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Was mir beim Refugee Camp hoch kommt...

Autor:  TokyoMEWS
Einige wissen es vielleicht, aber an den allermeisten dürfte es völlig vorbei gegangen sein, darüber berichtet wird eigentlich auch nicht... In Berlin am Brandenburger Tor sind seit gut einer Woche ungefähr 20 Flüchtlinge am protestieren und in den Hungerstreik getreten. Es geht dabei um die deutsche Asylpolitik.
Asylbewerber landen in Deutschland erst mal in einer Sammelunterkunft. Dafür dienen in der Regel Gebäude, in denen früher schon Menschen gestapelt wurden und die heute keiner mehr benutzt. Alte Schullandheime oder Kasernen zum Beispiel. Egal wo die stehn, gerne auch mitten im Wald. Vom Rest der Menschheit isoliert finden sich dann verschiedene, mit unter sogar schon im Heimatland verfeindete, Flüchtlingsgruppen wieder. Vom Krieg traumatisierte und vertriebene Menschen werden dort dann sich selbst überlassen. Gleichzeitig herrscht in den Gebäuden Enge. Größere Familien müssen sich ein Zimmer teilen, das bei Erstellung des Gebäudes für wesentlich weniger Bewohner gedacht war, Küchen sind auf Grund der Baustruktur Gemeinschaftsküchen, was Konfliktpotential bietet. Oft fehlt es den untergebrachten Menschen an einer gemeinsamen Sprache, mit deren Hilfe sie sich absprechen oder kennen lernen könnten. Dass es in einigen Unterkünften Deutsch-Kurse gibt ist engagierten Menschen vor Ort zu verdanken. Der deutsche Staat tut nämlich erstmal nichts, ausser den Leuten das absolute Lebensminimum zur Verfügung zu stellen und auf eine Entscheidung, ob der Asylantrag anerkannt wird oder nicht, warten zu lassen.
So wirklich in einem größeren Lager war ich nicht. Zum Glück, denn ich wette, die Verhältnisse dort würden mich auch Jahre später noch wütend machen.
Was ich aber gesehen hab, ist wie ein Gruppe männlicher Kurden (ja, das ist etwas her) in einem Bahnhofsgebäude untergebracht waren. Es gab eine notdürftige Küche, spärliche sanitäre Einrichtungen und einen Raum, in dem ein Tisch, Stühle und mehrere Doppelstockbetten und Kleiderspinde standen. Fünf Leute lebten auf diese drei Räume verteilt. Besonders groß waren die übrigens auch nicht. Der Raum mit den Möbeln war schon fast alleine durch die Möbel voll.
Der Grund warum ich dort war?
Der örtliche Pfarrer-in-Ausbildung fuhr dort ein Mal die Woche hin um den Leuten wenigstens ein bisschen der deutschen Sprache bei zu bringen. Ich bin ein Mal mit gefahren, um mir mal anzusehen, wie das so gemacht wird.

Eine andere Sache ist die Sache mit der Residenzpflicht. Asylbewerber müssen mindestens in dem Bundesland, ggf. sogar im Landkreis, bleiben, in dem sie untergebracht sind.
Ich komme aus einem Nest am südlichsten Ende Hessens. Das ist so am Ende, dass zum einen die Leute immer wieder scherzen, nach Darmstadt wären wir ja wohl der Blinddarm Hessens, zum anderen aber 'Festlandhessen' nur über Wanderwege im Wald(!!) zu erreichen ist. Aussen rum ist alles Baden-Württemberg.
Einige Jahre gab es in dem Ort auch keinen Supermarkt. Bäcker, Metzger, Gemüsefrau, Blumenladen. Mehr gibts da eigentlich nicht.
Wo sollte die Familie aus dem Kosovo, die übrigens auch in einem Bahnhof untergebracht war, bitte die Windeln für ihr Baby kaufen...?
Jeder andere ist mal schnell in den Nachbarort zum Aldi oder Rewe gefahren und hat sich besorgt was er brauchte. Was aber wenn die Residenzpflicht einen in einer hessichen Enklave festnagelt? Ohne Einkaufsmöglichkeit?
Was soll der Quatsch? Vorallem wenn bei der Verteilung auf Unterbringungen verschiedene Teile quer über Deutschland verteilt werden?
"Eigentlich könnte ich meine Tante ja besuchen, sie wohnt nur 20km entfernt. Aber in einem anderen Bundesland.."
Kriminalisiert doch das Pflegen von familiären Beziehungen m( Sind ja anscheinend keine Menschen, für die die Menschenrechte gelten, geschweigedenn das Grundgesetz.
Kann mir mal bitte einer schlüssig erklären, warum nicht alle Leute, die sich in diesem Land aufhalten auch alle die gleichen Grundrechte haben...?
Zurück zur Familie aus dem Kosovo. Irgendwann war die Lage dort wieder stabil genug sie einfach zurück zu schicken. Nachdem sie lange genug im Land waren um ordentlich Deutsch sprechen zu können sollten sie also wieder gehn.
Aber nicht einfach so.
Nein, irgendwann morgens stand ein Polizeibus vorm Bahnhof. Die Familie wurde dort regelrecht hinein gestopft. Sachen mit nehmen? Pustekuchen.
Ein Satz der mir in Erinnerung blieb: "Sie haben die Misada (die 2. jüngste Tochter und die zierlichste von allen) da einfach so rein geschmissen [in das Auto]"
Das ganze passierte nämlich genau dann, als am Bahnhof die Schüler der nahe gelegenen Schule eintrafen. Und erstmal mit ansehen durften, was da mit ihren Klassenkameraden passierte.
Meine Schwester verlor an dem Tag eine Freundin.
Ich frag mich bis heute, ob überhaupt jemand daran gedacht hat, was die Leute in ihrer ehemaligen Heimat erwartet hat.. Dass ihr Haus nicht mehr stand, zB.
Aber egal, aus den Augen, aus dem Sinn. Das scheint wohl durchgängig Motto in der deutschen Asylpolitik zu sein...

Und deswegen protestieren Flüchtlinge in Berlin, am Brandenburger Tor, mit Hungerstreik.
Die Presse interessiert das nicht weiter. Erst als sich Frauen aus der Piratenpartei gemeldet hatten und verkündeten, sie würde dort ihre Brüste entblößen, kamen 'plötzlich' Vertreter der Presse.
Der Protest darf nur unter strengsten Auflagen durchgeführt werden, deren strengste Einhaltung immer wieder von der Polizei durchgesetzt wird.
Keine Regenschirme, keine Schlafsäcke, niemand darf sich hinsetzen.
Warmhaltefolien, wie man sie aus dem Rettungsdienst kennt? Wird beschlagnahmt.
Es drängt sich der Verdacht auf, die Protestaktion, eine genehmigte Versammlung, soll durch die Auflagen schikaniert werden. Das Schikanieren von erlaubten Versammlungen, so dass die Versammlung nicht statt finden kann oder abgebrochen werden muss ist übrigens strafbar.
Aber wen kümmern in diesem Land noch Gesetze, die nicht zur Unterdrückung des Volkes dienen...?

TL;DR:
Die Handhabung Asylsuchender in Deutschland ist Scheisse. Dagegen protestieren in Berlin Asylsuchende, im Freien, ohne sich wärmen zu dürfen. Die Medien schweigen.

Die Protestierenden haben meine vollste Sympathie und zusammen mit denen, die sie vor Ort unterstützen, meinen vollsten Respekt!


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