doch verlaufen hatte.

Er blieb vor einer Holztür mit der Beschriftung „Bad“ stehen und schaute diese misstrauisch an.

„Das hier? Da steht immerhin Bad drauf. Na dann, mal sehen.“
 

Joey legte seine Hand auf den Türgriff und drückte diesen herunter. Die Tür ging auf und er wollte schon reinkommen, doch blieb er erstarrt im Türrahmen stehen.

Ein splitternackter Seto, der anscheinend gerade fertig mit Ausziehen war, stand vor ihm und bedachte ihn mit einem verwunderten Blick.

„Ich hab das Bad gesucht!“, schrie Joey hastig, die Augen nicht vom anderen lassend.

Ein scheinbar auslachendes Grinsen schlich sich auf Setos Lippen.

„Das hier ist mein persönliches Bad.“

„Äh, entschuldige…Ich konnte das… Gästebad nicht… finden…“

Joey ertappte sich bei dem Gedanken, dass er die Lippen, dessen Atem er auf seiner Wange spürte, am liebsten küssen würde.

Atem? Wieso war Seto auf ein Mal so nahe? Gefährlich nah.

„Das Gästebad ist gegenüber deinem Zimmer, Hündchen“, sagte Seto mit verführerisch leiser Stimme.

„Äh, gut, dann gehe ich…jetzt…dahin…“

Eine verräterische Röte schlich sich auf die Wangen Joeys, als er hastig die Tür hinter sich schloss.
 

Inzwischen mit einem feuerrotem Kopf stapfte Joey zu dem Gästebad. Seine Gedanken kreisten um den muskulösen Körper Setos und seiner verführerischen Stimme, die ihm einen wohligen Schauer über den Rücken jagte, jedes Mal wenn er sich daran erinnerte. Ein nackter Seto. Ein nackter Seto…

Er blieb kurz stehen und schüttelte den Kopf. Was soll’s, dann war es eben ein nackter Seto, er sollte jetzt lieber ein Bad nehmen. Denn in einem hatte Seto recht. Erkältungen waren ziemlich nervig.

Together?

Joey hatte eine ganze Stunde lang im Bad verbracht und die Wärme genossen.

Er war tief in selbstanalytischen und doch alles andere als konstruktiven Gedanken versunken. Wieso hatte ihn der Anblick Setos so getroffen? So… erregt? Wieso war er, wie ein Schulmädchen, peinlich berührt gestürmt?

Er wollte Setos Haut berühren. Wollte sanft über sie streicheln. Seine Lippen küssen. Wollte ihn fest an sich drücken.

Doch wieso nur? War es eine vorübergehende Verwirrtheit? Oder war er einfach nicht normal? War dies der Grund, wieso sein Vater ihn…

Joey unterbrach seine eigenen Gedanken wütend.

Dann verlangte es ihn eben nach Seto.

Warum auch nicht.
 

Er war wieder in seinem Zimmer. Wieso wollte der Firmenchef bloß nicht aus seinen Gedanken verschwinden?

Joey ließ sich auf das weiche Himmelsbett fallen und streckte sich genüsslich. Es war herrlich. Der Blonde drehte sich zur Seite und kuschelte sich in die Decke. Er war schon kurz davor einzuschlafen, als ein Klopfen ertönte und der vor kurzen im Bad heiß begehrte Braunhaarige betrat das Zimmer, ohne ein „Herein“ abzuwarten.

Joey setzte sich so gleich auf dem Bett und betrachtete enttäuscht den in einen Bademantel gehüllten Seto.
 

„Und? Alles in Ordnung?“, fragte der Eintretende.

Joey nickte nur.

Röte stieg ihm ins Gesicht.

Wie viele Male wollte Kaiba in den heute noch wie ein verknalltes Schulmädchen fühle lassen?

„Entschuldige wegen vorhin“, meinte der Blonde den Blick zu seiner Decke abwendend.

„Vorhin?“

Schon wieder hörte sich Setos Stimme so unwiderstehlich an.

„Na, im…Bad…“, stotterte er leicht, einen schüchternen Seitenblick Richtung des Braunhaarigen wagend. Doch richtete er diesen sofort nach unten. Es tat ihm ganz und gar nicht gut den anderen jetzt anzusehen. Wieso hatte der eigentlich so schöne Beine, die auch noch entblößt unter dem Mantel hervorragten?

Er fühlte sich zu dieser weißen Haut hingezogen.

„Da hast du dich ja wirklich süß angestellt, aber bestraft muss es trotzdem werden.“

Er blinzelte.

Süß? Bestraft? Wer war dieser Mann und wie hatte er von Setos Körper so einfach Besitz ergreifen können?

Und doch… ihm wurde klar, was dieses Spiel bedeutete. Worauf es hinauslaufen würde.

Auf eine weitere Sünde in seinem Leben.

Warum denn eigentlich nicht?

Der Rotschimmer auf Joeys Wangen verschwand. Sein Blick richtete sich einladend auf das Objekt seiner so unnatürlichen Begierde.

„An was hast du denn dabei gedacht?“, fragte Joey, die Stimme tief und ruhig, fast belanglos und doch lauernd. Ungewöhnlich bei Joey.

Er schaute Seto direkt an.

Ein laszives Grinsen war die Antwort Setos. Von Verlangen getrieben schenkte er der Veränderung in Joeys Verhalten kaum Beachtung.

„Das siehst du gleich, mein Hündchen.“
 

Hündchen?

Auch gut, dann war er ein Hund, bereit sich zu unterwerfen und zu dienen.

Letztendlich machte es keinen Unterschied. Egal.

Der Glanz verschwand aus den Augen Joeys.

Seine Hand zog den sich nähernden Seto zu sich. Gefügig lehnte er sich auf die Kissen zurück, Seto nach sich ziehend.

Finger gruben sich in die blonden Haare, als Seto den Kopf des anderen leicht zur Seite legte, um feste Bisse, gemischt mit zarten Küssen, darauf zu verteilen. Seine zweite Hand wanderte unter den Bademantel Joeys. Über die Haut an dessen Brust, an dessen Seiten. Setos Fingernägel kratzten leicht über den Bauch Joeys, der mit einem Zucken reagierte.

Doch gleichgültig blickten die Augen, ins Nirgendwo gerichtet. Mit mechanischen Bewegungen glitten auch die Hände des Blonden unter den Mantel des anderen. Sie strichen diesen unnötigen Stoff von den Schultern Setos, dessen muskulösen Körper entblößend.

Die Lippen Setos küssten sanft ein Ohrläppchen des Blonden.

„Komm zurück, Joey.“

Erschrocken weiteten sich die Augen des Blonden. Leben erwachte in diesen. Das Herz hämmerte in wildem Tempo in seiner Brust. Eine Hitze breitete sich mit einem Schlag im Körper Joeys aus. Und mit ihr auch die Angst. Seine Arme drückten Setos Körper fest an seinen.

Die süße Sehnsucht wiegte die Angst, bis diese aufgab.

Joey blickte in die Augen Setos, der seinen Kopf aufgerichtet hatte, um den Blonden zu beobachten. Ein Lächeln lag auf dessen Lippen.

Joey blickte in diese eisblauen Augen. Zärtlicher Blick und ebenfalls… verletzlich.

Seine Lippen legten sich auf die des anderen. Sie küssten sich, fest umschlungen. Ihre Zungen spielten miteinander. Zärtlichkeit wich purer unbändiger Lust und doch strichen sie sich sanft gegenseitig über die Haut.

Setos Rücken bog sich durch, als Joeys Nägel über diesen fuhren.

Setos Körper legte sich seitlich neben Joey. Finger spielten am Bauch des Blonden. Mal fest, mal kaum spürbar streichelten sie die Haut dort.

Verlangend blickten Joeys halbgeöffneten Augen in die des anderen. Ein vergnügter Ausdruck legte sich auf die Züge Setos, als dessen Hand weiter nach unten wanderte, Joey damit ein genüssliches Aufstöhnen entlockend. Der Atem beider junger Männer war schnell und schwer.

Joey tat es dem anderen gleich und ließ seine Hand über dessen Härte wandern, doch schnell musste er wieder von dieser lassen. Denn Setos Spiel ließ ihn die Kontrolle über seinen Körper immer mehr verlieren. Während seine Lippen küssten, seine Zunge leckte und seine Zähne bissen, wurden Setos Handbewegungen immer schneller.

Zu ungeduldig, zu verlangend, zu aufgewühlt zuvor war Joey, als das er es viel länger hätte aushalten können. Normalerweise schon, doch was war an diesem Tag normal gewesen?

Verräterisch zuckte sein Körper und ein tiefer Schauder ergriff den Blonden. Ein leises, doch hochzufriedenes Stöhnen begleitete das Ende dieses Spiels.

Danach versank er fast augenblicklich in einem wohligen Nichts. Endlich konnte er schlafen.
 

Etwas verwundert über das schnelle Einschlafen Joeys, hob Seto seine Augenbraue, doch schnell wich dieser Ausdruck dem eines neckischen und zufriedenen. Dies war ein netter Abschluss der Abnormalitäten der letzten Tage.

Vielleicht war es auch ein Anfang.

Seto brauchte einige Momente, in denen er seine Selbstbeherrschung wiederfand, eher er den träumenden Körper des Blonden näher an sich zog und ebenfalls seine Augen schloss.

Daily Life

Er hatte eigentlich alles erwartet, aber das?

Ein friedlich schlafender Seto schmiegte sich an seine Brust!

Ein tiefes Rot stieg augenblicklich in Joeys Gesicht.

Was hatte er da mit diesem Mann getan?

Und doch war er ihm dankbar. Denn nun fühlte er sich erleichtert. Als könnte er nach langer Zeit endlich wieder frische Luft holen. Diese tief einatmen, um die Frische in seinem ganzen Körper zu verteilen.

Natürlich hatte er nicht ganz vergessen, was sie zusammengeführt hatte. Weswegen der gestrige Abend passiert war.

Doch jetzt wollte er nicht mehr darüber nachdenken, jetzt wollte er dieses schlafende Gesicht beobachten.

Es konnte noch nicht so spät sein, denn es dämmerte erst ganz leicht. Doch reichte das Licht, um die entspannten Gesichtszüge Setos zu sehen.

Auf einmal spielte Zeit wieder eine Rolle.

Er strich sanft eine verirrte Strähne Setos zurück. Ein Finger wanderte über die Wange des Schlafenden.

Wieso fühlte er sich zu diesem Mann hingezogen?

Er hatte ihm Wärme gegeben, nach der er sich schon so lange gesehnt hatte. Er hatte ihn mitten in der Stadt gefunden, bei Regen, ohne Regenschirm. Er hatte ihn schützend in seine Arme geholt. Ihn aus den Tiefen der Verzweiflung und Ausweglosigkeit zurück ins Leben getrieben. Und dadurch an sich gebunden.

Doch… war es schon nicht vorher so gewesen?

Seto war immer derjenige, der ihm wirklich Aufmerksamkeit schenkte. In ihren ununterbrochenen Streitereien war Seto immer nur auf ihn fixiert gewesen. In ihren Zankereien gab es nur sie zwei. Irgendwie war Setos Verhalten gegenüber Joey schon immer „anders“ als zum Rest. Er war gewissermaßen besonders.

Ein leises Lachen drang aus der Kehle Joeys.

Ein merkwürdiger Gedanke.

Nun suchte er schon nach einem Anfang für diese merkwürdigen Gefühle in ihm. Und auch für das Verlangen.

Er hatte sich nach dem Körper des anderen, nach dessen Berührungen gesehnt. Dies konnte man nicht an irgendwas anderem festmachen, oder mit irgendwas anderem erklären als mit Lust.

Er war schwul.

Oder zumindest stand er auf Seto, der zweifellos ein Mann war.

Nunja, er schwamm schon immer gegen den Strom, wie?

Doch… war dies schon Liebe? Oder noch lange nicht?

„Morgen“ – ein undeutliches Nuscheln unterbrach Joeys Gedanken und entlockte ihm stattdessen ein vernarrtes Lächeln.

„Morgen.“
 

„Wie lange willst du noch rumtrödeln? Das Mittagessen ist schon fertig und danach fahre ich dich Heim.“

Im Türrahmen stand so elegant und arrogant wie immer der junge Firmenchef.

„Hast du was zu essen da? Ich nehme mal an nicht, ich lass dir was mitgeben. Morgen ist übrigens Schule, vergiss das nicht!“

„Ja…“

Er fühlte sich wie ein Kind – wie er sich schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Trotz des strengen und kalten Tonfalls umsorgte Seto ihn nun schon seit dem Aufwachen. Er hatte ihn die ganze Zeit mit Fragen wie „Tee, oder lieber Kaffee? Willst du nicht gleich unter die Dusche, das wird dir gut tun? Deine Sachen sind trocken, hast du daheim frische Wäsche, oder soll ich dir lieber welche mitgeben?“ überrannt.

Irgendwie… lustig und schön.

Und doch war er sich alles andere als sicher darüber, wie es weiter gehen würde. Würden sie sich in der Schule wieder streiten? Ignorieren? Dass es kein öffentliches Techtelmechtel geben würde, war Joey gewiss klar. Doch würde da trotzdem etwas Unscheinbares und für sie beide bedeutsames geben? Würde es zwischen ihnen anders sein?
 

Nach dem ‚einfachen’ Mittagessen ließ Seto seine Limousine vorfahren und Joey erklärte dem Fahrer den Weg zu seiner kleinen Wohnung. Die ganze Fahrt über schwiegen die beiden.

Erwartete sie ein Abschied, oder ein 'Auf Wiedersehen'?

Angekommen, stiegen beide genau so schweigend aus und Seto begleitete Joey nach oben, in ein kleines Einzimmerappartement in einem schäbigen Haus in einer schäbigen Gegend. Das ganze Haus sah wie von außen so auch von innen dreckig-grau aus und die hässliche Tapete ging schon langsam ab und hing im weg.

Nun Joeys Wohnung sah etwas besser aus. Zwar war sie ungemütlich klein und das Licht drängte kaum durch die kleinen schmutzigen Fenster herein, aber trotzdem war sie irgendwie häuslich. Oder versuchte zumindest mit allen Mitteln es zu sein.

„Nun sind wir da, das ist zwar nichts im Vergleich zu deiner Villa, aber hier wohne ich…“

„Sieht besser aus als ich erwartet habe. Obwohl eine Hundehütte wohl besser zu dir passen würde.“

Ein eiskalter Satz, der ihn wirklich traf. Seine Wutzellen.

„Und zu dir passt gar nichts, du arroganter, arroganter…“

Lüsterne Lippen ließen Joey nicht ausreden, starke Arme raubten ihm die Freiheit und leise Worte schenkten ihm Hoffnung.

„Die Schule fängt erst Morgen an, nicht heute… und sie endet jeden Tag, sie ist nicht ewig… sie nicht und die Zeit dort auch nicht.“

Zwei erregte Körper sanken langsam auf das Sofa nieder in der Abenddämmerung mit der Hoffnung, die Zeit würde für sie stehen bleiben.

Jetzt war er sich sicher, es würde anders sein. Alles würde sich ändern.
 

Am nächsten Morgen wachte Joey mal früh genug auf, um auch ausnahmsweise zu frühstücken. Er fühlte sich müde und trotzdem wie neu geboren. Sein altes Leben lag in einer mit sieben Siegeln verschlossenen Kiste irgendwo in der hintersten Ecke seines Bewusstseins. Oder schon seines Unterbewusstseins.

Seine Schultasche hatte er vor der Tür gefunden, Yugi musste sie dort gelassen haben, nachdem er an den Versuchen ihn zu erreichen verzweifelt war.

Yugi. Er würde sich bei ihm entschuldigen müssen für all die Sorgen.

Und sollte er es ihm erzählen? Vielleicht. Er wusste es noch nicht.

Er würde es wahrscheinlich spontan entscheiden. Wie meistens in seinem Leben.

In seine Überlegungen vertieft hatte der Blonde nicht auf die Zeit geachtet.
 

Schwer atmend erreichte Joey die Schule kurz vor dem Gong. Am Eingangstor stand Yugi und wartete sichtlich darauf, dass ein gewisser Jemand endlich wieder in der Schule erschien. Yugis Gesicht hellte in einem fröhlichen Lächeln auf als er seine Hoffnung erfüllt sah: vor ihm stand keuchend und sich an einem Baum stützend sein bester Freund.

„Endlich bist du wieder da. Du hast Schule geschwänzt!“

„Ja, ich weiß. Tut mir leid, aber…“

„Schon gut. Geht es dir wieder besser?“, fragte Yugi vorsichtig. Er wusste, dass es vielleicht unangebracht war jetzt danach zu fragen, aber er konnte nicht anders.

Die ganzen Tage lang ging es seinem besten Freund offensichtlich nicht gut und er konnte nichts tun, rein gar nichts, seine Worte hatten Joey nicht mal erreicht. So war die Erleichterung riesengroß als Joey Yugi etwas verlegen anlächelte.

Ein Schamgefühl und auch ein leises Schuldgefühl beschlichen den Blonden. Es war nicht gut seinen besten Freund in solcher Unwissenheit zu lassen.
 

„Sorry, dass ich mal wieder solchen Mist gebaut habe. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst, echt, sorry.“

„Macht nichts, dazu sind doch Freunde da. Es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen konnte…“

Yugis Stimme klang ebenfalls schuldbewusst. Und ehrlich. Etwas, wofür Joey sehr dankbar war. Es gab doch mehr auf das er vertrauen konnte.

„Hey, vergiss es. Es geht mir wieder ganz gut.“

„Schön!“

Die Freude war ebenfalls ehrlich und groß und doch schien noch etwas an Yugi zu nagen.

„Aber wie?“

Auch diese Frage war unpassend, aber Yugi konnte es nicht recht glauben, dass sein Freund gerade einfach da vor ihm stand und meinte er hätte alles hinter sich gelassen. Irgendwas musste passiert sein. Irgendwie musste der andere seine Gefühle freigelassen haben. Irgendwie.

„Weißt du,… da gab es…“

Er wusste immer noch nicht, ob er es sagen sollte, oder nicht. Eine unangenehme Unsicherheit nagte an ihm und ließ ihn Zweifeln. An der Richtigkeit dessen, was er getan hatte. An der Richtigkeit dessen, was er nun geworden war.

Aus seinen Gedanken und dieser unangenehmer Situation wurde Joey von einer kühlen Stimme gerissen: „Will das Köterchen schon wieder zu spät kommen? Na ja, das war ja auch klar… Aber von dem streberischen Yugi hätte ich das nicht erwartet.“

„Lass uns in Ruhe Seto“, bei dem Wort „streberisch“ kam Yugi langsam die Wut hoch. „Und was meinst du überhaupt mit zu spät kommen?“

„Es hat schon längst geläutet, ihr Dummköpfe.“

„Was!? Oh nein, wir kommen zu spät, Joey, starr keine Löcher in die Luft, sondern lauf! Ich komme wegen dir zu spät!“

„Sorry…“
 

„Ja, Köterchen, lauf! So gehört es sich.“

„Ich bin KEIN KÖTER! Du arroganter Arsch!“

„Nein? Siehst aber so aus…“

„Hey Leute, wir kommen alle ZU SPÄT!“, Yugi konnte nicht mehr länger warten und zog beide zur Schule.

Eigentlich hatte Yugi Angst, dass ein Treffen auf Seto Kaiba Joeys Laune wieder verschlechtern würde, aber wie es aussah waren seine Befürchtungen umsonst. Was ihn erleichterte. Vielleicht brauchte Joey bloß wieder Gewohnheit in seinem Leben?
 

„Als Strafe werdet ihr jetzt alle bis zum Ende der ersten Stunde vor der Tür stehen!“

„Draußen, vor der Tür, so wie es sich für einen Köter gehört!“

„Ah ja? Und wieso bist du auch hier? Draußen.“

„Das Herrchen muss leider mitverantworten was sein Hündchen anstellt…“

„Was!?“

„Jetzt beruhigt euch doch mal, wir sind alle zu spät gekommen.“

„Beruhigen? Noch was!? Dieser arroganter…“

„RUHE DA DRAUSSEN, SONST GIBT’S HEUTE KOLLEKTIVES NACHSITZEN ALS STRAFE!“

Future?

Er hatte ja nicht erwartet, dass sie Händchenhaltend durch die Flure hüpften und sich in den Pausen gegenseitig mit Erdbeeren füttern würden. Er hatte auch keine Abschiedsküsse oder heimliche Briefbotschaften erwartet. Gewiss nicht. Doch dass es so blieb wie früher? Oder in ihren Streitereien gar noch schlimmer wurde als zuvor? Joey seufzte.

„Joey? Hallo? Hörst du mir überhaupt zu?“

Yugis Stimme riss den Blonden aus seinen Gedanken. Sie waren momentan bei diesem zu Hause und der Kleine versuchte vergeblich Joey den Stoff der letzten Tage, die er versäumt hatte, zu erläutern. Doch der Blonde musste gestehen, dass er keinem einzigen Wort zugehört hatte… Bei der Erwähnung „Exponentialfunktion“ waren seine Gedanken automatisch zu Seto und ihrer ungeklärten Beziehung gewandert.

„Sorry, Yugi“, er beugte seinen Kopf. „Aber ich kann mich einfach nicht konzentrieren. Außerdem ist der Stoff wohl einfach zu viel für mich.“

Yugi betrachtete seinen Nachhilfeschüler unbeeindruckt. Solche Aussagen waren nicht neu – vor allem wenn er gerade dabei war mathematische Gleichungen zu erklären.

„Du hast es noch nicht mal versucht“, stellte er aufmunternd fest. „Doch was beschäftigt dich?“

Der Blonde lehnte sich zurück, sich auf seinen Händen abstützend. Er atmete tief ein und dann aus. Neben der Sache mit Seto gab es noch etwas anderes, das ihn nicht losließ.

„Ich will einen anderen Job“, sagte er schließlich. Nach kurzem Überlegen war er zu der festen Überzeugung gelangt, dass das andere nicht für Yugis Ohren geeignet war.

„Warum willst du plötzlich wechseln? Du hast doch schon den Job seit Jahren“, fragte Yugi überrascht.

„Ich brauch einen besser bezahlten! Diesen werde ich schmeißen…“

„Wozu mehr Geld? Jetzt, ohne deinen Vater, müsstest du doch ganz gut auskommen.“

Yugi betrachtete nach seiner Aussage Joey ganz genau – er hatte eine Regung bei seinen Worten erwartet. Doch es gab keine. Vielleicht war Joey wirklich über den Tod seines Vaters schon hinweg?

„Weißt du, ich will mir eine andere Wohnung suchen… Diese ist… Ich kann einfach nicht mehr.“

„Versteh, du hast wohl nichts Schönes darin erlebt…“, stellte der Kleine traurig fest. Der Tod war wohl doch noch nicht ganz verarbeitet. Oder zumindest die Erinnerungen waren noch nicht verblasst.

Bei den Worten kehrten Joeys Gedanken unwillkürlich wieder zu Seto zurück und er erinnerte sich daran, was sie in der Wohnung zusammen getan hatten. Er spürte, wie seine Wangen heißer wurden.

„Alles in Ordnung Joey? Du bist ja ganz rot im Gesicht, hast du Fieber?“

Eine Hand fasste an seine Stirn, doch er wich sogleich etwas zurück, mit den Händen beschwichtigend vor sich hin und her wedelnd.

„Nein, nein. Alles in Ordnung“, fügte er rasch hinzu.

„Wie du meinst. Aber du musst auf deine Gesundheit achten, Joey.“

Er lächelte.

„Mach ich!“

Er war sehr dankbar für Yugis Fürsorge. Er stellte aufs Neue fest, was für ein guter Freund dieser war. Auch wenn er sich bei der Frage ertappte, ob Yugi nicht doch etwas zu… naiv war für diese Welt?! Wenn er eine Ahnung davon hätte, was Joey für Gedanken durch den Kopf jagten. Wie zum Beispiel das Bild eines Halbnackten Setos auf seinem Sofa… Aber er musste gestehen – es war eine schöne Erinnerung, die er mit der Wohnung verband. Eine schöne, aber auch gefährliche. Wenn er jedes Mal bei dem Gedanken an seine Wohnung, Seto oder dessen Villa rot werden sollte, dann war die Zeit nicht mehr weit, in der Yugi ihn mit Fragen löchern und die Wahrheit herausbekommen würde… Er musste diesen Prozess irgendwie stoppen.

„JOEY! Du hörst mir ja schon wieder nicht zu“, langsam fing Yugi an zu Schmollen. Er gab sich doch schon alle Mühe, doch er konnte wohl nicht gegen die Gedanken seines besten Freundes ankommen – was er doch alles dafür geben würde, um zu wissen was für Gedanken dies waren. Würde er es nicht besser wissen, würde er auf „verliebt sein“ tippen. Aber da gab es eigentlich keine Kandidatinnen für… oder doch?

„Sorry“ – wieder eine entschuldigende Geste. „Meine Aufmerksamkeit gehört nun ganz und gar dir! Ich verspreche es!“

„Joey, hier. Diese Anzeige habe ich neulich in der Lokalzeitung gefunden. Du musst da zwar drei Mal im Monat an einem Sonntag arbeiten, kriegst dann aber während der Woche zwei Wochentage frei und brauchst ansonsten nur abends zu arbeiten und die Bezahlung ist super! Na ja, einen Nachteil gibt es schon…“

„Nachteil?“

„Du musst dann als Kellner im Restaurant arbeiten und dieses Restaurant, naja, es befindet sich im Erdgeschoss des Kaiba Gebäude…“ Yugi war sich eigentlich ziemlich sicher, dass Joey ablehnen würde. Immerhin ging es hier um das Firmengebäude seines auserkorenen Erzfeindes!

„Das Glasding?“

„Genau…“

„Das heißt ich wäre ja ein Kaiba-Kellner!“

„Genau“, nickte Yugi. Er war überrascht über die eher amüsierte als empörte Reaktion seines besten Freundes. Langsam wanderte eine Augenbraue auf dem Gesicht des Lilahaarigen in die Höhe. Wo blieben die vehemente Ablehnung und die üblichen Beleidigungen?

„Kaiba-Kellner“, wiederholte der Blonde grinsend, doch dieses Mal mischte sich neben der Heiterkeit noch etwas anderes in dessen Gesicht. Leichte Röte zierte seine Wangen, während die Gedanken Joeys ganz weit weg glitten.

„Joey, ist zwischen dir und Kaiba etwas Besonderes vorgefallen?“

Diese Frage riss Joey sofort aus seinen Gedanken zurück in die Realität.

„Nein“, antwortete er mit matter Stimme. Seine Augen waren ungläubig geweitet. Sah man es ihm so einfach an?

„Hm“ – Yugi glaubte dem Blonden nicht, dass in dessen Leben nichts Besonderes vorgefallen war, doch er glaubte gerne, dass es nichts mit Kaiba zu tun hatte. Das wäre einfach zu undenkbar. Außerdem war Joey ein miserabler Lügner.

„Dann… bist du gerade in jemanden verliebt?“

Joey konnte sich nicht helfen als wieder zu erröten. Was sollte überhaupt das „Dann“ in Yugis Satz?!

„Das ist ein eindeutiges Ja! Wer ist sie?“ Sofort bohrte sich ein neugieriges Augenpaar in den Blonden.

„Nein, ich… ich… ich weiß es noch nicht. Ok?“

„Oh. Aber du könntest mir trotzdem von ihr erzählen, oder?“

Jetzt saß er in der Klemme. Irgendwie. Er wollte Yugi nicht anlügen – es ihm zu verschweigen war schon nicht gut, aber das konnte er wenigstens damit rechtfertigen, dass solche Dinge vielleicht nicht auf Verständnis stoßen würden. Yugi war noch so unerfahren und naiv in solchen Dingen…

„Ich werde mich bewerben!“, lenkte er das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema zurück.

„Wie?“

„Für den Kellnerjob.“

„Ah, gut“, erwiderte Yugi etwas verwirrt über den plötzlichen Themenwechsel. „Der Job ist wirklich wie perfekt für dich geschaffen…“ Und Yugi erklärte ihm in einem weiteren Vortrag die Vorzüge dieses Angebots.

Innerlich atmete der Blonde erleichtert auf. Nochmal gut gegangen. Doch wie lange würde er noch davonkommen können?
 

~~~
 

„Somit ist diese Besprechung beendet.“

„Ja wohl, Herr Kaiba“

„Den Rest des Tages möchte ich ungestört bleiben.“

„Ja wohl, Master Kaiba.“

Nachdem er alleine in seinem Büro blieb, stellte sich Seto an die Glaswand und betrachtete die Stadt. Er tat es immer gerne, wenn er einige freie Minuten dafür finden konnte. Seine Gedanken wanderten zu seinem blonden Hündchen.

Ob Joey die Anzeige zufällig entdeckt hatte? Er ging nicht davon aus, dass der Blonde Zeitungen las – aber vielleicht würde ihn irgendjemand darauf aufmerksam machen, sobald er die Tatsache seiner Arbeitssuche laut verkündete. Seto hatte es rein zufällig mitbekommen, als Joey mit nachdenklichem Ausdruck im Gesicht vor einer Anzeige stehen geblieben war.

Seto schüttelte den Kopf. Er dachte eindeutig zu viel an diesen Jungen. Schleunigst setzte sich der Geschäftsführer an seinen Schreibtisch, um seine Arbeit fortzusetzen. Doch er sollte noch einige Zeit von dieser abgelenkt werden, nach dem eine Frage seine Gedanken durchkreuzte: Wie würde wohl Joeys Bewerbung aussehen?
 

„Der neue Kellner ist ja eigentlich ganz hübsch, aber etwas ungeschickt… Was sollen wir den mit ihm machen, wir hatten doch genug Arbeitskräfte?“

Zwei schwarz-weiß gekleidete junge Männer verließen das Mitarbeiterzimmer des Dragon-Cafés im Erdgeschoss der Kaiba Corporation.

„Ihn einarbeiten. Ich hab gehört er wurde von weiter oben eingestellt, also wird’s wohl einen Grund haben“, antwortete der Größere von beiden, während er eine dunkelblonde Strähne hinter sein Ohr strich.

„Ganz was neues. Also ein Goldjunge.“

Future!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Wie viel Wahrheit verträgt Yugi?

Seit dem Tod von Joeys Vater waren schon Wochen vergangen und Joey selbst besuchte regelmäßig die Schule. Doch seit der Blonde den neuen Job als Kellner für die Kaiba-Bar angenommen hatte, benahm er sich irgendwie komisch in Yugis Augen. Er schien noch erschöpfter und müder zu sein als sonst. Wenn man ihn nach seiner Arbeit fragte, gab er immer das gleiche zurück: "Alles bestens, gute Gäste, gute Bezahlung!"

Nur ein Mal hatte er was anderes gesagt, als ihn Yugi stundenlang ständig nach seinem Job fragte. Da hat er über Kato, seinen Mitarbeiter, erzählt. Und auch wieder nur positives. Und als Yugi ein Mal auf Joey abends wartete, um ihm seine Hausaufgaben zu bringen, da er mal wieder die Letzte Unterrichtsstunde geschwänzt hatte, verharrte er völlig umsonst bis halb Zwölf vor dessen Haustür. Als er am nächsten Tag danach fragte, wurde Joey ganz rot und meinte es sei noch was mit Kato trinken gegangen.

Jedes Mal, wenn ich Seto erwähne zappelt er rum oder wird ganz rot und versucht das Thema zu wechseln… Und die Frage ob er eine Freundin hat will er mir nicht beantworten. Was ist nur mit dir los, Joey. Du bist gemein, mir nix zu sagen! - diese Gedanken kehrten immer öfter in den Stachelkopf zurück. Oder konnte Joey vielleicht nichts über seine Arbeit erzählen, weil er unter Druck gesetzt wurde? Vielleicht ließ Kaiba ihn ja Überstunden machen und beutete ihn total aus! Vielleicht erpresste Kaiba Joey mit irgendwelchen Photomontagen? Oder Kaiba verging sich an Joey? Nein, das wohl auf keinen Fall. Kaiba war ganz sicher nicht schwul. Pervers hätte man ihm ja noch zutrauern können aber schwul? Nein, ganz sicher nicht. Außerdem würde Joey da wohl kaum mitmachen. Er kann den Kerl doch nicht ausstehen. Die wildesten Theorien erwachten in Yugis Kopf zu Leben und wurden von einer Mischung aus Sorge und blühender Fantasie angefeuert. Zudem hatte sich etwas zwischen Kaiba und Joey wirklich verändert. Sie hatten sich schon immer in den Haaren gelegen, doch nun hatten die Streitereien ein ganz neues Level erreicht. Yugi war immer mehr davon verwundert, dass es noch zu keiner Schlägerei gekommen war bei dem wie hitzig die Wortgefechte zwischen den beiden ausfielen. Vielleicht steckte Joey ja wirklich in Schwierigkeiten?
 

Nach dem sich Yugi dazu entschieden hatte Joeys merkwürdigem Verhalten nachzugehen, fasste er auch blitzschnell einen Plan. Er beschloss nach Joeys Schichtschluss in der Bar vorbeischauen und unauffällig Infos zu sammeln. Yugi lieh sich einen langen schwarzen Mantel aus und verschmolz somit fast mit der Nacht. Seine 'Unsichtbarkeit' führte allerdings nur dazu, dass er ständig angerempelt und übersehen wurde, außerdem war der Mantel so lang, dass er sich ständig darin verhedderte. Einige Polizisten, an denen er vorbei ging beäugten ihn misstrauisch. So war er richtig froh in der Bar endlich angekommen zu sein und seinen Mantel abgenommen zu haben.

Da Yugi eigentlich alles andere als James Bond war und wenig Ahnung hatte, wie er weiter vorgehen sollte, erkundigte er sich auch gleich direkt bei dem Kellner, ob dieser jemanden namens Kato kennen würde. Dies war der einzige Name, der jemals zu Joeys Arbeitskollegen gefallen war und anscheinend waren die beiden ja mal trinken gewesen. Bestimmt konnte Kato ihm mehr über Joeys Arbeit erzählen.

„Da hast du ja Glück gehabt, Kleiner. Ich bin Kato. Sehr erfreut, was verschafft mir so eine süße Ehre?“, fragte dieser süffisant

„Ich bin kein Kleiner. Ich bin immerhin schon 18!", erwiderte Yugi schmollend eher er sich erinnerte weswegen er eigentlich gekommen war. "Ich bin ein Freund von Joey, der arbeitet auch hier…“

"Der Liebling vom obersten Chef“, nickte Kato.

„Der Liebling vom obersten Chef…", wiederholte Yugi ungläubig. Kato konnte nur einen Menschen meinen. "Seto Kaiba!?“

„Genau, Seto Kaibas Schosshündchen", bestätigte Kato.

Yugi riss die Augen auf. Das konnte nur ein Missverständnis sein! Kaiba und Joey konnten sich doch nicht leiden.

„Du bringst bestimmt was durcheinander...“, entgegnete der Kleinere unsicher, wofür er sogleich ein Kopfschütteln kassierte.

„Er wurde von Kaiba persönlich eingestellt. Außerdem...“

„Außerdem?“, Yugi spürte, dass er den entscheidenden Hinweis jetzt bekommen würde. Gespannt beugte er sich weiter vor.

"Außerdem verschwindet Joey jeden Abend im Büro des Firmenchefs. Meisten bleibt er dann auch mindestens zwei Stunden! Meine Schicht endet ja um Mitternacht und oft verlasse ich das Gebäude vor Joey. Er nimmt meistens den Diensteingang, wenn er geht und dann muss er hier am Restaurant vorbei. Abends ist nicht viel los, also habe ich einen ganz guten Überblick darüber, wer wann geht. Was die wohl da zwei Stunden machen?"

Yugis Lider weiteten sich, während die unterschiedlichsten Horrorszenarien sich vor seinem inneren Augen abspielten. Er hatte es gewusst! Er musste unbedingt Joey da rausholen!

"Joey strahlt immer über das ganze Gesicht, wenn er vom Chef kommt. Da wird man ganz neidisch", setzte Kato fort. Ihm war die Veränderung in Yugis Ausdruck nicht aufgefallen. Viel mehr wünschte er sich gerade zu jemanden, der ihn auch nach der Arbeit zum Grinsen bringen konnte.

Strahlen? Yugi blickte verwundert zu Kato, der ihm keinerlei Beachtung mehr schenkte. Langsam erhob er sich vom Stuhl und schüttelte den Kopf. Das Ganze ergab immer weniger Sinn. Vielleicht sollte er doch einfach Joey direkt fragen?

Kato erinnerte sich wieder an seinen Gast, als Yugi aufstand, und musterte den Jüngeren genauer. Er war zierlich gebaut und hatte eine freundliche Ausstrahlung. Eigentlich ganz nett. Mit einem Grinsen beugte er sich zu Yugi, der ein ganzes Stück Kleiner war. "Was fragst du eigentlich? Vergiss Joey und verbring lieber einen Abend mit mir..."

Yugi wich einen Schritt zurück bei dieser unerwarteten und plumpen Anmache, doch stolperte über den Stuhl. Er versuchte nach dem Tisch zu greifen, doch vergebens. Instinktiv kniff der Kleine seine Augen zusammen in Erwartung des Aufpralls mit dem Boden. Doch stattdessen spürte er, wie er gegen einen Körper mit seinem Rücken stieß, während Hände nach seinen Schultern griffen. Jemand hatte ihn aufgefangen.

Yugi hob jetzt den Kopf und musterte seinen Retter. Dieser hatte langes schwarzes zusammengebundenes Haar, das bis zu seinen Knien reichte. Einzelne Strähnen hingen im Gesicht und verdeckten teilweise seine wunderschöne, gelb-grüne Augen, die so viel Würde, Tradition und Stärke ausstrahlten. Der gut gebaute junge Mann schien nicht älter als 18 zu sein und chinesischer Abstammung zu sein. Er hielt Yugi immer noch in seiner starken Umarmung fest und belehrte Kato gerade über dessen respektlosen Umgang mit Kundschaft. Auf einmal senkte der junge Mann leicht den Kopf und lächelte Yugi zu.

„Alles in Ordnung?“

„Ja, danke.“

„Hat Kato wieder mal getratscht? Was hat er diesmal für einen Schwachsinn erzählt?“, fragte der Schwarzhaarige amüsiert.

Doch als Yugi zu einer Antwort ansetzte, wurde er von Kato unterbrochen.

„Hey, diesmal habe ich keinen Schwachsinn erzählt. Es war mal ausnahmsweise die reinste Wahrheit!“

„Wer es glaubt, wird selig, Kato… Hey, alles in Ordnung, Kleiner?“

Bei der Erinnerung an Katos Worte wurde Yugis Gesicht rot. Ein neues Szenario hatte sich auf seinem inneren Bildschirm zusammengesetzt und es war eine ganz neue Art von Horror.
 

„Hey, Kleiner!“

„Der ist wohl wo anders. Bei dem was er für ein Gesicht zieht, ist er wohl in einer anderen Welt, wenn du weißt, was ich meine.“

Yugi war wirklich zu tief mit seiner neuen Vermutung beschäftigt. Doch je länger er darüber nachdachte, desto weniger absurd erschien ihm der Gedanke. Er wusste wirklich nicht mehr, was er denken sollte. Er musste dringend mit Joey reden! Er kehrte wieder zur Realität zurück und schenkte den zwei Streitenden wieder mehr Aufmerksamkeit.

„Hör auf, Kato!“

„Wieso? Der Kleine scheint wieder bei Sinnen zu sein.“

Warum nannten sie ihn eigentlich immer so?

„Ich bin kein KLEINER! Ich heiße Yugi, Yugi Muto!“, protestierte er schließlich.

„Was für ein schöner Name…“, wieder lächelte sanft der junge Retter Yugis.

Und dieses Lächeln ließ Yugi seine ganze Wut über das Wort ‚Kleiner’ zu vergessen.

„Und mein Name ist…“

„Huh, da kommt ja unser Blonder!“, unterbrach Kato und deutete in die Richtung der Fahrstühle.

Yugi blickte ebenfalls hin und sah gerade noch, wie Joey aus dem Fahrstuhl stieg und um die Ecke bog. Ohne viel darüber nachzudenken ließ er die zwei jungen Männer stehen und lief dem Blonden hinterher. Irgendwo am Rande seines Bewusstseins registrierte er, dass er bis zum Ende von dem Schwarzhaarigen an den Schultern gehalten wurde.
 

„Joey!“, rief er als er den Blonden einholte.

„YUGI? Was machst du denn hier?“

Joey blieb wie angewurzelt stehen. Sein Herz war ihm fast aus der Brust gesprungen bei dem Schock.

„Ich wollte dich mal bei der Arbeit besuchen. Alles in Ordnung? Du…“, bevor Yugi den Satz beenden konnte, hörte er gemächliche Schritte hinter sich und drehte sich automatisch um. Seto Kaiba ging direkt auf sie beide zu. Er hatte eine Tüte in seiner Hand, die er wortlos Joey hinhielt. Yugi hatte er nur einen kurzen Blick beim Vorbeigehen geworfen.

"...siehst müde aus", beendete Yugi schließlich seinen Satz, während er seine Überraschung herunterschluckte. Was war hier eigentlich los?

Auf Joeys Wangen zeichnete sich langsam ein Rotschimmer ab, während er etwas verloren zwischen Seto und Yugi hin- und herblickte. Wie genau sollte er das am besten erklären? Seto hielt ihm weiterhin die Tüte hin, die wahrscheinlich sein verspätetes Abendessen beinhaltete. Immer noch stumm nahm er diese entgegen. Was war nochmal Yugis Frage gewesen? Warum er müde war...

"Nun...ja... also, die Arbeit...", stammelte er etwas unsicher.

„Der Köter kann halt nichts aushalten. Bin ich dir zu leidenschaftlich?“, unterbrach ihn Seto und leckte sich über die Lippen. Das löste sofort Joeys Anspannung und wie gewohnt setzte er zu einem ihrer neckischen Streitereien an.

„Seto, du - “

„Leidenschaftlich?“ Diesmal war es die leise Stimme Yugis, die den Blonden unterbrach. Er klang sichtlich verwirrt. "Was genau geht hier vor?"

„Tust du nur so, oder bist du wirklich so naiv, Muto?“

Mit einem fiesen Grinsen im Gesicht beugte sich der Firmenchef zu seinem Hündchen vor und küsste ihn sanft auf die Lippen.
 

Yugis Augen weiteten sich. Joey wehrte sich nicht mal, während Kaiba ihn...ihn...küsste! Stattdessen schloss er die Augen. Eins seiner Horrorszenarien wurde doch wahr!

„Doch Schwule! Alle beide…“

Yugi wurde schwarz vor Augen, er konnte seinen Körper nicht mehr spüren und fiel kraftlos nach hinten. Wieder fingen ihn zwei starke Arme auf.
 

Eine halbe Stunde später saßen Yugi und Joeys in dessen Wohnung, wo Seto sie beiden hingefahren hatte. Hier und da standen schon halb gepackte Kisten.

„Also, was läuft da? Ich will alles wissen!“, fragte Yugi ohne Umschweife nach, während seine Augen böse den Blonden anfunkelten.

„Ähm, also…“

„Ich höre.“

„Äh, ich hol uns erst mal was zu trinken…“

„Ich hab keinen Durst. Ich höre.“

Joey blieb keine Wahl und seufzend erzählte er Yugi alles, bis auf die nächtlichen Details.

"Wow..." Yugi war immer und immer mehr erstaunt. Es war eine interessante Geschichte und er konnte es nicht fassen, dass er nichts davon mitbekommen hatte!

"Du klingst ganz schön verliebt", stellte er fest.

Joey nickte und diesmal wurde er so rot, als würde sein ganzer Kopf Flammen fangen.

"Bin ich auch...", murmelte er leise.

Yugi nickte nur. Jetzt, wo er sich das Ganze in Ruhe angehört hatte, fand er es gar nicht mehr so undenkbar. Was sich liebt, das neckt sich, sagte man doch?

"Fühlt er auch so für dich?"

Joey blinzelte verwirrt und richtete seinen Blick auf Yugi.

"Keine Ahnung...ich hab ihn irgendwie nie gefragt."

Schockiert ging der Blonde all ihre gemeinsamen Abende im Kopf durch. Sie hatten nie darüber geredet! Er wusste, dass er Seto es einfach gesagt hatte, als ihm seine eigenen Gefühle klar wurde. Oder eher hatte er es herausgebrüllt. Doch Seto hatte gar nicht wirklich etwas erwidert... Jetzt, wo er darüber nachdachte, war das eine sehr gute Frage. Was fühlte Seto für ihn?

Abrupt erhob sich Joey und stapfte zur Tür.

"Joey? Wo willst du hin?", fragte Yugi verwirrt nach. Was ging denn jetzt?

"Ihn fragen."

"Was?"

"Ihr fragen!", rief der Blonde und verließ die Wohnung.

"Aber es ist mitten in der Nacht...", flüsterte der Kleinere.
 

~~~
 

„Was willst du jetzt noch hier? Wir haben doch vorhin erst...“

Joey stand vor Seto, der gerade dabei war sich umzuziehen und ihn etwas irritiert ansah.

„Ich will eine Antwort von dir!“

Joey beachtete ihn mit einem feurigen Blick, während er selbst im Türrahmen stand, die Arme auf der Brust verschränkt.

„Eine Antwort?“, hackte der Braunhaarige und legte seinen Kopf schief.

„Ja." Joey holte tief Luft und ignorierte die Zweifel in seinem Kopf. "Liebst du mich?“

„Lieben…?“

Joey nickte.

„Kennst du denn die Antwort nicht schon?“, fragte er emotionslos zurück. Setos Augen wurden kalt und leer. Jegliche Wärme verschwand aus ihnen. "Zu blöd sogar dafür, Köter", bemerkte er herablassend und knallte die Tür seines Schlafzimmers vor Joeys Nase zu.

Der Blonde machte einen Schritt zurück. Ob er die Antwort nicht schon kannte? Was bedeutete das? Sein Körper fing an zu zittern.

„Seto…“, flüsterte er leise.

Seto hatte ihm nie irgendwas versprochen. Seto hatte ihm nie etwas von Gefühlen gesagt.

War das die Antwort?

Gebrochen machte sich der Blonde auf dem Heimweg. Stumme Tränen liefen seine Wangen herunter.
 

~~~
 

„Er kommt gar nicht mehr…“

„Wie?“

Yugi schaute besorgt zu Joey, der sehnsüchtig und traurig auf dem Schulhof starrte.

„Seto… Er ist schon seit mehr als einer Woche nicht in der Schule erschienen.“

„Ja, seit du an dem Abend weggerannt bist. Was ist denn passiert?“

Joey schwieg nur und starrte weiter aus dem Fenster. Als er nach Hause gekommen war, war Yugi eingeschlafen. Er wollte den Kleinen nicht wecken, also hatte er es sich selbst auf dem Sofa gemütlich gemacht. Er hatte weiterhin keinen einzigen Laut von sich gegeben, als er im Leid versank. Er hatte glatt daran gedacht sich in die Ohnmacht zu besaufen, wie sein Vater es immer getan hatte. Irgendwann musste er eingeschlafen sein. Als Yugi ihn am nächsten Morgen weckte, war er zu verwirrt und beschämt, um darüber zu reden. Hatte er sich die Ganze Zeit nur auf eine Bettgeschichte eingelassen gehabt?

„Sag doch was. Ich will doch nur helfen…“

Der Blonde schüttelte den Kopf. Das konnte nur Seto. Nur hatte er diesen nicht mehr gesehen seit dem Abend. Joey schüttelte den Kopf bei dem Gedanken. Das stimmte gar nicht! Er konnte sich selbst helfen. Wenn Seto wie ein feiger Hund den Schwanz einzog, dann musste diesmal Joey eben ihn einholen. Diesmal würde er auch eine definitive Antwort verlangen! Wütend erhob er sich von seinem Platz.

„Joey? Der Unterricht fängt gleich an! Wo willst du so plötzlich hin?“

„Ins Lehrerzimmer!“

„Lehrerzimmer?“

Entschlossen stolzierte das verlassene Hündchen in das Zimmer, wo er direkt nach dem Verbleib Seto Kaibas fragte.
 

„WAS?! Er hat sich bei der Schule abgemeldet? Weil er nach Amerika gezogen ist? Was soll das?! Seto, du mieser...mieser... Straßenköter!“

War DAS Setos Antwort? Der Blonde schlug wütend gegen die Wand während er zurück zum Klassenzimmer stapfte. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Wenn Seto ihn nicht mehr wollte, konnte er das ihm auch ins Gesicht sagen! Außerdem... Joey blieb kurz vor der Tür stehen. Außerdem wollte er Seto nicht verlieren. Er wollte nicht zurück in die Einsamkeit. In die Dunkelheit seiner eigenen Welt. Der Blonde nickte sich selbst zu und holte seine Sachen, den Lehrer, der schon den Unterricht begonnen hatte, vollkommen ignorierend.

„Joey? Alles in Ordnung? Was hast du vor?!“

Der Blonde ignorierte Yugis besorgte Rufe. Mit einem feurigen Blick schritt er gerade aus und verließ die Schule.

Er würde Seto zurückholen!

Restart?

Kapitel: Restart?
 

Es sind schon Monate vergangen seid ich nach New York abreisen musste. Seid wann dauern Geschäftsreisen denn so lange? Dass sie ihren Mist nicht selbst ausbaden können. Nur weil der amerikanische Zugeordneter wie es sich herausgestellt hat äußerst inkompetent ist und noch dazu kein einziges Wort japanisch kann, musste ich her, die Firma neu aufbauen und wichtige Kontakte pflegen. Wie es wohl meinem Hündchen geht? Seine letzen Worte: Liebst du mich? Er schien die Antwort nicht zu wissen, dabei ist es doch offensichtlich. Allerdings kann ich nicht warten. Ich kann nicht mehr, mein Sonnenschein…

„Mister Justin wäre jetzt eingetroffen, Master.“

„Bitte ihn herein und lass uns allein, ich hab was Geschäftliches mit ihm zu besprechen.“

„Ja wohl, Master.“
 

„Guten Abend.“

„Justin.“

„Sie wollten mich sehen? Habe ich es etwa endlich geschafft ihr kaltes Herz zu schmelzen?“

„Ich mag keine eigenwilligen Katzen, Justin.“

„Sie mögen wohl folgsame Hunde. So einen können sie gerne bekommen, sie müssen sich nur zurücklehnen.“

Die Zunge des blonden Mannes machte sich an das massive Glied seines Masters ran und zwei lustvolle Körper sanken langsam auf das weiche Bett…
 

~~~
 

„Also, das ist New York? Geil! Wir sind wirklich in dieser Stadt und fahren gerade über die berühmte Brücke!“

„Sie heißt Brooklyn Bridge. Und wenn du mal nach links schaust, dann kannst du die 'Miss Liberty', die Freiheitsstatue, sehen!“

„Du kennst dich ja aus, Yugi. Komm machen wir Sightseeing.“

„So etwas kennt doch wohl jeder, aber bist du nicht aus einem anderen Grund hier?“

„Ah, dazu haben wir noch Zeit, hab immerhin zwei Wochen Urlaub. Nennen wir es Abschlussfahrt. Wir haben endlich unseren Abschluss! Das musst wohl gefeiert werden! Yeah! America, I love you!"

„Hey, setz dich ordentlich hin! Der Fahrer sieht sonst nichts!“

Ich brauche noch ganz wenig Zeit. Die ganzen Monate lang habe ich gearbeitet, gearbeitet und den Abschluss gemacht. Ich habe jede Nacht nur an ihn gedacht, denn ich kann diese Sehnsucht in mir nicht verbergen. ich wollte sofort aufbrechen, doch ohne Geld und so früh vor den Prüfungen... Deswegen musste ich warten und meine Sehnsucht unterdrücken. Nur du kannst sie stillen, schon dein Anblick genügt! Ich hatte es verdrängt, deine unausgesprochene Antwort… Ich habe mich noch nicht auf deine Abweisung vorbereitet. Ich brauche nur noch ganz wenig Zeit. Was für ein Gesicht du wohl machen wirst, wenn du mich siehst? Wahrscheinlich wird kein einziger Muskel deines wunderschönen Gesichts zucken. Deine Augen werden mich wieder mit diesem kalten tiefen Blau anschauen. Mit welchen Worten wirst du mich wohl abweisen? Wirst sagen: War denn meine Abreise nicht Antwort genug? Wirst du sagen, dass du mich nie wieder sehen willst? Aber wozu dann dass Ganze? Wozu haben wir uns dann geliebt? Wieso hast du mich dann genommen? Nur aus Mitleid? Aus Langweile? Nur damit du mir noch mehr wehtun kannst? Damit ich Tränen vergieße bis ich keine mehr habe? Nur damit ich am Ende ja doch zerbreche? Weißt du denn überhaupt was Liebe ist, Seto? Seto…
 

~~~
 

„Ich erwarte dich Morgen in der BlueBoy-Bar um zehn. Dann werden wir unseren Abend weiterführen.“

„Ja, Mister Kaiba.“

„Sie tun wohl alles, was ihr Vater von ihnen verlangt. Und alles nur damit ich einen mickrigen Vertrag schließe.“ Seto schüttelte angewidert den Kopf.

„Wie kommen sie darauf? Ich mache das schließlich aus Vergnügen“, entgegnete der blonde Amerikaner.

Seto schnaubte nur. Dafür schien das Blondchen ja nicht all zu angetan gewesen zu sein. "Wenn du meinst. Du kannst gehen."

Justin verließ das Zimmer und erlaubte sich ein einen wütenden Blick auf die Tür. Als ob er dies für irgendeinen Vertrag oder seinen Vater tun würde! Oder zum Vergnügen!
 

~~~
 

„Joey, wir haben in den letzten Tagen, alles was im Reiseführer stand uns angeschaut… Wir sind sogar zufällig auf viel mehr gestoßen… Aber… Ich weiß, dir fällt es schwer, aber wollen wir nicht langsam zur KC Filiale?“

„Ja, du hast recht, Yugi… Es wird langsam Zeit, ich muss es endlich zu Ende bringen. Nimm dich in Acht, Kaiba! Hier komme ich, SUPER-JOEY!“
 

„Tut mir Leid, aber wenn sie keinen Termin haben, können sie nicht durch“

„Sagen sie ihm einfach, dass hier Joey Wheeler ist!“

„Tut mir Leid, aber mir wurde ausdrücklich verboten Nachrichten von Personen, die nicht in der Liste stehen, oder einen Termin haben, weiterzuleiten. Der Chef ist sehr beschäftigt, also tut mir wirklich Leid, aber würden Sie jetzt, bitte, freiwillig und ohne Aufstand das Gebäude verlassen?“

„Ja, ja, ich gehe ja schon…“

„Das war wohl nichts, Joey. Aber wie sollen wir denn an ihn rankommen?“

„Hm, warte mal, ich hab eine Idee… Kato hat mal erzählt, dass er Bekannte in New York hat und er sie oft besucht. Er hat jetzt auch Urlaub, also wenn wir Glück haben. Auf jeden Fall wird er uns bestimmt weiterhelfen können.“

„Na, wenn du meinst, Joey, aber ich verstehe nicht ganz wie…“

„Warts ab, Yugi, du wirst sehen…“

Die Kälte eines Drachen

Es war Abend und ein kalter Wind wehte durch die belebten Straßen New Yorks, stürmte der Freiheitsstatue entgegen und trieb ein paar Wellen voran, vorbei an dem Flatiron Building und dem Trump Tower, vorbei an einem kleinen Fenster.

Mit dem Rücken an die Fensterscheibe gelehnt strich sich ein junger blonder Mann durchs Haar und seufzte leicht. In der kleinen Wohnung in Brooklyn, das nur so von Ausländern wimmelte, in welcher sich der Blonde niedergelassen hatte, saß außerdem auf einer lederbezogener Couch der beste Freund des Blonden und ein brünetter Mann auf einem, ebenfalls mit Leder bezogenem, Sessel.

„Bist du dir sicher?“, zwei braune Augen schauten skeptisch in die Smaragdgrünen.

„Zweifelst du an meinem Informationsnetzwerk?“, der Brünette zog eine gespielt beleidigte Miene.

„Nein, Kato, wie könnte ich nur? Das Informationswerk der größten Tratschtante der Welt kann man doch gar nicht anzweifeln.“

Sarkasmus. Langsam fing er an, wie Seto zu reden…
 

Auf dem Gesicht des Braunhaarigen breitete sich ein Grinsen aus. „Scherz beiseite, du willst wirklich dort mit ihm reden? Nicht gerade der perfekteste Ort, obwohl es da sehr bequeme „Ruheräume“ gibt, aber die sind teuer und zu einem anderen Zweck…“, der Ältere stoppte und lies seinen Blick vorbei an Joey in die niemals schlafende Stadt gleiten. Seine Gedanken schienen abzuschweifen und seine smaragdgrünen Augen hatten einen träumerischen Glanz angenommen.
 

Joey musste zugeben, dass Kato wirklich schöne Augen hatte, in ihnen lag immer ein Lächeln, egal, was er gerade sagte. Ein Lächeln und diese unerschütterliche Ruhe. Nicht umsonst war der Brünette der beliebteste männliche Barkeeper der Kaiba-Bar gewesen, er war wirklich hübsch und konnte wahrscheinlich auch ganz gut verführen. Ihm galten immer die ganzen gierigen Blicke der Kundschaft, wenn er einen Drink rührte. Und jeder schmolz dahin bei dem zuckersüßen, aber falschem Lächeln des Besitzers diesen wunderschönen Körpers. Ja, mit diesem Lächeln, diesem Körper und seiner ganzen Ausstrahlung könnte der Brünette wirklich jeden haben.

Aber nichts konnte verführerischer sein als die zärtlich beherrschenden Berührungen Kaibas und diese kalten, blauen Augen. Sie sahen tief in seine Seele hinein, durchschauten jede seiner Lügen, jedes einzelne Wort, einfach alles. Dieser eiskalte Blick eines Drachen, der sogar die Dunkelheit durchdrang. Seto war wie ein Licht, nach dem er die Hand ausstreckte, wie ein verlorenes Kind im dunklen Wald und dem er hoffnungsvoll folgte. Einem trügerischen Irrlicht, welches ihn in einen Falle lockte. Wie konnte er je geglaubt haben, dass dieser stolze Drache ihn, einen Köter, mit einem warmen Blick anschauen würde?

Ebenso wie Kato zuvor, lies Joey seinen Blick nach draußen, der Argyle Road entlang, wandern.
 

Er war nur ein Spielzeug gewesen. Oder hasste ihn Seto so sehr, dass er ihn um jeden Preis zerbrechen wollte? Egal, ob es Hass oder Langweile war, es war keine Liebe… Verbittert presste der Blonde seine Lippen aneinander. Keine Liebe… Aber das wollte er aus seinem Mund hören! Aus diesem verdammten Mund, der ihn mit Küssen überschüttet hatte. Von diesem arroganten Mistkerl, der nicht genug Mut besaß ihm persönlich alles zu sagen! Der ihre gemeinsamen Nächte scheinbar einfach vergessen hatte!

Der Blonde presste seine Hände zusammen, drehte sich wieder um und starrte wütend seine Füße an.
 

Seto…

Ein Seufzer.

Nein, er würde ihn nie brechen! Niemals. Joey würde standhalten. Dieses sinnlose Gefühl namens Hoffnung, es war immer noch da… Setos Handlung war doch eigentlich eindeutig, also warum war es noch da?
 

„Ähm, Jungs?“

Yugi, der die ganze Zeit nur still da saß und die beiden jungen Männer betrachtete, die beide in ihren eigenen Welten waren, entschied sich nun doch sich zu Wort zu melden.

„Also, wisst ihr, so kommen wir nicht weiter…“

Langsam klärten sich die braunen und die smaragdgrünen Augenpaare auf. Sie kamen wieder zur Besinnung. Und in beiden dieser Augenpaare schien ein neues Feuer entfacht worden zu sein…

„Also, jeden Donnerstag kommt ein gewisser Seto Kaiba um 22.00 Uhr in die BB-Bar. Dank einem Bekannten, der dort arbeitet, kannst du rein. Das ist die exklusivste Bar New Yorks. Ohne meine Hilfe würdest du da nie auch nur einen Fuß setzten…“, Kato legte den Kopf schief und musterte abschätzend seinen Gegenüber. „…Und in diesen Klamotten erst recht nicht. Zumindest passen das Aussehen und die Größe. Du kannst meinen Anzug ausleihen. Ich bezweifle, dass du so was besitzt…“ Kato grinste den Blonden frech an, er wartete auf den üblichen Widerspruch, auf ein Wortgefecht und starrte gespannt seinen Gegenüber an. Doch Joey blieb still. Schließlich zierte wirklich kein Anzug seinen Besitz. Aber das war es nicht, so was hätte ihn normalerweise nicht dran gehindert contra zu geben. Nein, er wollte es einfach nicht mehr. Diese Streitereien erinnerten ihn immer an Seto. Daran, wie es früher war, vor dem Unfall. Damals hatte er nie viel über den Firmenchef nachgedacht. Er genoss es einfach. Diese verbalen Gefechte, die wütenden, tödlichen und doch amüsierten Blicke.

Es war wie ein Kartenhaus, welches er unbewusst jahrelang mit viel Mühen aufbaute. Ein Kartenhaus, dessen Grund dieses eine Gefühl war. Wie töricht… Aber es war jetzt egal, die heile Welt existierte schon lange nicht mehr für ihn. Er wollte jetzt nicht aufgeben, er würde kämpfen! Für sich selbst… Joey richtete seinen Blick auf und schaute in die violetten Augen seines besten Freundes, die ihm Mut zusprachen. Er ließ seinen Blick gleiten und traf auf dieses beruhigende Smaragdgrün.

„Danke…“

Wie lange war es jetzt her, seit er das letzte Mal so ehrlich gelächelt hatte?

Ja, er lächelte jetzt. Ein trauriges, aber ehrliches Lächeln.

„Danke… euch beiden… denn ohne euch…“

Ein schwerer Seufzer entwich Yugi.

„Kaiba hat wirklich mal einen Arschtritt verdient…“

Zwei verblüffte Augenpaare schauten ungläubig zu dem Kleinen.

„Und das sagst ausgerechnet du, Yugi? Wäre wohl eher mein Text…“

Während er diese Wörter sprach, wurde Joeys Gesicht wieder ernster.

„Ich glaube es wird langsam Zeit, heute ist ja ein Donnerstag.“
 

Nun stand er da und lehnte sich leicht an die Theke.

„Noch einen Bloody Mary, bitte.“

„Kato hat zwar gesagt, ich soll mich um dich kümmern, deswegen kriegst du ja auch die Drinks umsonst, aber ich dachte, du wolltest mit jemanden reden. Das ist schon dein Dritter. Ich bezweifle, dass du nach einer halben Stunde noch ansprechbar bist, wenn du so weiter machst.“

Unruhig rutsche der Wartende hin und her auf seinem Stuhl.

„Ich habe das Warten satt, ich hätte wirklich nicht eine Stunde zu früh kommen sollen… Wie spät ist es jetzt?“

Der dem Aussehen nach sechsundzwanzigjährige Barkeeper warf eine flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr, während er den Bloody Mary mixte.

„Genau zehn.“ Der schlanke Blonde warf einen erwartungsvollen Blick zur Eingangshalle. Kaiba war doch immer überpünktlich. Also müsste er jetzt… Sein Herz setzte aus. Dieser Anblick raubte ihm den Atem. Die Gefühle überschlugen sich in ihm, als Joey den neu eingetroffenen Gast erblickte.
 

Neu lackierte schwarze Stiefel. Ein langer, offener, schwarzer Mantel, in ihm ein schlanker Körper in einem eleganten, ebenso schwarzen, figurbetontem Anzug, aus dem der Kragen eines hellblauen Hemdes heraus stach. Den Anzug zierte eine schlichte silberne Kette, einfach, aber elegant. Einzelne Strähnen im Gesicht. Und dieser verführerisch grausame Blick, diese eiskalten, blauen Augen. Augen, die jeden fesselten. Die Augen eines Drachen, eines überlegenen Geschöpfes.

Dieser Mann konnte sicherlich nicht Lieben. Er verführte, verdarb und zog einen langsam noch tiefer in die Dunkelheit, wie eine Droge, wie ein Gift… Seid wann sah Seto so gut aus? Krampfhaft umklammerte der Blonde das Glas mit dem Bloody Mary.

Ein kleiner Schmerz machte sich breit in Joeys Brust. So als ob zuerst eine Nadel zustach, dann immer mehr, bis es tausend waren. Tausend kleine Nadeln, die sein Herz durchbohrten, es bluten ließen… aber wieso? Schmerzte es so sehr Seto wiederzusehen? Sehen, dass es ihm egal war, dass Joey nicht mehr neben ihm schritt? Diese Blicke, die auf Seto gerichtet waren zu sehen? Sehen, wie ihn alle begehrten? Alle, ob weiblich, oder männlich, egal ob schwul oder nicht, jeder sah ihn mit diesem begehrenden Blick an. Sie hatten Angst vor ihm, verspürten Respekt und doch wollten sie ihn. Auf die unmoralischste Art und Weise. Und keiner von ihnen konnte es, niemand konnte diese verachtende Aura überbrücken. War das Eifersucht? Denn auch er konnte diesem Drachen nicht erreichen, obwohl er ihm so nahe gewesen war. Der Griff um den Bloody Marry wurde stärker, so stark, dass es schon wehtat. Egal, was es war, es machte Joey verrückt. Er wollte es nicht spüren, er wollte seinen Blick abwenden, doch es ging nicht.
 

Beherrschend schritt Seto vorüber ohne seinen Blick auf irgendjemanden zu richten, so als ob es hier niemanden gäbe, und verschwand hinter einer der roten Türen am anderen Ende der Bar.

Keiner verlor ein Wort. Sie alle konnten es spüren. Diese Macht, die er ausstrahlte, ihre eigene Hilflosigkeit und Unterlegenheit. Der Blonde presste seine Hand stark ans Herz und flüsterte nur leise: „Seto…“

„Du willst also mit Seto Kaiba reden?“

Der Blonde antwortete nicht, er nahm seinen Bloody Mary und nippte dran. Erst als das Glas leer war, fasste er sich und steuerte entschlossen auf die rote Tür zu.

„Nein! Da ist…“

Die Stimme des Barkeepers nicht hörend legte der Blonde seine Hand auf die Türklinke. War er bereit? Ja, jetzt gab es kein zurück mehr. Er musste es jetzt wissen. Er würde nicht zerbrechen…

Seine Hand drückte entschlossen die Klinke runter. Die Tür gab nach und Joey machte einen kleinen Schritt in den halbdunklen Raum.
 

Er stockte.

Die Dunkelheit schlang wieder ihre Arme um ihn.

Es war so kalt.

So kalt und dunkel.

Zu Eis erstarrt.

Sein Herz stoppte.
 

„Du könntest wenigstens abschließen.“

„Und du könntest wenigstens anklopfen.“

„Entschuldigung.“

„Manieren sind wohl wirklich nicht dein Ding.“

„Wird nicht wieder vorkommen…“

Leere. Ausdrucksloser Gesichtsausdruck. Kalte Stimme. Nicht einmal Verwunderung.
 

Der Hund senkte leicht den Kopf und machte einen Schritt zurück.

°Standhalten… Nicht… Erst, wenn ich draußen bin…. Dann… Nur dann

ist das Ende da…°

Langsam schloss er die Tür vor ihm und ließ die Klinke los.

Die Bilder brannten sich in sein Gehirn ein.

Ein nackter Seto.

Auf einem schwarzen Lacken.

Sein Arm um einen blonden Jungen gelegt.

Die Lippen auf den Lippen dieses Jungen.

Das Lösen der Lippen.

Dieser eigenwillige Blick des Jungen.

Eine Katze. Kein Hund.

Und dieser kalte Blick eines Drachen.

Gefühllos.

Mit einem Hauch brach es zusammen.

Die Karten lagen nur noch verstreut da.

Endlich wurden sie aufgedeckt.

Nun verschwanden sie langsam in der Dunkelheit.

Ihnen wurde der Boden weggerissen.
 

Ohne zu sehen wohin, rannte er davon, er wollte nicht länger neben dieser Tür bleiben, wollte so weit wie möglich weg. Weg von den Scherben seins Herzens. Er spürte Arme, die versuchten ihn festzuhalten. Er hatte keine Mühe sie loszuwerden. Er wollte weg.
 

Er hätte es wissen müssen.

Kein Haus konnte auf einem Grund stehen, der aus Hoffnung bestand.

Hoffnung- was für ein trügerisches und hinterlistiges Gefühl.

Schmerz.

Alles war zerbrochen.

Alles war dunkel.

Und die Splitter bohrten sich immer tiefer rein.

Es blutete.

Das Herz verblutete.

Rote Tränen.

Er rannte, er wusste nicht wohin, einfach weg. Weg von den Bildern, weg von

diesen Augen. Aber er konnte ihnen nicht entfliehen. Sie holten ihn ein. Sie

fesselten ihn. Brannten.

Es war zu spät.

Er kehrte zurück in die Dunkelheit.

Da war sein Platz.

Tränen über Tränen.

Und kein Sinn darin.

Sie hatten ihre heilende Kraft verloren.
 

Er sank zusammen. Irgendwo in der Dunkelheit.

Sein Blick verlor jeglichen Ausdruck.

Leere. Nur Leere war noch da.
 

Nun war er doch zerbrochen.

Reactions

„Was war denn das?“, die eigenwillige Katze schaute spöttisch zur Tür und drehte sich langsam zu dem Drachen um ihn weiter zu küssen.

„Ein Köter. Mein Köter“

Ruckartig erhob sich der Eiskalte von dem Bett und zog sich wieder an.

„Master?“

„Auch eine eigenwillige Katze wird mit der Zeit lästig, Justin. Sie brauchen nicht mehr bei mir zu erscheinen. Als Spielzeug haben Sie ausgedient“

Kälte. Eine alles verachtende Kälte breitete sich aus als Seto die Tür öffnete und den halbdunklen Raum verließ. Zurück blieb ein blonder selbstsicherer Junge mit einem spöttischen Grinsen im Gesicht.
 

„Was!? Er ist einfach weggerannt? Weißt du dass wir in New York sind? Wie sollen wir ihn nun jetzt finden? Ich hab dir doch gesagt, du sollst auf ihn aufpassen! Egal, ich geh ihn jetzt suchen. Ruf mich an, wenn er wieder auftaucht“, der Brünette legte auf.

Ein wütendes Zittern erfasste Kato. Hastig zog er sich seine Jacke an und war schon an der Tür, als er von Yugi, der gerade aus dem Bad kam, am Ärmel gehalten wurde.

„Was ist passiert? Wo willst du hin?“, der Kleine sah ernst dem Barkeeper in die Augen.

„Er… Er ist abgehauen. Aus der Bar. Joey. Verdammt, noch mal. Ich gehe ihn jetzt suchen und du bleibst hier falls er wieder auftaucht…“

„Aber…“

„Kein aber! Du kennst dich in New York sowieso nicht aus! Du würdest dich selbst verlaufen. Und wenn er hier aufkreuzt, dann rufst du mich an, verstanden?“

Kato zog seine Hand aus den Fängen Yugis und verschwand schon in der Nacht New Yorks. Er hatte es nicht bemerkt. Das lodernde hasserfüllte Feuer, das nun in Yugi brannte.

„Kaiba…“, drohend flüsterte er diesen Namen.

Fertig angezogen verließ auch er die kleine Wohnung.
 

Er rannte. All diese Hintergassen, Straßen, Plätze entlang, die in der Nähe der BB-Bar waren. So weit kann er doch gar nicht abgehauen worden sein. Er musste ihn finden, sofort. Leuchtende Laternen und Vitrinen, Musik aus Discos, Gebrüll aus den Kneipen, Schmutz. Schreie derer die er anrempelte, Hände derer, die um Spenden baten, Verführungen derer, die am Straßenrand standen. So viele Gesichter, traurige, lachende, besorgte, ernste, verzweifelte, ausdruckslose. So viele Menschen, streitende, liebende, einsame. Obdachlose, Besoffene, Nutten, Manager, Drogensüchtige, Firmenchefs, Studenten. Schmutz. Alles außer Joey. Jeder außer Joey.

Wo konnte er nur sein? Verdammt. Joey, ist dir Kaiba wirklich so wichtig? Warum nur? Er…

Abrupt blieb der Brünette stehen. Seine Smaragde richteten sich auf eine Gestalt in einer dunklen Ecke. Eine kauernde verlorene Gestalt, welche keine Gefühle mehr empfand, wessen Verstand sich dem Wahnsinn hingab, dessen Hoffnung in Scherben lag.

„Joey…“

Keine Reaktion. Leere.

Fest umschlungen Katos Arme den Blonden.

„Joey, bitte, komm zu dir. Joey… Ich bitte dich, Joey!“
 

Gedankenversunken saß er in einer schwarzen Limousine und betrachtete die nächtlich Stadt. Eins sagte er bei einem ähnlichen Anblick zu Joey „Der schönste Stern bist doch du Joey. Der Stern, der in der Dunkelheit der Nacht nur für mich zur vollen Pracht erhellt, mein geheimer Stern…“ Er konnte sich noch ganz genau daran erinnern. Er hatte nicht gelogen. Nein. Und bis heute hatte sich seine Meinung nicht geändert. Also was passierte mit ihm? Seid wann war er wieder so kalt geworden? Wieso hatte er sich dieses eigenwillige Kätzchen geholt? Er brauchte niemanden, nur einen. Nur Joey. Ja, langsam wurde er sich dessen bewusst. Er vermisste sein Hündchen, jede Sekunde, jeden Augenblick dachte er nur an ihn. Er vermisste ihn wie sein eigenes Leben. Er war ihm so wichtig, wie kein anderer. Deswegen wollte er ihn für diese Zeit vergessen. Er wollte nicht immer an ihn denken während er in Amerika war. Er wollte diesen Schmerz nicht empfinden. Er konzentrierte sich auf Arbeit. Er ging in die BB-Bar, er suchte sich ein Betthäschen. Er versucht alles. Aber er hatte nur sich selbst belogen. Er dachte ja doch nur an ihn. Joey. Er wollte ihn vergessen, bis er wieder zurück war. Aber jetzt gab es kein zurück. Er brauchte keine Katze mit eigenwilligen Augen. Er wollte nur eins, wieder in diese trotzigen treuen Augen sehen. Aber sie hatten ihren Ausdruck wieder verloren und diesmal war er selbst schuld. Wieso betrat Joey dieses Zimmer? Stand da, sagte diese sinnlosen Worte. Und schaute ihn mit diesem Blick an. Ein Blick der zeigte, dass sein Herz erstarrt sei. Wieder diese Leere. Und wieso hatte er selbst so reagiert? Er selbst sagte genauso sinnlose Worte. Er selbst zeigte nur Kälte. Und jetzt schmerzt es. Seit wann konnte er wieder schmerzen empfinden? Seit wann hatte er wieder Gefühle? Seit wann? Seit er ihn liebte. Er liebte Joey. Er liebte und liebte. Aber was würde ihm diese Erkenntnis jetzt noch nützen? Joey würde es nicht glauben. Joey war verloren in seiner eigenen Finsternis. Auch diese Liebe würde wieder vergehen. Er würde wieder kalt und menschenverachtend werden. Alles würde wieder normal. Es brauchte nur ein wenig Zeit. Bald würde der Drache wieder da sein.

Die Limousine hielt vor einem großen Hochhaus an.

Für die Zeit seines Aufenthaltes in Amerika hatte sich Seto ein großes 1-Zimmer Appartement gemietet, welches sich im 7. Stockwerk eines Hochhauses befand. Er drückte auf die 7 im Aufzug und lehnte sich an die Spiegelwand.

Ja, einfach nur vergessen.

Die Tür ging auf.

Nein, er würde nicht vergessen.

„Was willst du hier?“
 

Kaiba! Dafür würde er ihm büssen. Er hatte Joey verletzt. Joey, seinen besten Freund! Das würde er diesem arroganten Firmenchef nie verzeihen. Er wollte seinen besten Freund nicht verlieren. Aber dank Kaiba tat er es gerade. Er wusste, dass Joey nur dank Kaiba den Unfall verdauen konnte. Es tat weh, aber es war so, Joey liebte Kaiba und nun würde er seine letzte Hoffnung verlieren. Und alles nur wegen dieses miesen Firmenchefs.

Die violetten Augen funkelten böse als er vor der Eingangstür eines noblen Appartements stehen blieb und wartete. Da war er wieder, Yami. Die Dunkelheit, die sich nun an Seto rächen würde. Wie lange hatte Yugi diese Seite nicht mehr gezeigt? Lange. Zu lange.

Die Tür des Aufzuges ging auf und ein herzloser Brünetter im langen schwarzen Mantel trat vor.

„Was willst du hier?“

Die Stimme so kalt wie immer. Nichts hatte sich verändert.

Ein dunkles Lächeln schlich sich auf Yugis Gesicht und seine Stimme schien noch kälter zu sein, als die seines Rivalen. Der Kleine wollte ihn brechen, genauso wie der Joey gebrochen hatte.

Aber würde Joey das wollen?

„Dir eine reinhauen“

Nein, er würde es nicht wollen.

„Wie?“

Eine scheinbar sanfte Hand ballte sich zu einer starken Faust. Der Arm holte weit aus und ein harter Schlag traf Seto ins Gesicht.

Die wucht ließ den Brünetten gegen die Wand donnern und dann zu Boden sinken. Yugi war ganz schön stark, wenn die Wut ihn packte. Das hatte er vergessen.

Schritte, die sich ihm näherten.

Eine kalte Stimme: „Denk noch mal gut nach, Kaiba. Was ist Joey dir wert?“

Die Schritte entfernten sich wieder. Das Geräusch des Aufzugs. Ein Rauschen.
 

Nachdenken? Was ihm Joey wert war? Was gab es da noch nachzudenken? Er liebte ihn. Ja, Liebe… Wie konnte er da nur ans Vergessen denken? Wie konnte er nur auf so was Sinnloses hoffen? Er wollte es nicht, er hatte Angst. Er liebte ihn. Also würde er ihn sich zurück holen, mit Sicherheit.

Ein Kühlbeutel wäre jetzt genau das Richtige…
 

Yugi klingelte an die Tür der Wohnung, die er vor einer Stunde verlassen hatte.

Kato machte auf und zwei böse Smaragde durchbohrten den Kleinen.

„Wo warst du? Ich sagte doch, du sollst in der Wohnung bleiben“

„Nicht so wichtig, hast du ihn gefunden?“, Yugi schaute hoffnungsvoll zu Kato und machte einen Schritt in die Wohnung rein.

„Ja, aber… Sieh es dir selbst an“, Katos stimme klang verzweifelt, er flüsterte nur noch.

Yugi zog hastig seine Jacke aus und eilte ins Wohnzimmer. Auf dem Fensterbrett saß Joey, ans kalte Glas gelehnt. Sein Gesicht sagte nichts aus. Es war leer. Und sein Blick war in die Ferne gerichtet.

„Joey… Es tut mir leid“, flüsterte kaum hörbar Yugi.

Der Kleine drehte sich um und ging wieder zur Ausgangstür.

„Hey, wo willst du jetzt schon wieder hin? Yugi…“

„Die Milch ist alle, ich gehe einkaufen, Kato.“

„Um die Uhrzeit…“

Die Tür fiel laut ins Schloss.
 

Es war deprimierend. Joey ging es schlecht und er konnte ihm wieder nicht helfen. Verdammt, was machte er denn immer falsch? Es schmerzte Joey so zu sehen, schmerzte die eigene Hilflosigkeit zu spüren. War er denn umsonst schon seid Jahren sein bester Freund gewesen?

Ein kühler Wind wühlte Yugis Haare auf. Es war so, als ob man ihm Mut zusprechen würde. Wie konnte er Joey jetzt helfen? Irgendwo muss die Antwort doch sein. Er muss es doch wissen. Also wie?
 

Kato setzte sich neben Joey hin und schaute ihm verzweifelt in die Augen. Wie konnte er ihm jetzt helfen? Jetzt, wo Joey nicht mal bemerkte, dass er neben ihm saß. Er musste den Blonden dazu bringen Kaiba zu vergessen, zumindest für heute, für jetzt. Um zu heilen muss er doch nur vergessen. Nur wie…
 

Nichts. Nichts und Niemand. Eine schwarze Nacht.

Er spürte etwas Weiches. Geschmeidige Strähnen auf seiner Haut. Sanfte Lippen auf seinen eigenen. Eine Hand, die ihn den Rücken entlang strich. Eine andere, die sich in seine Haare festkrallte. Dies Wärme und dieser beruhigende Blick. Ein zärtliches Grün.

°Kato?! Aber… Wieso?°

Joeys Augen klärten sich auf, in ihnen lag Verwunderung. Verwunderung und Schmerz.

°Vergessen… °

Er musste einfach nur vergessen. Er wollte vergessen. Diesen Blick, diese Berührungen, diesen Schmerz. Seto. Er wollte ihn vergessen.

Unsicher öffnete Joey den Mund und seien Zunge traf auf die lustvolle Zunge Katos.

Vergessen… Vergessen. Vergessen. Für immer. Vergessen… Aber nicht so.

Der Blonde löste sich aus dem Kuss, aus der Umarmung, befreite sich von den Händen und lächelte Kato traurig an.

Wieder dieses Lächeln…

„Danke, Kato… Ich muss vergessen, ja ich muss vergessen, aber nicht so… Ich brauche frische Luft.“

Er stand auf, nahm seine Jacke und verließ die Wohnung. So einfach.

Kato lehnte sich an die Fensterscheibe.

„Verdammt.“

Sein Kopf sank nach unten und vergrub sich in seine Arme.

„Verdammt…“
 

Ein Park, es fing an zu regnen. Wie war er hier gelandet? Er wusste es nicht. Seine Füße hatten ihn einfach hergetragen. Ja, er musste Seto vergessen. Dann würde alles wieder gut. Kato hatte ihn geküsst. Das brachte ihn wieder zu Verstand. Was musste er denn tun um Seto zu vergessen? War es denn überhaupt möglich Seto zu vergessen? War es möglich diesen Blick zu entkommen?
 

Er ging durch die abgelegenen Straßen. Die ersten Regentropfen prasselten auf ihn ein. Vor ihm war der Eingang in einen Park. Damals hat es auch geregnet. Damals hatte er sein Hündchen in einem Park gefunden. Das Schicksal spielte einfach nur mit ihnen. Das Schicksal? Glaubte er an Schicksal? Ja, das tat er. Seit wann? Seit jetzt.
 

„Ich wollte dich vergessen, Seto.“

Ein trauriges Lächeln.

„Kannst du es? Kannst du mich vergessen?“

Das Lächeln wurde sanfter.

„Nein, ich kann dich nicht vergessen, Seto.“

Ein entschlossener Blick und ein trauriges Lächeln.

„Ich kann es auch nicht. Ich kann auch nicht vergessen.“

Verwunderung. Wieder eine Hoffnung?

Wollte Seto ihm wieder eine Hoffnung geben, damit er am Ende noch mehr zu leiden hatte?

Es war doch egal warum. Eine Hoffnung ist eine Hoffnung.

Er sah keinen Sinn mehr zu leben und doch lebte er, wie all die anderen Menschen auch.

Ein sanftes Lächeln und ein zärtlicher Blick aus blauen Augen.

Eine neue Hoffnung.

„Komm.“

Happy End?

Sie saßen in einem roten Chevrolet. Seto lenkte konzentriert das Steuer.
 

Seit wann hat er einen Führerschein? Und dieses Auto.. nicht ganz sein Geschmack. Aber vielleicht doch. Ich weiß doch wirklich nichts über meinen Geliebten, wie erbärmlich. Ich wusste ja auch nicht, dass es sinnlos war an ihn zu glauben. Aber das war es, und nun? Sitze ich neben ihm und hoffe. Hoffe.
 

Joey ließ, in Gedanken verloren, seinen Blick über die Landschaft schweifen, die sich ihm seit gut einer Stunde darbot.

„Den Führerschein musste ich wegen der Arbeit machen als ich gerade in Amerika angekommen war. Das Auto ist das Geschenk eines Geschäftspartners. Ich hätte sicherlich ein geschmackvolleres Auto ausgesucht, aber dafür hatte ich keinen Nerv mehr.“

Seto schien die Gedanken seines Begleiters aufgefangen zu haben. Doch sein Blick blieb konzentriert auf der leeren Straße vor ihm.
 

Worüber rede ich hier eigentlich? Ich wollte die Arbeit doch nicht erwähnen. Aber seit ich hier bin, gab es für mich nichts Anderes als Arbeit. Und Justin. Aber darüber will ich nichts sagen. Er will auch mit Sicherheit nichts darüber hören. Wie hätte ich mich denn auf etwas anderes konzentrieren sollen, wenn ich doch eh nur an an diesen Blondschopf in der fernen Heimat denken musste? Ein Wunder, dass ich überhaupt mit der Arbeit vorankomme. Wobei, wenn ich wirklich vorankommen würde, wäre ich längst fertig! Und wer ist Schuld? Diese ganze Gefühlsduselei!
 

Setos Haltung spannte sich noch mehr an und sein Griff um das Lenkrad wurde stärker.
 

Gefühle…
 

Eine unsichere Stimme riss den Brünetten aus seinen Gedanken.

„Wo fahren wir eigentlich hin?“

Setos Körper lockerte sich wieder etwas und er wagte einen schnellen Blick zur Seite.
 

Der Blonde schaute auf die Landschaft, die sich seinem Blick öffnete. Sie waren schon längst aus der Stadt raus. Und es schien keine Menschenseele weit und breit zu sein. Sollte das Mord werden...? Ein unnötiger Zeuge. Joey war ein unnötiger Zeuge.

Was für einen Schwachsinn dachte er sich da eigentlich? Er suchte wohl einfach nach dem Grund.

Der Blonde zuckte leicht und umklammerte den Anhänger in seiner Hand noch stärker. Es war ein metallener Drache, den Yugi ihm vor einiger Zeit geschenkt hatte. Das war bevor er mit Seto zusammengekommen war. Eigentlich war es ein Scherz, aber schon damals konnte er den Anhänger einfach nicht wegschmeißen. Seitdem Seto nach Amerika abgereist war, trug Joey den Drachen immer mit sich, in seiner linken Hosentasche.
 

„An einen schönen Ort.“

Schöner Ort. Seit wann redete Seto so? Wieso klang seine Stimme so weich?
 

Der Blonde drückte sich tiefer in den Ledersitz hinein und presste seine Lippen auf einander.

Seit wann gab es für den Brünetten schöne Orte? Hatte dieser Junge etwa das erreicht, was er nie konnte? Hatte er den Firmenchef fühlen lassen? Wusste dieser jetzt was „Gefühle“ sind? Oder war das alles nur eine seiner Fallen? Wenn nicht, dann was hatte diesen Ort denn schön gemacht? Wer hatte ihn für Seto schön gemacht?

„Wir sind da.“

Joey verkrampfte sich noch mehr und die Flügel seines Anhängers schnitten tief in die Haut.

Er wollte es nicht sehen.
 

In seine Gedanken vertieft, hatte der Blonde nicht mal bemerkt, wie sie von der Hauptstraße abgebogen und einem breiten Pfad in Mitte eines Waldes gefolgt waren.

Er wollte es nicht, aber er musste diesen "schönen" Ort sehen. Sich überzeugen.

Seinen letzten Mut zusammengenommen öffnete der Betrübte die Autotür, seinen Blick immer noch zu Boden gesenkt.

Gras. Er stand auf sanftem zartgrünem Gras.

Langsam richtete er sich auf und ließ seinen Blick auf die Umgebung los.

Das war doch nicht Setos ernst, oder?

Zittrig taumelte Joey ein Paar Schritte nach vorne und seine Kinnlade klappte nach unten.

„Das hast du wohl nicht erwartet, Joey.“

„Es ist... wunderschön.“

Mehr konnte der Blonde dazu nicht sagen. Denn es war wirklich wunderschön und ergriff sein Herz. Seine Sinne schärften sich, nur um das alles aufzunehmen und zu genießen. Er wollte es spüren, jeden Grashalm, jeden Wassertropfen, das Singen der Vögel, das Surren des Windes, einfach alles.

Sie waren an einem kleinen Bach. Mitten in einem alten Wald standen sie auf jungem Gras. Sanfte Sonnenstrahlen tauchten tief in das zärtliche Blau des Wassers. Der kleine See war so rein, wie kein anderes, das er je gesehen hatte. Es wäre unmöglich dies alles mit Worten zu beschreiben, in einem Gemälde zu fangen. Die Ruhe und die Geborgenheit, die dieser Ort ausstrahlte. Hier könnte man alles vergessen und für Augenblicke einfach die Erlösung finden. Das Glück…

„Ich wollte dich vergessen.“

Nein. Nicht hier. Wo er sich endlich frei und rein vorgekommen war. Seto, bitte, sage es nicht.

„Dich einfach aus meinen Gedanken streichen.“

Nein, diese eine letzte Hoffnung. Wenigstens sie sollte er ihm nicht nehmen. Er brauchte doch einen Sinn…

„Verbannen. Ich habe alles daran gesetzt dich aus meiner Welt verschwinden zu lassen.“

Da war sie schon. Diese leise Stimme, die ihm verführerisch zuflüsterte: Du bist wertlos und allein. Für immer.

„Wirklich alles.“

Wertlos.

Joeys Beine gaben nach und er sank bestürzt auf die weiche Wiese.

Verlassen.

Allein.
 

„Weil ich dich so dermaßen vermisste.“

Wie?

Zwei Arme schlangen sich von hinten um Joeys Brust und pressten ihn an einen muskulösen Körper.

„Ich konnte nicht anders, als jede Sekunde nur an dich zu denken, mein Joey.“

Ein schwerer Kopf legte sich auf die Schulter des Blonden.

Konnte das sein? War es wirklich kein Traum? Zeigte DER Seto Kaiba Gefühle ihm gegenüber? Schwäche?

Aber wozu? Warum, verdammt noch mal?! Was wollte er damit erreichen?

Eine Träne rann Joeys Wange herunter.

Aber... er nannte ihn beim Namen.

Diese verfluchte Hoffnung.

Er konnte nicht mehr klar denken. Sein Blick ruhte auf den Armen, die ihn fest umklammerten. Wie hatte er sie nur vermisst. Diese starke Hände, sanfte Berührungen, heißer Atem, dieser unverkennbare Duft, die kitzelnden Strähnen, diese bannenden Augen.

„Seto...“

Diesen Namen. Wie lange hatte er ihn schon nicht mehr laut ausgesprochen?

„Joey...“

Seit wann? Seit wann nannte ihn Seto beim Namen? So zärtlich. Hatte er ihn nach all der Zeit nun endlich erreicht? Sah er ihn endlich? Oder war das gar nicht sein eigener Verdienst.

Sondern...
 

Seine Gedanken verschwanden. Es gab nichts mehr außer diesen Händen, die nach so langer Zeit nun sanft über Joeys Brust streichelten. Wie lange war es her, seit er das letzte Mal dieses Verlangen spürte, diese Hitze, diese sündige Leidenschaft.

Sanft strichen Setos Hände über die Brust des Blonden. Eine der Hände wanderte langsam an dessen Hals entlang und erreichte nun das Kinn des Blonden. Zärtlich legte er seine Finger auf die Lippen des halb geöffneten Mundes. Joey konnte nicht anders als lustvoll über diese zu lecken. Zart hauchte er den schmalen Fingern Küsse ein. Die zweite Hand arbeitete sich bestimmt unter das schwarze Shirt des Blonden vor. Die Finger legten sich sanft um die Brustwarzen und streichelten diese.

Eine verführerische Stimme hauchte in Joeys Ohr so süße Worte.

„Du hast mich gefragt, ob ich dich liebe. Ich weiß nicht was Liebe ist. Aber ich musste jeden Augenblick an dich denken, nur an dich.“

Seto presste den Körper seines Hündchens noch mehr an seinen Eigenen.

„Ich wollte dich wieder sehen, immer neben mir haben. Dich mit unendlich vielen Küssen überschütteln, dich in den Armen halten, nur dich, für immer und ewig. Dich niemals loslassen. Dich und niemanden sonst. Sich mit dir vereinen. Deine Stimme immer an meinem Ohr hören, deinen Atem immer auf meiner Haut spüren, deine Schmerzen nehmen, dich mit Wärme füllen. Nächte lang in dein friedliches, schlafendes Gesicht blicken und deine Augen entflammen, wenn du wach bist.“

Joey hielt den Atem an, als ob ein Luftzug diese Szene davon wehen würde, wie ein Trugbild.

„Wenn dass Liebe ist, dann liebe ich dich mit meiner ganzen Seele. Mein Herz schreit nach dir. Mein Körper verlangt nach dir.“

Joeys Herz raste vor Freude. Seine Liebe zu Seto füllte sein leeres Herz wieder, eine Wärme durchströmte seinen ganzen Körper. Zitternd klammerte der Blonde sich an die Arme des Brünetten, er hatte Angst, das wäre alles nur eine Mirage.

Konnte er denn seinem Geliebten wieder vertrauen? War es denn dieses Mal die Wahrheit? Wieso hatte er sich dann nicht gemeldet? Wieso hatte er diesen Jungen genommen? Wieso ist er so lange fortgeblieben? Konnte er denn an diese Worte glauben? Würde er denn nicht wieder verletzt werden, würde man ihn nicht wieder verlassen und verraten?
 

„Ich liebe dich.“
 

Nach diesen drei Wörtern hatte er sich so lange gesehnt. Nach der Wärme und Ehrlichkeit, die in der Stimme seines Geliebtes lagen. Wenn nicht daran, an was sonst sollte er glauben? Er hatte nichts mehr zu verlieren, er konnte also nur noch gewinnen.

Ich liebe dich.
 

Stürmisch drehte sich das Hündchen um und umschloss den Drachen in seine Armen. Er würde ihn nie wieder loslassen.
 

„Ich liebe dich auch.“
 

Seto erwiderte die Umarmung.

Erwiderte den Kuss.

Erwiderte die Leidenschaft.

Erwiderte die Liebe.
 

„Für immer zusammen.“

Konnte das das Glück sein?

Ewiges Glück…

Nichts hält ewig.

Aber jetzt war es das Glück, welches ihm Flügel schenkte.

Sie beide davon fliegen ließen.

In ein kurzes Paradies.

Bonuskapitel: Joyeux Noël! [YugixRei]

Es war schon Mitte Dezember als es zum ersten Mal schneite.

Und an diesem Tag stellte Yugi seinem besten Freund die alles entscheidende Frage:

„Wie heißt eigentlich dieser schwarzhaarige junge Mann, der mich damals in der Bar aufgefangen hat?“

„Wie? Du meinst Chen?“

„Chen?“

„Na ja, ist nicht sein richtiger Name. So was wie ein Künstlername, den Richtigen kennt nicht mal Kato. Einige nennen ihn auch Tiger. Wegen seinen Augen. Wieso fragst du?“

„Na ja, er war sehr nett an diesem Abend und ich habe mich noch gar nicht bei ihm bedankt…“

„Bedanken? War denn irgendwas passiert, Yugi?“

„Nichts, Joey. Sorry, ich muss los.“ Mit diesen Worten schnappte sich Yugi seine Tasche und lief schnellen Schrittes los.

“Ok. Wir sehen uns am Montag!”

Ich muss mich unbedingt bei diesem Chen bedanken. Irgendwie wird mir bei dem Gedanken an ihn ganz warm…Ich möchte ihn unbedingt wieder sehen…

Schon seit geraumer Zeit hatte Yugi das Gefühl, statt dem Herzen eine endlose Leere mit sich zu tragen. Und immerzu musste er an seinen schwarzhaarigen Retter mit dem sanftesten Lächeln der Welt denken, wenn er in den weiten Himmel schaute. Yugi dachte oft an Chens unbezwingbare Ausstrahlung. So viel Würde und Stärke. Und dabei kein bisschen Arroganz! Außerdem sah der Schwarzhaarige sehr gut aus. Und erst seine beruhigende Stimme! Eine sanfte Wärme breitete sich in ihn aus, wenn Yugi an Chen dachte, aber dieser Gedanken versetzten ihm auch kleine Stiche in sein gutmütiges Herz.

Was ist das bloß für ein Gefühl?
 

Weihnachten kam immer näher und Yugi hatte immer noch kein Geschenk für seinen besten Freund gefunden. Um diese Tatsache zu ändern ging Yugi durch die verschneite Stadt spazieren, die schon ganz von dem Weihnachtszauber verschlungen zu sein schien. Glänzende Lichter, lockige blonde Engel und verliebte glückliche Pärchen, wo man nur hinsah!

Was soll ich bloß Joey schenken?

In der Hoffnung etwas Passendes zu entdecken, schaute sich Yugi auf dem Weihnachtsmarkt um. Und da sah er plötzlich bloß wenige Schritte von ihm entfert einen Mann mit einem langen schwarzen zusammengebundenen Zopf.

„Chen!“, rief Yugi ohne zu Überlegen.

Der junge Mann mit den landen schwarzen Haaren drehte sich langsam um und ein sanftes Lächeln erhellte sein wunderschönes Gesicht, als er bemerkte wer seinen Namen gerufen hatte.

„Guten Tag, Yugi.“

„Ja, hallo." Unsicher schaute Yugi zu dem Schwarzhaarigen hoch, der etwas größer war. Er hatte einfach den Namen gerufen und jetzt wusste er nicht weiter. "Äh, Joey hat mir deinen Künstlernamen verraten, er ist wirklich passend.“

„Meinst du?“

„Ja, passend für so eine chinesische Schönheit!“ Wieder war Yugis Zunge schneller als sein Kopf gewesen.

Was rede ich hier eigentlich? Was ist mit mir los!?

Yugi hatte sich in den letzten Tagen immer wieder bei dem Gedanken erwischt gehabt, dass er Chen gut aussehend fand, jedoch, dass er es ihm so gesagt hatte, erschreckte Yugi etwas und er wusste nicht mehr weiter. Die chinesische Schönheit allerdings schien sich sichtlich zu freuen. Seine Augen schauten sanftmütig und voller Freude zu Yugi.

„Für so ein Kompliment muss ich mich doch angemessen bedanken. Wie wäre es mit Kaffee und Kuchen? Ich kenne hier ein wirklich gutes Cafe in der Nähe!“

Yugi spürte wie seine Wangen langsam wärmer wurden. Die ganze Situation war bizarr! Er hatte doch erst vor kurzem eine Ohnmacht gehabt, als er rausfand, dass Joey und Seto schwul waren... und nun machte er einem anderen jungen Mann Komplimente! Dabei auch noch so plumpe... Innerlich seufzte Yugi. Vielleicht sollte er einfach mit Chen ausgehen und sehen wohin ihn das führte.

„Ok. Ich will Erdbeertorte!“, erwiderte er lächelnd.

„Dachte ich es mir doch, dass du Erdbeeren magst“, Chen lächelte etwas breiter. "Wie ein Kind."

„Ich bin kein Kind!“
 

Yugi hätte sich den Nachmittag gar nicht besser vorstellen können. Nach der Erdbeertorte für Yugi und einem dampfenden Espresso für Chen gingen die beiden in der prächtig geschmückten Stadt spazieren. Durch die, mit weißem sauberen Schnee bedeckte, strahlenden Straßen, durch die süßriechende Weihnachtsmärkte. Die beiden plauderten so als ob sie sich schon ihr ganzes Leben lang kennen würden. Chen verstand Yugi noch bevor er seinen Satz beenden konnte. Und Yugi hatte das Gefühl, dass die Leere in seinem Herzen sich endlich füllen würde, mit süßem warmen Honig. Er war einfach glücklich. Er wusste nicht recht, was dieses Glück zu bedeuten hatte, aber er hatte auch keine Lust oder Zeit darüber nachzudenken. Er wollte diese Wärme einfach genießen. Schon lange hatte er sich nicht mehr so frei und erfüllt gefühlt. So lange… Chens Nähe ließ Yugi sich geborgen fühlen, so dass er alles andere vergessen konnte. Und Yugis Herz schlug immer schneller, wenn er sich Chens Gesicht ansah, seine fesselnde Augen, seine sanften Lippen.

Es war schon Abend als Yugi und sein Begleiter sich auf dem zentralen Weihnachtsmarkt wieder fanden, da wo sie sich am Vormittag schicksalhaft getroffen hatten. Umgeben von Dunkelheit und Schatten erstrahlten die Lichter der Weihnachtsbeleuchtung noch heller und zogen in ihrem Bann. Blonde hübsche Mädchen verkleidet als Engeln verteilten selbstgebackene Plätzchen und beschenkten die ergriffene Passanten mit strahlenden Lächeln. Doch für Yugi gab es nur ein wunderschönes Lächeln, das seines Begleiters. Sanfter als dieses Lächeln konnte für Yugi kein anderes sein, nicht das der Engel, nicht einmal das verführerische Lächeln des Teufels konnte für ihn schöner sein. Die beiden blieben vor einem riesigen reichlich geschmückten Weihnachtsbaum stehen.

„Wie wunderschön…“

„Ja, der Baum ist wirklich schön, Yugi. Aber du bist schöner…“

„Chen…“

Liebevolle Hände fassten nach Yugis Kinn und zogen vorsichtig seinen Kopf zu Chens.

„Mein Name ist übrigens ist Rei.“

Reis Worte, seine leise Stimme hallten in Yugis Gedanken wieder. Doch bevor er antworten konnte, versiegelten Reis zärtliche Lippen die seines Gegenübers. Unverständnis, Verwirrung und Angst überschlugen sich in Yugi, doch dann spürte er dieses honigsüße Gefühl, die Schmetterlinge im Bauch und die unendliche Freiheit. Seine Augen schlossen sich und seine Arme umschlungen den ebenso glücklichen Rei. Auch seine Angst bei Yugi auf Anlehnung zu stoßen verflog innerhalb weniger Augenblicke. Ihr Kuss war für die beiden ewig. Yugi hatte das Gefühl, ihm würden Flügel wachsen. Er wollte mit dem Schwarzhaarigen fest umarmend einfach wegfliegen, ganz weit weg, in den weiten Sternenhimmel, dahin wo es nur die beiden geben würde. Eine ganze Ewigkeit nur ein Kuss. All die Unruhe und Einsamkeit in Yugis Herz schmolzen weg, wie die fallenden Schneeflocken auf den warmen Wangen seines Gegenübers.

„Rei…“

Forever Love

Wie konnte das nur passieren?

Den Zeugen nach, hattet ihr keine Schuld. Aber wieso musste es dann so enden? Der Schuldige hat doch auch überlebt.

Es fängt an zu regnen. Ich habe meinen Schirm nicht dabei. Aber das ist nicht wichtig, ich werde nicht oft herkommen können und euch besuchen. Es tut mir leid... Es ist immer noch ungeklärt wieso ihr hier begraben wurdet und nicht in unserer Heimat.

Du hattest mich noch angerufen, Joey. Ich höre immer noch unser letztes Gespräch, als ob es erst ein Paar Minuten her wäre. Du klangst so glücklich. So glücklich, wie noch nie zuvor.

Du wolltest mir später noch alles erzählen.

Ihr müsstet jetzt los, weil Mokuba verschwunden sei, hast du gesagt.

Auch als deine Stimme einen besorgten Ton annahm, klang sie immer noch so verdammt überglücklich... Seto muss dir wohl endlich seine Liebe gestanden haben. Aber war es gut so?! Wäre es besser, er hätte es dir nicht gesagt? Dann wärst du nicht mit ihm gefahren, dann würdest du jetzt leben... Aber wärst du denn jemals so glücklich geworden? Ich weiß es nicht.

Ich spüre, wie heiße Tränen meine Wangen herunterlaufen.

Machtlos...

Gegen den Schmerz bin ich machtlos, genauso wie gegen den Tod.

Deswegen macht es keinen Sinn über das "was wäre wenn" nachzudenken...

Ich versuche diese Gedanken zu verdrängen und mein Blick wandert zu dem weißen Etwas in meiner Hand.

Der Brief.

Neulich kam ein Brief. Er ist für dich, Seto. Ich konnte ihn dir leider nicht eher bringen. Der Brief ist von Mokuba, wie man am Absender sieht. Ich habe nicht gelesen, was darin steht und du wirst es wohl auch nicht mehr können, aber ich lasse ihn dir trotzdem da.

Ich beuge mich vor und lege den versiegelten Briefumschlag auf das prachtvolle Grab. Prachtvoll, aber trotzdem schlicht. Meine Blumensträuße liegen schon da. Eins auf dem Grab vor dem ich mich knie und eins auf dem Grab daneben.

Dein Testament war verschwunden, sagt man.

Der Brief wurde verschickt noch bevor es bekannt wurde. Dein Bruder muss weit weg sein, wenn der Brief so lange gebraucht hat. Aber ich hoffe es geht ihm gut. In den Nachrichten kam, er sei mit einem jungen Mann namens Justin "durchgebrannt". Ich weiß nicht ob es war ist, aber ich habe nichts mehr von ihm gehört. Es tut mir Leid, Seto, dass ich keine besseren Nachrichten habe.

Deine ganzen hohen Angestellten reißen sich nun um die Firma. Ich glaube sie wird untergehen...Auch dagegen bin ich machtlos.

Macht... Daran hast du immer geglaubt, Seto. Danach hast du immer gelebt. Aber gegen den Tod bist auch du machtlos, genauso wie ich.

Aber hast du wenigstens am Ende verstanden, dass Macht nicht alles ist? Wahrscheinlich. Wenn du Joey so glücklich machen konntest, musstest du es ja bemerkt haben. Dass Gefühle mehr wert sind als Macht.

Ich stehe wieder auf und mein Blick wandert in den Himmel. Genüsslich lasse ich die kalten Regentropfen auf mein Gesicht prasseln.

Ob ihr jetzt glücklich vereint seid, wo auch immer ihr nun verweilt? Ich hoffe es für euch... Hoffnung.

Heute muss ich wieder zurück fliegen, aber Kato bleibt noch eine Weile in New York und besucht euch beide. Auch ich werde noch wiederkommen und bis dahin hoffe ich, dass ihr nun glücklich seid.
 

"Wir müssen los."

Rei kommt näher und legt seinen durchnässten Arm um mich. Er hat die ganze Zeit am Eingangstor des Friedhofs auf mich gewartet.

Ich blicke noch einmal auf eure Gräber, die so nah bei einander liegen.
 

Glücklich vereinigt...

Danke...
 

Es kommt mir vor als ob ich eure sanften Stimmen gehört hätte.

Es war sicherlich nur der Wind.

Der Wind.

Er hat mir eure Antwort gebracht.
 

Ich lächle und mir kommt es so vor, als ob ihr mir zurücklächelt.

Langsam klärt sich der Himmel auf und warme Sonnenstrahlen bannen sich ihren Weg zu den Menschen. Ich verlasse den Friedhof und steige in das Taxi zum Flughafen.
 

Für immer zusammen.

Glücklich.

Hand in Hand.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wer mit diesem Happy End zufrieden ist, kann die FF für abgeschlossen halten und den Epilog NICHT lesen. TT.TT
Ich bedanke mich bei allen, die diese FF soweit gelesen haben und bei allen Kommi-schreibern und Favouriten-Klickern ^v^
*alle abknuddelz* Ich habe diese Ff nur dank eurer Unterstützung geschafft abzuschließen!

cucu
Lunatik Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Da müsste man am Ende noch den Satz zufügen: „Gehen wir zu mir oder zu dir?“
Nee, scherz...
FROHE WEIHNACHTEN! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Jetzt ist, glaube ich, auch das Motiv von Justin (mehr oder weniger) verständlich...(falls das jemanden überhaupt interessiert xD")
vllt sehen wir uns in einer meiner anderen ffs wieder ^^,

VIELEN DANK FÜR DIE UNTERSTÜTZUNG!

cucu
Lunatik Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (72)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Nezumi_Li
2017-08-01T15:27:45+00:00 01.08.2017 17:27
Wunderschöne Story.. Echt super geschrieben. Musste oft schmunzeln und war auch bei einer Szene sprachlos und saß mit offenen Mund da ^^'
Finde es aber auch gut das Yugi jemanden gefunden hat. Nur das Ende mit Seto und Joey gefällt mir nicht wirklich :( Hatte leicht pipi in den Augen *schnief*
Trotzdem wirklich wunderschön geschrieben. Weiter so ;D
Von:  Flecki_Miau
2015-10-23T09:14:19+00:00 23.10.2015 11:14
Super schreibstil, auch wenn das ende so richtig auf die glückliche Psyche schlägt, ist es immer noch gut ^^ weiter so :*
Von:  Akikou_Tsukishima
2015-10-19T06:50:30+00:00 19.10.2015 08:50
Haha geil

Kollektives nachsitzen XD

Seto mal vor der Klassenzimmertür? Wow ein Wunder geschieht...
Von:  Akikou_Tsukishima
2015-10-18T14:30:18+00:00 18.10.2015 16:30
So der Anfang war schon mal packend
Ich lese mal weiter
Von:  Onlyknow3
2012-08-06T15:46:09+00:00 06.08.2012 17:46
Hab die se Geschichte nun schon öfter mal gelesen,und bin immer noch begeistert,weis aber nicht warum meine Kommis nicht mehr da sind.Egal,macht nichts.Frage:Warum schreibst du nicht mit Mokuba und Justin an der Geschichte weiter,denn dieser wird wohl kaum wollen das das Vermächtnis seines Bruders vor die Hunde geht und die Kaiba Corb.in der Versenkung verschwindet.Du könntest da mitdem Brief anfangen,wo er diesen schreibt und dann später erfährt was mit Seto und Joey passiert ist,so das er zurück kommt und die Firma als dessen Nachfolger übernimmt,mit oder ohne Justin ist deine Sache,aber mir würde es gefallen.Ich finde den Epilog nicht überflüssig,also weiter so.


LG
Onlyknow3
Von:  Lunata79
2012-04-25T16:48:35+00:00 25.04.2012 18:48
Das letzte Kapitel ist echt gemein!!!

Wieso hast du die beiden umgebracht???
Sie hätten auch so glücklich werden können.
Und Mokuba hätte so mit Justin durchbrennen können.

Aber wer hätte gedacht, dass sich Yugi tatsächlich in einen Jungen verlieben würde. Ray muss ihm ja wirklich den Kopf verdreht haben.
Ich hatte natürlich schon vorher ne Ahnung. XD

Lg
Lunata79
Von:  Coppelius
2010-06-06T08:10:48+00:00 06.06.2010 10:10
ein sehr guter und trauriger anfang^^
Von:  Sweet-Akane
2008-03-04T00:57:31+00:00 04.03.2008 01:57
Was ein gemeines Ende!!! *heul*
Dabei wars grad so schön... -.-
Na ja wenigstens ist Yugi glücklich.
Aber tolle FF!
Worklich klasse geschrieben!!!
Aber das Ende... *wääääääääääääääääääääh, flenn*.
Bin doch so ein Happy-End-Fetischist *drop*.
Also den Epilog streich ich mal aus meinen Gedanken und nehm das letzte Kappi für mich als Ende, jawohl ^^.
Trotzdem *FAVO* weil die FF so schön war :-)
GLG Akane-chan
Von:  Taiet-Fiona-Dai
2007-09-17T21:13:30+00:00 17.09.2007 23:13
geil! ^^ ich finde es echt geil XDDDDDD
Von: abgemeldet
2007-08-27T17:07:01+00:00 27.08.2007 19:07
das war ja jetzt echt überflüssig T-T


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