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Cold wind blows

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Damit hier endlich mal etwas Schwung in die Kiste kommt ^^ Komplett anzeigen

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Die Abmachung


 

- Kapitel vier -

 
 

Jeden Baum hatte Hermine umrundet, jeden Stein herumgedreht, doch fand sie ihren Vater nicht, was für sie jedoch unerheblich war. Die junge Frau würde ihre Suche von vorne beginnen, bis sie erfolgreich wäre. Sie würde erneut jeden Winkel absuchen. Selbst die einkehrende Dämmerung hatte sie nur dezent einschüchtern können. Schließlich war sie eine Hexe und im Besitz eines Zauberstabes, den sie aus ihrer Jacke entnahm und die Spitze entzündete. Die helle Stabspitze würde ihr den weiteren Weg hell erleuchten. Allerdings war das nach wenigen hundert Meilen gar nicht mehr nötig, aufgrund der Lichtung, die Hermine rasch erreichte. Voller Euphorie war sie der Helligkeit entgegen gerannt, welche die Sterne auf die Landschaft warf, doch erstarrte sie sogleich, nachdem sie den Waldrand hinter sich gelassen hatte und stur nach vorne blickte – wie töricht sie war, einfach die Wiese zu betreten. Dabei wusste sie doch, was in Bambi passiert war...

 

Die Jäger im Film assoziierte sie mit Todessern, aber die Meute, die Voldemort gefolgt war und überlebte, saß in Askaban, verflixt. Das musste sie endlich begreifen, um sich nicht weiter von diesen Gedanken ängstigen zu lassen. Schnaubend, dennoch umsichtig, betrat sie die Wiese und entdeckte etwas abseits ein Haus – ein kleines Haus, das einer Stallung glich.

 

Ihr stoischer Blick glitt weiter und obzwar sie nie Wert auf materiellen Reichtum legte, klappte ihr Mund auf, als sich das, was sich vor ihr erstreckte, in voller Pracht entfaltete. Offenbar befand sie sich hinter dem riesigen Anwesen, dessen sieben Türme emporragten. Vorsichtig näherte sie sich dem schwarzen Eisenzaun, wo sie nach einem kleinen Gatter suchte, das sie ebenfalls nach wenigen Minuten fand und öffnete. Bedächtig umging sie die Stallungen, sie erspähte die weiße Fassade des Hauses und blickte zum Dachfirst hinauf. Daneben schossen die schwarzen Turmspitzen in die Luft, die Hermine eine Gänsehaut bereiteten – so furchterregend sah es aus. Noch mehr widerte sie der Gedanke an, dass hier womöglich reiche Menschen lebten, die oft dazu neigten, arrogant zu sein.
 

Die Wiese, rund um das Anwesen, war akkurat geschnitten, überall waren Rosenbüsche gezüchtet worden, die das Gesamtbild vermutlich abrunden sollten. Hermine räumte den fremden Menschen, die hier lebten Geschmack ein. Allemal. Alles wirkte protzig, pompös und doch elegant. Vor den Büschen stolzierten mehrere weiße Pfauen über einen perfekt angelegten Kiesweg, der zur vorderen Seite des Hauses führte. Ob sie zur Tür gehen sollte? Unbedingt. Vielleicht hatte man ihren Vater gesehen? Vielleicht bestand sogar die Möglichkeit, dass ihr Vater Zuflucht gefunden hatte?

 

Ja, sie sollte wirklich nachfragen. Eilig trugen ihre Füße sie zum Kiesweg, der unheilvoll unter ihren Schuhen knirschte, aber das interessierte Hermine herzlich wenig und bevor sie um die Ecke verschwand, sah sie noch einmal nach hinten zu den Stallungen, in die sie gerne hineingesehen hätte. Was sich dort wohl für prächtige Tiere befanden? Ja, das hätte sie gerne gewusst, aber ihr Vater war von viel größerer Wichtigkeit.

 

Vorne angekommen, gab es schon wieder dutzende Gründe, die dazu geführt hätten, ihren Mund zu Boden knallen zu lassen. Vor dem Anwesen umrundete der Weg einen großen, marmornen Springbrunnen, dessen Wasserfontänen hoheitsvoll nach oben sprangen, ehe sie der Schwerkraft nachgaben und klangvoll ins Wasser plätscherten. Dicht neben dem Weg – der weiter zu einem gigantischen schwarzen Tor führte – waren Narzissen und Rosen angepflanzt worden, die auch hier das Gesamtbild geschmackvoll abrundeten. Tja, aber wer genügend Geld besaß, der konnte auf diese Kleinigkeiten Wert legen – anders als Hermine, die für ihren Erfolg hart arbeiten musste und letztendlich doch nichts erreicht hatte...

 

Aber hier... Hier zeugte alles von Wohlstand und Eitelkeit. Aber man musste denjenigen die Eitelkeit überlassen, die sich durch nichts anderes hervorheben konnten. Ja. Rasch huschte sie weiter zur Tür, doch blieb sie wieder stehen – vor einer kreisrunden Treppe, die scheinbar nur prädestinierten Menschen erlaubte, sie zu betreten. Aber Überraschung. Auch das war Hermine egal.

 

„Was ein Unsinn, Hermine“, schimpfte sie mit sich selbst. „Einer Treppe ist es genauso egal, wer sie betritt.“ Im Anschluss bestieg sie die Treppe, ehe sie gegen das große Eingangsportal klopfte und... wartete.

 

Geduldig wartete sie. Etwas, das sie noch nie konnte. Schon in Hogwarts nicht. Schon dort hatte sie immer versucht, den Professoren die Zensuren ihrer jeweiligen Prüfung zu entlocken, was ihr bisher noch nie gelungen war.
 

Währenddessen wechselte sie ununterbrochen ihr Standbein, mit ihren Schuhspitzen tippte sie nervös auf den Boden und noch immer wartete sie, dass die Tür geöffnet wurde. War vielleicht niemand zuhause? Aber vielleicht wurde sie auch nicht gehört? Es könnte auch möglich sein, dass die Besitzer des Hauses ganz oben in einem der Türme waren, oder? Schwer atmend entschied sie, nochmals gegen die Tür zu klopfen – dieses Mal etwas fester, wodurch die Tür aufklickte und das Holz geräuschlos nach innen schwang. Im selben Moment schreckte ihre Hand nach hinten, ein unangenehmer Schauer lief über ihren Rücken, während sie der Dunkelheit im Innern des Hauses entgegensah.

 

Verrückt... Alles strotzte vor Wohlstand und doch öffnete sich die Tür? Das musste doch eine Falle sein und trotz dessen, dass sich Hermine darüber bewusst war, berührten ihre Finger das dunkle Holz, bevor sie in die Dunkelheit trat und erschauderte. Hier drinnen war es kälter als draußen, oder wirkte bloß die Atmosphäre kühl, die automatisch Besitz von ihren Instinkten ergriff?

 

„Hallo?“, hauchte sie und betrat parallel den weichen Teppich, der zur Mitte führte, in welcher zwei prunkvolle Treppen thronten, die in einer Empore mündeten und von dort weitere Treppen in die obersten Stockwerke verliefen. „Hallo? Ist jemand hier?“, rief sie etwas lauter und näherte sich der Treppe, an deren Absatz Steinfiguren standen. An der rechten Wand befand sich – klein und unscheinbar – eine verschlossene Holztür, die offensichtlich von dem zurückgeschobenen Vorhang verdeckt werden sollte. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen entfernte sie ihre Hand vom Treppengeländer und starrte zur Holztür, die ihr keine Ruhe lassen wollte, aber sie war schon immer der Typ Mensch gewesen, der pragmatisch vorging. Sie würde sich von unten nach oben arbeiten und darauf hoffen, dass sie bereits im Keller auf die Eigentümer dieses Schlosses traf, wenngleich ihr Bauchgefühl Alarm schlug und darauf pochte, nicht den Keller aufzusuchen, geschweige denn unbefugt ein Haus zu betreten. Aber... Aber sie musste doch nach ihrem Vater suchen und jede Möglichkeit in Betracht ziehen, weshalb eine deduktive Handlungsweise ausgeschlossen war.

 

Stockend fokussierte sie die Holztür, griff – nachdem sie diese erreichte – nach der Klinke und verschwand dahinter. Mit Argusaugen beäugte sie den Raum den sie nach mehreren Treppenstufen vorfand und wieder war die wissbegierige Hermine fassungslos. Sie stand in einem Kerker, der in mehrere Zellen unterteilt worden war.

 

„Hallo?“ Sie glaubte nicht, dass sie hier jemanden finden würde, was sie umso erschrockener zurücktreten ließ, als plötzlich ein leises Röcheln in einer der Zellen zu vernehmen war. „Hallo? Ist hier jemand?“ Überdies drehte sie sich zu einer Fackel, die den Raum nur spärlich beleuchteten. Auf Zehenspitzen entnahm sie die Lichtquelle aus ihrer Fassung, ehe sie zurück zu den Holztüren sah, in die am unteren Ende ein kleines Fenster mit Gitterstäben eingelassen war. „Hallo?“, rief sie nochmals.

 

„Hermine?“

 

Nein! Wahrlich, es hatte vielleicht zwei Sekunden gedauert, bis das angesprochene Mädchen realisierte, was gerade geschehen war, bevor sie bestürzt zu der ersten Tür eilte, wovor sie auf die Knie sank, die Fackel nach unten hielt und durch die Gitterstäbe hindurch sah.

 

„Papa?“, entkam es ihr entgeistert. Ungläubig versuchte sie ein Anzeichen auszumachen, das auf ihren Vater hindeutete und sie bekam es. Das blasse Gesicht von David Granger erschien, der auf Knien zur Tür gekrochen war. „Um Gottes Willen, Papa!“ Die Freude, ihren Vater gefunden zu haben, war enorm. Nicht jedoch der Ort, an dem sie ihn gefunden hatte, aber sie hatte ihn gefunden und das war wichtig, denn es verlieh ihr die Kraft, wieder rational denken zu können. „Was machst du hier?“

 

„Hermine, du... du musst sofort gehen!“ David durfte nicht viele Worte verlieren. Stattdessen musste er seine einzige Tochter auffordern, diesen Ort schnellstmöglich zu verlassen.

 

Anstatt auf seine Bitte einzugehen, schnellte Hermines Hand durch die Gitterstäbe, um nach seiner Hand zu greifen. „Deine Hände sind eiskalt“, flüsterte sie, während sie die eisige Hand ihres Vaters zu ihrer Wange führte, um sie ein wenig aufzuwärmen.

 

„Das ist nicht wichtig. Bitte verschwinde von diesem schrecklichen Ort.“

 

Wer wagte es, ihren Vater einzusperren? Was rechtfertigte diese abnorme Handlung überhaupt? „Nur mit dir gemeinsam. Ich werde dich jetzt aus diesem Gefängnis holen.“ Sie klang wild entschlossen, während ihre Augen nach dem Schloss der Tür suchten.

 

„Nein!“, schnaufte der ältere Mann. „Das darfst du nicht“, fügte er erbarmungslos hinzu und nun war er es, der entschieden nach Hermines Hand fasste. „Du musst gehen. Jetzt, Hermine. Mach schnell.“

 

„Wer hat dir das angetan?“, fragte sie stattdessen, ohne seinen dringlichen Wunsch zu erfüllen. Ihr war es schleierhaft, was dazu führen konnte, ihren Vater in einen verdreckten, modrigen Kerker zu sperren. Es interessierte sie auch nicht, da es menschenverachtend war, unter welchen Bedingungen ihr Vater hier verweilen musste. Indessen streifte sie die braune Jacke über ihre Schulter, die sie achtlos zu Boden warf und auf ihre Beine zurückkam. Skeptisch musterte sie weiterhin das Schloss, auf das sie ihren Zauberstab richtete und auf die Antwort ihres Vaters wartete.

 

„Bitte Hermine. Ich bitte dich inständig. Verlasse endlich diesen Ort.“

 

Alohomora!“, wisperte sie der Tür entgegen, aber es passierte nichts. Aber warum? Hatte sie undeutlich gesprochen? Vorsichtshalber rüttelte sie auch am Knauf, doch blieb das Holz eisern verschlossen. „Alohomora!“, wiederholte sie, darauf bedacht, sehr deutlich zu sprechen. Sie vollführte erneut die Prozedur, aber noch immer gab die Tür nicht nach. „Ich verstehe das nicht. Wieso geht die Tür nicht auf?“, entfuhr es ihr aufgebracht, aufgrund des hartnäckigen Widerstands.

 

„Hermine! Zum letzten Mal. Geh endlich!“ Seine Stimme klang flehentlich, sein Ausdruck war müde. Nichts war mehr von dem Zahnarzt zu sehen, der seine Patienten stets mit einem Lächeln empfing – um ihnen die Angst zu nehmen. Eine Devise, die seine Tochter so sehr an ihm bewunderte, denn selbst der störrischste Patient hatte ihm immerzu ein Lächeln entlocken können.

 

„Nein, ich werde dich nicht verlassen.“
 

„Du musst!“, drängte David nach wie vor.

 

„Nein, Dad!“, erwiderte sie entschlossen. „Ich werde nicht ohne dich gehen. Und jetzt geh zur Seite. Ich werde die Tür aufsprengen. Sie scheint nämlich zu klemmen.“ In ihrem Blick lag eiserne Entschlossenheit. Nichts würde sie von dem Vorhaben – ihren Vater zu befreien – abbringen können. Sie trat, ebenso ihr Vater, ein wenig nach hinten, zog ihren Zauberstab und richtete ihn zielsicher auf das Türschloss. „Bomarda Maxima!“ Der Fluch entzündete sich, verließ die Spitze ihres Stabes und schlängelte sich in unaufhaltsamer Geschwindigkeit nach vorne – geradewegs zum Türschloss. Gebannt sah Hermine dem flackernden Licht nach, doch musste sie mit geweiteten Augen mit ansehen, wie ihr Fluch – bevor er aufprallen konnte – von einer unbekannten Macht abgewehrt wurde, woraufhin sie ihre Arme vor ihr Gesicht hob. Allerdings war der Schutzzauber so gigantisch, dass die zurückgeschleuderte Druckwelle Hermine zu Boden riss. „Das... Das ist doch nicht möglich.“

 

Aber es war möglich... Hier lebten keine Muggel...

 

Hier... Hier mussten Hexen oder Zauberer leben, die mit allen Mitteln verhindern wollten, dass ein Gefangener flüchten konnte. Grundgütiger, das hätte Hermine nicht in ihren schlimmsten Albträumen erwartet.

 

 

 
 

~*~

 

 

Sachte schlug der Regen, der nach und nach einsetzte, gegen die großen bodenlangen Fenster des Anwesens und Draco war froh, rechtzeitig zuhause angekommen zu sein. Nur wenige Tropfen hatten den Weg auf seinen sündhaft teuren Umhang gefunden, den er unverzüglich von seinen Schultern streifte, ehe er eine Elfe zu sich rief, die ihn mitnahm und reinigen würde. Daraufhin ließ er seinen steifen Nacken knacken, um ein wenig Entspannung finden zu können, sobald er in seinem Zimmer ankam, aber sein Aufwand hatte sich gelohnt, obzwar die Arbeit anstrengend und belastend war. Allerdings wusste man schlussendlich, wofür man sich die Arbeit machte. Richtig, und er war erschöpft. Ein Gedächtniszauber war nie einfach. Man konnte so vieles falsch machen...

 

Mit einem Fingerschnips hatte er die Fackeln der Eingangshalle erleuchten lassen und gerade hatte er den ersten Schritt auf den langen Teppich gewagt, da fiel ihm schon die offen stehende Holztür auf...

 

Verflucht, wieso stand die Tür offen? Hatte er sie nicht geschlossen? Doch, Draco war sich sicher, sie geschlossen zu haben. Ob Brisko dem Mann etwas zu essen gebracht hatte? Aber das klang noch absurder. Seine Hauselfen waren – neben ihm und seiner Mutter – die einzigen Wesen, die in seinem Haus apparieren konnten. Dieses Faktum war Auslöser seiner Skepsis. Alarmiert hatte er die Tür anvisiert, bevor er sich ihr näherte. Draco war vorsichtig geworden, um Umgang mit Fremden. Er war wortkarger geworden, misstrauischer... Nicht jeder verdiente sein Vertrauen, weshalb er darauf achtete, nichts anzutreffen, womit er nicht gerechnet hätte. Umsichtig lugte sein Kopf um die Ecke, doch lag der Flur leer vor ihm.

 

Ob der Mann flüchten konnte? Niemals... Ein Muggel konnte seinem Zauber niemals entkommen und wäre er unerwarteterweise Zauberer gewesen, dann... dann hätte Draco ihn doch erkennen müssen.

 

Merlin, er bekam höllische Kopfschmerzen. Augenblicklich war seine rechte Hand zur Schläfe gewandert, mit der anderen hielt er seinen Zauberstab vor sich, während er die Stufen hinabstieg. Es wäre verdammt nochmal sehr ärgerlich, sollte dem Muggel tatsächlich die Flucht gelungen sein, da Draco ihn suchen müsste. Sein System, das ähnlich wie das in Gringotts funktionierte, hätte er komplett über Bord werfen können. Vorbei wäre seine Selbstsicherheit im Bezug auf ausgesprochene Schutzzauber, doch so weit dachte Draco nicht. Schon gar nicht jetzt, wenn seine Nerven blank lagen.

 

Stufe für Stufe ließ er hinter sich, doch je näher er kam, desto argwöhnischer wanderte seine Augenbraue in die Höhe, als er die Stimmen vernahm. So vorsichtig er auch gewesen war, aber er musste einen Zahn zulegen, sich den Kerkern nähern und nachsehen, wer in seinem Haus war. Des Weiteren konnte er eine weibliche Stimme erkennen, die ihm kurioserweise vertraut vorkam – als... als würde er die Person kennen.

 

„Warte“, zischte die weibliche Stimme, „ich werde versuchen, die Tür aufzuhobeln.“

 

„Das bringt doch nichts“, flüsterte Dracos Gefangener hustend zurück.

 

Und Draco hatte wirklich einen Grund zum Schmunzeln gefunden, obwohl ihm gerade das als letztes einfallen sollte. Viel mehr sollte ihm bewusst werden, endlich zu handeln, aber noch wog der junge Malfoy sich in Sicherheit. Aufhobeln würde nämlich gar nichts bringen, was auch dem männlichen Muggel aufgegangen war – anders sah es bei der Frau aus, die Draco – nachdem er sich hinter einer tragenden Säule verstecken konnte – ausgiebig musterte. Ihre braunen Haare waren zu einem Zopf geflochten, der ihren schmächtigen Rücken hinabfiel. Zusätzlich trug sie eine dunkelblaue Röhrenjeans, sowie einen schneeweißen Rollkragenpullover. Dicht neben ihr lag eine braune Jacke – vermutlich ihre. Die Frau war zierlich, von schlanker Figur, was recht ansehnlich war, doch Draco vergaß nicht, was gerade hier geschah.

 

Im Schatten geschützt, trat Draco um die Säule herum, verschränkte missmutig seine Arme und wartete darauf, was noch alles passieren würde.

 

Hermine, bitte. Jetzt geh doch endlich!“

 

Und genau jetzt brannten in Draco sämtliche Sicherungen durch. Seine verschränkten Arme sanken fassungslos zur Seite, seine grauen Augen wurden größer, die Wut in seinem Innern unbändiger. So viele Zufälle, im Bezug auf diesen Mann und die Frau konnte es gar nicht geben. Verdammte Axt. Der Mann, der Dracos Gefangener war, war tatsächlich Grangers Vater.

 

Tja, und entgegen jeder Erwartung, kniete vor seiner Kerkertür keine geringe als die große Hermine Granger höchstpersönlich. Es war fast zum Niederknien, aber auch nur fast. Ferner beobachtete er sie weiter, sah ihr dabei zu, wie sie einen spitzen Gegenstand – scheinbar ihren Zauberstab – vor sich hielt und eine Stange heraufbeschwor. Und genau das war Dracos Beweis. Diese Frau hieß Hermine, der Mann war ein Zahnarzt aus London und alleine der Zauberstab hätte Dracos Zweifel aus dem Weg räumen müssen, die ihn anfangs noch befallen hatten.

 

Ja, es war Granger.

 

Während Draco sich leise nach vorne wagte, überlegte er, wie sehr man vom Pech verfolgt werden konnte? Nannte man das, was gerade passierte Karma? Bestrafte man ihn, weil er immer ein verzogener Bengel gewesen war?

 

Und wenn schon. Es war sowieso egal, da das Kind bereits in den Brunnen gefallen war. Wichtiger war, nicht in Panik zu verfallen, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren, die Kopfschmerzen zu verdrängen und Granger in ihre Schranken zu weisen. Selbstsicher hatte auch er unterdessen seinen Zauberstab gezogen.

 

„Das, Granger, wird dir gar nicht helfen.“

 

Keuchend schreckte Hermine nach oben – als wäre sie von etwas gebissen worden. Vor Schreck ließ sie die Fackel zu Boden fallen, welche – aufgrund der Feuchtigkeit auf dem Boden – augenblicklich erlosch und ihr die Sicht nach vorne nahm, woraufhin sie stotternd das Wort an ihr Gegenüber richtete. „Wer... Wer ist da?“

 

Zumindest war es ihr geglückt, ihren Zauberstab nach vorne zu heben.

 

„Ich rate dir dringend davon ab, deinen Zauberstab noch weiter zu heben.“ Vorbei waren die Nettigkeiten, sofern er jemals welche verteilt hätte, aber es reichte ihm endgültig.

 

Davon unbeeindruckt, hob sie weiteren ihren Stab und flüsterte: „Lumos!“ Wie schon im Wald flackerte erneut ihre Stabspitze auf, dessen Licht sie unweigerlich in das Gesicht entgegenhielt, das ihr gegenüberstand. Doch sogleich sie das Gesicht erkannte, desto entrüsteter entkam es ihr: „Malfoy!“

 

„Eine ganz blöde Idee“, grinste Draco, dessen Gesicht hell erleuchtet wurde. „Oder glaubst du wirklich, dass du mir in meinem Haus gefährlich werden kannst?“
 

Expell-“

 

„Anscheinend denkst du das wirklich.“ Galant vollführte Draco einen Zauber, woraufhin Grangers Zauberstab durch die Luft gewirbelt wurde, noch ehe sie ihren Spruch zu Ende knurren konnte und in Dracos Hand gelandet war. Unfassbar langsam ließ er das weiche Holz durch seine Finger streifen, während er zu ihr sah – hinüber in ihr abgeklärtes Gesicht. Jetzt war ihm auch klar, was auf dem Foto zu sehen war, welches ihr Vater in den Händen gehalten hatte. Mit Sicherheit war es ein Familienfoto.

 

Im Anschluss steckte er ihre mächtigste Waffe in seine Gürtelschnalle. Parallel dazu näherte er sich ihr gefährlich langsam und nur anhand seiner Schritte versuchte sie, inmitten der unheimlichen Dunkelheit seinen Standort auszumachen, da sie ihren Kopf hin und her wandern ließ.

 

„Malfoy“, wisperte sie, „was auch immer das soll: Ich sage dir, lass meinen Vater -“

 

„Und ich sagte dir, dass es eine blöde Idee ist, mich in meinem Haus anzugreifen und gehorchst du? Nein“, unterbrach er das starrsinnige Mädchen abermals.

 

„Wieso sollte ich? Du sperrst meinen Vater ein“, polterte Hermine wiederum erbost. Während ihr Gegenüber zielbewusst auf sie zukam, steuerte Hermine blind nach hinten gegen die Holztür, hinter der ihr Vater gefangen gehalten wurde. „Siehst du nicht, dass er in diesen kalten Gemäuern krank wird?“, fügte sie hinzu und deutete mit ihrer Hand hinter sich, nachdem ihr Vater hörbar hustete. Indessen hatte sie ihren Rücken unbewusst gegen das schwere Holz gedrückt, darauf hoffend, Malfoy zu entkommen, doch er hatte sie in die Enge getrieben, ihr keine Möglichkeit zur Flucht gelassen, weshalb sie ihre Angst in das hinter ihr befindliche Holz projizieren wollte, um mehr Selbstsicherheit auszustrahlen.

 

Dein Vater“, begann Draco daraufhin knurrend, schloss den Abstand zu ihr und platzierte seine Hände neben ihrem Kopf auf dem knarrenden Holz, „hat unerlaubterweise meinen Grund und Boden betreten. Niemand“, fuhr er nahtlos fort, „wird ungestraft meine Ländereien betreten.“ Was fiel diesem Schlammblut überhaupt ein, ihn zu maßregeln? War sie von allen guten Geistern verlassen? Nun, er würde ihr schon zeigen, was demjenigen blühte, der sich mit einem Malfoy anlegte.

 

„Du hattest deinen Spaß, der ganz und gar nicht witzig war, aber jetzt lass endlich meinen Vater gehen, damit wir dein Haus – das wir bestimmt nicht freiwillig betreten – verlassen können.“

 

Oh, wie tapfer sie war. Früher hatte sie ihre Beschützer an ihrer Seite – wie Draco auch. Aber heute... Heute war sie alleine. Alleine in seinem Haus. „Er wird nicht gehen!“, entgegnete er, als er sein Gesicht näher an ihres brachte.

 

„Malfoy, ich... ich habe dich schon im dritten Schuljahr geschlagen. Ich zögere nicht, es ein zweites Mal zu tun“, brachte sie schluckend hervor. Dass sie ihn zusätzlich provozierte, rührte daher, dass man weder an Malfoys Gerechtigkeitssinn, noch an sein Verständnis appellieren konnte, weswegen sie auf diese Art der Kommunikation zurückgriff. Schließlich waren Toleranz, Akzeptanz, sowie Feinfühligkeit doch bloß unbedeutende Abstrakta für ihn. Des Weiteren musste sie ihrem Vater helfen. Unter keinen Umständen würde sie akzeptieren, ihren Vater zurückzulassen. Hier war es kalt, feucht und dreckig. „Daher rate ich dir, dass du diese Tür öffnest.“

 

Wäre die Situation nicht so verdammt ernst, hätte er aufgelacht, gegen ihre Stirn getippt und die störrisch braunen Strähnen hinter ihr Ohr geschoben. Auch erinnerte er sich bezüglich der schmerzhaften Ohrfeige. Mit ihrer geballten Faust hatte sie ihm in sein makelloses Gesicht geschlagen – mitten auf die Nase und es tat weh... Verdammt weh. Schon alleine deswegen müsste er dieses freche Weib bluten lassen. „Sieh nach unten, Granger“, empfahl er, als seine Mundwinkel zu zucken anfingen. Nachdem sie seiner Aufforderung schleppend nachkam, betrachtete er ihr blasses Gesicht und sprach weiter: „Siehst du meine Knie? Sie schlottern und ich frage mich, was die starke Granger tun wird? Wird sie mich mit ihrer Jacke bewerfen? Oder doch mit Worten angreifen, weil sie sonst nichts hat, womit sie sich zur Wehr setzen könnte?“ Draco drehte den Spieß herum. „Die Wahrscheinlichkeit steigt tendenziell nach oben, denn ohne Zauberstab bist du ein Nichts und doch wagst du dich, mir – einem Mann, der im Besitz eines Zauberstabes ist – zu drohen? Niedlich, Granger.“

 

„Du siehst doch“, wiederholte sie lauter, „dass er krank wird. Sag deine blöde Losung und lass meinen Vater gehen. Oder bist du neuerdings auf den Geschmack gekommen, unschuldige Menschen zu quälen? Wenn ja, bist du nicht mehr weit davon entfernt, wie dein Vater -“

 

„Aufpassen!“ Unglaublich schnell hatte Draco seinen Stab gezogen, den er unweigerlich vor ihr eingeschüchtertes Gesicht hielt. „Auch ich zögere nicht.“ Das täte er nicht, nein, denn er wusste, was sie sagen wollte. Granger würde ihm vorwerfen, genauso brutal wie Lucius zu werden. „Und in Anbetracht dessen, würde ich mir genau überlegen, was du als nächstes sagst.“ Er würde seine fabelhafte Kinderstube gänzlich vergessen, wenn sie weiter auf seiner Vergangenheit und den daraus resultierenden Charaktereigenschaften seinerseits herumreiten würde. Darüber hinaus betrachtete er ihr verschüchtertes Gesicht. Draco sah in ihren bernsteinfarbenen Augen anwachsende Furcht. Darunter sah er ihre Stupsnase, sowie ihre geschwungenen, vollen Lippen, worüber... worüber sein Daumen gerne gestrichen hätte, diesen Gedanken jedoch unweigerlich verwarf und seinen Kopf benommen schüttelte. Merlin, wollte sie ihn mit ihrer äußeren Erscheinung vergiften? Das durfte nicht passieren, weswegen er seine Muskeln anspannte, sich zu ihr hinabbeugte und flüsterte: „Du solltest dringend darauf achten, was du in meiner Gegenwart von dir gibst, Granger.“

 

„Malfoy, ich... ich -“

 

„Ja?“, hauchte er hämisch grinsend zurück und er genoss die machtvolle Position. Er stand über ihr, hatte die Kontrolle und nur das, was er wollte, würde geschehen.

 

„Ist das eine Drohung?“, keuchte Hermine verbissen, während ihrer Rücken immer härter gegen die Wand gerieben würde, als sie versuchte, an diesem Mann vorbeizukommen, der ihr das Leben stets zur Hölle gemacht hatte – schon in Hogwarts. Ja, dort hatte er deutlich gezeigt, wie wenig er doch von ihr und ihrer Abstammung hielt.

 

„Sieh es wie du willst. Aber wenn das in deinen Augen bereits eine Drohung ist, dann wirst du förmlich zusammenfallen, sollte ich jemals in den Genuss kommen, dir tatsächlich zu drohen“, erörtere er geringfügig, da er ihr eigentlich nicht antworten wollte. Schließlich, so stellte sie sich immer dar, war sie doch so unantastbar, so clever, so schlau... so... so unerreichbar – auch für ihn. Anschließend vernahm er eine weitere Stimme – eine männliche, die sich in das Geschehen abermals einmischte und die hustenden Worte an Granger richtete.

 

„Hermine, ich bitte dich. Geh doch endlich!“, röchelte David Granger, der von seinen Kräften zusehends verlassen wurde. „Ich ertrage es nicht, dich hier in diesen Gemäuern zu sehen.“

 

Augenblicklich drehte sich die junge Frau zu ihrem Vater herum, ehe sie auf ihre Knie zurücksank und nach den Händen des älteren Mannes griff. Folglich blickte sie, wenn es auch dunkel war, in die blassen Augen ihres Vaters und es tat weh, ihn in dieser Zelle liegen zu sehen – kränklich, erschöpft, einfach seiner Kräfte beraubt, aufgrund der Umgebung. „Ich werde dich nicht alleine lassen, Dad. Bitte versteh das doch. Wenn, dann gehen wir gemeinsam!“ Behutsam strich sie unterdessen den knochigen Handrücken ihres Vaters, der die Geste dankend annahm und ebenfalls ihre zarte Hand umschloss.

 

Draco hingegen wirkte gelassen. Innerlich spürte er Befriedigung, als er Granger am Boden knien sah, da sie dort angekommen war, wo sie Dracos Meinung nach hingehörte – auf den Boden. Sie war eben doch ein Schlammblut, das nichts wert war in seiner heiligen, magischen Welt. Ferner erkannte er, wie offen sie mit ihren Emotionen umging, was ihm nie in den Sinn käme, da Draco fest davon überzeugt war, dass jenes Verhalten gefährlich war. Seine Gefühle zu zeigen war nie gut, das hatte er gelernt. Es machte denjenigen angreifbar... und das wollte der junge Malfoy um jeden Preis vermeiden.

 

Allerdings – fernab der restlichen Gedanken – war er noch lange nicht mit ihr fertig, weshalb er grimmig zu sprechen anfing: „Ich gebe dir jetzt noch zehn Sekunden, Granger. Solange hast du Zeit, zu verschwinden. Ansonsten wirst du deinem Vater Gesellschaft leisten.“ Dahingehend hoffte er, dass sie seiner Aufforderung nachkam und ging, weil er sie nicht länger in seinen vier Wänden haben wollte. Was er wollte, war klar. Er wollte seine Ruhe haben. Draco wollte irgendwann eine Frau kennenlernen, die das tat, was er verlangte und nebenbei das Geld, das er von Lucius erbte, wahllos und mit vollen Händen ausgeben – so viel er eben konnte, denn er war sich sicher, dass selbst seine Nachfahren noch von seinem Erbe leben könnten.

 

Aber nein, stattdessen mussten sich ihre Weg kreuzen. Wieder standen Granger und er sich gegenüber – fernab der Schule und es war ernüchternd. Dies veränderte sich jedoch schlagartig, als er ihre Stimme vernahm, nachdem sie über ihre Schulter zu ihm hinaufblickte und sich ihm gegenüberstellte – den Blick beschämt nach unten gerichtet, während ihre schlanken Finger die einzelnen Strähnen nach hinten schoben.

 

„Ginge das etwa?“, fragte sie entgeistert und kaute sich währenddessen auf ihrer Unterlippe herum, um zumindest ein klein wenig ihre Nervosität zu verlieren. Schließlich stand sie ohne Zauberstab vor Malfoy.

 

„Was? Granger, hast du mir nicht -“

 

„Doch“, unterbrach sie harsch und sah vorsichtig nach oben. „Ich habe dir zugehört. Also: Ginge es? Kann ich bei meinem Vater -“

 

„Nein!“, schoss es aus ihm heraus. „Das geht natürlich nicht.“ War sie denn von allen guten Geistern verlassen? Zu glauben, dass er ihr entgegenkam, zeigte, wie verzweifelt das Mädchen war, das betroffen vor ihm stand und ihre zitternden Arme mittlerweile um ihren bebenden Körper geschlungen hatte, da sie scheinbar begriff, wie sinnlos es war, ihn um etwas zu bitten.

 

„Malfoy, bitte.“ Unschlüssig verharrte sie auf ihrer Position, doch war ihre Hand automatisch in seine Richtung gewandert und es erschreckte Hermine, dass sie Malfoy tatsächlich anflehen würde. „Bitte lass mich bei ihm bleiben“, flehte sie anschließend, während sie über weitere Möglichkeiten nachdachte, sollte Malfoy ihr Anliegen abermals ablehnen. Zusätzlich klammerte sie sich an jeden einzelnen Strohhalm, der ihren Vater hier herausholen könnte.

 

„Ich sagte, dass -“

 

„Bitte!“ Hermine rechnete mit Ablehnung, aber sie würde weitergehen, wenngleich sie wusste, dass ihr Vater ihren nächsten Schritt kritisierte, aber das war ihr egal. Für ihren Vater würde sie bis zum bitteren Ende gehen – ganz gleich, was ihr Schicksal wäre. Schließlich war sie jünger, zäher... Das waren Dinge, die ihr helfen würden. „Malfoy, ich werde den Platz meines Vaters ersetzen, nur lass ihn bitte hier raus. Ich... Ich flehe dich an.“

 

Es waren Worte, die ihren Untergang besiegelten, aber auch das war ihr völlig egal. Schlussendlich würde sie sogar einen Pakt mit dem Teufel eingehen, solange dieser dazu diente, ihrem Vater zu helfen, den sie unter keinen Umständen verlieren wollte.

 

„Was? Du willst... seinen Platz einnehmen?“, fragte Draco verstört nach und hob gleichzeitig die linke Augenbraue nach oben, ehedem seine verschränkten Arme kraftlos zur Seite sanken, angesichts ihres Vorschlags, der Draco völlig aus der Bahn geworfen hatte. Niemals hätte er geglaubt, dass sie... dass sie so weit ging. Aber viel mehr darauf eingehen konnte er auch nicht, da er ihren Vater im Hintergrund toben hörte.

 

„Nein!“, entkam es David Granger, dessen Hände fest um die Eisenstäbe der kleinen Luke geschlungen waren. „Das... Das werde ich niemals zulassen.“ Er selbst unterbrach sich, als er den Husten nicht mehr zurückhalten konnte. Erst, als er seinen Kopf nach unten neigte, konnte er weitersprechen: „Sir, meine... meine Tochter weiß nicht, was sie redet!“

 

„Doch, Malfoy. Ich weiß genau, was ich sage.“ Hermine hatte mit Protest gerechnet – seitens ihres Vaters. Jedoch blickte sie ununterbrochen zu dem blonden Mann, ohne sich von ihrem Vater und seinen Worten beeindrucken zu lassen.

 

„Hermine, hör mir zu“, lamentierte ihr Vater hinter ihr weiter, doch seine Tochter ließ sich nicht beeinflussen und er kannte seine Tochter gut genug um zu wissen, dass sie sich – sobald sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte – nicht umstimmen ließ. „Du bist noch jung. Du -“

 

„Granger, spiel keine Spiele mit mir“, fuhr Draco das Mädchen vor sich an, ohne ihrem Vater Gehör zu schenken. Zu sehr genoss er das Flehen, das von Granger ausging, statt sich den Bitten ihres Vaters anzunehmen. Anderseits wunderte er sich: Wie groß musste die Liebe zu ihrem Vater gewesen sein? Sie müsste überirdisch sein. Andernfalls wäre sie doch nie auf die Idee gekommen, den Platz zu tauschen – wohl wissend, wer Draco war...

 

Ha, er selbst wäre niemals auf den Gedanken gekommen, einen derartigen Tausch vorzuschlagen, um Lucius am Ende als freien Mann zu sehen. Nein, Draco hätte einen solchen Einwand nie hervorgebracht, weil... weil Lucius ein schlechter Vater war und Dracos Liebe nie verdiente – zu keinem Zeitpunkt. Allerdings ging es hier nicht um seinen, sondern um ihren Vater, der allem Anschein nach ein rechtschaffener Mann und ein guter Vater gewesen war. Ein Mensch, der seine Tochter liebte und dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Ja, Granger liebte ihren Vater, der ihren Vorschlag zu keinem Zeitpunkt akzeptiert hatte... Und Lucius? Er hätte einen solchen Kompromiss ohne mit der Wimper zu zucken angenommen... Das war der gravierende Unterschied zwischen den beiden Vätern gewesen.

 

„Ich spiele keine Spiele“, erwiderte Hermine entschlossener.

 

„Hermine“, mischte sich ihr Vater wieder ein. „Sieh mich an“, ergänzte er, bevor er fortfuhr: „Das wirst du nicht tun. Ich möchte nicht, dass du hier bleibst!“ Aber statt sich zu ihm umzudrehen, blieb Hermine immer noch stehen und starrte den jungen Mann vor sich abwartend an. Als er dann noch mit ansehen musste, wie sein kleines Mädchen diesem... diesem Menschen die Hand entgegenstreckte, war es beinahe um ihn geschehen. David stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

 

„Wenn... Wenn ich es tue und... und den Platz meines Vaters einnehme... Würdest du ihn gehen lassen?“ Die ehemalige Gryffindor-Schülerin hatte Angst – zurecht, aber niemand könnte an ihrer Entscheidung etwas ändern.

 

Draco blickte daraufhin grinsend zu der kleinen ausgestreckten Hand, ehe er Grangers Blick suchte, den sie erstaunlicherweise erwiderte. Feixend umkreisten seine Finger seine angezogenen Mundwinkel, während er ihr antwortete: „Ja, aber du musst mir versprechen, für immer bei mir zu bleiben.“ Zeitgleich versuchten seine grauen Augen, sich in ihre bernsteinfarbenen hineinzubohren. Auch bemerkte er, wie sie nach seinen Worten schluckte und kurz ihre Hand zurückzog. Daraufhin grinste er erneut, angesichts des innerlichen Kampfes, den sie mit sich austrug. „Was ist, Granger?“

 

Für immer?“, wiederholte sie stotternd und bestaunte ihre noch immer ausgestreckte Hand. Ja... es verwunderte sie, dass sie ihre Hand immer noch nach vorne streckte, obwohl sie wusste, dass es keinen anderen Ausweg gab. Malfoy würde einen anderen Vorschlag niemals akzeptieren. Nein... seine Worte waren auf Malfoy Manor Gesetz und Hermine würde jedwede Demütigung, die ihr bevorstand, in Kauf nehmen – für ihren Vater. Sie würde jedes Leid ertragen, solange sie ihren Vater retten konnte.

 

„Ja, für immer. Das ist eine lange Zeit, nicht?“, entgegnete Draco ruhiger.

 

„Ja“, bestätigte sie nickend. Derweil gelang es ihr auch, ihren protestierenden Vater im Hintergrund zu ignorieren, angesichts ihrer Entschlossenheit. Ja... ihr Entschluss stand fest und sie würde jede Forderung seinerseits akzeptieren. Parallel begann sie bereits, sich mit ihrem weiteren Lebensverlauf zu arrangieren. Es wäre ein Leben in Knechtschaft, ja... Aber das war es ihr allemal wert.

 

„Willst du dieses Leben?“, wollte Draco interessiert wissen, während er ihr kalkweißes Gesicht betrachtete.

 

„Malfoy“, wisperte sie und sah wieder gen Boden. „Bitte lass ihn endlich aus der Zelle.“ Ihre Stimme klang leise, fast so zerbrechlich wie Glas und es war ihr mehr als ernst gewesen.

 

Feixend trat Draco an das Mädchen heran. Seine Handinnenfläche fuhr zärtlich unter ihr Kinn, so dass sie gezwungen war, ihn anzusehen. „Für immer, Granger! Danach gibt es kein zurück, und genau das wird dich zu Grunde richten – sowohl deine Güte, als auch deine Naivität.“ Anlässlich ihrer Zustimmung, sowie dem unbefugten Betreten seines Grundstücks wäre es ein Kinderspiel, ihre Gefangenschaft vor dem Zaubereiministerium zu rechtfertigen. Hinzu kamen seine geerbten Galleonen, die ihm jede Tür öffneten; selbst Freiheitsberaubung könnte man mithilfe von Gold legitimieren. Und nicht einmal Potter – sollte er jemals aus dem Koma erwachen – könnte etwas dagegen unternehmen, da Granger Pflichtgefühl kannte. „Wieso tust du das?“, fragte er, nachdem er mehrere Momente verstreichen ließ und ihre Zerrüttung in ihren Augen ablesen konnte.

 

„Er ist mein Vater“, hauchte sie in sein Gesicht, das so nah vor ihrem war, dass ihr Vater unmöglich das Gespräch belauschen konnte.

 

„Abgemacht. Dein Starrsinn bringt dich noch ins Grab, aber mir soll es recht sein“, antwortete er kühl, ließ ihr Kinn los und schritt an ihr vorbei. Doch noch ehe er ihren Körper hinter sich gelassen hatte, hatte er ihre Schulter berührt, um den magischen Pakt zu besiegeln. Diese Berührung genügte, um Granger sowohl an sich, als auch an sein Anwesen zu binden, das Zeuge dieses Paktes war. Oh ja, sein Haus würde jeden Fluchtversuch zu verhindern wissen, was das Gute an Malfoy Manor war... Es war eben kein gewöhnlicher Landsitz, sondern immer noch Malfoy Manor – ein Gefängnis, dem selbst Draco als Kind nie entkommen war. Und erst wenn Draco den Pakt löste, würde Granger Malfoy Manor als freie Person verlassen können, aber das täte er niemals. Nein... Granger gehörte von nun an ihm. Ihm alleine.

 

Folglich sank Hermine mit ihren Knien auf den Boden und sie war froh, dass ihre Hände einen harten Sturz vermieden. So war es ihr gestattet, ihren Oberkörper langsam nach vorne zu beugen und den Tränen, die sich in ihren Augen angesammelt hatten, freien Lauf zu lassen, ehe sie erschrocken aufsah und eine Hand auf ihrer Schulter spürte, die sanften Druck darauf ausübte. Daraufhin spannte sie ihren Rücken an und sah zu der Hand, die zärtlich, jedoch zitternd auf ihrer Schulter ruhte, bevor sie in das abgeschlagene Gesicht ihres Vaters blickte, den man unsanft aus der Zelle geschleift hatte.

 

„Hermine! Kind, was hast du getan?“, entkam es David panisch und sank – wie Hermine zuvor – ebenfalls auf seine Knie, um seine Tochter in die Arme zu ziehen. „Wie... Wie konntest du das tun? Ich bin schon älter, mein Leben ist gelebt.“

 

Auch Hermine tat es ihrem Vater gleich, indem sie die Umarmung erwiderte. Alleine der Umstand, ihn berühren und in Freiheit sehen zu können, verlieh ihr bis dato unendliche Kraft. „Dad, ich... ich musste -“

 

Augenblick wurde die Umarmung zwischen Vater und Tochter gelöst, da Draco den älteren Herren am Hemdkragen packte und auf seine wackeligen Beine zurückstellte, ehe Draco ihren Vater schnaufend zur Tür zerrte.

 

Im Zeitlupentempo sah Hermine unterdessen dem unwirklichen Treiben zu. Ungläubig betrachteten ihre geröteten Augen die Szenerie, bevor sie reagieren konnte. Zögerlich, nachdem der Schock verflogen war, versuchte sie, sich ebenfalls zu erheben, als ihre Hände zitternd auf dem Boden landeten, um sich von dort abzustützen, doch Malfoy war schneller – sehr viel schneller. Nichtsdestotrotz robbte sie auf den Knien nach vorne, nachdem das Aufstehen nicht so recht klappen wollte, und hob vergeblich ihre rechte Hand, während sie zügellos zu rufen begann: „Nein! Warte! Malfoy, warte!“

 

Aber er wartete nicht. Es interessierte ihn nicht, dass Hermine ihn bat, noch einen Moment zu warten. Kühl und distanziert hatte er sich in die innige Umarmung gedrängt, ihren Vater gepackt und nach draußen gezerrt, ohne dass ihr die Möglichkeit gegeben wurde, sich von ihrem Vater zu verabschieden. Darüber hinaus konnte sie nur noch den Knall der zugezogenen Tür wahrnehmen, ehe sie konsterniert zu Boden sah, auf dessen dunkle Steine sich noch dunklere Farbtöne herauskristallisierten, anlässlich der vergossenen Tränen, welche über ihr Kinn hinab tropften.

 

Wie lange sie in dieser Position verweilte, konnte sie nicht beantworten. Zu konfus war sie gewesen und nur langsam konnte sie ihre Haltung zurückgewinnen, welche ihr half, auf die Beine zu kommen und zur Tür zu rennen. Allerdings konnte sie diese nicht mehr öffnen, da Malfoy offensichtlich Schutzzauber darüber gelegt hatte, die jedem Fremdling untersagten, diese Tür zu öffnen. Dennoch gab sie nicht auf und hämmerte stattdessen stürmisch gegen das alte Holz.

 

Es waren Schläge der Verzweiflung, der Wut, der Trauer, der... Ach, wegen allen Emotionen, die Hermines Körper gerade fluteten. Immer wieder schlug sie gegen das Holz, doch abgesehen von Schlieren in ihren Händen, tat sich nichts. Weder Stimmen, noch sonstige Geräusche vernahm sie, woraufhin sie schluchzend ihre Stirn gegen die Tür presste und abermals zu Boden sank...

 

Grundgütiger, erst jetzt wurde ihr bewusst, was sie getan hatte. Hinzu kam ihr fehlender Zauberstab...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  sama-chan
2018-08-17T13:17:39+00:00 17.08.2018 15:17
Ba ba baaaaaaam!
Da hat sie ihr Schicksal wohl besiegelt...
Naja. Obwohl ich denke, dass Molly, Ginny und Ron Malfoy Manor einreißen würden, sollten sie herausfinden, dass Hermine da gefangen ist. Draco hätte da sicher nichts zu lachen. 😂
Von:  BijouOMG
2018-07-18T06:49:15+00:00 18.07.2018 08:49
Ich bin so froh, dass ich nun auch etwas Neues von dir lesen kann! Ich liebe deinen Schreibstil einfach!

Die arme Hermine, wie sie da so vor Sorge vor ihrem Vater kniet Q/////Q...
Draco ist aber auch >////> Grrrr~ abeeeer... dennoch freue ich mich, dass Hermine nun bei ihm ist xDD Auch wenn es unfreiwillig ist, aber ich sehne mich schon nach den Momenten, wo sich die Beiden näher kommen und bemerken, das sie den anderen doch gar nicht so blöd finden. :D ♥

Mach weiter so!
:)
LG
Antwort von:  Dracos-Princess
18.07.2018 11:10
Hallöchen :)

Ach, das ist echt lieb von dir :> Dankeschön :-* Ich freu mich, dass du mit meinem Schreibstil etwas anfangen kannst und dass ich dich sogar erfreuen kann.

Ja... Hermine wird in dieser Geschichte noch ein wenig mehr durchleben müssen. Sie wird bei Malfoy jedenfalls keinen leichten Stand haben, aber ich denke, wir erwarten von Malfoy auch nix anderes, wa? :P Aber zu viel möchte und werde ich dir nicht verraten, hihi. Dann ist ja der ganze Spaß futsch :P
Und Draco... Oho, Draco wird in dieser Geschichte äh... kein besonders netter Mensch sein, das verrate ich dir noch ;)

Die beiden werden - so viel verrate ich dir auch ^^ - sich gewiss noch... hm... schätzen lernen, sich eventuell auch noch näher komme *Verwirrung sät*, aber wir müssen uns erst mal vortasten, hihi.

Meine Liebe, ich danke dir ganz viel, dass du mir geschrieben hast! *.*


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