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Schatten über Kemet

von

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17. Kapitel

„Du willst mit Mokuba mitten in der Nacht jagen gehen?“ Sets Ton hätte geringere Männer dazu gebracht, ihr komplettes Leben zu überdenken. Atem hing diese aggressive Frage zum Glück „nur“ im Kopf, während die kleine Jagdgesellschaft Richtung Nil aufbrach.

 

Unbeeindruckt hatte Atem geantwortet: „Hasen sieht man tagsüber selten, aber nachts kommen sie heraus. Es wird Zeit, daß Mokuba seinen Bogen einweiht, indem er mal auf lebende Beute schießt und nicht nur auf Zielscheiben.“

 

Die Jagd war noch nie Sets Metier gewesen. Es war eine der wenigen Sachen, bei denen Atem nicht ständig in Konkurrenz zu seinem ehrgeizigen Vetter stand und so hatte Set schließlich nachgegeben, damit Mokuba seine Fähigkeiten mit dem Bogen verbessern konnte. Schließlich war es nie schlecht, zu wissen, wie man sich Essen beschaffen konnte.

 

Mokuba, der sich vor dem Ausflug noch hingelegt hatte, saß nun fröhlich auf seinem Pferd und ritt neben Atem her, während er ein bißchen von seinem Bestienzähmer-Unterricht erzählte. Sets Ausfall aber verschwieg er typischerweise. Dafür fiel Manas Name häufig, untermalt mit rosigen Wangen, oder Yugis mit einem kleinen Grinsen und einem verschwörerischen Blick zu Atem.

Der ließ Mokuba einfach reden, hörte zu und genoß es, mal Zeit mit seinem kleinen Vetter außerhalb des Palastes zu verbringen.

 

„Sag, Atem, zeigst du mir, wie man Hasen jagt?“ erkundigte Mokuba sich plötzlich, während er ihre Begleiter studierte, mehrere kampferprobte Soldaten.

 

„Natürlich. Das ist der Plan!“ Atem lachte. „Was? Dachtest du, ich überlasse das jemand anderem?“

 

Mokuba lächelte befreit. „Mein großer Bruder sagt immer, du hast so viel zu tun…“

 

„Dann wäre ich aber zuhause geblieben und nicht heute mit dir ausgeritten.“ Atem schützte seine Augen mit einer Hand und blinzelte. Sattes Orange zierte Nuts Leib über dem Nil. Ra würde bald in der Unterwelt angekommen sein. „Außerdem will ich auch mal wieder mit dir Zeit verbringen, ohne daß Set hinter uns aufragt wie ein düsteres Felsmassiv.“

 

Mokuba lachte. „Du bist gemein!“

 

„Er nimmt sich trotzdem zu ernst.“ Atem lenkte sein Pferd vorsichtig eine Sanddüne hinunter und wartete dann, bis Mokuba zu ihm aufgeschlossen hatte.

 

Gemeinsam ritt die Gruppe noch ein Stück nilaufwärts. Hier sollte es gerade eine große Kolonie an Hasen geben, die sich etwas zu gut vermehrte für den Geschmack der lokalen Bauern. Natürlich jagten diese die langohrigen Schädlinge auch selbst, aber es blieben dennoch genug übrig, daß Mokuba heute sein Glück versuchen konnte.

 

Zwischen Feldern und dem Nil schlug die kleine Jagdgesellschaft nun ihr Lager auf. Zwei einfache Zelte, eines für Atem und Mokuba, eines für die Soldaten, sollten ihnen in der Nacht Schutz und Ruhe bieten.

Mokuba war mit Feuereifer bei der Sache und half genauso wie Atem beim Aufbau und beim Ausheben einer Kuhle für ein wärmendes, Tiere abschreckendes Feuer.

Sie wurden gerade fertig, als Ras letztes Licht verlosch und unzählige Juwelen auf Nuts nun dunkelblauen Leib zu funkeln begannen.

 

Atem überprüfte ein letztes Mal seinen Bogen, dann legte er sich den Köcher um. „Bist du bereit, Mokuba?“

 

Der nickte und hob seinen eigenen Bogen. „Ich hoffe, ich schaffe das. Ich hab noch nie auf ein Tier geschossen.“

 

Atem betrachtete Mokubas unschlüssiges Gesicht und wuschelte dann seinem kleinen Vetter durch das lange, schwarze Haar. „Ehre deine Beute, Mokuba, und ehre die Götter, die sie uns verschaffen. Es liegt keine Schlechtigkeit darin, zu töten um zu essen. Nur hüte dich vor der Verführung der Mordgier. Töte nicht um des Tötens willen. So ist das Gesetz der Götter.“

 

„Du hast letztens einiges mehr gejagt als sonst“, erinnerte Mokuba Atem an dessen letzten Jagdausflug. „War das keine Mordgier?“

 

„Ich gebe zu, die Herausforderung hat mich angetrieben, aber kein Stück Fleisch wurde verschwendet, genauso wenig wie die Federn. Hätte ich die Vögel liegen gelassen, dann wäre ich in der Tat schuldig.“ Atem legte eine Hand auf Mokubas Schultern. „Komm.“ Dann blickte er nach hinten und nickte zwei Soldaten zu. „Die anderen bleiben beim Lager.“

 

Zu viert verließen sie also die Zelte und nach einer Weile auch die bebauten Felder. Unter Nuts dunklem Körper lagen Fluß und Land wie unter einer weichen Decke. Frösche quakten, Grillen zirpten. Aus der Ferne drang ab und zu ein leises Muhen aus den Ställen der Bauern.

 

Atem blieb neben Mokuba. Der blickte sich die ganze Zeit suchend um. Ab und an war einer ihrer Schritte lauter und Mokuba zuckte jedes Mal zusammen.

Da raschelte es. Hinter einem dünnen Busch bewegte sich etwas! Atems Augen hatten sich inzwischen an das Dunkel gewöhnt. In Thots Licht hüpfte ein Hase hinter der Pflanze hervor. Ein ordentlicher Brummer, sicher ein Rammler.

Atem bedeutete allen, leise zu sein. Wenn der Rammler sie bemerkte, würde er vor seiner Flucht alle Hasen der Umgebung warnen und dann konnten sie gleich anfangen, wilde Lagerfeuerlieder zu gröhlen.

 

Atem hob seinen Bogen und zog einen Pfeil aus seinem Köcher. Er legte diesen an und zog dann die Sehne bis hinter sein Ohr zurück. Er fixierte den Rammler, der noch immer vor dem Busch saß. Noch witterte das Tier sie nicht.

Einen Moment war alles still, alles richtete sich nur auf Atem aus und den Hasen. Auf Bogen und Pfeil als ihrer beider Verbindung. Atems Hände waren ruhig. Dann sauste der Pfeil sirrend von der Sehne. Ein kurzes, leises Quieken und der Hase sackte in sich zusammen.

 

„Komm“, murmelte Atem Mokuba zu und gemeinsam näherten sie sich ihrer Beute, die sich nicht mehr rührte.

„Töte schnell und gründlich. Laß kein Tier leiden“, erklärte er Mokuba, als er den schweren Hasen an den Ohren aufhob. Er zog den Pfeil aus der Brust des Tieres und reichte ihn an einen Soldaten, den Hasen an den zweiten.

 

Mokuba nickte. „Darf ich es als nächstes versuchen?“ erkundigte er sich wispernd.

Atem nickte als Antwort. Ruhig schlichen sie weiter.

Mokuba bewegte sich nun gleichmäßiger, sein Blick glitt systematisch über den Boden, sein Atem war ruhiger.

 

Ein erneutes Rascheln ließ sie anhalten. Der Hase dieses Mal war noch unvorsichtiger. Er saß offen auf dem Feld, mümmelte und schien nichts zu beachten außer der Pflanze vor sich.

 

Mokuba suchte sich einen besseren Stand, dann legte er den Pfeil an die Sehne und zielte sorgfältig. Die steile Falte zwischen seinen Augen, die zusammengepreßten Lippen, die konzentrierten Atemzüge sprachen davon, daß er seinen Geist auf sein Ziel fokussierte. Kaum sirrte die Sehne, sprang der Hase hakenschlagend davon. Sand und Dreck wirbelten auf und in die Ruhe der Nacht mischte sich schnelles Rascheln.

 

Mokuba ließ den Bogen sinken. „So ein Dreck.“ Er starrte auf den Pfeil, der an der Stelle stakte, an der eben noch der Hase gesessen hatte.

 

„Der Wind muß gedreht haben“, meinte Atem und überprüfte das gleich mit einem feuchten Finger.

 

„Und was jetzt?“

 

„Warten, Mokuba. Wir müssen unseren Weg ändern und warten, bis die Tiere sich wieder beruhigt haben.“

 

„Dann hol ich mal meinen Pfeil.“ Seufzend trottete Mokuba durch das silbern beschienene Gras.

 

Atem blickte ihm mitfühlend nach. Er konnte sich gut vorstellen, daß Mokuba gerade erneut dachte, er hätte versagt. Dabei passierte es jedem Jäger, daß ihm die Beute entwischte. Tiere waren nun mal viel feinfühliger als Menschen. Vielleicht hatte auch ein Gott entschieden, daß genau dieser Hase nochmal wichtig werden würde, gebraucht würde. Niemand konnte das beeinflußen, nicht mal Atem als Sohn der Götter.

 

Mokuba zog gerade den Pfeil aus dem Boden, da teilte sich das Gras vor ihm.

Atem wurde eiskalt, dann riß er sein Diaha Diank hoch. Das also hatte den Hasen verscheucht! „Fluch des Drachen, zeige dich!“

 

Mokuba starrte in das Gesicht eines Leoparden, der zornig fauchte. Beide bewegten keinen Muskel. Plötzlich holte der Leopard mit der Tatze aus und…

 

„Dazwischen!“ befahl Atem und das gelbe Wesen mit dem insektenartigen Leib warf sich in den Kampf.

Doch bevor der Schlag des Leoparden Mokuba treffen oder der Drachen diesen abwehren konnte, barst goldenes Licht hervor.

 

Atem mußte seine Augen schützen, ebenso die Soldaten, die zu Mokuba gestürzt waren. Ein wunderschöner Gesang erklang und der Leopard schrie auf, als hätte er sich verbrannt.

 

Mokuba sank zu Boden und Atem stürzte sofort zu ihm. Vor ihnen schwebte eine leuchtende hochgewachsene Gestalt mit langem, blonden Haar, angetan mit einem wallwenden grünen Gewand. Ihre Haut schimmerte bläulich und je weiter sie sang, desto kräftiger fühlte Atem sich.

 

Mokuba starrte sie an, dann lächelte er. „Heilige Elfe“, wisperte er, bevor ihm die Augen zufielen. Wenig später verblaßte auch die ätherische Gestalt und die letzten Noten ihres Liedes verklangen in der Nachtluft.

 

Atem preßte Mokuba an sich. Er fühlte sich, als hätte er einen Tempel gestemmt, so sehr zitterte sein Körper. „Ich bin stolz auf dich“, flüsterte er seinem kleinen Vetter zu. „Sehr stolz.“ 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Duchess
2018-06-02T05:39:16+00:00 02.06.2018 07:39
Hallo ^^

ich bin auf die FF erst vor kurzem aufmerksam geworden und auch glücklicherweise noch lange nicht durch.
Da ich selbst wahnsinnig gerne historische Romane übers alte Ägypten lese, freut es mich umso mehr wie gut hier die Yugioh Charaktere und die Monster als Ka-Bestien sich in den Kontext eines historischen Romans einschmiegen. Und das auch noch trotzdessen, dass hier eine gehörige Portion Fantasie mit einspielt.

Was die Story selbst angeht bin ich schon wahnsinnig gespannt was mich in den nächsten Kapiteln noch erwarten wird.
Bisher ist es schlicht fesselnd und der allmählich ansteigende Gesamtaufbau mit diesem hier plötzlichen Knall gefällt mir extrem gut <3


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