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Autor:  Akai-chan
Ein Text, der für die Herbstaktion der abgemeldet, den Schreibparcours, entstanden ist. Man sollte in der ersten Aufgabe beschreiben, wie mind. drei Personen den letzten Sommertag verbringen.
Titel:

Der letzte Tag


Nur noch wenige Schritte trennten die drei jugendlichen Freunde vom Strand. Voll beladen mit ihren Taschen hatten sie sich heute Morgen getroffen, um diesen letzten Tag zusammen zu verbringen und gemeinsam zu genießen. Sie hatten Glück, das Wetter sollte warm und wolkenlos werden, ideal für einen Tag am Meer.

Sie standen oben an der Treppe, an deren Ende unten der Sandstrand begann. Das Meer rauschte ruhig vor sich hin, während die Möwen kreischend ihre Kreise darüber zogen. Ein leichter Wind wehte Evas langes, braunes Haar auf, als sie nach den Händen ihrer beiden besten Freunde griff. Sie kannte Thomas und Hannes schon seit dem Kindergarten. Beinahe jeden Tag hatte sie mit den Zwillingen verbracht. Gemeinsam waren sie im Sommer, so wie sie es auch heute taten, an den Strand gegangen oder hatten im Winter zusammen vor dem Kamin gesessen und heißen Tee getrunken. Sie konnte kaum beschreiben, wie wichtig ihr die Jungs waren, weshalb dieser Tag, so schön er auch sein mochte, einen bitteren Beigeschmack hatte.
Es war der Tag des Abschieds, der letzte, den sie noch miteinander verbringen konnten, bevor Eva ihre geliebte Heimatinsel verlassen und mit ihrer Familie aufs Festland ziehen sollte. Die meisten ihrer Möbel und Sachen waren bereits unterwegs in das neue Haus. Sie selbst würde mit ihren Eltern in der Nacht in ein Flugzeug steigen, das sie von hier fort bringen würde. Der Gedanke, alles hinter sich zu lassen, machte sie traurig, auch wenn sie bereits seit Monaten davon wusste. Sie hatte sich einfach noch nicht wirklich damit abgefunden, richtig Lebewohl sagen zu müssen.

Doch das wäre erst heute Abend, sagte sie sich und legte ein Lächeln auf, bevor sie die Treppe hinunter ging und die zwei rechts und links neben sich her zog. Sie wollte den Tag genießen, komme da, was da wolle. So suchten sie sich ein Plätzchen am Strand, der, obwohl er wunderschön anzusehen war, von Touristen weitgehend verschont wurde. Es gab auch nicht viele Leute, die hier tatsächlich Urlaub machen wollten. Eva aber war das nur recht, so mussten sie sich nicht mit unfreundlichen Menschen herum ärgern.
Nachdem sie ihre Handtücher ausgebreitet hatten, stellten sie ihre Taschen darauf ab und legten sich hin. Alle drei hatten sie ihre Badesachen bereits an und mussten so nur noch die Hemden und Hosen ausziehen, um sich die Sonne auf den Bauch scheinen und es sich gut gehen zu lassen. Wie immer lag Eva in der Mitte und hatte ihre Sonnenbrille auf. Nach einer Weile seufzte sie leicht, da sie ihre Gedanken doch nicht so ganz von der bevorstehenden Abreise wegbringen konnte.

"Ich werd euch vermissen...", murmelte sie und verzog leicht den Mund, bevor sie von einem zum anderen schaute.
"Wir dich doch auch.", erwiderte Thomas, während sich die beiden auf den Bauch drehten.
"Wir schreiben uns.", schaltete sich auch Hannes ein.
"Und wir telefonieren.", löste Thomas seinen Bruder wieder ab.
"Und wir kommen dich mal besuchen.", versprach Hannes.
Eva musste etwas lächeln, als sie die zwei so reden hörte. Ja, so war sie es bereits von ihnen gewohnt. Immer wieder wechselten sie sich beim Reden ab, beendeten sogar manchmal den Satz des anderen. Dafür mochte sie sie irgendwie, es hatte etwas sehr sympathisches. Ja, wurde ihr wieder bewusst, sie würde sie wirklich sehr vermissen.

"Genau!", lächelte Eva da schon wieder und setzte sich auf, "Ich werde euch zwar vermissen, aber damit fange ich nicht jetzt schon an. Los, wer zuletzt im Wasser ist, muss ein Eis ausgeben!" Und schon sprang sie auf und rannte auf das Ufer zu. Die Zwillinge reagierten nur wenige Sekunden später ebenfalls und versuchten, zumindest noch zweiter zu werden, da Eva das Wasser fast schon erreicht hatte. Letztlich stritten sie sich darum, wer denn nun der letzte war, da sie zeitgleich im Wasser angekommen waren. Eva musste darüber herzlich lachen, da sie genau wusste, dass nichts die beiden entzweien konnte. Und schon gar kein kleiner Wettlauf.
"Na gut, ich zahle das Eis.", grinste sie die Zwillinge schließlich an, "Dafür, dass ihr die besten Freunde seid, die man sich nur wünschen kann." Und vielleicht auch als kleines Abschiedsgeschenk, doch das würde sie ihnen nicht sagen. Statt dessen holte sie mit den Armen aus und begann, sie wie früher, als sie noch Kinder gewesen waren, mit Wasser vollzuspritzen. Die Gegenwehr ließ wie auch damals nicht lange auf sich warten und bald waren alle drei von oben bis unten nass und tobten durchs Wasser.

Als sie sich schließlich eine Pause gönnten, erinnerte sich Eva an die Sandburg, die sie vor Jahren mithilfe zweier fremder Jugendlicher gebaut hatten. Sie war richtig schön geworden, nicht einfach nur ein unförmiger Sandhaufen, so wie sie es als Kinder immer aufgehäuft hatten. Nein, diese Burg war etwas besonderes gewesen.
"Lasst uns eine Burg bauen.", schlug sie vor und sah beide erwartungsvoll an. Ihre Augen funkelten schon beinahe, weshalb weder Thomas, noch Hannes ihr diesen Wunsch abschlagen konnten. So machten sie sich an die Arbeit, versuchten sich zu erinnern, wie sie das damals gemacht hatten und gaben ihr bestes. Stundenlang saßen sie im Sand, türmten Sand auf und klopften ihn ordentlich fest. Am Ende war die Burg zwar nicht ganz so schön wie die, die sie damals errichtet hatten - und vor allem nicht so groß, aber sie war schön. Eva gab den beiden Jungen zum Dank je ein Küsschen auf die Wange, ehe sie sich alle noch einmal im Wasser den Sand abwuschen, der inzwischen an ihnen klebte.

Es dauerte schließlich auch nicht mehr lange, bis sie sich abtrocknen und ihre Sachen zusammen packen mussten, um Eva zum Flughafen zu bringen. Unterwegs besorgten sie noch das Eis aus der Eisdiele, in die sie am liebsten gingen, und aßen es gemütlich. Am Flughafen warteten ihre Eltern bereits mit allen verbliebenen Koffern. Nun war der Zeitpunkt des Abschiedes doch gekommen und die drei Freunde lagen sich einige Zeit in den Armen.
"Wir schreiben uns.", wiederholte Hannes seine Worte.
"Na klar.", lächelte Eva beide aufmunternd an, "Und wir telefonieren. Und ihr kommt mich mal besuchen. Oder ganz oft, wie ihr wollt."

"Eva, wir müssen los.", drängte ihr Vater da und nickte ihm leicht zu. Sie drückte die Jungen beide noch einmal, bevor sie ging und ihnen zuwinkte. Auch die beiden winkten, bis sie sie nicht mehr sehen konnten. Alle drei wussten sie nicht, dass sie sich nie schreiben würden. Sie wussten nicht, dass sie nie telefonieren würden. Sie wussten nicht, dass die Zwillinge Eva nie besuchen würden. Sie wussten nicht, dass es Evas letzter Sommer war. Sie wussten nicht, dass sie sich niemals wiedersehen würden. Davon würden Thomas und Hannes erst am nächsten Tag aus den Nachrichten erfahren.
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Datum: 04.10.2012 19:04
Danke! Die Fanfic ist freigeschaltet und somit noch in der Wertung.

Viele Grüße,
Turnaris
Der Gemeine abgemeldet gilt als ausgesprochen scheu, verfügt aber über eine ungewöhnlich große Neugier.


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