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Zwei Seelen, zwei Herzen, eine Liebe

von

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Es vergingen ganze drei Tage, an denen Oscar fast ununterbrochen an Andrés Bett wachte,

Dann, am Morgen des vierten Tages erwachte André aus seiner Bewusstlosigkeit und sie spürte, wie er plötzlich den Druck ihrer Hand erwiderte. Oscar war sich zuerst nicht sicher, ob sie es sich nur eingebildet hatte. Doch dann öffnete André tatsächlich die Augen!

Das goldene Licht der aufgehenden Sonne floss langsam über die Dächer von Versailles und begann seinen lautlosen Kampf gegen die Nacht. André glitt in die Welt des Bewusstseins, ruckartig, unter Schmerzen

und mit dem deutlichen Gefühl von Übelkeit. Die Schmerzen zerrissen die fieberhaften Traumbilder und weckten ihn schlagartig. Es war, als würden brennende Wiederhacken im wunden Fleisch wühlen und sich immer tiefer graben. Eine Welle des Schmerzes breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Er hätte am liebsten ein Jammern von sich gegeben, doch alleine das Luftholen war viel zu schmerzhaft.

Ganz langsam registrierte er seine Umgebung. Und Oscar. Er sah sie neben seinem Bett sitzen, sie hielt seine Hand und sah ihn mit ihren blauen Augen an. Sogleich fühlte er sich etwas besser. Oscar war da... So wie sie immer da war.

Oscar ihrerseits war erleichtert wie nie in ihrem Leben. Ihr Herz klopfte wie wild, als André sie mit seinen grünen Augen ansah. „André, oh Gott bin ich froh! Du hast es geschafft!“ Vor Freude und Erleichterung füllten sich ihre Augen mit Tränen. „Ich hab schon gedacht, ich hätte dich verloren...“ schluchzte sie. André öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch alles was er hervorbrachte, war ein leises Krächzen, was Oscar etwas schmunzeln ließ. Er schluckte ein paar mal und versuchte es noch einmal. „Oscar, so schnell wirst du mich nicht los. Hey, warum weinst du?“ Er entzog ihr seine Hand und legte sie an ihre Wange. Mit dem Daumen wischte er sanft ihre Tränen weg. Auf diese Weise hatte André sie noch nie berührt, es war so ungewohnt. Dennoch fühlte sie eine noch nie da gewesene Wärme in ihr.

Oscar sah ihren Freund an und sagte leise: „Als du so voller Blut in meinen Armen lagst und deine Augen sich nicht mehr öffneten... ich dachte, du seist...“ „Schscht, sprich nicht weiter. Ich lebe ja noch.“ Oscar nickte kraftlos, dann lächelte sie. „Dass du mir nie wieder so einen Schrecken einjagst. Ich brauch dich noch.“ Er lächelte zurück. „Ich versprechs dir.“ Peinlich berührt sah Oscar nach unten. „Wie fühlst du dich, André?“ Er richtete sich etwas auf, da durchzuckte ihn wieder dieser unsagbare Schmerz und er stöhnte auf. „Es geht... solche Schmerzen hatte ich noch nie. Und ich fühl mich so ausgezehrt, so schlapp.“ „Kein Wunder, du hattest zwei Tage sehr hohes Fieber. Willst du was trinken?“ Er nickte. Oscar stand auf und holte ein Glas Wasser von dem kleinen Holztisch. „Hier, trink das.“ Dankbar nahm André das Glas und trank.

Langsam ging Oscar zur Tür. „Wo willst du hin?“ fragte André. Sie drehte sich um. „Ich sag den anderen Bescheid, dass du wieder bei Bewusstsein bist.“ „Nein, bitte nicht.“ sagte er schnell. „Kannst du dir vorstellen, was meine Großmutter für ein Theater machen wird?“ Da musste Oscar lachen. „Oh ja. Sie hat sich wahnsinnige Sorgen um dich gemacht. Und in den letzten drei Tagen ist sie noch älter geworden. Sie hat nur noch dich, André.“ „Ich weiß. Aber momentan will ich einfach nur Ruhe.“ „Soll ich gehen?“ „Nein, bitte Oscar, bleib. Komm, setz dich wieder.“ Es klang schon fast flehend. Sie ging zurück zum Sessel und setzte sich.

André sah sie mit seinen grünen Augen an. „Oscar, ich... ahh!“ Da war er wieder, dieser stechende Schmerz und er sog die Luft ein. Erschrocken beugte Oscar sich über ihren Freund. „André, was ist los?“ Doch er schüttelte den Kopf. „Nein, mir geht´s gut, alles in Ordnung.“ Langsam entspannten sich seine Gesichtszüge und auch seine Atmung wurde normaler. „Oscar, ich danke dir.“ Oscar verstand nicht recht. „Wofür?“ Da nahm er ihre Hand. „Dafür, dass du da warst.“ Sie lächelte ihn an. „Ich konnte dich nicht alleine lassen. Weißt du, an was ich denken musste, als ich an deinem Bett saß?“ „Nein.“ „An unsere Kindheit. Du warst immer für mich da, hast mich immer beschützt. Ich wollte dir etwas davon zurückgeben“ durch Oscars Worte traten Tränen in seine Augen. „Danke“ flüsterte er und die beiden sahen sich eine Zeitlang nur an. André konnte sie während seiner Bewusstlosigkeit zwar nicht sehen, aber er spürte, tief in seinem Inneren, dass sie bei ihm bleiben würde. Und das gab ihm die Kraft, zu überleben.

Plötzlich durchbrach ein Klopfen an der Tür diese intensive, warme, beruhigende Stimmung zwischen den beiden. „Herein.“ rief Oscar. „Rosalie betrat mit einem Tablett das Zimmer. „Lady Oscar, das... oh Andre`! Dir geht es wieder besser!“ Schnell stellte sie das Essen auf den Tisch und eilte zum Bett. Sie strahlte André an. „Ich bin ja so froh. Wir hatten alle Angst um dich. Das muss ich deiner Großmutter erzählen!“ rief sie voller Freude und rannte aus dem Zimmer. „Rosalie, warte!“ rief André ihr hinterher, doch sie hörte nichts mehr.

Mit der Ruhe, die er sich so wünschte, war es nun vorbei. Oscar wollte André eigentlich noch auf die Sache mit seinem Fiebertraum ansprechen, doch da rauschte auch schon seine Großmutter ins Zimmer. „Oh André! Ich danke Gott! Du lebst!“ Weinend setzte sie sich in den Sessel, von dem Oscar aufgestanden war. „Ist ja gut, Großmutter. So schnell zwingt mich nichts in die Knie.“ „Tut dir noch was weh? Soll ich dir noch ein Kissen geben? Willst du was trinken oder hast du Hunger?“ Sophie überschlug sich fast und André sah Oscar mit gequält verdrehten Augen an. Sie zuckte mit den Schultern und lächelte ihn an. „Weißt du was? Ich mach dir jetzt eine heiße Brühe. Du musst schließlich wieder zu Kräften kommen.“ meinte Sophie und stand auf. „Aber Großmutter, ich...“ versuchte André sie davon abzuhalten, da er diese Brühe mehr als verabscheute, doch sie schüttelte entschieden den Kopf. „Nichts da. Ich werde schon dafür sorgen, dass du bald wieder auf dem Damm bist.“ Und schon war sie auf dem Weg in die Küche.

Genervt ließ André den Kopf zurückfallen und seufzte. „Oh man. Genau deswegen wollte ich, dass sie es noch nicht erfährt.“ „Es tut mir leid, André.“ „Du kannst doch nichts dafür. Rosalie hat sie ja geholt.“ Oscar grinste. „Ab jetzt wirst du deine Großmutter nicht mehr los.“ Da huschte auch ein Lächeln über sein Gesicht.

Eine Viertelstunde später saß Sophie wieder an Andrés Bett und gab ihm die Brühe. „Oh Großmutter, ich in sehr wohl noch im Stande, selbst zu essen.“ protestierte André. „Du musst dich doch noch schonen.“ meinte seine Großmutter. Als sie ihm den nächsten Löffel geben wollte, schloss er demonstrativ den Mund. „Also entweder, ich darf selbst essen oder gar nicht.“ Sophie riss die Augen auf. „André, was soll das? Ich will mich doch nur um dich kümmern.“ André seufzte. „Das weiß ich. Trotzdem möchte ich selber essen.“ Da stellte sie den Teller auf den Nachttisch und stand au. „Gut, dir scheint es ja wieder so gut zu gehen, dass du die Hilfe deiner Großmutter nicht brauchst.“ André verdrehte die Augen. „Ach Großmutter, so habe ich das doch nicht gemeint.“ „Nein, ist schon gut. Du bist schließlich ein erwachsener Mann und kein Kind mehr. Ich werde später noch mal nach dir sehen.“ sagte sie und ging. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah André ihr nach. „Glaubst du, ich habe sie sehr verärgert?“ fragte er Oscar, die das ganze Schauspiel mit einem Grinsen verfolgt hatte. „Ich glaube nicht. Sie liebt dich eben.“ „Das weiß ich. Aber das wird mir momentan einfach zu viel.“
 

Nachmittags kam Doktor Racon vorbei. Auch er war froh, dass es André wieder besser ging. „Lady Oscar hat sich wirklich wunderbar um euch gekümmert, André.“ „Und dafür bin ich ihr auch sehr dankbar.“ Der Doktor stellte seine Arzttasche auf den Tisch und holte ein braunes Fläschchen hervor. „So, ich würde mir gerne noch mal die Wunde ansehen und mit dieser Tinktur abtupfen. Das reinigt die Wunde.“ André nickte und öffnete sein Hemd. „Lady Oscar, darf ich euch noch mal bitten?“ fragte der Doktor. „Natürlich.“ sagte sie und stand auf. Doch da spürte sie eine Hand auf ihrem Arm. „Bitte Oscar, bleib hier.“ Erstaunt sah sie ihren Freund an. „Aber André, ich...“ „Bitte, Oscar.“ Er sah ihr direkt in die Augen und sie sah etwas in seinen grünen Augen, dem sie nicht wiederstehen konnte. Es war etwas, was ihr noch nie zuvor aufgefallen war. Sie nickte. „In Ordnung. Wenn ich euch nicht störe, Doktor?“ „Also wegen mir könnt ihr hier bleiben.“ „Danke.“ hauchte André und Oscar setzte sich zurück in den Sessel. Sie sah zu, wie André fortfuhr, sein Hemd zu öffnen. Er spürte ihre Blicke und sein Innerstes beruhigte sich. Keine Medizin konnte ihm mehr helfen als Oscar.

Gebannt sah sie zu, wie Stück für Stück mehr Haut sichtbar wurde. Schließlich war sein Hemd ganz offen und auch der Verband kam zum Vorschein. Oscar wusste nicht warum, aber sie konnte ihren Blick nicht von Andrés nackten muskulösen Oberkörper nehmen. Sie hatte ihn noch nie so gesehen und sie merkte, wie sie Rot wurde. Sie beobachtete, wie sich bei jedem seiner Atemzüge sein Brustkorb hob und senkte. Sah, wie seine Muskeln unter seiner hellen Haut arbeiteten. -Was ist nur los mit mir? Warum sehe ich ihn so an?- Leicht schüttelte sie den Kopf und versuchte, sich ganz auf den Arzt zu konzentrieren, der mit einer Schere den Verband aufschnitt.

Was darunter zum Vorschein kam, ließ sie zusammenfahren. Und auch Andre` war bestürzt, als er seine Wunde das erste Mal sah. Quer über seinem Bauch war der Schnitt mit einem schwarzen Faden zusammengenäht worden, die Haut an dieser Stelle hatte nicht die typisch rosa Färbung, sondern war eher weiß und es hatten sich blutige Krusten gebildet.

„Es sieht schlimmer aus, als es ist.“ versuchte der Arzt André zu beruhigen. „Ihr hattet echtes Glück. Da keine Muskeln, Organe und auch die Bauchschlagader nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist es „nur“ eine tiefe Fleischwunde. Ich habe alles sorgsam vernäht, allerdings wird eine Narbe zurückbleiben. Ich werde nun mit dieser Tinktur, die aus Alkohol und verschiedenen Kräutern besteht, versuchen, die Krusten vorsichtig zu lösen und die Wunde zu reinigen.“ André nickte. Er ahnte, dass das mit Schmerzen verbunden war. De Arzt beträufelte ein Tuch mit dem Mittel und tupfte vorsichtig die Wunde ab. André zuckte zusammen und zog scharf die Luft ein. „Ahh, das brennt!!“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht tastete André blind nach Oscars Hand. Schnell griff sie danach. Es mussten wahnsinnige Schmerzen sein, denn André drückte ihre Hand so fest, dass sie sie nach einer Weile nicht mehr spürte. Andrés Atem ging nur noch stoßweise und bei jeder Berührung durch das Tuch stöhnte er auf. Beruhigend strich Oscar ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Es ist bald vorbei, André.“

Und tatsächlich dauerte es nicht mehr lange und das schlimmste war überstanden. Doktor Racon gab noch eine Salbe auf die Wunde, dann verband er André wieder. Währenddessen hielt Oscar immer noch seine Hand. „So, das war´s. André, ich muss euch bitten, eine Woche lang nicht aufzustehen. Die Naht könnte sonst aufgehen. Nach dieser Woche dürft ihr wieder kürzere Spaziergänge machen, das Reiten muss ich euch allerdings noch für fünf Wochen verbieten. Es wäre zu gefährlich.“ Diese Nachricht gefiel André nicht sonderlich. „Aber Herr Doktor, ich muss reiten. Dass...“ Oscar unterbrach ihn. „André, hast du nicht

gehört? Das Reiten ist noch zu gefährlich. Tu, was der Arzt sagt.“ Doktor RaVon nickte zustimmend. „Hört auf eure Freundin, André. In fünf Wochen kann ich die Fäden ziehen, dann ist die Wunde vollständig verschlossen. Auch dürft ihr euch die nächste Zeit nicht bücken oder etwas schweres heben. Das alles könnte zum Aufbruch führen.“ André seufzte. „Also gut. Ich danke euch, Doktor. Ihr habt mir das Leben gerettet.“ Dankbar schüttelte er dem grauhaarigen Mann die Hand. „Nichts zu danken. Auf Wiedersehen.“ Oscar stand auf. „Darf ich euch noch zu Tür bringen?“ Er schüttelte den Kopf. „Das müsst ihr nicht. Ich finde alleine raus.“ „Auf Wiedersehen, Doktor Racon.“

Immer noch bestürzt sah André an sich herunter auf die nun wieder verbundene Wunde. „Er hat mich aufgeschlitzt wie ein Tier.“ In seiner Stimme mischten sich Wut, Verachtung und Schmerz. Oscar stand am Fenster und blickte nach draußen. „Warum habt ihr gekämpft, Girodel und du? Und stimmt es, dass du ihn herausgefordert hast?“ Bei diesen Fragen fuhr Andrés Kopf hoch. Er konnte es ihr nicht sagen. Vielleicht später, aber jetzt nicht. „Ich... dass kann ich dir im Moment nicht sagen, Oscar. Ich werde es dir erklären, das verspreche ich dir.“ Oscar drehte sich zu ihm um. „In Ordnung. Ich lass dich dann mal alleine. Du brachst Ruhe.“ Er wollte nicht, dass sie ging, doch er wusste nicht, wie er sie aufhalten konnte. Außerdem sah er, wie erschöpft sie war. „Ja, leg dich etwas hin. Dir geht´s auch nicht gut. Ich komm schon zurecht.“

Und zum ersten mal seit vier Tagen ging Oscar wieder in ihr eigenes Zimmer. Sie versuchte, etwas zu schlafen, doch ihre Gedanken kreisten nur um André.
 

***
 

Eine Woche ist seit diesem Tag nun vergangen und André erholte sich gut. Oscar war während dieser Woche immer an seiner Seite. Sie half ihm auch aus dem Bett, als er endlich aufstehen durfte. Sie legte seinen Arm um ihre Schulter und umfasste mit einer Hand seinen Oberkörper. Bei dieser Berührung zitterte ihre Hand. Deutlich spürte sie durch das Hemd die Wärme seiner Haut. -Reiß dich zusammen, Oscar. Das ist doch nur André.-

Sie führte ihn auf den kleinen Balkon, der an sein Zimmer grenzte. „Ah, endlich wieder die Sonne auf dem Gesicht spüren und diese frische Luft zu atmen.“ Genießerisch streckte er sein Gesicht gen Himmel. „Setz dich, André. Du sollst es nicht gleich übertreiben. Ich hole uns Sophies Apfelkuchen und Tee.“
 

Drei Minuten nachdem Oscar gegangen war, ging die Tür auf und Girodel stand in Andrés Zimmer.

Zuerst bekam er einen riesigen Schreck, als er das leere Bett vorfand, doch dann entdeckte er André auf dem Balkon. Er wollte sich bei ihm entschuldigen und nach ihm sehen.

Langsam ging Girodel durch das Zimmer und betrat den Balkon. Er war erleichtert, seinen Freund da sitzen zu sehen. „André, dir geht es wieder besser.“ Überrascht drehte dieser seinen Kopf und sah den Grafen in seiner hellblauen Uniform hinter sich. „Girodel, seid ihr gekommen um zu sehen, ob ich schon tot bin?“ fragte er in einem verachtenden Ton, den der Angesprochene nicht überhörte. Er konnte nicht glauben, was André da sagte. Schnell ging er um ihn herum und stellte sich vor ihn. „André, was soll das? Ich wollte dich um Verzeihung bitten. Es war ein Unfall und es tut mir sehr leid. Glaubst du wirklich, dass ich dich umgebracht oder dir den Tod gewünscht hätte? Du bist immer noch mein Freund.“ André wich dem Blick des Grafen aus und sagte: „Aber dann hättet ihr Oscar heiraten können.“ Da drehte ihm Girodel den Rücken zu, stütze sich mit beiden Händen an der Balustrade ab und sah auf den Hof hinunter. Traurig schüttelte er den Kopf. „Nein, das hätte ich nicht. Sie hätte mich nie geheiratet, da sie mich für deinen Tod verantwortlich gemacht hätte. Außerdem hat sie meinen Antrag kurz vor unserem Kampf abgelehnt.“ „Sie hat was? Warum habt ihr mir das nicht gesagt?“ fuhr André ihn an. Langsam drehte er sich wieder um und fuhr leise fort. „Ich wollte es einfach nicht wahrhaben und hoffte, wenn ich noch mal mit ihr oder ihrem Vater spreche, würde sie ihre Meinung ändern.“ Bedrückt setzte er sich André gegenüber auf einen Stuhl. „Ihre Ablehnung hat sehr weh getan und ich wollte mit dem Kampf den Schmerz unterdrücken. Das es soweit kam, das wollte ich nicht. Es tut mir leid, André. Und um dir zu zeigen, dass ich es ernst meine, werde ich Oscar nie wieder bedrängen und meinen Antrag zurückzuziehen. Ich liebe sie noch immer, aber ich hoffe, dass sie irgendwann deine Liebe erkennt und erwidert. Oscar gehört dir, André. Verzeihst du mir?“ Er streckte seine hand aus. André hatte ihn die ganze Zeit nur angesehen. Seine Worte rührten ihn. Girodelle hatte zwar den Kampf gewonnen, trotzdem verzichtete er auf Oscar.

André deutete ein Lächeln an und nahm Girodel Hand. „Danke, André.“ Erleichtert atmete der Graf aus.

Da betrat Oscar den Balkon. „Girodel! Was tut ihr hier?“ rief sie in überraschtem und gleichzeitig verärgertem Ton. Schnell stand der Graf auf. „Lady Oscar. Ich wollte nach André sehen.“ Etwas zu laut stellte Oscar das Tablett mit dem Kuchen auf den Tisch. „Das habt ihr ja jetzt getan. Verlasst bitte das Haus.“ Wütend sah sie ihn an. Girodel ging nicht darauf ein. „Ob ihr es glaubt oder nicht, ich habe mir wirklich Sorgen um André gemacht.“ „Ach ja. Ihr wart es doch, der ihm diese Verletzung, die ihm beinahe das Leben gekostet hätte, zugefügt hat.“ Sie ballte die Hände zu Fäuste und ging einen Schritt auf ihn zu. „Oscar, nicht.“ mischte sich nun André ein und legte beruhigend seine Hand auf ihren linken Arm. Ver-ärgert sah sie ihren Freund an. „Aber André...“ „Es war ein Unfall, Oscar.“ unterbrach er sie ruhig. „Ich habe ihm verziehen und du solltest das auch tun.“ Oscar sah in seinem Blick, dass er es ernst meinte. Und sie wusste, dass er recht hatte. Langsam entspannte sich ihre rechte Hand und sie streckte sie Girodel hin. „Dann verzeiht ihr mir, Lady Oscar?“ Sie nickte. „Ja.“ sagte sie nur.

Erleichtert verließ der Graf das Palais. Oscar sah ihm vom Balkon aus nach. Sie wollte nun endlich wissen, was der Grund für das Duell war. „André, sag mir bitte, warum hast du mit ihm gekämpft? Was für einen Grund gäbe es für dich, dein Leben auf´s Spiel zu setzen?“ „Du!“ antwortete er schnell und im nächsten Moment biss er sich auf die Zunge. Oscar fuhr herum. „Was?“ Mühsam stand André von seinem Stuhl auf. Jetzt konnte er nicht mehr zurück. Er musste ihr die Wahrheit sagen. Ganz langsam trat er auf sie zu. Mit ruhiger Stimme sagte er: „Du willst den Grund wissen? Gut, Girodel und ich haben um dich gekämpft.“ Oscar riss die Augen auf. Sie verstand das alles nicht. „Aber warum?“ André drehte den Kopf und sah zu dem Stück Wald, das zum Anwesen der Jarjayes gehörte. „Ich konnte nicht zulassen, dass du ihn heiratest. Ich musste das irgendwie verhindern.“ „Warum?“ fragte Oscar noch einmal. Da drehte er sich wieder um und sah ihr direkt in die Augen. „Weil... weil ich dich liebe, Oscar! Ich liebe dich schon so lange. Ich hätte es nicht ertragen, wenn du seine Frau geworden wärst.“ Oscar wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie starrte André nur an. Noch nie waren seine Augen so ernst und entschlossen, und dennoch so sanft und zärtlich.

Behutsam legte André seine Hand auf ihre. Er hatte Angst, sie würde sich zurückziehen, doch sie rührte sich nicht. -Warum sagt sie denn nichts?- Er hatte eine andere Reaktion von ihr erwartet.

Andrés Berührung holte Oscar wieder zurück. Sie sah auf ihre Hände und eine ungewohnte Wärme stieg in ihr auf. Langsam fand sie ihre Stimme wieder. Leise fragte sie: „Seit... seit wann?“ Er war froh, als sie endlich etwas sagte. Seine Stimme war etwas belegt, als er ihr antwortete: „Seit mehr als fünfzehn Jahren.“ Oscar holte tief Luft. Fünfzehn Jahre lang! „Die Nachricht von Girodels Antrag hat mir sehr weh getan.“ fuhr André fort und senkte den Blick. Seine Hand ließ er dort, wo sie war. „An dem Abend, als er noch einmal auftauchte, wusste ich nicht, was ich tat. Ich wusste nur eines: wenn du ihn heiraten würdest, hätte ich dich für immer verloren.“ „Dann stimmt es also. Du hast Girodel herausgefordert.“ André nickte. „Aber ich habe ihm doch schon gesagt, dass ich ihn nicht heiraten werde.“ „Das hat er mir erst heute erzählt und er zieht seinen Antrag zurück.“

André trat noch einen Schritt auf Oscar zu, sodass sie ihren Kopf nach hinten neigen musste, um ihm in die Augen sehen zu können. „Schon einmal hätte ich dich fast verloren. Ich wollte einfach nicht, dass es noch mal passiert. Und ich war wütend. Wütend auf Girodel, da er dich, nur weil er adlig geboren wurde und einen Grafentitel trägt, heiraten kann. Wütend auf deinen Vater, dass er diesem Antrag zugestimmt hat und wütend auf unseren Standesunterschied.“ Er machte eine kleine Pause und sah wieder zu dem kleinen Wald. „Ich wuchs zwar in einem adligen Haus auf, aber ich bin und bleibe ein bürgerlicher. Ich kann dir nie öffentlich meine Liebe zeigen, dir nie einen Antrag machen. Auch wenn ich ein bürgerlicher bin, ist meine Liebe zu dir genauso tief und ehrlich wie die eines Grafen.“ André drehte seinen Kopf wieder und sah Oscar tief in die Augen. „Mein größter Wunsch ist es, mit dir zusammen sein zu können, mit dir mein Leben verbringen zu können. Glaube mir, wenn ich adlig wäre, hätte ich dir schon vor langer Zeit meine Gefühle gestanden. Oscar, ich liebe dich aus tiefstem Herzen und diese Wunde ist der Beweis meiner Liebe zu dir.“ Oscar fing an zu zittern, sein Blick und seine Worte machten sie schwach. Sie hatte das Gefühl, als könnte André in ihr tiefstes Innerstes sehen. Schnell senkte sie den Kopf, entzog ihm ihre Hand und ging an ihm vorbei. „Ich... ich muss jetzt gehen.“ sagte sie und verließ Andrés Zimmer. Er drehte sich um. „Oscar!“ rief er hinter ihr her, doch sie lief weiter, dann hörte er auch schon die Tür zufallen.

André konnte sich ihr Verhalten nicht erklären. Er hatte fest mit einer Ohrfeige gerechnet. Doch er glaubte, eine Träne auf ihrer Wange gesehen zu haben, als sie ging.

Traurig ließ er sich auf seinem Stuhl nieder und kämpfte selbst mit den Tränen. -Ich habe sie vertrieben. Durch mein Geständnis habe ich alles zwischen uns zerstört.-
 

Weinend ließ sich Oscar auf ihr Bett fallen. André liebte sie! Seit fünfzehn Jahren! Fünfzehn Jahre lang hatte er seine Gefühle vor ihr verheimlicht, in ihr immer mehr als seine beste Freundin gesehen und sie hatte es nicht gemerkt. Aber warum wühlten seine Worte sie so auf? Und warum hatte sie sich unter seinem Blick gefühlt wie ein Kaninchen, das vor einem Raubtier steht? Sie hatte gespürt, wie ihre Beine schwach wurden und ihr Herz anfing zu rasen. -Was ist nur mit mir los? Warum habe ich bei André nicht so reagiert wie bei Girodel? Ich brachte vor André fast kein Wort heraus-.

Innerhalb einer Woche hatte sie von zwei Männern ein Liebesgeständnis erhalten. Zwei Männer hatten sich in sie verliebt, obwohl sie sich immer wie ein Mann gab. Girodels Antrag war sehr ritterlich, doch Andrés Worte waren ehrlich und berührten sie auf eine Art und Weise, wie sie es nie für möglich gehalten hätte.

Jetzt wusste sie auch, wie er die Worte aus seinem Fiebertraum gemeint hatte. Die Vorstellung, dass sie Girodel heiraten könnte, schmerzte ihn mehr als alles andere. André wäre für sie bei dem Kampf gestorben.
 

Oscar kam den ganzen Tag nicht mehr aus ihrem Zimmer. Sie wusste nicht mehr, was sie fühlen sollte. Aber vor allem wusste sie nicht, wie sie sich André gegenüber verhalten sollte. Ihr wurde bewusst, dass sie ihm in den letzten 15 Jahren immer wieder weh getan hatte, wenn auch unbewusst. Er hatte wegen ihr heimlich gelitten. Doch jetzt kannte sie seine Gefühle, die er für sie hegte und sie hatte Angst, bei allem was sie sagte oder tat, ihm wieder weh zu tun. André war ihr wichtig. Wie wichtig, hatte sie in den letzten Tagen gemerkt. Aber wie stark waren ihre Gefühle für ihn wirklich? Seit von Fersen hatte sie nicht mehr so unter dem Blick eines Mannes gezittert.
 

André wollte noch einmal mit Oscar reden. Lange stand er vor ihrer Zimmertür und hörte sie offensichtlich weinen. -Oscar, warum weinst du? Ich habe dich mit meinem Geständnis total überrumpelt und es tut mir leid, dachte er traurig, als er sich schließlich dazu entschloss, sie in Ruhe zu lassen. Sie mussten darüber reden, doch André spürte, dass jetzt der falsche Zeitpunkt dafür war. Also ging er zurück auf sein Zimmer. Die wunde war eben noch nicht richtig verheilt und sie fing wieder an zu schmerzen. Doch im Moment schmerzte sein Herz mehr als die Wunde.
 

Oscar konnte die halbe Nacht nicht schlafen. Immer wieder musste sie and André und seine Worte denken. Aber auch an seine Augen und an das Gefühl in ihr, als er sie ansah



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2006-07-16T13:11:32+00:00 16.07.2006 15:11
Deine Fanfiction gefällt mir richtig gut. Dein Schreibstil ist sehr schön. Ich freue mich schon auf deine nächsten Kapitel.
Ich bin schon ganz hibbelig und will unbedingt wissen wie es weiter geht.

Leider muss ich dich auf zwei Kleinigkeiten hinweisen.
1. Du hast Rosalie Dr. Moreau holen lassen, da dieser gerade im Hause Jarjayes war. Rosalie kommt aber mit einem Dr. Racon. ^^
2. Das Kindermädchen Sophie heisst mit Nachnamen nicht Grandier sondern Glaces. ^^


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