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wir müssen reden... Depression, Flugzeugabsturz, Kritik

Autor:  TokyoMEWS
Liebe Welt, wir müssen mal miteinander reden.
Nein, eigentlich muss ich mal ganz dringend mit dir reden, den es ist wichtig.
Es ist jetzt gut eine Woche her, dass jemand ein Flugzeug in suzidaler Absicht gegen einen Berg geflogen hat.
Ich hätte da jetzt noch jede Menge Kritik an der medial Berichterstattung, aber ich will mich aufs mir wesentliche reduzieren.
Wir müssen dringend alle reden, und zwar über die Krankheit Depression und die davon Betroffenen.
Wir müssen dringend alle lernen, was Depression wirklich ist und wie man Depressiven wirklich helfen kann. Wir müssen auch daran denken, das Suizid eine Folge von Depression ist und man daher Depression als tödliche Krankheit bezeichnen kann. Das soll aber wiederum nicht heißen, dass jede Depression tödlich enden muss, es ist wie mit einer Lungenentzündung: Wird die Krankheit angemessen behandelt, so geht sie auch wieder weg. Wird sie hingegen verdrängt und ignoriert, so steigt die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Ausgangs.
Depression ist leider für die meisten Menschen erstmal unsichtbar. Zum einen wissen die wenigsten Menschen worauf sie achten können, zum anderen ist es oft so, dass Depressive sich ihre Erkrankung selbst nicht wahr nehmen, sich nichts anmerken lassen oder lassen wollen.
Psychisch krank zu sein ist immernoch ein Stigmata, etwas worüber man nicht spricht, auch wenn alle anderen über ihren Rücken oder ihre Knie klagen.
Eine Depression ist geprägt von gedrückter Stimmung, dem Verlust von Freude und Interesse, schneller Erschöpfbarkeit und eigentlich einer großen Anzahl weiterer Symptome, die mit unter so klein sind, dass sie nur jemandem auffallen, der weiss nach was man suchen muss.
Sowas fällt nicht immer auf, vorallem wenn man jemanden nicht ständig sieht.
Schlechter Tag, harte Zeit, Ausreden gibt es genug.
Man muss sich selbst auch erstmal eingestehen, dass man depressiv ist.
Das bleibt schwierig. Wundert mich bei den ganzen Vorurteilen Depressiven gegenüber nicht.
Wie war das, als die ersten Gerüchte durch die Medien gingen, der Co-Pilot sei von Depression betroffen gewesen? Plötzlich schreien Menschen, die wahrscheinlich keine Ahnung vom Thema Depression haben, man müsse Depressiven das Arbeiten verbieten. Ein anderes, gerne zitiertes Gerücht ist, Depressive würden sich nur anstellen.
Das tun sie mit Sicherheit nicht. Jemand mit Diabetes stellt sich ja auch nicht nur an.
Genau wie Diabetes kann man Depression auch sichtbar machen. Depression ist eine Veränderung im Stoffwechsel im Gehirn, soviel wissen wir heute. Leider gibt es keine einfachen Methoden sowas zu testen.
Allerdings gibt es recht einfache Methoden depressiven Menschen zu helfen.
Die bekanntesten zwei Methoden sind wohl Psychotherapie und Antidepressiva.
Während Psychotherapie machen immer mehr gesellschaftlich akzeptiert wird, umgibt Antidepressiva immer noch die Aura der gefügig machenden 'Happy Pills'.
Antidepressiva sind aus meiner Sichtig wichtig für eine erfolgreiche Therapie. Sie machen nicht einfach 'happy', sie haben verschiedene Methoden den Stoffwechsel im Hirn zu korrigieren. Vorallem aber erlauben sie einem, wieder besser zu 'funktionieren'. Keine Sorge, man wird nicht zum Roboter, aber es fällt einem wieder leichter Dinge zu tun und Freude zu empfinden. Jemand der Antidepressiva nimmt ist zwar nicht automatisch geheilt, aber so ist das manchmal einfach: Wenn der Körper nicht richtig funktioniert, muss man ihm helfen, so gut wie möglich zu funktionieren. Es käme wahrscheinlich keinem in den Sinn, einen Diabetiker, der sich Insulin spritzen muss, davon abzuhalten. Genauso wenig sollte man Antidepressiva verteufeln, wenn auch manche Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder Zittern nicht schön sind.

Zurück zu "Depressiven sollte man verbieten zu arbeiten".
Leider musste ich diese und ähnliche Aussagen häufiger hören.
Wenn man den offiziellen Schätzungen glaubt, werden so auf einen Schlag 4 Milionen Menschen in Deutschland arbeitslos. Depressive Menschen brauchen aber eine Perspektive, die nicht gegeben ist, wenn sie auf Grund ihrer Erkrankung vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden.

Ich glaube, dass viele Menschen nichts über Depression wissen oder vorallem die Vorurteile Depressiven gegenüber kennen.
Das hilft leider niemandem, vorallem nicht den Betroffenen und deren Angehörigen.
Es ist auch niemandem geholfen, wenn jemand tatsächlich keinen Ausweg mehr sieht und sich umbringt.
Wir müssen dringend reden. Über Depression und was sie mit Menschen macht.
Wir können nicht immer nur erschüttert sein wenn sich jemand umbringt und den Rest der Zeit das Problem ignorieren.
Sicher, Depression ist kein schönes Thema, aber wir müssen darüber reden. Wirklich.
Wie viel einfacher ist die Welt, wenn man weiss, dass man mit seinen Problemen nicht alleine ist, dass es Hilfe gibt und, vorallem, dass man vorurteilsfrei angenommen wird.
Wir sollten mit Reden für dieses Ziel kämpfen.

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DISCLAIMER: Dies ist nicht der Versuch zu rechtfertigen, dass Menschen umgekommen sind. Jeder Mensch bleibt für sein eigenes Handeln verantwortlich.
Wer hier nicht angemeldet ist darf Feedback auch an ichigo(a)gmx.net senden. Ich paste das dann anonym hier, es sei dem ihr wollt das nicht. Dann bitte entsprechend anmerken.
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Datum: 02.04.2015 18:47
Ich danke dir von ganzem Herzen für diesen Blogeintrag.
Ich habe Liebe in mir, deren Stärke ihr euch nicht vorstellen könnt, und Zorn, dessen Stärke ihr nicht glauben würdet.
Wenn ich das eine nicht befriedigen kann, wende ich mich dem anderen zu.

[Silent Hill: Downpour]
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Datum: 02.04.2015 20:19
@_Risa_
Ja, und?
Und tatsächlich gibt es nicht grade wenige Mitnehm-Suizide. Diese sind aber immens schlecht erforscht, WEIL man den Täter danach nicht fragen kann, was er sich dabei gedacht hat. (Ich hab im Bekanntenkreis auch sowas mitbekommen, ein Segelflugzeug ist bei einem Flug mit Fluglehrer und Fluggast abgestürzt. Sehr deutliche Vermutung auf Selbstmord des Fluggastes. Dreckige Scheiße, der Fluglehrer hatte auch nichts mit den Problemen zu tun. Ganz 'klassische' Konstellationen sind auch z.B. die pflegenden Partner oder Eltern von Pflegebedürftigen oder Schwerbehinderten. Die töten sich und die pflegebedürftige Person, weil sie der Meinung sind, dass das "besser" ist, als wenn die pflegebedürftige Person ohne Pflegeperson zurückbleibt. Usw.)

Gründe und insbesondere HEILBARE Krankheiten, die man eben beseitigen könnte, müssen erforscht, benannt und Chancen ergriffen werden. Depressionen erkennen und behandeln lassen, LANGE bevor es gefährliche Ausmaße für IRGENDJEMANDEN annimmt, ist wichtig. Berufsverbote, Stigmatisierung und Mordassoziationen sind hochgradig kontraproduktiv, um den Betroffenen zu helfen. Denn wenn Depression=Mörder ist, werden eben NOCH weniger Leute die Diagnose hören wollen, oder wnen sie die Diagnose vermuten oder bekommen, sich behandeln lassen. Weil nicht sien kann, was nicht sien darf. Schließlich will ja keiner 'Mörder' sein. Erst recht, wenn er das eben wirklich nicht ist.

In meiner Familie und in meinem Umfeld gibt es auch Betroffene. Und die haben alle von Therapie proftiert - ob sie aber bei einer Assoziation "Depression macht zum Mörder" zur Therapie gegangen wäre - Zweifelhaft. Und ohen Therapie würden in meinem Leben einige wunderbare Menschen fehlen.
Vorsicht, dieser Diskussionspartner könnte für Kinder ohne Ahnung nicht geeignet sein, da er pedantisch und mit linguistischer Feinheit Argumente zerfleddern kann.
("A man shouldn't die with no understanding of why he's been murdered" - Matthew Stover)
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Datum: 02.04.2015 20:23
_Risa_:
> Depression ist ein anderes Thema als Mord zu entschuldigen, tut mir leid, das ist nicht entschuldbar. Viele Menschen werden gemobbt und laufen nicht Amok, viele Menschen leiden unter Depressionen, aber sie nehmen niemanden in den Tod mit, wenn sie sich für den Tod entscheiden.

Niemand hat den Co-Piloten in diesem Eintrag in Schutz genommen oder gerechtfertigt aufgrund seiner Erkrankung, wo liest du das?

Es stimmt, was in den Blog steht, man muss über Depressionen reden. Nein, nicht wie die ollen Medien, die Depressionen entweder nun in ein Licht Rücken, als ob es dass vorher nie gegeben hätte oder Depressive genau wie Gamer als potenzielle Amokläufer hinzustellen, die laut ein paar CDU/CSUlern und Journalisten kein Recht auf Schweigepflicht haben sollen.




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Datum: 02.04.2015 20:34
Der Einstieg ist etwas problematisch, TokyoMEWS, weil man gleich rauslesen könnte, "das war eindeutig Suizid (mit allen Insassen, die er dadurch 'ermordete') durch Depression" - siehe Charizard. Sehe ich selbst jetzt nicht so, und ich betrachte das eben nur als Einstiegssatz, aber nun ja... wir kennen ja den Pappenheimer Mensch. Kommt gerne mal anders an als es soll. ^^;

Prominente wie Harald Schmidt versuchen sich bereits entsprechend dafür einzusetzen, es an die Leute öffentlich zu bringen, was ich gut finde, aber natürlich ist es damit nicht getan.
Inzwischen suchen schon sehr viele Menschen von sich aus (auf Grund verschiedener Dinge) Psychologen oder Psychotherapeuten auf, weil sie eine objektive Seite haben möchten. (Natürlich auch dadurch, dass Promis dies öffentlich machten und man sich so u.a. sagt "Hey, das ist nicht schlimm dort hinzugehen!" bzw. es eben nicht bedeutet, dass "man bekloppt ist", wie man es oft hört(e))

Da müssen wir weiterhin ansetzen und noch ein tieferes Bewusstsein für schaffen. Oder auch die Menschen dazu bringen, für ihre Umwelt wieder sensibler zu werden.
Wenn ich z.B. als Passantin eine junge Frau aus der Notaufnahme gehen sehe, weinend - emotional total instabil - wir haben zufälligerweise den gleichen Weg... ich kann ihr ein Taschentuch reichen und nachhaken, ob alles okay ist.
Klar, kann sie mich anlügen. Klar, kann man sich jetzt auch fragen "Was interessiert die mich" - aber genau das ist es, was ich zum Teil vermisse: Das Interesse an anderen.

Mir ist es nicht egal, wenn jemand eben so verweint vor mir herläuft, dass ich Angst haben muss, dass derjenige aus Versehen vor ein Auto gerät, weil er in dem Moment einfach instabil ist - warum auch immer.
Genauso wenig ist es mir egal, wenn man eindeutig merkt, dass ein Kollege im Burnout steckt.

Dass ich nicht Mutter Theresa bin, ist das eine.
Aber ich kann ehrliches Interesse zeigen und versuchen mit demjenigen zu reden.
Eben auch diese Tabuthemen ansprechen.
Dass dies nicht einfach ist, man sich unbehaglich fühlt oder denkt, man macht es schlimmer - das kann sein. (Müsste man auch an die Öffentlichkeit bringen, frag mich jetzt aber nicht wie... das ist echt schwierig)
Und natürlich muss der Betroffene dann überhaupt auch Einsicht zeigen - ist auch nicht einfach.
Sie können es nicht sehen, sie wollen es nicht sehen, ... und was es da noch für Möglichkeiten gibt.
Und dann gibt es eben, wie du sagtes TokyoMEW, noch die Leute, denen man gar nichts anmerkt... was ich persönlich am schlimmsten finde. Sie leiden vor sich hin und man merkt es einfach nicht.

Wenn ich dann sowas höre oder lese wie
"Depressiven sollte man das Arbeiten verbieten."
"Laktoseintolzeranz bilden sich die Leute ja nur ein!"
"Du kannst mit 24 noch gar nicht überarbeitet sein"
"Selbst schuld, wenn du so fett bist!"
.... ohne dass mal drüber nachgedacht wird, was es a) bei der Person auslöst und b) was diese Person durchmacht, werde ich wütend.
Weil ich es nicht verstehe.
Müssen die Leute immer alles erst selbst am eigenen Leib erfahren, damit sie Dinge ernstnehmen? Muss immer erst etwas passieren?
(Damit meine ich jetzt nicht diese typischen "Kurzschlussreaktionen", wenn man sich mit wem streitet und dann einfach mal nicht nachdenkt... sondern wirklich die Leute, die generell solcher Meinung sind. Fehler machen wir alle mal)

...~ If you're up high, all the stuff which is confusing suddenly becomes crystal clear ~...
-- One Liter of Tears ~ Aya's Diary auf Deutsch! --
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Datum: 02.04.2015 21:55
Hier gab es schon einige Beiträge zur Thematik "Depression", gute Beiträge. Die Aussage: "Depressive sollten nicht arbeiten" ist mir noch nicht unter gekommen, im Gegenteil, verwundert es meine Mutter, dass es niemand selbst in Frage stellt, dass ich Lehrerin werden will, ein Beruf, der für seine psychischen Belastungen bekannt ist. Arbeit hängt mit Verantwortung und Zielen zusammen, jedenfalls für mich, beides etwas, dass einen helfen kann, die Depression zu therapieren.
Du bist Beybladefan, stehst aber noch nicht in dieser Liste? Dann mal schnell eintragen!
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Datum: 02.04.2015 22:35
Ich bin vor einigen Jahren an Depression eekrank, weil ich misshandelt wurde.
Und ich bin dir dankbar fuer diesen Eintrag.
Auch ich sage, egal wie weh es tut, wie sehr man sterben will (und das wollte ich auch schon, und wirklich.) es rechtfertigt nicht was der Pilot da tat.
Aber das sagst du ja auch nicht. Du nimmst den Pilot nicht in Schutz, du sagst nur die Wahrheit.
Es hat 5 Jahre gebraucht, dass ich den Mund aufmachen und sagen konnte was man mir angetan hat, wie kaputt mich das gemacht hat und dass mein Arm aufgeschnitten ist, und als ich den Mund aufgemacht hat, hab ich von meiner Umgebung gesagt bekommen ich stelle mich nur an.
Ich hab mich alleine nicht zu einem Arzt getraut weil man mir eingeredet hatte, ich sei gestoert und gehoere weggesperrt etc, bis mir irgendwann von Freunden geholfen wurde, nachdem ich voellig zusammenbrach.
Ich habe jetzt noch Stress bedingte Aengste und Heulattacken, aber alles in allem geht es mir viel besser und Menschen die so denken wie du haben mir dabei geholfen.
Also danke fuer diesen Eintrag.
Wer zu seiner Meinung steht wird definitiv leiden, aber niemals bereuen!

Dir en Grey - Kyo
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Datum: 02.04.2015 23:16
@_Risa_
>Bzw. kann man nicht jedes Unglück aufhalten, wenn man den Tätern vor ihrer Tat hilft. Einige ja, aber nicht alle, einige Menschen sind einfach… tickende Zeitbomben, von denen eine Gefahr ausgeht, ohne dass das Umfeld oder eine Krankheit alleinige Schuld hat.

Das ist die Annahme, die wir tätigen, auf der unser Strafrecht und unsere gesamte Gesellschaftsordnung basieren, ja. Dass jeder Mensch vernunftbegabt ist und tatsächlich einen freien Willen hat, und sich für Dinge entscheiden kann.

Inwieweit das aber stimmt, und ab wann gewisse Krankheiten und andere Defizite oder schlicht natürliche Variationen eine solche freie Willensbildung ausschließen, ist fraglich. Ich habs schonmal in nem anderen Zusammenhang auf folgenden Punkt gebracht: im Rahmen einer psychischen Krankheit ist der Unterschied von Können und Wollen nicht mehr ebsonders groß. Gerade depressive Menschen können oft nicht mehr wollen. Der Antrieb und die freie Willensbildung sind durch die Depression stark eingeschränkt, wo andere Leute Auswahlmöglichkeiten sehen, sieht der depressive Mensch einen Tunnel, der geradewegs in den Abgrund führt, ums mal figurativ auszudrücken. Dass er von diesem pfad abweichen KANN und DARF, ist ihm gerade wegen der Krankheit nicht mehr bewusst.

Hauptsächlich betrifft das erstmal oft die Antriebs- und Perspektivlosigkeit vieler depressiver Menschen. Sie schaffen es nicht, sich den nötigen Antrieb selbst zu geben, um sich aus ihrer Situation zu befreien (ums mal mit Kant zu sagen: um sich aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit heraus zu bewegen). Durch das Nichtstun verschlimmerte sich aber (oft) die Situation, was es aber noch schwerer macht, sich zu befreien, und so weiter. Kommen dann - wie und warum auch immer - Fantasien für einen erweiterten Selbstmord dazu, kann das sicher dazu führen, dass die Person keine andere Handlungsmöglichkeit mehr sieht, als das auch umzusetzen. es erscheint prädeterminiert, ohne eine Einflussmöglichkeit durch den Betroffenen.

Und genau da liegt wohl auch der Hund begraben, es verunsichert die Leute, sowohl die Betroffenen wie auch alle anderen: Kann jeder Depressive auf so eine Idee kommen?

Gründe zu erforschen ist etwas anderes, als jede Verantwortung zu verneinen. Aber auch unser Rechtssystem (das an sich die gesellschaftliche Meinung zur Strafwürdigkeit bestimmter Verhaltensweisen abbilden sollte) sieht z.B. vor, dass jemand, der geistig nicht dazu in der Lage war, die Folgen seines Handelns zu überblicken, oder gemeint hat, er handele im Recht, nicht oder nur weniger streng bestraft wird. Wo man da die Grenze zieht, erfordert auch Untersuchungen, wie das genau und bei jedem Menshcen anders zu Tage tritt, was Krankheit und was Entscheidung ist.

Ich finde die Berichterstattung aktuell einfach ermüdend, besonders weil di faktenlage noch immer eigentlich dünn ist. Die Schreie in der Presse nach 'mehr Überwachung' (von allen - Piloten, Depressiven, Flugreisenden...) oder gar den unsäglichen Berufsverboten sind komplett am problem vorbei. Depression muss ernst genommen werden, erstmal, um auch kleine und große Tragödien zu verhindern. Noch mehr Berührungsängste zum Thema aufzubauen, durch diese Panikmache, ist da einfach kontraproduktiv. das hat nichts mit Apologetismus gegenüber einem (mutmaßlichen, und nach deutschem Recht nicht mehr verfolgbaren, weil toten) Täter zu tun.
Vorsicht, dieser Diskussionspartner könnte für Kinder ohne Ahnung nicht geeignet sein, da er pedantisch und mit linguistischer Feinheit Argumente zerfleddern kann.
("A man shouldn't die with no understanding of why he's been murdered" - Matthew Stover)
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Datum: 03.04.2015 05:39
Ich möchte eigentlich nur in einer Sache vehement "widersprechen":
Antidepressiva werden, zumindest erlebe ich das oft so, extrem angepriesen, aber es ist nicht selten, dass sie Suizidgedanken beim Betroffenen verursachen oder verschlimmern und vollkommen nach hinten los gehen.
Das nur am Rande.

Allerdings stimme ich vollkommen zu, dass Depressive viel zu sehr für ihre Erkrankung regelrecht gemobbt werden, statt dass man ihnen Hilfe anbietet.
"Du simulierst doch."
Ich behaupte mal, sehr viele durften sich das schon mal wegen irgendeiner Krankheit anhören und gerade dann wenn man ohnehin geistig am Ende ist, kloppt so was natürlich noch mal richtig drauf. :/

Ich denke, es ist egal, welchen Anlass man nimmt, um sich mehr Gedanken über so was zu machen. Die Hauptsache ist, dass es passiert.
Ich seh deine Signatur nicht..
Aber du meine. Harharhar! >:D
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Datum: 03.04.2015 12:56
Therapien und Antidepressiva sind die bekanntesten Methoden, das ist richtig - aber nicht unbedingt die Sinnvollsten. Bei Therapien ist das Problem der teils hohen Wartezeiten sowie dass nicht jeder Therapeut für jeden Patienten gleichgut ist. Ich hab inzwischen schon von so vielen Fällen überforderter Therapeuten gehört, dass es mir inzwischen schwerfällt, diesen Berufsstand noch ernst zu nehmen. Ist sicherlich auch nicht ganz korrekt von mir, aber....nunja.
Und Antidepressiva behandelt lediglich die Symptome (wenn überhaupt; gibt auch genügend Leute, die die ihnen verschriebenen Medikamente wie Smarties futtern könnten und sich auch nach langer Einnahmezeit keinerlei [positive] Veränderungen bemerkbar machen. Kenne da aktuell zwei Fälle aus dem näheren Bekantenkreis). Sie behandeln nicht das Problem. Aber das ist allgemein das Problem unserer so hochgelobten Schulmedizin: Es wird sich nur auf die Symptome konzentriert, die "Wurzel des Übels" kümmert kaum wen.
"Die Menschen sollten wissen, dass Bambus am schnellsten direkt nach dem Regen wächst, und trotz aller Widerstände wird er immer weiter wachsen und stark sein."

Horiyoshi III


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