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Einzelposting: Mobbing


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Von:   abgemeldet 12.11.2005 12:31
Betreff: Mobbing [gesperrt]
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Ich hab mir den Thread jetzt durchgelesen und lange überlegt, ob ich auch was dazu schreiben möchte.
Ich gehöre auch zu den ehemaligen Mobbing-Opfern und habe bis heute noch an den psychischen Problemen zu knabbern, die das damals in mir ausgelöst hat, deshalb rede ich eigentlich sehr ungern darüber.

Also hier dann mal meine "Leidensgeschichte":
Bei mir hat das ganze in der Grundschule angefangen, wann genau erinnere ich mich nicht mehr (ein Hoch auf die Verdrängung *g*), kam wohl daher, dass ich schon immer zu empfindlich war, und mir alles sehr zu Herzen genommen habe. Außerdem hab ich den Fehler begangen in den Pausen ab und an zu lesen, anstatt mit den anderen Kindern zu spielen. naja, das auslösende Erlebnis an das ich mich erinnere ist dann der Tag, an dem ich auf ner Bank auf dem Schulhof mit einem Buch saß und auf einmal zwanzig gröhlende Leute um mich stehen hatte, die mich nachgeäfft haben, mir das Buch wegnehmen wollten etc. Da bin ich ausgerastet, hab geheult, dann um mich geschlagen etc. das fanden die anderen natürlich unglaublich lustig, und so ging es immer weiter.
Auf dem Gymnasium hatte ich dann nur noch sehr wenig Freunde. Die meiste Zeit nur zwei, der Rest der Klasse hat mich halt also hoffnungslos uncool etc. abgestempelt und Spaß dran gehabt auf mir herumzutrampeln. Zu allem Unglück trug ich noch ne Brille und war dann bald auch unter Leuten die ich gar nicht kannte als "Bullauge" bekannt. Sehr schön ist das, wenn einen fremde Leute auf dem nachhauseweg von der Schule solche Namen hinteherbrüllen. (Ich hab heute noch ein Problem damit, wenn sich jemand über meine Augen lustig macht.
Ich hab auch versucht mich mit Gewalt zu wehren (Stühle nach Leuten geschmissen, jemanden in die Hand gebissen etc.) tat zwar gut, hat aber nicht wirklich was gebracht, weil man als Mädchen beschissenerweise einfach nicht stark genug ist *grummel*
Besonders schlimm war auch die Konfirmandenfahrt wo ich mit all den schrcklichen Leuten in einer Gruppe war und dann auch die Leute die mich noch nicht kannten freudig beim Fertigmachen mitgemacht haben. Und der Pastor etc. konnte auch nicht wirklich helfen, weil er keine Autorität wie z.B. ein Lehrer hatte. Ich glaub da hab ich dann erstmals kapiert, das Christentum eigentlich nur eine Religion der Schwäche ist und sämtlichen kindlichen Glauben verloren.

Der ganze Scheiß (ich will gar nicht weiter auf Einzelheiten eingehen) hörte dann langsam ab der 11. Klasse auf. So klischeehaft es klingt, aber als ich angefangen habe schwarz zu tragen und Heavy Metal zu hören, begannen die Leute endlich mich als eigenständige Person zu akzeptieren und respektieren. Ich hab nie mehr wirklich Spaß an der Schule gehabt, aber die letzten drei Jahre waren immerhin erträglich. Einen richtigen größeren Freundeskreis hab ich nur außerhalb der Schule gefunden.
Und ich kan euch sagen, dass ich mich verdammt gefreut hab, als ich vor einigen Jahren erfahren hat, dass einer der größten Mobber von früher an Drogen gestorben ist.

Die Leute haben damals soviel in mir kaputt gemacht (die Tatsache, dass ich auch zu Hause in der Familie ne Menge Probleme hatte, trug noch das Ihrige dazu bei), das ist so zum Kotzen. Ich bin immer noch tierisch unsicher, auch wenn ich eigentlich weiß, dass ich mittlerweile einen großen freundeskreis hab und voll akzeptiert werde, ich hab Minderwertigkeitskomplexe, denke immer, dass mich andere Leute prinzipiell ablehnen und bin viel zu nah am Wasser gebaut *kotz* Wahrscheinlich sind da noch diverse andere unterbewusste Probleme aber da will ich gar nicht länger drüber nachdenken.

Das einzig postivie an so einer "Mobbingopfer-Karriere", wie sie hier ja anscheinend viele durchlebt haben, ist dass man da doch einiges an Lebenserfahrung ziehen kann. Man wird schon früh aus der rosaroten "alle haben sich lieb"-Welt herausgerissen und bekommt den Ernst des Lebens zu spüren und lernt, wie beschissen Menschen sein können. Ich hab manchmal das Gefühl, dass Leute, die niemals gemobbt wurden, dass nie so richtig verstehen werden, bis sie dann später mal ganz furchtbar auf die Schnauze fallen und dann geschockt sind.

"I will show you fear in a handful of dust."
(T.S. Eliot - "The Waste Land")

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