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Ai no Scenario

von

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Shinichi lag in seinem Bett und starrte den Diamanten an, welchen er über seinen Kopf hielt. Es war dunkel in seinem Zimmer, nur das Licht des Mondes erhellte den Raum. Für Shinichi’s sensible Augen reichte das vollkommen um den Diamanten in seiner vollen Pracht zu sehen. Er hatte Kaito dabei beobachtet, wie er versucht hatte, etwas im Inneren des Steins zu sehen. Er hatte das schon öfter getan. Und dann hatte er die Edelsteine alle wieder retourniert. So als würde er etwas suchen. Und so, wie er die Steine gegen das Licht des Mondes gehalten hatte schien es fast so, als würde er dieses Ding im Inneren der Steine, die er stahl, suchen.

Und wenn er die Steine zurückgab, die nicht das beinhalteten, was der Meisterdieb suchte?

Shinichi setzte sich langsam auf. Er stieß einen tiefen Seufzer aus und legte den Diamanten zur Seite. Er konnte ihn jetzt sowieso nicht zurückgeben, er würde sich morgen darum kümmern. Jetzt brauchte er erst etwas zu Trinken.

Miyoko hatte recht gehabt, er fühlte sich bereits schwach und ausgelaugt. Er hatte zu lange nichts mehr getrunken und zu viel Zeit mit Kaito verbracht. Sein süßer Geruch hatte seinen Hunger nur noch mehr angefacht.

Lautlos bewegte er sich durch das Haus, in die Küche. Miyoko hatte ihm Blutkonserven mitgebracht. Sie hielten zwar im Kühlschrank nur ein paar Tage, aber solange er dafür sorgte, dass stets neue Vorräte in seinem Haus verfügbar waren, wäre das kein Problem.

Er öffnete den Kühlschrank und holte eine Konserve aus der untersten Lade. Er setzte sich an den Küchentisch und begann davon zu trinken, indem er ein kleines Loch mit seinen Fangzähnen in das Plastik riss. Die Blutkonserven waren nur ein schwacher Ersatz, sie schmeckten bei weitem nicht so gut wie es frisches Blut tat. Aber es war eine Lösung, mit der Shinichi leben konnte. Auch, wenn die Konserven viel zu klein waren und er weitaus mehr davon konsumieren müsste, als er es tatsächlich tat um nicht unnatürlich blass zu wirken. Shinichi wollte das nicht. Er wollte kein Risiko eingehen und zu viele Konserven horten, wenn es doch gefährlich werden konnte. Er hielt seinen Energieaufwand so niedrig wie möglich, denn wie bei Menschen auch entstand die Menge an Blut, die ein Vampir brauchte daraus, wieviel Energie er an einem Tag oder in einer Nacht verbrauchte.

Wenig Energie bedeutete wenige Konserven.

Nachdem Shinichi die Konserve vertilgt hatte spielte er noch einen Augenblick lang mit dem Gedanken eine zweite Konserve zu öffnen. Aber nein, das wäre Verschwendung. Er würde an diesem Abend nicht mehr viel tun außer zu schlafen und dafür brauchte er die Extra-Energie nicht. Also erhob er sich aus seinem Stuhl und verstaute das Plastik tief in der Dunkelheit seines Mülleimers. Er wollte nicht, dass irgendjemand durch Zufall über die Reste stolperte. Er würde es definitiv nicht erklären können.

Sein Blick wanderte zur Küchenuhr. Es war bereits weit nach Mitternacht, näher am Sonnenaufgang als am Sonnenuntergang. Er hatte wohl mehrere Stunden regungslos im Bett verbracht, beschäftigt mit seinen Gedanken und dem wertvollen Stein in seiner Hand. Shinichi schüttelte den Kopf über sich selbst. Seit er ein Vampir geworden war hatte sich sein Zeitgefühl verändert. Stunden konnten sich wie Minuten anfühlen und Sekunden wie Tage. Er fragte sich, wie es wohl auf Kaito wirken musste, wenn dieser stürzte, Shinichi jedoch längst an seiner Seite war bevor er auch nur ansatzweise den Boden berühren konnte. Für Shinichi war es einfach. Er sah diese Momente wie in Zeitlupe und bewegte sich einfach zügig. Was jedoch der Auslöser für diese Zeitlupensicht war hatte er noch nicht herausgefunden. Akihito und ein paar Mitglieder aus seinem Clan versuchten zwar es ihm beizubringen, aber Shinichi’s logisches Denken schien in diesem Fall ein größeres Hindernis zu sein als er bereit war zuzugeben.

Lautlos schritt der Schülerdetektiv die Treppe zu seinem Zimmer hinauf. Er wollte keinen Krach machen und den Dieb, der in seinem Gästezimmer lag, aufwecken. Shinichi konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und fasste sich mit einer Hand an die Stirn.

Wie hatte es soweit kommen können, dass er Kaitou KID in seinen eigenen vier Wänden unterschlupft gewährte? Und noch schlimmer: er hatte die vorbereitete Falle sabotiert um sicher zu gehen, dass KID nicht geschnappt wurde. Wenn das jemals rauskam konnte er sich von seinem Ruf als größter Schülerdetektiv des Ostens verabschieden. Und sämtliche vorhergegangenen Zusammentreffen mit KID, in denen er fliehen konnte, würden hinterfragt werden.

Das Brechen von Glas riss Shinichi aus seinen Gedanken und er wandte den Kopf in die Richtung, aus der es gekommen war. Seine Sinne waren fein genug um zu wissen, dass es Kaito’s Zimmer gewesen war.

Aber wieso? Hatte er das Fenster eingeschlagen um zu fliehen? Das war dumm und unnötig. Er war kein Gefangener hier, die Zimmertür war nicht verschlossen und der Hausschlüssel steckte im Schloss. Auch das Fenster selbst war nicht verschlossen, sollte KID sich doch zu einer Flucht aus dem besagten Raum entscheiden statt durch die Eingangstür.

Der Schülerdetektiv runzelte die Stirn, seine Neugierde Überhand nehmend. Langsam und immer noch lautlos bewegte er sich zur Tür des Gästezimmers und öffnete diese. Er warf einen kurzen Blick hinein, doch da war nichts Ungewöhnliches. Das Fenster war noch genauso verschlossen, wie es am Abend zuvor gewesen war und es schien auch nicht, als hätte es jemand eingeschlagen. Sein Blick glitt durch das spärlich beleuchtete Zimmer, doch da war nichts.

Shinichi wollte gerade die Tür schließen, als ihm die Splitter am Boden auffielen. Es schien wohl das Wasserglas gewesen zu sein, welches Shinichi KID für seine Medikamente gebracht hatte. Aus irgendeinem Grund war es zu Boden gegangen und dort zerbrochen.

Shinichi öffnete die Tür vollständig und trat langsam ein.

Sein Blick fiel auf das Bett. Sein Besucher lag darin, die Decke halb am Boden. Shinichi stoppte seine Atmung und konnte dadurch die Geräusche um sich rum viel besser wahrnehmen. Er hörte wie KID keuchte und nach Luft rang, hörte wie er sich unruhig hin und her wälzte. Er schien Alpträume zu haben, also wagte sich der Detektiv näher ran und hob die Decke vom Boden. Behutsam legte er sie über den Körper des Schlafenden, doch Kaito begann sich sofort dagegen zu wehren.

„Nicht… heiß…“, nuschelte er und öffnete seine Augen einen Spalt. Überrascht hob der Vampir eine Augenbraue an. Heiß? Dabei hatte er die Heizung gar nicht aufgedreht.

„Ist alles in Ordnung?“

Langsam ließ er sich auf der Bettkante nieder um einen besseren Blick auf den Dieb zu werfen. Kaito schüttelte den Kopf ein kleinwenig und versuchte sich aufzusetzen.

„Es ist heiß“, nuschelte er erneut und schob die Decke von sich, begann aber sofort zur Seite zu kippen. Shinichi reagierte schnell und umfasste die Schulter des Jungen um ihn zurück ins Bett zu schieben. Seine Augen weiteten sich leicht, doch Kaito selbst stieß nur ein genießendes Stöhnen aus. Er sank zurück ins Bett und Shinichi entfernte seine Hand von der Schulter des Jungen, was diesen dazu brachte mit fiebrigem Blick zu dem Vampir zu schauen: „Bitte, nicht…“

„Kuroba, du hast Fieber“, stellte der Vampir zähneknirschend fest. Er konzentrierte sich auf seine Sinne und atmete den Duft des Diebes ein, doch er konnte keine Veränderung wahrnehmen. Also keine Sepsis, nur ein Fieberschub.

Kaito versuchte, die Decke wieder von sich zu schieben, doch Shinichi umfasste seine Hände um ihn davon abzuhalten. Erneut seufzte der Dieb genießerisch auf und zog Shinichi’s Hände zu seinem Gesicht. Shinichi schluckte schwer als er beobachtete, wie der Meisterdieb, der Mondscheinmagier sich an seinen kalten Körper schmiegte.

Er biss sich leicht auf die Unterlippe.

„Mach etwas Platz“, nuschelte er und zog seine Hände zurück. Kaito verstand nicht recht, suchte mit fragendem Blick nach dem Vampir, welcher sich gerade sein Shirt und die Hose auszog. „Was hast du vor?“, nuschelte er, doch da schob der Vampir sich auch schon neben Kaito unter die Decke. Er streckte seine Arme aus und zog den Jungen näher an sich.

Erst wollte Kaito protestieren, doch dann spürte er Shinichi’s kühle Haut auf seiner vom Fieber erhitzten. Ein weiterer, genießerischer Laut verließ seine Lippen und Kaito schlang seine Arme um den Jungen und presste sein Gesicht an dessen Schulter.

„Versuch jetzt zu schlafen“, murmelte Shinichi verlegen und glitt mit seinen Fingern durch das kurze Haar am Nacken des Diebes. Kaito überkam eine Gänsehaut, doch er tat wie ihm geheißen, schloss die Augen und war binnen weniger Augenblicke auch schon eingeschlafen.

 

Für den Vampir dauerte es länger, bis er eingeschlafen war, aber auch er fiel schließlich in einen traumlosen Schlummer. Als Shinichi die Augen wieder öffnete brannte die Sonne ins Zimmer. Er stöhnte auf und schloss die Augen wieder, wandte dem Fenster und der Sonne den Rücken zu. Die Bewegung eines warmen Körpers an seinem war es, was ihn dazu veranlasste die Augen wieder zu öffnen. Er fand sich nur wenige Millimeter entfernt von Kaito’s Gesicht wieder. Shinichi wagte es nicht zu atmen. Stattdessen versuchte er sich zu erinnern was geschehen war.

Ach ja, das Fieber. Kaito hatte hohes Fieber gehabt und sich gewunden vor Hitze. Shinichi hatte zu wenig getrunken als das sein Körper wirklich warm geworden wäre und hatte sich diese Kälte zu Nutze gemacht um den Jungen etwas runter zu kühlen. Das schien auch geklappt zu haben. Er beugte seinen Kopf noch ein kleinbisschen näher und presste seine Lippen gegen Kaito’s Stirn, so wie seine Mutter es bei ihm getan hatte, wenn sie sein Fieber gemessen hatte.

Er war immer noch warm, aber er glühte bei weitem nicht mehr so stark wie am Tag zuvor. Shinichi löste sich ein Stück und atmete auf. Kaito’s Duft traf ihn wie eine Ohrfeige mitten ins Gesicht und der Vampir stoppte die Atmung wieder. Stattdessen versuchte er sich aufzusetzen, was aber nicht wirklich klappte, da die beiden Jungs ihre Beine ineinander verhakt hatten. Kaito schien es nicht zu gefallen, dass Shinichi sich bewegte, denn er presste sich plötzlich näher an den Körper des Vampirs und grub seine Finger in den Rücken des Detektivs, so als wolle er ihn nicht gehen lassen.

„Hey“, brummte der Vampir leise, „Du musst mich loslassen.“

Kaito murrte leise, lockerte aber seinen Griff schließlich. Shinichi nutzte die Möglichkeit und schlüpfte aus dem Bett, sorgte jedoch dafür, dass der Junge wieder fest in die Decke eingepackt war. Er sah ihn kurz an, wartend ob er die Augen öffnen würde, aber Kaito schlief tief und fest.

Shinichi seufzte und machte einen Schritt vom Bett weg, als ein stechender Schmerz seinen Fuß durchfuhr. Ein Blick nach unten verriet ihm, dass er geradewegs in die Glasscherben vom Vorabend getreten war. Genervt rollte er mit den Augen und zog das Glas aus seinem Fuß, ehe er sich hinkniete und begann die einzelnen Scherben vom Boden aufzusammeln. Als er alle Scherben zusammen hatte ging er schließlich in die Küche und entsorgte sie dort, ehe er sich eine Blutkonserve als Frühstück aus dem Kühlschrank nahm. Er konnte froh sein, dass Vampire eine unglaublich schnelle Selbstheilung besaßen, sonst wäre die Wunde in der Fußsohle unglaublich lästig. Er trank die Konserve, während er einen Blick auf die Uhr warf. Es war bereits nach neun Uhr. Shinichi verzog das Gesicht. Er hatte doch länger geschlafen, als er ursprünglich erwartet hatte.

Als die Konserve leer war warf er das Plastik weg und schnappte sich ein neues Glas aus dem Schrank, welches er mit Wasser füllte. Dann ging er zurück zum Gästezimmer in welchem Kaito schlief. Er stellte das Glas behutsam auf den Nachttisch, ehe er sich auf die Bettkante setzte. Der junge Meisterdieb schien friedlich zu schlafen und Shinichi tat es fast leid, dass er ihn wecken musste. Er strich durch Kaito’s Haare und wunderte sich kurz, dass ein Mann so weiches Haar haben konnte ehe er schließlich die Schulter des Jungen umfasste und ihn sanft rüttelte.

„Hey, Kuroba-kun. Du musst aufwachen“, sprach er mit ruhiger Stimme. Der Junge in seinem Bett murrte nur und versuchte sich die Decke über den Kopf zu ziehen. Shinichi schmunzelte leicht, wenn er daran dachte, wie sehr er die Decke doch nur wenige Stunden zuvor loswerden wollte.

„Du musst aufwachen“, seine Stimme war ein kleinwenig lauter, eindringlicher, „Es wird Zeit deine Medikamente zu nehmen.“

Der Junge murrte erneut auf, drehte jedoch den Kopf zu Shinichi und öffnete eines seiner Augen. Sein Blick verriet, dass er immer noch fiebrig und im Halbschlaf war. Er schloss das Auge wieder, doch Shinichi zog ihn mit einer Hand in eine sitzende Position, was Kaito dazu veranlasste einen missbilligenden Laut von sich zu geben. Er sank schwach gegen Shinichi’s Brust, die Augen nur zur Hälfte geöffnet.

„Hey“, Shinichi hob mit seiner freien Hand das Kinn des Meisterdiebes etwas an, „Du musst deine Antibiotika nehmen. Nur das eine, dann kannst du wieder schlafen, okay?“

Der kränkliche Junge nickte leicht und hob verschlafen die Hand aber Shinichi wusste, dass das nicht gutgehen würde. Er ließ Kaito’s Gewicht gegen seine Brust sinken, sodass er beide Hände zur Verfügung hatte. Er fischte eine der Tabletten aus der Verpackung.

„Mund auf“, befahl er mit sanfter Stimme und Kaito öffnete seine Lippen ein Stück. Shinichi schob die Tablette in Kaito’s Mund und setzte sofort das Wasserglas an. In einer fließenden Bewegung ließ er Kaito’s Kopf in den Nacken sinken, nur leicht und mit der freien Hand gestützt damit er nicht den Nacken überdehnte, während er aus dem Wasserglas einen Schluck Flüssigkeit in Kaito’s Mund laufen ließ. Der junge Meisterdieb schluckte das Wasser brav hinunter, mehr aus Reflex als alles andere und Shinichi seufzte erleichtert auf.

Das war problemloser über die Bühne gegangen als er erwartet hatte.

Er stellte das Glas wieder auf das Nachtkästchen und wandte sich dem Jungen in seinen Armen zu. Kaito hatte die Augen geschlossen, er war bereits wieder eingedöst. Seine Lippen waren noch einen Spalt breit geöffnet und glänzten, feucht vom Wasser. Shinichi runzelte der Stirn.

Er fand Kaito attraktiv. Seit wann fand er Jungs attraktiv?

Behutsam bugsierte er den Schlafenden zurück ins Bett und zog ihm die Decke bis zum Hals. Er schob das Glas weit genug zur Seite, damit nicht wieder ein Unfall geschah ehe er sich erhob und das Gästezimmer verließ. Er schloss die Tür diesmal nicht sondern lehnte sie nur an, sodass er hören konnte falls sein Gast erwachte. Dann ging er in sein Zimmer um sich endlich was Ordentliches anzuziehen.

Er erinnerte sich daran, was Miyoko am Vortag gesagt hatte. Dass Kaito die Tabletten zu den Mahlzeiten einnehmen sollte. Was Shinichi daran erinnerte, dass er sämtliche Lebensmittel bereits hergegeben oder weggeschmissen hatte. Er war nun bereits über einen Monat ein Vampir und mal abgesehen von den Nahrungsmitteln, die er als Tarnung in der Mittagspause in der Schule aß bestand sein Kühlschrank nur noch aus gähnender Leere und Blutkonserven im Gemüsefach. Mit einem Gast, der menschlich war und noch dazu an einem Fieberschub litt würde es aber nötig sein, dass er etwas zu Essen einkaufte.

Shinichi beschloss einen kurzen Besuch beim Convenience Store einzulegen.

Als er sich fertig angezogen hatte fiel sein Blick auf den Diamanten, welcher immer noch neben dem Bett auf einem kleinen Kästchen lag. Er nahm den Stein und steckte ihn in die Brusttasche seines Hemdes. Darum würde er sich auch noch kümmern müssen. Aber wie?

Vermutlich war es das Beste, wenn er es auf dieselbe Art tat wie Kaitou KID. Einen Brief ohne Absender bei der Polizei einwerfen. Also würde er noch einen kleinen Umweg an der Polizeistation vorbei machen.

„Der Kerl verursacht mir nichts als Probleme“, murrte Shinichi leise, machte sich dann aber auf den Weg in das Büro seines Vaters um dort einen passenden Umschlag für den Diamanten zu suchen.

 

„Ja, vielen Dank für den Anruf, Inspektor. Ich werde auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen.“

Shinichi schob die Tür mit der Schulter auf und betrat die Wohnung, das Telefon zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt, zwei vollbeladene Einkaufstüten in seiner Hand. Inspektor Megure’s Stimme klang immer noch aufgeregt. Shinichi solle die Gefahren einer Betäubung nicht unterschätzen. Erneut versuchte der Schülerdetektiv den besorgten Mann an der anderen Leitung zu beruhigen ehe er schließlich das Telefonat zu einem Ende brachte. Mit viel Geschick schaffte er es das Telefon in eine der Einkaufstüten fallen zu lassen ehe er alles in die Küche brachte und dort auf dem Tisch ablegte.

Shinichi seufzte auf.

Er wusste nicht, was genau Kaito mochte oder was er nicht mochte, weswegen er mehr eingekauft hatte als er vermutlich brauchen würde. Ein kleinwenig ärgerte sich der Schülerdetektiv schon darüber, dass er die meisten Lebensmittel vermutlich wieder wegwerfen würde.

Er hatte auch einen Umweg am Polizeidezernat vorbei gemacht. Darauf bedacht sämtliche Fingerabdrücke von dem Stein zu entfernen hatte Shinichi ihn in ein Kuvert gesteckt und dieses im Postfach der Polizei eingeworfen. Sie würden ihn vermutlich innerhalb der nächsten Tage finden.

Inspektor Megure hatte ihn angerufen, als er gerade auf dem Heimweg gewesen war. Shinichi hatte mit dem Anruf schon lange gerechnet, aber er hatte noch keine Zeit gehabt sich eine Ausrede einfallen zu lassen warum er am Vortag vom Tatort verschwunden war. Und er hatte noch weniger eine Ausrede dafür, warum er im Raum mit den Generatoren gewesen war. Doch Inspektor Megure gab ihm seine ganz eigene Ausrede. Er sprach mit Shinichi über den Verdacht das KID seine Identität angenommen und den Stein gestohlen hatte. Die Beweise sprachen alle dafür. Shinichi’s komisches Verhalten, sein Desinteresse daran KID zu fangen und die Manipulation der Generatoren. Er entschuldigte sich, dass es ihm nicht früher aufgefallen war und versprach, dass er nie wieder zulassen würde, dass KID ihm etwas tat. Er machte sich auch Sorgen um die Gesundheit des Schülerdetektivs, nachdem Shinichi dankbar die Ausrede angenommen hatte, dass er schon am frühen Nachmittag mittels Chloroform außer Gefecht gesetzt worden war und erst spät in der Nacht in einer Abstellkammer im Eingangsbereich des Gebäudes wieder aufgewacht war.

KID würde ihm sicher verzeihen, dass er die ganze Schuld auf ihn abwälzte.

Shinichi fischte das Handy aus seiner Einkaufstüte und platzierte es auf dem Tisch, ehe er begann die Lebensmittel in den Kühlschrank zu räumen. Er fragte sich, was wohl am besten als Mittagessen für Kaito geeignet wäre. Immerhin schien dieser immer noch zu schlafen, und wenn das Fieber nicht bald runtergehen würde, dann würde er ihn wohl zum Essen zwingen müssen.

Vermutlich wäre es am besten, wenn er mit einfachem Reisbrei beginnen würde. Das konnte er Kaito auch füttern, wenn dieser noch nicht wieder völlig auf dem Damm war.

Shinichi war gerade dabei die letzten Lebensmittel zu verstauen als er das Klingeln des Telefons hörte. Seine erste Vermutung war, dass es sein eigenes Telefon war, aber dieses lag regungslos und stumm auf dem Küchentisch. Das Klingeln kam aus einem anderen Raum, also schloss er die Tür des Kühlschrankes und folgte dem Geräusch ins Wohnzimmer, wo immer noch die zerschlissene und blutige Kleidung des Meisterdiebes lag.  Das Klingeln schien aus der Hosentasche des Jungen zu kommen. Shinichi fischte das Telefon aus der Tasche und warf einen kurzen Blick auf das Display. Jii-chan? War das nicht der alte Mann vom Vortag?

Shinichi drückte die Annehmen-Taste und hielt sich das Telefon ans Ohr: „Kuroba Kaito‘s Telefon, hallo?“

Kurze Zeit herrschte Stille. Vermutlich war der Anrufer überrascht, dass er nicht Kaito ans Telefon bekam, aber er fing sich schnell wieder: „Spreche ich mit Shinichi Kudo?“

Shinichi spannte seine Schultern etwas an und ballte eine Hand zur Faust, doch seine Stimme verriet nichts von seinen Emotionen: „Ja. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Mein Name ist Konosuke Jii. Wir haben uns gestern Abend getroffen.“

„Ich erinnere mich“, Shinichi entspannte sich etwas und ließ sich auf der Couch nieder. „Sie haben uns vor dem Hotel in Ihrem Wagen eingesammelt und uns nach Hause gebracht.“

„Ja. Der junge Herr hatte mir zugesagt sich bei mir zu melden, aber ich habe noch nichts von ihm gehört. Wo ist er und wie geht es ihm?“

Jii klang nervös. Wie es schien machte er sich tatsächlich sorgen um Kaito. Wer war dieser Mann? Familie? Aber warum nannte er Kaito dann ‚junger Herr‘? Und wenn er derjenige war, der Kaito als Komplize bei seinen Raubzügen diente? Aber war der Typ nicht viel zu alt dafür?

„Er ist bei mir und schläft gerade. Er hat Fieber, darum kann ich ihn noch nicht nach Hause bringen“, erklärte der Schülerdetektiv zögerlich. Er wusste nicht, wieviel der Kerl wirklich wusste, wusste nicht, wieviel er ihm verraten konnte. Er konnte kein Risiko eingehen und sich verplappern.

„Der junge Herr war voller Blut. Was ist passiert?“

Shinichi schwieg eine Weile. Doch dann sagte der alte Mann etwas, dass ihn überraschte.

„War es wegen diesem Mörder, der es auf Diebe abgesehen hat? Ist der junge Herr an ihn geraten?“

Es schien fast so als wäre sein Verdacht richtig gewesen und dieser Jii war der Komplize von KID. Er schien besser Bescheid zu wissen als Shinichi das angenommen hatte.

„Ja“, er hatte keinen Grund diese Tatsache zu verheimlichen. Warum auch? „Er hat es als sein Recht angesehen Kuroba-kun zu entführen. Wir konnten gerade noch dazwischen gehen bevor etwas Gröberes passiert ist, aber Kuroba-kun wurde verletzt und anscheinend haben sich ein paar der Wunden entzündet. Er hat Fieber, aber er schläft.“

„Wir?“, wiederholte der alte Mann überrascht. Shinichi verzog leicht das Gesicht. Er hätte besser aufpassen müssen was er sagte. „Ein Freund von mir war mit dem Kerl im Gebäude und hat sich um ihn gekümmert während ich Kuroba-kun rausgebracht habe. Hören Sie, ich verspreche, dass ich auf ihn aufpassen werde und sobald sein Fieber weg ist schicke ich ihn nach Hause. Bis dahin müssen Sie mir wohl vertrauen, dass ich ihm nichts Böses will.“

Wieder herrschte Stille am Telefon. Shinichi ging es nicht aus dem Kopf, die Worte, die KID zu dem alten Mann gesagt hatte. Er weiß Bescheid. War das der Grund, warum Jii so zögerlich war? Warum er seinem jungen Herrn nachtelefonierte? Hatte er einfach Angst, dass Shinichi ihn an die Polizei verraten würde? Nun, es war eine berechtigte Angst für jemanden, der die Situation nicht verstand. Für jemanden, der nicht wusste, wie viel ihm an Kaito lag. Oder seinem Blut? Shinichi war sich da nicht so sicher wieviel dieser Zuneigung von ihm und wieviel von dem Raubtier in ihm kam.

Der alte Mann an der anderen Leitung seufzte auf: „Gut, ich vertraue Ihnen den jungen Herrn an. Sagen Sie ihm bitte nur, dass er sich bei mir melden soll, wenn er wieder wach ist. Ich weiß nicht, wie ich seiner Mutter gegenübertreten soll, wenn ich nicht mit Sicherheit weiß, dass es dem jungen Herrn gut geht.“

„Natürlich, ich werde es ihm ausrichten.“

Der alte Mann verabschiedete sich und legte auf. Auch Shinichi ließ die Hand mit dem Telefon wieder sinken und betrachtete es nachdenklich. Er wusste nicht viel über Kaito’s Leben. Die zwei hatten zwar regen Kontakt via Textnachrichten gehalten, aber Shinichi hatte sich nie die Mühe gemacht mehr über die Lebensumstände des anderen zu erfahren. Jetzt war er jedoch neugierig geworden.

Ein alter Mann, der ihn ‚junger Herr‘ nannte und eine besorgte Mutter.

Der Schülerdetektiv erhob sich von der Couch und steckte Kaito’s Telefon ein. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es längst Zeit zum Essen war. Also bewegte er sich zurück in die Küche um dort den Reisbrei für seinen kranken Gast vorzubereiten.

 

Als Shinichi das Zimmer betrat sah er, dass Kaito immer noch friedlich schlummerte. Das Glas stand unverändert auf dem kleinen Schränkchen und auch sonst hatte sich nicht viel getan. Shinichi war besorgt, dass das Fieber des Diebes wieder gestiegen war während er außer Haus unterwegs gewesen war. Er stellte das Tablett mit dem Reisbrei behutsam neben das Wasserglas, ehe er sich auf die Bettkannte setzte und zart mit seinen Fingerspitzen über die Stirn des Schlafenden strich.

Das Fieber war definitiv noch da, aber es war bei weitem nicht so stark wie die Nacht zuvor. Der Vampir atmete erleichtert auf und wurde sofort mit der Fährte des Jungen begrüßt. Der süße Duft, der ihn so sehr dazu verführte einfach zuzubeißen. Shinichi stoppte die Atmung erneut. Zum Glück hatte er sich noch eine Konserve gegönnt, bevor her das Zimmer betreten hatte.

Behutsam strich er mit seiner Hand über die Wange des Diebes.

„Kuroba-kun“, wisperte er mit sanfter Stimme, „Kuroba-kun, wach auf. Es ist Zeit für das Mittagessen.“

Der Junge in seinem Bett murrte leise auf, doch er drehte sich zu Shinichi und öffnete seine Augen einen Spalt. Sein Blick war zwar noch fiebrig, aber schon viel klarer als er es am Morgen gewesen war.

„Wie spät ist es?“, seine Stimme klang rau und trocken, was dazu führte das KID zu husten begann. Der Schülerdetektiv fasste nach dem Wasserglas und reichte es dem Jungen, welcher sich aufrappelte und sofort einen großen Schluck davon nahm. Als der Hustreiz verschwunden war gab er das Glas an den Detektiv zurück und lehnte sich gegen die Rückseite des Bettes. Shinichi half ihm, indem er eines der Kissen aufrichtete, damit der Junge es auch bequem hatte.

„Es ist schon nach eins“, antwortete Shinichi schließlich und stellte das Glas zur Seite.

„So spät?“, Kaito schloss die Augen und es wirkte fast, als würde er wieder einnicken.

„Hey.“ Shinichi’s Hand fand wie von selbst ihren Weg zu Kaito’s Wange. Er drehte den Kopf des Diebes leicht zu sich doch Kaito lehnte sich gegen die kühle Hand und seufzte genießend auf.

„Mir ist so heiß…“

„Ich weiß. Du hast Fieber“, erwiderte der Detektiv mit sanfter Stimme. „Ich würde dich ja gerne weiterschlafen lassen, aber du musst was essen.“

Kaito verzog leicht sein Gesicht. „Ich hab keinen Hunger.“

„Das ist mir egal. Ich hab dir Reisbrei gemacht, du musst irgendwas essen. Und deine Medikamente nehmen. Miyoko dreht mir den Hals um, wenn ich mich nicht gut um dich kümmere. Und dein Freund von gestern auch.“

Der Meisterdieb gab einen amüsierten Laut von sich. „Klingt, als hättest du dir in kürzester Zeit zwei ziemlich gefährliche Feinde gemacht.“

Shinichi zog das Tablett auf seinen Schoss und öffnete den Deckel von der Schüssel. „Scheint so“, erwiderte er nur ehe er begann etwas von dem Reisbrei mit dem Löffel zu schaufeln. Er pustete um sicher zu gehen, dass es auch nicht zu heiß war ehe er Kaito den Löffel hinhielt.

Der fiebrige Junge verzog leicht das Gesicht, öffnete dann jedoch brav den Mund und ließ sich, wenn auch widerwillig, füttern. Shinichi konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und er fragte sich, was genau den Dieb so verstimmte. Die Tatsache, dass er Essen musste obwohl er keinen Hunger hatte oder die Tatsache, dass er vom Schülerdetektiv des Ostens gefüttert wurde.

Aber er beschwerte sich nicht und wehrte sich auch nicht gegen die Behandlung. Shinichi beobachtete, wie sich das Gesicht des Jungen änderte, wie ihm kleine Schweißperlen auf die Stirn traten und wie der fiebrige Ausdruck in seinen Augen stärker wurde. Vermutlich wäre es nicht schlecht, wenn Kaito sich wieder schlafen legen würde, aber wenn er nicht wenigstens ein wenig Nahrung zu sich nahm würde das Fieber nie verschwinden.

Als die Schüssel schließlich leer war stellte Shinichi das Tablett zur Seite. Kaito sank ein kleinwenig in sich zusammen, doch der Vampir war schnell wieder bei dem Jungen. Er umfasste Kaito’s Gesicht mit seinen Händen, was dem Dieb ein wohliges Aufseufzen entlockte. Zärtlich strich Shinichi mit seinen Händen über seine Wangen, seine Stirn, seinen Nacken und sah zu, wie Kaito sich sichtlich entspannte.

„Besser?“, fragte der Schülerdetektiv besorgt. Kaito nickte leicht.

„Deine kalten Hände sind herrlich.“

Shinichi schmunzelte leicht, löste sich dann jedoch wieder von Kaito um eine der Antibiotika aus der Packung zu nehmen.

„Sobald du deine Medizin genommen hast lasse ich dich wieder schlafen.“

Das klang anscheinend nach einem guten Deal für den Meisterdieb. Er rappelte sich noch einmal auf und nahm das Medikament und das Wasserglas entgegen. Schnell schluckte er das kleine Ding hinunter und spülte mit dem restlichen Wasser nach. Dann reichte er das Glas an Shinichi ehe er sich wieder in den Tiefen seiner Bettdecke vergrub und die Augen schloss. Shinichi stellte das Glas zur Seite, ehe er noch einen kurzen Blick auf den Dieb warf.

„Dein Bekannter, Jii, hat angerufen. Ich habe ihm die Lage kurz erklärt und ich denke, dass ich ihn vorerst beruhigen konnte. Du solltest dich aber bei ihm melden sobald es dir bessergeht.“

„Mach ich“, murmelte Kaito, war aber schon wieder auf halben Weg ins Land der Träume. Shinichi rollte nur leicht mit den Augen und beschloss das Handy des Diebes noch eine Weile bei sich zu behalten. Er strich ein letztes Mal mit seiner kühlen Hand über Kaito’s Stirn ehe er das Tablett mit dem leeren Geschirr nahm und das Zimmer des Jungen verließ.



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