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Vogelfrei

von

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Die Kameradschaft

Enji war froh, als er endlich allein auf seinem Zimmer war. Er hatte weder Lust, sich Toshinoris Erklärungen anzuhören, noch sich von Aizawa sagen zu lassen, wie er mit der Situation umzugehen hatte. Aizawa, mit dem offensichtlich irgendetwas nicht stimmte, wenn er so die letzten Stunden Revue passieren ließ. Etwas, das Toshinori entweder absichtlich ignorierte oder…nein, er musste es zweifellos bemerkt haben. Wobei er dessen Zuneigung für den Einsiedler ohnehin nicht nachvollziehen konnte, aber gut, er hatte genügend andere Probleme. Mit denen musste er sich zuerst befassen, auch wenn sein Körper nach Schlaf verlangte.

Seine Wunden waren zwar versorgt worden, dennoch spürte er das schmerzhafte Pochen in seinen Schultern. Dabei war er noch glimpflich davongekommen, wenn er an diese Monster und ihre scharfen Krallen zurückdachte. Ohne Hawks‘ Eingreifen wäre das sicher recht übel ausgegangen, das musste er leider zugeben. Vor allem da diese Dämonen mindestens zu dritt waren.

Trotzdem war es reines Glück, dass Shirakumo ein recht leichtherziger Fürst zu sein schien – andernfalls würden sie nun im Kerker verrotten oder auf der Flucht sein. Keine guten Aussichten.

Enji atmete durch, wankte zum Tisch am Fenster und goss sich einen großzügigen Becher Wein ein. Er setzte diesen an die Lippen, während sein Blick in die Ferne schweifte, wo noch alles dunkel war. Dass diese Bestien immer noch dort draußen waren und dieses arme Mädchen vermutlich gerade aussaugten, ließ ihm schlecht werden.

Er nahm noch einen Schluck, atmete durch und schloss für einen Moment die Augen, während er an die Worte dachte, die der Dämon von sich gegeben hatte. Gefährten hatte er die Harpyie und ihn genannt. Verbunden durch das Blut. Viele Möglichkeiten blieben da nicht und es machte Enji wütend. Ja, vielleicht hatten sie keine Wahl gehabt, vielleicht war es um sein Leben gegangen – dennoch hatten sie für ihn entschieden. Obwohl sie sich sicher hatten denken können, dass Enji eher den Tod gewählt hätte anstelle der Hilfe eines Dämons. Verdammt, sie hatten ihm das Blut der Harpyie eingeflößt! Wie konnte er da nicht außer sich sein? Sich verraten fühlen? Das war doch einfach…
 

„Störe ich?“

Enjis Kopf ruckte hoch, kaum dass er die bekannte Stimme vernahm, und er riss die Augen auf, sah direkt in die bernsteinfarbenen der Harpyie. Diese hockte auf dem Fenstersims und hielt sich mit den Klauen dort fest, dabei schief grinsend.

„Was zur Hölle?!“, entkam es Enji, der beinahe den Wein fallen gelassen hatte. „Bist du des Wahnsinns?! Wenn dich jemand sieht, du…rein da!“

Er packte den Jüngling an der Schulter und zog ihn ins Zimmer, schloss das Fenster hinter diesem. Keine gute Idee, denn sofort machten sich seine Verletzungen wieder bemerkbar. Er knirschte, fasste sich an die rechte Schulter, während er in der anderen Hand noch den Becher hielt.

„Beweg dich nicht so viel. Der olle Blutsauger hat zwar nichts Wichtiges verletzt, aber wenn sich die Wunden entzünden, ist das bestimmt nicht gut“, riet ihm der Blonde, welcher sich dreist auf sein Bett setzte.

„Dass ich mich überhaupt so bewegen muss, ist deine Schuld! Was willst du hier?!“, blaffte er den anderen an, woraufhin dieser eine Schnute zog.

„Jetzt sei mal nicht gleich so böse. Ich hab mir Sorgen gemacht. Du warst ziemlich aufgebracht wegen der Sache mit dem Blut und ich…ich dachte…vielleicht willst du darüber reden. Also, um zu verstehen, was es bedeutet…und so.“

Enji knirschte mit den Zähnen, funkelte ihn an.

„Du denkst wirklich, dass ich mit dir reden will? Nachdem du uns nicht nur belogen, sondern mir auch noch dein Teufelsblut eingeflößt hast?! Gegen meinen Willen?!“

„Um fair zu sein, es war nicht so, dass wir dich um Erlaubnis hätten fragen können“, erwiderte die Harpyie und zuckte mit den Schultern. „Du wärst gestorben. Dieser hässliche Wurm hat dich vergiftet. Mein Blut hat dich gestärkt und das Gift neutralisiert. Hätten Toshi und Aizawa es dir gesagt, wärst du bloß wütend geworden. Es hätte nichts geändert, also hielten sie es für das Beste, es für sich zu behalten. Das hat nichts mit Verrat zu tun, sondern damit, dass du ihnen wichtig bist.“

Enji schnaubte leise. Möglicherweise galt das für Toshinori, doch Aizawa? Daran glaubte er nicht wirklich, wobei es auch keine Rolle spielte.

„Und du? Was hast du davon gehabt, huh? Und jetzt komm mir nicht wieder mit der Nummer, du willst Freunde finden. Wir haben dich gejagt und zu töten versucht! Welche Gründe hattest du, mir dein Blut einzuflößen?!“
 

Bei der direkten Frage schwieg der Dämon zunächst, schien zu zögern. Er schaute ihn sogar für ein paar Sekunden nicht an und es erinnerte Enji daran, dass er schon mal ähnlich auf die Frage reagiert hatte. Was steckte dahinter, dass die sonst so vorlaute Harpyie so kleinlaut war?

„Genau das…ich wollte nicht mehr allein sein und ich…“

Der Jüngling räusperte sich, grub die Klauen in die Matratze, auf der er saß, während Enji auffiel, dass er immer noch stand. Er zog den Sessel näher ans Bett, setzte sich auf diesen und sah den Dämon auffordernd an.

„Und was?“

„Dein Geruch.“

Enji blinzelte.

„Was?“

„Na…dein Geruch. Ich hab dir doch erklärt, wie wir Dämonen ticken. Dass wir unsere Gefährten nach Geruch und Stärke auswählen. Also bin ich euch gefolgt und habe euren Kampf mit dem Wurm beobachtet. Toshi und Aizawa waren nett zu mir, als ich ihnen meine Hilfe angeboten habe, daher habe ich dein Leben gerettet.“

Bei den Worten grinste der Dämon zwar, doch Enji bekam das Gefühl nicht los, dass da noch mehr war. Er verengte die Augen, sah ihm dabei zu, wie er mit seinen Vogelbeinen herumwippte.

„Du sagst mir nicht alles“, stellte er fest.

Der Dämon hielt inne, seine roten Flügel bauschten sich ein wenig mehr auf.

„Tu ich nicht?“, erwiderte er gedehnt.

„Der andere Dämon hat etwas von einer Verbindung gesagt. Die nur wir haben. Weil ich dein Blut...ich will wissen, was es damit auf sich hat.“

Daraufhin schien der blonde Jüngling nicht zu wissen, was er sagen sollte. Was bedeutete, dass Enji Recht hatte. Es steckte noch mehr dahinter.

„Hab ich doch gesagt. Es bedeutet, dass wir Gefährten sind“, wich er aus.

„Toshinori und Aizawa sind ebenfalls deine Gefährten, oder nicht? Auch ohne Blut.“

Der Dämon presste die Lippen kurz aufeinander, atmete hörbar durch.

„Du bist nicht wie sie. Du bist…anders.“

„Ja, aber inwiefern?“, knurrte Enji, dem dieses Rumgedruckse auf die Nerven ging.

Das war sonst nicht die Art des Dämons, der sonst immer aussprach, was ihm in den Sinn kam.
 

„…weiß nicht, vielleicht liegt es an deinen roten Haaren.“

„Willst du mich zum Narren halten?!“, entfuhr es Enji zornig, woraufhin der andere murrte.

„Was willst du denn von mir hören?! Ich hab dir gesagt, wie das mit uns Dämonen läuft. Wie wir…einander finden. Ich verstehe es ja auch nicht ganz, aber du warst von Anfang an anders. Dein Geruch…deine Haare, die fast dieselbe Farbe wie mein Gefieder haben. Es hat sich einfach richtig angefühlt, mein Blut mit dir zu teilen.“

Enji fragte sich langsam, über was genau sie hier eigentlich redeten. Die Richtung, in die sich das Gespräch entwickelte, begann ihm zu missfallen – oder verstand er hier etwas falsch? Wie die Harpyie ihn ansah, konnte sie doch unmöglich meinen, dass…

„Umso verletzender ist es, dass du mich anscheinend nur als eine Art sprechendes Vieh betrachtest. Du nennst mich nicht mal bei meinem Namen. Es heißt immer nur Dämon, so als würdest du dich weigern, mir irgendeine Form von Menschlichkeit anzuerkennen.“

Das war nicht von der Hand zu weisen. Etwas in Enji sträubte sich immer noch dagegen, dem anderen zu vertrauen. Vielleicht war das die geringste Form des Widerstandes, die er sich noch erlauben konnte, nach allem, was passiert war.

„Und trotzdem hast du dich vorhin auf meine Seite gestellt und mich verteidigt. Mich einen der euren genannt, obwohl euch das in echte Schwierigkeiten hätte bringen können. Dein Verhalten widerspricht sich.“

Enji wusste nicht, was er dazu sagen sollte; irgendwie nahm das Gespräch eine Wendung an, der er nichts zu entgegnen hatte. Dabei hatte er doch eigentlich den Vogel zur Rede stellen wollen. Er nahm noch einen Schluck Wein, während ihn der andere aus seinen bernsteinfarbenen Augen fixierte. Viel zu eindringlich. Gerade hatte er doch noch herumgestammelt.

„Du lenkst vom Thema ab“, brummte er schließlich und erwiderte den stechenden Blick.

„Nein. Das gehört zum Thema“, widersprach der Dämon ihm und verschränkte die Arme. „Du weichst aus.“

Enji schnaubte.

„Und du etwa nicht?“

„Vielleicht hören wir dann einfach beide mit dem Ausweichen auf?“, schlug der Dämon provokant vor, woraufhin Enji die Augen verengte.

„Schön“, knurrte er. „Ja, verdammt, es…fällt mir schwer, dich als ebenbürtig zu behandeln. Ich habe Dämonen bisher immer gejagt. Für mich seid ihr eine Bedrohung…und dann kommst du und rettest mir das Leben – sogar mehr als einmal. Stellst dich gegen deine Art, kämpfst mit uns. Das ist für mich eben nicht so einfach zu akzeptieren. Genauso ehrlos wäre es aber, dich ans Messer zu liefern, um unsere Haut zu retten. Auch…wenn es mir schwer fällt, du…hast dich als Teil der Gruppe bewiesen – selbst wenn du uns belogen hast, was deine Wunden angeht.“

Was ihm immer noch sauer aufstieß, doch dessen Taten wogen dies zweifellos auf. Er atmete tief durch, denn die Worte hatten ihn einiges an Überwindung gekostet und auch sein Gegenüber schien darüber verdutzt zu sein. Sonst schwieg dieser nie so lange. Sagte ja genügend aus, dass er das über ihn behaupten konnte.
 

„Jetzt bist du dran. Erkläre dich.“

Vielleicht hatte der Dämon gehofft, dass er einen Rückzieher machen würde. Anders konnte er sich dessen Zögern nicht erklären. Schließlich ließ er jedoch die Schultern etwas sinken, wandte den Blick zum Fenster.

„Es ist schwer zu erklären“, erwiderte er leise. „Wie ich sagte, du bist anders als die anderen. Wegen deinem Geruch, vielleicht wegen den Haaren oder deiner Stärke, wie auch immer. Ich habe dich gesehen und wollte in deiner Nähe sein. Das ist ein Gefühl, das ich nicht steuern kann. Deswegen war es für mich angenehm, mein Blut mit dir zu teilen. Damit sind wir eine Bindung eingegangen, die uns Dämonen sehr wichtig ist. Man kann es als eine Art Schwur sehen, das Verspechen, zusammenzubleiben, und ja, ich weiß, dass man so etwas nicht ohne Zustimmung tun sollte, aber es wäre sonst dein Tod gewesen. Weder bereue ich es, noch erwarte ich, dass du mir den Hof machst oder sowas in der Art. Ich weiß, dass du ein Weibchen hast, auch wenn ihr euch nicht mehr nahe steht, und das respektiere ich. Und selbst wenn es nicht so wäre – ich bin immer noch ein Dämon, nicht wahr?“

Ein schiefes Grinsen legte sich auf die Lippen des blonden Jünglings, während Enji zu verarbeiten versuchte, was dieser gerade gesagt hatte. Sie waren also nach dämonischen Gesetzen sowas wie verheiratet? Ihm wurde flau im Magen, doch da sprach der andere schon weiter.

„Was ich damit sagen will, ist, dass du dich nicht sorgen musst. Es muss keine Bedeutung für dich haben oder irgendwas ändern. Ich will bloß weiter in eurer Nähe sein. Mit euch reisen. Teil der Gruppe sein.“

Enji wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Es musste keine Bedeutung haben? Aber die hatte es – zumindest was den Dämon betraf. Dieser wirkte, als befürchtete er, dass Enji gleich zu seinem Schwert greifen würde. Natürlich war er nicht begeistert, aber Tatsache war, dass der andere ihm das Leben gerettet hatte. Trotz der unerwünschten Bindung hatte dieser, sollte es sich diesmal um die volle Wahrheit handeln, aus Gründen gehandelt, die man ihm nicht vorwerfen konnte. Wenn es stimmte, was dieser erzählt hatte, war er einfach nur einsam.

Enji atmete einmal tief durch, ehe er sich erhob, woraufhin der Dämon leicht zusammenzuckte. Er war sich des Blickes wohl bewusst, als er zum Tisch ging und seinen Becher erneut mit Wein füllte, dann einen zweiten nahm. Misstrauisch wurde er angesehen, als er dem Dämon einen Becher reichte, welchen dieser in seine scharfen Klauen nahm.

„Du schwörst, dass dein Blut keine komischen Nebenwirkungen hat?“, hakte er noch mal nach und setzte sich ihm wieder gegenüber. „Abgesehen von dieser Sache mit der Bindung, die ich ignorieren kann?“

Der Dämon erwiderte seinen Blick fest, als er nickte.

„Jetzt zumindest nicht mehr. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass du dich danach für ein, zwei Tage stärker als sonst gefühlt hast? Diese Wirkung vergeht wieder. Unser Blut schädigt den menschlichen Körper erst nachhaltig, wenn man regelmäßig davon trinkt. Dann kann es im schlimmsten Falle eure Organe zersetzen und euch in den Wahnsinn treiben.“

„…“

Enji starrte ihn an, doch scheinbar war das kein Scherz gewesen. Der Dämon lachte nämlich nicht, sondern blieb weiterhin ungewohnt ernst. Na gut, bisher fühlte er sich wieder normal, also stimmte es wohl, dass die Wirkung verging.
 

„Gut“, zwang er sich zu sagen und hob seinen Becher. „Dann…arbeiten wir von jetzt an zusammen. Das ist es doch, was du willst? Eine Kameradschaft?“

Nun war es an seinem Gegenüber, zu starren, denn scheinbar traute er seinen Ohren nicht. Enji fand es ja selbst unwirklich, aber weiter stur an seiner Abneigung gegen Dämonen festzuhalten, würde keinen von ihnen weiterbringen.

„Was?“, entkam es dem Jüngling ungläubig. „Ich meine, ja. Klar. Aber…du meinst, ich kann bei euch bleiben?“

„Erstmal hilfst du uns dabei, diese blutsaugenden Mistviecher loszuwerden. Du bist nützlich. Es ist nicht verkehrt, dich auf unserer Seite zu wissen. Danach reden wir noch mal darüber – auch mit Toshinori. Wir müssen immerhin entscheiden, wie wir mit dem uns vom König erteilten Auftrag umgehen.“

Die bernsteinfarbenen Augen begannen zu leuchten, ein Grinsen legte sich auf seine Lippen und entblößte die spitzen Zähne. Dann hob der Dämon seinen Becher, wobei er glücklich wirkte, als sei die endgültige Entscheidung bereits gefallen.

„Einverstanden!“, erwiderte er und neigte den Kopf. „Also dann, auf gute Partnerschaft? Oh, und wenn du mich von jetzt an bei meinem Namen nennst, kann ich endlich aufhören, dich Rotschopf zu nennen. Enji ist doch ein schöner Name, haha…“

Enjis Braue zuckte gereizt nach oben, während er den Vogel missmutig anblickte.

„Ich hab dir nicht mal erlaubt, mich zu duzen, du…“

„Du duzt mich auch. Hast du von Anfang an. Und du hast mich zusätzlich beleidigt!“, fuhr ihm der andere dazwischen, was Enji hörbar ausatmen ließ.

„Genug!“, knurrte er. „Mach’s nicht kaputt.“

Der Dämon zog eine Schnute, beließ es aber dabei, den Becher immer noch erhoben und ihn nun abwartend anblickend. Nun, er musste sich wohl zusammennehmen und sich überwinden. Daher hob er erneut seinen Becher und schaute dem Dämon fest in die Augen.

„Auf…gute Zusammenarbeit. Hawks.“

Es war seltsam, ihn beim Namen zu nennen, denn tatsächlich war dies eine Hürde für ihn gewesen. Damit erkannte er ihn an. Etwas, das er nie hatte tun wollen. Es fühlte sich immer noch befremdlich an, regelrecht falsch, doch vermutlich musste er sich nur daran gewöhnen.

Hawks blinzelte, als könnte er nicht glauben, dass er auf seinen Wunsch eingegangen war. Nun, Enji konnte es selbst kaum glauben. Dann lächelte er ihn an. Ein freudiges, ehrlich wirkendes Lächeln, das nicht so frech wie sonst wirkte. Bedeutete es ihm so viel? Scheinbar.

„Komm bloß nicht auf falsche Gedanken“, konnte er sich einen Spruch nicht verkneifen, woraufhin der andere schmunzelte.

„Keine Sorge“, zwitscherte er und setzte den Becher kurz an die Lippen, woraufhin Enji es ihm gleichtat. „Ich weiß die Geste zu schätzen…Enji.“

Da war es wieder, dieses dreiste Grinsen, das ihm so auf die Nerven ging. Und nun nannte er ihn bei seinem Namen. Na ja, besser als Rotschopf war das allemal, auch wenn er ihm keinen Respekt erwies. Was sollte es. Aizawa sprach ihn mit höflichen Umgangsformen an und benahm sich dennoch wie ein Aas. Das tat dem wohl keinen Abbruch. Apropos…
 

„Übrigens, wenn es da etwas gibt, das ich über Aizawa wissen sollte, wäre es besser, mir jetzt davon zu erzählen.“

Anscheinend hatte er damit ins Schwarze getroffen, denn der Dämon verschluckte sich prompt an seinem Wein. Er hustete leicht, wischte sich über den Mund und blickte ihn irritiert an.

„Wie kommst du plötzlich darauf? Gerade noch ging es nur um uns beide. Ich bin empört, dass du ohne Vorwarnung einen anderen Mann ins Spiel bringst!“

Enji knirschte mit den Zähnen, doch er erkannte den albernen Versuch, vom Thema abzulenken.

„Quatsch nicht dumm rum. Ich weiß, was ich gesehen habe. Etwas stimmt nicht mit ihm. Dieses rote Glühen in seinen Augen und dass unsere Feinde auf einmal wie erstarrt sind – das ist nicht das erste Mal, dass sowas passiert. Ich wette darauf, dass es Toshinori auch schon aufgefallen ist. Er ist bloß geblendet von seiner Sympathie für den Kerl, sodass er es bestimmt lieber totschweigt. Warum auch immer er ihn überhaupt mag oder ihm vertraut.“

Hawks‘ halbherziges Lächeln verebbte allmählich, sodass für Enji kein Zweifel mehr bestand, dass er auf dem richtigen Weg war.

„Toshi vertraut Aizawa, weil er euch, übrigens genau wie ich, schon einige Male den Hintern gerettet hat. Ich meine, ja, er ist schon ein Kauz und hey – das sage ich als Dämon. Aber er ist echt in Ordnung und wenn du Zweifel an ihm hast oder Fragen beantwortet haben möchtest, dann sprich ihn drauf an. Auch wenn ich nicht glaube, dass es eine Rolle spielt, wer oder was er ist, nicht wahr?“

Nachdem er soeben seine Zusammenarbeit mit einem Dämon besiegelt hatte, konnte er das wohl kaum verneinen. Dennoch wurmte es ihn, dass Hawks ihm durch die Blume sagte, dass er zwar Recht hatte, aber von ihm nichts Konkretes erfahren würde.

„Was unsere Zusammenarbeit angeht, wäre es gut zu wissen, inwiefern er dabei hilfreich sein kann, nicht wahr?“, konterte er daher, woraufhin Hawks seufzte.

„Mag sein. Trotzdem musst du ihn das selbst fragen. Ich denke, wir müssen uns in ein paar Stunden sowieso zusammensetzen und besprechen, wie wir weiter vorgehen. Habe ich Recht?“

Das entsprach den Tatsachen, wie Enji innerlich zugeben musste. Sicher würde Shirakumo mehr wissen wollen, vor allem in Bezug auf Hawks – man beherbergte ja nicht alle Tage einen Dämon in seinem Haus.

„Auch wenn du das mit Aizawa lieber unter vier Augen besprichst“, fügte Hawks nachdenklich an und rieb sich das Kinn. „Aber jetzt solltest du erstmal ‘ne Mütze Schlaf nehmen, bevor du mir hier noch umkippst – immerhin bist du verwundet und ihr Menschen werdet schwach, wenn ihr nicht ruht, also husch husch ins Bettchen!“

Enji funkelte ihn warnend an, als er ihn so herumkommandierte. Das war doch wirklich…gab man diesem Dämon den kleinen Finger, nahm dieser die ganze Hand. Unglaublich. Aber es stimmte leider, er war erschöpft und da sie bald wieder auf Dämonenjagd gehen mussten, war es besser, sich ordentlich auszuruhen.
 

„Überspann den Bogen nicht“, knurrte er ungehalten und stellte den Becher auf den Tisch. „Raus aus meinem Zimmer.“

Hawks zog eine Schnute, sah ihn missmutig an.

„Waaas? Aber wir haben sonst auch Seite an Seite genächtigt! Und das Bett ist groß genug, also sei nicht so! Was, wenn die Blutsauger hierher kommen und dich töten wollen? Ich muss doch über dich wachen, wenn du angeschlagen bist!“

„Netter Versuch. Die Viecher zeigen sich scheinbar nur nachts“, erwiderte Enji abweisend, woraufhin Hawks die Flügel hängen ließ.

„Und wenn ich den Menschen nicht traue? Die können dich genauso überfallen! Was, wenn es eine Finte war und Shirakumo uns nur an einem Ort haben wollte? Wir kennen den Typ kaum! Und wenn-“

„Hawks!“, blaffte Enji die Harpyie an, die daraufhin zusammenzuckte und in ihrem Redefluss innehielt.

Wollte der Vogel ihn tatsächlich schützen oder bekam er das mit der Kameradschaft in den falschen Hals? Andererseits stimmte es, dass sie sonst auch in der Nähe des jeweils anderen schliefen, um Wache zu halten. Das war hier nicht viel anders, wenn er ehrlich war. Sie waren in einer fremden Umgebung, bei einem Fürsten, den bloß Aizawa näher kannte und seit Jahren nicht gesehen hatte.

„Na schön“, lenkte er daher ein und Hawks grinste ihn freudig an. „Bleib auf deiner Seite – und wehe, du hältst den Mund nicht!“

„Keine Sorge, ich bin mucksmäuschenstill! Du wirst gar nicht bemerken, dass ich da bin! Versprochen, ich werde…eh…schon gut.“

Bei seinem finsteren Blick verstummte der Vogel dann doch lieber. Immerhin musste er nicht deutlicher werden.

Wenig später lag er also mit dem Dämon neben sich in dem großen Bett, wobei sich dieser wenigstens daran hielt, sowohl still zu sein als auch nicht näher zu kommen. Enji hatte diesem den Rücken gekehrt, vernahm den leisen Atem des anderen, während er an die kahle Wand vor sich sah. Ab und zu hörte er das Rascheln der Federn, wenn sich der andere bewegte. Sollte es ihn beunruhigen, dass es sich fast schon normal anfühlte, neben Hawks zu liegen? Sonst hatte er das Gefühl der Vertrautheit nur bei Toshinori, mit dem er seit Jahren reiste und dem er vertraute.

Anscheinend hatte er sich bereits an den Dämon gewöhnt und ja…er mochte ihn. Sonst hätte er anders entschieden. Ein Dämon in ihrer Truppe. Wie er selbst gesehen hatte, konnte ihnen das einige Vorteile bringen. Allein Hawks‘ feine Sinne waren Gold wert, das musste er diesem zugestehen. Er war nützlich – und er schien bloß Teil ihrer Gruppe sein zu wollen. Das war ein akzeptabler Preis – seltsames Gerede von einem Bündnis des Blutes wegen oder seines Geruchs hin oder her.

Enji schloss langsam die Augen, öffnete sie auch nicht, als ihn die Federn leicht am Oberarm streiften, was wohl ihrer Größe geschuldet war. Enji trug nur seine Hosen, hatte die Decke um sich geschlungen, wobei die Harpyie es ihm gleichgetan hatte.

Das hier war nicht seltsam. Mit Toshinori hatte er auch schon das Bett geteilt, das gehörte dazu, wenn man zusammen reiste und aufeinander aufpasste. Es war ganz natürlich.

Es dauerte jedoch eine ganze Weile, bis er endlich alle Gedanken beiseite drängen und sich dem wohltuenden Schlaf hingeben konnte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Huhu! :)
Da bin ich wieder mit einem neuen Kapitel...und es gibt wieder etwas EndiHawks. <3
Die beiden nähern sich endlich etwas mehr an.
Wird ja auch Zeit...
Dank geht hier wie immer an Lichtregen, die mir bei diesem Kapitel mal wieder echt geholfen hat. <3
Wünsche euch eine schöne Woche! :)

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Lichtregen
2021-08-07T15:31:53+00:00 07.08.2021 17:31
Huhu!
Ich hab’s nicht vergessen, aber einfach nicht auf die Reihe gekriegt… Nicht mal zum Schreiben bin ich gekommen bzw. konnte mich nicht dazu aufraffen. Ich hab momentan auch oft andere Dinge im Kopf… und im Bauch. XD
Das Kapitel hat mir jedenfalls sehr gut gefallen. Ich mag ja eh die Dialoge zwischen Enji und Hawks, aber diesmal sieht man endlich den gewaltigen Sprung, den die beiden gemacht haben. Also vor allem Enji, Hawks muss ja nicht mehr überzeugt werden. ;)
Endlich kommt auch für Enji die Wahrheit ans Licht. Wobei Hawks ja wirklich Recht hat, dass er ohne sein Blut abgenippelt wäre, also soll er sich mal nicht so aufblasen. ;) Dass Hawks dabei natürlich noch seine eigenen Interessen verfolgt, hat Enji natürlich trotzdem sofort durchschaut. Irgendwas muss er ja auch davon haben, Enji nicht sterben zu lassen. Wie praktisch, dass die Blutsbande gleich zu einer Art Vermählung führt. XD Also zumindest für Hawks, weniger für Enji, der weder einsieht, zweigleisig zu fahren (wobei das erste Gleis ja mehr oder weniger stillgelegt ist), noch sich an einen Dämon zu binden. Aber der Reihe nach.
Dass Dämonen, also auch Hawks, ihre Partner nach Stärke und vor allem Geruch auswählen, finde ich sehr nachvollziehbar und sympathisch. Nicht nur, weil ich selbst so ein Schnüffeltier bin (ich weiß, das klingt komisch, ist aber so XD), sondern weil man ja nicht umsonst sagt „man kann jemanden gut riechen“. An Enjis Stelle, der mit so einer Antwort natürlich nicht gerechnet hat, hätte ich aber wohl auch so verdutzt reagiert. Genauso wie mit der roten Haarfarbe. XD Und ja, ich finde, das macht das Pairing insgesamt, also nicht nur in deiner FF, zu etwas Besonderem, dass es auch farblich so gut zusammen passt.
Und endlich, endlich, spricht es mal einer an, dass sie sich nie beim Namen nennen, sondern nur Dämon oder Rotschopf. Enji klingt (weil man von Hawks Endeavor-san gewohnt ist, aber das gibt es hier ja nicht) sofort total persönlich und intim. Dass Enji diese Pille schluckt, hat mich sehr überrascht. Aber es zeigt, die beiden sind auf einem guten Weg. Auch wenn es erst einmal „nur“ eine Kameradschaft ist und Enji gleich ausschließt, dass da jemals mehr sein könnte. Das hat mich für Hawks sehr traurig gemacht, aber er wusste ja, worauf er sich bei ihm einlässt. Und wer weiß, sag niemals nie! XD Und Enji lässt ihn trotz allem sogar gemeinsam mit ihm im Bett schlafen!
Jaah, und Aizawas Geheimnis wird dann auch noch zu lüften sein. Finde ich gut, dass Hawks es nicht verrät. :)
ld Ali


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