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Rot und Blau

von

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Verbunden

Schneeflocken wurden vom dichten Schneegestöber hochgewirbelt und gegen die dicken Glasscheiben gedrückt, wo sie augenblicklich schmolzen.

Lediglich der Laut des Windes kam durch die Scheiben und kreischt mir beinahe unwohl in den Ohren.

Detroit, die neue Androidenstadt mit ihren Wolkenkratzern, konnte ich eigentlich immer von der Kantine aus sehen. Doch im Schneetreiben sehe ich nur noch dichtes und trübes Wolkengrau.

Es scheint fast so, als wenn Detroit von diesem Schneesturm verschlungen werden soll.

Nachdenklich verschränke ich meine Arme und blickte weiterhin nach draußen, als ich mich geradezu in dem dichten Schneetreiben zu verlieren schien, während ich über die letzte halbe Stunde nachdenke.

Nachdem Markus gesagt hatte, es würde in einer Stunde losgehen, bin ich sogleich wieder nach oben mit dem Aufzug gefahren, wo die Zwillinge schon gewartet hatten. Als ich ihnen von den Plan erzählt habe, waren sie natürlich alles andere als begeistert.

Amber war erneut den Tränen nahe und Adam sah mal wieder missgünstig drein, während er irgendwelche Schimpfwörter vor sich hinmurmelte. Hab ich ihm natürlich gleich untersagt, was ihn noch mehr aufregte.

Seufzend schloss ich kurz die Augen, ehe ich mich von dem großen Fenster abwandte und nun regelrecht zu einem der Tische schlurfte. Lustlos ließ ich mich auf einen gläsernen Stuhl nieder, während sich meine Hände in meinem Haar verkrallen.

Unsicher starre ich auf den Tisch, während ich eher unbewusst meinen schnelleren Herzschlag registriere.

Irgendwie frage ich mich gerade, ob das so eine gute Idee von mir war. Zumindest hatte ich schon mal bessere.

Allein in dem Wissen, das ich die Zwillinge hier zurück lassen muss, wird mir schon ganz schwer ums Herz. Immerhin konnte ich sie mit Sumo trösten, auf den sie ja nun aufpassen müssen. Hank begleitet uns ebenfalls, was mich wenigstens etwas erleichtert.

Noch einen Menschen in der Nähe zu wissen, behagte mir um einiges mehr, als nur von Androiden umgeben zu sein.

Aber ich will ja nicht rassistisch erscheinen, auch wenn ich bei dem Gedanken schon fast trocken loslachen muss.

Frustriert legte ich meine Arme auf den Tisch und bettete murrend meinen Kopf darauf, während mein Blick wieder zu dem Fenster glitt. Aufmerksam besah ich mir die hochwirbelnden Schneeflocken, die weiterhin unnachgiebig gegen die Scheibe schlugen, fast so als ob sie den CyberLife Tower zum Einstürzen bringen wollen.

Und nun warte ich hier auf Connor bevor wir aufbrechen, weil er mir unbedingt noch wichtiges zeigen wollte. Am liebsten würde ich die ganze Aktion ja abbrechen und das hat mehrere Gründe.

Zu allererst, will ich mir draußen nicht den Hintern abfrieren.

Zum zweiten, will ich nicht zu irgendwelchen Drogendealern die mir vermutlich den Schädel einschlagen wollen.

Zum dritten, hab ich bereits jetzt Muffensausen. Einfach weil ich generell schnell Angst bekomme, aber bis jetzt konnte ich das halbwegs gut verbergen. Bis jetzt…

Zum vierten, ich will mir da draußen immer noch nicht den Hintern abfrieren!
 

Grummelnd schloss ich die Augen, während ich weiterhin dem Wind lausche, der einem Geisterschrei gleich, um den Tower wütet. Kann aber auch sein, dass ich mir das in meiner verqueren Fantasie nur einbilde.

Meine Nerven werden das restliche Jahr vermutlich nicht mehr zur Ruhe kommen.

Während ich meinen Gedanken nachgehe und mir das jaulen des Windes anhöre, entgleite ich langsam in ein leichtes dösen.
 

Erst als ich an sachte an meinen Schultern gerüttelt wurde, erwache ich erschrocken und blicke prompt in dunkle braune Augen, die mich musternd ansahen.

Schnell erhob ich mich hastig, woraufhin ich beinahe den Stuhl umgeworfen hätte, und blicke Connor so entschlossen, wie es mir mein verschlafener Blick zuließ, in die Augen. „Kann’s endlich losgehen?“, frage ich ihn motiviert. Zumindest sollte es so klingen, seinem Blick nach zu urteilen, hat er mich längst durchschaut.

Verdammt…wenn das schon selbst ein Android mitbekommt.

„Wir werden uns gleich unten mit den anderen treffen. Aber ich bin nicht nur hier hergekommen, um dich abzuholen“, erwidert Connor daraufhin ungetrübt und holt nun plötzlich seine Pistole aus dem Holster an seinem Gürtel.

Schlagartig weiten sich meine Augen, während ich die Pistole in seiner Hand anstarre. Erneut hat sich mein Herzschlag erhöht, während mir schlagartig 1000 Gedanken durch den Kopf rasen.

Dass Connor mich einfach abknallen würde, war einer der harmloseren.

Er bemerkt meine wachsende Nervosität und legt die besagte Pistole nun auf den Tisch und mustert mich erneut aufmerksam. „Mir ist bewusst, dass du keinen Umgang mit einer Schusswaffe hast. Dennoch solltest du auf dieser Mission eine mitnehmen, um dich im Notfall wenigstens solange verteidigen zu können, bis ich auftauche“

Fast schon schockiert sehe ich ihn an, ehe ich schnell einen Schritt zurück weiche, während ich beinahe mit Abscheu in den Augen, zu der Schusswaffe sehe. „Das ist nicht dein Ernst! Ich weiß nicht mal, wie ich dieses Ding halten soll! Außerdem hasse ich Schusswaffen“

Meinen Unmut in der Stimme muss er wohl deutlich herausgehört haben, denn sein Kopf legt sich leicht schief, während sein Blick so etwas wie Unverständnis enthält. „Woher kommt diese Abneigung gegenüber Schusswaffen?“

Beinahe schon missbilligend sehe ich drein und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich war kurz davor, auch noch genervt die Augen zu Verleihern. „Weil sie töten, darum. Außerdem sind diese Dinger schrecklich laut“

Connor nickt leicht, ehe er die Waffe wieder ergreift und mit dieser auf mich zugeht. „Die Fakten die du aufgezählt hast sind zutreffend. Dennoch solltest du wenigstens in der Lage sein, dich damit zu verteidigen“

Frustriert raufe ich mir beinahe die Haare. „Aber wozu denn? Ihr kommt doch und holt mich da schnellstmöglich raus, oder?“

Zu meiner Verwunderung, stellt sich der Android nun genau hinter mich. Ehe ich etwas dazu sagen kann, legt er seine Pistole in meine Hand.

Automatisch umklammere ich mit meiner rechten Hand den geriffelten Griff, während sich meine linke von unten auflege, um die Pistole zu stabilisieren.

Die Kälte die sich augenblicklich auf meinen Handinnenflächen bildet, lässt mich erschaudern. Beinahe zitternd strich ich reflexartig über den glatten Stahl, als ich mit Erschrecken feststellen muss, wie gut sich die Pistole in meine Handfläche schmiegt.

Gerade als ich sie abschütteln wollte wie ein lästiges Insekt, ergreift Connor mit seinen beiden Hände meine und streckt dabei meine Arme durch.

Verwirrt starre ich auf seine Hände, die sich um meine gelegt haben, um die Pistole weiterhin in meiner Hand zu halten.

Ich spüre seinen Körper dicht hinter mir, während sich sein Kopf fast neben meinem befindet. Beinahe war ich mir sogar sicher, dass sein Atem an meinem Ohr kitzelt.

Was aber total abwegig ist, immerhin müsste Connor ja dafür atmen können. Und als Android muss er definitiv nicht atmen, er kann es ja nicht mal ohne Lungen!

Trotz dessen starre ich auf seine Hände, die sich weicher anfühlen, als ich es gedacht hätte. Wenn nicht sogar genauso, wie bei einem Menschen.

Ohne mein Zutun, spüre ich bereits wie mir das Blut in die Wangen schießt. Von dieser plötzlichen Nähe seinerseits, wird mir noch ganz flau im Magen.

Zumindest versuche ich mir das einzureden, denn mein Herz arbeitet heute bereits auf Hochtouren. Und die augenblickliche Körpernähe seitens des Androiden, macht es nicht unbedingt besser!

„Ich demonstriere dir jetzt, wie du die Pistole handhabst“, spricht Connor mit seiner rauen und melodischen Stimme nah an meinem Ohr und lässt mich so erneut erschaudern.

„I-ich kann das nicht“, flüstre ich fast schon panisch, da mich die ganze Situation mittlerweile völlig überfordert.

Mittlerweile bin ich mir sowieso sicher, dass meine Psyche mehr als nur gelitten hat. Und dieser verdammte Android macht das nicht besser!

„Übung ist alles“, antwortet er schlicht, während seine Stimme mir erneut eine Gänsehaut beschert.

Derweil ist sein Gesicht so nah an meinem, das sein weiches Haar bereits an meiner Wange kitzelt und mich so zusammenzucken lässt.

Infolgedessen betätige ich unabsichtlich den Abzug. Die Panik die mich daraufhin ergreift, lässt mich die Augen zukneifen und mich hastig nach hinten drücken.

Mit laut klopfendem Herzen und schwerem Atem warte ich auf den eigentlichen Knall, der jedoch nie kam.

Zögerlich öffne ich daraufhin die Augen und sehe mich kurz unsicher um. Weder ein Einschussloch, noch irgendwelche andere Schäden kann ich ausmachen.

„Die…Waffe ist gar nicht geladen?“, frage ich beinahe verwirrt, während sich mein Herz endlich langsam beruhigt.

Zu meiner Erleichterung lässt Connor auch endlich langsam meine Hand sinken, was mich nun kurz zu ihm blicken lässt.

Er wirkt beinahe nachdenklich, bis mir bewusst wird, dass ich mich so nah an ihn gedrückt hab, dass ich seinen Oberkörper wirklich komplett an meinen Rücken spüren kann.

Hastig weiche ich von ihm zurück und drücke ihm mit zitternden Händen die Waffe zurück in seine. Gerade noch so bringe ich ein gezwungenes Lächeln zustande. „Ja, das war echt…ein Erlebnis. Aber wir lassen das lieber sein, ich schaffe das nervlich eh nicht“

Nur am Rande bekomm ich mit, wie seine LED schnell gelb leuchtet.

Eilig drehe ich mich von ihm weg und renne beinahe zu einem der großen Tower Fenster um hinaus zu starren.

Egal auf was. Hauptsache nicht mehr den Androiden ansehen. Oder ihn spüren.

Mein Herz hämmert immer noch ohne Unterlass in meiner Brust, doch ich zwinge mich erneut zur Ruhe, während ich stoisch dem Schneetreiben zuschaue. Ganz langsam schlägt mein Herz nun auch wieder in einem erträglichen Rhythmus. Dennoch lässt mich diese Stille, die sich nun über uns gelegt hat, wieder unruhig werden.

Vielleicht ist Connor nun sauer auf mich? Weil ich es nicht mal schaffe, eine verdammte Pistole zu halten! Er denkt bestimmt, ich bin total bescheuert!

Zögerlich drehe ich mich langsam zu ihm um und bereue es schon wieder im nächsten Moment. Er starrt mich direkt an und mustert mich von oben bis unten.

Verzweifelt schaue ich wieder nach draußen und lehne meine Stirn gegen das kalte Glas, um wortwörtlich wenigstens einen kühlen Kopf zu bewahren.

Aber selbst das fällt mir immer schwerer. „Können wir nicht endlich losgehen, ich will es hinter mir haben“, murre ich mir eher selbst leise entnervt zu, doch da höre ich bereits seine Schritte, als er näher zu mir kommt.

Ohne dass ich es mitbekomme, spannen sich augenblicklich alle Muskeln in mir an. Am liebsten würde ich meinen Kopf gegen das Glas donnern, um endlich aus diesem Dilemma zu erwachen.

Als er neben mir zum Stehen kommt und sich den Schneesturm ebenfalls anschaut, wage ich nochmals einen kurzen Seitenblick zu ihm.

Seine LED flackert ziemlich heftig in dieser gelben Farbe. Ob ich daran schuld bin?

Unsicher blicke ich auf meine Hände, ehe ich sie zu Fäusten balle. „Tut mir Leid, aber ich und diese Waffen sind einfach nicht kompatibel. Ich glaube ich würde mich am Ende noch versehentlich selbst erschießen“, sprach ich leise, ehe ich wieder zaghaft zu ihm blicke.

„Davon gehe ich auch aus“, stimmt mir Connor unverblümt zu, woraufhin ich doch etwas entsetzt drein sah.

Kann er es denn nicht wenigstens etwas netter formulieren? Schlimm genug, dass ich es schon einsehe.

„Ich hätte noch eine andere Idee“, sprach der Android nun ruhig und seine LED nahm endlich wieder diesen angenehmen Blauton an.

Beinahe schon neugierig, hob ich meine Augenbrauen an. „Und in dieser Idee kommen keine Schusswaffen vor?“

Connor schüttelte sachte seinen Kopf, dann deutet er auf einen der nahen Tische. „Setzt dich bitte einfach hin“

Kurz war ich etwas skeptisch, aber dann begab ich mich doch schließlich zum Tisch und setze mich auf einen der nahen Stühle.

Mir ist ja alles lieber, als diese verdammte Waffe! Hoffentlich hat Connor eine gute Idee.

Doch als er mir sagt was ich nun tun solle, wäre mir fast mein Gesicht entglitten.

„Zieh dich aus“

Mit offenem Mund starrte ich ihn ungläubig an. Natürlich entging ihm das nicht, als er sich auf den Stuhl genau mir gegenüber hinsetzt.

Er legt den Kopf etwas schief, dabei wirkte er ernstlich verwirrt. „Dein Jackett sollst du ausziehen, verzeih ich werde mich konkreter ausdrücken“

Am liebsten hätte ich ihm dieses Jackett ja ins Gesicht geschmissen, doch ich kann mich gerade noch zurück halten. Jedoch sah ich ihn mehr als giftig dabei an, als ich mir das Jackett ausziehe und über die Stuhllehne hänge.

„Ja, das solltest du tun. Du machst mich echt fertig, weißt du das?“

Diese Aussage schien ihn beinahe noch mehr zu verwirren, woraufhin ich schnell abwinke. „Also gut, jetzt sag schon. Was ist das für eine Idee?“

Connor legt seine Hand auf dem Tisch und bat mich es ihm gleich zu tun. Immer noch etwas argwöhnisch, tat ich es ihm gleich. Da ich keine Antwort von ihm bekam, sah ich ihn beinahe schon vorwurfsvoll an.

Der Android zögert tatsächlich, während er meine Hand betrachtet. Dann sieht er mich wieder durchdringend an, was meinen Herzschlag mal wieder in Wallung bringt.

Hastig wende ich meine Augen von ihm ab und beiße mir unabsichtlich auf die Lippen, als ich in Gedanken den Androiden mal wieder verfluche.

Warum macht der mich nur so nervös?! Er ist doch nur eine verdammte Maschine!

„Ich muss gestehen, dass dieses Unterfangen vielleicht einen Kollaps für dich zur Folge hat“

Schockiert schelle ich mit meinem Kopf wieder zu ihm rum, während ich schon loswettern will. Doch ich verkniff es mir mal wieder in letzter Sekunde. Ich sollte mir erstmal anhören, was er vorhat.

Connor lässt mich jedoch erneut erstaunt drein blicken, als er plötzlich seine menschlich wirkende Haut auf seiner Hand abschält und nun nur noch die weiße synthetische Haut zu erkennen war.

Genau wie ich es in dieser Produktionshalle für diese Androiden gesehen habe.

Fragend sehe ich ihn kurz darauf an, doch er wirkt mal wieder hochkonzentriert. Dann sieht er mich plötzlich wieder an, sein Blick wirkt sogar ziemlich entschlossen.

„Gib mir deine Hand, ich werde mein System mit denen der Nano-Androiden in deinem Blut synchronisieren. Das verschafft mir den Vorteil, dass ich dich bis auf fünf Meilen genauestens orten kann“

Wieder sehe ich ihn mit offenem Mund an, da mir das eben gesagte von ihm, nicht wirklich verständlich erscheint.

„Ich bin der fortschrittliste Android, den CyberLife bis dato gebaut hat. Diese Nano-Androiden und ich, basieren auf demselben System, weshalb wir miteinander kompatibel sind. Dadurch kann ich sogleich eine Verbindung zu diesen aufbauen und dich so immer schnellstmöglich finden“, erklärt Connor rasch, um meine Zweifel so beiseite zu wischen.

Das klingt einleuchtend und zudem ist es allemal besser, als diese verdammte Waffe.

Und dennoch…

Ich starre auf seine weiß wirkende Hand, als ich mir etwas ins Gedächtnis zurück rief, was mir Connor eben noch genauestens gesagt hat.

„Und warum könnte mich das zu einem Kollaps bringen?“, frage ich unsicher.

„Weil ich dir keine genauen Berechnungen darauf liefern kann, was passieren wird. Noch nie zuvor wurde etwas dergleichen angestrebt. Wie du heute bereits sagtest: Ich bin ein Android und du ein Mensch. Zwar gab es bereits vergleichbare Tests, gerade in den Pflegeberufen, doch diese sind bei weiten noch nicht ausreichend erforscht. Ich weiß nicht, was mit dir passieren wird“

Höchst erstaunt sah ich drein, dann muss ich sogar kurz schmunzeln. Es klingt ja fast so, als ob Connor mal nicht genau weiß, was er da tut.

Aber dieser Blick, den er mir zuwirft erinnert mich an den eines Hundewelpen. Mit großen, unschuldigen braunen Augen.

Beinahe amüsiert sehe ich ihn an und strecke ihm daraufhin meine Hand entgegen. Aufmunternd nicke ich ihm zu. „Was soll schon schief gehen? Wir probieren es einfach mal aus“

Zwar behagt mir der Gedanke nicht wirklich, immer von diesem Androiden geortet zu werden und so praktisch unter Dauer Beobachtung zu sein…aber ich bin mir sicher, Connor wird kommen um mir zu helfen, falls ich in Gefahr bin.

Der RK800 sieht tatsächlich kurz etwas verblüfft drein, als ich seinem Vorschlag zustimme. Doch schließlich ergreift er mein Handgelenk, ehe er mich eindrücklich nochmal ansieht.

Bevor ich darauf etwas sagen kann, durchfuhr mich beinahe so etwas wie ein Stromstoß, an der Stelle, wo er mich mit seiner synthetischen Haut berührt.

Seltsamerweise ist es nicht unangenehmen, sondern löst ein Kribbeln auf meiner Haut aus, was dazu führt, dass sich meine kleinen Härchen auf den Arm sogleich aufrichten.

Wie leichte Intervallen, jagen diese Stromstöße durch meine Muskeln und lassen mich unbewusst wohlwollend die Augen schließen. Als mir sogar noch ein zufriedenes Seufzen über die Lippen gleiten will, kann ich mich dem gerade noch so verwehren.

Selbst meine ehemalige Schussverletzung, die mittlerweile schon vernarbt ist, fängt an intensiv zu kribbeln.

Die Gänsehaut auf meiner Haut kann ich nun nicht mehr verbergen, aber es wäre eh sinnlos es zu versuchen.

Alles in mir schien plötzlich in Einklang zu sein, was mir eine so tiefe Glückseligkeit beschert, wie ich sie noch nie in meinem Leben zuvor gespürt habe.

Alles scheint in absoluten Gleichgewicht zu sein. Ich mit mir selbst und dann auch mit Connor.

Ohne dass ich es wirklich registriere, ergreife ich unbewusst ebenfalls sein Handgelenk und drücke zu.
 

Mit einem Mal jedoch, ist diese Empfindung verschwunden und die Realität bricht augenblicklich über mich herein und hinterlässt ein Gefühl der Leere.

Perplex sehe ich auf und erblicke Connor, der hochkonzentriert auf mein Handgelenk sieht. Sogleich folge ich seinem Blick, was mich wiederum erschrocken nach Luft schnappen lässt.

Die feinen blauen Äderchen die durch meine blasse Haut am Handgelenk schimmern, pulsieren energisch regelrecht im Takt. Noch nie zuvor habe ich das so intensiv beobachten können.

Ansonsten wirkt alles so wie immer, bis auf diese leere. Sofort sehe ich wieder zu Connor’s Hand, über die sich erneut die menschlich wirkende Haut spannt.

„Das…war Wahnsinn“, entwich es mir leise, während ich ihm mit großen Augen ansehe. Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass diese Verbindung auch etwas in ihm ausgelöst hat. Doch seine Miene ist wirklich unergründlich. Lediglich seine Augen huschen immer wieder unnatürlich schnell hin und her.

Vermutlich ist ihm das ja selbst nicht ganz geheuer. Oder es war für ihn, im Gegensatz zu mir, total unangenehm.

Fragen über Fragen jagen mir durch den Kopf, doch Connor erhebt sich sogleich und blickt mich nochmals musternd an. „Wir werden sehen, ob es funktioniert“
 


 

Draußen in der Kälte, sehe ich mir musternd den alten Chevrolet Caprice von Hank an. Ein wirklich altes, amerikanisches Auto.

Vorsichtig streiche ich über die Motorhaube und schiebe den Schnee beiseite. Mit einem leichten schmunzeln sehe ich ein paar Rostflecken, als ich plötzlich eine laute und verärgerte Stimme vernehme.

Neugierig sehe ich auf und entdecke Hank, der mit Connor anscheint im Streit liegt. Er schimpft ständig auf den Androiden ein, doch es sah so aus, als ob Connor sich auch zu verteidigen versucht.

Im Schlepptau sind Josh und Simon, die sich immer wieder kurz ansehen.

Schnell eile ich auf die Gruppe zu, woraufhin Hank verärgert verstummt und mich kritisch mustert. „Verdammt, Mädchen! Überlege dir das nochmal“, fährt er mich schimpfend an, woraufhin ich beinahe zusammenzucke.

„Das wird kein lustiger Ausflug! Diese beschissenen Junkies haben keine Hemmschwelle! Und jetzt sowieso nicht mehr, ohne die Polizei in ihrem Nacken!“, meckert er sogleich weiter und gestikuliert wild vor meinem Gesicht herum.

Ehe ich überhaupt mich dazu äußern kann, kam mir Connor bereits zuvor.

„Es besteht kein Grund zur Sorge, denn die Gefahrenstufe wurde deutlich herunter gesetzt für sie. Das habe ich dir bereits mehrmals erklärt, Hank“

Hank schnauft jedoch nur abfällig, während er Connor beinahe missfällig mustert. Dann sieht er wieder wütend zu mir und ich ahne, dass ich mir auch einen weiteren Vortrag seinerseits anhören muss.

„Du kannst Vorkehrungen so viele treffen wie du willst, verdammt! Menschen sind unberechenbar, besonders dann, wenn sie irgendwelche Rauschmittel konsumiert haben! Ich habe das oft genug miterlebt bei meinen Ermittlungen. Menschliches Verhalten kann man nicht berechnen, dazu braucht man Instinkt! Außerdem…!“

Er verstummt schlagartig, dann atmet er einmal laut aus, während er mich nochmals mustert. Ich kann deutlich Besorgnis in seinem Blick erkennen und plötzlich erinnert er mich sehr an meinen eigenen Vater.

Ich gehe einen Schritt näher zu Hank und lächele zögerlich. „Oh, ich habe echt ganz schön Angst. Das wird kein Spaziergang, ich weiß das. Doch du bist in der Nähe und der Rest auch, oder?“

Doch der ältere schüttelt wieder den Kopf und wand sich dann von mir ab. „Manchmal geht es schneller, als du denkst. Dann ist es zu spät“

Unsicher sehe ich zu ihm auf, doch als ich sein beinahe schon trauriges Gesicht betrachte, wird mir auch ganz schwer ums Herz. Es wirkt fast so, als ob Hank etwas ziemlich belastet. Und es ist nicht nur der mögliche Ausgang dieser Mission.

„Wir werden es versuchen, es ist unsere einzige Chance. Wir sind immer in der Nähe“, meldet sich nun auch Simon zu Wort und lässt mich zu ihm blicken.

Er trat neben Connor und Josh ebenfalls, während Simon wieder zu mir sieht. „Ich finde es ziemlich mutig, dass du uns hilfst. Danke schon mal dafür“

Etwas verlegen sehe ich drein und winke schnell ab. „Schon gut, schon gut. Das ist nun nichts Besonderes, Hauptsache ihr kommt und holt mich da schnellstmöglich raus“

Auch wenn ich wirklich zugeben muss, dass ich nicht erpicht darauf bin. Hätte ich einfach meine Klappe gehalten, dann müsste ich jetzt auch nicht bei dieser bescheidenen Idee mitwirken.

„Wo steckt eigentlich dieser Markus?“, fällt nun Hank frustriert dazwischen und sieht skeptisch zu den Androiden. Connor antwortet ihm sogleich. „Im Tower. Wir werden diese Mission erledigen, Markus sollte weiterhin dort sein, wo er am meisten gebraucht wird“

Wieder sah der ehemalige Lieutanent nicht sonderlich begeistert drein, schlurfte aber jetzt regelrecht missgestimmt zu dem alten Auto.

„Diese verdammten Androiden“, murmelt er nur leise in seinen Bart hinein, während er an mir vorbei geht.

Als er sich nun hinters Lenkrad setzt, sieht er dann grimmig durch die Fensterscheibe und winkt uns nun alle zu sich. So wie es aussieht, möchte Hank das wohl auch endlich hinter sich bringen.

Nachdem wir uns alle mehr oder weniger bequem in den alten Chevrolet Caprice gequetscht haben, fährt Hank auch sogleich los.

Sofort schlägt mir laute Heavy-Metal Musik entgegen, die mir fast mein Trommelfell zerreißt und das Auto wortwörtlich zum Erbeben bringt.

„Verflucht, mach das LEISER!“, schreie ich aufgebracht und halte mir verzweifelt die Ohren zu. Die Musik dröhnt dennoch unnachgiebig bis tief in mich hinein und versetzt mich beinahe in Schwingungen. Jedoch aggressive Schwingungen, da ich mit solcher Art von Musik nicht wirklich viel anfangen kann. Für mich ist es nur laute Musik, mit viel Geschrei der Bandmitglieder.

Hank dreht die Musik nun deutlich leiser, dreht sich jedoch dabei zu mir um und mustert mich abschätzig. „Meine Karre, meine Musik klar?“, fragt er angepisst, doch ich sehe ihn ebenfalls grimmig an, während ich mir immer noch die Ohren zuhalte.

„Du kannst doch hören was du willst, ich will nur nicht danach Taub werden“, antworte ich ihm nicht weniger angepisst. Es folgt ein kurzes Augenduell zwischen uns, bis sich Connor plötzlich meldet, der genau neben mir sitzt.

„Nachdem wir die Audiovorgabe der Musik geklärt haben, sollten wir uns nun wieder der Mission widmen“

Grummelnd starre ich daraufhin aus dem Fenster und schnalle mich immerhin mit dem Sicherheitsgurt fest. „Genau, bringen wir es endlich hinter uns“

Hank geht nun aufs Gas und lässt mich so in den Sitz eindrücken. Augenblicklich kralle ich mich in den Haltegriff fest, während ich einmal laut ausatme und mir erneut die dichten Schneeflocken betrachte, die Detroit in ihrer Gewalt haben.

Die Straßen waren beinahe unter der Schneedecke verschwunden, doch das hält den alten Mann natürlich nicht davon ab, wie eine besengte Sau zu fahren!

Mit zusammengekniffen Augen starre ich auf seine grauen Haare und kaue mir nachdenklich auf meiner Lippe herum. „Lebend wollte ich schon ankommen“

Hank schaut über den Rückspiegel kritisch zu mir, ehe er doch tatsächlich etwas gesitteter fährt und ich ihm dafür mit einem engelsgleichen Lächeln belohne. „Dankeschön!“

Kurz darauf legt sich Stille über uns, lediglich Simon spricht kurz mit dem ehemaligen Lieutenant um ihn die genaue Richtung zu nennen.

Wieder sehe ich nach draußen und besehe mir den kalten Winter, während ich mich regelrecht an die Tür quetsche. Denn direkt neben mir sitzt Connor und wiederum neben ihm Josh. Zu dritt hinten auf der Rückbank zu sitzen ist verdammt unbequem.

Ich frage mich, ob es den Androiden auch so geht? Aber vielleicht haben sie ja gar nicht dieses Gefühl, weil es ihnen eh nie unbequem wird.

Leise seufze ich frustriert und besehe mir den Himmel, der nun langsam immer grauer und dunkler wird. Es wird nicht mehr lange dauern und die Sonne wird wieder untergehen.

Die Straßenlaternen und die Häuser an denen wir nun vorbei fahren, sind weiterhin in Dunkelheit gehüllt.

Plötzlich wird mir etwas bewusst und ich drehe mich zu Connor, der starr geradeaus blickt und sich auf etwas zu konzentrieren scheint. Als ich ihn anspreche, sieht er mich augenblicklich an.

„Wie kann es überhaupt sein, das wir im CyberLife Tower Strom haben und der Rest von Detroit keinen hat? Ich verstehe das nicht“

Während er mich mit seinen braunen Augen wieder mustert, bemerke ich wiederwillig, dass ich wieder nervös werde unter seinem Blick. Hastig versuche ich das Gefühl niederzukämpfen, als der RK800 mir auch sogleich antwortet.

„Der CyberLife Tower verfügt über einen eigenen Brunnen, von welchem er das Wasser bezieht und besitzt zudem Solarplatten die sich auf dem gesamten Gelände befinden. Beides versorgt uns weitestgehend mit Strom und Wasser, jedoch wird der Großteil der Energie in die Produktionshallen gelenkt. Somit ist der Turm ebenfalls in Dunkelheit gehüllt, was auch den Effekt hat, das kein Außenstehender auf uns aufmerksam wird“

Nachdenklich zieh ich meine Stirn in Falten, dann nicke ich sacht. „Und Hank hat das einzige Auto, welches in Detroit noch fährt?“

Dieser lacht wiederum kehlig auf, ehe er schnell um eine Kurve biegt. „Das bezweifle ich stark, hier fahren garantiert noch Autos herum. Die öffentlichen Verkehrsmittel fahren nicht mehr, aber Menschen wissen sich ja meist zu helfen“

Als Hank seinen Wagen schnell um die Kurve schlittern lässt, stoße ich gegen Connor und kralle mich in seinem Arm fest, da ich mir irgendwo halt suche.

Erschrocken kneife ich die Augen zu, als das Auto auch noch gefährlich ins Schlittern gerät und ich uns bereits gegen die nächste Häuserwand krachen sehe. Augenblicklich geht Hank auf die Bremsen und der Wagen bleibt tatsächlich stehen, nachdem dieser unkontrolliert über die Straße geschlittert ist.

Mit wild klopfendem Herzen öffne ich zögerlich wieder meine Augen und sehe mich um. Hank gestikuliert wild vor Simons Gesicht herum, der nicht halb so verstört aussieht, wie ich mich gerade fühle.

Als ich zur Seite sehe, bemerke ich mit Schrecken, dass ich halb auf Connor liege und mich regelrecht an ihm festgekrallt hab. Sofort erhöht sich mein Herzschlag wieder um ein vielfaches und ich löse mich sofort von dem Androiden, der das ganze eher entspannt betrachtet, während ich erneut kurz vor einem Herzkoller stehe.

„V-verdammt, sorry! War keine Absicht, wirklich!“, rechtfertige ich mich schnell, während mich Connor wieder aufmerksam betrachtet.

Ich war mir sicher, dass er mir wieder irgendwas über meine körperliche Verfassung sagen würde, doch zu meinem Erstaunen, sagt er etwas gänzlich anderes.

„Hank’s Fahrstil ist wirklich etwas gewöhnungsbedürftig, das habe ich selbst schon erlebt. Manchmal bin ich durchaus froh, in einem Stück an unserem Ziel anzukommen“

Dieser schlichte Satz seinerseits bringt mich zum Schmunzeln, ehe ich dann doch loslachen muss. Wieder bemerke ich seinen Blick, doch ich lächele ihn beruhigt an, ehe ich die Autotür öffne. „Na, wie bin ich froh, dass es nicht nur mir so geht!“

Erleichtert springe ich regelrecht aus dem Auto und atmete die kalte Winterluft in meine Lungen ein, woraufhin ich kurz husten muss. Mein warmer Atem steigt wolkenartig über meinen Augen auf, als ich mich aufmerksam umsehe.

Dieses Viertel kam mir nur allzu vertraut vor. Eingeschlagene Fenster, verrammelte Türen, verunstaltete Häuserwände mit den obszönsten Botschaften überhaupt. Und überall Dreck, zersplittertes Glas und vermutlich berüchtigte Drogendealer hinter jeder Ecke.

Hier war ich auch damals mit Connor unterwegs gewesen, als wir nach Anziehsachen für mich und die Kinder gesucht haben. Zwar fanden wir die auch in einer nahen Mall, aber die Sachen sind nicht wirklich so Vorteilhaft, wie ich mir erst erhofft hatte.

Hank und die anderen Androiden steigen nun ebenfalls aus dem Auto aus und sehen sich aufmerksam um, während der der ehemalige Lieutenant mal wieder das Gesicht wütend verzieht.

Sofort kommt er durch den Schnee zu mir gestampft und sieht warnend auf mich hinab. „Du bist doch nicht mehr ganz Sauber im Kopf! Wir blasen diese scheiß Idee jetzt ab und fahren dich sofort zurück! Ich werde für dich gehen!“

Ehe ich etwas darauf sagen konnte, kam mir Connor bereits zuvor. „Deine Sorge in allen Ehren, Hank. Aber du weißt, dass du mehr als ungeeignet dafür bist. Jeder der Red Ice konsumiert und dealt, kennt dich. Immerhin hast du damals den größten Red Ice Drogen Ring überhaupt auffliegen lassen. Jeder von denen kennt dein Gesicht, zudem machst du auch nicht unbedingt den Eindruck, als wärst du auf der Suche nach Hilfe, um dich bei ihnen einzuschleusen zu lassen“

Schnell baut sich Hank vor dem Androiden auf und wieder verzieht er dabei aufgebracht sein Gesicht. „Verdammt, Connor! Ein hilfloses und unschuldiges Mädchen da rein zuziehen, ist Wahnsinn! Sie wird eher draufgehen, als du abdrücken kannst. Du hast es noch nie mit solchen Menschen zu tun gehabt, die sind gänzlich anderes als die Abweichler! Rationaler, gnadenloser und vor allem skrupelloser! Geht das endlich mal in deine beschissenen Schaltkreise rein?!“

Hanks aufgebrachter Atem schlägt Connor entgegen, während der Schnee stumm über unsere kleine Gruppe zu Boden fällt.

Unsicher sah ich zwischen den beiden hin und her, während ich über die Worte des älteren Mannes nachdenke.

Irgendwie klingt das ja wirklich nach einer schlechten Idee, aber wer käme sonst dafür in Frage? Connor hat ein gutes Argument und so griesgrämig wie Hank immer drein sieht, würde ich den auch nicht mit zu meinem geheimen Bandenort mitnehmen. Die Zwillinge lasse ich garantiert nicht hier raus, da diskutiere ich auch nicht.

Nur ich bleibe noch übrig, außerdem schulde ich Connor etwas. Er hat mir mein Leben gerettet, auch wenn er es gewiss nicht ganz uneigennützig getan hat.

Tief atme ich ein, dann stelle ich mich neben Hank und sehe zu ihm auf. Sofort blickt er zu mir und trotz dessen, das er mich wütend ansieht, sehe ich in seinen Augen ehrliche Besorgnis um mich.

Ich muss daraufhin tatsächlich lächeln. „Keine Sorge, alles wird gut. Connor kann mich jederzeit aufspüren und mich retten…stimmt’s?“

Aufmunternd blicke ich zu dem Androiden, der mich wieder mustert. Dann nickt er und blickt Anderson sogleich in die Augen. „So ist es, Hank. Ich habe gewisse Vorkehrungen getroffen, um die prozentuale Gefahrensituationen weitestgehend zu minimieren“

Simon kam nun an meine Seite und sieht zu mir. „Wir müssen jetzt vorsichtig sein. Wenn du die Straße dort weiter gehst, wirst du in ihr Territorium kommen. Ab dort wirst du unter ständiger Beobachtung von ihnen stehen, verhalte dich einfach unauffällig und dir wird nichts geschehen. Bleibe aber immer in Bewegung. Sobald du dich länger als zehn Minuten nicht mehr bewegst, werden wir eingreifen. In Ordnung?“

Langsam nicke ich, ehe ich die Straße hinuntersehe, die mir Simon eben noch gezeigt hat.

Natürlich ist es die dunkelste und grusligste Seitengasse überhaupt, die sich mir offenbart.

Schnell sehe ich wieder zu den Androiden und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich am liebsten wegrennen würde. „Wenn ich ganz laut um Hilfe schreie kommt ihr aber auch, oder?“

Hank schnauft nur aufgebracht und streicht sich über seinen Nasenrücken. „Verdammt, nochmal…“

Josh meldet sich nun auch zu Wort. „Natürlich, kommen wir dann auch. Aber versuche wirklich ruhig zu bleiben. Sobald du in ihrem Versteck gelangt bist, ist das schlimmste eigentlich vorbei. Wir werden dich auf jeden Fall wieder raus holen, versprochen“

Erleichtert atme ich aus und ringe mich zu einem unsicheren lächeln durch. „Also schön…ich flaniere also einfach diese Straße lang und hoffe nicht gleich abgeknallt zu werden, ja?“

Tief atmete ich ein, ehe ich doch halbwegs entschlossen drein sehe und mich dann umdrehe. „Na gut, Jungs. Dann bis später…oder so“

Mit festen schritten gehe ich zu der Straße, bis ich Connor nochmals rufen höre. „Du brauchst dich nicht zu fürchten, wir sind in der Nähe“

Schmunzelnd drehe ich mich zu ihm um und zwinkere ihm kurz zu. „Ja, na klar! Bis gleich!“

Daraufhin renne ich in die Dunkelheit und versuche mich gedanklich mit meiner Rolle als total aufgelöstes und verzweifeltes Mädchen, das durch die Gassen von Detroit irrt, vertraut zu machen.
 

Inzwischen ist die Sonne untergegangen und die Dunkelheit zieht über die Stadt herein wie ein Leichentuch. Zumindest kommt es mir so vor, denn nun wirkt die Stadt noch gespenstischer als vorher.

Mittlerweile bin ich bestimmt schon knapp zehn Minuten diese Straße entlang gegangen, doch bis jetzt habe ich nichts Verdächtiges mitbekommen.

Trotzdem habe ich ziemlich große Angst, auch wenn ich es nur ungern zugebe. Hank muss mir das regelrecht angesehen haben und am liebsten hätte ich auf seinen Vorschlag gehört.

Aber dafür ist es jetzt zu spät, nun muss ich es zu Ende bringen.

Nachdenklich sehe ich zu Boden, kicke eine leere Cola Dose beiseite die nun blechern die Straße runterrollt und schließlich gegen irgendetwas donnert.

Angespannt balle ich meine Hände zu Fäusten und gehe weiter, während ich mich weiterhin aufmerksam umsehe. Hinter jedem Schatten in jeder verdammten Gasse, könnte irgendwas lauern. Etwas gefährliches…selbst eine streunende Katze würde mich jetzt in Todesangst versetzen.

Leise seufze ich frustriert auf, ehe ich versuche meine Gedanken immerhin von diesem düsteren Ort etwas abzulenken.

Ich sehe an mir herab und blicke zu meiner Hand, die noch vor kurzem von Connor berührt wurden war. Zwar war das auch wieder einem Test geschuldet, doch allein die Erinnerung daran zurück, lässt meine Haut wieder angenehm kribbeln.

Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass sich seine synthetische Haut so angenehm anfühlen kann. So weich und sogar etwas warm. Wie bei einem Menschen…

Ohne es zu merken, bekam ich bei den Gedanken an diesen Androiden rote Wangen und seufze leise auf.

Was für ein Erlebnis...so nahe habe ich mich in diesem Augenblick noch niemanden in meinem ganzen Leben gefühlt. Es war wirklich so, als wenn wir miteinander verbunden waren. Ich konnte sogar etwas, wie seinen Herzschlag verspüren. Als ob wir eins gewesen sind.

Ob es ihm auch so ging?
 

Mein Blick glitt nun wieder nach vorn und blieb verwundert an etwas hängen. Sogleich renne ich vor und besehe mir eine Art Plüschtier, welches in einem kleinen Schaukasten steckt. Glücklicherweise ist besagter Schaukasten noch nicht zerstört wurden.

Als ich näher ran gehe und hineinschauen will, hüpft das Plüschtier plötzlich und fängst fröhlich an zu singen, während das Licht in dem kleinen Schaukasten angeht. Erschrocken springe ich zurück und kann mich gerade noch zügeln, nicht los zuschreien.

Skeptisch besehe ich mir das Szenario und erkenne bei näherer Betrachtung, dass es sich bei diesem Plüschtier um einen kleinen Stoffbären handelt, der ein Weihnachtsmannkostüm trägt und zudem das Lied Fröhliche Weihnachten singt.

In dem Schaukasten liegt künstlicher Schnee und allerhand Weihnachtskitsch, wie es nur die Amerikaner mögen. Schmunzelnd sehe ich dem Bärchen bei seinem lustigen Tänzchen zu, bis er plötzlich verkündet, dass es nur noch wenige Tage bis Weihnachten sind.

Kaum hat er geendet, ging das Licht wieder aus und ich befinde mich erneut in unheimlicher Dunkelheit.

Und in dieser Dunkelheit, fällt mir mit Schrecken ein, dass bald Weihnachten ist. Ein Fest, in welchem eigentlich alle beisammen sind und fröhlich sind.

Fröhlich…was für ein Witz. Das einzige was hier zur Zeit auf der Welt existiert, ist nicht die Vorfreude auf das baldige Weihnachtsfest, sondern die Todesangst um den eröffneten Krieg.

Schnell setzte ich mich wieder in Bewegung, als mir aufgefallen ist, dass ich hier schon viel zu lange stehe. Nicht das ich die ganze verdammte Mission gefährde.

Hinzu kommt nun der eiskalte Wind der mir ins Gesicht peitscht, um mich mit brachialer Gewalt wieder in die Wirklichkeit zurück zu holen.

Zitternd ziehe ich die Kapuze über meinen Kopf und gehe mit wackligen Beinen weiter, nachdem ich mich versichert hab, dass mir niemand folgt.

Obwohl ich langsam wirklich froh wäre, wenn mir jemand folgt. Dann kann ich ja vielleicht mal ins warme? Hier draußen friere ich mir wirklich den Hintern ab, genauso wie ich es befürchtet hab.

Grummelnd stecke ich meine zitternden Hände in die Jackentasche und verfluche mich gedanklich für meine beknackten Ideen, bis ich plötzlich etwas höre und erschrocken aufsehe.

Die leere Cola Dose, die ich vorhin noch beiseite gekickt habe, rollt nun geradewegs auf mich wieder zu. Langsam und zögerlich sehe ich auf, als die Cola Dose vor mir zum Stillstand kommt und erblicke fünf vermummte Gestalten, die sich am anderen Ende der Gasse aufhalten.

Hart muss ich schlucken und versuche nicht in Panik auszubrechen, auch wenn mein Körper augenblicklich zum Bersten gespannt ist.

Alles in mir schreit danach, sofort zu verschwinden und diesen Leuten dort aus den Weg zu gehen. Doch ich bleibe stehen und versuche ruhig und gleichmäßig zu atmen, auch wenn diese nun direkt auf mich zu kommen.

„H-hallo?“, frage ich unsicher nach, doch keiner antwortet mir. Sie kommen weiter auf mich zu, ihre Schritte hallen beinahe schon angsteinflößend in der Gasse wieder.

Unauffällig sehe ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch ich stehe mitten in einer Gasse. Die einzige Flucht Möglichkeit wäre nach hinten.

Inzwischen arbeitet mein Herz wieder auf Hochtouren, während ich nun doch instinktiv einen Schritt zurückgehe. Doch weiter kam ich nicht, denn ich stieß gegen etwas und fuhr kreischend herum.

Ehe ich realisieren konnte was los ist, wurde ich an meinem Handgelenk gepackt und eisern festgehalten. Entsetzt sehe ich zu einem großen, dunkelhäutigen Mann der mich eingehend mustert. Er trägt einen langen Bart, doch ironischerweise hat er keine Haare auf dem Kopf. Doch zum Lachen ist mir gerade nicht zumute, denn er greift Grob nach meinem Kinn und drückt es beiseite, damit er abschätzig mein Gesicht mustern kann.

„Keine LED, vermutlich ein Mensch“, brummt er beinahe mit tiefer Stimme und lässt mich dadurch erneut zusammenfahren.

„Manchmal entfernen sich diese Plastikarschlöcher aber auch gern diese LED, damit sie aussehen wie Menschen!“, keift ein anderer aufgebracht, doch sein Gesicht kann ich nicht sehen, da ich weiterhin festgehalten werde.

„Ihre Körpertemperatur ist definitiv die eines Menschen“, spricht nun ein anderer und lässt mich so beinahe erleichtert ausatmen.

Hoffentlich reicht denen dass, damit sie mich nicht einfach abknallen!

Ängstlich sehe ich den Mann vor mir an, der mich weiterhin an meinem Kinn und Handgelenk eisern festhält. „S-sie tun mir weh“, sage ich mit zitternder Stimme, auch wenn ich eigentlich wieder selbstbewusster klingen wollte.

Der angesprochene mustert mich erneut mit seinen tiefschwarzen Augen von oben bis unten. In seinem Gesicht kann ich erkennen, wie er kaum merklich den Mund höhnisch verzieht.

„Was machst du hier draußen allein, hm? Wer bist du?“, fragt er grollender Stimme und starrt mir direkt in die Augen, die ich vor Schreck etwas weite.

Mit Entsetzten wird mir nun bewusst, dass ich mir ja nicht mal überlegt habe, was ich diesen Spinnern nun überhaupt erzählen soll. Die Wahrheit ist nicht wirklich die beste Idee.

Hart schlucke ich, ehe ich einfach drauf losplappere, denn der Kerl vor mir sieht langsam ziemlich misstrauisch aus.

„Ich habe mit meinen Eltern hier in der Gegend gewohnt. Als dann die Revolution ausgebrochen ist, haben wir uns alle in der Wohnung verschanzt und gehofft, dass die US-Regierung Hilfe schicken würde. Natürlich kam niemand und die Androiden haben dann vor wenigen Tagen unsere Wohnung gestürmt. Ich konnte gerade noch entkommen…doch meine Eltern…“

Ich lasse mich zu einem theatralischen schluchzen hinreißen, ehe ich mit großen Hundeaugen zu dem Kerl vor mir aufsehe und mir mit viel Mühe noch ein paar Tränen rausdrücke.

Der Mann lässt mich augenblicklich los, woraufhin ich beinahe zu Boden gestürzt wäre. Gerade noch so kann ich mein Gleichgewicht halten, während ich unsicher zu ihm hinauf sehe.

Er mustert mich wieder abschätzig, ehe er mit der Zunge schnalzt. „Verstehe, das klingt wirklich schrecklich“, meint er gelangweilt, ehe er sich eine Pistole von seinem Gürtel zieht.

Geschockt sehe ich drein und will nun wirklich losschreien, als dieser Mistkerl den Lauf der Pistole auch noch auf meine Stirn richtet.

Mein Herz hämmert wild in meiner Brust und ich bin drauf und dran wirklich loszuheulen. Ängstliche sehe ich zu dem Mann hinauf, öffne meinen Mund doch es kommt kein Laut heraus.

„Hannah, bist du das? Hast du es geschafft?!“

Der Kerl vor mir hebt nun argwöhnisch seinen Blick, als neben mir plötzlich jemand zum Stehen kommt. Mit Angstschweiß im Gesicht, drehe ich mich langsam zur Seite und erkenne ein mir vertrautes Gesicht.

Derselbe junge, afroamerikanische Mann den ich damals in der Mall getroffen habe, steht vor mir und mustert mich grinsend. Sein Gesicht ist verdreckt und seine Kleidung wirkt noch zerrissener, als bei unserem letzten zusammentreffen.

Panisch durchwühle ich mein Gehirn nach seinem Namen, der mir tatsächlich noch im letzten Augenblick einfällt. „Liam?“, flüstere ich unsicher, doch er grinst noch breiter. Dann sieht er wütend zu dem Kerl, der nach wie vor die Pistole auf mich gerichtet hält.

„Verdammt, Mann! Lass die Knarre sinken, du machst ihr noch Angst!“

Der angesprochene lässt tatsächlich wiederwillig seine Waffe sinken und sieht nicht wirklich begeistert aus. „Du kennst sie, Liam?“, brummt er nur, doch der junge Mann neben mir nickt sogleich.

„Klar, Don! Die hat mir damals in der Mall das Leben gerettet, als Mike abgeknallt wurde von diesem scheiß Androiden“

Doch besagter Don wurde wieder höchst misstrauisch, als er mich aufmerksam mustert und kurz seinen Mundwinkel spöttisch erhebt. „Und wie konnte diese Lebensretterin deinerseits, dann diesem Androiden entkommen, hm?“

Eine sehr gute Frage.

Verdammt!

Unsicher sehe ich zwischen Liam und Don hin und her, ehe ich mich zu einem traurigen lächeln hinreißen lasse. „Naja, er mich geschlagen und dann fortgejagt, als ich ihm nicht mehr von Nutzen war. Ich war nur ein Spielball für ihn, den er achtlos benutzt hat“

Hoffentlich klingt das halbwegs plausibel, ich kann ja schlecht erzählen, dass Connor mich windelweich geprügelt hat, wenn ich ja nicht mal ein blaues Auge davon getragen habe.

Schwer seufze ich auf und sehe Liam dann so traurig wie irgend möglich an. „Ich hab gehofft, hier wären noch Menschen. Ich habe genug von Androiden…die haben mir das Leben zur Hölle gemacht“

Allgemeines Gemurmel vernehme ich um mich herum, während Liam mir zunickt und mich plötzlich an sich drückt. Überrascht entwich mir ein kurzer Laut, doch als ich seine Hand spüre, die federleicht durch mein Haar streicht, erstarre ich regelrecht.

„Keine Angst, Süße. Bei uns wird dir nichts mehr passieren“

Ich schiele zu Don, der sich das ganze eher mit Verdruss in den Augen anschaut, dann dreht er sich um zu den anderen und gibt ihnen ein Zeichen loszulaufen.

Sogleich setzten sich alle versammelten in Bewegung. Ich kann locker zwölf Menschen zählen, die diesem Don nun folgen. Liam mit eingerechnet, der wie selbstverständlich meine Hand ergreift und mich mitzieht.

„Ich hätte echt nicht gedacht, dass ich dich nochmal wiedersehe. Aber natürlich freut es mich dafür umso mehr“

Verlegen lächelnd lasse ich mich von ihm mitziehen und lasse nebenbei unsicher meinen Blick durch die zerstörten Fensterscheiben schweifen.

Das sich hier angeblich Androiden in meiner Nähe aufhalten sollen, die natürlich gleich eingreifen wenn mein Leben auf dem Spiel steht, habe ich noch nicht mitbekommen.

Vor allem dann, als dieser Don seine verdammte Knarre auf mich gerichtet hat! Der hätte mich beinahe abgeknallt, aber zu Hilfe gekommen ist mir keiner!

Frustriert seufzend sehe ich zu Boden, als Liam mich sogleich aufmerksam mustert. „Was ist los? Stimmt was nicht?“

Hastig schüttle ich meinen Kopf und schenke ihm ein gequältes Lächeln. „Ach, ich hab einfach nur schreckliche Angst, das ist alles“

Und das ist ja nicht mal gelogen!

Liam nickt sogleich, dann drückt er bedächtig meine Hand. Auf seinen Lippen entsteht ein aufrichtiges Lächeln.

„Keine Sorge, du kommst jetzt mit in unsere Basis. Da wird dir kein Android etwas antun können, das verspreche ich dir. Außerdem werde ich persönlich auf dich aufpassen“, versichert er mir hoch und heilig.

Um das Ganze noch zu untermauern, zieht er mich sogleich dichter an sich ran und zwinkert mir zu. „Außerdem habe ich unseren gemeinsamen Kuss nicht vergessen, Süße“

Mir dreht sich beinahe der Magen um, doch ich lächele so zuckersüß wie ich nur kann. Dann wende ich schnell meinen Blick ab und hoffe darauf, dass diese verdammten Androiden ihr Wort halten und mich aus dieser verdammten Hölle herausholen!



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