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Keep calm and fake on

von

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Kapitel 4

“Ach, hier bist du.” Viktor sah auf das Paar vor sich, das gemeinsam am Geländer seines Balkons stand und miteinander lachte. Kaum dass er seinen Satz ausgesprochen hatte, machte Elsa einen Sprung zur Seite und sah mit großen Augen über ihre Schulter zu ihm. Sie wirkte wie ertappt, woraufhin er seine Stirn runzelte. Sein Blick wanderte zu Mario, der ebenfalls unsicher wirkte.

“Wir scheinen uns ein wenig verquatscht zu haben”, gab Elsa von sich und wich jedoch Viktors Blick aus. Hatte sie etwa ein schlechtes Gewissen?

“Wollt ihr mir vielleicht irgendetwas sagen?”

Wieder weiteten sich Elsas Augen und sie schüttelte ihren Kopf. Sie trat zu ihm und legte ihre Hand auf seine Brust. “Nein, mach dir keine Sorgen.” Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und legte ihre Lippen sanft auf Viktors Wange. “Alles gut.”

“Du weißt ja, rede mit mir, wenn etwas ist.” Viktor strich ihr sanft über den Rücken und sah sie ernst an.

“Ich weiß.” Sie erwiderte seinen Blick ebenso ernst, sah über ihre Schulter und drückte sich gleich darauf an ihre Fakefreund vorbei in dessen Wohnung hinein.

Viktor sah den noch auf dem Balkon Stehenden mit hochgezogenen Augenbrauen an. “Elsa ist meine Freundin, das ist dir klar, oder, Mario?”

Der nickte. “Natürlich, das ist es, keine Sorge.” Der Jüngere der beiden sah zu der Türe, durch die Elsa gerade hineingelaufen war. “Ich habe nur das Gefühl, dass wir uns gut verstehen und ich würde gerne …” Er stockte, dann sah er Viktor ernst an. “Mach dir keine Sorgen, ich weiß, dass ihr beide zusammen seid und ich werde mich auf keinen Fall irgendwie zwischen euch drängen. Ihr beide gehört zusammen.”

“Dann ist es ja gut, dass wir das geklärt haben. Dann zu der Sache, weshalb ich unter anderem nach dir geschaut habe.”

“Und die wäre?”

“Deine Mannschaft hat das Weite gesucht.”

“Wie bitte?”

“Ja.” Viktor lachte auf. “Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich um dich keinen Kopf machen müssen und sie gerne gehen können.”

“Aha. Was genau bedeutet das? Und werde ich dann nachher noch einen Kopf haben? Denn so wie du mich angesehen hast, nachdem du Elsa und mich hier auf dem Balkon entdeckt hast, weiß ich nicht genau, ob du mich still und heimlich beseitigen willst.”

“Ich bin weder still noch heimlich.” Ein breites Grinsen lag auf Viktors Gesicht. “Aber eigentlich wollte ich dich fragen, ob du noch heimfahren oder einfach hier übernachten willst. Mein Sofa lässt sich ausziehen, wenn du dich das traust, nachdem du so schamlos mit meiner Freundin geflirtet hast.”

“Ich habe nicht mit Elsa geflir…” Mario bracht mitten im Satz ab. Hatte er mit Elsa geflirtet? Er konnte die Frage nicht einfach verneinen, denn er war sich nicht sicher.

“Vielleicht unterlässt du das zukünftig einfach. Ich bin mir nicht sicher, wie gut es bei den Leuten um uns herum ankommt, wenn meine Freundin mit einem anderen flirtet.” Mal ungeachtet dessen, dass Elsa eigentlich nicht wirklich seine Freundin war. Und auch aus diesem Grund: “Was willst du von Elsa?” Viktor schob seine Hände in seine Hosentaschen und sah Mario an. Dieser wurde rot und schüttelte seinen Kopf.

“Nichts, wirklich nichts. Ich wollte mich einfach nur mit ihr unterhalten. Entschuldige bitte, wenn ich dir das Gefühl gegeben habe, mit ihr zu flirten. Sie ist deine Freundin und das ist mir bewusst.”

“Gut. Dann überlege dir, ob du mein Sofa haben willst.” Viktor drehte sich herum und ging wieder in seine Wohnung hinein.

Mario blieb stehen und sah ihm hinterher, während es ihm schmerzhaft bewusst wurde. Elsa hatte einen Freund. Einen Mann, den er respektierte. Mehr als nur respektierte, er mochte ihn und er wollte keinem von den beiden im Weg stehen. Aber trotz dieses Wissens konnte er nichts dagegen tun, dass sich alles in ihm zusammenzog. Gerade wünschte er es sich sehr, er hätte Elsa wieder getroffen, bevor sie mit Viktor zusammengekommen war. Klar waren bereits viele Jahre vergangen, seit er in Elsa verliebt gewesen war und er war sich auch sicher gewesen, dass dies eben eine frühere Schwärmerei gewesen war, mit der er schon längst abgeschlossen hatte. Und dann hatten Gregor und Viktor ihn mit in das Restaurant genommen und dort hatte er plötzlich in ihre wunderschöne große, braune Augen gesehen und sein Herz hatte einen Satz gemacht. Und dann war ihm bewusst geworden, dass sie Viktor geküsst hatte, kurz bevor sie ihn angesehen hatte. Und obwohl er sich immer und immer wieder sagte, dass sie einen Freund hatte, in einer Beziehung war, mit einem guten Kerl, so konnte er nicht anders, als sich wieder in sie zu verlieben. Und er hasste sich selbst dafür, dass er sich nicht einfach zurückhalten konnte. Nein, stattdessen suchte er die Nähe zu ihr und fragte sie dann sogar noch, ob sie Zeit mit ihm verbringen würde. War er eigentlich dumm? Die Antwort war ja. Er war der größte Idiot aller Zeiten. Er sollte Abstand nehmen, von ihr, von diese unerlaubten Gefühlen für sie. Von ihrem Freund, den er mochte. Er sollte es sich nicht schwerer machen, als es tatsächlich schon war. Er schloss seine Augen und sammelte sich, ballte seine Hände zu Fäusten, dann folgte er Viktor ins Innere der Wohnung.
 

“Ich habe gehört, du bleibst über Nacht hier, Mario!” Gregor tauchte bei ihm auf, kaum dass er einen Fuß durch die Türe setzen konnte.

“Ähm …”

“Das ist mega, dann können wir uns morgen treffen und zusammen kicken gehen. Ich bin voll dafür. Wenn wir den anderen schreiben, dann schaffen wir es vielleicht sogar ein paar der alten Kickers-Spieler zusammen zu bekommen, was meinst du?”

“Das klingt wirklich gut.” Viktor legte eine Hand auf sein Kinn. “Ich kann schauen, ob ich die alten Teufel-Spieler zusammen bekomme. Meint ihr, die anderen hätten Lust auf ein Spaß-Match?”

“Uh, das machen wir. Ich schreibe sofort Kevin.” Und schon zog Gregor sein Handy heraus und ging ein paar Schritte davon, während er auf das Display tippte.

“Das mache ich auch.” Viktor wählte eine Nummer und hielt sich sein eigenes Handy ans Ohr. “Hey Eric, Alter. Was hast du morgen vor?”

“Ich glaube, deine Entscheidung wurde für dich getroffen.” Elsa erschien schmunzelnd neben Mario, der lachen musste und nickte.

“Es scheint so. Und was machst du?”

“Sie bleibt natürlich hier! Und morgen wird sie mich anfeuern, dass das klar ist.” Viktor sah über seine Schulter, ehe er das Handy erneut an sein Ohr drückte. “Steve, gut, dass ich dich erreiche. Hör mal, morgen werden wir …”

“Deine Entscheidung wohl auch.”

Elsa lachte auf Marios Aussage und nickte. “Ja, so sieht es tatsächlich aus.”

Sie zwang sich, weiterhin zu lächeln, wobei sie am liebsten ihre Stirn runzeln würde. Also würde sie hier schlafen … Zum Glück hatte Viktor ein sehr breites Bett, das würden sie schon schaffen, Wechselkleidung hatte sie auch in seinem Schrank verstaut, das diente ihrem Alibi. Sie hatte auch schon hier übernachtet, aber das im Normalfall auf dem Sofa, das nun von Mario genutzt werden würde. Gut, das war zu schaffen.

“Komm mit, ich gebe dir Handtücher und eine Zahnbürste”, richtete sie an Mario und berührte seine Hand leicht mit ihrer. Kaum dass sie das tat, fühlte es sich an, als würde ein Blitz durch sie schießen. Seine Augen weiteten sich, hatte er das auch gespürt?

Elsa biss sich auf die Unterlippe und zog ihre Hand an ihren Körper. Was war das die ganze Zeit über? Es überforderte sie.

“Komm”, wiederholte sie und ging einfach los, ohne abzuwarten, ob er ihr tatsächlich folgte.
 

///
 

“Geht es so oder brauchst du noch etwas?” Viktor erschien im Schlafzimmer und schloss die Türe hinter sich, sein Blick dabei auf Elsa gerichtet, die bereits in seinem Bett lag.

Zur Antwort schüttelte sie ihren Kopf. “Ich denke nicht.”

“Gut. Wenn du doch etwas brauchst, du weißt ja, wo du es findest. Hol es dir einfach.” Viktor kam ebenfalls in sein Bett, legte sich neben ihr auf den Rücken und verschränkte seine Hände unter seinem Kopf.

Elsa lachte laut los. “Du bist ja ein toller Gastgeber.”

“Warum? Weil du es dir selbst holen musst? Angeblich bist du meine Freundin, du solltest dich hier auskennen. Und mal abgesehen davon, kennst du dich hier tatsächlich gut aus.”

“Das stimmt.” Elsa schloss ihre Augen und drückte ihren Kopf in das Kopfkissen unter sich. Sie war wirklich müde.

“Elsa, sei ehrlich. Willst du unsere Fakebeziehung weiterhin?”

Sofort riss sie ihre Augen weit auf. “Was?”

“Ich habe gesehen, wie Mario dich ansieht und auch wie du ihn ansiehst. Selbst mit meiner sonst so geringen Auffassungsgabe …”

Ein Schnauben entkam der neben ihm Liegenden. Geringe Auffassungsgabe? Da konnte man genauso gut sagen, er könne nicht Fußball spielen. Doch Viktor ignorierte sie und sprach einfach weiter.

“... sehe ich doch, dass da mehr ist. Und ich will auf keinem Fall irgendeiner aufkeimenden Romanze im Weg stehen.”

Elsa vergrub ihr Gesicht mit den jetzt glühenden Wangen erneut im Kopfkissen. Sie biss sich auf die Unterlippe und versuchte sich zu fangen, ehe sie sich herumdrehte.

“Willst du etwa, dass ich unsere Beziehung beende? Hast du jemanden kennengelernt?”

“Wie kommst du denn jetzt darauf? Nein, mir geht es nur um dich und Mario. Wenn es nach mir geht, beenden wir unser Arrangement noch lange nicht, ich bin sehr zufrieden so, wie es ist. Ich fühle mich tatsächlich frei. Aber Elsa, ich bin dein Freund, nicht dein fester Fakefreund, nein, ein guter Freund. Deine Gefühle sind wichtiger als dass ich mich frei fühle. Ich genieße es, so mit dir zusammen zu sein, die Freundschaft zwischen uns gefällt mir sehr gut und vielleicht macht es mir etwas zu viel Spaß, anderen etwas vorzuspielen, doch ich genieße es auch. Und wie gesagt, ich habe echt wenig bis gar keinen Stress mit Frauen gehabt. Mal abgesehen von dir.” … “Hey!” Ungläubig stemmte Viktor sich auf seinen Unterarmen auf und sah Elsa an, die ihm ein Kissen ins Gesicht geschlagen hatte.

“Du behauptest, dass du Stress mit mir hast?”

“Äh …” Viktor deutete auf das Kissen, das er nun in seiner Hand hielt.

Elsa lachte laut auf. “Das ist kein Stress sondern gehört zu einer normalen Beziehung dazu.”

“Okay, vielleicht sollte ich Mario vorwarnen, dass für dich zu einer normalen Beziehung Schläge gehören. Soll ich auch noch Handschellen und eine Peitsche besorgen?”

“Viktor Uesugi! Untersteh dich! Ich glaube, du hast sie nicht mehr alle.” Elsa rappelte sich auf und sah ihn aus funkelnden Augen an. Ihre Hände hatte sie vor sich auf dem Bett abgestützt und schüttelte ihren Kopf. “Du sagst ihm überhaupt nichts, kein Wort!”

“Darf ich also gar nicht mehr mit ihm reden oder …”

“Manchmal bist du mehr als doof!” Elsa zog ihm das Kissen aus den Händen und warf es vor sich, um gleich darauf wieder ihren Kopf hinein zu drücken. “Aber”, sie hielt inne und drehte ihren Kopf in Viktors Richtung. Wollte sie das wirklich? Eigentlich wusste sie doch, was sie wollte, oder? “Hör zu, Viktor. Es ist gut so, wie es ist. Ich will aktuell eigentlich keine Beziehung, also … lassen wir es so laufen, ja? Und du sagst kein Wort zu Mario, was das alles angeht.”

“Wenn es für dich wirklich okay ist, dann ist das für mich vollkommen in Ordnung. Ich bin ja auch froh darüber wenn es so bleibt, ich fühle mich gut damit. Aber falls sich doch etwas ändert, dann sag mir Bescheid, ja?”

“Klar. Aber ich will nichts von Mario, das solltest du wissen.” Elsa drehte ihren Kopf so, dass sie von dem neben ihr Liegenden wegsah, der gleich darauf das Licht löschte und sich hinlegte.

“Gute Nacht, Elsa”, murmelte er.

“Gute Nacht”, erwiderte sie leise.

Und obwohl sie müde war, fand sie nicht in den Schlaf. Alles in ihr drehte sich. War das wirklich richtig, was sie zu Viktor gesagt hatte? Sie wollte doch keine Beziehung, nicht aktuell. Es war alles gut, wie es war. Und doch … Wieder kamen ihr Marios Augen in den Sinn, der Blick, mit dem er sie angesehen hatte, als er ihr gesagt hatte, wie hübsch sie war und ihr Herz nahm erneut einen Schlag zu. Hatte Viktor recht als er sagte, dass so, wie sie und Mario sich ansahen, da mehr dahinter stecken musste? Sicher dass das nicht irgendwelche Überbleibsel von der Zeit waren, als sie und er sich näher gekommen waren? Als sie in ihn verliebt gewesen war und sie sich sogar geküsst hatten? Denn so hatte sich das damals auch angefühlt, wobei es heute vielleicht sogar stärker war. War sie tatsächlich wieder in ihn verliebt? Aber das konnte doch nicht sein, sie hatte ihn viele Jahre nicht gesehen, sie kannte ihn doch gar nicht. Wieder biss sie sich auf die Unterlippe. Es war doch alles gut, so wie es gerade war. Die Fakebeziehung von ihr und Viktor tat genau das, was es tun sollte und er war ja auch zufrieden damit und er schien froh darüber gewesen zu sein, als sie gesagt hatte, dass sie es dabei belassen sollte. Ach verdammt, warum war alles nur so komisch? Sie schloss ihre Augen und zwang sich dazu, an etwas anderes zu denken. Und trotzdem schweiften ihre Gedanken immer wieder zu dem Mann ab, der auf Viktors Sofa schlief.
 

///
 

Es war mitten in der Nacht, als Mario von dem Geräusch einer sich öffnenden Türe aus dem Schlaf gerissen wurde. Er setzte sich auf dem Sofa auf, das mitten in Viktors Wohnzimmer stand und sah über die Lehne, wo aus der Richtung in der das Schlafzimmer lag, eine Silhouette in der Dunkelheit erschien.

“Oh, habe ich dich geweckt?”, erklang Elsas Stimme leise und sie kam auf ihn zu.

Sofort schüttelte er seinen Kopf. “Nein, keine Sorge. Wenn ich woanders schlafe, ist mein Schlaf meistens nicht so tief und ich wache bei jedem geringsten Geräusch auf.”

“Du auch?” Ein leises Lachen entkam Elsa und sie kam auf ihn zu. Nun konnte er ein wenig mehr ausmachen, unter anderem auch, dass sie nur ein langes T-Shirt trug, das den Großteil ihrer Beine freiließ, die er nun anblickte. Sie wirkten erstaunlich lang und die Haut dort … Mit großen Augen riss er seinen Kopf wieder hinauf.

“Und du konntest nicht schlafen?”, fragte er und hoffte, dass ihr nicht klar war, dass er ihre nackten Beine angestarrt hatte.

“Ich wollte mir in der Küche etwas zu trinken holen. Wie sieht es mit dir aus, willst du auch etwas?”

“Gerne.”

“Dann warte kurz.”

Und schon war sie auf und davon. Mario beobachtete, wie sie zu der offenen Küche auf der anderen Seite des Raumes ging. Er hörte sie klappern und das Geräusch von klirrenden Gläsern, ehe Wasserrauschen erklang. Kurz darauf kam sie zurück und reichte ihm ein Glas, gefüllt mit Wasser. Sie ließ sich selbst auf das Sofa sinken, dort wo Marios Beine noch lagen. Sie trank etwas von ihrem Wasser, sah in den im Dunkeln liegenden Raum hinein, ohne ein Wort zu sagen.

“Ist alles okay?”, fragte Mario leise und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. Als sie ihren Kopf drehte und ihn ansah, erstarrte er, rührte sich nicht mehr. Ihr Blick brachte sein Herz wieder dazu, schneller zu schlagen. Warum genau löste sie das in ihm aus? Das durfte sie nicht, immerhin war sie vergeben. Er sollte sich keine solchen Gedanken über sie machen. Und noch weniger sollte er daran denken, sein Blick glitt zu ihren Lippen, wie es sich anfühlen würde, sie nach so einer langen Zeit noch einmal zu küssen. Ihre Zungenspitze blitzte auf und fuhr über ihre vollen Lippen, die so unglaublich weich aussahen. Als er wieder aufblickte, wurde ihm klar, dass sie es gemerkt haben musste. Ohne dass es ihm bewusst war, beugte er sich ein wenig vor, näher zu ihr. In diesem Augenblick sprang sie auf.

“I-ich … muss wieder”, stotterte sie, bewegte sich aber nicht von der Stelle, sah ihn nur an.

“Es tut mir leid”, sagte Mario leise, woraufhin sie ihren Kopf schüttelte.

“Dir muss nichts leid tun”, flüsterte sie.

“Doch, muss es. Du bist mit Viktor zusammen. Ich sollte nicht …”

“Was solltest du nicht?” Ihre Stimme war so leise, dass er sie kaum verstehen konnte.

“Dich so ansehen.”

“Und … wie siehst du mich an?”

Er sagte nichts und Elsa war nicht sicher, ob er überhaupt noch etwas kommen würde. Doch dann: “So, wie ich eine vergebene Frau nicht ansehen darf. Vor allem nicht die Freundin eines Mannes, den ich gerne wieder als meinen Freund bezeichnen würde.”

“Das … ist richtig.” Elsas Herz schlug heftig von innen gegen ihren Brustkorb, es fühlte sich schon fast nicht mehr angenehm an.

“Aber warum … kann ich es dann nicht lassen?”, fragte er und brachte Elsas Puls noch mehr durcheinander.

“Das weiß ich nicht …” Langsam ließ sie sich auf das Sofa zurücksinken, sah ihn an, konnte ihren Blick nicht abwenden.

“Ich würde es gerne lassen …” Marios Hand umfasste ihr Handgelenk.

“Wirklich?” Sie beugte sich etwas näher.

“Ja. Nein.”

“Beides?”

“Beides. Ich will es lassen, denn es ist falsch so zu empfinden. Aber auf der anderen Seite”, er kam ihr ebenfalls näher, sodass es nur noch ein paar Zentimeter zwischen ihnen waren, “können Gefühle wirklich falsch sein?”

Langsam hob Elsa ihre Hand, legte sie an Marios Brust, spürte sein Herz hart an ihre Handfläche schlagen. Sein Herzschlag ging auch so schnell, viel zu schnell.

“Ich weiß es nicht”, erwiderte sie, hob ihren Blick von ihrer Hand zu seinen Augen und wurde still, als sie erkannte, wie nahe sie sich waren.

“Ich will nichts falsches empfinden. Und doch bist da du und alles was ich will, ist an deiner Seite zu sein.” Seine zweite Hand wanderte zu ihrem Gesicht, strich über ihre Wange.

Elsas Blick huschte zwischen seinen Augen hin und her, ihre Hand umgriff sein Handgelenk. Als er bemerkte, dass sie seine Hand nicht wegzog sondern ihn nur festhielt, zog er sanft an ihr, sie zu sich und dann berührten sich ihre Lippen. Ihre Augen schlossen sich flatternd und sie seufzte, als sie sich nach so langer Zeit ein weiteres Mal küssten. Schmetterlinge breiteten sich in ihrem Bauch aus und sie wollte, dass das hier nie wieder endete. Es war wundervoll, ihn zu küssen.
 

Auf einmal zog Mario sich zurück, rutschte nach hinten und brachte Abstand zwischen sie beide. “Es - es tut mir leid. Entschuldige Elsa, das hätte nicht passieren dürfen.”

Er schob die Decke zur Seite, die noch auf seinen Beinen gelegen hatte und stellte seine Füße auf den Boden, sprang auf. Doch weit kam er nicht, da hatte Elsa sein Handgelenk ergriffen und hielt ihn fest.

“Geh nicht!”

Er sah sie an und schüttelte seinen Kopf. “Ich kann nicht hierbleiben, Elsa. Wie stellst du dir das vor? Wie kann ich morgen früh mit dem Mann am Tisch sitzen, dessen Freundin ich mitten in der Nacht geküsst habe? Wie soll ich ihm in die Augen sehen können?”

“Wir sind nicht wirklich zusammen!”, platzte es aus ihr heraus.

“Du … was?” Mario blieb stehen und sah Elsa ungläubig an. Was sagte sie da?

“Wir … wir behaupten nur, dass wir ein Paar sind, aber wir sind es nicht.” Verzweifelt hielt Elsa Marios Handgelenk fest. Er durfte nicht gehen, er durfte einfach nicht!

“Warum behauptet ihr, dass ihr ein Paar seid? Das macht doch überhaupt keinen Sinn und …”

“Er ist schwul!” Kaum dass sie das ausgesprochen hatte, schlug Elsa beide Hände vor ihren Mund. Oh Gott, was hatte sie da behauptet? Sie konnte das doch nicht so stehen lassen und …

“Er ist schwul?” Langsam ließ sich Mario sinken, sah die nun neben ihm Sitzenden mit großen Augen an. “Der Grund ist also, ihn vor Frauen zu schützen?”

Elsa schüttelte im ersten Moment ihren Kopf, ehe sie nickte. Verdammt. Sie konnte das doch so nicht stehen lassen! Sie musste es berichtigen! Wie war sie auf die Idee gekommen? Viktor war alles, aber ziemlich sicher nicht schwul.

“Du … bist also eigentlich frei?”

Marios Stimme drang zu ihr durch. Sie nickte vorsichtig. “Ich habe keine echte Beziehung, das ist richtig. Aber ich bin nicht wirklich frei, offiziell bin ich Viktors Freundin.”

Sie konnte ihrem Nebensitzer ansehen, wie dieser nachdachte. Dann sah er sie an.

“Okay, offiziell bist du mit Viktor zusammen, aber deine Gefühle für ihn …”

“Wir sind Freunde. Er ist mein bester Freund. Wir verstehen uns sehr gut und haben die Entscheidung hierfür vor über sechs Monaten getroffen. Bisher sind wir sehr gut damit gefahren, er hatte Ruhe vor Frauen und ich vor Männern.”

“Du willst also eigentlich gar niemanden haben?”

Sofort schüttelte sie ihren Kopf. “Nein, das ist es nicht. Nur zu der Zeit, als Viktor und ich auf diese Idee kamen, hatte ich erst kurz zuvor eine Beziehung beendet. Und kaum dass das publik wurde, standen die Kerle bei mir Schlange und haben um ein Date gebeten.” Er prustete leise und schon legte Elsa ihren Kopf schräg. “Findest du das lustig?”

“Ein wenig.” Er streckte eine Hand aus, strich ihr sanft die Haare auf einer Seite ihres Kopfes hinters Ohr. “Aber so wie du aussiehst, wundert mich das nicht. Du bist unglaublich.”

Sie wurde rot und musste lächeln. “Du Spinner. Aber im ernst”, und das wurde sie nun auch wieder, “ich wollte einfach mal meine Ruhe haben. Ich wollte mich auf mich selbst konzentrieren und da kam dann diese Idee. Ich konnte behaupten, einen Freund zu haben und so hatte ich Ruhe. Viktor behauptete, er hätte eine Freundin und fertig.”

“Aber behaupten reicht nicht immer aus …”

“Richtig und genau deshalb haben wir nach außen so getan, als wären wir ein Paar.”

“Wer weiß es? Dass ihr nicht wirklich zusammen seid.”

“Niemand.”

“Wirklich? Was ist mit Gregor und …”

“Gregor und Conny wissen es nicht. Und dass sie glauben dass wir wirklich ein Paar sind zeigt, dass wir es gut rüberbringen.”

“Ihr habt euch geküsst.”

“Nein, nicht wirklich. Also … nur einmal, aber das auch nur zum schauen, dass da nicht doch irgendetwas zwischen uns ist.”

“Und?”

Elsa lachte leise. “Keine Sorge, da ist nichts. Und daher konnten wir unsere Fakebeziehung auch so gut aufbauen.”

“Ich habe aber inzwischen ein paar Mal gesehen, dass ihr euch geküsst habt. Gestern beim Spiel, als ich damals ins Restaurant gekommen bin und …” Er verstummte, als Elsa ihm ihre Hand auf den Mund legte, um ihn so zum Schweigen zu bringen. Sie rutschte ein wenig näher.

“Warte, ich zeig dir, wie wir das machen”, flüsterte sie und beugte ihren Kopf zu ihm. Sie hielt einen Moment inne, als sie ihm wieder so unglaublich nahe war. “In etwa so.” Sie hob ihren Kopf und hauchte ihm einen Kuss neben den Mundwinkel. “Nur so, mehr nicht.”

“Mach das noch einmal.”

Als sie Marios heisere Stimme vernahm, zog sich eine Gänsehaut über Elsas Körper.

“So?”, fragte sie leise und legte ihre Lippen wieder dicht neben seinen Mund.

Das nutzte er, drehte seinen Kopf und schon streiften seine Lippen ihre. Zuerst nur sanft, er bewegte sich nicht weiter, überließ Elsa die Entscheidung, was passieren sollte. Und so war es sie, die den Kuss vertiefte. Marios Hände wanderten auf ihren Rücken zogen sie an sich und nach einiger Zeit ließ er sich vorsichtig nach hinten fallen, zog Elsa mit sich und intensivierte die Küsse noch weiter.


Nachwort zu diesem Kapitel:
und da ist er - der Kuss ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Kyomi
2022-05-25T08:42:20+00:00 25.05.2022 10:42
Hallo Tasha 😊

Das Drama nimmt seinen Lauf 😅😅😅

Viktor ist nicht auf den Kopf gefallen.

Er merkt natürlich, dass da etwas zwischen Mario und Elsa ist.

Diese Vertrautheit, die Nähe und das flirten.

Was ich gut von ihm finde ist, dass er Elsa auffordert mit ihm zu reden, wenn etwas sein sollte oder sich ihre Gefühle für Mario ändern und das macht Viktor hier, sogar mehrmals 😊

Das macht einen besten Freund doch aus 😊

Auch Viktors Revierverteidigung gegenüber Mario mag ich sehr, auch wenn es nur gespielt ist 😅😅😅

Viktor macht ihm deutlich klar, dass Elsa seine Freundin ist 😅

Und Mario ist auf dem besten Wege, sich wieder in Elsa zu verlieben, obwohl er es nicht will und dieser Beziehung nicht im Weg stehen will.

Hach, ich liebe solche verzwickten Situationen einfach 🥰🥰🥰

Mario übernachtet bei Viktor und auch Elsa übernachtet bei ihm.

Es wird spannend 😊

Als Elsa sich in der Nacht was zu trinken holt und Mario dabei weckt, kann er wieder seinen Blick nicht von ihr lassen.

Auch die Szene, wo beide auf dem Sofa sitzen, gefällt mir sehr.

Man merkt förmlich, wie die Luft zwischen ihnen knistert 😍😍😍

Mario hat sich ja kaum noch unter Kontrolle und auch Elsa fällt es schwer, sich zurückzuhalten.

Dann der Kuss, so schön ❤️❤️❤️

Und dann wird Mario bewusst, was er getan hat.

Eine Frau zu küssen, die bereits fest vergeben ist.

Schließlich Elsas Geständnis, dass sie nicht wirklich mit Viktor zusammen ist, sondern beide nur so tun als ob und niemand davon weiß, selbst Conny und Gregor nicht.

Doch mit Elsas Aussage, dass Viktor schwul sei, ich glaube, da hat sich Elsa keinen Gefallen mit getan.

Möge das Chaos beginnen 😅😅😅

Liebe Grüße

Kyomi 😊
Antwort von:  Tasha88
25.05.2022 14:25
Hallo Kyomi :)

du sagst es, das Chaos beginnt :)
Mario und Elsa entwickeln wieder Gefühle füreinander. Gefühle, die auf den ersten Blick tabu sind - zumindest in Marios Augen.
und trotzdem, dagegen können sie ncihts tun.

mit Elsas Aussage hat sie keinem einen GEfallen getan, versprochen ;)

Liebe Grüße ;)
Von:  Devilvegeta
2022-05-16T18:22:23+00:00 16.05.2022 20:22
Oh wie schön :)))
Diese Knisterei vor dem Kuss ist sehr gut geschrieben 😍😍😍😍
Auch die Kommunikation zwischen Viktor und Elsa ist toll :)
So als wäre Viktor ein bester (schwuler 🤭🤭) Freund ;)

Antwort von:  Tasha88
16.05.2022 20:37
danke dir *-*
VIktor ist auf jeden Fall ihr bester (unschwuler) Freund :D
ich mag die beiden zusammen auch sehr ^^
Von:  Mayachan_
2022-05-16T18:05:06+00:00 16.05.2022 20:05
Also ich muss sagen Viktor ist echt toll. Der merkt ganz klar das da was ist. Und jetzt tut er mir leid😞
Der Kuss war echt toll🥰 ach da wünscht man sich an Elsas Stelle 🤭
Und Viktor und schwul? Also wenn ich alles glauben würde aber das nicht 😂 aber lustig ist es 😅
LG Nessa
Antwort von:  Tasha88
16.05.2022 20:37
Hey Nessa :)

Natürlich ist Viktor toll ;) ... das Problem ist, er weiß das .... und sagt es auch allen XD
warum genau tut er dir denn leid? :)
ich freue mich sehr, dass dir die Kuss Stelle gefällt ^^ da habe ich auch noch eine Weile rumgedoktort...

und ne, schwul ist der wirklich nicht ;)
LG :)
Antwort von:  Mayachan_
16.05.2022 20:49
Ich weiss nicht habe das Bedürfnis Viktor zu knuddeln und Mario zu küssen 🤭😂
Antwort von:  Tasha88
16.05.2022 20:50
:D ich sehe schon, in wessen Haut du gerne stecken würdest ;p
Von:  Centranthusalba
2022-05-16T14:03:01+00:00 16.05.2022 16:03
And now we have the Salat 🙈🙈🙈
Och menno, da bietet Viktor ihr ganz offen und ehrlich an es zu beenden, wenn die an Mario interessiert ist und Madame….😩

Aber schöner Kuss… also der erste … und der zweite auch😉

Und das Gerücht ist in der Welt. Chaos hoch 10. man füge noch eine Prise Gregor hinzu und fertig ist der Schlamassel 🙈

Ich war erst erstaunt, dass die Szene jetzt schon kommt, aber gut. Wann hätte sie sonst kommen sollen?😉
Antwort von:  Tasha88
16.05.2022 17:08
oh ja, den haben wir :D
ich sage es ja, das mit der offenen und ehrlichen Kommunikation - da scheitert es bei mir immer - zumindest in meinen Geschichten, in RL zum Glück nicht XD

:D das Gerücht XD tja, wenn VIktor etwas nicht ist, dann schwul ;)
ich frage mich gerade auch, wie ich es noch geschafft habe, noch 15 weitere Kapitel zu füllen ...
den Epilog feiere ich übrigens total - freue mich darauf, wenn ich den endlich hochladen kann ;)
Antwort von:  Centranthusalba
16.05.2022 19:08
Hab ich schon erwähnt, dass ich die Kabbelei zwischen Viktor und Elsa sehr mag? 😅 Bumm, Kissen ins Gesicht. Kein Stress? 😂😂😂
Antwort von:  Tasha88
16.05.2022 19:36
Kann ich verstehen. Mag ich auch total 😂😂😂


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