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Eine erbarmungslose Entscheidung

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Okay Leute,
ich werde keine Versprechungen mehr machen pünktlich hochzuladen, wohl aber, dass ich weiter regelmäßig updaten werde und versuche wöchentlich sonntags ein neues Kapitel freizuschalten.
Leider ist bei mir privat gerade echt einiges aus den Fugen geraten, daher läuft es zurzeit alls etwas drunter und drüber.
Eure Kommentare werde ich noch in den nächsten Tagen beantworten, jetzt schaffe ich es leider nicht mehr, bitte verzeiht.

Nichtsdestotrotz, jetzt wünsche ich euch erst einmal ganz viel Spaß mit dem neuen Kapitel in dem wir endlich Mihawk Senior kennen lernen ;-)

Ganz liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen

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Kapitel 41 - Namen

Kapitel 41 – Namen

 

-Mihawk-

„Guten Morgen, Herr… Aber warten Sie doch bitte… Sie können doch nicht einfach…“

„Aus dem Weg.“

„Ich bitte Sie mein Herr, das hier ist der…“

Dulacre riss die Türe auf. Das Pflegepersonal und die Soldaten, die versucht hatten ihn aufzuhalten, sowie die Menschen im Raum, erstarrten alle als er eintrat.

Doch sein Blick lag auf dem aschfahlen Mann, der mit weißer Robe in einem ebenso weißen Bett saß. Das einst volle rabenschwarze Haar war schüttern und grau, der einst sorgsam gepflegte und gezwirbelte Schnurrbart verdrängt von einem rauen Mehrtagebart, die einst kühlen dunklen Augen waren dumpf und vergilbt, der einst muskulöse und aufrechte Körper war abgemagert und zusammengesunken.

Das also sollte der einst so respektierte Vizeadmiral sein, Verfechter der Gerechtigkeit und ehemaliger Anwärter auf den Posten des Großadmirals? Nun ja, solch goldene Zeiten lagen nun fast schon dreißig Jahre zurück, bevor jener Mann Frau und Tochter, sowie Stolz und Würde verloren hatte.

Mihawk Gat war ein Schatten seiner selbst und Dulacre bereute es nicht, ihn über Jahre nicht gesehen zu haben. Es lag unter seinem Niveau einem solch erbärmlichen Verfall beizuwohnen. Dieser Mann war eine Schande für den Namen seiner Mutter.

„Mein Sohn.“ Selbst seine Stimme hatte nichts mehr von der früheren Autorität, von dem unstreitigen Respekt, den dieser Mann Dulacre in seiner Kindheit eingebläut hatte.

Es widerte Dulacre an, dass das Blut dieses Mannes durch seine Adern floss.

„Verlasst den Raum.“

Sämtliche Anwesende, Ärzte, Pfleger, Soldaten, beugten sich Dulacres Befehl, ließen ihn und dem Mann im Bett allein.

Dieser zeigte ein fast ehrliches Lächeln. Zumindest vermutete Dulacre, dass dies sein echtes Lächeln war, sicher war er sich allerdings nicht, schließlich kannte er bisher nur das falsche Lächeln seines Vaters, welches er nur zu gerne Gästen geschenkt hatte.

„Du bist also doch gekommen. Ich hatte nicht zu hoffen…“

„Deine Hoffnung ist vergebens. Ich bin es schlicht leid, dass du deine Hunde nach mir aussendest.“

Mit verschränkten Armen schritt er durch den Raum.

„Glaube mir, mein Sohn, wäre ich in einer Verfassung zu reisen oder wärest du in einer Gemütslage, dass ich dich hätte kontaktieren können, hätte ich Nataku nicht damit belasten müssen…“

„Ich bin nicht hergekommen, um über diesen streuenden Köter zu sprechen, nur um dir zu sagen, dass du dich aus meinen Angelegenheiten heraushalten sollst.“

„Mein Sohn, ich bitte dich, können wir nicht zumindest…“

„Nur weil dein Blut durch meine Adern fließt, bin ich noch lange nicht dein Sohn. Ich habe nicht vor noch mehr Zeit mit einem Gespräch voller Floskeln und geheuchelter Höflichkeit zu verschwenden, ist das deutlich genug?“

Nun stand er direkt vor dem Krankenbett des alten Mannes, fragte sich ob nur die Unmengen an Alkohol hierfür verantwortlich waren oder ob dieser Mann das Ebenbild seiner eigenen Zukunft war.

Sein Vater seufzte schwer und lehnte sich gegen das aufgerichtete Kopfteil seines Bettes.

„Ja, das war sehr deutlich“, antwortete Gat und sah ihn traurig an, „aber wenn dies das letzte Gespräch sein soll, das wir miteinander führen werden, kannst du dann nicht wenigstens ein paar Minuten opfern?“

Für einen Moment schwiegen sie beide, dann schnalzte Dulacre mit der Zunge und hob ergebend beide Hände. Mit langen Schritten trat er an den Besuchersessel heran und ließ sich reinfallen, überkreuzte die Beine.

„Nun gut. Ein paar Minuten unbedeutenden Austausch kann ich wohl verschwenden. Worüber willst du reden?“

„Zu gütig“, murmelte der alte Mann und lachte hohl. Selbst das Lachen war Dulacre fremd, erinnerte ihn aber eher an das falsche Lachen, wenn Gäste zu Besuch waren als dieses ehrliche Lächeln. „Es ist lange her, dass wir miteinander sprachen. Wie ist es dir ergangen, Sohnemann?“

„Besser, wenn ich diesen Stützpunkt hinter mir gelassen habe.“

„Könntest du wenigstens die Farce aufrechterhalten als würdest du dich bemühen dieses Gespräch führen zu wollen? Wenn du mir schon nicht den Respekt entgegenbringst, den ich als dein Vater verdiene.“

Simultan schnalzten sie mit der Zunge, unzufrieden über den Verlauf der Dinge und uneinsichtig über das jeweilige Verhalten.

„Nataku sagt du lägest im Sterben, für einen Toten sprichst du mir jedoch zu viel.“

Der alte Mann lachte leise.

„Und du redest recht ungezügelt für die Erziehung, die ich dir habe zukommen lassen. Ich kann mich nicht erinnern solch respektlosen Umgang je gutgeheißen zu haben.“

„Oh, werter Herr Vater, diesen Respekt habt Ihr vor langer Zeit verwirkt und ich bin zu nachtragend, um zu vergessen.“

Kalt sahen sie einander an, dann hob Gat nachgebend eine Hand.

„Wie du willst. Wer bin ich schon, um dem rechtmäßigen Erben des Mihawk Geschlechts zu tadeln?“

„Ja, wer bist du schon?“

Das falsche Lächeln des alten Mannes gefror für den Bruchteil einer Sekunde, doch war er zu gut in politischen Machenschaften gebildet, um es sich länger anmerken zu lassen.

„Wie dem auch sei, nein, ich liege nicht auf dem Sterbebett, auch wenn es dich enttäuschen mag. Mein Körper arbeitet nicht mehr wie er sollte, aber noch arbeitet er. Bald wird es mir besser gehen und ich werde zumindest meine beratenden und beaufsichtigenden Tätigkeiten wieder aufnehmen können.“

Dulacre entgegnete nichts.

„Aber dir ist das selbstredend gleichgültig, nicht wahr?“

„Warum sollte Ich Mitleid mit einem Narr haben, der die Torheit besaß, seinen eigenen Körper so zuzurichten?“

„Wenn es mir besser geht“, sprach Gat weiter, als ob Dulacres Worte ihn nicht stören würden, „dann würde ich gerne Lady Loreen kennen lernen.“

„Und das werde ich mit allen Mitteln zu verhindern wissen.“

Nun zum ersten Mal zeigte der alte Vizeadmiral einen fast schon traurig-überraschten Gesichtsausdruck.

„Hasst du mich so sehr?“

Dulacre lächelte kühl. „Ach bitte, du bist nicht bedeutsam genug, als dass ich irgendeine Art von Gefühlen an dich verschwenden würde. Und wo wir schon dabei sind, ich denke ich habe genug Zeit an diese sinnlose Konversation verschwendet. Daher werde ich nun zum eigentlichen Grund meines Besuches kommen.“

Er erhob sich.

„Wie du wünschst“, entgegnete der alte Mann und streckte seinen Rücken, eine schwache Erinnerung an seine Zeit als einfacher Kadett.

„Ich bin hergekommen, um klarzustellen, dass weder du noch Nataku noch irgendetwas in meinem Leben verloren haben und solltest du ihn noch einmal nach mir aussenden, dann werde ich mir die Freiheit nehmen ihn dafür büßen zu lassen.“

„Mein Sohn, ist das nicht…“

„Keiner von euch ist mir willkommen, habe ich mich verständlich gemacht? Ich hege kein Interesse daran ob du lebst oder stirbst und wenn es mich mein Erbe kosten soll, dann sei es so.“

Gat sah ihn für einige Sekunden einfach nur an, ehe er nickte: „Auch wenn ich die Entwicklung sehr bedauere, so wissen wir doch beide, dass ich dir nicht vorenthalten kann, was rechtmäßig dir gehört. Ich habe in jene Familie nur eingeheiratet, du aber bist ein wahrer Mihawk. Nach Taruchies und Sharaks Tod auch der letzte. Ich war nur der offizielle Verwalter der Inseln, bis du zwanzig wurdest, seit jenem Tag bist du Herr der Inseln und es gibt nichts was ich dagegen tun könnte.“

„Ich habe kein Interesse an den Inseln. Wenn du oder Nataku sie haben wollt, ist mir das gleichgültig.“

Nun schüttelte der alte Mann den Kopf.

„Es ist traurig, wie wenig dir dein Name - der Name deiner Mutter - nur noch bedeutet. Dein Erbe einfach so darzubieten, wie einen alten Gaul. Unbeachtet unserer Differenzen dachte ich immer, du wärest stolz darauf ein Mihawk zu sein.“

Mit verschränkten Armen wandte sich Dulacre dem Fenster zu.

„Vielleicht habe ich ja auch einfach mittlerweile eingesehen, dass es wichtigere Dinge gibt als ein paar zufällig aneinandergereihte Buchstaben.“

„Das fällt mir nun doch recht schwer zu glauben. Liegt dein so seltsamer Sinneswandel an dieser Lady Loreen?“

Er entgegnete nichts, sondern sah auf den Innenhof der Festung, auf dem mehrere Hundert Kadetten mehr schlecht als recht den Schwertkampf übten. Es tat seinen Augen weh zu sehen wie sie die schwertförmigen metallenen Klumpen durch die Luft schwangen wie Barbaren ihre Keulen.

„Ich muss gestehen, dass ich anfangs, als ich von dieser Lady Loreen gehört habe, befürchtete, dass sie nur wegen deines Namens und deines Erbes an dir Interesse zeigte.“

„Etwa so wie Nataku?“, kommentierte Dulacre abfällig.

„Nun ja, ein hübsches Ding, welches sich auch noch in der Gesellschaft zu benehmen weiß. Ich habe gehört sie arbeitet jetzt mit Rishou Eizen zusammen, und dabei ist sie noch fast ein Kind, und deine soziale Intelligenz hat immer schon zu wünschen übriggelassen. Es gab für mich allen Grund misstrauisch über ihre Motive zu sein.“

„Weil es so abwegig ist, dass mich ein Mensch einfach meiner selbst wegen wertschätzen könnte, nicht wahr?“

„Leg mir nicht Worte in den Mund, mein Sohn. Ob es dir passt oder nicht, du bemühst dich nicht gerade darum von anderen gemocht zu werden. Aber ja ich muss gestehen, dass ich langsam doch die Hoffnung hege, dass sie deinetwillen bei dir bleibt.“

Nun schwieg Dulacre wieder.

„Denn ob du es glaubst oder nicht, auch wenn ich dir egal sein sollte, ich würde mir sehr für dich wünschen, dass du glücklich bist, sesshaft wirst und vielleicht sogar Kinder kriegst und wenn dieses Mädchen dir diesen Weg zeigen kann, dir zurück auf den rechten Pfad helfen kann, dann bin ich ihr zu tiefen Dank verpflichtet.“

Schmunzelnd wandte Dulacre sich nun von den bedauerlichen Kampfversuchen ab.

„Du missverstehst die Zeichen. Ich habe nicht vor dem rechten Pfad zu folgen, mehr denn je bin ich bereit meine Fesseln abzustreifen, wenn nur der rechte Zeitpunkt gekommen ist.“

Er schritt durch den Raum, blieb jedoch stehen.

„Außerdem werde ich nie Kinder haben. Anders als du bin ich der Meinung, dass es für alle Beteiligten besser wäre, wenn nicht jeder dahergelaufene Idiot darauf bestehen würde, sich fortzupflanzen.“

„Dann wirst du das Geschlecht der Mihawks also mit dir aussterben lassen?“

Er wandte sich nicht um.

„Das Geschlecht der Mihawks ist schon vor langer Zeit ausgestorben; damals als sie zu Himmelsdrachenmenschen wurden, starben sie aus und als Yakumo sie verließ, hat er ihren Untergang besiegelt.“

„Was für eine traurige Ausrede für einen Mann deines Formats. Aber auch hier möchte ich dir widersprechen. Trotz allem was geschehen ist, trotz all der Fehler, die ich begangen habe, so habe ich es doch nie bereut, Vater zu sein.“

Leise lachte Dulacre auf, sah die Türe vor sich an.

„Als wärest du je ein richtiger Vater gewesen.“

„Ich möchte mich nicht länger von dir beleidigen lassen, stattdessen bitte ich dich noch um eine Antwort, ehe du dieses Gespräch einfach beendest.“

Mit hochgezogener Augenbraue drehte Dulacre sich zu dem alten Mann im Bett um.

„Wenn ich es richtig verstehe bist du im Begriff deinen Titel als Samurai aufzugeben und somit wieder ein verfolgter Gesetzesloser zu werden. Gleichzeitig bietest du dieser Lady Loreen jedoch Heim und Schutz. Ist es dir gleich, was du ihr mit dieser Entscheidung antun würdest?“

Dulacre konnte ein Lächeln nicht verhindern.

„Wieder missverstehst du. Meine junge Gesellschaft ist wohl der Grund warum ich bereit bin die Dinge zu verändern.“

Zum ersten Mal erinnerte der Mann im Bett Dulacre tatsächlich an seinen Herrn Vater aus Kindertagen. Seine dunklen, vergilbten Augen waren neugierig, glitzerten beinahe vor Interesse und Ernsthaftigkeit. Seine Stirn warf konzentrierte Falten und er hatte sich so weit nachvorne gelehnt, dass er drohte sein Bett bald zu verlassen.

„Dann erlaube mir noch eine letzte Frage an dich zu stellen, als dein Vater.“

Der Samurai schwieg und gab sein stilles Einverständnis.

„Bist du mit Lady Loreen an deiner Seite glücklich?“

Diese Frage überraschte Dulacre dann doch. Er hatte mit allem gerechnet, mit jedem Vorwurf, jeder Bitte, jeder Klage, aber alles in ihm sträubte sich dagegen diese Frage mit ehrlichem Interesse zu verwechseln.

„Du brauchst ziemlich lange für eine Antwort.“

Kopfschüttelnd entschied Dulacre, dass nichts was er diesem Mann sagen würde, gefährlich für ihn sein würde. Langsam drehte er sich um und erlaubte sich zum ersten Mal ehrlich zu lächeln.

„Tze, was für ein sentimentaler Irrsinn.“

„Ist das ein Ja?“

„Es ist was es ist. Ich glaube nicht an solch gefühlsduselige Mätzchen, aber wenn du mich fragst ob ich zum ersten Mal in meinem Leben etwas über meinen Egoismus stelle, dann ja, das tue ich.“

Der Mann im Bett schmunzelte kopfschüttelnd ehe er sich mühselig erhob, trotz seines abgemagerten Zustandes stand er immer noch groß und gerade, war fast auf Augenhöhe mit Dulacre als er vor ihm stand und ihm eine knochige Hand auf die Schulter legte.

„Das macht mich sehr froh, mein Sohn. Es macht mich sehr froh zu wissen, dass du in dieser Welt jemanden gefunden hast, der dich nimmt so wie du bist, für den du selbstlos handeln willst.“

Anscheinend wurden Männer im Alter weich. Dulacre konnte sich nicht erinnern, dass sein Vater ihm je etwas auch nur ansatzweise Freundliches gesagt hatte. Es übertraf tatsächlich seinen neunten Geburtstag, als er mit seinem Vater einer Tagung auf Mary Joa als einzige Nicht-Weltaristokraten beigewohnt hatte und sein Vater beim Verlassen des Saals behauptet hatte, dass sie beiden mit Abstand die Klügsten im Raum gewesen waren.

 „Weißt du, dass ich Sharak damals das gleiche gefragt habe?“

Er hielt diesen vergilbten Augen problemlos stand, vergaß die Vergangenheit, erlaubte keinen sentimentalen Gedanken Platz zu nehmen.

„Sie hat auch ungewöhnlich lange für eine Antwort gebraucht und wenn du so lächelst, dann kann ich sie in dir sehen.“

Dulacre streifte die Hand ab.

„Ich habe genug Minuten vergeudet, es ist an der Zeit für mich zu gehen.“

„Danke, dass du gekommen bist.“

Schweigend ging er zur Tür, doch dort blieb er stehen.

„Ich habe auch noch eine Frage an dich“, meinte er und sah zurück, wo der alte Mann wieder auf dem Bett saß. „Was sagt dir der Name Lorenor?“

Leise lachte Gat und schüttelte den Kopf.

„Der Name eines unbedeutenden Schwertkämpfers aus dem East Blue.“

Kühl betrachtete er den alten Mann.

„Aber das meintest du wohl nicht, oder?“ Sein Vater verschränkte die Arme. „Dann hast du also meine Bibliothek durchforstet und meine Aufzeichnungen gefunden.“

Dulacre entgegnete nichts. Er wusste nicht, von welchen Aufzeichnungen sein Vater sprach, aber anscheinend hatte er doch den richtigen Riecher gehabt. Sein Vater war immer schon ein Bücherwurm gewesen. Für einen Marinesoldaten zu klug, für einen Gelehrten zu wohlhabend. Seitdem Dulacre die Verbindung zwischen Lorenor und den Büchern gesehen hatte, hatte er die Vermutung gehabt, dass sein Vater vielleicht etwas wissen konnte, nur vielleicht.

„Hat es etwas mit der wahren Geschichte zu tun? Dem verlorenen Jahrhundert?“

„Sei kein Narr, mein Sohn. Jegliches Wissen über jene Zeit ist strengstens verboten und allein der Versuch die Runen der alten Zeit zu lesen könnte dich deinen Kopf kosten. Hat das Schicksal der Teufel Oharas dich denn gar nichts gelehrt? Als Mann der Marine und Verfechter der Gerechtigkeit würde mir nichts ferner liegen, als mich einem solchen Befehl zu widersetzen.“

„Aber du sprachst von deinen Aufzeichnungen. Also…“

„Ich halte es nicht für klug, wenn du versuchen solltest sie zu entziffern. Manches Wissen sollte lieber begraben werden, vertrau mir. Es ist besser, wenn der Name Lorenor nicht mehr ist als der Name eines unbedeutenden Wichts aus dem East Blue.“

Das war Antwort genug für Dulacre. An der Tür stoppten ihn jedoch die Worte des alten Mannes.

„Ich weiß, was dich umtreibt, mein Sohn, doch dieses Wissen ist verflucht. Der Name dieses Jungen ist in Vergessenheit geraten, und da er nun tot ist, wären deine Mühen so oder so vergebens; nichts was du über seinen Namen herausfinden magst, wird ihn wieder ins Leben rufen, jedoch könnte es dich dein Leben kosten.“

„Ist es nicht äußerst scheinheilig, dass du mir dies sagst, nachdem du selbst solch Aufzeichnungen erstellt hast?“

„Und dann habe ich sie verworfen und in den Tiefen der Mauern eines zurückgelassenen Anwesens versteckt, wo sie keinen Schaden anrichten sollten. Ich warne dich, mir ist sehr wohl bewusst, warum du nun plötzlich Interesse an jenem Namen zeigst. Aber es ist für alle Beteiligten besser, wenn dieser Bengel der einzige Lorenor bleibt, den du je gekannt hast. Verstehst du mich?“

Dulacre schwieg.

„Du begibst dich auf dünnes Eis, mein Sohn. Dieser Name bedeutet für dich und dieses Kind nur Unheil. Der letzte Lorenor ist tot und so soll es auch bleiben.“

„Man könnte fast meinen, du hättest vor dem Namen Lorenor so viel Angst wie die Weltaristokraten vor dem sagenumwobenen D.“, sprach Dulacre klar, ohne sich umzuwenden.

„Du hast ja keine Ahnung wovon du da sprichst, mein Sohn. Dieses Wissen könnte deinen Tod bedeuten und den deines Mädchens. Und hüte dich davor diese verfluchten Namen in einem Satz zu nennen, wenn du nicht willst, dass die Weltaristokraten auf dich oder dieses Mädchen in deinem Heim aufmerksam werden.“

„Tze, du warst schon immer ein ängstlicher Mann, aber diese Ammenmärchen lehren mich nicht das Fürchten.“

„Das sollten sie aber. Glaube mir, lass die Vergangenheit ruhen. Lorenor Zorro ist tot und das ist gut so. Sollte sich dein Mädchen als eine Lorenor entpuppen, wird man sie töten, ehe sie einem D. in die Hände fallen kann.“

Nun wurde Dulacre doch neugierig. Doch er wusste, dass er hier keine Antworten mehr erhalten würde, nicht dass das nötig wäre.

„Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Lebe wohl.“

Damit ging er, ließ die Wachen und den Mann, dessen Blut er teilte, hinter sich. An Bord seines kleinen Schiffes bemühte er die alte Teleschnecke.

„Guten Morgen, hier spricht Bosatsu, Haus…“

„Kanan“, unterbrach er die Haushälterin seines Anwesens auf Sasaki grob. „Ich brauche Ihre Hilfe.“

 

Missmutig trommelte er mit den Fingern auf seiner Armlehne herum. In wenigen Stunden würde er endlich Kuraigana erreichen. Der kurze Umweg über Sasaki hatte ihn mehr als einen ganzen Tag gekostet, aber das kleine Bündel handgeschriebener, halbverblichener Notizen seines Vaters war es wert gewesen.

Doch ihm sagte all dies kaum etwas. Obwohl er es sich nicht eingestehen wollte, entsprach es der Wahrheit, dass er mit den vollgeschriebenen Seiten wenig anfangen konnte, wobei seine Bemühungen sich auch in Grenzen hielten. Zu ungeduldig wartete er darauf endlich seine Reise zu beenden. Zu lange schon hatte er nichts mehr von Lorenor gehört.

Ganz zu seinem Missfallen hatte Lorenor sich nicht ein einziges Mal gemeldet und er selbst war zu stolz gewesen, der Erste zu sein, wohl wissend, dass eine solche Handlung ihm wieder den Spott seines besten Freundes und seines Schülers einbringen würde.

Doch nun wurde er ungehalten. Natürlich vertraute er Jiroushin, vertraute in seine Fähigkeiten und sein Urteil; vertraute darauf, dass er jegliches Leid von Lorenor und sich selbst fernhalten konnte. Natürlich wusste er auch, dass seine Sorge um Lorenor rein auf emotionaler Basis beruhte und ihm war sehr wohl bewusst, dass sein Wildfang durchaus in der Lage war auf sich selbst Acht zu geben.

Es ärgerte ihn, wie irrational er empfand und gleichzeitig konnte er diese Sorge doch nie ganz zum Schweigen bringen, während er sich bemühte sie auszublenden und sich auf die verblichenen Blätter vor sich zu konzentrieren.

Kanan hatte nach seinem Anruf ganze vier Tage unermüdlicher Suche gebraucht, um sie zu finden. Schließlich hatte sie das eine Bücherregal zur Seite geschoben und die Wand dahinter aufgebrochen, um in den kleinen Hohlraum hinter der Feuerstelle zu gelangen. Dort hatte sie eine komplette Mauer eingerissen – es waren die Überbleibsel einer vergangenen Burg gewesen auf deren Ruinen die alten Mihawks das Anwesen errichtet hatten – nur um dahinter in der Rückwand des Kaminzimmers einen eingemauerten hohlen Stein zu finden, in dessen Bauch eine kleine Holzkiste mit einem Gemisch aus Stroh und Mörtel festgelegt war.

Dulacre musste gestehen, dass es ein Schock gewesen war, das Kaminzimmer zu betreten und das, obwohl Kanan bereits wieder mehrere Tage Arbeit damit verbracht hatte, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Er zweifelte auch daran, dass er selbst das Holzkistchen überhaupt gefunden hätte. Vermutlich hätte er noch am ersten Abend die Geduld verloren und aufgegeben oder das Kaminzimmer auseinander gerissen.

Sein Vater war wohl wirklich bemüht gewesen, seine Aufzeichnungen zu begraben, ohne sie direkt zu zerstören. Ohara hatte ihn wohl gelehrt, dass selbst die schrecklichsten Zeitzeugnisse nicht zerstört werden durften.

Seufzend erinnerte Dulacre sich an die Besuche auf der dem Untergang geweihten Insel, damals vor langer Zeit, als er noch ein Kind gewesen war und Ohara ein Ort der Lehre und des Wissens.

Er erinnerte sich an den Tag als Ohara gefallen war. In allen Zeitungen hatte es gestanden, hatte von den Teufeln gesprochen und der Gefahr, die von der Weltregierung aufgehalten wurde.

Sein Vater hatte vermutlich getrauert, um das verlorene Wissen, die abertausenden ungelesenen Worte und um die geistreichen Menschen, die die Welt an jenem Tage verloren hatte.

Dulacre hatte zu jener Zeit die Marine verraten, vielleicht das ein oder andere Jahr früher, er erinnerte sich nicht mehr genau an jenen Tag oder wann es geschehen war. Er musste wohl so um die zwanzig gewesen sein, in Lorenors Alter in etwa. Es war ihm einerlei gewesen, doch nun fragte er sich, welch seltsames Schicksal dem Kind in seinem Heim auferlegt war.

Sollte sich dein Mädchen als eine Lorenor entpuppen, wird man sie töten, ehe sie einem D. in die Hände fallen kann.

Lorenor hatte ihm einst erzählt, dass er nicht vorgehabt hatte, dem Strohhut zu folgen, aber die Dinge hatten sich nun einmal so entwickelt und Dulacre erinnerte sich gut an jenem Tag im East Blue, wo er gegen Lorenor gekämpft hatte und der Junge mit dem Strohhut sich ihm ebenfalls in den Weg gestellt hatte.

Konnte es ein Zufall sein, dass ein Einzelgänger wie Lorenor einem Chaoten wie dem Strohhut folgte und innerhalb weniger Tage nachdem sie sich kannten bereit war sein Leben für ebendiesen zu opfern; sogar bereit war seinen Traum, den er zwanzig Jahre lang verfolgt hatte, zu opfern nur für diesen Mann?

Konnte es Zufall sein, dass ausgerechnet der letzte Teufel von Ohara, Nico Robin, ebenjener Crew beitrat, nachdem sie sogar zunächst Feinde gewesen waren, wenn er es richtig in Erinnerung behalten hatte?

Seufzend betrachtete er die Blätter in seinen Händen.

Wusste Nico Robin etwa, was es mit dem sagenumwobenen D. auf sich hatte? Hatte sie eine Ahnung, warum der Name Lorenor nicht im selben Satz genannt werden durfte?

Kopfschüttelnd rieb er sich durchs Gesicht. Sie war noch ein Kind gewesen als Ohara zerstört worden war; es war höchst unwahrscheinlich, dass sie die Antworten hatte, die er derzeit suchte.

Wenn er ehrlich war interessierte sich Dulacre nicht wirklich für das so bekannte D., noch weniger für die wahre Geschichte oder generell irgendetwas, das mit den Himmelsdrachenmenschen zu tun hatte.

Aber als Lorenor damals die Bücher hatte lesen können, die Bücher, die sein Vater auf seinen unzähligen Reisen gesammelt hatte und angeblich selbst von den Forschern Oharas nicht hatten entziffert werden können, da hatte Dulacre befürchtet, dass die Dinge mühselig werden würden.

Und das hatte sein Vater ihm nun nur noch bestätigt. Es war nicht mehr als eine Ahnung gewesen. Zu viele Zufälle hatten ihn misstrauisch werden lassen. Die Bücher mit der unlesbaren Schrift und Lorenor, der von den Toten auferstand und diese Bücher lesen konnte. Eine namenlose Vergangenheit aber ein Name der mit der vergessenen Geschichte in Verbindung stand.

Zu allem Überfluss schien es so als würden diejenigen, die zumindest etwas über die wahre Geschichte wussten, verhindern wollen, dass ein Lorenor einem Träger des D. in die Hände fallen würde.

Was also bedeutete das für Lorenor und seinen Kapitän und warum hatte man diese Crew dann solange gewähren lassen? Warum hatte man nicht bereits bei den Unruhen in Alabasta, nein, warum war die Weltregierung nicht bereits eingeschritten als der Name des Dämons des East Blues zum ersten Mal aufgetaucht war?

Aber die Antwort lag auf der Hand. Vermutlich wussten nur eine Hand voll Leute darüber Bescheid und wenn die Weltregierung jemanden aussenden würde, um einen unbedeutenden Piratenjäger zu töten, hätte das wohl die Aufmerksamkeit mancher Feinde erweckt.

Außerdem passte es zu den faulen Adligen nicht wirklich vorausschauend zu handeln und die fünf Weisen glaubten bereits aus Prinzip nicht an die Märchen und Mythen, die den Untergang der Himmelsdrachenmenschen vorhersagten. Grinsend dachte Dulacre, dass ebenjener Hochmut ihren Fall bedeuten würde.

Doch er wusste nicht ob er hoffen sollte, dass dies noch zu seiner Zeit geschehen würde. Natürlich würde das diese Welt noch einmal interessant machen, auf der anderen Seite hörte sich ein Umsturz der Gewalten auch nach viele Mühe an.

Am Horizont zeichneten sich die dunklen Umrisse Kuraiganas ab und etwas wie Erleichterung bereitete sich in ihm aus. Bald würde er Zuhause sein, würde Lorenors Fortschritt sehen und vielleicht mehr über die vergessene Geschichte herausfinden, als er je wissen wollte.

Aber je näher er kam, desto misstrauischer wurde er und das aus gutem Grund.

Jiroushin konnte er wahrnehmen wie ein Licht in der Dunkelheit und das, obwohl er noch nicht mal das Land erreicht hatte. Es rief ein Schmunzeln auf Dulacres Gesicht. Obwohl Kuraigana nicht sehr einladend wirkte, schien es seine Gäste in Sicherheit zu wiegen, so sehr, dass man vergaß seine eigene Anwesenheit zu verbergen und nach der Anwesenheit Fremder Ausschau zu halten.

Fähigkeiten, die Kämpfer ihrer Qualität in einer solchen Perfektion beherrschten, dass sie diese ganz automatisch einsetzten, ohne überhaupt drüber nachzudenken; außer anscheinend, wenn man auf Kuraigana war.

Es überraschte Dulacre dementsprechend wenig, dass sein Kindheitsfreund vergessen hatte seine Anwesenheit zu verbergen. Aber warum in Gottes Namen konnte er Lorenor nicht wahrnehmen?

Lorenor war noch ein Anfänger in der Kunst des Hakis, und sich gegen ein solche ausgereiftes Observationshaki zu schützen wie Dulacre es beherrschte, fiel selbst den Besten schwer, ganz zu schweigen von dem hohen Maß an Konzentration und Denkvermögen, die diese Fertigkeit bedurfte.

Natürlich dachte Dulacre nicht im Traum daran, dass Jiroushin Lorenor doch umgebracht hatte, aber selbst als Loreen konnte Lorenor seine Anwesenheit nicht vollständig verbergen, obwohl er dann nicht ansatzweise so deutlich wahrzunehmen war.

Unterschätzte er Lorenor gerade etwa erneut?

Nein, das tat er gewiss nicht. Selbst wenn sie direkt nach Dulacres Abreise angefangen hatten diese Fertigkeit zu trainieren, so würde Dulacre ihn doch zumindest dann wahrnehmen müssen, wenn er sich bewusst darauf konzentrierte.

Endlich war er nahe genug, um den Abstand zum Festland mit einem beherzten Sprung überbrücken zu können, vertraute darauf, dass sein Boot seine Führung für die letzten paar Meter nicht mehr brauchen würde.

Stillen Schrittes eilte er durch den vertrauten Wald, konnte Jiroushins ruhige Stimme schon von weit her hören, jedoch nicht seine Worte verstehen.

Als er den Rand der Bäume erreicht hatte und nur noch die Ruinen vor sich sah, erstarrte er.

„Was in Gottes Namen…?“

Zwischen den Ruinen stand Jiroushin, ihm gegenüber Lorenor und an seinen Augen erkannte Dulacre sofort warum er seine Anwesenheit nicht mehr gespürt hatte.

Denn dort stand nicht Lorenor, sondern der Dämon.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  DarasEvolution
2019-10-02T12:39:29+00:00 02.10.2019 14:39
Das D. und Lorenor ob Aizen davon weiß?
Ich frag mich echt ob es einfach an der Herkunft Alciel liegt.
Fragen über Fragen XD
Auf jeden Fall Tolles Kapitel
Die bösen Cliffhanger seien verziehen<3

Antwort von:  Sharry
02.12.2019 19:30
Hey,
ich danke dir für deine beiden Kommis (und danke, ja ich versuche zu lernen... -.-')
Na, ich verrate einfach mal gar nichts hier, aber glaubst du wirklich, dass Mihawk die Klappe hält? ;-)

Ganz liebe Grüße
Sharry
Von:  lula-chan
2019-10-01T19:21:47+00:00 01.10.2019 21:21
Uii. Na das verspricht interessant zu werden. Da hat Falkenauge wohl was sehr wichtiges herausgefunden. Na mal sehen, was da jetzt als nächstes passiert. Für Falkenauge sollte das aber echt ein Schock sein.
Ein tolles Kapitel. Sehr gut geschrieben. Das kam mega gut rüber.

LG
Antwort von:  Sharry
02.12.2019 19:28
Oh, da gibt es noch ein paar Kommentare, die ich nicht beantwortet habe ;-)
Danke, dass du immer so treu schreibst und ich freue mich sehr, dass dir das Kapitel gefallen hat.

LG
Von: RuffysKreationen
2019-09-28T09:30:57+00:00 28.09.2019 11:30
Interessante Begegnung zwischen Vater und Sohn...und umso gespannter bin ich, was du dir mit dem D und dem Namen Lorenor ausgedacht hast! :D
Den gemeinen Cliffhanger am Ende verzeihe ich dir da mal :'D
Und hetz dich nicht mit dem Hochladen. Manchmal ist es einfach so, das wahre Leben sollte immer vorgehen :)
Antwort von:  Sharry
30.09.2019 15:35
Hey nochmal ^^'
Vielen Dank, dass du mir den Cliffhanger verzeihst (so langsam müsste ich dich ja auch dran gewöhnen, ist ja nicht der erste ;-P). Dafür verrate ich dir aber überhaupt nicht was passieren wird (nur so viel, manchmal denkt man Dinge sind geklärt und viel später bemerkt man, dass das gar nicht so ist ;-P)

Ich danke dir für deine Geduld. Ich möchte ja auch etwas hochladen wo ich später noch hinterstehen kann, daher brauch ich dann auch zum überarbeiten immer etwas mehr Zeit und die fehlt mir leider derzeit total. Aber da meine anderen Projekte derzeit abgeschlossen sind oder pausieren kann ich mich jetzt voll und ganz hierauf konzentrieren und das ist sehr gut^^ daher geht es hoffentlich bald weiter ;-)

LG
Sharry


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