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Disney-Analysen-Anmnesiten... analye, Disney, Mulan, Review

Autor:  -Broeckchen-
Da bin ich mal wieder...
Disney ist ein Thema, dem man schwer ausweichen kann, egal wo. In allen Einkaufszentren lächeln die Prinzessinnen von den Regalen, und um die Filme herumzukommen ist als Kind häufig so gut wie unmöglich. Dementsprechend gerne werden Disneyfilme unter anderem für Reviews und Analysen herangezogen... und deren Inhalt stört mich streckenweise sehr.

Heute habe ich bei der Arbeit ein wenig Musik gehört und bin dabei mal wieder auf Mulan gestoßen - in der Folge habe ich mir beide Filme dazu nochmal angeschaut und aus Langeweile während ich auf den einen wartete in Analysen zum Thema Disney & Geschlechterrollen geschmökert, in denen Mulan oft eine wichtige Rolle einnimmt. Und ich möchte dazu was sagen, auch wenn sie es nie lesen werden an die Autoren solcher Analysen:
Leute, wenn ihr sowas auseinandernehmen wollt, dann tut es richtig!

Immer wieder wird für die Disney-Filme folgendes Schema extrapoliert: Disney-"Heldinnen" sind passive rettungswürdige Prinzesschinnen, die zwar möglicherweise mutig und tollig sein können, aber nicht ohne einen Mann leben. Meistens sind sie durchaus diejenigen, die mehr oder minder gerettet werden müssen - oder sich selbst aufgeben, um ihren Traumprinzen zu erlangen. Dem widerspreche ich nicht prinzipiell, aber bei solchen Beispielen könnte ich ich mir die Augen vor Rollen aus dem Kopf schrauben:
Snow White cleans the dwarfs' cottage to ingratiate herself; Ariel gives up her voice in order to win the prince with her body in The Little Mermaid; Mulan almost single-handedly wins the war only to return home to be romanced; and Beauty and the Beast's Belle endures an abusive and violent Beast in order to redeem him.
Quelle: hier.
Eine ähnliche Reaktion erweckte bei mir NostalgiaChicks Empörung darüber, dass die Titelheldin im sonst recht positiv von ihr aufgenommenen Film "Mulan" so reagiert wie oben beschrieben, statt Beraterin des Kaisers zu werden.
Quelle: hier.

Sagt mal, sterben Märchenkenner langsam aus?
Ist euch schon einmal aufgefallen, dass die Disneyprinzessinnen nicht ihre royale Herkunft oder Einheirat gemeinsam haben - sondern allesamt aus Märchen und Legenden stammen?
Ist euch nie in den Sinn gekommen, dass Disney, bei aller künstlerischen Freiheit, vielleicht gern wenigstens grob dem Verlauf dieser Geschichten folgen wollte?

Dass Schneewittchen die sieben Zwerge beputzt und bekocht, hat sich nciht Disney ausgedacht, genauso wenig wie ihr Alter - das ist Teil des ursprünglichen Märchens. Zu der Zeit, als dieses entstand, gab es für Mädchen tatsächlich keinen größeren Traum als reich zu heiraten, und zwar einen Mann, der selbigem Mädchen jegliche Arbeit ersparen würde. Der Adel war genau das perfekte Symbol dafür, eine Königin durfte sich den ganzen Tag bewundern und verwöhnen lassen, ohne dabei tatsächlich Verantwortung tragen zu müssen. Ja, sie war eine minderjährige, mundtote Sklavin ihres Ehemannes - aber das gehörte damals im entsprechenden Raum zum guten Ton. Disney hat damit nichts zu tun! Für den Handel der kleinen Meerjungfrau können alle Unzufriedenen ihre Beschwerden ebenfalls mal fein aus dem An-Disney-Entwurfsordner zupfen und an Hans Christian Andersen umadressieren. Disney ist es zu verdanken, dass diese Geschichte die kleine Meerjungfrau wenigstens dafür belohnt - im Original wurde sie zu Meeresschaum, und war dazu verdammt diesen Zustand für jedes unartige Kind das sie sah 100 Jahre länger zu ertragen! Eine Planänderung, die ich absolut nachvollziehen kann, obwohl es einer der drei wichtigsten Plotpunkte der Geschichte ist. Hätte Disney die anderen beiden auch noch geändert, um Interpretierern diesen Nährboden zu entziehen, hätten sie die den Film nicht "Arielle - die kleine Meerjungfrau" genannt.
Das selbe gilt für Mulan. Dass sie mit sechzehn heiratet, wird allenthalben als großer Skandal betrachtet - dass sie ansonsten als Teenager den Kaiser von China beraten hätte, wird dabei gern übersehen! Genauso wie der Fakt, dass sie am Ende des Filmes auch ohne Shang ganz gut zurechtzukommen scheint, und dieser bei ihr angetrottet kommt, um ungeschickt vor ihr herumzubrabbeln bis sie ihm endlich offen und direkt den Hof macht. Außerdem scheint es niemandem in den Sinn gekommen zu sein, sich mal die Originalballade von "Hua Mulan" anzuschauen. Ich zitiere mal einen Teil:
On her return she sees the Son of Heaven,
The Son of Heaven sits in the Splendid Hall.
He gives out promotions in twelve ranks
And prizes of a hundred thousand and more.
The Khan asks her what she desires.
"Mu-lan has no use for a minister's post.
I wish to ride a swift mount
To take me back to my home."
Quelle: hier.
Dieser Text macht gut ein Fünftel bis Viertel der gesamten Ballade aus, wusstet ihr das? Alles was Disney an der Stelle tat, war, soviel wie dramaturgisch möglich vom Original in den Film zu pressen.
Bei "Die Schöne und das Biest" ist meine Empörung am größten. Die Erlösung des Biestes von seinem Zustand ist der Plot! Was verlangen die Leute denn, Teufel nochmal! Zumal sich Belle vom Biest abwendet, als es "abusive" zu ihr ist, und erst wieder Interesse an ihm gewinnt, als es sich um Freundlichkeit und Nähe bemüht. Wieder ist das Biest der Bittsteller, und die Schöne ist die Gebende und Rettende.

Gleichzeitig ignorieren Analysten an dieser Stelle auch sehr gern viele weibliche Disney-Figuren, die diesem Bild überhaupt nicht entsprechen. Zum Beispiel sämtliche weibliche Protagonisten aus Bambi. Jep, Bambi. Oder wie wärs mit Nala und Simbas Mutter aus König der Löwen?
Die Bambi-Mädels haben wahnsinnig wenig Zeit onscreen - aber in dieser gesamten Spanne beherrschen sie den Bildschirm. Sie stehlen den Protagonisten Show und Herz, und sind ihnen spontan überlegen, weil schon bei ihrem ersten Auftauchen klar wird, dass Bambi, Klopfer und Blume zukünftig keinen Moment mehr ohne sie leben werden können. Während die Mädels zwar durchaus angetan, aber trotzdem relativ cool wirken. Sie haben die Jungs voll in der Hand, wirken dabei aber selbst unabhängig von ihnen - denkt mal drüber nach.
Dann Nala und Zarabi aus König der Löwen. Zarabi hat zuhause die Hosen an, wie sie mehrmals deutlich beweist ("Vor Sonnenaufgang ist es dein Sohn!") und sie ist der General der königlichen Truppen. Als Scar die Macht an sich reißt, hält sie die Löwinnen zusammen und spricht ihnen Mut und Kraft zu. Auch ermöglicht sie Nala die Flucht (im Musical ist das deutlicher umgesetzt), erhebt furchtlos Haupt, Stimme und Krallen gegen Scar und führt letztendlich mit Simba und Nala die Löwinnen in ihrem letzten Aufstand gegen die Hyänen mehr oder minder an. König der Löwen ist einer der wenigen Filme, in denen die Vaterfigur stirbt - und die Witwe ist einer der stärksten Charaktere des gesamten Filmes. Sie gibt sich nicht der Trauer um Mann und Kind hin, sondern jagt weiter, Tag für Tag, um ihre Mitlöwinnen zu ernähren und vor einem schlimmeren Schicksal durch Scar zu bewahren! Schwache Frauenfigur? Eh... jep, sicher.
Und Nala ist diejenige, die Simba überhaupt wieder daran erinnert, dass im eigentlich ein paar Cojonnes (richtig geschrieben?) zwischen die Hinterpfoten gehört. Obwohl Scar ihr dafür vermutlich das Fell über die Ohren ziehen wird reißt sie aus dem geweihten Land aus und schlägt sich bis zum Dschungel vor - wir erinnern uns, Simba ist auf diesem Weg beim ersten Mal fast gestorben! Nala erscheint dort frisch und munter und entpuppt sich als äußerst kompetent in der Jagd. Auch sie wirkt nicht, als könne sie Simbas Verlust nicht verkraften. Sie weint nicht einmal vor Freude, obwohl Simbas Auftauchen für sie etwas unbegreiflich Wunderbares ist. Sie stachelt den Aufruhr gegen die Hyänen an - und selbst körperlich, obwohl er als sehr, sehr stark dargestellt wird, bleibt Simba ihr ein Leben lang unterlegen.

Ebenfalls zu nennen wäre da Pocahontas, die ihrem Herzbuben das Leben rettet und unter anderem dadurch einen Krieg verhindert. Obwohl sie ihn offenkundig zu lieben scheint und vermisst, scheint ihr Leben auch ohne ihn normale Bahnen annehmen zu können, in denen sie sich wohl und glücklich fühlt - sie strahlt Stärke in ihrer Abschlussszene aus.
Übrigens ist das durchaus mitunter ein Ergebnis krasser Verfälschung der Vorlage. Was den Leuten dann auch wieder nicht recht ist.

Wenn irgendwelche Analysten und Interpretisten gerne Disney-Stoff auseinandernehmen wollen, empfehle ich ihnen die Fortsetzungen. Die basieren für gewöhnlich kein bisschen auf Geschichten im Umlauf, und weichen teilweise alarmierend vom Kanon ab, bis hin zu zweifelhaften Botschaften. Beispiel: In Teil 1 nimmt Mulan illelegal den Platz ihres Vaters im Heer ein, um ihn davor zu bewahren alt und verletzt zu kämpfen und zu sterben. Sie verfolgt damit auch eigene Ziele, aber die Angst um ihren Vater - ein selbstloses Ziel - ist ihre Hauptmotivation und Rechtfertigung vor sich selbst.
In Teil 2 ist Mulan dauerhaft kurz davor, die Zwangsheirat der drei Kaiserstöchter mit Prinzen eines anderen Reiches zu sabotieren, welche ganz China vor einem gigantischen Gemetzel Krieg bewahren soll - denn sie seien "nur ihrem Herzen verpflichtet". Yay.

Versteht mich nicht falsch - Disney baut viel scheiße. Pocahontas war in Wahrheit zwölf, John Smith ein alter, rotbraunhaariger Sack, Klopfer und seine Freundin hätten sich höchstens einmal im Jahr zum Rammeln getroffen, wenn sie einander unter ihren hunderten Gelegenheitspartnern überhaupt wiedererkannten, Scar hätte Nala in der Realität gefressen (und sie wär Simbas Schwester gewesen), die Feen in Dornröschen waren dreizehn Stück und keine von ihnen war anders als Malefiz (man nannte "Das Gute Volk" primär so, weil man für alles Unfreundlichere Angst hatte mit spontaner Folter bis in alle Zeit bestraft zu werden), die Seehexe hat den Prinzen am Ende gekriegt, Tinkerbell hat versucht Wendy erschießen zu lassen und wurde später vergiftet, Captain Hook war keinesfalls lächerlich, sondern ein edler, gebildeter und auf grausame Weise kluger Mann und so weiter und so fort... Disney Studios haben viel an den Originalen gedreht und geändert, und viele der Ergebnisse ihrer eigenen Kreativität haben keine Begeisterungsstürme verdient. Aber es wäre zur Abwechslung mal schön den Mist zu verdammen, den Disney auch wirklich selbst verzapft hat, statt über den herzuziehen, den es für den Erfinder umsetzte.

Soviel dazu. :D


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