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Schatten über Kemet

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe jetzt auch einen Account auf AO3: http://archiveofourown.org/users/XMoonprincessX/works
Danke für die Aufmerksamkeit. Komplett anzeigen

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5. Kapitel

Am nächsten Morgen war Yugi gerade aufgestanden, als er eilige Schritte auf dem Gang vor seinem Zimmer hörte. Gerade als er nachsehen wollte, was los war, kam auch schon sein Großvater hereingestürzt, zwei Dienerinnen direkt auf seinen Fersen.

 

“Großvater! Was ist geschehen? Geht es dir gut?” Yugi faßte ihn bei den Schultern und musterte ihn eindringlich, als könne er allein durch seinen Blick jedes Übel aufdecken, das seinen Großvater plagen konnte. Der schwarze Schatten am Nachthimmel geisterte erneut durch seine Gedanken.

 

“Ja, Yugi. Sei unbesorgt. Es ist nur so plötzlich...” Großvater blickte auf Yugis schlichten Schurz, dann auf die Truhe am Fußende des Bettes. “Und wir haben nichts, um dich passend einzukleiden.”

 

“Wie bitte?” Yugi traute seinen Ohren nicht. “Was meinst du mit einkleiden? Ich bin doch schon angezogen.”

 

Yugis Großvater winkte eine der Dienerinnen herbei. Sie hielt zwei prächtige Gürtel in Händen, viel zu breit für Yugis schmale Hüften.

 

“Wir werden ihn wohl zweimal umwickeln müssen. Rot oder blau?”

 

“Großvater, was geht hier vor?” Yugi versuchte, vor der ersten Dienerin zurückzuweichen, aber er stieß mit dem Rücken gleich darauf an die zweite. Diese legte ihm ohne weitere Warnung einen schweren Halskragen um. Yugi blickte an sich hinab und Gold und Lapislazuli funkelten im ersten Licht Ras.

 

“Der Pharao will dich sehen. So schnell wie möglich. Ich kann dich nicht in deinen alltäglichen Schürzen gehen lassen. Du mußt deinen besten Schendit anziehen und dich etwas präsentabel machen. Hast du dich schon gewaschen?”

 

Auf sein Kopfschütteln hin wurde ein erstarrter Yugi von seinem Großvater zu seiner Waschschüssel geschoben. “Dann erledige das zuerst. Mädchen, seinen Schendit und wir nehmen den blauen Gürtel. Das paßt zum Kragen.”

 

Der Pharao? Was konnte der Pharao nur von Yugi wollen? Genau diese Frage stellte Yugi seinem Großvater wenig später als sie schnellen Schrittes durch die Gärten marschierten. An Yugis Oberarmen blitzten nun goldene Reifen und an seinen Fingern Ringe. Yugis Haar lag glänzend von Öl am Kopf an und um Yugis Hüften lag der blaue Gürtel, an dem goldene Schutzamulette herabhingen, die bei jedem Schritt klirrend aneinander stießen. Dazu noch der Kragen und Yugi kam sich reichlich lächerlich vor. 

 

“Das weiß ich genauso wenig wie du. Er sagte lediglich, daß er dich so schnell wie möglich heute früh sehen will. Ich muß unbedingt Sorge tragen, daß du in Zukunft für solche Anlässe passende Kleidung und Schmuck besitzt.”

 

Yugi lachte ungläubig. “Daß er mich überhaupt sehen will, ist schon eine große Ehre.” Und ein Grund für Yugis Herz mit Macht gegen die Rippen zu trommeln. “Ich kann mir nicht vorstellen, daß mir diese Ehre öfters zuteil werden könnte.”

 

“Das kannst du nicht wissen. Es ist besser, vorbereitet zu sein.” Der Großvater blickte aus den Augenwinkeln zu Yugi. “Denk dran: Du darfst dem Pharao nicht ins Gesicht sehen, ja, dich nicht einmal erheben, solange er es dir nicht ausdrücklich gestattet. Sprich ihn immer als Majestät an oder Lebender Horus. Sprich ihn nicht an, bevor er nicht dich zuerst angesprochen hat. Unser Pharao ist sehr gütig, aber sei dennoch so streng wie möglich mit dir selbst.”

 

“Mir käme nie etwas anderes in den Sinn! Er ist der Sohn Ras, wie könnte ich es auch nur wagen, daran zu denken, ihn auch nur ansatzweise zu beschämen?” Yugi blickte an sich hinunter. “Ich komme mir nur so furchtbar fehl am Platze vor in dieser Kleidung und... in den Privatgemächern des Pharaos. Ich weiß wirklich nicht, was er von mir will.”

Sie betraten den Palast. Yugi fand keine Muße, sich umzusehen und er nahm so nur kurze, schnelle Eindrücke mit: Gold, Wandgemälde, eine schwarze Statue...

 

“Hm, vielleicht hat Mana ihm von ihrer Begegnung mit dir berichtet. Du mußt wissen, sie sind zusammen aufgewachsen, nachdem Mana...” Yugis Großvater unterbrach sich. “Das würde jetzt zu weit führen. Jedenfalls sind sie die besten Freunde und Manas Erzählung könnte die Neugierde des Pharaos geweckt haben.”

 

“Du meinst, er will sehen, ob ich geeigneter Umgang für seine Kindheitsfreundin bin?” Yugi konnte nicht anders, aber dieser Gedanke ließ ihn lächeln.

 

“Gut möglich.” Yugis Großvater verlangsamte seine Schritte und Yugi paßte sich dem an. Vor ihnen lag ein großer Raum. Eine riesige Statue des Horus, beschlagen mit Gold und besetzt mit Juwelen, nahm die Mitte ein, eine Erinnerung an die Strafe der Götter, die jeden Frevler niederstrecken würde. Hinter der Statue konnte Yugi mehrere Wachen erkennen, allerdings nicht seinen neuen Freund.

 

“Ich kann dich leider nicht hineinbegleiten, mein Junge. Sei einfach respektvoll und ehrerbietig und ich bin mir sicher, der Pharao wird nichts an dir zu beanstanden haben”, flüsterte Yugis Großvater leise und tätschelte Yugis Schulter. “Aber ich sorge mich sicher umsonst. Du bist ja schon immer sehr höflich gewesen.”

 

“Ich gebe mein Bestes”, gab Yugi ebenso leise zurück. Sie hatten nun den Schutzgott des Pharaos passiert und standen direkt vor der Tür, die zu den Privatgemächern des Pharaos führte. Yugi fühlte ein unangenehmes Ziepen in der Magengegend. Er war doch nur ein einfacher Töpfer... Solcherlei Ehren standen Helden wie seinem Vater zu oder ausländischen Diplomaten und Königen, aber nicht ihm.

 

Nach einem Moment öffnete ein Diener die Tür und Yugi durfte, den Kopf tief gesenkt, eintreten. Er folgte einer Spur von Teppichen mit seltsam verschlungenen Goldmuster in das Innere, der Diener immer an seiner Seite. Das Ziepen wurde zu einem Ziehen und Yugi schmeckte die Anspannung in seinem Mund so sauer wie eine Zitrone.

Plötzlich spürte er ein Tippen am Arm. Aha! Ohne zu zögern warf Yugi sich völlig flach auf den Boden, die Arme vor sich ausgestreckt. Der Teppich drückte sich kratzig gegen Yugis Gesicht. Es roch nach Tierwolle, Jasmin und Lotos. Sich entfernende Schritte sagten Yugi, daß der Diener sich zurückgezogen hatte. Er war allein mit dem Gottkönig Kemets, dem Herrn der beiden Länder und dem Wahrer und Hüter der Maat. Yugi preßte sich mit noch mehr Kraft gegen den Teppich als könne er in seiner Furcht und Verehrung mit diesem verschmelzen.

 

Yugi vernahm ein Rascheln und dann fuhr ihm die erste Silbe, die der Pharao an ihn richtete, bis ins Mark. Es war nicht der Schreck, weil der Pharao mit ihm sprach, oh nein! Was Yugi zutiefst aufwühlte war die Tatsache, daß er diese Stimme kannte! Ohne auch nur ein Wort bewußt wahrgenommen zu haben, riß Yugi den Kopf hoch und starrte ungläubig auf den Mann, der heute vor Goldschmuck nur so starrte und längs zwischen Kissen auf einer Liege ruhte, den Kopf auf einer Hand abgestützt, in der anderen einen Alabasterbecher haltend.

Die Wache vom Badebecken!

 

„A-atem“, stammelte Yugi und senkte hastig den Blick wieder zu Boden. Oh nein! Was hatte er nur getan? Gestern und vorgestern hatte er den lebenden Gott wie einen ganz normalen Mann behandelt, einen Mann ohne besonderen Rang und nun… Ihm wurde kälter als in der Wüste bei Nacht und er glaubte, keine Luft mehr zu bekommen.

 

Eine Hand, warm wie die Strahlen Ras, berührte Yugis zitternde Schulter. „Komm, Yugi, du darfst dich erheben. Fürchte dich nicht.“

 

Yugi traute seinen Gliedern nicht, doch er versuchte, dem Wunsch des Pharaos nachzukommen. Die wärmende Hand stützte ihn dabei und dirigierte ihn danach auf einen gepolsterten Schemel. Yugi starrte auf seine Zehen.

 

„Du darfst mich auch ansehen, Yugi.“

 

Vorsichtig hob Yugi den Blick, seine Hände ineinander verschlungen. „G-großmächtiger Pharao… I-ich verstehe nicht…“

 

Der Pharao hatte sich aufgesetzt und füllte gerade einen Becher mit hellrotem Wein. „Niemand kann das erwarten. Ich habe dich getäuscht, du bist also vollkommen schuldlos. Hier!“ Damit schob er Yugi den Becher zu.

 

Yugi merkte erst jetzt, daß zwischen ihnen ein Tischchen voll verschiedener Speisen stand. Es sah nicht viel anders aus als das Frühstück, das er gestern mit seinem Großvater gegessen hatte, allerdings hatte der Pharao auch gebratenes Fleisch und Honigküchlein zur Auswahl.

 

„Oh, das sollte ich tun. Das ist Arbeit für mich, nicht für dich, Lebender Horus.“ Yugi blickte auf den Becher.

 

„Nimm ihn. Und es ist meine Entscheidung, was ich zu tun gedenke und was nicht.“ Die Stimme war sanft, aber Yugi fühlte sich getadelt.

 

„Natürlich, Majestät. Ich danke dir.“ Yugi nahm nun endlich den Becher und nippte vorsichtig. Der Wein war blumig und leicht und Yugis Nerven entspannten sich. Aufatmend stellte Yugi den Becher wieder ab.

 

„Du kannst dir nehmen, was du magst, Yugi. Schließlich habe ich dich von deinem Frühstück abgehalten.“ Der Pharao deutete auf die Speisen, dann nahm er sich eine Traube und schob sie sich in den Mund.

 

Yugi nickte. „Zu gütig, oh Göttlicher.“ Dennoch konnte er seine Erinnerungen nicht zurückdrängen. Ihm war nicht wohl dabei, hier zu sitzen und darauf zu warten… Ja, worauf wartete er? Er verstand das alles nicht!

 

„Ich muß mich bei dir entschuldigen. Nun habe ich dich zweimal in Folge so sehr erschreckt, daß du so weiß wie die Palastwände geworden bist.“ Ohne auf Yugis verwirrten Blick einzugehen fuhr der Pharao unbeirrt fort: „Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dich weder gestern noch heute quälen. Gestern mit Erscheinungen, die du für dämonisch hieltest, und heute mit meiner wahren Identität als Sohn der Götter.“

 

Darauf wußte Yugi keinerlei Antwort zu geben. Er schluckte trocken und streckte die Hand erneut nach seinem Wein aus, während der Pharao ihn geduldig abwartend ansah. Nach einer Weile des Schweigens wurde es aber auch diesem offenbar, daß Yugi nichts zu sagen wußte. 

 

„Yugi?“ hakte der Pharao nach.

 

„Ähm…“ Yugi drehte den Becher in Händen und nahm einen kräftigen Schluck. Er brauchte einfach gerade etwas zu tun, bis er seine Gedanken angemessen geordnet hatte. Schließlich aber fand Yugi seine Stimme wieder. „Ich bin mir nicht sicher, warum du mir nichts gesagt hast, Lebender Horus.“

 

„Ich wollte, daß du mit mir redest wie mit jedem anderen auch. Zuerst weil es mir einfach nur gefallen hat, dann um etwas herauszufinden. Ich werde dir alles erklären.“

 

Inzwischen fühlte Yugi brennende Hitze auf seinen Wangen und Ohren. „Ich habe dich mit einem Sodastein bedroht! Horus möge mir für meinen Frevel vergeben.“

 

„Ich hatte ein Krummschwert, Yugi, außerdem sind Körperkraft und Kampferfahrung auf meiner Seite. Du hast nur deinen Kopf benutzt und das ist überhaupt nicht frevelhaft, sondern weise. Außerdem, wie schon gesagt, du wußtest nicht, wer ich bin und ich kann kaum erwarten, daß du mir glaubst, wenn ich mich kleide wie ein gewöhnlicher Mann. Oder?“

 

„Nun… Das stimmt wohl“, gab Yugi zu und atmete aus. „Aber was wolltest du herausfinden? Und warum entschuldigst du dich für den Dämon, großer Pharao? Für letzteres kannst du doch nichts.“ Er rieb sich über die Arme und fühlte, wie die Wärme in seinen Lieb zurückkehrte.

 

„Beide Fragen sind verknüpft. Am besten zeige ich es dir, nur bitte erschrecke nicht.“ Der Pharao lächelte, dann schloß er die Augen. Für einen Moment war alles ruhig, dann bildete sich auf einmal eine goldene Kugel vor der Brust des Gottkönigs. Sie löste sich aus dem Leib, bis sie frei zwischen dem Pharao und Yugi schwebte. Das goldene Glühen verlosch langsam, bis eine braun bepelzte Kreatur mit grünen Beinen und großen, violetten Augen vor Yugi schwebte.

 

Der wich mit einem überraschten Keuchen zurück, als das Wesen gurrend zu ihm schwebte und sich an ihn preßte wie eine Katze.

 

„Kuri!“

 

„W-was…“ Vorsichtig hob Yugi eine Hand und berührte das zottelige Fell. Ganz warm! „Was für ein Wesen ist das?“

 

„Eine Ka-Bestie, Yugi. Diese hier lebt in meinem Leib und heißt Kuriboh.“ Der Pharao beobachtete sie sichtlich vergnügt.

 

Yugi hob den Kopf. „Sie lebt in dir? Wie geht das?“

 

„Sie ist ein Teil von mir, ein Teil meines Kas. Ich besitze die Fähigkeit, sie zu beschwören.“ Der Pharao lächelte, die Augenlider halb geschlossen, während Kuriboh an Yugis Haaren zupfte. „Ich glaube, er findet deine Frisur seltsam.“

 

Yugi verdrehte die Augen und stöhnte. „Das waren Großvater und zwei seiner Dienerinnen. Sie meinten, mein Haar sei zu unordentlich, um vor den allmächtigen Gottkönig zu treten. Sie waren auch der Ansicht, sie müßten mich so herausputzen.“ Er hob eine Hand, an der zwei Ringe steckten.

 

Der Pharao schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Nimm es ihnen nicht übel. Sie haben getan, was Brauch ist. Von nun an aber darfst du mir auch in weniger Aufmachung begegnen. Vor allem nachdem wir gestern beide ohne jegliches Kleidungsstück voreinander standen.“

 

Hitze schoß erneut in Yugis Wangen. Lieber strich Yugi durch das Fell Kuribohs, der sich nun auf seinem Schoß niedergelassen hatte und mit einer Traube spielte.

„Jetzt verstehe ich noch mehr, warum du nicht wolltest, daß es Gerede gibt.“

 

„Siamun wäre erzürnt, zu Recht. Sicher wird er dir eine angemessene Braut am Hofe aussuchen, da kann er keinen Klatsch gebrauchen.“

 

Yugi zuckte die Achseln. „Bisher hat er nichts dergleichen zu mir gesagt. Du kannst also dieses Wesen beschwören, Lebender Horus?“ Er musterte Kuriboh kurz, dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Und warum hast du mich gestern mit ihm erschreckt? Wenn auch unabsichtlich.“

 

„Laß es mich dir erklären: Ka-Bestien können sich auf Geheiß ihres Beschwörers tarnen. Danach sind sie für Menschen, die keine Beschwörungsfähigkeit besitzen, vollkommen unsichtbar. Nicht aber für Bestienzähmer. Ein solcher kann sie selbst dann noch sehen. So wie du gestern Abend.“

 

Yugis Augen weiteten sich. „Soll das etwa heißen…?“

 

„Ja, auch du bist ein Bestienzähmer.“

 

Yugi blickte Kuriboh an, dann den Pharao und dann wieder Kuriboh. „Oh.“ Nicht mehr. Sein Kopf fühlte sich wie leergefegt an.

 

Der Pharao beobachtete ihn mit dunklen Augen. „Weißt du, auch dein Großvater und dein Vater verfügen über diese Fähigkeit.“

 

„Bitte?“ Yugi hatte den Kopf hochgerissen, den er nun heftig schüttelte. „Davon weiß ich nichts.“

 

„Es soll an sich auch niemand wissen. Es ist ein Staatsgeheimnis, daß es Ka-Bestien und Bestienzähmer überhaupt gibt.“

 

Yugi entkam ein ungläubiges Lachen. „Das kann ich einfach nicht glauben! Das ist so absurd…“ Und doch saß der Beweis der Geschichte gerade auf Yugis Schoß und spielte mit den klimpernden Amuletten an seinem Shendit. Großvater hatte nichts dergleichen gesagt, auch nicht Yugis Vater oder Mutter. Seine Mutter! War das vielleicht der Grund gewesen, warum sie sich immer so gegen Waset gesperrt hatte? Damit Yugi kein Bestienzähmer wurde? Da blieb aber noch eine Frage: „Was genau ist die Aufgabe der Bestienzähmer?“

 

„Der Erhalt der Maat natürlich. Normalerweise ist die Aufgabe friedlicher Natur: Wir befreien die Seelen der Menschen von bösartigen Monstren, reinigen diese Monstren und transferieren sie in Steintafeln. So können die Menschen guten Herzens weiterleben, während die Bestien wieder in das Licht treten können. Sollte es zu einem Krieg kommen, ist es aber unsere Aufgabe, die Ka-Bestien gegen die Feinde Kemets zu führen. Leider sind Bestienzähmer schwer zu finden, besonders wenn wir die Existenz der Bestien geheimhalten müssen, deshalb mein hinterhältiger Test gestern Abend.“

 

„Das ist… Das ist sehr…“ Yugi schüttelte erneut den Kopf. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll, Majestät. Ich bin Töpfer, kein Krieger! Ich wollte auch nie einer sein!“

 

„Die Götter haben anders für dich entschieden.“ Das Gesicht des Pharaos zeugte von ehrlichem Bedauern. „Wir brauchen jeden einzelnen Bestienzähmer, um für alle Unabwägbarkeiten gerüstet zu sein.“

 

Yugi schüttelte wieder mit dem Kopf. „Ich glaube das einfach nicht“, murmelte er. Ein Zittern lief durch seinen Körper und auf einmal fühlte er sich so schwach wie ein Neugeborenes. Da fühlte er wieder die warme, kraftspendende Hand, diesmal auf seinem Unterarm.

 

„Sorge dich nicht zu sehr. Niemand sagt, daß es einen Krieg geben wird, in dem du kämpfen mußt, oder? Und jetzt iß etwas. Du wirst mir sonst noch umkippen.“

 

Das Lächeln des Pharaos war warm und Yugi konnte nur noch nicken. Während der sich etwas Brot und Braten nahm, ließ der Pharao ihn nicht los. Kuriboh kuschelte sich dabei nur noch enger an Yugi, als könne er diesem so Kraft spenden.

 

„Was wird nun geschehen?“ erkundigte Yugi sich leise, nachdem das würzige Fleisch und das weiche Brot seine Kräfte wieder geweckt hatten.

 

Der Pharao blickte aus dem Fenster hinter sich. „Du wirst ausgebildet. Es gibt dafür einen Ort hier im Palast. Du wirst dort lernen, deine eigene Ka-Bestie zu beschwören und später die Bestien aus den Steintafeln. Du wirst auch lernen, sie zu kontrollieren und ihnen Befehle zu geben. Zur Ausbildung gehören auch Lektionen über Kriegskunst und Strategie. Ich weiß, daß es nicht einfach ist.“ Er wandte seinen Blick nun wieder Yugi zu. „Aber es ist eine ehrenvolle Aufgabe, für die nicht jeder von den Göttern erwählt wird. Du wirst natürlich für deine Dienste eine angemessene Entlohnung erhalten.“ 

 

Dann könnte Yugi seine Mutter unterstützen, aber andererseits konnte er sich direkt ihren verkniffenen Mund und ihre zusammengezogenen Augenbrauen vorstellen. „Meiner Mutter wird das dennoch nicht zusagen und ich will sie nicht ganz allein in unserem Dorf zurücklassen, Lebender Horus.“

 

„Bei diesem Problem kann ich dich leider nicht unterstützen. Selbst ich bin gegen eine besorgte Mutter machtlos.“

 

Yugi mußte lachen. Allein der Gedanke, wie der Pharao vor Yugis Mutter flüchtete, ließ ihn für den Moment sein Problem vergessen.

 

Erleichterung spiegelte sich im Gesicht des Pharaos wider. „Du solltest dich erst mit dem Gedanken vertraut machen und mit deinem Großvater sprechen, bevor wir uns weiter unterhalten.“

 

Yugi nickte. „Dann werde ich mich mit deiner Erlaubnis zurückziehen, großer Pharao.“ Er drückte nochmal Kuriboh an sich, dann stand er auf und ließ diesen los. Kuriboh machte ein trauriges Geräusch und winkte Yugi mit einer grünen Pfote zu. Der Pharao hingegen nickte zum Abschied.

 

***

 

„Was habe ich nur angerichtet?“ fragte Atem niemand bestimmten und starrte auf seine linke Hand, mit der er eben noch versucht hatte, Yugi Trost zu spenden. Kuriboh machte ein trauriges Geräusch und setzte sich auf die Liege neben Atem.

„Ja, er war wirklich schockiert und unglücklich. Dieses Gespräch war unangenehm und schrecklich. Das hatte ich vorher nicht gedacht, daß es so werden würde.“ Atem legte einen Arm um Kuriboh und der schmiegte sich beruhigend gurrend an ihn.

„Was soll ich jetzt nur machen? Ich kann ihm ja leider nicht versprechen, daß es nie Krieg geben wird, denn das ist ja in Wahrheit meine größte Sorge.“

 

Kuriboh stupste Atem mehrmals an und plapperte mit seiner hellen Stimme. Atems Wangen wurden heiß. „Er ist wirklich sehr nett. Ich würde es ihm zu gerne ersparen, nur…“

 

„Mein Bruder.“

 

Die dunkle Frauenstimme ließ Atem fast von seiner Liege auffahren. Es gab nur eine Person, die es sich erlauben konnte, unangemeldet in seine persönlichen Gemächer zu kommen.

Atem rieb sich über das Gesicht, bevor er den Blick hob. „Meine Schwester“, grüßte er Tausret ebenso knapp. Diener trugen derweil eine zweite Liege herbei und sobald sie stand, ließ Tausret sich darauf nieder.

Atems Blick folgte der Linie ihres Körpers, den Hügeln ihrer Hüften und Schultern, ebenso wie dem Tal ihrer Taille. „Womit verdiene ich die Ehre deines Besuches?“

 

Tausret antwortete nicht, statt dessen betrachtete sie naserümpfend Kuriboh, der nun vorsichtig zwischen zwei Kissen hervorlugte. Atem hätte ihm gerne Gesellschaft geleistet. „Warum lebt ausgerechnet eine derlei unwürdige Kreatur in deiner Seele? Dieses zottelige Etwas paßt wahrhaftig nicht zu dir, mein Gottkönig und Gemahl.“

 

„Kuriboh ist mein Freund und ich finde, er ist meiner mehr als würdig.“ Atem schenkte Kuriboh ein Lächeln, dann wandte er sich wieder seiner Gemahlin zu. Geduldig wartete er auf den nächsten Kritikpunkt, den seine ehrenwerte Gemahlin sicher gleich äußern würde. Tausret enttäuschte ihn nicht.

 

„Warum hast du mich gestern Abend nicht in meinen Gemächern aufgesucht? Ich hatte dich mit Ungeduld erwartet.“ Tausret pflückte eine Traube von dünnem Geäst und schob sich diese in den rot geschminkten Mund.

 

„Ich war müde und habe mich früh zurückgezogen“, antwortete Atem. „Ich habe niemanden mehr aufsuchen können.“

 

„Ach ja? Und wer hat dich hier aufgesucht?“ Tausret hob den Blick anklagend von dem zweiten Becher auf dem Frühstückstisch.

 

Atem seufzte. „Ich hatte eine Besprechung bezüglich unserer Bestienzähmer. Yugi, der Enkel des Wesirs, ist ein guter Kandidat. Du mußt ihn knapp verpaßt haben.“

 

„Ausgerechnet der? Wie ich gehört habe, hat er die Erziehung eines Bauern genossen, nicht die eines Sohnes aus edlem Hause. Was sind das für furchtbare Zeiten?“ klagte sie.

 

„Er weiß sehr wohl, sich zu benehmen. Außerdem steht es dir nicht zu, den Willen der Götter in Frage zu stellen.“

 

Tausret preßte ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Ihre dunklen Augen blitzten gefährlich. „Du hast nicht darüber zu bestimmen, was ich denken oder fühlen soll“, zischte sie wie eine aufgescheuchte Kobra. „Wann wirst du endlich wieder das Bett mit mir teilen? Oder bin ich, deine eigene Schwester, von demselben göttlichen Blute wie du, dir nicht mehr gut genug?“

 

Stöhnend rieb Atem sich über das Gesicht. „Tausret, darum geht es überhaupt nicht.“

 

„Ach nein? Erstaunlich, daß du jede andere mehrmals im Monat aufsuchst, aber ich erwarte dich immer vergeblich. Welchen Schluß soll ich wohl daraus ziehen? Es bleibt ja nur der, daß du mich aus offensichtlichen Gründen nicht mehr willst. Bei unserer Hochzeit hast du mir versprochen, du würdest mir immer den Vorzug vor allen anderen geben, dich immer um mich sorgen, aber heutzutage merke ich davon nichts mehr.“ Tausret stand ungeduldig auf, sodaß die langen Zöpfe ihrer Perücke nach vorne über ihre Brüste fielen. „Du hast mich lange genug gedemütigt!“ Die Hände in die Seiten gestemmt drehte sie sich um und marschierte aus der Tür.

 

Atem blickte zu Kuriboh. Ja, er konnte sich noch an die Wärme Ras erinnern als er Tausret damals geehelicht hatte. An ihr strahlendes Gesicht und ihr glockenhelles Lachen. An die Aufregung in seiner Brust und das Mus in seinen Knien. An ihre ungelenken ersten Versuche als Gemahl und Gemahlin in dunkler Nacht. Damals hatte Atem nie gezweifelt, daß er und Tausret für alle Zeiten glücklich sein würden. Aber die Götter hatten ihnen ein anderes Los auferlegt. Sie beide hatten sich verändert; aus dem fröhlichen Mädchen war eine verbitterte Frau geworden, aus dem linkischen Jungen ein von Alpträumen geplagter Mann.

„Ich habe wahrhaftig ein Talent, um Menschen sich furchtbar fühlen zu lassen.“ Müde streichelte Atem über Kuribohs Kopf. „Dabei haben wir noch nicht mal Mittag…“

Kuriboh zirpte besorgt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Usaria
2017-02-24T20:50:21+00:00 24.02.2017 21:50
Hmm! Ach nöö! mit Tut der Pharao ziemlich leid. Aber er kann doch nicht´s dafür. Er kann weder etwas, dass er Yugis Welt von jetzt auf gleich total auf den Kopf gestellt hat. Ich will ja jetzt nicht Yugis Eltern die Schuld geben, doch wenn bekannt ist, dass in einer Familie so eine Fähigkeit ist, dann hätten sie zmdst. mal darüber sprechen sollen. Auf der anderen Seite ist´s a ein Staatsgeheimnis! Hm doof.

Also diese Tausret ist mit sowas von unsympahtisch! Wenn die nicht mal den Krieg an zettelt!
Antwort von:  Moonprincess
03.03.2017 22:22
Sagen wir, Yugis Eltern haben ihre eigenen Gründe gehabt. Aber das wird sich erst im Laufe der Geschichte zeigen, ebenso was es mit Tausret auf sich hat.
Ich freu mich, wenn ich Gefühle bei dir wecken konnte. Danke für deinen Kommentar. :)


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