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1000 Ways to Die in the West

Die Memoiren eines Flohgeistes
von

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Der Tod hat so viele Ausgänge für das Leben.

Beaumont and Fletcher (englisches Autorenduo um 1600)

 

Der Wächter kam und brachte anscheinend einen ganzen Kübel Wasser, denn der Drachenschamane meinte nur: „Gut. Wenn ich noch etwas benötige, wo stehst du?“

„Vor der Tür nach draußen, an der Treppe.“

„Geh.“

Ich hörte, wie sich die Schritte entfernten, wagte mich aber wohlweislich nicht aus meiner Deckung hinter der Tür. Allerdings hätte ich schwören mögen zu Eis zu werden, als ich die Worte des Drachen vernahm.

„Ich wasche den Taishō jetzt, Unbekannter. Ich habe nicht die mindeste Ahnung wer du bist und wie du durch den Bannkreis kamst, aber du bist ein überaus magiebegabter Hund. Ich hörte noch nie von Schamanen unter euch. Nun, du wirst es mir nicht sagen wollen. Aber ich gebe zu, dass du der beste Magier sein musst, der mir je unterkam. Unser Bannkreis wehrt jeden Zauber, jedes Yōki, ab. Und es gelang dir ungesehen in diese Festung einzudringen. Selbst ich nahm dich, oder das geringe Yōki, das du nicht weiter unterdrücken kannst, erst wahr, als du dich in meinen Umhang gehängt hast, gerade so, als wärst du nichts als ein Staubkorn. Magie, die meine übertrifft. Warum ich nichts sagte? Nun, ich bin Heiler. Und jemanden so leiden zu lassen ohne ärztliche Hilfe... Überdies, Unbekannter – nicht alle Drachen denken wie unser König. Er ist es und so folgen wir ihm. Aber, sage das deinem Herrn, wenn es dir gelingen sollte mit ihm wieder in den Westen zu gelangen.“

Ich holte tief Atem. Er hatte mich bemerkt, ja, nicht verraten? Nur, für wen oder was hielt er mich? Einen Hundeyōkai, ja, einen fähigen Magier, einen brillanten Schamanen? Da lag er so etwas von falsch, aber ich konnte ja auch nichts sagen. Womöglich heilte er dann den Daiyōkai nicht?

„So ist es gut, Taishō,“ meinte der Drache, sich wieder um seinen Patienten kümmernd. „Erhole dich etwas. Wasser ist Leben. Erst, wenn du einigermaßen erholt bist, kann ich deine Energie auffrischen. - Man sagt, Hunde sind treu. Aber ich gebe zu, Unbekannter, dass du mir eine ganz neue Definition dieses Wortes gegeben hast. Ich kann nicht mehr tun, denn ich werde mein Volk nie verraten. Ich werde dem Taishō seine Energie in gewissem Maß zurückgeben können. Wie viel er selbst dann noch zugeben kann, wie ihr aus dieser Festung und dem Drachenreich gelangt, liegt bei euch. Aber, das kann ich versichern, du bist der mutigste und loyalste Mann, den man sich nur vorstellen kann. - So ist es gut, Taishō. Ich werde jetzt deinen Kopf anheben und dann etwas Wasser in deinen Mund geben. Versuche es nicht zu schlucken, warte noch etwas. Du bekommst genug. So viel du benötigst. Und dann werde ich dein Yōketsu suchen, ja, natürlich, du willst es nicht zeigen, du hast es die ganze Zeit verborgen. Aber ich bin Heiler. Ich werde keine Fragen stellen. Nur dir ein Stück unseres Regenbogenkristalls dort hinein geben. Das wird deine Energie erhöhen. Wenn du so stark bist, wie ich glaube, solltest du danach selbst in der Lage sein dich zu regenerieren. Ich werde dann jedenfalls gehen und dich ...euch ...dem Schicksal überlassen. Aber, sei versichert, Taishō … So schwach und verächtlich du dir momentan auch erscheinen magst – mich hast du beeindruckt. Wie muss ein Anführer sein, dem auch nur einer seiner Untergebenen freiwillig bis in den Kerker der Drachen, nun, in den Rachen der Hölle folgt.“

 

Ich war keiner seiner Untergebenen, dachte ich automatisch. Und, der Schamane irrte sich gleich in mehrfacher Hinsicht, aber das war mit Sicherheit der ungünstigste Zeitpunkt damit herauszuplatzen. Wichtig war, dass er das tat, was er gesagt hatte – die Energie meines Daiyōkai zu erhöhen, mich nicht zu verraten und uns zumindest eine Chance zu lassen. Nur, welche? Ich hatte noch immer keinen Plan. Nun ja. Es hing auch davon ab, wie schnell oder wie sehr sich der Taishō erholen konnte.

Mein Blick fiel wieder auf diese lächerliche Karikatur, die die Drachen aus seiner Kleidung, seiner Rüstung erstellt hatten. Das Stroh musste weg, damit er es anziehen konnte. Nur, wie? Das war eine Menge, für einen einzelnen Flohgeist. Nun, sobald der Schamane gegangen war – und das wollte er, sollte er doch sich um den Drachenprinzen kümmern, würde ich das erledigen. Der Taishō war momentan sicher nicht in der Lage etwas zu machen, höchstens sich zu regenerieren. Und das würde Zeit brauchen. Zeit, die es sicher nicht allzu viel gab.

Diese Rüstung mit den Stacheln war wirklich lästig, groß, riesengroß und blockierte einiges. Andererseits würde der Daiyōkai sie auch nicht hier lassen wollen. Ich starrte sie in dem ungewissen Licht, das von dem Drachenschamanen ausging an. Das war doch zu groß, zu sperrig für das Rohr. Andererseits sah ich keine andere, nun, hatte keine andere Möglichkeit hier aus der Drachenburg wieder herauszukommen, zumal mit dem Staatsgefangenen Nummer Eins an der Hand? Und dann? Das Rohr, der Wassergraben? Selbst, wenn der Taishō jeden Stolz, jede Würde vergessen würde … Nun ja, dann würde er mich danach als Zeugen seiner Demütigung umbringen. Hatte ich nicht schon vor Stunden, Tagen, beschlossen, mein Leben sei zu Ende? Warum nicht bei dem Versuch sterben den Mann, der einem selbst das Leben gerettet hatte, das zu entgelten.

 

Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich Yōki spürte, erst sehr schwach, dann jäh erhöht. Das musste das mit dem Regenbogenkristall sein, von dem Rurimaru gesprochen hatte. So lugte ich vorsichtig hinter der Tür hervor. Etwas wie eine dunkle, sich drehende, Scheibe war erschienen, in die der Drachenschamane etwas helleres gestoßen hatte.

Der meinte nun: „So ist es, Taishō. Nimm die Energie des Kristalls und verwende sie weise. Ich werde jetzt gehen und mich um Ryutsubasa kümmern. Ich habe nur eine Bitte, noch.“ Er erhob sich. „Sag mir deinen Namen, Unbekannter. Denn ich werde dich nie vergessen.“

„Myōga,“ hauchte ich prompt, um im nächsten Atemzug bereits zu erkennen, dass das ein Fehler gewesen war. Besaß ein Magier meinen Namen konnte er auch bannen, das hatte Meister Nekohiko doch gesagt.

Aber der Schamane nickte nur ein wenig. „Myōga. Ich sollte dir viel Glück wünschen, aber das wäre Verrat an den Drachen.“ Er verließ den Raum und damit wurde es dunkel.

Nur der vage Schein der Fackel draußen auf dem Gang erhellte noch den Raum. Ich wartete, bis ich hörte, dass der Heiler gegenüber die Tür fast betont zufallen ließ, ehe ich den Sprung hinüber zu dem Daiyōkai wagte, mich auf seine Brust setzte. „Herr?“

Keine Reaktion.

„Taishō!“

Er hatte die Augen geschlossen, atmete und, soweit ich es spüren konnte, nahm er die Energie dieses ominösen Kristalls, erhöhte die eigene. Das half nur wenig. Ich musste wissen, wie es ihm ging, was ich machen sollte, er war Heerführer, er sollte doch einen Plan haben?

„Oyakata-sama?“

Es war fast, als ob er noch immer nicht bei Bewusstsein war. Zögernd hüpfte ich in sein Gesicht. Ich musste ihn doch irgendwie wach bekommen? Aufmerksam machen, dass wir hier weg sollten? Nur, wie? Hunde. Nase. Ich starrte kurz im Halbdunkel das Riechorgan vor mir an, ehe ich den nächsen Sprung wagte und einfach meinen Rüssel mit aller Kraft dort hinein versenkte.

„Ah!“

Immerhin eine Reaktion. Ich sprang eilig auf die Brust zurück. „Oyakata-sama? Herr? Hört Ihr mich?“

„Wer…?“ Er brachte es kaum heraus ohne die Augen zu öffnen.

Ich war froh, dass er endlich reagierte. „Ich bin Myōga. Erinnert Ihr Euch? Wir trafen uns vor Jahren, denke ich, in den Einöden des Hoyama und Ihr habt mir das Leben gerettet. Ich bin ein Flohgeist.“

„Myōga.“

„Ja. Der Drachenschamane hat Euer Yōketsu gestärkt. Jetzt müssen wir es nur noch schaffen die Ketten abzunehmen und dann können wir hier verschwinden.“

„Myōga.“

Das war keine gute Nachricht, dachte ich. Er regenerierte sich etwas, ja, das spürte ich, aber er sah mich nicht an, er konnte kaum reden. „Ja, ich bin Myōga, ein Flohgeist. Wir unterhielten uns, dass wir beide lernen wollten, erinnert Ihr Euch?“ Keine Reaktion. Was sollte ich denn nur jetzt machen? Sein Yōki war noch immer weit unter dem eines Daiyōkai, vermutlich knapp über dem, mit dem er seine menschliche Form aufrecht erhalten konnte. „Wie kann ich Euch helfen?“

„Keine Chance.“

„Oyakata-sama, ich kam hierher in den Kerker der Drachen, gegen alle Möglichkeiten,“ erklärte ich etwas schärfer als es vermutlich ratsam gewesen wäre. „Und ich werde hier herausgehen, mit Euch. Denkt doch an Euren Sohn. Soll ein so kleiner Welpe denn ohne Vater aufwachsen?“

„Das Heer?“

„Kein Heer. Sie wären doch an dem Bannkreis der Drachen gescheitert. Ihr müsst mir vertrauen. Ja, ich bin nur ein Floh und Ungeziefer, wie Ihr sagtet, aber Ihr habt mein Leben gerettet. Vertraut mir doch.“

Er öffnete die Augen und versuchte mich anzugucken.

So sprang ich neben seinen Kopf, damit er das Gesicht nur wenden musste. „Diese Ketten haben Magie?“ Das wäre vermutlich die schlechteste Nachricht, die es gab. Ich verfügte über keine und der Drachenschamane hatte ja schon deutlich gemacht, dass er uns nicht weiter helfen würde, könnte.

„Ketten aus Hass.“

„Was bedeutet das, oyakata-sama? Wie kann man sie lösen?“

Er schloss die Augen wieder, aber ich spürte eine deutliche Schwankung, dann einen Anstieg der Energie. Ja, er erholte sich, einigermaßen, vermutlich. Aber, wenn ich diese Ketten um Hals und Händen nicht abbekam, würde das nur dazu führen, dass er länger brauchen würde um zu sterben. Morgen. Schon. War denn alles sinnlos gewesen? Magische Ketten? Ich hatte doch nicht die mindeste Ahnung davon. So sprang ich wieder auf seine Brust, die sich langsam hob und senkte, genau zwischen die beiden eigentlich so mörderischen Klauen, die mit Ketten an den Halsreifen gebunden waren.

Eine Idee, nur eine Idee. „Oyakata-sama, erholt Euch. Ich werde inzwischen versuchen das Stroh aus Eurer Kleidung zu sammeln….“

„Nein!“ Geflüstert, aber ein klarer Befehl.

 

Ich wollte schon fragen ob er gedachte, so, wie er war, nackt, nur angetan mit den zwei Fellteilen durch die Burg zu spazieren.

 

„Der Panzer.“

Was, wie, der Panzer? Oh, natürlich. Wenn ich das Stroh aufsammelte, würde diese lächerliche Figur in sich zusammenbrechen, und, wenn die Wachen draußen nicht taub waren, die sich über das Scheppern wundern. „Nur, die Ärmel, dann geht es nachher schneller,“ versicherte ich und sprang hinüber. Als ich mich kurz umwandte schien er schon wieder zu schlafen. Aber sein Herz, das konnte ich als Flohgeist nun wirklich wahrnehmen, schlug kräftiger, gleichmäßiger. Es gab eine Chance, doch. Nur, dazu müsste ich diese verdammten Ketten abbekommen, denn ganz offenkundig schaffte er es nicht allein und Rurimaru würde dabei kaum helfen. Der Schamane hatte ja schon gesagt, dass ein Stups in die richtige Richtung in Ordnung war, aber kein Verrat an seinem Volk oder auch dem König.

Ich rupfte hektisch die Ärmel leer, dann aus dem Kragen, kurz, alles, so viel ich wagte, um diese Figur nicht umfallen zu lassen. Hoffentlich kam der Wächter nicht vorbei, der würde sich doch fragen, warum hier Stroh herumlag, aber eigentlich war es egal. Ich musste diese Ketten loswerden, oder schlimmer, da ich es nicht vermochte, der Daiyōkai. Nur, wie? Ich sprang wieder auf ihn zwischen die Klauen. Ketten, schwarz und ja, es war wohl eine Art Magie. Ob ich die Münze, die Meister Nekohiko mir gegeben hatte, dafür verwenden sollte? Aber, was wäre dann mit dem Bannkreis um diese Festung? „Oyakata-sama?“ flüsterte ich. Keine Reaktion, nicht einmal ein Augenblinzeln.

So starrte ich die Hände vor mir an. Mörderisch und so … ja, im wahrsten Sinne des Wortes so gebunden. Ich musste plötzlich daran denken, dass mich diese Klauen gepackt hatten, nein, genommen, ohne mir weh zu tun, ja, mich in seinen Hals gestoßen hatten, um mir das Leben zu retten. Und ich armseliger Floh hockte jetzt hier und konnte gar nichts tun für ihn. Gar nichts, ich war nicht nur schwach, ich war unfähig, ja, das hatte er schon recht gesehen, ich war Ungeziefer. Und Rurimaru hatte sich als Schamane vermutlich in seinem gesamten Leben zusammen nicht so geirrt wie heute.

Ich brach in Tränen aus, weinte, wie kaum noch einmal später. Und nein, es war mir nicht peinlich. Ich war unfähig, das zeigte sich ja gerade ich war alles. Und ohne weiter nachzudenken warf ich mich vorwärts, zwischen die Hände, die mir das Leben gerettet hatten und nun so verdammt hilflos waren. nur weil ich meinen Lehrern nie richtig zugehört hatte, weil ich eben nur ein Flohgeist war, weil ich…

„Myōga.“

Ein Hauch nur, aber ich versuchte tränenüberströmt in sein Gesicht zu sehen. Er wiederum versuchte zu seiner Brust zu gucken, ehe er langsam die Hände hob.

„Was….?“

Ja, das wusste ich auch nicht, jedenfalls waren die Ketten um die Handgelenke weg.

 
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: Morgi
2022-11-25T09:56:11+00:00 25.11.2022 10:56
Hallo!

Hass wird von Mitleid gelöst? Das würde erklären, weshalb die Ketten verschwanden. Kein Drache konnte erwarten, dass irgendjemand über das Schicksal des Hundes eine Träne vergießen würde, auch wenn es, zugegeben, an der Ehre des Heilerhandwerks kratzte. Rurimaru hat viel gewagt. Ich möchte um seinetwillen hoffen, dass Ryuichi das nicht kombinieren kann und den Regenbogenkristall im Energieschub erkennt, und auch, dass sich Taishou an die "Starthilfe" erinnern wird, so wie er sich bei der Ehrlichkeit an Myouga erinnern konnte. Wie schwach der Hund war! Die Nachwehen der Folter sind eindrücklich. Ryutsubasa ist nicht zimperlich, dem möchte man frisch geheilt nicht begegnen, hängt doch sein Hals daran, wenn der Gefangene unter seinen Leuten entkommt.

Viele Grüße, Morgi
Von:  Helina
2022-08-28T19:05:24+00:00 28.08.2022 21:05
Wie immer sehr spannend! Ich freue mich schon darauf wie es weitergeht. Der arme Myoga, na wenigstens scheint Tomaten auf dem Weg der Besserung. Jetzt müssen sie "nur" noch raus. Das wird bestimmt interessant. Eine Witzige Vorstellung, das der Werte Herr Hund in das Badezimmer seiner Feinde einbricht um durch die Kanalisation zu entkommen.
Antwort von:  Hotepneith
28.08.2022 22:34
Danke für den Kommetar. Ihc fürchte nur, der erste Typ, der erwähnt, dass der Taishou durch Abflussrohre muste, darf anschliessend alle nicht nru im Westen putzen..

Was meinst du mit Tomaten oder schlug die Autolkorrektur zu?


hotep
Antwort von:  Helina
28.08.2022 22:37
Das war die Autokorrektur. Ich meinte Toga.
Soweit ich weiß war das der offizielle inoffizielle Name des Taisho im 3. Film oder so. :D


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