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Ein unverhofftes Familientreffen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie versprochen gibt es neues Kapitel, dieses Mal mit etwas mehr Fluff. Und Yukio ist mal halbwegs nett, yay!~ :3 Rin braucht noch Zeit, um sich erholen, also habt etwas Geduld. Im nächsten Kapitel wird sicherlich wieder etwas mehr los sein und man kommt endlich mal wieder aus dem Exorzisten Hauptquartier raus. ^^
So oder so wünsche ich viel Spaß! Komplett anzeigen

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Taubheit

Rin lag in seinem Bett und starrte stumm die Decke an, seinen kreisenden Gedanken nachhängend. Nach einer kurzen Untersuchung durfte er endlich das Krankenzimmer verlassen und schlief nun zusammen mit seinen Brüdern und Satan in einem Zimmer. Während ein Teil von ihm glücklich war, endlich von dort weg zu sein, war der andere Teil eher taub, beinahe schon apathisch. Obwohl er kein Problem mehr damit hatte, mit seinem Vater und den Dämonenkönigen in einem Raum zu sein, kamen dennoch immer wieder schlechte Erinnerungen und Gefühle hoch. Nie lange genug, um wirklich zu erkennen, worum es ging, aber es reichte aus, um ihn weiter zu verunsichern. Irgendwie fühlte sich alles anders und fremd an, so sehr er sich bemühte, sich normal zu verhalten. Zwar konnte er sich beispielsweise über Dinge freuen, allerdings nicht für lange. Stattdessen zog er sich zurück und begann über verschiedene Dinge zu grübeln. Selbst das Treffen mit seinem Freunden hatte es nicht besser gemacht. Zwar hatte es gut getan sie wiederzusehen, aber gleichzeitig war es ihm nicht gelungen auch nur einem von ihnen für längere Zeit in die Augen zu sehen, zu sehr schämte er sich für alles, was passiert war. Er hatte sich sehr anstrengen müssen, um halbwegs normal auf sie zu wirken und war entsprechend erleichtert gewesen, als er endlich weg konnte, obwohl er sie mit seinem Vater allein lassen musste. Ob es zwischen ihnen jemals wie zuvor sein würde, blieb wohl abzuwarten. Bei seinen Brüdern würde es ebenfalls nicht leicht sein. Er merkte, dass sie versuchten ihn wie sonst zu behandeln, aber er war kein Idiot und wusste, dass sie ihn genau im Auge behielten. Offenbar glaubten sie nicht länger, dass er irgendetwas alleine schaffte. Frustriert seufzend, drehte er sich auf die Seite und schloss die Augen. Vielleicht hatten sie sogar recht damit und er würde immer nur eine Last sein. Mit diesen düsteren Gedanken verlangsamte sich seine Atmung und er schlief endlich ein.

 

 

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Es war dunkel und roch nach verbranntem Fleisch. Ketten rasselten, während eine unsägliche Hitze in der Luft lag. Rin hustete und spürte dabei, wie eine metallisch schmeckende Flüssigkeit seine Luftröhre hochkam. Er versuchte sich zu bewegen, doch konnte es nicht. Blinzelnd sah er sich um und erkannte, nachdem er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, dass er sich auf den Knien in der Mitte eines Raumen befand. Der Boden und die Wände waren aus einem dunklen Gestein und von der Decke hingen Ketten, die seine Arme über seinen Kopf hielten. Ein erneutes Husten ließ ihn zusammenzucken und zittern. Sein gesamter Körper schmerzte und etwas sagte ihm, dass dies noch nicht das Ende war. Er musste hier raus, sofort! Verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit sich zu befreien, aber fand nichts, außer mehreren Gegenstände und Gerätschaften mit denen er nicht in näheren Kontakt kommen wollte. In seiner Verzweiflung begann er an den Ketten zu ziehen, was sie jedoch nur noch tiefer in sein Fleisch schneiden ließ. Einen Schmerzensschrei unterdrückend, versuchte er es erneut, wieder erfolglos. Nun hörte er, wie die einzige Tür im Raum aufgeschlossen wurde und aufschwang. Sofort stieg eine Angst in ihm auf, die er nicht erklären konnte. Was auch immer gleich durch diese Tür kommen würde, er wollte es nicht kennenlernen! Als ein dunkles Lachen ertönte, sah er auf und seine Augen weiteten sich. Vor ihm stand eine nur allzu bekannte Person, die ihn grausam anlächelte. „Vater...”, wimmerte Rin. „Warum-?” Satan antwortete nicht, sondern lachte erneut, das Gesicht zu einem sadistischen Grinsen verzogen. „Na, sieh mal an, wer wieder wach ist. Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr aufwachen. Anscheinend habe ich es beim letzten Mal übertrieben...andererseits warst du schon immer schwach.”, kommentierte er, ungerührt von Rins offensichtlichen Schmerzen und begann ihn zu umkreisen wie ein Raubtier. „Du bist eine Schande für diese Familie...warum kannst du nicht mehr wie deine Brüder sie? Sie jammern wenigstens nicht wegen jeder Kleinigkeit rum.”, zischte er abfällig. „Bitte...hör auf...warum tust du das-?”, fragte Rin, doch wurde von einem peitschenähnlichen Geräusch unterbrochen und schrie auf, als ein Teil seines Rückens verbrannt wurde. „Sei Still! Du redest nur, wenn ich es erlaube, verstanden?” Erneut wurde er von den Flammen seines Vaters verbrannt und ihm entwich ein Schluchzen. „Hör auf zu heulen, das wird dir nicht weiterhelfen. Und du willst mein Sohn sein? Erbärmlich...” Immer wieder wurde der Nephilim verbrannt und in seiner Verzweiflung hielt er seine Tränen nicht länger zurück. Warum tat sein Vater das?! Er dachte, er liebte ihn?! War das alles nur eine Lüge gewesen? Endlich hörte das Feuer auf und er hing schlaff in den Ketten, leise vor sich hin schluchzend. Leider war es noch nicht vorbei. Satan griff nach seinem Schweif und zog daran, was Rin erneut aufschreien ließ. Mit tränenverschmierten Gesicht blickte er über seine Schulter zu seinem Vater, welcher nur kurz hämisch grinste, eh er seine Flammen erneut auflodern ließ und begann seinen Schweif zu verbrennen. Der Schmerz war unerträglich. Rin schrie und flehte den Dämonenherrscher an, aufzuhören, doch dieser dachte gar nicht daran und machte einfach weiter, bis er den Schweif schließlich mit einer knappen Bewegung brach. Inzwischen war der Nephilim so heiser, dass er kaum noch schreien konnte. „Bitte...hör auf...bitte...”, weinte er, aber Satan sah ihn nur abwertend an. „Schwach...” Rin wünschte sich die Bewusstlosigkeit herbei, aber sie wollte nicht kommen. Mit Entsetzen sah er, wie sein Vater ein Messer von einem der Tische nahm und auf ihn zutrat. „Dann wollen wir mal sehen, wie viel ich dieses Mal wegschneiden kann, bevor du wieder bewusstlos wirst.”, kommentierte er mit einem bösartigen Grinsen. Der Halbdämon versuchte von ihm wegzukommen, dank der Ketten natürlich erfolglos. Das konnte nicht wahr sein, das konnte nicht passieren! „Warum tust du das?!”, schrie er am Rande der Hysterie. „Was hab ich dir je getan?! Ich dachte, du-”

 

„Du dachtest, ich würde mich um dich sorgen?”, schnaubte Satan und lachte. Es war genau dieses Lachen, dass er bei ihrer ersten Begegnung gehört hatte. „Du bist ein nützliches Werkzeug zur Eroberung Assiahs, aber das war es schon. Du wurdest ohnehin nur aus diesem Grund geboren. Danach brauche ich dich mehr, also werde ich dich wohl dann los werden. Wobei...deine Brüder haben eigentlich immer ihren Spaß mit dir, ich werde dich einfach ihnen überlassen. Ich bin gespannt, wer dich schlussendlich bricht...falls ich ihnen nicht zuvorkomme, natürlich.~” Damit rammte er das Messer in Rins linken Arm. Dieser versuchte einen Schrei zu unterdrücken, in der Hoffnung, alles wäre jeden Moment vorbei. „Was? Denkst du, ich höre auf, wenn du nicht mehr schreist?‟, hörte er Satan fragen. „Netter Versuch, daraus wird nichts. Ich denke, ich werde dieses Mal etwas anders ausprobieren und zwischen Flammen und schneiden wechseln. Versuche nicht zu viel zu zappeln, ja?” Alles was er danach spürte, waren Schmerzen. Ohne einen Moment zum durchatmen steigen sie stetig und ließen ihn schreien. Am Rande bemerkte er, wie Satan in einer Hand erneut blaue Flammen erzeugte und sie auf sein Auge bewegte. „NEIN!..NEIN!...NEIN!” Die Flammen war nur noch Zentimeter von seinem Auge entfernt. „NEIN!”

 

„RIN!”

 

 

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Rin fuhr aus dem Bett hoch, schwer atmend und in Flammen stehend. Sein Herz raste und sein ganzer Körper zitterte. Neben ihm saß Satan und sah ihn besorgt an. Er hatte kurz nach dem Nephilim gesehen und war bereits auf dem Weg zurück, als die Schreie begannen. Natürlich war er sofort zurückgerannt und hatte sein Kind schreiend und um sich schlagend, vorgefunden. Es hatte lange gedauert, bis es ihm endlich gelungen war, ihn aufzuwecken, vor allem, da er es nicht gewagt hatte, ihn festzuhalten. „Rin?”, fragte er vorsichtig und streckte eine Hand aus, zog sie jedoch sofort zurück, da der Nephilim einen markerschütternden Schrei ausstieß. und vor ihm zurückwich, bis er an der Wand angelangt war. Seine Flammen loderten noch stärker auf, seine Augen waren weit aufgerissen und voller Schrecken. Sofort hob Satan seine Hände so hoch, dass deutlich wurde, dass er keine schlechten Absichten hatte. „Schon gut, es ist alles in Ordnung, du hattest einen Albtraum.”, versuchte er den jüngeren Dämonen zu beruhigen. Offenbar funktionierte es, denn Rins Flammen wurde langsam kleiner und seine Atmung normalisierte sich wieder. Mit einem leisen Schluchzen warf er sich seinem Vater in die Arme. „I-Ich d-dachte...ich d-dachte, es wäre echt...ich dachte, ihr hasst mich...”, weinte er und krallte sich an Satan fest. „Ich bin nutzlos, ich-”

 

„Shhh...es ist alles in Ordnung, ich bin da. Du bist in Sicherheit und niemand kommt an dich ran. Du bist nicht nutzlos und wir hassen dich nicht.”, beruhigte dieser ihn und strich ihm durchs Haar. Nach einer Weile hatte sich Rin beruhigt, aber machte keine Anstalten loszulassen, daher umarmte Satan ihn weiterhin und redete beruhigend auf ihn an, bis der Nephilim schließlich mit sprechen begann. „Lilith hat mir gesagt, dass ihr mich hasst...irgendwann hab ich ihr geglaubt. Ich habe gesehen wie ihr mich gefoltert habt und dachte, dass ich euch egal bin und ich für dich nur eine Waffe und ein Gefäß bin-”

 

„Rin, sieh mich an und hör mir zu.”, unterbrach der Dämonenherrscher ihn ernst. Zögerlich kam der Jüngere seiner Aufforderung nach und Satan fuhr fort. „Vergiss, was sie dir gesagt und gezeigt hat, es ist eine Lüge. Du bist für mich keine Waffe und kein Gefäß, du bist mein Sohn und mir genauso wichtig wie deine anderen Brüder, daran ändern weder dein Blutstatus noch deine Flammen etwas, verstanden? Genauso wenig würde ich ihnen oder dir jemals schaden, auch nicht im Zorn.” Rin nickte langsam und ließ ihn langsam los. „Tut mir leid, ich sollte nicht...ich hätte nicht...”

 

„Entschuldige dich nicht, es gibt keinen Grund.”, beruhigte Satan ihn. Rin wollte protestieren, aber ließ es schlussendlich gut sein, lehnte sich gegen seinen Vater und schloss die Augen. Seine Anwesenheit war überraschend beruhigend, wenn man bedachte, was er gerade noch geträumt hatte. Sie schwiegen einige Sekunden, bis der Dämonenherrscher erneut das Wort ergriff. „Soll ich bei dir bleiben, bis du wieder eingeschlafen bist?” Zuerst wollte der Nephilim Nein sagen, immerhin war er kein kleines Kind mehr, doch schließlich nickte er und legte sich wieder hin. Er spürte wie sein Vater ihm durchs Haar strich und schloss die Augen. Nach einer Weile schlief er endlich ein, dieses Mal glücklicherweise albtraumlos.

 

 

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Ankou saß am einzigen Tisch des Raumes und versuchte sich mit zeichnen abzulenken. Sie wechselte sich regelmäßig mit den anderen Stellvertretern und den Baal ab, um auf Azazel aufzupassen, aber heute war sie besonders angespannt. Obwohl sie bis Nachmittag hatte schlafen können, war sie ziemlich müde, was vor allem an dem Haufen Arbeit lag. Kaum hatte sie eine Sache erledigt, kamen zwei neue Dinge dazu. Es war zum verrückt werden. Mit einem frustrierten Grollen zerknüllte sie ihr Blatt und warf es in den Eimer. Eigentlich half ihr zeichnen dabei, sich zu entspannen, doch dieses Mal konnte sie einfach nichts vernünftiges zu Papier bringen. Vielleicht sollte sie einfach aufgeben und irgendetwas anderes tun. Ein leises Stöhnen Azazels ließ sie zu dem Geisterdämonen schauen. Bisher hatte der Dämon geschlafen, allerdings äußerst unruhig. Er hatte noch immer Albträume und selbst Schlafmedikamente halfen nicht. „Wie spät ist es?”, hörte sie ihn unerwartet nuscheln. „Kurz nach Mitternacht.”, antwortete sie und stand auf, um sich neben sein Bett zu setzen. Azazel fluchte leise und setzte sich auf. Die Dämonin verzog das Gesicht, als sie das Rasseln der Ketten hörte. Sie waren leider nötig, um ihn zurückzuhalten und seine Kräfte zu blockieren, immerhin hatte er bereits versucht einige Dämonen anzufallen und ihnen das Blut auszusaugen. Sie selbst musste daher stets einen gewissen Abstand halten, auch wenn sie ihn lieber umarmt hätte. Äußerlich war es ihr kaum anzusehen, doch Azazel so zu sehen, zerriss ihr das Herz. Warum traf das schlimmste immer diejenigen, die es nicht verdienten? „Also, gibt's was neues?”, riss der Baal sie aus Gedanken. „Ich nehme mal an, wir sitzen hier weiterhin fest?” Die Dämonin nickte und seufzte. „Dämonen und Exorzisten sind sich teilweise nach wie vor uneinig, was getan werden soll, aber so wie es aussieht, wollen sie bald ganz Assiah von uns und Gehenna erzählen. Die meisten Sterblichen wissen immer noch nicht, was los ist und anscheinend erhoffen sie sich dadurch neue Verbündete.” Azazel sah sie zweifelnd an. „Sicher, dass sie uns dann nicht einfach mit Lilith in einen Topf werfen werden? Denen klar zu machen, dass Vater nicht der Böse ist, wird unmöglich sein.” Zwar stimmte sie ihm zu, aber sie zuckte mit den Schultern. „Besser als wenn sie sich weiterhin ihre eigenen Theorien zusammenlegen, da kommen die interessantesten, aber auch bescheuertsten Dinge zustande. Viel haben wir nicht mehr wirklich zu verlieren. Wahrscheinlich hätten wir das schon viel eher tun sollen...” Azazel nickte stumm und beide schwiegen für einige Sekunden, bis er schließlich die nächsten Frage stellte. „Wie geht es Rin?” Diese Frage hatte sie erwartet und befürchtet. Sie hatte den Nephilim bisher nicht gesehen, aber seine Reaktion auf Satan und die Baal hatte sich wie ein Lauffeuer im ganzen Gebäude verbreitet. Zwar ging es ihm inzwischen besser, aber es war offensichtlich, dass er länger brauchen würde, um wieder auf die Beine zu kommen. „Er erholt sich langsam.”, antwortete zögerlich. Er hat vorhin deine Brüder und seine Freunde getroffen, aber mehr weiß ich nicht. Ich wollte ihn vielleicht morgen mal besuchen. Ihm ist wahrscheinlich ziemlich langweilig, er hat die letzten Tage in einem Krankenzimmer verbracht. Satan und die Anderen wollen ihn verständlicherweise am liebsten gar nicht mehr aus den Augen lassen.” Erneutes Schweigen folgte, dieses Mal wesentlich unangenehmer als zuvor. Sie wusste, dass er sich Vorwürfe machte und keine wirkliche Hoffnung hatte, jemals frei von Lilith zu sein. Nach kurzem Zögern rückte sie näher an ihn heran und legte ihre Hand auf seine. Der Schwarzhaarige zuckte zusammen und sah sie erschrocken an. „Du solltest nicht-”

 

„Momentan scheinst du dich zusammenreißen zu können und wir beide wissen, dass ich dir notfalls in den Arsch treten kann. Ich habe dich schon besiegt wie du sicher noch weißt.”, unterbrach sie ihn und ließ ihn die Augen verdrehen. „Erstens: Seit wann fluchst du? Zweitens: Ich hab dich gewinnen lassen.”

 

„Ha! Träum weiter!”, antwortete sie und lächelte ihm aufmunternd zu. „Jetzt hör auf, so ein Gesicht zu ziehen, Aza. Was geschehen ist, ist geschehen, ich hätte an deiner Stelle nicht anders gehandelt. Wir beenden diesen Krieg, befreien dich von Lilith und früher oder später wird sich alles wieder normalisieren. Wir konnten uns von ihrer Rebellion erholen, diesmal wird es nicht anders sein.”, meinte sie und drückte seine Hand. „Die Exorzisten können uns mal.” Azazel zögerte und wich ihrem Blick aus. „Das sagt sich so leicht, wir-”

 

„Ach, um Satans Willen! Jetzt sei nicht immer so pessimistisch oder ich schlage dich!”, knurrte sie. „Wir kriegen das hin, hab mal etwas Vertrauen!” Er verdrehte die Augen. „Ok, ok, schon klar. Wir besiegen Lilith, dann regnet es Glitzer, Regenbögen tauchen überall auf und die Tiere fangen an zu singen. Optimistisch genug?” Ankou blinzelte und starrte ihn an. „...Das ist dann doch etwas zu viel des Guten.” Azazel lachte leise und überraschte sie damit. Seit er hier war, hatte er niemals gelacht oder gelächelt. War das ein Anfang? Vielleicht. Umso überrumpelter war sie, als er plötzlich seine Hand wegzog. „Du solltest nicht so nah ran kommen.”, erinnerte er sie. Widerwillig stimmte sie ihm zu und rückte weiter weg. „Übrigens solltest du mehr schlafen. Du siehst sonst irgendwann aus wie ich.”, fuhr er fort. „Es sollten mehr als Dämonen da sein, dass du nicht alles übernehmen musst, oder?” Sie schüttelte düster den Kopf. „Momentan brauchen wir jeden. Abgesehen davon können die wenigsten momentan ruhig schlafen. Wenn ich hier abgelöst werde, habe ich vielleicht vier Stunden Schlaf, dann geht es weiter. Ich soll heute mit einer größeren Gruppe in die Stadt, kenne allerdings die Details nicht.” Azazel runzelte die Stirn. „Laut Shax kommt wohl ein ziemlicher Sturm...du hattest doch immer Angst vor Gewittern. Sicher, dass du dann raus willst?”

 

„Ich habe keine Angst vor Gewittern!”, protestiere Ankou sofort, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihr die Röte ins Gesicht schoss. „Ach ja? Einmal als wir zusammen gespielt haben, war ein ziemlich heftiges. Du hast dich nicht mehr aus meinem Zimmer getraut und sogar mit weinen angefangen. Schlussendlich haben wir zusammen in meinem Bett geschlafen, weil du alleine zu nervös warst.”, erinnerte der Dämonenkönig sie und ließ sie noch mehr erröten. „Da waren wir Kinder! Inzwischen stört es mich nicht mehr!”, hielt sie dagegen und verschränkte trotzig die Arme. Als ob sie vor etwas so albernen Angst hatte! Sie wurde nur etwas nervös, das war alles! „Klar....”, antwortete Azazel und sah sie zweifelnd an. Offenbar glaubte er ihr kein Wort. „Weißt du, es ist keine Schande Angst zu haben. Sie würden es sicher verstehen, wenn du nicht mit willst. Ist besser, als wenn sie dich umherschleifen müssen, weil du dich nicht traust alleine zu laufen.” Das ließ Ankou kurz auflachen. „Oh ja, sagen wir den Krieg ab, weil es gewittert. Ganz tolle Idee.” Sie konnten den bissigen Kommentar einfach nicht lassen, aber Azazel schien es nicht zu stören. „So wichtig kann es nicht sein, wenn du nicht mal weißt, worum es geht. Du sagst mir, ich soll nicht immer so pessimistisch sein und alles in mich rein fressen, aber du bist kaum besser. Warum kannst du nicht einfach mal zugeben, wenn du Angst hast?” Darauf wusste sie selbst keine Antwort und schwieg. Die Stille wurde jedoch schnell von einem Husten seitens Azazel unterbrochen, welcher erneut Blut hervor würgte. Ankou wollte aufstehen, um ihm zu helfen, doch er wich zurück. „Bleib wo du bist.”, presste er hervor und stützte sich ab, während er weiterhin unkontrolliert hustete. Ohne große Wahl tat sie, was er verlangte. Sie hatten festgestellt, dass er aggressiver wurde, wenn er begann Blut zu husten und in der Regel danach versuchte, an Blut zu kommen, indem er entweder andere angriff oder sich selbst verletzte. Gerade überlegte sie, ob sie jemanden holen sollte, damit sie ihn notfalls zusammen unten halten konnten, als er plötzlich auf sie plötzlich auf sie stürzte. Instinktiv sprang sie zurück und errichtete einen Schutzwall um sich herum, doch glücklicherweise stand sie außerhalb seiner Reichweite. Schwer atmend stolperte er zurück und stützte sich zitternd auf dem Bett ab. Seine Dämonenmale waren aufgetaucht und seine Haare hatten sich an den Spitzen weiß verfärbt. ‚Wenn das weiter so geht, verwandelt er sich irgendwann komplett und dann kann ihn keine Kette mehr zurückhalten.‘, stellte sie erschrocken fest. „Azazel?”, fragte sie vorsichtig und verfluchte sich wegen ihrer zittrigen Stimme. Warum musste sie ausgerechnet jetzt die Nerven verlieren? Jedoch schien es nicht ganz wirkungslos zu sein. Der Geisterdämon blinzelte einige Male und seine Atmung beruhigte sich. Langsam verschwanden die Dämonenmale und das Weiße in seinen Haaren. „Tut mir leid...”. krächzte er hervor. „Ich wollte dir keine Angst machen.” Die Dämonin stand langsam auf, nicht sicher wann sie überhaupt hingefallen war. Es war ohnehin egal. Mit entschlossenen Schritten ging auf ihn zu und als sie schließlich vor ihm stand, umarmte sie ihn, bevor er protestieren konnte. „Ich habe keine Angst vor dir, ich habe Angst um dich, du Idiot.”, antwortete sie mit erstickter Stimme. „Du bist mein...”, sie zögerte kurz. Was war er überhaupt für sie? „Mein bester Freund.”, fuhr sie schließlich fort, obwohl sich das nicht passend anfühlte. „Ich bleib bei dir solange es nötig ist, ok? Also hör auf, dich für etwas zu entschuldigen, für das du nichts kannst. Und wage es ja nicht zu sterben, ansonsten schleife ich dich persönlich am Schweif zurück, kapiert?” Sie spürte wie etwas in ihren Augen brannte, aber sie wischte es energisch mit ihrem Handrücken weg. Azazel sagte zunächst nichts, dann erwiderte er ihre Umarmung zögerlich. Für einige Sekunden verharrten sie so, dann löste sie sich von ihm und trat wieder einige Schritte zurück. „Erhol dich schnell, ok? Wir vermissen dich...”, murmelte sie etwas peinlich berührt. Sie hatte den Spitznamen Eisprinzessin nicht umsonst bekommen, sie war nicht sehr emotional und zeigte sie nicht gerne. Als sie sich jedoch Azazel näher ansah, der ein wenig glücklicher wirkte, stellte sie fest, dass ihr das momentan sowas von egal war.

 

 

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Rin wachte auf, als er beinahe aus seinem Bett fiel. Mit einem erschrockenem Laut schaffte er es gerade noch, sich abzufangen, bevor er mit dem Gesicht voran auf den Boden knallte. Was für eine tolle Art den Morgen zu beginnen. Gähnend richtete er sich auf und sah sich noch etwas schlaftrunken um. Wie erwartet waren alle Betten leer, manche sahen nicht mal danach aus, als hätte jemand darin geschlafen. Wann war er überhaupt wegen seines Albtraums aufgewacht? Da war er auch allein Zimmer gewesen. Schliefen seine Geschwister und sein Vater überhaupt noch? Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ihn etwas ansprang und versuchte, ihm übers Gesicht zu lecken „Behemoth, runter von mir!” Er versuchte den Hobogoblin von sich zu schieben, aber der Dämon ließ sich nicht so leicht abwimmeln und warf ihn um. Glücklicherweise landete er auf dem Bett. Behemoth hatte endlich aufgehört ihn abzulecken und saß stattdessen auf ihm, freudig mit dem Schweif wedelnd und ihn erwartungsvoll ansehend. „Rin, ist alles in Ordnung?”, hörte er Kuro fragen. Der Kater war neben ihn auf das Bett gesprungen und sah ihn besorgt an. „Ja, klar. Ich war nur überrascht.”, antwortete der Halbdämon, während er versuchte sich daran zu erinnern, was Amaimon damals zu dem Hobogoblin gesagt hatte, damit er von vom runterging. Da es ihm nicht einfiel, beschränkte er sich zunächst darauf, dem Dämon hinter den Hörnern zu kraulen. Wahrscheinlich vermisste er Amaimon und wollte Streicheleinheiten von Rin, um zumindest ein wenig Aufmerksamkeit zu bekommen. Glücklicherweise schien er nun zufrieden und sprang endlich von dem Nephilim herunter. Dieser stand auf und strecke sich, wobei sein Blick auf sein Handy fiel, welches auf dem Nachttisch lag. Der Bildschirm war gerade wegen einer neuen Textnachricht aufgeleuchtet. Ein wenig verwundert nahm er es in die Hand und seine Augen weiteten sich. „Was? Vier neue Nachrichten und drei verpasste Anrufe? Es ist doch erst...” Er schaute auf die Uhrzeit und sein Mund klappte auf. „Kurz vor 12? Ok, das ist fair, schätze ich.”

 

„Rin, ist es ok, wenn Behemoth und ich gehen? Wir wollen schauen, ob wir irgendwo etwas zu essen bekommen.”, fragte Kuro. „Klar, kein Problem.”, sagte Rin nickend und wandte sich wieder an sein Handy. Er öffnete die erste Nachricht, welche von Izumo war. ‚Hey, wir haben Satan überlebt. Wie geht es dir? Einige Exorzisten haben erzählt, sie hätten in der Nacht Schreie aus deinem Zimmer gehört. Ist alles ok? Bevor du auf dumme Ideen kommst: Ich frage nur, weil ich grad nichts besseres zu tun habe und die Anderen es auch wissen wollten!‘

 

Die nächste war von Shura. ‚Yukio kommt heute zurück, er will wahrscheinlich zu dir. Die Entscheidung liegt bei dir, aber vertragt euch dann gefälligst. Ich bin heute unterwegs und wenn ich höre, dass ihr euch wieder gestritten habt, setzt es was! Oh, und sprich Satan besser vorerst nicht darauf an, wie das Gespräch mit uns lief. Ich glaube, er hat erst mal genug von uns. ^^°‘ Kopfschüttelnd seufzte er. Wahrscheinlich hatten entweder Bon oder Shima nicht den Mund halten können. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er schon für Yukio bereit war. Zwar hatten sie sich schon wieder vertragen, aber wer konnte vorhersagen, wie er jetzt reagieren würde. Er beschloss, vorerst die anderen Nachrichten zu lesen. Die dritte war von Izumi. ‚Hallo Rin, ich hoffe, das hier kommt durch. Samael hat uns deine neue Nummer gegeben und wir wollten eigentlich nur wissen, wie es dir geht und ob wir vielleicht demnächst zu dir können. Du hast uns übrigens noch einiges zu erklären. Weißt du, wie besorgt wir waren, als wir gehört haben, dass du in Gehenna bist?!‘ Dieses Mal musste Rin grinsen. Er hatte schon lange nichts mehr von den Mönchen gehört, dabei gehörten sie für ihn ebenfalls zur Familie. Vielleicht konnte er sie später tatsächlich treffen. Er öffnete die vierte und letzte Nachricht, welche dieses Mal von Lucifer war. ‚Hallo Rin, ich hoffe, du bist inzwischen wach. Wir haben versucht, dich zu wecken, aber du hast so fest geschlafen, dass wir es doch haben sein lassen. Falls du Hunger hast, frag einfach jemanden nach dem Weg zur Kantine, dort bekommst du jederzeit was. Ansonsten wollte ich nur Bescheid sagen, dass wir momentan auf einer Versammlung sind, aber Yukio wollte mit dir reden. Wenn du ihn vorerst nicht sehen willst, ist das natürlich in Ordnung. Schreib ihm dann einfach eine Nachricht oder rufe ihn an. Wir werden wahrscheinlich mindestens zwei Stunden brauchen, Tut uns leid.‘ Nun stellte er fest, dass zwei der verpassten Anrufe von Yukio waren, der dritte war von Lucifer. Wollte er seinen Zwilling treffen? Ein Teil schämte sich noch immer, doch ein anderer Teil wollte ihn gerne sehen. Schließlich traf er seine Entscheidung, schickte Yukio eine kurze Nachricht und zog sich an. Essen konnte vorerst warten.

 

 

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Yukio hatte seinen biologischen Vater niemals treffen wollen. Für ihn war der Dämonengott eine Verkörperung des Bösen und eine machthungrige Kreatur, die die Menschheit ins Unglück stürzen wollte. Shiro war für ihn sein richtiger Vater gewesen, egal ob nun blutsverwandt oder nicht. Natürlich hatte er sich dennoch immer wieder Gedanken gemacht, sowohl bevor er die Wahrheit kannte, als auch danach. Zuvor hatte er sich immer gefragt, warum ihr Vater sie nicht gewollt hatte, wie er gewesen war und ob er überhaupt noch lebte. Später dann, ob Satan wirklich so böse war wie man immer hörte, sonst wäre seine Mutter sicher nie bereit gewesen mit ihm Kinder zu haben. Je älter er allerdings wurde, umso mehr lehnte er ihn ab, insbesondere als Shiro ihm erzählte, dass er wahrscheinlich Rin benutzen wollte, um die Herrschaft über Assiah an sich zu reißen. Er hatte gelernt, ihn zu verachten, vor allem nach Shiros Tod war ihm dies leicht gefallen, doch nun war er in einer Position gelandet, die er nie erwartet hätte. Die Ritterschaft arbeitete offiziell mit Satan und den Dämonenkönigen zusammen, sodass er früher oder später gezwungen sein würde, sich mit ihnen auseinander zu setzen. Bisher hatte er es geschafft, dem Dämonenherrscher aus dem Weg zu gehen, aber dieses Mal hatte er kein Glück gehabt und war ihm begegnet, kaum dass er von seinem Auftrag zurück war. Zugebenermaßen hatte er ihn sich komplett anders vorgestellt. Natürlich nicht mit roter Haut und mit Ziegenbeinen, aber bei weitem nicht so menschlich. Erschreckend fand er vor allem, dass er manche Gesichtszüge von Rin und damit auch von sich selbst erkannte, wobei das Auffälligste natürlich die Augen waren. Da der Dämonengott gerade in einem Gespräch vertieft war, versuchte er sich möglichst unauffällig vorbei zu schleichen, aber Satan hatte ihn offenbar schon entdeckt, beendete das Gespräch und kam auf ihn zu. Yukio widerstand dem Drang seine Waffen zu ziehen. Es würde zum einen nichts nützen und zum anderen hatte er Rin versprochen, dass er versuchen würde, sich mit den Dämonen zu vertragen und das schloss Satan ein, so sehr es ihn anstank. „Was willst du von mir?”, fragte er stattdessen, bemüht möglichst neutral zu klingen. Für einen Moment wirkte der Dämon überrascht, wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass Yukio mit ihm reden würde, doch er fing sich schnell. „Ich muss mit dir reden.”, antwortete er ruhig, aber der Brillenträger wich seinem Blick aus. „Ich wüsste nicht, worüber wir reden sollten.” Zwar klang seine Stimme unbeteiligt, aber ihm schlug das Herz bis zum Hals. Er gab es ungerne zu, aber er hatte Angst. Angst vor Satan, Angst vor seiner eigenen Unfähigkeit und Angst, dass er Rin doch noch an sie verlieren würde. Was wenn er nachdem das alles vorbei war, darauf bestand in Gehenna zu bleiben? „Ich weiß, dass du nicht gut auf mich zu sprechen bist, aber das hier ist wichtig.”, fuhr der Dämonenherrscher ernst fort. Als Yukio nicht sofort antwortete, seufzte er. „Shiro Fujimotos Tod war nicht geplant gewesen. Ich wollte ihn leben und mit dem Schrecken davon kommen lassen, da er sich jahrelang um euch gekümmert hat.”

 

„Das macht ihn auch nicht wieder lebendig.”, konterte Yukio bitter. Satan zögerte und nickte schließlich. „Ich weiß. Aber es soll jetzt nicht darum gehen. Ich möchte mit dir über Rin sprechen. Wenn du nichts mit mir zu tun haben willst gut, aber hör mir wenigstens dabei zu.” Der Brillenträger wich seinem Blick aus und seufzte schließlich leise. „Na gut. Ist etwas mit ihm passiert? Ich dachte, er wäre inzwischen aufgewacht.”, fragte er. Satan nickte, doch sein Blick verhieß nichts Gutes. „Das stimmt, aber es gab dennoch Probleme. Lilith hat ihn gefoltert und dabei mit falschen Erinnerungen und Illusionen gequält. Was immer sie ihm gezeigt hat, war genug, um eine Panikattacke auszulösen, als er uns gesehen hat und bei seinen Freunden und dir wäre es sicher nicht anders gekommen. Inzwischen kann er wieder normal mit uns reden, aber er hat immer noch Angst und zuckt zusammen, wenn sich jemand plötzlich bewegt oder ihm zu nah kommt. Ich habe die Befürchtung, dass es sehr lange dauern wird, bis er sich wieder an alles gewöhnt hat. Er hatte letzte Nacht einen heftigen Albtraum deswegen und es wird nicht der letzte gewesen sein.” Yukio nickte langsam, die Sorge um seinen Bruder wuchs dabei stetig. Wie um alles in der Welt konnte er ihm helfen über sowas hinwegzukommen? „Das kannst du nicht, jedenfalls nicht vollkommen. Du kannst ihn allerdings unterstützen.”, beantwortete Satan die unausgesprochene Frage, woraufhin Yukio ihn wütend ansah. „Hör auf, meine Gedanken zu lesen! Du hast dort nichts zu suchen!”, fauchte er. Satan hob abwehrend die Hände und trat einen Schritt zurück. „Tut mir leid, aber die Gedanken von Menschen fliegen immer im Raum rum, es ist fast unmöglich das zu ignorieren.” Zwar war dem Exorzisten nicht wohl dabei, dass Satan einfach so hören konnte, was er dachte, aber momentan gab es wirklich wichtigeres. Abgesehen davon gab es wohl kaum etwas, dass den Dämonengott interessieren würde. „Wie soll ich das tun, wenn er Angst vor uns hat?”, fragte er langsam und zum ersten Mal seit langem, zeigte sich offene Verunsicherung und Verzweiflung in seiner Stimme. Rin und er hatten sich in den letzten Jahren immer mehr auseinandergelebt und er selbst hatte sich in den letzten Monaten unmöglich verhalten, aber der Halbdämon war immer noch sein Bruder. Er wollte ihm helfen, doch wusste nicht wie. „So dumm es vielleicht klingen mag, verhalte dich ihm gegenüber einfach normal und versuchte nicht, ihm irgendetwas abzunehmen.”, antwortete Satan ernst. „Er hat bereits mit genug Selbstzweifeln zu kämpfen und wenn du ihm jetzt alles abnimmst, wird es ihm so vorkommen, als könnte er nichts alleine und wäre nutzlos.” Das klang logisch, aber ganz überzeugt war Yukio nicht. „Ich soll einfach so tun, als wäre nichts gewesen?”, fragte er und klang dabei ein wenig anklagend, allerdings ohne es zu wollen. Für einige Sekunden hielt der Weißhaarige inne und dachte wohl über seine Worte nach, dann schüttelte er den Kopf. „Natürlich nicht. Du sollst dich normal verhalten, damit es Rin erleichtert wird, sich zu erholen und damit er begreifen, dass man ihn nicht als schwach oder nutzlos sieht, wegen dem, was passiert ist. Er wird über das was geschehen ist, vorerst nicht reden wollen, also sprich ihn nicht darauf an.”

 

„Dann wird er das nur in sich hineinfressen. Rin redet niemals mit anderen über seine Probleme, sondern tut lieber so als wäre alles in bester Ordnung.”

 

„Dann habt ihr wohl etwas gemeinsam.”, kommentierte Satan unverblümt und zuckte mit den Schultern, als er Yukios Blick sah. „Samael lässt es sich nicht anmerken, aber er weiß mehr über dich, als du denkst. Aber zurück zum Thema. Rin braucht die Unterstützung mehr denn je, also zeigte ihm, dass du für ihn da bist und sich nichts zwischen euch geändert hat. Also so ziemlich das Gegenteil von allem, was du nach dem Tod des Paladins gesagt und getan hast.” Yukio zuckte zusammen, der letzte Satz hatte sich wie ein Schlag ins Gesicht angefühlt und er sah ein wenig beschämt zu Boden. „Woher...?”, begann er und brach ab, daher antwortete Satan, ohne den Rest der Frage abzuwarten. „Denkst du wirklich, dass Samael euch nach dieser Sache alleine hat herum stolpern lassen? Er hat euch genauer beobachtet als ihr denkt. Abgesehen davon redet Rin manchmal im Schlaf und er tendiert dazu, viel zu erzählen, wenn er Alkohol getrunken hat.”

 

„Warte, ihr habt ihm Alkohol gegeben?!”, fragte Yukio überrumpelt, für einen Moment vergessend mit wem er sprach, woraufhin Satan schnaubte. „Bedank dich bei Iblis. Er hat ihn bei der Gelegenheit gleich noch dazu überredet beim Poker um Geld zu spielen und ist so seine Schulden los geworden.” Er beschloss, nicht weiter nachzufragen. Was in Gehenna passiert war, blieb wohl besser in Gehenna. „Ich wollte nicht...das war nicht ernst gemeint. Ich war einfach durcheinander-”, setzte er an und verstummte, als Satan eine Hand hob. „Ich weiß und ich weiß auch, dass du dich bereits entschuldigt hast. Es bringt nichts, jetzt darauf herumzureiten.” Der Exorzist nickte und für einen Moment herrschte Stille, eh er vorsichtig zu seiner nächsten Frage ansetzte. „Wie geht es eigentlich Azazel?” Zwar sah er noch immer keinen der Baal als Bruder oder Freund an, aber was dem Geisterdämonen widerfahren war, wünschte er keinem. Er wollte nur seine Familie und Gehenna schützen, ein Gefühl, dass er selbst gut kannte, auch wenn er sich in letzter Zeit wie ein Idiot verhalten hatte. Sofort verdüsterte sich Satans Gesicht, aber er schien eher besorgt als wütend. „Es könnte besser ein. Solange diese Verbindung besteht, wird er sich nicht erholen oder diesen Raum verlassen können.”, erklärte er bitter und schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. „Weiß Rin schon davon?”, hakte Yukio nach und zu seiner Überraschung schüttelte der ältere Dämon den Kopf. „Nicht alles. Er weiß, was passiert ist und das es bei ihm momentan nicht gut läuft, aber mehr nicht. Ich will ihn nicht unnötig aufregen.” Das war verständlich und Yukio nickte. Erneut herrschte Stille, die schließlich von Satan unterbrochen wurde. „Also nehme ich an, dass wir uns einig sind. Versuche dich gegenüber Rin möglichst normal zu verhalten und dräng ihn nicht zu irgendwas. Das war eigentlich alles, was ich sagen wollte. Ab jetzt lasse ich dich in Ruhe, keine Sorge.” Damit wandte er sich um und ging, während Yukio ihm nachdenklich hinterhersah. Das Gespräch war besser gelaufen als erwartet. Vielleicht konnte er wirklich irgendwann seinen Frieden mit Satan und den Baal schließen, auch wenn sie sich wohl nie wie Familie für ihn anfühlen würden. Abrupt drehte er sich um und setzte seinen Weg fort. Er wollte endlich nach seinem Bruder sehen und sich erneut bei ihm entschuldigen. Zwar war es nicht wirklich seine Schuld, dass Rin entführt wurde, aber es fühlte sich einfach richtig an. Nach einer Weile fand er das Zimmer, in dem sein Bruder untergebracht war und klopfte zögerlich an. Nachdem er ein leises "Komm rein!" als Antwort erhielt, drückte er langsam der Klinge hinunter, atmete kurz durch und öffnete die Tür. Rin saß auf seinem Bett und schien sich zu langweilen, als er jedoch Yukio sah, hellte sich seine Miene auf. „Hat ja lange genug gedauert!”, sagte er grinsend, allerdings wirkte es nicht ehrlich, sondern aufgesetzt. „Ich dachte schon, du hast mich vergessen! Es ist echt stinklangweilig hier-” Weiter kam er nicht, denn Yukio saß bereits neben ihm und hatte ihn umarmt. Sofort verstummte sein Geplapper und er zuckte zusammen. „Rippen...sind noch...nicht ganz verheilt...”, presste er hervor, worauf Yukio ihn schnell los ließ. Offenbar hatte er doch stärker zugedrückt, als ihm klar gewesen war. Rin wirkte noch immer ein wenig geschockt, überspielte es allerdings schnell. „Was ist denn in dich gefahren? Du hast mich nicht umarmt seit....” Er hielt inne. „Gute Frage, aber jedenfalls ist es lange her-”

 

„Es tut mir leid.”, unterbrach Yukio ihn. „Ähm...was? Wofür?”, kam die verwirrte Antwort. Der Jüngere seufzte und kratzte sich ein wenig verlegen am Kopf. „Na ja alles...ich hätte bei dir sein sollen und dann hatten wir noch diese bescheuerten Streitereien.”

 

„Dafür hast du dich längst entschuldigt, jetzt lass es gut sein.”, erwiderte Rin kopfschüttelnd. „Wenn sich jemand entschuldigen sollte, bin ich es. Ich hätte eher kapieren müssen, dass an "Azazel" was faul ist.” Kurze Stille herrschte, dann ergriff Yukio erneut das Wort. „Die anderen Baal haben es auch nicht gemerkt.” Da Rin nicht antwortete, beschloss er, das Thema zu wechseln. „Wie geht es dir sonst? Ich habe versucht dich eher zu besuchen, aber wurde nicht durchgelassen.” Der Nephilim zuckte mit den Schultern. „Ganz gut, schätze ich. Ich hab immer wieder Kopfschmerzen, aber sonst geht es eigentlich. Mir ist nur extrem langweilig. Ich habe mich gestern mit den Anderen getroffen, aber danach wurde ich ja direkt wieder zu 'ner Untersuchung geschliffen.”

 

„Sie wollen nur sicher gehen, dass du dich gut erholst.”, versuchte Yukio ihn zu beruhigen. „Sobald du wieder fit bist, lassen sie dich in Ruhe.” Rin schmollte nur. „Aber es geht mir gut!”

 

„Wie damals, als du auf die Mauer geklettert, runtergefallen bist, dir zwei Zähne ausgeschlagen und das Handgelenk verstaucht hast?”, fragte Yukio trocken.

 

„Hey, das war was ganz anderes und es ging mir super!”

 

„Ich musste im Auto die ganze Zeit deinen Kopf hochhalten, damit du nicht alles vollblutest.”

 

„Du hattest mehr Schiss als ich!”

 

„Ich war acht!” Ohne es zu merken waren sie in einem Gespräch vertieft und Yukio hatte fast das Gefühl, alles wäre wieder normal. „Also, hast du Lust dir die Beine zu vertreten?”, erkundigte sich der Brillenträger und Rin nickte. „Japp, ich habe echt die Schnauzte voll von hier. Die Baal und Satan scheinen irgendwie nicht zu schlafen.”

 

„Tun sie schon, sie haben nur einen anderen Rhythmus.”, erklärte der jüngere Zwilling. „Momentan ist alles etwas chaotisch. Hier sind eigentlich viel zu viele untergebracht, darum versuchen wir die einzelnen Unterkünfte komplett auszunutzen. Ich teile mir meins zum Beispiel mit Miwa, Shima, Suguro und einigen anderen Exorzisten, die ich aber nicht kenne. Die Mädchen teilen sich eins mit Shura, einigen Exorzistinnen und diesen beiden Dämoninnen, die zu den Dämonenkönigen gehören.”

 

„Ankou und Agares?”, hakte Rin überrascht nach. „Ja, und Ankous Schwester. Am Anfang haben sie versucht Exorzisten und Dämonen zu trennen, aber es ist nicht aufgegangen, also teilen sich jetzt manche Zimmer und bisher klappt es eigentlich. Zum Teil begegnen sie sich gar nicht, weil sie genau wie die Baal und Satan unterschiedliche Schlafenszeiten haben. Die meisten Dämonen sind lieber Abends und während der Nacht wach, außer die Lichtdämonen.”, erklärte Yukio nickend. „Das haben sie gar nicht erwähnt...aber umso besser wenn sie sich verstehen.”, antwortete Rin langsam. Allerdings erklärte es zumindest, warum die Dämonenkönige und Satan offenbar zu ganz anderen Zeiten als er schliefen und die Zeitverschiebung kam auch noch dazu. „Komm, verschwinden wir von hier. Ich will endlich raus!”

 

 

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Rin genoss es in vollen Zügen sich wieder die Beine vertreten zu können und nicht aller fünf Minuten von irgendwelchen Heilern belagert zu werden. Zwar fühlte er sich immer noch nicht in größeren Mengen oder engen Räumen wohl, aber zumindest fühlte er sich ein wenig freier. Dennoch konnte er nicht zur Ruhe kommen. Obwohl er versuchte sich normal mit Yukio zu unterhalten, fühlte sich etwas nicht richtig an. Zwar konnte er sich beispielsweise über Dinge freuen, allerdings nicht für lange. Er fühlte sich seltsam...taub. Beinahe war er erleichtert, als Yukio wieder gehen musste. Eine Weile wanderte er alleine umher, bis er schließlich in einem leeren Gang stand und gedankenverloren gegen eine Wand lehnte. Da sie unter der Erde waren, gab es keine Fenster und er musste auf sein Telefon schauen, um die Zeit zu erfahren. Es war bereits 14 Uhr. Er zuckte zusammen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. „Hier bist du also, wir haben dich überall gesucht.”, sprach Lucifer ihn an. Rin zuckte mit den Schultern. „Ich wollte Zeit für mich alleine. Ich dachte, ihr wolltet zu einem Treffen?”

 

„Das ist schon vorbei, wir mussten uns ausnahmsweise nicht mit Zweigstellenleitern streiten.”, antwortete der Lichtdämon ein wenig säuerlich. Rin sah ihn fragend an, normalerweise war der älteste Baal immerhin sehr geduldig. „Ist es so schlimm?”

„Kommt drauf an, wie man es sieht. Manche sind ziemlich anstrengend und wenn man bedenkt wie oft wir uns mit dem Rat rumärgern müssen, ist es wirklich eine Leistung, uns zu so zu nerven. Doch genug davon. Samael, Egyn, Amaimon und ich wollen etwas essen gehen und du musst sicher auch Hunger haben.” Der Nephilim öffnete den Mund, um zu einer Antwort anzusetzen und wurde von seinem laut knurrenden Magen unterbrochen. Sofort lief er rot an, während Lucifer kurz lachte. War er wirklich so hungrig? Er hatte es bis gerade eben gar nicht gemerkt. „Das werte ich als ein Ja. Kommst du nun mit oder willst du lieber auf dem Zimmer essen?”, erkundigte sich der Ältere. „Nein, ich komme mit.” Er hatte genug davon, sich in einem Zimmer einzuschließen und alleine vor sich hinzuvegetieren. „Aber was ist mit dem Rest? Wollen sie nichts essen?”

 

„Beelzebub ist noch unterwegs, Iblis isst später, weil sich Ladon irgendwas eingefangen hat und er sich um ihn kümmern will. Astaroth will sich nochmal hinlegen, er hat in den letzten Nächten kaum geschlafen und isst ebenfalls später.”, erklärte Lucifer, während er sich in Bewegung setzte. Rin nickte und folgte ihm. „Weiß Iblis schon, was Ladon hat? Ist es was ernstes?”, erkundigte er sich ein wenig besorgt. Er wusste, wie sehr Iblis an seinen Drachen hing und er selbst mochte sie ebenfalls. „Das ist schwer zu sagen, aber bisher scheint es nicht ernstes zu sein. Ich bin sicher, er ist bald wieder fit. Notfalls sind hier mehr als genug Drachenspezialisten, die man um Hilfe bitten kann, wenn alles andere nichts bringt.”

 

„Wäre es nicht besser, sie jetzt schon zu fragen?”, warf Rin ein. „Nicht unbedingt. Sie haben genau wie wir alle Hände voll zu tun. Es sind in den letzten Wochen immer wieder Drachen nach Assiah gekommen, in der Regel sind sie wild oder von irgendwo ausgebrochen und tun was sie wollen. Abgesehen davon kennt sich Iblis auch sehr gut mit Drachen aus. Als er die Drachen aufnehmen wollte, hat Vater es zur Bedingung gemacht, dass er eine entsprechende Ausbildung im Umgang mit ihnen bestehen muss und das hat er. Bisher kam er immer klar, wenn sie krank geworden sind.” Das machte wohl Sinn. Sie hatten inzwischen die Türen der Kantine erreicht, wo die restlichen Dämonenkönige warteten. „Na endlich! Ich habe Hunger...”, quengelte Amaimon, woraufhin Samael die Augen verdrehte. „Nun hab dich nicht so, wir haben fünf Minuten gewartet.”

 

„Dann gehen wir mal, bevor Amaimon uns noch vom Fleisch fällt.”, kommentierte Lucifer trocken. Glücklicherweise kamen sie außerhalb der Stoßzeiten, weswegen es entsprechend leer war und sie schnell ihr Essen (Gemüsesuppe mit Reis) bekamen. Sie suchten sich einen Tisch und begannen zu essen. Es war relativ fade, aber da Rin dies bereits vom Kantinenessen seiner alten Mittelschule kannte, störte es ihn eher weniger. Abgesehen davon befanden sie sich in einem Krieg und wenn Lilith die Länder rundherum wirklich abgeriegelt hatte, war es sicher nicht einfach an Lebensmittel zu kommen. Seine Brüder schien es ebenfalls nicht zu stören, auch wenn Samael einmal leise seufzte und irgendwas murmelte, was verdächtig nach "Instant Nudeln" klang. ‚Manche Sachen ändern sich nie.‘, dachte er kopfschüttelnd. Sie löffelten eine Weile stumm vor sich hin, bis schließlich Egyn das Wort ergriff. „Hier kommen direkt Erinnerungen an die Militärakademie hoch, was?” Rin und die anderen Baal sahen ihn überrascht an. „Wie kommst du denn jetzt darauf?”, fragte Amaimon. Egyn zuckte mit den Schultern. „Na ja, die Kantine und das Essen waren sich relativ ähnlich und ich mag diese Stille am Tisch nicht, also habe ich jetzt irgendwas angesprochen.” Lucifer nickte. „Ja, jetzt wo es sagst...aber das ging ja alles. Am schlimmsten war immer noch die Essensversorgung beim Außeneinsatz.” Samael verdrehte die Augen. „Erinnere uns nicht dran. Das war jedes Mal eine Katastrophe...” Die restlichen Dämonenkönige nickten zustimmend, während Rin sie fragend ansah. „Ähm...kurze Unterbrechung. Worum geht's?”, fragte er und Lucifer seufzte. „Wie du weißt, waren wir nach unserer Schulzeit an der Militärakademie, wo es mehrere Außeneinsätze gab. Mal waren die relativ leicht, mal ziemlich gefährlich, aber eins war immer dasselbe: Der Dämon, der die Rationen bringen sollte, war eine geographische Katastrophe.”

 

„Er war schlimmer als Lucifer. Ich bin mir inzwischen sicher, dass er nicht mal Straßenschilder lesen konnte.”, ergänzte Egyn trocken, den bösen Blick des ältesten Baals ignorierend. „Jedes Mal hat er sich verirrt und ist sonst wo gelandet, während wir da in unseren Lagern saßen, den ganzen Tag unterwegs gewesen und dementsprechend am verhungern waren. Wenn man richtig Pech hatte, war es noch kalt. Mich hat das eher weniger gestört, aber für die anderen war es schlimm und bei manchen Temperaturen muss auch ich kapitulieren.”

 

„Einmal war es mitten im Winter und er kam mit drei Stunden Verspätung an.”, ergriff nun Samael das Wort. „Essen konnten wir dennoch nicht, weil die Suppe komplett gefroren war.” Rin prustete los und verschluckte sich beinahe an seinem Essen. „Glaub mir, das ist nicht witzig, wenn du Hunger hast. Versuche abgesehen davon mal was aufzutauen, wenn es minus 25 Grad sind und es immer kälter wird. Ich weiß bis heute nicht, wie wir das hinbekommen haben.”, brummelte Lucifer ein wenig missmutig. „Trotzdem konnte man nicht lange böse sein, sonst war er immer sehr nett und hilfsbereit.”

 

„Immerhin hatten wir Steinbrot dabei...”, murmelte Amaimon. Rin wollte gerade nachfragen, als Egyn schon die Erklärung übernahm. „Nein, es heißt nicht wirklich Steinbrot, das ist nur ein Spitzname. Richtig heißt es...” Er hielt inne und sah fragend zu seinen Brüdern. „Wie heißt es denn überhaupt?” Alle zuckten mit den Schultern. „Na gut, egal. Das war jedenfalls ein Brot und eine Art persönlicher Notfallvorrat, den man für die meisten Außeneinsätze bekommen hat. Das war gräulich und extrem hart, daher der Name. Der Vorteil war, dass es sehr lange haltbar war, ich glaube sogar 20 Jahre im Extremfall. Es war nicht besonders groß, aber sobald es im Magen war, ist es nochmal aufgegangen und dadurch war man längere Zeit satt. Zwar hat es nach nichts geschmeckt und man hatte immer das Gefühl auf Sägemehl zu kauen, aber manchmal war man richtig froh, wenn man was dabei hatte.” Das klang wirklich praktisch. Sie redeten noch eine Weile über ihre Zeit an der Akademie, auch nachdem sie bereits aufgegessen hatten, bis Lucifer schließlich aufstand. „Wir sollten langsam weiter machen, es gibt noch einiges zu tun und Beel ist sicher bald zurück.” Sie stimmten zu, gaben ihr dreckiges Geschirr ab und verließen den Saal, wo sie auf ein bereits bekanntes Gesicht trafen. Kyrene stand mit dem Rücken zu ihnen, umgeben von drei weiteren Sirenen und schien sich mit ihnen über irgendetwas zu streiten. „Es nicht meine Schuld, wenn dieser idiotische Exorzist nicht aufpasst, wo er hintritt. Er hat doch Augen im Kopf!”, giftete die Sirene mit violetten Zöpfen. „Abgesehen davon hatte er eine viel zu große Nase. Geschieht ihm recht.”, warf die silberhaarige Sirene neben ihr ein. Die dritte Sirene mit den pinken Haaren schwieg. „Was hat denn seine Nase damit zu tun?!”, empörte sich Kyrene. „Und Keto, ich habe genau gesehen, dass es kein Unfall war!”

 

„Und? Was willst du jetzt tun? Zu Egyn rennen und petzen? Der wird größere Sorgen haben.”, antwortete die Sirene namens Keto unbeeindruckt. „Aber wenn ihr etwas netter zu ihnen wärt-”, setzte das vierte Mädchen an, nur um von der silberhaarigen Sirene unterbrochen zu werden. „Jetzt nicht Galatea!”

 

„Erato und Keto, müsst ihr wirklich immer Ärger machen?”, sprach Egyn die Gruppe an, sichtlich erschöpft. „Ihr werdet es doch wohl mal schaffen, euch ein paar Tage lang mit anderen zu vertragen!” Kyrene drehte sich um, als sie seine Stimme hörte und die anderen drei Sirenen traten nach vorne. Rin klappte der Mund auf. „Ihr beiden?!”, entfuhr es ihm entsetzt und starrte Erato und Keto an. Diese erwiderten seinen Blick zunächst verwirrt, dann erkannten auch sie ihn. „Waaaas? Du?! Was machst du denn hier?”, fragte Erato, ohne auf Egyn einzugehen. Dieser und die Baal schauten überrumpelt erst sie und dann Rin an. Kyrene fand zuerst ihre Worte wieder. „Wartet, ihr kennt Rin?” Erato und Keto nickten. „Wir haben ihn zum Blutgericht beim Fest im Palast getroffen, aber ein paar Feuerdämoninnen haben alles ruiniert!”, schmollte Erato. Stimmt, da war ja was. Rin erinnerte sich nur zu gut an diese unangenehme Situation. Immerhin war er zwischen die beiden Sirenen und drei Feuerdämoninnen geraten, die sich um ihn gestritten hatten, bis Agash zur Rettung geeilt war. „Moment mal, also bist du Satans Nephilim?!”, entfuhr es nun Keto, die offenbar eins und eins zusammen gezählt hatte. Der Halbdämon war noch immer so überrumpelt, dass er einfach nickte. Rückblickend betrachtet machte es Sinn, Kyrene hatte damals sogar erwähnt, dass sie nur als Begleitung auf dem Fest gewesen war. „Hi Rin, ich bin Galatea!”, zwitscherte die pinkhaarige Sirene derweil gut gelaunt und winkte ihm kurz zu. „Ich bin noch nie einem Nephilim begegnet, der aus Assiah kommt! Das ist echt toll! Was magst du lieber? Assiah oder Gehenna? Kannst du durch Weihwasser oder Todesverse verletzt werden oder geht das wegen deiner menschlichen Hälfte nicht? Kannst du überhaupt von Menschen Besitz ergreifen? Wobei, du hast ja blaue Flammen und Lord Satan kann deswegen von niemanden Besitz ergreifen, also ist das doch bei dir bestimmt auch so. Ooooh, dann müsstest du doch eine Gehennapforte öffnen können! Kannst du trotzdem noch andere Dämonen beschwören oder geht das dann nicht mehr?”, blinzelnd versuchte Rin den Worten der Sirene zu folgen, denn sie redete wie ein Maschinengewehr und hatte begonnen auf und ab zu hüpfen, wie ein aufgeregtes Kind in einem Süßigkeitengeschäft. Die anderen Sirenen und einige Baal stöhnten frustriet auf. Nachdem Kyrene sie beruhigt hatte und offiziell ihre Schwestern vorgestellt hatte, erfuhren sie endlich worum es ging: Anscheinend konnten es Erato und Keto einfach nicht lassen, für Ärger zu sorgen und hatten einigen Exorzisten das Leben schwer gemacht. Nach einiger Diskussion hatten sie endlich eingesehen, dass sie damit nur allen schadeten und versprachen es zukünftig sein zu lassen, auch wenn es fraglich war, wie ernst sie es wirklich meinten. Nur kurz darauf kam eine weitere Sirene hinzu, deren Haare wie bei Kyrene verschiedenste Blautöne hatten. „Ach, hier steckt ihr also! Ich habe euch schon überall gesucht! Charybdis hat mir erzählt, dass ihr wieder mal nur für Ärger sorgt! Wa-”

 

„Schon gut, Kastalia. Es hat sich erledigt.”, mischte sich Egyn ein, bevor sie weitersprechen konnte. Offenbar war die Sirene die Mutter der Schwestern und wandte sich nun an ihn „Ah Egyn, tut mir wirklich leid, dass sie Probleme bereitet haben! Ich muss leider schnell weiter, aber richtet eurem Vater Grüße aus! Bis dann.~” Damit schnappte sie sich ihre Töchter und zog sie davon. Rin starrte ihr mit leicht offenem Mund hinterher. Das war ihm gerade alles viel zu schnell gegangen. Die Dämonenkönige sahen sich derweil alarmiert an. „Ähm...seit wann richtet sie Grüße an Vater aus? Was ist genau ihre Beziehung?!”, fragte Egyn ein wenig panisch. „Was ist so schlimm daran?”, erkundigte Rin sich verwirrt. „Was schlimm daran ist?!”, echote Egyn. „Als ich mit Kyrene zusammen war, hat sie jede Gelegenheit genutzt, um Vater anzugraben. Wir haben keine Lust auf Überraschungen!”

 

„Vielleicht wollte sie nur nett sein?”, schlug Rin zaghaft vor. Amaimon schnaubte, sagte allerdings nichts dazu. „Kümmern wir uns da später drum, jetzt ist nicht die Zeit dafür.”, sagte Lucifer und wandte sich an Rin. „Leider müssen wir direkt weiter, wir haben noch einiges zu tun. Soll ich dich zurück zum Zimmer bringen oder-” Rin schüttelte den Kopf. „Nein, ich wollte mich noch mit jemanden treffen.” Alles nur nicht alleine im Zimmer hocken und die Decke anstarren. „Izumi hat mich vorhin gefragt.”

 

„Das Fuchsmädchen?”, hakte Amaimon nach. Rin brauchte einige Sekunden, bis er begriff, was der Erddämon meinte. „Nein, das ist Izumo. Izumi ist einer der Mönche mit denen ich im Stift gelebt habe.” Die Dämonenkönige wechselten Blicke. „Stimmt, die sind ja auch hier...”, überlegte Egyn. „Astaroth war schon die ganze Zeit damit beschäftigt, ihnen aus den Weg zu gehen.” Verständlich, immerhin hatte er nicht gerade den besten Eindruck hinterlassen. „Er kann sich ruhig bei ihnen entschuldigen.”, knurrte er. „Er hätte sie umbringen könnten.” Amaimon zuckte mit den Schultern, offenbar wenig besorgt. „Hat er aber nicht.” Das stimmte zwar, aber drum herum würde er dennoch nicht kommen. Er verabschiedete sich und machte sich auf die Suche nach den Mönchen.

 

 

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Rins Treffen mit den restlichen Bewohnern des Stifts verlief wie erwartet. Er hatte einiges zu berichten und auch sie erzählten, was er alles verpasst hatte. Das meiste wusste er bereits, allerdings war es dennoch ein gutes Gefühl wieder mit ihnen zu reden. Nach einigem Zögern erzählte er sogar ein wenig von Satan und den Dämonenkönigen, immerhin hatten sie bisher nicht gerade positive Dinge von ihnen mitbekommen. Er war überrascht, wie interessiert und offen sie waren, auch wenn es ihnen aus verständlichen Gründen schwer fiel, Satan und Astaroth aus einem positiven Winkel zu betrachten. Dennoch war es für den Anfang besser als nichts. Ungefähr drei Stunden verbrachte er mit ihnen, dann mussten sie leider wieder los. Nicht wissend, was er tun sollte, machte er sich auf den Weg zurück in sein Zimmer. Dabei kreisten seine Gedanken erneut um ein Thema, dass ihn schon seit Monaten beschäftigte und ihm ungewollt wieder in den Sinn gekommen war: Der angebliche Neid seiner Brüder. Satan hatte selbst bestätigt, dass sie tatsächlich nicht allzu positiv auf seine Geburt reagiert hatten. Da sie sich inzwischen damit abgefunden zu haben schienen, hatte er niemals nachgehakt, doch seit seiner Gefangenschaft bei Lilith und seinem Albtraum konnte er es einfach nicht vergessen. Damit fasste er den Entschluss, endlich Antworten zu verlangen. Er wollte die Wahrheit wissen und die Sache endlich hinter sich bringen. Ewig deswegen zu grübeln, würde niemanden etwas bringen und an eine Sache aus dem Exorzisten Unterricht erinnerte er sich genau: Wenn sich Dämonen auf etwas verstanden, war es Schwächen auszunutzen. Astaroth hatte Shiratoris Schwächen genutzt, um ihn zu übernehmen, ebenso wie Satan bei Shiro und Lilith bei Rin. Früher oder später würde er erneut auf die Dämonin treffen und dieses Mal musste er bereit sein. Dies bedeutete, sich mit Ereignissen und Problemen, die ihn beschäftigen, endlich auseinander zu setzen und sie im Idealfall zu überwinden. Je weniger Angriffspunkte er bot, umso besser. Seine Zweifel gegenüber seinen Brüdern auszuräumen, würde daher sein erster Schritt sein. Dafür musste er sie allerdings finden und dies sollte sich als äußerst schwierig gestalten. Er wollte möglichst alle beisammen haben, wenn er sie fragte und nicht jeden einzeln. Dafür müsste er jedoch zuerst auf Beelzebubs Rückkehr warten und diese war nicht vorhersehbar. Während er vor sich hingrübelte, kamen ihm Halphas und Ankou entgegen, welche in einem Gespräch vertieft waren. Rin zögerte zunächst, dann ging er entschlossen auf sie zu. Wenn jemand etwas darüber wusste, waren es wohl die Stellvertreter seiner Brüder. Ankou bemerkte ihn zuerst und ihr sonst so ernstes Gesicht hellte sich auf. „Hey, schön zu sehen, dass du auf den Beinen bist! Wir haben uns Sorgen gemacht!” Unerwarteterweise umarmte sie ihn, während Halphas ihm auf die Schulter klopfte und ihn dabei fast umwarf. „Huch,'Tschuldige!”, sagte er. „Aber schön, dass es dir besser geht. Du hast uns wirklich einen Schrecken eingejagt.” Für einige Sekunden verspürte Rin ein warmes Gefühl in seiner Magengegend und konnte nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern. Wer hätte gedacht, dass er sie jemals zu seinen Freunden zählen würde? „Mir geht's ganz gut, danke. Ich habe mich gestern mit meinen menschlichen Freunden getroffen und heute mit Yukio und den Exorzisten mit denen ich aufgewachsen bin.” Zwar rümpfte Ankou bei der Erwähnung seines Zwillings die Nase, aber überspielte es schnell. „Das ist super! Azazel hat auch schon nach dir gefragt, dann kann ich ihm wenigstens was positives berichten!” Der Gedanke an Azazel versetzte dem Nephilim einen leichten Stich. Er hatte ihn bisher leider nicht besuchen dürfen und nur wenig Auskunft über ihn erhalten. Vielleicht war das auch der Grund dafür, dass die Geisterdämonin so fertig aussah. Sie hatte leichte Augenringe und wirkte blasser als sonst. Da sie jedoch offensichtlich nicht darüber reden wollte, wechselte er das Thema. „Ich weiß, ihr beiden habt wahrscheinlich viel zu tun, aber ich muss mit euch reden. Bitte.” Die beiden sahen ihn überrascht an und warfen sich einen kurzen Blick zu, bevor Halphas langsam nickte. „Ok, dann mal los.”

 

„Können wir in einen leeren Raum gehen? Ich will nicht auf dem Flur darüber reden.”, bat Rin und sie erklärten sich glücklicherweise bereit. Sie wählten eine zufällige Tür und landeten in einem kleinen Konferenzzimmer. Halphas schloss die Tür hinter ihnen und wandte sich erwartungsvoll an den Nephilim. „Gut, worüber möchtest du reden? Ist was passiert?” Der Halbdämon zögerte kurz, unsicher wie viel er ihnen anvertrauen sollte, aber entschloss sich schlussendlich für die ganze Wahrheit. Er erzählte wie er erfahren hatte, dass seine Brüder angeblich eifersüchtig auf ihn und wütend wegen seiner Geburt gewesen waren, Satan es bestätigt hatte und er nun ständig daran musste und es überwinden wollte, indem er endlich Antworten bekam. Die beiden Dämonen antworteten nicht sofort, sondern tauschten einen Blick, den Rin nicht ganz deuten konnten. „Na ja...”, begann Halphas langsam. „Ich bin nicht sicher, ob du da wirklich mit uns drüber reden solltest. Es wäre besser, wenn du sie direkt fragst.”

 

„Das weiß ich und ich werde sie noch fragen, aber ich möchte trotzdem eure Sicht hören. Seid bitte ehrlich und lasst nichts weg, ich verkrafte das!”, drängte Rin. Als sie nicht sofort antworten, wurde er frustriert. „Jetzt kommt schon, so schwer ist es doch nicht!”, entrüstete er sich. „Ich habe es satt, dass mir Dinge verschwiegen werden, um mich zu schützen. Erst diese ganze "Du bist der Sohn Satans und Dämonen existieren Sache" und jetzt noch sowas? Muss das sein?! Ich bin nicht irgendein kleines Kind, ich bin alt genug, damit klar zu kommen.” Er war zum Ende hin lauter geworden, als er es wollte, aber es war ihm egal geworden. Endlich gaben sie nach und Ankou lehnte sich seufzend gegen den Tisch. „Also schön, du hast wohl recht. Es ist nicht fair, es vor dir geheim zu halten. Ja, es ist wahr, dass sie wegen deiner Geburt wütend waren. Eifersucht hat seinen Teil dazu beigetragen, aber dazu komme ich gleich. Sie waren von Anfang an dagegen, dass Satan auf deine Mutter einlässt. Liebe zwischen Dämonen und Menschen kann gut ausgehen, aber es kann auch fürchterlich schief gehen und zwar für beide Seiten. Ich nehme mal an, dass ihr Beruf auch eine Rolle gespielt hat, aber ich möchte keine Vermutungen aufstellen. Jedenfalls hatte Satan eigentlich versprochen sich keine Frau mehr zu nehmen und folglich keine Kinder mehr zu bekommen. Sie waren so glücklich wie sie waren und als es dann hieß, dass eine Exorzisten schwanger mit einem jüngeren Geschwisterkind ist...tja, es hat so einiges ins Wanken gebracht. Erneut kann ich nur Vermutungen anstellen, aber ich denke, sie waren zum einen frustriert, weil Satan sein Versprechen gebrochen hat und es die gewohnte Ordnung durcheinander gebracht hat.” Rin nickte langsam, bisher klang alles verständlich und es war auch nachvollziehbar, dass Ankou sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen wollte, indem sie Vermutungen anstellte. „Und was ist mit dem Neid?”, hakte er nach. Dieses Mal antwortete ihm Halphas. „Wie du weißt, sind sie die stärksten Dämonen nach Satan und folglich die stärksten ihres jeweiligen Elements, aber das heißt nicht, dass sie immer zufrieden sind. Bei Iblis weiß ich zum Beispiel, dass er etwas enttäuscht war, weil er Satans Flammen nicht geerbt hatte, obwohl er ein Feuerdämon war. Es ging ihm da weniger um die Thronfolge, eher ums Prinzip. Er hat sich dennoch nie ernsthaft beschwert und sich damit abgefunden, aber als du kamst, ein einfacher Nephilim, sah die Sache anders aus.” Er zögerte bevor er weitersprach. „Das ist wieder nur eine Vermutung, aber vielleicht hatten sie befürchtet, dass Satan sich nur noch auf dich konzentriert, weil du seine Flammen hast und alles. Vielleicht dachten sie sogar, dass sie am Ende überflüssig werden. Keiner hat mehr eine Mutter, sie haben jahrelang nur ihren Vater gehabt und nach all den Jahren kommst du an und stiehlst die Aufmerksamkeit. Ist wie gesagt eine reine Vermutung.” Für einige Sekunden schwieg Rin und verarbeitete alles, was er soeben erfahren hatte. Alles klang logisch, aber für das Gesamtbild musste er wirklich mit seinen Geschwistern reden. „Hör mal, ich verstehe, dass du neugierig bist, aber eine Sache solltest du wissen.”, sprach Ankou ihn mit überraschend sanfter Stimme an. „Mag sein, dass sie anfangs nicht sehr begeistert von dir waren. Sie haben Satan so einiges an den Kopf geworfen und ich habe wirklich eine Weile gebraucht, um Azazel zu beruhigen, aber schlussendlich haben sie dich akzeptiert. Du hättest sie mal sehen sollen, als du weg warst. Sie haben sich so viele Vorwürfe gemacht und wollten dir unbedingt helfen, aber wussten, dass sie kaum etwas ausrichten können. Also mach dir keine Sorgen. Sie sehen dich längst als einen von ihnen.”

 

„Sie hat recht.”, sprang Halphas ein. „Mach dir nicht so viel Stress. Sie würden ihre Throne für dich hergeben.” Der Halbdämon nickte kurz. „Danke.” Leider stellte sich heraus, dass keiner der beiden genau wusste, wo die Baal waren, daher verabschiedete er sich und ging zurück in sein Zimmer. Irgendwann würden sie dort schon aufschlagen.

 

 

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Amaimon saß gelangweilt zwischen seinen Brüdern und hörte sich das Gemecker einiger Exorzisten und Dämonen an. Wie er dieses herumsitzen hasste! Viel lieber wäre er draußen und würde ihre Feinde vernichten, immerhin hatten sie gerade mal die Vatikanstadt komplett gesichert, was absolut nicht ausreichte. Er war nun mal ein Dämon der Taten, nicht des herumsitzen und diskutieren, das sollten gerne sein Vater und Geschwister übernehmen! Sicherlich, er konnte sich auch um politische Anliegen kümmern, andernfalls wäre er kein Dämonenkönig, aber der Kampf war eben immer noch sein Lieblingsteil. Vorausgesetzt natürlich er gewann und musste nicht um das Leben seiner Familie und Freunde fürchten. Tod gehörte zum Krieg dazu, das wusste er, aber er wollte es dennoch vermeiden. „Er blinzelte überrascht, als plötzlich alle aufstanden und brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass es vorbei war. Endlich! Erleichtert stand er ebenfalls auf und verließ den Raum, seinen Geschwistern dicht auf dem Fersen. Kaum waren sie draußen, massierte sich Lucifer die Schläfen. „Hat sonst noch jemand den Überblick verloren? Ich weiß nicht mehr, wer was wollte und was wir zuerst tun sollen...”

 

„Ausnahmsweise geht es mir nicht anders.”, antwortete Samael seufzend, während Iblis nur gähnte. „Ich weiß ja nicht, was ihr tut, aber ich gehe jetzt essen, sonst muss ein Exorzist dran glauben.”, grummelte er. „Muss nicht mal sein, das Fleisch ist noch da.”, warf Egyn ein. Vor einigen Tagen hatten die Exorzisten jede Menge Fleisch in den Vorratskammern gefunden, waren sich jedoch nicht ganz sicher gewesen, wovon es war und ob es für Menschen essbar war. Daraufhin hatten einige Dämonen es probiert und zwei Dinge waren klar geworden: Das Fleisch war nicht aus Gehenna und es war nicht von Tieren. Immerhin wussten sie nun, was mit den toten Exorzisten geschehen war. Leider wurde aus Iblis' Essensplänen nicht, denn Beelzebub kam um die Ecke, sichtlich aufgeregt mit einem sehr müde wirkenden Astaroth im Schlepptau. „Da seid ihr! Ich hab euch ewig gesucht!”, begann er ohne Begrüßung. „Ihr werdet nicht glauben, wen ich in der Stadt gefunden habe!”

 

 

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Satan hasste den Zellentrakt des Hauptquartiers. Er hatte so viel Zeit hier unten verbracht, dass schon der Geruch reichte, um alles niederbrennen zu wollen. Da sie jedoch einige Gefangene genommen hatten, musste er öfter hier runter, wie auch heute. Er hob den Kopf, als er Schritte hörte und seine Söhne dazu kamen. „Du hast es ihnen schon erzählt?”, erkundigte er sich bei Beelzebub, welcher nickte. „Ja.”, kam die knappe Antwort. „Hast du schon mit ihr geredet?” Satan schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht. Zugegebenermaßen bin ich nicht ganz sicher, wie es weiter gehen soll.”

 

„Bringen wir sie um und werfen die Leiche den Ghulen vor. Fertig.”, grummelte Astaroth, woraufhin Amaimon und Iblis zustimmend nickten. „Sie hat behauptet, dass sie helfen möchte.”, warf Beelzebub ein. „Oh ja, also dann ist ja alles gut.”, zischte Iblis. „Das glaube ich ihr sofort.” Die restlichen Dämonenkönige wechselten kurze Blicke, aber es gab schlussendlich keinen Weg daran vorbei. Ihre Wut hinunterschluckend, machten sie sich auf den Weg zur Zelle und schlossen die Tür auf. Satan betrat zuerst die Zelle, die Baal folgte ihm ein wenig zögerlich. Jahi lehnte mit verschränkten Armen an der gegenüberliegenden Wand und schien nicht überrascht zu sein, alle mit einmal zu sehen. „Also bringen's wir's hinter uns?”, fragte sie in einem nüchternen Tonfall. „Würde es nach mir gehen, wäre es schon vorbei.”, zischte Iblis, was sie jedoch nicht weiter zu stören schien. „Verständlich.”, antwortete sie, dieses Mal mit einem Anflug von Bitterkeit. „Du hast dich gestellt und Beelzebub gesagt, dass du helfen willst. Was hat es damit auf sich? Denkt Lilith wirklich, dass wir darauf hereinfallen?”, ergriff Satan das Wort. Die Feuerdämonin lachte freudlos auf. „Oh bitte. Mit der rothaarigen Furie bin ich durch, die hat sie nicht mehr alle.”

 

„Und das fällt dir jetzt auf? Gratulation.”, unterbrach Samael sie trocken. Jahi warf ihm einen giftigen Blick zu, sagte jedoch nichts dazu. „Um es kurz zu machen: Ich habe einen riesigen Fehler gemacht.”, gab sie bitter zu. „Lilith hat mich reingelegt. Sie hat behauptet, dass es eure Schuld war, dass wir auf der Straße gelandet sind und meine Mutter gestorben ist und da ihr auch Stihi und Aym getötet habt, war es einfach ihr zu glauben und euch zu hassen.”

 

„Da wissen wir schon. Dann hättest du trotzdem wenigstens versuchen können, nur uns umzubringen, anstatt gleich ganz Gehenna ans Messer zu liefern.”, wies Astaroth hin. Die Feuerdämonin hatte zumindest den Anstand, beschämt auszusehen. „Stihis und Ayms Adoptivvater war überzeugter Lilith Anhänger und ich bin durch einige Freunde zu einer kleinen Gruppe von Unterstützern gekommen. Anfangs war ich nicht wirklich interessiert, aber dann sind einige an mich herangetreten und haben mir diese ganzen Lügen aufgetischt, also habe ich angefangen, sie im Stillen zu unterstützen, bis es dann schließlich...außer Kontrolle geraten ist.” Sie seufzte kurz, bevor sie fortfuhr. „Ok, ich werd nicht lange drum rum reden. Ich habe richtig verkackt und ihr habt jeden Grund mich zu hassen, aber ich habe meine Fehler eingesehen und will sie wieder gut machen.” Das war eindeutig die Untertreibung des Jahrhunderts. „Ach, und warum glaubst du uns plötzlich?”, hakte Iblis nach. „Ich habe Lilith darüber reden gehört, dass sie es war, die meine Mutter getötet hat.”, antwortete sie. „Zugegebenermaßen hatte ich schon seit einer Weile Zweifel gehabt. Liliths Methoden gehen einfach zu weit, ich will nicht noch mehr Unschuldige auf dem Gewissen haben. Alleine diese Blutjagden sind einfach nur barbarisch...ich habe nie kapiert, was Stihi und Aym so toll daran fanden. Sie haben sich ohnehin sehr verändert und zwar nicht zum guten...sie waren einfach zu fanatisch. So ungern ich es zugebe, sie hatten die Todesstrafe verdient.”

 

„Genau wie du.”, warf Amaimon ein, was Jahi allerdings nicht abzuschrecken schien. „Ja, das weiß ich, aber mich einfach zu töten, wird niemanden etwas bringen.” Sie zögerte erneut, bevor sie fortfuhr. „Bitte gebt mir die Gelegenheit, meine Fehler halbwegs richtig zu stellen. Ich habe Informationen, die euch weiterhelfen können-”

 

„Wir brauchen deine Hilfe nicht!”, fauchte Iblis sie an. „Wir haben mehr als genug Gefangene gemacht, die uns bereits eine Menge erzählt haben und bildest du dir davon abgesehen wirklich ein, dass wir dir nochmal vertrauen?! Da vertraue ich lieber dem Paladin mein Dämonenherz an!” Satan vertraute ihr genauso wenig, aber etwas sagte ihm, dass sie bisher nicht log. Jahi schien für einen Moment verunsichert zu sein, dann sah sie Satan entschlossen an. „Ich weiß, wo Lilith Azazels Seelenteil eingeschlossen hat.” Sie hatten mit allem gerechnet, aber nicht hiermit. „Woher weißt du das?”, fragte Egyn scharf. „Ich hatte die Vermutung, dass Azazel nicht freiwillig mitmacht und habe mehrmals gesehen, wie er sich zu Rin geschlichen hat. Also habe ich ein paar Nachforschungen angestellt und dabei einiges rausgefunden.”

 

„Dennoch hast du bisher nicht einen einzigen guten Grund genannt, dir zu vertrauen.”, erinnerte Beelzebub sie zweifelnd. „Ganz einfach, ich habe euch bereits geholfen.”, behauptete Jahi, ohne zu zögern. Satan hob zweifelnd eine Augenbraue. „Ach und wann?” Sie begann zu grinsen. „Kommt, euch ist doch sicher längst aufgefallen, dass es eigentlich nicht sein kann, dass die Exorzisten Satan so schnell befreien konnten. Wer glaubt ihr, hat die Wachen weggelockt und teilweise erledigt? Ihr habt es nicht gemerkt, aber ich habe euch bei eurem Angriff so gut unterstützt wie ich konnte.” Das würde in der Tat die fehlenden Wachen erklären. Als Satan und die Baal kurze Blicke wechselten, fuhr sie fort. „Ich versuche mich nicht vor der Strafe zu drücken, im Gegenteil. Ich will versuchen meine Fehler wieder gut zu machen und wenn man bedenkt, dass ihr immer noch hier festsitzt und euch erholt, könnt ihr wohl jede Hilfe gebrauchen. Die Zeit rennt euch davon, Lilith wird immer stärker und bald wird es so weit sein, dass sie nicht mehr besiegbar ist. Abgesehen davon bin ich wahrscheinlich die einzige außer Lilith und den Aveira, die weiß, wo Azazels Seelenteil ist.” Satan zögerte. „Du kannst uns vieles erzählen, aber einen Beweis, dass Lilith dich geschickt hat, haben wir dennoch nicht.”

 

„Warum zum Henker sollte Lilith ausgerechnet mich schicken?”, fragte Jahi und verdrehte die Augen. „Überlegt mal: Sie weiß, dass ihr mich hasst, immerhin hab ich ihr Rin ausgeliefert. Wenn sie jemanden schickt, würde sie doch wohl jemanden nehmen, den ihr nicht kennt und dem ihr folglich nicht voreingenommen seid. Warum sowas dummes riskieren?” Der Dämonenherrscher nickte langsam. Genau das hatte ihn ebenfalls stocken lassen. Lilith war nicht so dumm jemanden zu schicken, den sie hassten, wenn sich die Person bei ihnen einschleichen sollte. „Gut...nehme wir mal an, wir vertrauen dir. Was dann? Du willst doch sicherlich etwas im Gegenzug.” Fürs erste würde er sich anhören, was sie zu sagen hatte. Danach konnten sie immer noch entscheiden, wie es weiterging.

 

 

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Die Dämonenkönige kamen schneller als Rin es erwartet hatte. Keiner von ihnen wirkte besonders glücklich und als sie ihm von Jahi erzählten, war er sich nicht sicher, was er denken sollte. Offenbar bereute die Feuerdämonin aufrichtig, was sie getan hatte und wollte ihnen nun dabei helfen, Lilith zu besiegen. Wirklich vertrauen konnten sie ihr noch nicht, aber sie hatten beschlossen, ihr eine Chance zu geben. Sie hatte ihnen sämtliche Informationen gegeben, die sie hatte und falls sich diese als korrekt und nützlich erwiesen, konnte man eventuell mit ihr arbeiten. Eine Gefangene würde sie natürlich weiterhin sein, zumindest vorerst. Für einen Moment war er nicht sicher, ob jetzt der beste Zeitpunkt war, um sie auf die Neidsache anzusprechen. Allerdings wollte er es nicht weiter unnötig aufschieben, daher gab er sich einen Ruck. „Hört mal...”, begann er langsam. „Ich weiß, dass ihr müde und nicht in der Stimmung seid, aber ich muss mit euch reden. Ich will das eigentlich seit einiger Zeit fragen.” Iblis, welcher sich zusammen mit Astaroth endlich sein Essen geholt hatte und vor sich hin löffelte, zuckte mit den Schultern. „Mieser kann unsere Laune kaum werden, also immer raus damit.” Die anderen Baal sahen ihn ebenfalls erwartungsvoll an. „Gut, aber bitte versprecht mir, dass ihr ehrlich seid und nichts beschönigt, ich möchte die Wahrheit.”, bat Rin, was sie Blicke wechseln ließ. „So langsam machst du uns Sorgen, worum geht es denn?”, fragte Beelzebub.

 

„Stimmt es, dass ihr mich gehasst habt und neidisch auf mich wart oder es immer noch seid?‟, brach es aus Rin hervor. Doch nichts mit langsamen herantasten. Alle Dämonenkönige starrten ihn wie vom Donner gerührt worden, Astaroth und Iblis vergaßen sogar zu essen. „...Wie kommst du darauf? Hat Lilith dir das eingeredet?” , fragte schließlich Samael, doch Rin schüttelte den Kopf. „Antwortet nicht mit einer Gegenfrage! Ja oder nein? Ich möchte endlich die Wahrheit wissen! Ihr wart angeblich wütend wegen meiner Geburt und wolltet mich los werden. Was ist da dran?” Die Baal sahen ihn noch immer ein wenig überrumpelt an, dann einander, bis Astaroth schließlich seufzte. „Schätze, es war klar, dass wir es nicht ewig geheim halten können.” Die anderen Dämonen nickten düster und Lucifer seufzte kurz, eh er sich an Rin wandte. „Ja, es ist wahr. Als Vater uns erzählt hat, dass wir Nachwuchs bekommen, waren wir wütend und wollten nichts mit dir zu tun haben.” Obwohl Rin mit dieser Antwort gerechnet hatte, war sie wie ein Schlag in den Magen und er sackte unwillkürlich zusammen. „Hey, jetzt schau bitte nicht drein wie ein getretener Welpe!”, sagte Iblis hastig, wurde jedoch von Lucifer abgewürgt. „Es war zugegebenermaßen nicht unser stolzester Moment.”, räumte der Lichtdämon ein. „Wie du weißt, sind all unsere Mütter gestorben, mit der Ausnahme Indras, die aber nicht wirklich etwas mit uns zu tun hatte. Vater hatte geschworen, keine neue Frau mehr zu nehmen und folglich auch keine weiteren Kinder zu bekommen. Wir waren darüber ganz glücklich, weil wir uns nach all den Jahren natürlich aufeinander eingestellt haben. Als er sich plötzlich mit deiner Mutter eingelassen hat, waren wir dann etwas angefressen.”

 

„An der Stelle sollte man vielleicht mal einwerfen, dass es ein ziemliches Unding ist, sich mit Exorzisten als Partner einzulassen.”, mischte sich Astaroth. „Ich meine, die sind unsere Todfeinde. Also ja, nicht unbedingt Leute, mit denen wir was zu tun haben wollten. Abgesehen davon enden Beziehungen zwischen Menschen und Dämonen selten gut...und dieser Altersunterschied ist auch seltsam. Ich meine, wenn man geistig so in etwa das gleiche Alter hat, ist ja alles gut, aber...na ja, ist wohl Geschmackssache.” Rin nickte langsam. Er konnte durchaus verstehen, was er meinte. „Jedenfalls haben wir ihn versucht, davon abzubringen, sich weiterhin mit deiner Mutter zu treffen.”, warf nun Samael ein. „Schon alleine, weil ich ihren Vater kannte und wusste, dass es Probleme geben würde. Ich genieße zwar Chaos, aber das wollte sogar ich nicht.” Lucifer nickte zustimmend. „Ganz genau. Natürlich hat er nicht gehört und als er uns plötzlich eines Tages zu sich gerufen und verkündet hat, dass wir Zuwachs bekommen, waren wir wohl nicht mal allzu überrascht. Ehrlich gesagt, weiß ich selbst nicht mehr ganz, weswegen ich mich aufgeregt habe.”

 

„Eigentlich waren wir nur sauer auf Vater.”, kam Egyn zur Hilfe. „Wir haben den Gedanken gehasst, dass er sich ausgerechnet mit einer Exorzisten eingelassen hat. Er hat nicht nur sein Versprechen gebrochen, es hat sich auch irgendwie wie Verrat ans uns und vor allem an unseren Müttern angefühlt, weißt du?” Er zögerte bevor er weitersprach. „Wir hatten für den Großteil unseres Leben nur Vater...ich nehme mal an, wir hatten Angst, dass wir ihm plötzlich egal sind und er sich nur noch um dich und Yuri kümmert. Albern, ich weiß.”

 

„Es war irgendwie, als ob wir nicht genug sind.”, murmelte nun Amaimon und wich tatsächlich Rins Blick aus, was er zuvor noch nie getan hatte. Also hatten Halphas und Ankou tatsächlich recht gehabt mit ihren Vermutungen. „Wie gesagt, es war dumm von uns.”, ergriff nun Beelzebub das Wort. „Irgendwann ist es dann eskaliert und es kam zum Streit, wo wir sowohl Vater als auch deine Mutter verflucht haben.” Rin nickte langsam und schwieg kurz, bevor er weitersprach. „Und der Neid?” Erneute Unruhe und wieder tauschten sie kurze Blicke aus. „Ja. Stimmt auch...wir waren neidisch und es ist auch immer noch so. Zumindest bei mir.”, murmelte Iblis ein wenig beschämt klingend. Rin sah ihn überrumpelt an, dann seine Geschwister. Alle schwiegen und schienen sich nicht sonderlich wohl zu fühlen. „Aber..warum?”, fragte er leise nach. „Wenn hier jemand neidisch sein sollte, bin ich es! Ihr seid immer so selbstsicher, ihr sprecht extrem viele Sprachen, wisst so ziemlich alles, was man über Gehenna und Assiah wissen muss und regiert eigene Reiche! Abgesehen davon seid ihr extrem stärke Kämpfe und könnt eure Kräfte ohne Probleme kontrollieren...ihr habt sogar mehr Glück mit Mädchen als ich je haben werde!” Letzteres war zwar nicht so wichtig, aber man konnte es ruhig erwähnen. „Ich bin dagegen nur irgendein Halbblut, das sich ständig geprügelt hat, im Unterricht einschläft und ewig gebraucht hat, um ein paar verdammte Kerzen anzuzünden! Das einzige, was ich wirklich kann, ist kochen, sonst nichts! Ich kann nur Japanisch und Gehennisch, habe große Wissenslücken, zweifle ständig an mir und bin eigentlich nur ein Magnet für Ärger! Was gibt es da zu beneiden?!”

 

„Das klingt ja ganz gut, wenn du das so erzählst, aber stimmen tut es nicht.”, grummelte Astaroth. „Und du solltest dich nicht so schlecht machen.”

 

„Er hat recht.”, bestätigte Iblis. „Selbstsicher sind wir meistens, ja, aber wir haben öfter Zweifel, als du denkst und hinterfragen ständig, ob wir das richtige getan haben. Sprachen lernen kann jeder und du solltest nicht vergessen, dass wir wesentlich älter sind als du, also ist es kein Wunder, dass wir scheinbar alles wissen. Und was unsere Kräfte angeht...” Er lachte kurz auf. „Denkst du wirklich, dass wir das von heute auf morgen konnten? Nein. Wir hatten alle unsere Probleme. Samael war beispielsweise anfangs richtig schlecht im Phasensprung und ist ständig gegen Wände, Bäume und Möbel geknallt-”

 

„Iblis!”, unterbrach der Zeitdämon seinen jüngeren Bruder aufgebracht, aber er sprach einfach weiter.„Teilweise haben wir immer noch Probleme. Ich zünde bis heute ungewollt Sachen an, Amaimon macht Erdbeben ohne es zu wollen, Egyn lässt es oft schneien, wenn er mies drauf ist und Astaroth lässt plötzlich Dinge verwesen. Also nein, wir sind nicht perfekt, wenn es um unsere Kräfte geht und wir machen auch immer noch Fehler beim Kämpfen.”

 

„Ich zerbreche immerhin ständig meinen Speer.”, erinnerte Egyn grimmig. „Und um nochmal auf das Selbstvertrauen zurückzukommen: Du weißt gar nicht, wie oft wir an uns zweifeln oder Entscheidungen hinterfragen. Manchmal hinterfragt man einfach gefühlt jede Entscheidung. Im ersten Krieg gegen Lilith haben wir zum ersten Mal selbstständig Truppen angeführt. Es gab so viele Tote und immer wenn ich daran denke, überlege ich, ob ich irgendwas übersehen habe. Irgendein Detail, was vielleicht dafür gesorgt hätte, dass wir weniger Verluste erlitten hätten. Ich weiß nicht, ob du es weißt, aber in einem Kampf bin ich beinahe gestorben. Vergiftet. Ohne Agares wäre ich tot gewesen. Es war ein Hinterhalt und es gab keine anderen Überlebenden außer mir. Hätte ich damals einen anderen Weg genommen, wären sie vielleicht noch am Leben.”

 

„Das konntest du nicht wissen, Egyn. Alle waren sich einig, dass dieser Pfad, der beste war.”, sagte Beelzebub leise und eine schwere Stille legte sich über sie, während jeder seinen eigenen Gedanken nachhing. Der Nephilim war im ersten Moment unsicher, was er sagen sollte. Er hatte nie wirklich darüber nachgedacht, dass auch die Baal manchmal Probleme hatten und sich selbst anzweifelten oder Entscheidungen hinterfragten. „Das...Das wusste ich nicht.”, sagte er leise. „Trotzdem habt ihr so viel erreicht. Vater hätte euch wohl kaum zu Dämonenkönigen gemacht, wenn er an euch gezweifelt hätte. Allerdings habt ihr immer noch nicht gesagt, warum ihr neidisch seid.”

 

„ES SIND DIE SCHEIß FLAMMEN UND DEINE GANZEN FÄHIGKEITEN, OK?!”, explodierte plötzlich Iblis und sprang auf. Für einen kurzen Moment glaubte Rin, er wolle ihn angreifen, doch stattdessen begann er im Raum auf und ab zu laufen. „Ich war so stinksauer!”, rief Iblis aufgebracht. „Ich bin der Dämonenkönig des Feuers, aber Vaters Flammen bleiben trotzdem unerreicht! Schlussendlich habe ich mich damit abgefunden, aber dann kommt einfach ein Halbblut von irgendeiner Exorzistin an und hat die Nerven, sich damit über uns alle zu stellen! Es war einfach unfair! Und dann diese ganzen zufälligen Fähigkeiten, die dir einfach mal in den Schoß gefallen sind, weil warum auch nicht?! Warum es nicht deutlich machen, dass du was besseres bist als wir?! Erst das mit dem in die Vergangenheit schauen, dann das Geister sehen...das ist doch...ARGH!” Sichtlich frustriert ließ sich der Feuerdämon auf sein Bett fallen und rieb sich mit seinen Händen übers Gesicht. Ein wenig erschrocken sahen Rin und die restlichen Dämonenkönige ihn an. Iblis schien sich jedoch bereits wieder beruhigt zu haben. „Es tut mir leid.”, sagte er ein wenig resigniert, setzte sich auf und sah Rin an. „Ich habe versucht, mich zusammenzureißen, aber es war so verdammt frustrierend. Plötzlich kamst du und hast einfach alles auf den Kopf gestellt! Der Thron war mir schnuppe, es ging ums Prinzip. Plötzlich hat sich gefühlt nur noch alles um dich gedreht.”

 

„Vater hat ständig von dir geredet.”, mischte sich unerwarteterweise Amaimon ein. „Darum habe ich dich im Park und Wald so provoziert. Ich wollte wissen, was dran ist und war dann ziemlich enttäuscht. Dafür die ganze Aufregung? Das wirkte alles wie ein schlechter Scherz.”

 

„Schätze, wir waren unter anderem eifersüchtig, weil Vater plötzlich so sehr auf dich fokussiert war.”, gab Beelzebub ein wenig kleinlaut zu. „Und dachten, dass wir ab sofort überflüssig sind.”, ergänzte Egyn. Rin antwortete nicht. Plötzlich machte alles Sinn! „Ich wollte dich hassen. Ich habe es versucht.”, hörte er Iblis sagen und zwang sich, ihm zuzuhören. „Ich dachte mir, dass so ein kleiner Scheißer sowieso nie dazu gehören würde. Tja, ich lag daneben.” Erneut sah er Rin direkt an. „Tut mir leid. Ich bin ein beschissener Bruder. Du konntest nichts dafür und ich habe dir an allem die Schuld gegeben.” Unerwarteterweise räusperte sich nun Samael.„Auch ich bin nicht stolz, auf meine damaligen...Ansichten.”, sagte er langsam. „Ein kleiner Teil von mir hat sich in der Nacht deiner Geburt beinahe gewünscht, dass dich die Exorzisten zuerst finden, aber...”, er seufzte kurz. „Als ich dich in der Höhle gesehen habe, konnte ich dich nicht hassen, im Gegenteil. Anscheinend haben mich die Jahre in Assiah schwach gemacht.”

 

„Wir haben uns alle daneben genommen.”, schloss Lucifer. „Wir haben dir für Dinge die Schuld gegeben, die außerhalb deiner Macht lagen, waren frustriert wegen deiner ganzen Kräfte und hatten Angst, dass wir Vater egal werden. Dumm, ich weiß. Das hast du nicht verdient.” Er sah Rin ernst an. „Hör auf, dich zu unterschätzen. Ja, du schläfst im Unterricht ein. Ja, du hast Probleme mit deinen Kräften und ja, du hast große Wissenslücken, aber das ist keine Schande. Du bist noch am lernen und hast bereits große Fortschritte gemacht, auf die du stolz sein kannst. Die wenigstens können von sich behaupten, so schnell Gehennisch gelernt zu haben.” Die jüngeren Baal nickten zustimmend. „Daher kann ich nur sagen, was Iblis schon gesagt hat: Es tut mir leid. Ich habe mich unmöglich verhalten.” Nun entschuldigten sich auch die anderen Dämonenkönige und wirkten dabei ebenso beschämt. Was dann kam, erwartete jedoch niemand: Rin begann zu lachen. Die Dämonen sahen ihn an, als hätte er endgültig den Verstand verloren. „Ihr seid solche verdammten Idioten.”, sagte Rin, als er sich beruhigt hatte „Allesamt. Es gibt nichts, wofür ihr euch entschuldigen müsst. Ich kann verstehen, warum ihr so dachtet und es ist nun wirklich nicht so, dass ihr mir schlecht behandelt habt. Eigentlich war ich es doch, der sich stur gestellt hat und nichts mit euch zu tun haben wollte. Ich meine...Ich habe beinahe Amaimon gegrillt und Astaroth im Wohnheim die Nase gebrochen. Oh, und ihn als er das Stift angegriffen hat, mit einer Mistgabel beworfen, aber das war auch irgendwo seine eigene Schuld. Ihr habt euch von Anfang an um mich gekümmert und mich bei allem eingebunden, also Schwamm drüber. Was passiert ist, ist passiert.” Er erhielt entsetztes Starren, dann brach auch Astaroth in Gelächter aus. „Wow, dein Ernst? Weißt du, wie viel Schiss wir vor diesem Gespräch hatten? Und du steckt es einfach weg und sagst, dass alles in Ordnung ist? Du vergibst alles viel zu schnell und ich weiß echt nicht, ob ich das an dir mag oder hasse.”

 

„Aber wirklich. Du hast uns einen halben Herzinfarkt verpasst, als du das angesprochen hast!”, bestätigte Beelzebub. Egyn hatte derweil die Initiative ergriffen und war aufgestanden, um Rin zu umarmen. Dieser sagte nicht Nein dazu. Der Wasserdämon warf derweil ihren Geschwistern einen auffordernden Blick zu. „Worauf wartet ihr? Schwingt eure Hintern her!”, verlangte er. Wie erwartet, versuchten sich Samael, Amaimon, Iblis und Astaroth dagegen zu wehren, doch wurden gnadenlos in die Gruppenumarmung (eher in den Knuddelhaufen) integriert. „Versprecht mir einfach, dass ihr zukünftig mit mir über sowas redet.”, bat Rin, nachdem sie los gelassen hatten. Sie versprachen es und zum ersten Mal seit er befreit worden war, breitete sich ein wohliges Gefühl in ihm aus. Er hatte es ernst gemeint, es spielte keine Rolle, was sie früher gedacht hatten. Sie hatten ihre Meinung geändert und ihn akzeptiert, mehr konnte er sich kaum wünschen. Wieder einmal wurde ihm klar, dass er keine bessere Familie hätte haben können. Er war so in Gedanken, dass er zusammenzuckte, als ihn jemand an der Schulter berührte. Es war Lucifer, welcher ihm einen allzu bekannten Spiegel vor die Nase hielt. „Ich nehme mal an, dass du uns nicht nur darauf angesprochen hast, weil du endlich Antworten wolltest, sondern weil du auch deine Schwächen überwinden wolltest. Es ist nur ein Vorschlag, aber heute wäre einer der Tage, an denen der Seelenspiegel funktioniert. Ich wette, Shiro wartet schon darauf von dir zu hören.” Ein wenig überrascht, dass er so schnell durchschaut worden war, nahm Rin den Spiegel entgegen und starrte ihn an, dann fasste er einen Entschluss und nickte langsam. „Ich habe es lange genug herausgezögert.”, er zögerte. „Ich nehme an, der Spiegel funktioniert nur für eine Person?” Lucifer lächelte ihn ein wenig traurig an. „Ich fürchte ja, aber ich bin sicher, Yukio wird es verstehen.” Schon wieder war er durchschaut worden, aber es war wohl nicht schwer gewesen zu erraten, was in seinem Kopf vorging. „Na gut. Erklärt ihr mir, wie es funktioniert?” Samael grinste überschwänglich. „Aber natürlich!~ Wenn ihr erlaubt...zunächst einmal ist es wichtig, dass die Himmelsrichtung stimmt! Das wäre Norden und liegt in dieser Richtung.” Rin hörte sich die Anweisungen genau an oder versuchte es zumindest. Die Aussicht ein letztes Mal mit Shiro sprechen zu können, war aufregend und traurig zugleich. Er hatte so viel zu erzählen, so viel wofür er sich entschuldigen wollte! Dies war seine letzte Gelegenheit und er hatte vor, sie vollkommen auszunutzen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kasumi18
2020-02-08T16:38:02+00:00 08.02.2020 17:38
So ein schönes kapitel endlich haben sie sich ausgesprochen ich freu mich schon auf das nächste kapitel ich hoffe Rin wird in zukunft wenn alles vorbei ist in gehenna leben 😊
Antwort von:  Himikko
08.02.2020 17:53
Vielen Dank :3
Ja, das war wohl überfällig. ^^
Wirst du dann ja sehen ;)
Von:  Yuna_musume_satan
2020-02-08T12:46:56+00:00 08.02.2020 13:46
Ein und aza machen einem wirklich gerade sorgen besonderst ihre Verfassung ist ja momentan nicht die besste. Dieses Gespräch zwischen den Baal und ein war mee als überfällig nur so kann die Familie zusammen wachsen.
Ein hervorragendes Kapitel ich kann das nächste Kapitel nicht erwarten
Antwort von:  Himikko
08.02.2020 17:52
Nein, ihnen könnte es wirklich besser gehen, aber es wird langsam.
Und immerhin haben sie jetzt endliche diese Sache aus der Welt geschafft ^^
Danke :3


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