Happy End?
Sie saßen in einem roten Chevrolet. Seto lenkte konzentriert das Steuer.
Seit wann hat er einen Führerschein? Und dieses Auto.. nicht ganz sein Geschmack. Aber vielleicht doch. Ich weiß doch wirklich nichts über meinen Geliebten, wie erbärmlich. Ich wusste ja auch nicht, dass es sinnlos war an ihn zu glauben. Aber das war es, und nun? Sitze ich neben ihm und hoffe. Hoffe.
Joey ließ, in Gedanken verloren, seinen Blick über die Landschaft schweifen, die sich ihm seit gut einer Stunde darbot.
„Den Führerschein musste ich wegen der Arbeit machen als ich gerade in Amerika angekommen war. Das Auto ist das Geschenk eines Geschäftspartners. Ich hätte sicherlich ein geschmackvolleres Auto ausgesucht, aber dafür hatte ich keinen Nerv mehr.“
Seto schien die Gedanken seines Begleiters aufgefangen zu haben. Doch sein Blick blieb konzentriert auf der leeren Straße vor ihm.
Worüber rede ich hier eigentlich? Ich wollte die Arbeit doch nicht erwähnen. Aber seit ich hier bin, gab es für mich nichts Anderes als Arbeit. Und Justin. Aber darüber will ich nichts sagen. Er will auch mit Sicherheit nichts darüber hören. Wie hätte ich mich denn auf etwas anderes konzentrieren sollen, wenn ich doch eh nur an an diesen Blondschopf in der fernen Heimat denken musste? Ein Wunder, dass ich überhaupt mit der Arbeit vorankomme. Wobei, wenn ich wirklich vorankommen würde, wäre ich längst fertig! Und wer ist Schuld? Diese ganze Gefühlsduselei!
Setos Haltung spannte sich noch mehr an und sein Griff um das Lenkrad wurde stärker.
Gefühle…
Eine unsichere Stimme riss den Brünetten aus seinen Gedanken.
„Wo fahren wir eigentlich hin?“
Setos Körper lockerte sich wieder etwas und er wagte einen schnellen Blick zur Seite.
Der Blonde schaute auf die Landschaft, die sich seinem Blick öffnete. Sie waren schon längst aus der Stadt raus. Und es schien keine Menschenseele weit und breit zu sein. Sollte das Mord werden...? Ein unnötiger Zeuge. Joey war ein unnötiger Zeuge.
Was für einen Schwachsinn dachte er sich da eigentlich? Er suchte wohl einfach nach dem Grund.
Der Blonde zuckte leicht und umklammerte den Anhänger in seiner Hand noch stärker. Es war ein metallener Drache, den Yugi ihm vor einiger Zeit geschenkt hatte. Das war bevor er mit Seto zusammengekommen war. Eigentlich war es ein Scherz, aber schon damals konnte er den Anhänger einfach nicht wegschmeißen. Seitdem Seto nach Amerika abgereist war, trug Joey den Drachen immer mit sich, in seiner linken Hosentasche.
„An einen schönen Ort.“
Schöner Ort. Seit wann redete Seto so? Wieso klang seine Stimme so weich?
Der Blonde drückte sich tiefer in den Ledersitz hinein und presste seine Lippen auf einander.
Seit wann gab es für den Brünetten schöne Orte? Hatte dieser Junge etwa das erreicht, was er nie konnte? Hatte er den Firmenchef fühlen lassen? Wusste dieser jetzt was „Gefühle“ sind? Oder war das alles nur eine seiner Fallen? Wenn nicht, dann was hatte diesen Ort denn schön gemacht? Wer hatte ihn für Seto schön gemacht?
„Wir sind da.“
Joey verkrampfte sich noch mehr und die Flügel seines Anhängers schnitten tief in die Haut.
Er wollte es nicht sehen.
In seine Gedanken vertieft, hatte der Blonde nicht mal bemerkt, wie sie von der Hauptstraße abgebogen und einem breiten Pfad in Mitte eines Waldes gefolgt waren.
Er wollte es nicht, aber er musste diesen "schönen" Ort sehen. Sich überzeugen.
Seinen letzten Mut zusammengenommen öffnete der Betrübte die Autotür, seinen Blick immer noch zu Boden gesenkt.
Gras. Er stand auf sanftem zartgrünem Gras.
Langsam richtete er sich auf und ließ seinen Blick auf die Umgebung los.
Das war doch nicht Setos ernst, oder?
Zittrig taumelte Joey ein Paar Schritte nach vorne und seine Kinnlade klappte nach unten.
„Das hast du wohl nicht erwartet, Joey.“
„Es ist... wunderschön.“
Mehr konnte der Blonde dazu nicht sagen. Denn es war wirklich wunderschön und ergriff sein Herz. Seine Sinne schärften sich, nur um das alles aufzunehmen und zu genießen. Er wollte es spüren, jeden Grashalm, jeden Wassertropfen, das Singen der Vögel, das Surren des Windes, einfach alles.
Sie waren an einem kleinen Bach. Mitten in einem alten Wald standen sie auf jungem Gras. Sanfte Sonnenstrahlen tauchten tief in das zärtliche Blau des Wassers. Der kleine See war so rein, wie kein anderes, das er je gesehen hatte. Es wäre unmöglich dies alles mit Worten zu beschreiben, in einem Gemälde zu fangen. Die Ruhe und die Geborgenheit, die dieser Ort ausstrahlte. Hier könnte man alles vergessen und für Augenblicke einfach die Erlösung finden. Das Glück…
„Ich wollte dich vergessen.“
Nein. Nicht hier. Wo er sich endlich frei und rein vorgekommen war. Seto, bitte, sage es nicht.
„Dich einfach aus meinen Gedanken streichen.“
Nein, diese eine letzte Hoffnung. Wenigstens sie sollte er ihm nicht nehmen. Er brauchte doch einen Sinn…
„Verbannen. Ich habe alles daran gesetzt dich aus meiner Welt verschwinden zu lassen.“
Da war sie schon. Diese leise Stimme, die ihm verführerisch zuflüsterte: Du bist wertlos und allein. Für immer.
„Wirklich alles.“
Wertlos.
Joeys Beine gaben nach und er sank bestürzt auf die weiche Wiese.
Verlassen.
Allein.
„Weil ich dich so dermaßen vermisste.“
Wie?
Zwei Arme schlangen sich von hinten um Joeys Brust und pressten ihn an einen muskulösen Körper.
„Ich konnte nicht anders, als jede Sekunde nur an dich zu denken, mein Joey.“
Ein schwerer Kopf legte sich auf die Schulter des Blonden.
Konnte das sein? War es wirklich kein Traum? Zeigte DER Seto Kaiba Gefühle ihm gegenüber? Schwäche?
Aber wozu? Warum, verdammt noch mal?! Was wollte er damit erreichen?
Eine Träne rann Joeys Wange herunter.
Aber... er nannte ihn beim Namen.
Diese verfluchte Hoffnung.
Er konnte nicht mehr klar denken. Sein Blick ruhte auf den Armen, die ihn fest umklammerten. Wie hatte er sie nur vermisst. Diese starke Hände, sanfte Berührungen, heißer Atem, dieser unverkennbare Duft, die kitzelnden Strähnen, diese bannenden Augen.
„Seto...“
Diesen Namen. Wie lange hatte er ihn schon nicht mehr laut ausgesprochen?
„Joey...“
Seit wann? Seit wann nannte ihn Seto beim Namen? So zärtlich. Hatte er ihn nach all der Zeit nun endlich erreicht? Sah er ihn endlich? Oder war das gar nicht sein eigener Verdienst.
Sondern...
Seine Gedanken verschwanden. Es gab nichts mehr außer diesen Händen, die nach so langer Zeit nun sanft über Joeys Brust streichelten. Wie lange war es her, seit er das letzte Mal dieses Verlangen spürte, diese Hitze, diese sündige Leidenschaft.
Sanft strichen Setos Hände über die Brust des Blonden. Eine der Hände wanderte langsam an dessen Hals entlang und erreichte nun das Kinn des Blonden. Zärtlich legte er seine Finger auf die Lippen des halb geöffneten Mundes. Joey konnte nicht anders als lustvoll über diese zu lecken. Zart hauchte er den schmalen Fingern Küsse ein. Die zweite Hand arbeitete sich bestimmt unter das schwarze Shirt des Blonden vor. Die Finger legten sich sanft um die Brustwarzen und streichelten diese.
Eine verführerische Stimme hauchte in Joeys Ohr so süße Worte.
„Du hast mich gefragt, ob ich dich liebe. Ich weiß nicht was Liebe ist. Aber ich musste jeden Augenblick an dich denken, nur an dich.“
Seto presste den Körper seines Hündchens noch mehr an seinen Eigenen.
„Ich wollte dich wieder sehen, immer neben mir haben. Dich mit unendlich vielen Küssen überschütteln, dich in den Armen halten, nur dich, für immer und ewig. Dich niemals loslassen. Dich und niemanden sonst. Sich mit dir vereinen. Deine Stimme immer an meinem Ohr hören, deinen Atem immer auf meiner Haut spüren, deine Schmerzen nehmen, dich mit Wärme füllen. Nächte lang in dein friedliches, schlafendes Gesicht blicken und deine Augen entflammen, wenn du wach bist.“
Joey hielt den Atem an, als ob ein Luftzug diese Szene davon wehen würde, wie ein Trugbild.
„Wenn dass Liebe ist, dann liebe ich dich mit meiner ganzen Seele. Mein Herz schreit nach dir. Mein Körper verlangt nach dir.“
Joeys Herz raste vor Freude. Seine Liebe zu Seto füllte sein leeres Herz wieder, eine Wärme durchströmte seinen ganzen Körper. Zitternd klammerte der Blonde sich an die Arme des Brünetten, er hatte Angst, das wäre alles nur eine Mirage.
Konnte er denn seinem Geliebten wieder vertrauen? War es denn dieses Mal die Wahrheit? Wieso hatte er sich dann nicht gemeldet? Wieso hatte er diesen Jungen genommen? Wieso ist er so lange fortgeblieben? Konnte er denn an diese Worte glauben? Würde er denn nicht wieder verletzt werden, würde man ihn nicht wieder verlassen und verraten?
„Ich liebe dich.“
Nach diesen drei Wörtern hatte er sich so lange gesehnt. Nach der Wärme und Ehrlichkeit, die in der Stimme seines Geliebtes lagen. Wenn nicht daran, an was sonst sollte er glauben? Er hatte nichts mehr zu verlieren, er konnte also nur noch gewinnen.
Ich liebe dich.
Stürmisch drehte sich das Hündchen um und umschloss den Drachen in seine Armen. Er würde ihn nie wieder loslassen.
„Ich liebe dich auch.“
Seto erwiderte die Umarmung.
Erwiderte den Kuss.
Erwiderte die Leidenschaft.
Erwiderte die Liebe.
„Für immer zusammen.“
Konnte das das Glück sein?
Ewiges Glück…
Nichts hält ewig.
Aber jetzt war es das Glück, welches ihm Flügel schenkte.
Sie beide davon fliegen ließen.
In ein kurzes Paradies.