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Auswilderung Phase 2: Extreme Activity

Autor:  FalloutWitch


Freiheitsexperiment Tag 1:

Morgens, halb acht in Deutschland. Ein leicht übermüdetes Elbie torkelt aus dem Bett Richtung Haustüre. Ist es Montag oder Dienstag? Ich weiß es nicht mehr genau.
Fakt ist, dass die Sonne schon lange auf ist und mein Vogelkind sicher Hunger hat. Alle Artgenossen in freier Wildbahn suchen schon seit Sonnenaufgang nach ihrem Frühstück.

Ich öffne die Türe zu dem Gartenzimmer meiner Mutter, das sich in unserem mittelgroßen Schuppen befindet. Lele übernachtet im Moment dort. So warm ist es ja draußen nicht mehr, und hier ist sie sicher vor Räubern.
Ohrenbetäubendes Gezwitscher schlägt mir entgegen. Die kleine Amsel hopst von Ast zu Ast im Käfig, laut protestierend.
„Wo bleibt mein Frühstück.“, schimpft sie mich.

Ich werfe ein paar Heuschrecken in den Tod, lasse Nestlingsfutter aufquellen und häufe ihr davon eine Portion auf ihr Schälchen. Dann klemme ich mir meinen Hund unter den Arm und tapse noch schlaftrunken zur Futterwiese des Nachbarn, um dort frische Heuschrecken zu fangen. Wenigstens schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe – der Hund war Gassi und ich habe wieder Vogelfutter.
Nachdem auch das erledigt ist krabble ich nicht sehr viel wacher als am Anfang zurück in mein Bett, wo Achan zum Glück die Decken warm gehalten hat. Ob er überhaupt gemerkt hat dass ich weg war?
Um etwa elf Uhr stehe ich wieder bei Lele auf der Matte. Der Käfig steht mittlerweile auf der Terrasse, das Wetter ist zum Glück nicht ganz so schlecht. Lele mag Sonnenschein.

Heute wird ein Experiment gewagt. Wie schlägt sich unser Vogelchen ganz alleine draußen? Ohne uns? In einer Welt voller Gefahren?
Es ist einen Versuch wert. Ewig kann ich sie nicht einsperren – Lele muss raus. Nachdem sie in ihren ersten zwei Tagen auf der Terrasse unter unserer Aufsicht gelernt hat wie man zum Käfig zurück kommt wenn man sich verflogen hat (Lele fand aus dem Nachbarsgarten wegen der hohen Hecke nicht mehr zu mir zurück und ich musste über den Zaun.) und ähnliche vogelwichtige Dinge, hoffen wir das sie den Tag gut überstehen wird.

Nur wegen ihrem Selbstmordversuch am Tag davor mache ich mir noch leichte Sorgen. Bei unserem Training, was wohl vogelverträgliches Fressen sei („Lele, mit diesem Stein im Magen wirst du nicht glücklich, glaub mir. Spuck ihn wieder aus!“) hatte sie es fertig gebracht, ein Stöckchen von ca 7 cm Länge hinunter zu würgen, dass sie fälschlicherweise (und vielleicht weil Achan ihr wohl erklären wollte, dass es KEIN Wurm ist) für einen Wurm gehalten hatte. Zu meinem Glück hatte sie das Ästchen nicht ganz verschluckt und ich konnte es ihr rechtzeitig aus dem Schlund ziehen.

Ich hole Lele aus ihrem Käfig heraus. Wie immer mag sie es gar nicht, das ich nach ihr grabsche, und versucht zu fliehen. Im Käfig hat sie nur sehr wenige Chancen weg zu kommen. Nun sitzt sie draußen auf dem Plastikstuhl und schaut ein wenig gekränkt. Ich werfe sie in die Luft, sie flattert in die Hecke, wird vom Grün verschluckt.

Achan grinst mich an. „Jetzt isse weg. Die kommt bestimmt nimmer.“ Dann drückt er mich. „Schatz, unser Kind ist erwachsen geworden.“
Natürlich kommt sie wieder, denke ich. Sie ist mein Baby. Sie kommt zurück.
Obwohl mir Achan das Gegenteil prophezeit.
Zurück im Haus halte ich’s nicht lange aus. Sofort stürze ich zum Badfenster, reiß es auf, pfeife nach Lele. Ich bekomme Antwort. Sie sitzt in der Hecke.
Als ich kurz vor dem Mittagessen wieder nach ihr rufe kriege ich keine Antwort mehr. Auch danach bleibt alles still.
„Die sehen wir nimmer.“, sagt Achan.

Ich bange am Nachmittag. Riskant ist es eben doch, die Kleine allein draußen zu lassen. Allerdings kann ich auch ihr Zwitschern nicht mehr ausmachen. Ab und an spähe ich aus den Fenstern, rufe, schaue ob Katzen umherschleichen.

Fünf Minuten vor Fünf höre ich Zwitschern, das wie Leles klingt. Ich gehe ums Haus, rufe nach ihr. Und siehe da, im Garten meiner Freundin Anja, genau neben meinem Haus, höre ich die Antwort aus einem Zwetschgenbaum. Ich rufe noch einmal.

Lele kommt angeschossen und macht Geier Sturzflug. Beinahe hab ich sie im Gesicht. Dann folgt sie mir aufdringlich schnatternd und pfeifend zur Terrasse, wo ich ihr Futter in den Käfig tue. Sie fliegt hinein, und ich schließe den Käfig. Sechs Stunden in Freiheit, dass reicht fürs erste. Man soll es schließlich langsam angehen.
„Rate mal, wer zurückgekommen ist.“, frage ich meinen Mann, als ich ins Haus zurück bin.
Später am Abend, bei Sonnenuntergang, verfrachte ich den Käfig wieder in das Gartenzimmer. Lele schläft auch heute wieder sicher.


Freiheitsexperiment Tag 2:

Dieselbe Leier: Nach einem ausgiebigen Frühstück lassen wir Lele um 11 Uhr hinaus in die Freiheit. Diesmal antwortet sie auf jeden meiner Rufe, hält sich anscheinend mehr in der Nähe auf. Ob das so gut ist? Sie soll raus, aber im Moment sollte sie auch wieder zurückkommen… Schwierig. Sie ist einfach viel zu zahm.

Nachdem mein Schatz nach dem Mittagessen einen dicken fetten Regenwurm gefunden hat, rufen wir sie zu sich damit sie Achans stolze Beute verspeisen kann.
„Des is doch gar net deiner.“, meint Achan zu mir, nachdem ich rufe und Antwort von ihr erhalte.
Aber es ist Lele. Eine Mutter erkennt das Schreien ihres Kindes 10 Kilometer gegen den Wind. Sie legt eine unelegante Landung hin, aber es wird schon besser.

Regenwurm schmeckt unserem Heuschreckengourmet auch ganz gut. Eigentlich sollte sie nicht so viele Heuschrecken und dafür mehr Regenwürmer kriegen…
Auch an diesem Abend kehrt sie wieder zu uns zurück und verbringt die Nacht im Gartenhäuschen. Ihr Abendessen schlingt sie förmlich. Anscheinend hat sie Hunger und heute noch nicht sehr viel gefangen. Naja… das muss sie eben noch lernen.


Freiheitsexperiment Tag 3:

Eigentlich fast dasselbe ^^


Freiheitsexperiment Tag 4:

Ich habe vor, ihre Tagesaußendosis zu erhöhen. Da Achan gestern heimgefahren ist, spann ich meinen Bruder zu Hilfszwecken ein.
Um zwölf Uhr wird sie kurz gefüttert, bevor es Mittagessen gibt.

„Flieg, du Dosel! Der ganze verdammte Himmel ist für dich da, also flieg endlich weg und such dir Futter!“, brülle ich wenig später aus dem Fenster.
„Was macht sie denn?“, fragt mein Bruder neugierig, während ich von dem Balkonfenster im Wohnzimmer auf meinen Vogel hinunter schimpfe.
„Sie sitzt auf dem Tisch und fliegt nimmer weg, dabei soll sie doch selbst Futter suchen.“, beschwere ich mich lautstark. Mein Vogelteenie stellt sich heute wieder doof.

Eigentlich muss ich ja wirklich unser Vogelteenager sagen. Mein Bruder und Achan haben mich bei der Aufzucht der Kleinen immer tatkräftig unterstützt, wenn sie auch beim Heuschreckenfangen eher Anfeuerungsrufe von sich gaben als konstruktive Leistungen in Form von gefangenen Insekten ablieferten. Ich bin ihnen zumindest für ihre Teilnahme sehr dankbar. Es gibt schon so genug Leute, die mich auslachen, weil ich den Versuch gestartet habe Lele großzuziehen.

Am liebsten würde ich Lele mit irgendwas bewerfen, damit sie wegfliegt. So lernt sie nie was! Jeder Teenager bettelt seine Eltern um Freigang an, unser Kind bekommt ihn freiwillig, aber nutzt ihn nicht.
Am Nachmittag ist sie dann aber doch verschwunden. Kurzzeitig sehe ich sie herumhüpfen und den Renault 4 meines Vaters als Toilette benutzen.
Anscheinend macht ihr dass Spaß.
Abends um sechs Uhr verfrachte ich sie wieder in ihren Käfig. Diesmal hat sie gar nicht mal mehr so viel Appetit.

Mal schauen, wie es morgen so läuft… 3 Wochen und 2 Tage… Liebe Lele, mach bitte weiter so ^^


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