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Cursed

von

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Von Seelen und Glaskugeln

Die Personen, die bis eben noch so geschäftig durch den Raum gewuselt waren, bezogen nun Positionen am Rand des in den Boden eingelassenen Kreises in dessen Mitte sich Aiden befand. Er bemerkte erst jetzt die vielen filigranen Symbole und geometrischen Figuren, die den Boden in einem komplexen Muster zierten.

Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin füllte sich der Raum mit einem unverständlichen, fremdartigen Gemurmel und mit ihm setzte auch der Schmerz in Aidens Fluchmal wieder ein. Doch dieses mal war es anders. Kein Brennen oder Stechen – es fühlte sich viel mehr an, als würde man ihm das Mal mitsamt der Haut vom Körper ziehen.

Aiden setzte grade zu einem Schrei an, als der Schmerz schon wieder abebbte. Das Gemurmel verstummte und Aiden nahm im Halbdunkeln des Kellerraums den vertrauten Schatten wahr, der sich unruhig um seinen Arm schlang und dann in Gestalt eines jungen Mannes manifestierte. Reel kniete neben Aiden auf dem Boden und hielt sich schwer atmend die Brust.

Schnell schüttelte er seine Schwäche ab, stellte sich schützend vor Aiden und funkelte den Leiter des Rituals aus vor unbändiger Wut lodernden Augen an.

Erst gab es wieder Zoff mit Aiden und jetzt wagte es dessen Verursacher auch noch ihm seinen Willen aufzuzwingen und sein Gespräch zu unterbrechen. Dazu kam auch noch Reels Frust, der sich während der Klassenfahrt in ihm angestaut hatte, und all das entlud sich jetzt in einer derart bösartigen Aura, dass selbst Aiden es mit der Angst zu tun bekommen hätte, wenn er Reel mittlerweile nicht so gut kennen würde.
 

Mit blitzenden Reißzähnen ließ der Dämon ein drohendes Knurren erschallen, welches von den Steinwänden des Raumes dröhnend widerhallte.

Diejenigen, die das Ritual durchgeführt hatten, wichen nun unsicheren Schrittes zurück und flüsterten leise Schutzgebete. Nur der Mann, der als letztes zu den anderen gestoßen war und das Ritual angeleitet hatte, blieb standhaft und erhob gebieterisch die Stimme.

„Da haben wir also unseren Übeltäter. Wer hätte gedacht, dass der arme Junge von ein Fluchdämon einer so hohen Stufe besessen ist.

Aber das ist nichts, womit wir nicht fertig werden, also fürchte dich nicht, mein Kind.“

„Moment. Also nur damit ich das richtig verstehe: Ihr seid wirklich dazu in der Lage den Fluch von mir zu nehmen?“, frage Aiden mit einer Mischung aus Verwirrung und Enttäuschung ob Reels Unaufrichtigkeit. Reels Knurren verstummte sofort und er sah nun entgeistert zu seinen Sunshine.

„Absolut“, kam es unverwandt von dem Herren am anderen Ende des Raumes. „Ein unterirdische Kammer des Sees befindet sich direkt unter dem Boden dieses Raumes und verstärkt die Macht reinigender Zauber und Rituale in einem solchen Maße, dass kein Fluch ihnen mehr standhalten kann.

Es könnte zwar schmerzhaft für dich werden, aber wenn du den Exorzismus überlebst, dann bist du anschließen auf jeden Fall fluchfrei. Also atme einfach tief durch. Wir beginnen.“

„Moment. Was?! NEIN! Ich will aber gar keinen Exorzismus. Ich will meinen Dämon behalten, okay?“ Das war nicht Aidens Plan gewesen. Er wollte doch nur wissen, ob es THEORETISCH möglich war und nicht gleich den Praxistest machen. Entschlossen klammerte er sich an Reels Arm fest und dieser hüllte ihn instinktiv in seinen Schatten ein.

Der Mann war sichtlich irritiert von diesem Verhalten, doch fing sich nach nur wenigen Sekunden wieder.

„Wie lange leidest du bereits unter diesem Fluch?“

„Ähm... seit ein paar Monaten, glaube ich.“

„Ungewöhnlich. Man würde annehmen, dass ein Dämon mit einem solchen Machtpotenzial seine Opfer schneller tötet. Naja, ich schätzte er hat stattdessen deinen Geist vereinnahmt und eine willige Marionette aus dir gemacht. Wie bedauerlich.

Du glaubst, es seien deine Gedanken und Wünsche, aber eigentlich ist es nur dass, was dieses Monster dich denken lässt. Du bist zu seinem Spielzeug geworden.

So kannst du doch nicht weiterleben. Hab keine Angst vor den Schmerzen. Sie gehen vorüber und anschließend ist deine Seele frei. Also fürchte dich nicht, mein Kind.“

„Nein, Nein! Sie verstehen nicht. Ich...“ Doch das Wiedereinsetzten des mystischen Chorus übertönte jede Einwände.
 

Zu seiner Überraschung verspürte Aiden anfangs kaum Schmerzen, doch Reel neben ihm griff sich sofort an die Brust und sank mit zusammengebissenen Zähnen in sich zusammen.

„Reel! Nein nein nein. Halt durch!“ Panisch umfasste er den Oberkörper seines Dämons, der vor Schmerzen bebte als Aiden plötzlich eine körperlose Kraft spürte, die ihn gewaltsam zurückzog. Auf Reel schien eine ähnliche Macht zu wirken und ehe sie es sich versahen, wurden sie in getrennte Hälften des Kreises gezogen. Die Hälften bildeten nun zwei eigenständigen Bannkreise, die sich nur an einer einzigen Stelle im Mittelpunkt des eigentlichen Kreises berührten und deren Insassen von einander trennten.
 

Aiden kämpfte verbissen gegen diese körperlose Kraft an, doch Reel schien ihr nicht viel entgegensetzten zu können.

Die Schmerzen trieben ihm Tränen in die roten Augen, durch die er Aiden nur noch verschwommen wahrnehmen könnte. Sein ganzer Körper schrie. Jede Seele, die er sich im Laufe seines Lebens einverleibt hatte, schien nun in ihm zu rebellieren.

Die Qualen raubten ihm die Sinne – er konnte den Singsang des Rituals nicht mehr hören und den kalten Steinboden unter sich nicht mehr spüren. Nur seine Augen hielten sich verbissen an Aiden fest.

Reel konnte spüren, wie ihre Verbindung langsam zu zerreißen begann. Nein! Das durfte nicht passieren. Er konnte Aiden nicht auch noch verlieren. Durch seinen Tränenschleier konnte er beobachten, wie auch Aiden sich unter den zunehmenden Schmerzen auf dem Boden wand und ihm kam schlagartig eine Erkenntnis.

Der Exorzismus richtete sich nur gegen Dämonen. Für normale Menschen war er harmlos. Aiden litt also nur unter diesen Schmerzen, weil Reel sich an ihn klammerte.

Die Exorzisten hatten Recht – Reel konnte sich der Macht dieses Ortes nicht entziehen und wenn er Aiden nicht freigab, würde er ihn mit sich ins Verderben reißen.

Nathaniël zu verlieren hatte ihn fast den Verstand gekostet. Das konnte er kein weiteres mal ertragen und das konnte er auch Aiden nicht antun. Nein. Er würde nicht zweimal den selben Fehler begehen.

Ein letztes Mal prägte er sich den Anblick des kleinen Internatsschülers ein, an den er sein Herz verloren hatte und ein einzelner Gedanke klang klar durch das Schmerz-Inferno: 'Ich hätte dich gerne nochmal gezeichnet.' Dann schloss er die Augen und ließ ihn los.
 

Ihre Verbindung riss in Fasern, wie ein Seil, das jemand angeschnitten hatte, und Reel ließ es geschehen. Besser so, als wenn er Aiden, der am anderen Ende hing, mit sich zog.

Doch so leicht machte sein Sunshine es ihm nicht.

Aiden konnte Reels letzten, klaren Gedanken noch hören bevor er spürte, wie sein Dämon aufgab. Ihre Verbindung zerriss immer weiter und Reel ließ es einfach zu.

„Vergiss es! Ich werd´ dich nicht los und du wirst mich nicht los!“ Aiden schrie die Worte über die Geräuschkulisse des Rituals hinweg, sammelte alles, was er an Kraft noch aufbringen konnte, und klammerte sich an Reels Seele fest. Er würde ihn nicht gehen lassen. Niemals!

Reel hatte ihm eingebläut, dass er für das, was ihm wichtig war, kämpfen müsse. Und genau das tat er jetzt.

Zielsicher robbte er zu der Stelle, an der ihre Bannkreise sich berührten, und schrie Reel dabei immer wieder mit allem, was seine Lunge hergab, an.

„VERDAMMT, HILF MIR GEFÄLLIGST!“

„Sunshine nein! Wenn du nicht loslässt, stirbst du! Wirf dein Leben nicht einfach so weg! Lass los!“

„Nein! Wir stehen das hier zusammen durch. Entweder wir schaffen das oder wir gehen eben zusammen drauf! Ohne dich werd´ ich eh bald umgebracht! Also bleib gefälligst hier und beschütz´ mich, so wie du´s mir versprochen hast!“

Inzwischen hatte Aiden den Berührungspunkt ihrer Bannkreise erreicht. Erfolglos schlug er einige Male mit der Faust gegen die Wand aus magischer Energie, bis er intuitiv unter sein Shirt griff und die kleine, schwarze Klinge hervorzog.

Verbissen hob er sie mit beiden Armen über den Kopf und rammte sie mit letzter Kraft in das Symbol auf dem Steinboden, von welchem die Wand zwischen ihm und seinem Liebsten emporschoss.
 

Ein kurzer, ungerichteter Sturm fegte durch den Raum, so als befände er sich in einer Schneekugel, die jemand zu kräftig schüttelte. Dann war es plötzlich totenstill.

Reel lag regungslos vor ihm auf dem Boden und Aiden verließen nun auch noch die letzten Kräfte.

Er spürte, wie etwas in ihm zerbrach, während er mühevoll zu der schwarzen Gestalt kroch, die immer formloser zu werden schien.

In Verzweiflung streckte Aiden die Hand nach Reel aus, der sich vor seinen Augen in schwarzen Nebel auflöste. Doch noch bevor Aiden ihn erreichen könnte wurde ihm schwarz vor Augen und er verlor abermals das Bewusstsein.
 

Ein dumpfer Schmerz war das erste, was Aiden wahrnehmen konnte. Er fühlte sich so schwach und ausgelaugt, dass allein schon das Öffnen seiner Augen ihm wie eine unmögliche Aufgabe erschien.

„REEL!“ Der Gedanke durchzuckte ihn wie ein Blitz. Panisch versuchte er in sich hineinzuhören und fand... nichts... Er konnte niemanden spüren. Er war wieder ganz allein in seinem Körper.

Tränen stiegen in ihm hoch und ein bitterliches Schluchzen bemächtigte sich seiner Kehle.

Noch nie in seinem Leben hatte er sich so leer und verlassen gefühlt, wie in diesem Moment.

Aiden hatte keine Ahnung, wo er war und es war ihm auch völlig egal. Also versuchte er gar nicht erst die Augen zu öffnen, sondern blieb einfach liegen und schlief vor Erschöpfung erneut ein.
 

Das nächste Mal wachte er zum unregelmäßigen Klappern von Geschirr auf.

Unter Anstrengung schlug er die Augen auf und versuchte sich umzusehen. Er lag in einem Bett in einem kleinen, weiß tapezierten Zimmer. Eine junge Miko – etwa im selben Alter wie Aiden – hatte soeben ein Tablett auf dem Tisch neben ihm abgestellt und so das Klappern verursacht.

„Oh. Du bist wach“, kam es in überraschend flüssigem Deutsch. „Wie fühlst du dich?“

Aiden wollte zu einer Antwort ansetzten, doch stattdessen brachen einfach nur Tränen aus ihm hervor. Er fing an bitterlich zu weinen und versuchte gar nicht erst seinen Gefühlsausbruch zu zügeln.
 

Shizuka war sich unsicher, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Man hatte ihr deutlich eingebläut Vorsicht wallten zu lassen und allem mit einem hohen Maß an Skepsis zu begegnen. Doch wie vorsichtig soll man denn bitte sein, wenn ein Gleichaltriger in Tränen ausbricht?

Sie war diejenige gewesen, die ihn versehentlich mit Wasser bekippt und anschließend ihrem Hohepriester gemeldet hatte, daher fühlte sie sich für ihn verantwortlich und hatte sich sofort freiwillig gemeldet sich um ihn zu kümmern.

Sie wollte ihn jetzt nicht allein lassen, also setzte sie sich behutsam und mit gebührendem Abstand auf die Bettkante und beobachtete den brünetten Jungen schweigend bis er seiner Trauer nicht mehr unterlag.

Vorsichtig half sie ihm sich im Bett aufzusetzen und reichte ihm ein Glas Wasser, das er in einem Zug hinunterstürzte.

„Fühlst du dich etwas besser?“, versuchte sie ein Gespräch anzufangen, doch Aiden wollte nur eine Sache wissen.

„Wo ist Reel?“

„Was?“

„Wo ist Reel? Mein Dämon! Wo ist er?“ Aidens Stimme klang brüchig, aber fester, als er es sich in seinem momentanen Zustand zugetraut hätte.

„Ähm... Also... Da.“ Sie sah ihn etwas verwirrt an und zeigte auf Aiden. Nun war auch er verwirrt.

„Aber ich spüre ihn nicht.“

„Aber er ist noch da. Guck.“ Zögerlich deutete Shizuka nun auf Aidens rechte Schulter, über die sich noch immer einige dünne Ausläufer des dunklen Fluchmals zogen.

Überrascht verdrehte Aiden sich so weit sein Körper es zuließ, um das schwarze Mal zu betrachten, das nach wie vor sein Schulterblatt zierte und fuhr es ein Stück weit mit den Fingern nach. Es wirkte etwas blasser als Aiden es in Erinnerung hatte, aber da konnte er sich auch irren.

Konzentriert schloss er die Augen und suchte in seinem Inneren nach der vertrauten Präsenz und tatsächlich – ganz schwach und kaum wahrnehmbar spürte Aiden seinen eigensinnigen Dämon komatös schlafen. Erneut stiegen ihm Tränen in die Augen, aber dieses mal vor Erleichterung.

Reel war noch da. Er war nicht alleine. Sie waren beide nur so schwach, dass Aiden ihn nicht sofort hatte finden können.
 

„Du hast den Exorzismus einfach aufgebrochen. Sowas ist noch nie passiert. Der Bannkreis in dem du warst, ist von innen nicht gegen dämonische Angriffe geschützt, aber normalerweise ist auch nicht damit zu rechnen, dass ein Mensch eine dämonische Waffe ziehen würde.“

„Mein Dolch! Wo ist er? Ich brauche ihn!“

„Den hat der Hohepriester.“

„Es ist meiner! Ich will ihn zurück!“

„Da musst du mit dem Hohepriester drüber sprechen. Aber erst mal solltest du wieder zu Kräften kommen. Ich hab dir was zu Essen mitgebracht.“ Sie reichte ihm eine Schüssel und Aiden fiel hungrig über dessen Inhalt her.

„Ich heiße übrigens Shizuka. Ich bin eine Miko hier.“

„Aiden. Verfluchter“, stellte Aiden sich zwischen zwei Bissen knapp vor.

„Wie lange war ich eigentlich weg?“, fragte er irgendwann.

„Es ist jetzt kurz nach 11 Uhr und der Exorzismus war gestern am späten Nachmittag. Also hast du knapp einen halben Tag geschlafen.“
 

„Und wie geht es jetzt weiter?“ Man war sich darüber im klaren, dass Aiden noch immer verflucht war, also würde man ihn wohl kaum einfach so gehen lassen. Seinen Dolch hatte man ihm weggenommen und Reel wirkte auch nicht so, als würde er bald wieder aufwachen.

Aiden war also auf sich allein gestellt und völlig wehrlos.

'Moment! Was, wenn Reel gar nicht mehr aufwachte? So schwach wie jetzt war er noch nie gewesen', schoss es für Shizuka unhörbar durch Aidens Kopf.

„Tja. Das weiß ich auch nicht. So einen Fall hatten wir noch nie.

Die meisten glauben, dass du das getan hast, weil der Dämon deinen Geist korrumpiert hat.“

„Schwachsinn! Ich hab das gemacht, weil ich nicht will, dass ihr mir Reel wegnehmt“, protestierte Aiden wehement.

„Du kennst seinen Namen?“

„Natürlich kenne ich seinen Namen. Wir leben schließlich seit mehreren Monaten zusammen.“

„Warum eigentlich?“

„Was?“

„Warum hat er dich noch nicht getötet. Er hat ja sogar so viel riskiert nur um dich zu retten. Das entspricht nicht grade dem typischen Verhalten eines Rachedämons.“

„Reel ist ja auch kein typischer Rachedämon. Er beschützt mich. Das hab ich ja versucht zu erklären, aber euer toller Hohepriester hört ja nicht zu.“ Shizuka ignorierte Aidens sarkastischen Unterton, auch wenn ihr seine Respektlosigkeit ihrem Hohepriester gegenüber missfiel.

„Wie gesagt: er glaubt, deine Worte und Taten wären nur ein Produkt des dämonischen Einflusses.“ Aiden seufzte laut.

„Was mache ich denn, wenn Reel nicht mehr aufwacht?“ Shizuka sah ihn nachdenklich an. Sie war sich nicht sicher, ob Aidens seltsames Verhalten tatsächlich nur auf den Einfluss des Dämons zurückzuführen war, oder ob da doch etwas anderes hinter steckte.
 

„Das ist auch nicht das einzige seltsame“, überging sie seine Frage. „Der Dämon hat eine erhebliche Menge an Macht für dich geopfert. Von so etwas hab ich wirklich noch nie etwas gehört.“ Aiden horchte auf.

„Was meinst du mit 'Macht geopfert'?“

„Na als er deine Seele geflickt hat“, kam es wie selbstverständlich von Shizuka.

„Bitte WAS?“ Jetzt war Aiden vollends verwirrt.

„Also: Stell dir eine Seele als eine Art Glaskugel vor. Deine ist bei dem Exorzismus beschädigt worden, weil dein Dämon und du nicht richtig getrennt werden konnten.

Sie ist jetzt so fragil und kaputt, dass sie eigentlich zerbrechen müsste, aber der Dämon“

„Er heißt Reel“, korrigierte Aiden sie bissig.

„Reel hat einen Teil seiner eigenen Seele genutzt um deine zu retten. Ein Stück seiner Seele hat sich wie ein Schutzfilm um deine Glaskugel gelegt und die Risse repariert, die dich ansonsten zerstören und töten würden.“ Aiden rauchte der Kopf. Er brauchte ein wenig um all das zu verarbeiten.

„Aber wie...? Und... also... was?“

„Die Seele eines Menschen ist im Normalfall solide. Eine starre Kugel, die du nicht verändern kannst. Bei Personen mit sehr starker magischer Macht sieht das anders aus.“ Shizuka bemerkte Aidens verwirrten Gesichtsausdruck und machte eine kurze Pause, bevor sie nun mit ihrer Erklärung etwas ausholte.
 

„Magie lässt sich im Grunde genommen auf die Fähigkeit runterbrechen etwas zu manipulieren.

Elementarmagie manipuliert die Elemente. Man zwingt Feuer, Wasser, Erde oder Luft seinen eigenen Willen auf.

Derjenige, der dich verflucht hat, hat im Grunde genommen seine Magie genutzt um dich und Reel zu manipulieren und eure Existenzen aneinander zu binden. So weit verstanden?“ Aiden nickte zaghaft und Shizuka fuhr fort.

„Dein Dämon verfügt über eine große Menge magischer Macht.

Er kann seinen Schatten dazu manipulieren ihm eine feste Form zu geben – wie wir im Bannkreis beobachten konnten. Und ich bin mir sicher, ein Dämon mit seinem magischen Potential kann seine Opfer auch direkt manipulieren indem er ihren Körpern seinen Willen aufzwingen oder ohne Umwege gleich ihre Seelen angreift.“ Sie sah fragend zu Aiden, der unbewusst nickte. Er kannte Reels Fähigkeiten und das Wort „Manipulation“ fasste diese tatsächlich ganz gut zusammen.

„Wie es aussieht, ist er auch dazu fähig nicht nur seinen Körper sondern auch seine eigene Seele zu manipulieren und zu verformen.

Er ist quasi dazu in der Lage seine Glaskugel einzuschmelzen, einen Teil davon abzuspalten, ihn zu nutzen um deine Glaskugel zu reparieren und aus dem Rest wieder eine solide Kugel zu formen um selbst eine stabile Seele beizubehalten.

Auch wenn diese jetzt vermutlich kleiner und schwächer ist als zuvor.“

Aidens Kopf brauchte ein wenig um Shizukas Worten zu folgen und sie gab ihm diese Zeit, obwohl sie Aidens Unwissenheit doch sehr verwunderte.
 

„Auch sehr mächtige Magier haben diese Fähigkeit der Seelen-Manipulation. Aber sie ist ausgesprochen selten und sogar noch gefährlicher.

Deinem Dämon muss wirklich viel an dir liegen, wenn er ein solches Risiko auf sich nimmt, nur um dich zu beschützen.“

Ein geflüstertes „Ja“ war alles was Aiden hervorbrachte, so geistesabwesend war er momentan.

Er trug nun also einen Teil von Reels Seele in sich. Was bedeutete das für ihn? Ist er jetzt nicht mehr hundertprozentig menschlich? Was würde mit seiner Seele passieren, wenn er stirbt? Und was bedeutete diese Abspaltung für Reel?

„Sag mal, Shizuka. Woher weißt du das eigentlich alles?“

„Ich bin spirituell begabt. Darum lerne ich alles, was es über Magie zu lernen gibt.“

„Ich meine, woher weißt du, wie meine Seele aussieht?“

„Das ist einfach.“ Unverwandt legte sie eine ihrer kleinen Hände auf Aidens Stirn und die andere auf seine Brust direkt über seinem Herzen. „Wenn ich jetzt meine Energie von einer Hand in die andere fließen lassen, dann durchquert sie dabei ganz unwillkürlich deine Seele und lässt mich so basierend auf der Stromänderung ein Bild davon interpretieren. Quasi wie ein Seelen-MRT.“

Shizuka betrachtete Aidens verwirrtes Gesicht eine Weile bevor sie sich einen – für ihre Verhältnisse – unhöflichen Satz erlaubte.

„Für jemanden in deiner Position kennst du dich aber erheblich schlecht mit Magie aus. Es weiß doch jeder, dass die Seele irgendwo zwischen Kopf und Herz sitzt.“

„Wieso 'für jemanden in meiner Position'? Ich bin ein ganz normaler Schüler. Ich hab nichts mit Magie zu tun.“

„Aber du hast es doch geschafft einen ziemlich mächtigen Fluchdämon zu bändigen. Wie soll das denn ohne Magie funktionieren?“ Aiden spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg.

„Das... ähm... Reel kann mich halt einfach gut leiden. Das hat nichts mit Magie zu tun.“

„Das glaub ich dir nicht. Jemanden 'gut leiden können' heißt nicht, dass man seine gesamte Existenz für denjenigen aufs Spiel setzt. Schon gar nicht bei einem Rachedämon. Was für ein Ritual hast du verwendet? Welche Art von Magie du benutzt du um ihn zu binden?“

„Gar keine! Ich sagte doch: Ich beherrsche keine Zauberei. Wir sind nur...“

„Nur was? Na los. Raus damit!“ Doch Aiden lief nur weiter rot an und vergrub sich in seiner Bettdecke. Shizuka ging in der Zwischenzeit ihre geistigen Stichpunkte noch einmal durch, in der Hoffnung selbst auf eine Antwort zu kommen.
 

„Er hat ein beachtliches Opfer für dich gebracht.

Du sagst, er beschützt dich und wirst zur Tomate, wenn ich dich nach dem Grund frage.

Du hättest dich von dem Fluch befreien lassen können, hast aber lieber dein Leben riskiert um das zu verhindern. Dazu noch der Tränenausbruch als du dachtest, er wäre weg.“

„Verdammt. Reel und ich sind ein Paar, okay? Bist du jetzt zufrieden?“ Shizuka sah deutlich überrascht aus. Sie hatte diese Vermutung zwar auch schon gehabt, aber sie als kitschige Fantasie abgetan. Nach der anfänglichen Überraschung schlich sich nun ein wissendes Schmunzeln auf ihr Gesicht.

„DAS wiederum erklärt einiges.“

„Du findest das nicht... naja... seltsam?“ Aiden lugte mit noch immer rotem Kopf unter seiner Bettdecke hervor.

„Nicht wirklich. Ich könnte dir aus dem Stehgreif zwei Dutzend mythologische oder historische Beispiele für Beziehungen zwischen Menschen und Dämonen nennen. Auch wenn ich keine Geschichte kenne, in der sich ein Mensch einen Rachedämon ausgesucht hat. Überhaupt sind es eigentlich immer Dämonen erster Ordnung in den Geschichten.“ Shizuka stutzte über diese plötzliche Erkenntnis und revidierte ihre Aussage lieber noch einmal. „Naja gut. Vielleicht ist es doch ein bisschen seltsam“, gab sie nun zu und sah zu Aiden rüber, dessen Gesicht langsam wieder eine natürlich Farbe annahm.
 

„Dämonen erster Ordnung?“, fragte er etwas peinlich berührt angesichts seiner Unwissenheit.

„Wir bezeichnen Dämonen, die als solche geboren werden und einen eigenen physischen Körper haben, als Dämonen erster Ordnung. Sie sind im Grunde genommen eine eigenen Klasse von Lebewesen. Unser Schutzdämon Kanochowa gehört beispielsweise zu dieser Klasse.“

„Reel gehört nicht dazu. Richtig?“

„Genau“, bestätigte Shizuka und fuhr dann mit ihrer Erklärung fort. „Dein Dämon gehört zur zweiten Ordnung – auch Fluchdämonen genannt – die parasitär von anderen Lebewesen oder Orten leben. Stark vereinfacht ausgedrückt: Sie wurden durch einen Fluch zu Dämonen und waren vorher etwas anderes. Fluchdämonen können zuvor Menschen gewesen sein, die zu Lebzeiten verflucht oder im Moment ihres Todes von starken Gefühlen zerfressen wurden.

Ich vermute, dass dein Reel zu dieser Sorte gehört, oder?“ Aiden nickte bestätigend. Er kannte Reels Geschichte und wusste, dass dieser im Moment des Fluchs von unbändigem Hass und Rachegelüsten erfüllt gewesen war. Shizukas Erklärung machte also Sinn.

„Fluchdämonen können aber auch Tiere oder sogar Gegenstände gewesen sein, die über lange Zeit das Ziel starker Gefühle waren. Oder eben verflucht wurden.“

Aiden versuchte sich so viel wie möglich zu merken. Shizukas unglaubliches Wissen machte ihm seine eigene Ahnungslosigkeit schmerzhaft bewusst und jetzt wo er keine physischen Waffen zur Verfügung hatte, wollte er sich wenigstens mit Wissen bewaffnen so gut es ging.

Und Shizuka war wirklich eine umfassende und freigiebige Informationsquelle.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Da bin ich schon wieder. Und dieses mal sogar nur einen Tag zu spät :P
Dieses Kapitel war jetzt zugegeben sehr Dialog-lastig und das wird im nächsten Kapitel sogar noch ein bisschen schlimmer werden ^^" Wie das im 34.Kapitel aussieht, kann ich noch nicht sagen, weil ich das noch nicht geschrieben hab. Also lassen wir uns überraschen.
Ich hoffe euch hat dieses Kapitel trotzdem gefallen und wir lesen uns dann bald mal wieder.
Bis dahin: Bleibt gesund, passt auf euch auf und lasst euch nicht in Exorzismen verwickeln.
Tüdellü ^~^ Komplett anzeigen

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