Questlog: Die überfallenen Bauern
Sie machte nicht gerade den besten Eindruck, das war ihr bewusst, wie sie da so stand mit dem grauhäutigen, verhärmten Gesicht, ihrem mattsilbernen Haar und der dunklen, verdreckten Rüstung. Ganz zu schweigen von dem Bastardschwert an ihrer Seite oder gar ihrem finsteren Gesichtsausdruck.
Am schlimmsten war wohl der Wolfshund an ihrer Seite. Mistaroa hatte sie den riesigen Rüden mit dem unordentlichen grauen Fell getauft, der ihr niemals von der Seite wich.
Zugegebener Maßen sahen die Menschen vor ihr auch nicht minder abgerissen aus. Es war ein Haufen Bauern, die einen Söldner angeheuert hatten, um ihr Problem zu beseitigen, und einen Söldner hatten sie bekommen. Nur eben einen weiblichen. Ganz zufrieden wirkten sie damit nicht.
Earenis musterte die dreckigen Gesichter vor ihr. Die ältesten des Dorfes hatten sich um sie versammelt und berieten nun mit ihr ihre Aufgabe, dennoch schien Misstrauen aus ihren Augen. Sie war jemand, die Geld mit der Not anderer verdiente, und das war verwerflich. Natürlich. Aber besser diesen Menschen für Geld zu helfen statt sie für Geld zu meucheln, sagte sie sich. Die wenigsten ihrer Kunden dachten ebenso.
„Ihr habt also ein kleines Trollproblem“, sagte sie und lehnte sich vor.
Ein alter Mann mit weißem Bart und einem von Falten ganz schrumpeligen Gesicht, das an eine alte Kartoffel erinnerte, schnaubte abfällig. „Klein!“, stieß er hervor. „Nun werd‘ mal nicht frech, Mädchen!“
Sie kniff die dunklen Augen zusammen. „Ich gehe stark davon aus, dass ich älter bin als du.“ Dass sie eine Elbin war, war nicht zu übersehen, auch wenn ebenso nicht zu übersehen war, was anders war an ihr. Die wenigsten wagten danach zu fragen. „Was ist nun?“
„Was soll wohl sein?“, konterte der Alte. „Trolle kamen von den Höhen heran, das soll sein. Sie zerstörten zwei der etwas abseits gelegeneren Höfe, plünderten, was sie konnten und gingen dann wieder.“ Er deutete auf zwei weitere Männer, die nicht gerade besonders freundlich drein sahen. „Ihre Höfe wurden zerstört. Und seitdem kommen die Trolle in regelmäßigen Abständen und rauben uns das Vieh und die Ernte.“
„Wie viel?“, fragte sie unbeeindruckt. Das übliche Gesülze…
„Wie viel Geld du dafür bekommst?“, fragte der Alte verärgert.
„Ja und nein. Wie viele Trolle?“, korrigierte sie genervt.
„Zwei, soweit wir das beobachten konnten“, sagte der Alte. „Sie kommen aus dem Norden. Wo die Steintrolle stehen. Und…“
„Was und?“
„Nun ja, wenn du feilschen willst… Sie haben die Kleine vom guten Beren hier, das Mädchen haben sie auch entführt. Wenn du sie wohlbehalten wieder bringst, bekommst du einen Bonus.“
Earenis seufzte. Na toll, nun auch noch eine Rettungsaktion. „Wie viel bekomme ich?“
Beren schien die ganze Rederei zu lange zu dauern. Er sprang auf. „Alles, was wir haben, nur bring mein Mädchen wieder! Hast du gehört?!“
Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie kräftig durch. Hastig packte sie seine Hände und schob ihn von sich.
„Ja, ja! Ist ja gut, ich habe es verstanden!“, rief sie aus.
Mistaroa erhob sich und knurrte den Mann an; er war ein perfekt abgerichteter Wachhund, der für seine Herrin jedem an die Kehle gehen würde. Schnell gab sie ihm mit einem Laut zu verstehen, dass alles gut war. Der Wolfshund setzte sich wieder neben sie. Beren sah das Tier misstrauisch an und schien dem Frieden nicht zu trauen.
„Ist alles, was wir entbehren können, also genug?“, fragte der Dorfälteste.
„Mehr kann ich ja nicht verlangen“, stellte Earenis klar. „Ich kann nur hoffen, dass es ein angemessener Preis ist. Trolle sind keine leichten Gegner.“
„Ja, das ist uns bewusst und ebenso, was wir von dir verlangen, Mädchen.“
Er nannte sie immer noch so. Verstimmt kniff Earenis die Augen zusammen. „Hoffen wir es…“
Da damit alles gesagt war, erhob sie sich und ging kommentarlos. Mistaroa erhob sich träge und trottete hinter ihr her. Hauptsache, sie bekam das Geld am Ende und wurde nicht wieder einmal übers Ohr gehauen.
Mit einem inneren Schaudern trat sie aus der Hütte, in der das Geschäft abgeschlossen wurde, hinaus in den nasskalten Regen. Ah, wie sie es liebte… Mit finsterer Miene, den Umhang fest um sich geschlungen, stapfte sie ihrer Aufgabe entgegen.
Es war der 14. quelle des Jahres 3020 des Dritten Zeitalters irgendwo im Nördlichen Königreich, auch wenn in solch abgelegenen Gegenden wie dieser noch immer nichts von einem neuen König im Süden zu spüren war. Und das hieß, dass es hier noch immer so rau zuging wie vor zwei Jahren. Banditen, Orkverbände und eben hin und wieder die eine oder andere Trollsichtung alle paar Jahre waren daher durchaus üblich.
Aber so war nun einmal Earenis‘ Leben. Nicht dass sie jemals eine Wahl gehabt hätte…