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Von Helfern & Feudalismus Conventions & Events, In DACH

Autor:  Fuyamu
 

 


Ich bin neulich auf X (Twitter) rumgegeistert und da sprang mir ein Posting der Dokomi ins Auge: "Update: Helferbewerbung DoKomi 2024". Nun ist mir vor Jahren einmal bei solchen Aufrufen eine Gemeinsamkeit aufgefallen und seit dem schaue ich jedes Mal, ob ich wieder Bingo rufen kann. Im Fall der Dokomi: ja, konnte ich. Etwas weiter unten im Posting steht der Satz: "Dann bewerbt euch jetzt!"

Nun sind Bewerbungen nichts, was viele Leute gerne machen. Man denkt sich gutklingen Werbetexte zwecks Selbstvermarktung aus - oder kopiert sie aus dem Internet - um sich selbst in möglichst gutes Licht zu rücken, um die Arbeitsstelle zu bekommen. Auch die Dokomi fragt ihn einem ausfüllbaren Bewerbungsbogen auf ihrer Website: "Warum möchtest Du bei der Dokomi Helfer werden?"
Vorneweg: ich halte das für eine strunzdumme Frage; genauso wie es lächerlich finde, wenn für ehrenamtliche Helfertätigkeiten eine Bewerbung gefordert wird, wo doch die Regel ist, dass ehrenamtlich organisierte Veranstaltungen ohnehin quasi jede Person annehmen, die ein ausgefülltes Formular abschickt. Dass man ein paar Eckdaten, wie Alter, Name, Notfallkontakt, usw. abfragt, ist nachvollziehbar. Jedoch könnte man alternativ transparent und ehrlich mit der Situation umgehen, statt Bewerbungstexte abzuverlangen.

 

Immer weiter mit dem Mittelalter

Bewerbungen sind keine neue Erfindung. Sie haben ihren Ursprung in der Frühen Neuzeit (ca. 1600 - 1800) als Bittstellerschreiben an Könige und andere Feudalherren. Bittsteller baten bei diesen um Arbeit in dem sie, in unterwürfigster Weise ihr Leid schilderten. Je besser man dabei war, je herzzerreißender die erzählte Geschichte, desto wahrscheinlicher bekam man die Arbeitsstelle. Das wandelte sich im Laufe der Zeit, sodass Bewerberinnen nicht mehr, ihr Leid in den Fokus rückten, sondern dazu übergingen, ihre Fähigkeiten zu betonen.
Zwar sind die meisten europäischen Ländern seit ca. 100 Jahren oder länger keine Monarchien mehr, aber wir haben noch sehr viele gesellschaftliche Strukturen, die aus der Monarchie resultieren (Quelle 2). So haben auch heutzutage die Besitzlosen keine andere Möglichkeit, als ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um zu Geld für u. a. Wohnung und Nahrung zu kommen. Demgegenüber stehen Firmen, die immer noch wie Erbmonarchien organisiert sind und der Eigentümer/König bzw. eine von ihm beauftrage Person entscheidet, wer bei eine Anstellung bekommt.

Dass sich dabei diese Form der Bewerbungen durchgesetzt hat, ist historisch und in den gesellschaftlichen Machtstrukturen begründet und hat nichts mit einer oftmals angenommenen Objektivität und Sinnhaftigkeit zu tun. Ich habe schon öfters Leute gefragt, die für die Helferorganisation bei Conventions verantwortlich sind, warum sie einen Bewerbungsprozess machen, statt eine Anmeldung und die Antwort war immer die gleiche: sie wollen sehen, dass sich die Leute Mühe geben, denn das würde ja zeigen, dass sie ernsthaft Interesse an dem Projekt - auch Cosplay-Gruppen, Show-Gruppen, usw. fordern oftmals Bewerbungen - haben und daraus können man schließen, dass sie gut mitarbeiten werden. Das ist eine Argumentation, die genauso ein Feudalherr im Jahr 1652 hätte bringen können und fußt auf dem gleichen klassistischen Weltbild.

 

Funktioniert es?

Ehrenamtlich organisierte Projekte handeln mitunter nicht vorsätzlich, wenn sie solche Bewerbungsprozesse implementieren. Vielmehr werden die Verantwortlichen wahrscheinlich einfach reproduzieren, was sie aus ihrem Alltag kennen und mit Bewerbungen für Jobs sind die meisten Menschen wohl wesentlich öfter konfrontiert, als mit Torwächter-freien Anmeldungen und demokratischen Organisationsstrukturen, wie sie z. B. bei Vereinen, Gewerkschaften, Parteien oder Genossenschaften üblich sind.

Zurück zur Dokomi, die mir hier jetzt nur als exemplarisches Beispiel für viele Anime/Manga-Conventions und andere Fanprojekte in Deutschland dient: die ganze "Helfer werden"-Seite ist geschrieben und aufgebaut, wie eine Stellenanzeige für einen Job. Ich frage mich, schreckt das nicht eher Leute ab?
Ich kennen niemanden, der gerne Bewerbungen schreibt und Bewerbungsprozesse durchläuft. Dass man sich im eigenen Alltag mit sowas rumschlägt, da es kaum Firmen gibt, die hier anders vorgehen - und ja, die gibt es - ist verständlich. Bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit, bei denen kein Sachzwang zur Teilnahme besteht, stelle ich jedoch die Effektivität in Frage, neue Leute zu gewinnen, die nicht schon vorher Helfer/innen auf Veranstaltungen waren oder mit Menschen aus dem Team befreundet sind und von denen überzeugt wurden, auch mitzumachen.

Meiner Erfahrung nach ist das auch ein Phänomen ausschließlich innerhalb der Anime/Manga-Community, dass man für eine ehrenamtliche Tätigkeiten einen Bewerbungsprozess durchlaufen muss. Hängt das vielleicht damit zusammen, dass der Anime/Manga-Boom erst vor so ca. 30 Jahren hierzulande begann und die Fangemeinde eine sehr viel jüngere Historie hat als beispielsweise Kleingartenvereine? Eventuell ist auch ursächlich, dass die Anime/Manga-Community grundsätzlich ihren Anfang nichzt in einer anderen ehrenamtlichen Tätigkeit hat, aus sich selbst heraus entstanden ist und sich daher Privatunternehmen zum Vorbild nahm statt beispielsweise Vereine.

 

Für mich ist es ein unsympatisches Merkmal der Anime/Manga-Community. Es ist ein autoritäre Herangehensweise. Ich habe oft Beschwerden über elitär auftretende Cosplayer gelesen und gehört. Jedoch selten habe ich Kritik gehört gegenüber z. B. Conventions oder anderen Fanprojekten. Und nochmal: ich halte die betreffenden Projekte und Leute nicht für Überzeugungstäterinnen. Meine These ist, es wurden unkritisch Konzepte aus der Privatwirtschaft kopiert.
Ich wünschte, es würde eine gegenteilige Entwicklung auch innerhalb der Anime/Manga-Community geben, die mit solchen aus dem Feudalismus stammenden, klassistischen Konzepten bricht, die Menschen hierarchisieren.

 

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Datum: 18.03.2024 09:15
Wie auf Mastodon schon geschrieben; es ist hilfreich, nicht nur die Dokomi anzuschauen und von dieser auf alle anderen Conventions zu schließen.
There have always been ghosts in the machine, random segments of code that have grouped together to form unexpected protocols. Unanticipated, these free radicals engender questions of free will, creativity, and even the nature of what we might call soul ...
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Dr. Alfred J. Lanning
Datum: 18.03.2024 09:53
Falls ihr Fragen haben solltet wie es andere cons machen, könnt ihr euch gerne an mich wenden. Bei einigen kann ich vielleicht einen Einblick geben
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Datum: 18.03.2024 12:42
Fuyamu:
> @ Calafinwe
> Wie im Text beschrieben, haben wir uns nicht nur die Dokomi angesehen, sondern sie lediglich als ein beschreibendes Beispiel angeführt.
 
Es wirkt nicht so, wenn die Dokomi exemplarisch für viele Veranstaltungen in der Szene dient (Zitat aus eurem Text: "Zurück zur Dokomi, die mir hier jetzt nur als exemplarisches Beispiel für viele Anime/Manga-Conventions und andere Fanprojekte in Deutschland dient"). Ihr suggeriert damit, dass es auf den meisten Coventions so zugeht, wie auf der Dokomi, was schlicht und ergreifend falsch ist.

Schreiben kann man viel. Eine bessere Recherche hätte schlicht auch Positivbeispiele genannt, wie man's besser machen kann.


Zum Vergleich, ich hab mich letztes Jahr bei insgesamt vier verschiedenen Veranstaltungen erkundigt, wie's mit Helferdasein ist. Drei davon hatten eben gerade nicht das von euch beschriebene System.
There have always been ghosts in the machine, random segments of code that have grouped together to form unexpected protocols. Unanticipated, these free radicals engender questions of free will, creativity, and even the nature of what we might call soul ...
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Dr. Alfred J. Lanning
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Datum: 18.03.2024 22:25
Muss gestehen versteh dein Problem nicht die DoKomi wird von einer GmBH veranstaltet das heist man kann nur andere Cons die ebenfalls so veranstaltet werden mit einander vergleichen, Cons die wiederum von gemeinnützigen Vereinen veranstalte werde kann man mit denen nicht vergleichen.
Auch die Bewerbungen / verschiedenen Bewerbungsarten sind sinnvoll wer kurz gesagt nicht mal sagen kann warum er helfen möchte und wie (auch bei anderen Ehrenamtlichen Dingen)  den kann man auch nicht sinnvoll einsetzen geschweige denn weis ob die Person zu gebrauchen ist und solche Veranstaltungen und Tätigkeiten müssen geplant usw werden. Hat eine Con z.b. zu wenig Helfer kann es auch dazu führen das diese abgesagt werden muss.

Kenne auch keine Ehrenamtliche Tätigkeit die alles und jeden nimmt aber vielleicht bin  ich auch in Bereichen tätig gewesen wo man wert drauf legt.
Viele Leute interpretieren gern und viel in Aussagen hinein, egal ob etwas davon da steht oder nicht, jedoch sind sie nur, weil sie es gerne machen nicht zwingend gut darinnen.


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