Zum Inhalt der Seite

Cursed

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Stille Wasser

Am nächsten Morgen fand sich Aiden neben Lukas in einem Bussitz wieder. Er war müde und hatte wenig Lust auf den heutigen Ausflug. Lieber hätte er die Stadt oder den Tempel erkundet, anstatt den Vize-Chef einer erfolgreichen IT-Firma zu treffen, der irgendwie über tausend Ecken mit einem der Lehrer seines Internats verwand war.

Anfangs hatten Lukas' und sein Nerd-Herz bei der Aussicht auf diese Exkursion höher geschlagen, doch dann hatte man ihnen eröffnet, dass sie von den Platinen, die dort produziert wurden, nicht wirklich etwas zu sehen bekommen würden. Die Klasse würde sich bei ihrem Rundgang hauptsächlich mit der Geschäftsführung, der Personalabteilung und dem Marketing auseinandersetzten. War ja klar. Es war eben immer noch ein Wirtschaftsinternat. Was hatte Aiden erwartet?

Erfolglos versuchte er sich für die langweiligen Ausführungen und Fragerunden zu begeistern, bis sie gegen 15 Uhr endlich in die Stadt entlassen wurden.
 

Kaum hatte ihre Lehrerin die Einweisung beendet, stoben die Schüler in kleinen Gruppen von mindestens zwei Leuten auseinander. Sie hatten circa 4 Stunden zur freien Verfügung und niemand wollte auch nur eine einzige Minute davon verschwenden.

Lukas war prinzipiell ein Chaot, aber für diese Reise hatte er einen erstaunlich detaillierten Plan aufgestellt und so ließ Aiden sich von ihm zielsicher durch die Straßen ziehen.

Auf den Besuch in einigen Otaku-Läden, folgte eine Pause an einem Streetfood-Stand, an dem Lukas eine Runde Takoyaki ausgab, woraufhin sie den Rest ihrer Freizeit in einer Arcade verbrachten.

Am Abend fand sich die gesamte Klassenstufe dann wieder in ihrer Unterkunft und zum Abendessen ein.

Aiden rutschte bei letzterem dauerhaft nervös auf seinem Stuhl umher und Lukas versuchte mehrfach aus ihm herauszubekommen, was mit ihm nicht stimmte, doch Aiden wich ihm jedes mal aus.

Im Bad beeilte er sich, um noch vor Lukas fertig zu werden, damit dieser keine Fragen stellte. Anschließend flüchtete er sofort wieder in den Hinteren Teil des Onsens.

Als sie allein waren, löste Reel sich von seinem Körper und nahm sicherheitshalber seine menschliche Gestalt an.

„Tut mir leid, Reel“, entschuldigte sich Aiden, doch Reel schnappte sich einfach seine Hand und zog Aiden mit sich. Ungezwungen wanderten sie am Ufer des Sees entlang und genossen ihre Zweisamkeit. Er wollte Aiden den Urlaub keinesfalls madig machen, aber es fiel Reel unglaublich schwer sich so lange ruhig im Körper seines Sunshines zu verbergen und ihn nicht für sich allein zu haben.

Daher musste Aiden seinen Dämon schon fast dazu zwingen nach einer knappen halben Stunde endlich zum Gebäude zurück zu gehen, wo Reel ihn allerdings dreist festhielt und sich noch einige Küsse stahl.
 

Plötzlich bemerkte Reel Schritte, die sich eilig nährten. Er befürchtete schon, dass Lukas erneut seine Zweisamkeit mit Aiden stören würde, doch der Klang der Schritte schallte von einer anderen Richtung her.

Schnell schnappte er sich Aiden und beide verbargen sich im Schatten am Rand der Veranda. Von dort aus konnten sie beobachten, wie eine Gestalt über den Rasen zum See eilte. Die Person trug dunkle Kleidung und hatte sich die Kapuze ihres Sweatshirts tief ins Gesicht gezogen. Am Ufer des Sees kniete die Gestalt nieder und wandte den beiden stummen Beobachtern den Rücken zu, sodass diese nicht sehen konnte, was die unbekannte Person dort trieb.

Nach einigen Minuten erhob sich die Figur wieder, schaute sich verstohlen um und eilte dann wieder zur Seite des Onsens. Reel glaubte dabei eine helle – vielleicht sogar blonde – Haarsträhne unter der Kapuze hervorlugen zu sehen.

Nachdem die Gestalt verschwunden war, schlichen auch Aiden und Reel zum See, welcher unheilvoll in der Dunkelheit der Nacht glitzerte.

„Vielleicht hat sich jemand zum Rauchen rausgeschlichen“, vermutete Aiden, doch Reel hatte plötzlich ein ungutes Gefühl in der Nähe des Gewässers. Prüfend fuhr er die Ufersteine mit den Fingern entlang ohne dabei die dunkle Grenze zu überschreiten, welche das Seewasser auf die Steine zeichnete.

„Halt dich bitte von dem See fern, okay? Irgendwas hier macht mich nervös und ich bin nicht besonders scharf darauf, herauszufinden woran das liegt.“ Reel wirke besorgt und diese Sorge übertrug sich sofort auf Aiden. „Sei einfach vorsichtig. Okay, Sunshine?“ Schützend schlang Reel seine Arme um ihn und schenkte Aiden einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, bevor er ihn an die Hand nahm und sanft mit sich zurück zur Veranda zog.

Kurze Zeit später musste Aiden seinen eigenwilligen Dämon dazu zwingen sich wieder in seinen Körper zurückzuziehen, da er fürchtete Lukas könnte von seiner Neugier – oder seiner Sorge – überwältigt werden und ihn suchen kommen.
 

„Stellt euch bitte alle vor dem Gebäude auf“, wies die Lehrerin ihre Schüler am nächsten Morgen an, die ihrer Aufforderung lärmend folge leisteten.

„Hm... Nein. Die Sonne blendet“, stellte sie unglücklich fest.

„Wie wäre es vor dem See?“, schlug Mara freudig vor und ihre Idee fand regen Anklang. Schnell positionierten sich alle Schüler vor dem ruhigen Gewässer. So auch Aiden, als dieser plötzlich einen groben Stoß in die Rippen spürte.

Er stolperte einen Schritt nach hinten, wobei er mit dem Fuß an einem Stein oder dem Bein eines Mitschülers hängen blieb und ungebremst nach hinten stützte. Aiden hielt die Luft an, schloss die Augen und im nächsten Moment spürte er, wie das kühle Wasser des Sees über ihm zusammenschlug.

Instinktiv wollte er zurück an die Oberfläche schwimmen, als er plötzlich spürte, wie eine kalte Hand oder Klaue seinen Knöchel packte und ihn gewaltsam in die Tiefe zog. Aiden geriet in Panik. Verzweifelt versuchte er sich aus dem unnachgiebigen Griff zu befreien, doch der Bewohner des Sees riss ihn unaufhaltsam in die Tiefe.

Reflexartig griff Aiden unter sein Shirt und zog seinen Dolch hervor, den er nun verbissen über die Klaue seines Angreifers führte, doch dieser ließ nicht von ihm ab. Stattdessen bemächtigte sich nun eine zweite Klaue seines Unterschenkels und riss ihn noch aggressiver mit sich. Aiden drohte so langsam die Luft auszugehen, seine Lunge brannte und er fürchtete jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren.

Endlich waren sie tief genug um ungesehen zu bleiben, also löste sich nun der rettende, schwarze Nebel von Aidens Körper und bildete sich zu der Gestalt seines Dämons, der brutal Aidens Angreifer attackierte. Dunkles Blut zog sich in Schwaden durch das Wasser und die Griffe um Aidens Bein lösten sich endlich.

Aiden spürte noch die vertraute Berührung von Reels Hand, die sich schnell an seinen Knöchel legte, um sich wieder zu dematerialisieren, dann verbarg er hektisch seinen Dolch wieder unter seinem Shirt und ruderte anschließend mit den Armen um endlich wieder an die Oberfläche zu schwimmen. Dort angekommen schnappte er hustend nach Luft und kletterte unsicheren Schrittes aus dem Wasser. Klitschnass, mit verstörtem Blick und unter dem schallenden Gelächter seiner Mitschüler stand er am Ufer.
 

Verzweifelt versuchte er zu erklären, dass er gepackt und in die Tiefe gezogen wurde, doch erntete er darauf nur abschätzige Blicke und verhöhnendes Gelächter. Niemand glaubte ihm.

„Ein Seemonster... Na klar... Also langsam wird’s echt peinlich.“

„Jetzt geht sein Theater wieder los.“

„Na, das war doch Absicht.“

„Was für ein Freak. War Aiden schon immer so?“ Die Sprüche nahmen kein Ende und entfachten erneut das Feuer im Herd der Gerüchteküche.

„Und woher kommen dann die hier?“, fragte Aiden um seine Aussagen zu untermalen und deutete auf die blutigen Kratzer, die die Klauen in seinem Bein hinterlassen hatten.

„Ach, du hast dich bestimmt nur an ein paar spitzen Steinen aufgeschrammt“, tat seine Klassenlehrerin Aidens Einwand ab. Sie vermutete, dass ihr Schüler lediglich einen Schock hatte und daher auf so eine absurde Geschichte kam oder eben tatsächlich auf auf der Jagd nach Aufmerksamkeit ist. In dem Alter war das schließlich nicht unüblich.
 

Hilfesuchend sah Aiden zu seinem besten Freund, doch fand zu seiner Enttäuschung auch in Lukas' Augen nur skeptischen Unglaube und sofort bereute er, überhaupt die Wahrheit gesagt zu haben anstatt von Anfang an eine unschuldigere Lüge zu erfinden.

„Bestimmt hat sich Seegras oder sowas um dein Bein gewickelt. Kann doch sein“, versuchte Lukas ihn zu beschwichtigen. Er glaubte den Gerüchten nicht – dafür kannte er seinen besten Freund zu gut – aber Aidens Geschichte, von etwas gepackt und in die Tiefe gezogen worden zu sein, klang nun mal alles andere als glaubwürdig. Außerdem hatte Lukas in letzter Zeit mehrfach die Erfahrung machen müssen, dass Aiden nicht immer ehrlich zu ihm war und er bei Weitem nicht so viel über seinen besten Freund wusste, wie er geglaubt hatte.
 

Aiden gab es auf. Er entschuldigte sich bei seiner Lehrerin für die Umstände und bat darum den Ausflug dieses Vormittags ausfallen lassen zu dürfen um duschen zu gehen. Widerwillig hatte diese ihm die Erlaubnis erteilt und war mit dem Rest der Klasse aufgebrochen.

Aiden lief in den Onsen zurück, wo er sich schnellstmöglich seiner durchnässten Kleidung entledigte. Eigentlich wäre er gern in die heiße Quelle gestiegen, aber aufgrund seines Fluchmals war es ihm leider nicht erlaubt. Tattoos galten als Zeichen der Yakuza – der japanischen Mafia – und waren daher in japanischen Bädern strengstens verboten. Also musste Aiden sich mit einer gewöhnlichen Dusche zufriedengeben.

Erst als er anschließend wieder in seinem 10er-Zimmer ankam, war es für Reel sicher sich wieder von Aidens Körper zu lösen ohne Gefahr zu laufen von fremden Augen beobachtet zu werden.

Sofort griff er nach Aiden, schlang seine Arme um ihn und drückte den kleineren Körper fest an sich.

Er hatte Aidens anhaltende Nervosität die ganze Zeit über spüren und nicht wirklich mindern können. Hecktisch hämmerte sein Herz gegen dessen Brust und Aiden klammerte sich haltsuchend an seinem Dämon fest. So nah wie in diesem See war Aiden dem Tod noch nie gewesen und das hinterließ seine Spuren.

Beruhigend strich Reel ihm über den Rücken und erkundigte sich nach seinem Zustand. Vorsichtig begutachtete er die hässlichen Kratzer auf Aidens Haut. Sie waren nur oberflächlich und bluteten kaum, aber es gefiel Reel überhaupt nicht, dass jemand oder etwas anderes als er selbst Zeichen auf seinem Liebsten hinterließ.

„Soll ich dich heilen?“, fragte er daher mit sanfter Stimme, doch Aiden verneinte energisch.

„Nein! Ich will nicht, dass du mich alleine lässt!“ Ängstlich klammerte er sich noch fester an Reel und dieser schloss ihn seinerseits enger in die Arme.

„Ist ja schon gut. Ich lass nicht zu, dass dir was passiert“, versicherte er dem verstörten Aiden und versuchte ihn wieder zu beruhigen, doch dieser krallte sich verbissen in Reels Shirt fest und flüsterte nur.

„Reel? Ich hab Angst. Dieses Mal dachte ich wirklich ich muss sterben.“

„Das würde ich nie zulassen“, kam Reels sanft geflüsterte Antwort. „Du gehörst mir und ich erlaube es niemandem dich mir wegzunehmen.“ Aiden wusste, dass das Reels Art war ihm zu sagen, dass er ihn beschützen würde, und es entlockte ihm ein leichtes, beruhigtes Schmunzeln.

Nachdem Aiden seine innere Ruhe halbwegs wiedergefunden hatte, desinfizierten und verbanden sie seine Kratzer, um das Eindringen von Dreck und ähnlichem zu verhindern.
 

Nachdem das geschafft war, liefen sie ein weiteres Mal zu dem unheilvollen See. Er glitzerte unschuldig in der Sonne des Vormittags, doch Aiden und Reel verspürten beide dasselbe Unbehagen in der Nähe des Gewässers. Alles wirkte völlig normal, doch Reel konnte den schwachen aber unverkennbaren Geruch von Blut wahrnehmen – allerdings nicht Aidens Blut, dessen Geruch und Geschmack er überall wiedererkennen würde. Nein, dass hier war nicht einmal menschlich.

Was auch immer Aiden angegriffen hatte, war magischer oder dämonischer Natur und Reel hatte es schwer verwundet. Viel mehr Sorgen bereitete ihm allerdings die Gestalt vom Vorabend, die diesen Angriff höchstwahrscheinlich zu verantworten hatte.

„Sunshine, ich weiß das ist jetzt unsensibel und dass du es nicht hören willst“, begann Reel mit ruhiger Stimme. „Aber ich fürchte meine anfängliche Vermutung Mara betreffend war doch nicht ganz unberechtigt.“ Aidens Miene verfinsterte sich schlagartig und seine Antwort fiel entsprechend gereizt aus.

„Wieso? Warum sollte sie was damit zu tun haben? Alles, was wir gesehen haben, war eine Person in dunkler Kapuzenjacke, die nachts am See war.“ Reel konnte Wut in sich hochkochen spüren, doch er schluckte sie runter und sprach bemüht beherrscht.

„Korrigiere. Wir haben eine Person gesehen, unter deren Kapuze blonde Haare hervorlugten, und nur wenig später wirst du in den See gestoßen und von einem Wasserwesen in die Tiefe gerissen.“

„Mara ist nicht die einzige Blondine in unserer Klassenstufe. Außerdem könnte die Person ja auch gar nichts mit dem Angriff zu tun gehabt haben. Das weißt du nicht!

Nicht alles Schlimme, was passiert, muss immer zwingend auf einen bösen Magier zurückzuführen sein.“ Reel fiel es mit jedem Wort, das Aiden aussprach, schwerer seinen aufkommenden Zorn ob Aidens Ignoranz Mara gegenüber zu unterdrücken. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er konnte spüren, wie seine Fingernägel sich in seine Handflächen bohrten.

Aidens schützendes Verhalten für das Mädchen reizten ihn ungemein und so bemächtigte sich ganz unwillkürlich ein unterschwelliges Knurren seiner Kehle und seine Stimme wurde immer lauter.

„Aiden, daran glaubst du ja wohl selbst nicht! Wie wahrscheinlich ist es denn, dass das nur ein gewöhnlicher Unfall war? Mach deine hübschen Augen auf! Mit dem Mädchen stimmt was nicht! Sie ist viel zu gefasst, dafür dass sie bereits auf mich getroffen ist, wenn ich schlecht drauf bin und sie ist auffällig oft in der Nähe, wenn du in einen Anschlag verwickelt wirst. Irgendwas versteckt sie, das spüre ich.

Bei Valefar, warum verteidigst du sie eigentlich? Sie hat dich stehen lassen, ignoriert dich seit Wochen und ist bestimmt auch an den Gerüchten, die über dich kursieren, nicht ganz unbeteiligt. Liebst du sie etwa immer noch so sehr?“

Nun platzte auch Aiden der Kragen.

„Aha! DAS ist es also! Du bist eifersüchtig und vermischt deshalb dein Feindbild von Mara mit dem der Magier, damit du eine Ausrede hast um sie zu hassen.“ Reel blieben die Worte im Hals stecken. Er wusste selbst nicht, ob es daran lag, dass Aiden eventuell einen Nerv getroffen hatte oder an seiner Enttäuschung darüber, dass Aiden tatsächlich immer noch Gefühle für das Mädchen zu hegen schien.

Wütend biss er die Zähne zusammen um nicht doch noch etwas zu sagen, was die Situation nur schlimmer machen würde. Grob packte er Aiden am Handgelenk und zog sich in dessen Inneres zurück, wo er sich beleidigt hinter seinen Mauern verschanzte.

Er verstand einfach nicht, wie Aiden so Ignorant gegenüber Maras verdächtigem Verhalten sein konnte. Allerdings war er sich selbst nicht sicher, ob in seinen Verdacht nicht doch auch eine gewisse Eifersucht reinspielte. Aber eifersüchtig auf ein kleines Mädchen? Nein. Aiden gehörte ihm und das würde auch so bleiben. Da war Reel sich sicher.
 

Aiden wollte am liebsten schreien. Er hasste es, wenn Reel einfach aus Situationen flüchtete, sobald sie unangenehm für ihn wurden. So konnte er nie vernünftig mit ihm streiten und solche Dinge ausdiskutieren. Unterdrückt fluchte Aiden vor sich hin, als sein Blick plötzlich auf eine Miko traf, die ein gutes Stück entfernt am Seeufer kniete und besorgt ins Wasser starrte. Sie schien ihren Streit und Reel unmenschliches Verhalten überhaupt nicht bemerkt zu haben, sondern konzentriert sich ausschließlich auf das Gewässer vor ihr.

Aiden beobachtete das Mädchen einen kurzen Moment lang, unsicher wie er sich verhalten sollte, als sie sich unvermittelt umdrehte und Aiden mit einem so anklagenden Blick direkt in die Augen sah, als hätte sie ihn soeben bei einem Mord beobachtet. Dieser durchdringende Blick löste in Aiden ein solches Unbehagen aus, dass er sich nur knapp in gestottertem Japanisch bei der jungen Frau für die Störung entschuldigte und dann schnellen Schrittes zum Onsen lief.

Aiden zog sich in das Zimmer zurück und versuchte sich mit seinem Handy abzulenken. In sich konnte er seine eigene und auch Reels Wut kochen spüren, was es ihm sehr schwer machte sich auf seine Nachrichten zu konzentrieren.
 

Pünktlich zum Mittagessen fand sich Aidens Klasse wieder in der Unterkunft ein. Lukas warf ihm einen besorgten Blick zu und traute sich kaum seinen besten Freund anzusprechen.

„Alles okay? Bist du so wütend auf mich, wegen vorhin?“ Aiden sah ihn verwirrt an.

„Was? Nein. Wie kommst du darauf?“

„Du hast einen Blick drauf als würdest du am liebsten jemanden abstechen.“ Auf Aidens Verwirrung folgte ein resigniertes Seufzen.

„Ja, aber das ist nicht deine Schuld.“ Lukas wollte erfragen was passierte war, aber sein Gefühl sagte ihm, dass Aiden ihn dahingehend wohl wieder nur anlügen würde. Aiden ließ unterdessen seinen Blick durch den Raum wandern und ganz unwillkürlich blieb er an Mara hängen. Ihre Haare waren wie immer geflochten, aber sie wirkten heute weitaus weniger verspielt als sonst, wie Aiden nun bemerkte.

„Sag mal, Lukas. Ist dir in letzter Zeit etwas seltsames an jemandem aus unserer Klassenstufe aufgefallen?“, fragte Aiden möglichst beiläufig.

„Du meinst abgesehen von dir?“, konterte Lukas mit einer etwas gereizten Mischung aus Resignation und Enttäuschung, doch Aiden war mit seinen Gedanken so weit weg, dass er Lukas' leicht anklagenden Unterton gar nicht bemerkte.

„Ich dachte eher an... ich weiß nicht... Mara vielleicht?“ Nun war Lukas maximal verwirrt.

„Was?“ Er starrte Aiden so ungläubig an, als hätte dieser sich grade vor seinen Augen in einen Vampir verwandelt.

„Ach vergiss es. Ist ja auch egal“, ruderte Aiden wieder zurück und schüttelte abwinkend den Kopf, während er sich wieder seinem Essen zuwandte.
 

Am Ausflug des Nachmittags konnte Aiden teilnehmen und sich endlich ein Bild von der Gegend machen. Zwar wanderte sein Blick immer wieder prüfend zu Mara, aber dennoch ebbte Aidens Ärger so langsam ab und ermöglichte es ihm die Reise mehr zu genießen.

Auch Reel beruhigte sich so langsam wieder, doch er blieb weiterhin besonders aufmerksam. Egal, ob das Mädchen nun die mörderische Hexe war oder nicht, Reel würde nicht zulassen, dass ein weiter Anschlag seinen Liebsten so nah an den Tod brachte.

Aiden strafte ihn konsequent mit Schweigen, welches er erst am späten Abend brach. Die meisten Schüler hatten sich mittlerweile wieder in ihren Zimmern eingefunden, als Aiden endlich mit einem schuldbewussten Seufzen aufstand, sich bei Lukas mit einer Ausrede entschuldigte und nach einem ruhigen Ort im abendlichen Onsen suchte.

Er hatte Reel versprochen ihn nicht anzuschweigen und er wollte dieses Versprechen nicht länger brechen.

Der vertraute, schwarze Nebel löste sich aus seinem Körper und verdichtete sich einen guten Meter entfernt von Aiden zu Reels Gestalt, der ihm einen unschlüssigen Blick zuwarf.
 

Er wollte etwas sagen, aber schloss seine Lippen dann doch wieder um den Spieß einmal umzudrehen. Auch er konnte Schweigen und das tat er nun demonstrativ.

Aiden verstand diesen Wink sofort und sein schlechtes Gewissen meldete sich abermals.

„Entschuldige. Ich weiß, ich hab Mist gebaut, aber...“ Doch da würgte Reel ihn auch schon ab.

„Kein 'Aber'! Du hast Mist gebaut! Du hast dein Versprechen mir gegenüber gebrochen. Du hast mich angeschrien und du hörst mir nicht mal richtig zu, obwohl du genau weißt, dass meine Wahrnehmung schärfer ist als deine.

Und das alles nur aus Sturheit. Ich dachte immer ich wäre der Eigensinnigere von uns beiden.“

Die braunen Augen seines Liebsten sahen ihn erschrocken und etwas verletzt an.

Verdammt, warum schaffte es Aiden immer wieder, dass Reel sich schuldig fühlte, obwohl er doch jedes Recht hatte sauer zu sein. Oder war er jetzt doch wieder zu laut geworden oder zu weit gegangen? Ach bei Valefar, wenn es um Aiden ging verlor er einfach jegliche Kontrolle über seine Emotionen.

Resigniert seufzte er und versuchte seine Gedanken noch einmal etwas feinfühliger auszudrücken.

„Hör zu, Sunshine. Ich hab das alles nicht gesagt um dir wehzutun oder um dich zu kränken. Ich liebe dich und ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustößt nur weil ich meine Intuition ignoriert und dir nicht von meinen Vermutungen erzählt habe. Ich hab einfach Angst dich zu verlieren.“

Aiden biss sich frustriert auf die Lippe, doch er sah ein, dass Reel recht hatte.

„Ich weiß. Tut mir leid. Es ist nur... ich kenne Mara seit meinem ersten Jahr am Internat und ich hab sie immer angehimmelt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie so etwas Schreckliches tun würde. Ich WILL es mir nicht vorstellen. Das Bild, das ich von ihr habe, darf einfach nicht vollkommen falsch sein – das will ich nicht.“ Aidens Blick sank gen Boden. Reel überwand indessen die Entfernung zwischen ihnen und fuhr Aiden aufmunternd durch die Haare.

„Vielleicht ist sie auch gar nicht diejenige, die mich beschworen hat.

Aber sie weiß auf jeden Fall mehr, als sie uns glauben lässt. Tatsächlich würde es für eine mordlüsternde Hexe wenig Sinn machen, dir das Armband mit den Schutzsiegeln zu schenken. Und ihre Reaktion, als sie mich damals auf dem Dach gesehen hat, war auch zu... unprofessionell für eine Hexe die fähig und kaltblütig genug wäre um einen Mitschüler zu verfluchen.

Trotzdem möchte ich, dass du ihr gegenüber vorsichtiger bist. Ich traue ihr keinen Meter weit über den Weg.“ Aiden wollte kurz etwas erwidern, entschied sich jedoch dagegen. Stattdessen schlang er lieber die Arme um seinen Dämon und lehnte sich an ihn.

„'Tschuldige, dass ich nach unserem Streit nicht mit dir gesprochen hab. Dabei hab ich dir versprochen, sowas nicht mehr zu machen.“

„Richtig. Dafür wollte ich mich eh noch rächen.“ Reel griff sanft unter Aidens Kinn und zog mit der anderen Hand sein Shirt zur Seite. Der Knutschfleck, den Reel nun auf Aidens Schlüsselbein platzierte, war für seine Verhältnisse recht dezent und dankbarerweise so gelegen, dass Aiden ihn ohne größere Probleme unter dem Kragen seines T-Shirts verstecken konnte.

Aiden verbarg sein resigniertes Schmunzeln an Reels Brust. Klar – wenn Aiden sich nicht an seine Versprechen hielt, dann würde Reel das erst recht nicht tun. Da konnte Aiden seinem Dämon nicht mal böse für sein.

Ein paar Minuten genoss er noch seine Nähe, dann löste er sich aus Reels Armen, gab ihm einen flüchtigen Kuss und wartete bis er dematerialisierte. Reel konnte es kaum erwarten wieder abzureisen und endlich wieder mehr Zeit mit Aiden allein zu haben, doch für den Moment würde er sich gezwungenermaßen mit ein paar abendlichen Minuten zufriedengeben müssen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Heyho. Das ist jetzt das letzte Kapitel, das ich vorbereitet habe.
In der nächsten Zeit werde ich leider auch nicht groß zum Schreiben kommen (böse Uni) und muss Cursed daher für ein paar Wochen pausieren. Eventuell erscheint ab und an mal ein Kapitel, wenn ich unerwarteter Weise doch eins fertig kriegen sollte.
Wenn der Stack of Work abgearbeitet ist, dann erscheinen die Kapitel (hoffentlich) wieder in gewohnter Regelmäßigkeit.
Danke für eure Geduld und bis bald. Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück