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Die Karten legt das Schicksal

von

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Beim Wort nehmen

Es hatte sehr lange gedauert Madeline hier in Pauls Haus ins Bett zu bekommen. Sie war zu aufgeregt und sprach mit Paul noch lange über sein „Roboterbein“. Es faszinierte sie sehr und nicht einmal schien sie angewidert zu sein oder fand es gruselig. Dafür war ich ihr sehr dankbar. Auch wuselte sie herum und schien das fremde Haus so interessant zu finden, dass sie sogar vergaß ihre Fernsehserie zu schauen. Sie war gerade wirklich ein kleiner Wirbelwind und mehr als einmal musste ich sie ermahnen vorsichtig zu sein.

Während Paul sich mit Maddy unterhielt machte ich in der Küche Sandwiches für uns. Paul erlaubte es, dass wir in der Küche aßen und endlich, nachdem der Hunger meiner Tochter gestillt war, wurde sie ruhiger. Wir waren wieder hinüber ins Wohnzimmer gegangen und Madeline beachtete die Prothese nicht mehr. Sie gähnte leicht und wollte auf meinen Schoß, was ich ihr erlaubte. Während ich ihr sanft über den Rücken streichelte, fragte ich Paul, wo sie schlafen könnte.
 

„Bring sie ins Gästezimmer“, meinte Paul und erklärte mir, dass es sich dabei um die Tür halte, die ich sofort sehe, wenn ich die Treppe raufging. Nachdem ich Madeline im Badezimmer für die Nacht fertig gemacht hatte, ging ich die Treppe rauf. Hier oben war ich bei meinem einzigen Besuch nicht gewesen. Ein gräulicher Teppich war verlegt worden und an den Wänden hingen Bilder. Das Gästezimmer war nichts Besonderes. Ein Bett stand herum und ein Kleiderschrank stand an der anderen Ecke. Doch der Raum bot auch nicht viel mehr Platz. Ein kleines Fenster ließ den Blick frei auf die Häuser der Nachbarn. Ich zog die Vorhänge zu und legte Madeline ins Bett. Doch es dauerte lange bis sie endlich zur Ruhe kam, natürlich. Es war schließlich ein aufregender Tag für sie gewesen.

Als ich endlich den Raum verlassen konnte, seufzte ich schwer auf. Hoffentlich schlief sie wirklich durch. Doch eigentlich war der Tag auf für diesen kleinen Wirbelwind zu viel gewesen.

Tatsächlich war ich, wenn ich ehrlich war, sehr dankbar, dass sie endlich schlief. Ich hatte einfach keine Lust mehr gehabt und wollte endlich mit Paul sprechen.

Schließlich wollte ich wissen, was dieser Michael meinte. Meine Augen glitten durch den Flur und langsam entkrampften meine Muskeln. Hier konnte ich mich gerade entspannen und was mein Herz schneller schlagen ließ, war, dass alles nach Paul roch. Mein Blick glitt durch den Flur, noch zwei weitere Türen gingen von diesem ab und ich vermutet, dass sie zum Badezimmer und Schlafzimmer gehörten. Der Flur war schmal, somit stand nichts wirklich herum, nur die Bilder an der Wand ließen ihn wohnlich wirken und an eben diesen Bildern blieb mein Blick hängen. Während ich mich müde streckte sah ich, dass es vermutlich ein Familienbild war. Ein älterer Mann, mit tiefen Falten stand neben Paul. Er sah etwas jünger aus. Daneben saß auf einen Stuhl eine ebenfalls sehr alte Frau. Vermutlich handelte es sich dabei um seine Großeltern. Ich wusste, dass er seinem Großvater sehr nahestand. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Ich selbst hätte keine Großeltern mehr, sie waren noch vor Madelines Geburt gestorben.

Neben diesem Bild hing ein Bild von zwei anderen, mir fremden Menschen, doch es konnte sich nur um seine Eltern handeln. Ich schmunzelte leicht und dachte mir, dass er eine sehr gute Mischung von beiden war. Er hatte die dunklen Haare seines Vaters geerbt, doch seine Gesichtszüge ähnelten mehr seiner Mutter. Von wem er seine braunen Augen hatte, konnte ich nicht sagen. Doch allzu lange wollte ich Paul nicht mehr warten lassen und da ich Madeline nicht mehr hörte, ging ich langsam wieder nach unten in den Wohnraum.

Paul saß immer noch im Wohnzimmer und betrachtete stirnrunzelnd seine Prothese. Was er sich dachte, blieb in seinem untergründlichen Blick verloren. Nachdem er meine Schritte hörte, sah er sich um und betrachtete mich. Unschlüssig sagte ich zu ihm, dass ich mir nicht sicher sei, dass Madeline es schaffte die ganze Nacht im fremden Bett zu schlafen. Zum Glück hatte ich daran gedacht ihr Stofftier mitzunehmen, ansonsten wäre es noch stressiger geworden als es eh schon der Fall war.

„Ist doch verständlich, Zuhause schläft es sich am besten“, murmelte der Mann neben mir und ich konnte mir vorstellen, dass er immer noch etwas sauer auf mich war. Vielleicht auch nicht nur ein bisschen.
 

Ich ließ mich auf Pauls Sofa nieder und unsicher betrachtete ich ihn. Natürlich wollte ich nicht, dass er sauer auf mich war! Seine Prothese lag auf den Wohnzimmertisch und mit unergründlicher Miene sah er mich an. Natürlich war er sauer, etwas anderes wäre wahrscheinlich auch gar nicht möglich. Schließlich war ich in seine Privatsphäre eingedrungen und hatte etwas gemacht, was er so nicht gemacht hätte. Ich weiß nicht, wie er es sich vorgestellt hatte, es Madeline zu sagen. Ob er sich darüber schon Gedanken gemacht hatte, das wusste ich nicht. Doch er hätte es ihr früher oder später sagen müssen! Unsere Blicke trafen sich und immer noch schaffte ich es nicht zu entschlüsseln, was der Ausdruck auf dem geliebten Gesicht bedeuten möge. „Sei nicht so sauer… Es wäre doch früher oder später eh dazu gekommen, dass die Kleine das mitbekommt. Wie hättest du das am Wochenende mit dem Fahrrad erklären sollen? Spätestens da hätte sie es doch eh bemerkt. Außerdem hat sie sich doch sehr gut geschlagen, du Cyborg“, scherzte ich, denn ich wollte einfach nicht, dass wegen so etwas schlechte Laune aufkam. Denn schließlich war nichts Schlimmes passiert und es schien ein weitaus wichtigeres Thema zu geben, worüber wir sprechen mussten. Er sollte sich lieber freuen, dass meine Tochter so „locker“ damit umging und ihn nicht als komisch, oder ekelig titulierte. Ob Paul hoffte, dass ich es vergessen hatte, dass mit dem Rad fahren? Doch Michaels Worte waren immer noch in meinem Kopf. Ich wollte jetzt nur ungerne darüber sprechen, wie ärgerlich er es fand, dass ich mit Madeline unangemeldet bei ihm aufgeschlagen war.

„Ja ja“, beschwerte sich der Dunkelhaarige während er die Prothese neben sich auf den Boden stellte, „Ich hätte mir dennoch nicht so einen Überfall gewünscht.“ Seine Augen verengten sich und die Lippen verzogen sich zu einer strengen Linie. Vielleicht mochte er auch einfach keine Spontanität. Er verschränkte die langen Arme vor der Brust und lehnte sich auf seinen Sitz zurück. So sah er immer aus, wenn ihm etwas nicht passte und das ich diese Kleinigkeit von ihm wusste, ließ mich schmunzeln. Unsere Blicke trafen sich und ein sanftes und liebevolles Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich sah, wie der harte Zug um seine Augen weicher wurde. Tatsächlich schien ich wohl etwas an mir zu haben, was ihn weich werden ließ. Es war mir auch egal, was das war, ich war nur dankbar um das sanfte Lächeln auf den Lippen des Mannes den ich liebte.

Paul nickte leicht und ich war froh über die Worte die seine Lippen verließen: „Aber ja, Madeline hat besser darauf reagiert, wie ich dachte… zum Glück.“ Leise atmete ich aus als ich seine Wort hörte und dachte mir im Stillen, dass er wirklich lernen musste sich einfach so zu akzeptieren, wie er nun einmal war. Es war nichts Schlimmes, dass er das Bein verloren hatte. Er war für mich perfekt, so wie er war! Aber dies schaffte er nicht zu akzeptieren. Doch darauf wollte ich gerade nicht herumreiten. Nicht jetzt.

Ich trank einen Schluck Wasser, welches ich mir vor einiger Zeit selbst aus der Küche genommen hatte und fragte: „Was meinte Michael eigentlich vorhin? Was sollst du mir sagen?“ Sofort verhärteten sich die Gesichtszüge meines Freundes und die dunklen Augen sahen mich ernster an als zuvor. Oder war er etwas sauer?
 

Verärgert schien Paul die Luft aus der Lunge zu drücken und mit ernster Stimme meinte er: „Das… Ich will es dir eigentlich nicht sagen. Wenn ich dir das sage, nimmst du dein Kind und verschwindest!“ Verblüfft von seiner Aussage zogen sich meine Augenbrauen zusammen. Diese Aussage kam für mich vollkommen zusammenhangslos und ergab für mich keinen Sinn. Fragend blickte ich ihn an und es reichte dennoch nicht aus um ihn zum Sprechen zu bewegen. Etwas sehr untypisches für ihn.

„Was meinst du damit?“, wollte ich mit ernster Stimme von ihm wissen. Das was sein Freund sagte ging mich schließlich auch etwas an. Pauls Aussage machte in meinen Ohren einfach keinen Sinn und ich verstand keinen kausalen Zusammenhang. Wieso sollte ich Madeline nehmen und verschwinden? Ich war ja schließlich nicht mein Ex-Mann. Ich war kein Arschloch und für mich gäbe es keinen Grund Paul einfach so zu verlassen!

„Weil was jeder gute Vater tun würde“, erklärte Paul und wurde beim Sprechen sehr leise. Er wich meinem Blick aus, sah auf dem Boden und dann langsam zu seinem eigenen verschränkten Hände. Ich verstand einfach nicht, was hier los war und runzelte leicht die Stirn. Ich mochte es nie, wenn Menschen um den heißen Brei drum herum sprachen. Auch auf der Arbeit sagte ich meinen Klienten immer, sie sollen gleich zum Punkt kommen. Unruhig knetete er weiterhin seine Hände und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. Ein fast schon gequälter Ausdruck erschien auf Pauls, für mich so schönem Gesicht und ich wollte diesen Ausdruck nicht auf ihm sehen. Zaghaft griff ich nach den verschränkten Händen und zog leicht an diesen. Auch hoffte ich, dass er sich so endlich trauen würde mit der gesamten Wahrheit herauszurücken. Während ich auf der Couch zu ihm rüber rückte, ließ er es zu, dass ich seine Finger mit den meinem verschränken konnte. Wenn er mich so ansah, beziehungsweise mich nicht ansah, konnte es nur etwas ernstes sein. Dann musste es etwas sein, was ihn sehr belastete. Denn ansonsten hätte er mit mir gesprochen. Dafür kannte ich Paul langsam zu gut. „Hey", murmelte ich, wie ich hoffte, mit sanfter und einfühlsamer Stimme, „Versuch mit mir zu sprechen. Wie oft habe ich dir schon mein Herz ausgeschüttet und dir meine Sorgen anvertraut? Auch wenn ich manchmal wusste, dass ich nicht recht hatte. Ich werde schon nicht meine Koffer packen und gehen. Das verspreche ich dir. Nicht nur für jetzt.“ Im Nachhinein war ich mir nicht sicher, ob das Versprechen vernünftig war. Denn schließlich wusste ich nicht, was er mir zu sagen hatte. Langsam sahen seine Augen in meine grünen, als suche er etwas darin und auf einmal wurde mir bewusst, wie verletzt er mich betrachtete. So verletzt, dass ich nicht wusste, wie frisch die mit fremden Wunden waren. Seine Hand begann in der meinen zu zittern und ich verstärkte den Druck und hielt sie fest umschlossen. Doch es schien ihn zu beruhigen und ich spürte, wie sich der kräftige Mann an mich lehnte und ich legte meinen Arm schützend um seine Schulter. Wie schwach dieser sonst so toughe Mann gerade war, überraschte mich, doch ich wollte nicht so unempatisch sein und ihn darauf einfach ansprechen. Vermutlich hätte ihn das nur gehemmt. Langsam hob ich meine Hand und strich ihm sanft über die Wange, den leichten Bart und ich fühlte, wie er tatsächlich immer kleiner zu werden schien. Es schien als falle er gerade in sich zusammen.
 

Noch immer schaffte es Paul nicht mich anzusehen. Immer noch hielt seine Hand die meine fest im Klammergriff. Irgendetwas war anders, irgendetwas stimmte hier nicht, ganz und gar nicht. Er war nicht mehr der mutige Polizist, Paul war gerade vollkommen neben der Spur und schien mit etwas in seinem Inneren zu ringen. Wie ich ihm helfen konnte, dass wusste ich nicht. Jetzt, da ich selbst nicht wusste was los war, konnte ich einfach nur für ihn da sein. Und das war ich. Ich saß stumm neben ihm, gab ihm halt, obwohl ich nicht wusste weswegen. Doch es war ihm wichtig, also ließ ich ihn!

„Ich nehme dich beim Wort", flüsterte Paul und schaffte es endlich seinen Blick zu heben. Seine dunklen Augen trafen auf die meinen und es wirkte, als seien wir stillschweigend übereingekommen, dass ich ihm Zeit ließ. Zeit um sich zu sammeln, Zeit um die richtigen Worte zu finden. Manchmal, das wusste ich selbst, bestimmte man einfach das Tempo der Unterhaltung. Drängen oder unruhig werden hätte wahrscheinlich immer das Gegenteil verursacht. Nämlich, dass ich geschwiegen hätte und genau derselbe Ausdruck sah mich aus Pauls Gesicht an. Ein falsches Wort und er hätte nichts mehr gesagt.

„Ich weiß jetzt“, begann er leise zu sprechen und nur mit Mühe verstand ich ihn, „ wer in dein Haus eingebrochen ist. Und ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll. Denn irgendwie… Na ja… bin ich vielleicht Mitschuld daran.“ Verwirrt über diese Aussage zogen sich meine Brauen zusammen und ein Ausdruck der Verwirrung erschienen auf meinem Gesicht. Er hatte schließlich neben mir friedlich im Bett geschlafen, wieso sollte er dann Schuld sein. Das ergab für mich einfach keinen Sinn und ich war mir sicher, dass sich diese Verwirrtheit auf meinem Gesicht wiederspiegelte. „Das verstehe ich nicht, das musst du mir erklären“, forderte ich ihn auf weiter zu sprechen. Ich wollte nicht, dass Paul solch kryptische und unverständliche Antworten gehabt. Sie hinterließen mehr Fragen als Antworten und das machte mich etwas zornig. Wenn er wusste was geschehen war, dann sollte er sofort mit der Sprache herausrücken und nicht um die Antwort herumscharwenzeln. Madeline war schließlich auch in dem Haus gewesen. „Naja Richard, jeder hat doch so seine Vergangenheit, oder? Und meine habe ich auch. Ich hatte mal einen Freund, Liam, wir waren lange zusammen. Wir hatten uns auch was aufgebaut…. dieses Haus hier und noch ein paar andere Sachen… allerdings gab es auch nicht so schöne Momente. Vor allem, weil Liam eifersüchtig war. Am Anfang fand ich es ja noch total niedlich, wenn er sich darüber aufregte, dass ich zu viel mit meinen Freunden unternahm, oder zu viel mit ihm schrieb. Aber irgendwann hat es einfach Überhand genommen und wir stritten uns häufiger darüber. Da war es dann einfach scheiße und nicht niedlich…“ Noch nie hatte mir Paul etwas über seine Ex-Freunde erzählt. Tatsächlich hatte es mich auch nie wirklich interessiert. Die Vergangenheit seiner Partner interessierte mich nur so insoweit, dass sie nicht kriminell waren. Über frühere Partner fragte ich meine Freunde eigentlich nie aus. Jeder hat eine Vergangenheit und natürlich hatte auch jeder Ex-Freunde. Ich hatte sogar einen Ex-Mann. Normalerweise wollte ich auch nie etwas über die Ex Partner wissen. Außer jemand erzählte mir freiwillig irgendetwas. Allerdings fragte ich mich nach dieser Erklärung doch, wieso er mir nie etwas erzählt hatte. Dieser Mensch muss schließlich anstrengend gewesen sein. Vermutlich war es Liam der Eingebrochen war, diesen Zusammenhang hatte ich, so vermutete ich, sofort verstanden. Ich wollte mehr erklärt haben und nicht mit Vermutungen abgespeist werden. Doch mit der Tür ins Haus fallen wollte ich ebenso wenig. Wenn ich mehr wissen wollte, musste ich einfach taktisch vorgehen und so fragte ich einfach: „Hast du dich deswegen von Liam getrennt? Weil er zu eifersüchtig wurde?“, wollte ich wissen, denn schon wieder begann Paul zu schweigen. Er sollte jetzt nicht schweigen, denn schließlich musste er mir irgendetwas erzählen, was mit diesem Einbruch zu tun hatte. Und ich wollte jetzt Antworten. Tatsächlich war mir bis zu diesem Zeitpunkt nie aufgefallen, dass Paul verschwiegener war als ich dachte. Denn tatsächlich hatte er nie viel von diesem Teil seiner Vergangenheit gesprochen und das war mir bis jetzt nie aufgefallen. Paul hob seinen Blick und sah mir ins Gesicht. Erneut forderte ich meinen Freund auf zu sprechen und langsam nickte er leicht zur Bestätigung und fügte hinzu: „Liam hat es nie eingesehen, dass er Schuld daran war und seine Eifersucht. Er hat immer geglaubt ich habe ihn für einen anderen verlassen und hätte ihn betrogen und dann na ja… War er auf einmal überall… Und ständig bekam ich Nachrichten, E-Mails, sogar Briefe. Kannst du dir vorstellen wie nervig es war? Er fing an mich… Naja zu stalken und bis dahin konnte ich mir nie vorstellen… wie beängstigend das ist.“
 

Natürlich hatte ich schon einmal von Stalking gehört. Wer nicht? Doch meistens waren das Frauen und ich hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, dass einer den ich kannte von so etwas betroffen war. Für mich war es meistens etwas, was Prominente oder Frauen betraf, wie falsch ich damit lag, wurde mir erst jetzt wirklich bewusst.

„Oh", meinte ich wenig intelligent und wusste nicht genau, wie ich auf diese Aussage reagieren sollte. Mitfühlend? Wütend auf den Mann? Wollte Paul überhaupt Mitleid? Doch ein Blick in das Gesicht meines Freundes zeigte mir, dass er dies auf keinen Fall wollte. Mitleid wollte dieser sonst so toughe Mann nicht. Auch damals wollte er keines, nachdem er mir von seinem Unfall berichtet hatte. Doch nach und nach drängte sich ein Gedanke in meinen Kopf. War dieser Mann, der Mensch, welcher in mein Haus eingebrochen war, gefährlich? Wollte mir Paul das damit sagen? Obwohl ich wusste, dass er kein Mitleid haben wollte, legte ich dennoch einen Arm um seine Schulter, als sich das Schweigen über uns ausbreitete. Natürlich hatte er nun Sorge, wie ich reagieren würde und ich konnte es verstehen. Doch so verletzt und, mir fiel kein besseres Wort ein, ängstlich, wie er mich gerade musterte, musste ich ihm einfach zeigen, dass er nicht alleine war. Ich drückte meine Lippen kurz an seine Schläfe und sein geliebter Geruch zog sich in meine Lunge. Sichtlich entspannter legte er auch kurz einen Arm um meinen Körper und drückte mich an sich heran.

Es schien als brauchten wir kurz diese Stille und erst nach einigen Augenblicken schaffte ich es die Stille zu durchbrechen. „Ist der immer noch am stalken?“, wollte ich mit langgezogener Stimme von ihm wissen und meine Brauen zogen sich zusammen. Deutlich bemerkte ich die Unruhe, welche vom Paul auszugehen schien. Es schien, dass ein kurzes Zittern ihn erfasste und ich verstärkte den Halt um seinen Körper. Diese Unruhe sagte mir, dass ich auf dem richtigen Weg war. Und dieser Weg gefiel mir gar nicht. Sofort bekam ich Sorge um meine Tochter und mich und natürlich um Paul. Ihnen durfte und sollte nie etwas zustoßen!

Es schien als würde er mich besser kennen als ich dachte. Er betrachtete mich und ein trauriges Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Du kannst uns nicht immer beschützen… Auch ich kann euch beide nicht immer beschützen… Ich will nur nicht, dass du Angst hast. Angst um deine kleine Tochter und ich könnte es so verstehen, dass du deswegen Abstand haben willst…“ Perplex sah ich ihn an. Abstand von ihm nehmen? Darüber hatte ich nicht wirklich nachgedacht. Doch natürlich… Hätte ich das von Anfang an gewusst, wäre ich vermutlich nicht so überschwänglich in die Beziehung mit ihm gegangen. Doch eigentlich war es egal. Langsam schüttelte ich den Kopf und sagte: „Vergiss es, ich trenne mich so schnell nicht von dir. Nicht wegen irgend so einem Vollidioten, dass will der doch eh nur“, sagte ich mit einer Stimme die viel kämpferischer klang, als ich mich fühlte. „Dann ist der eben eingebrochen… Er hat ja nichts gemacht…“ Doch die Stille die folgte verwunderte mich und etwas beklommen fragte ich: „Hat er doch nicht… oder?“ Ein gequälter Ausdruck erschien auf Pauls Gesicht und ließ ihn viel älter Aussehen, als er eigentlich war. „Wegen Liam hatte ich den Unfall… wir konnten es nie beweisen, aber ich weiß es", erklärte Paul mit einem bitteren Zug um seinen Mund. Dieses mal reichte ein fragender Blick von mir aus, um ihn zum Sprechen zu bringen. „Er ist Automechaniker. Natürlich hat er deswegen oft meine Karre repariert… Nachdem wir uns, beziehungsweise ich mich von ihm getrennt hatte, war er ja immer da. Er terrorisierte mich über mein Telefon, war auf einmal da, wo ich war. Hat mich und Michael beim Essen gestört. Es waren immer nur Zufälle, weswegen er da auftauchte, wo wir waren. Klar….und er hat jedem Menschen mit dem ich mich länger unterhalten hatte das Leben zur Hölle gemacht. Es war einfach ätzend. Am Anfang habe ich versucht es einfach zu ignorieren und hatte gehofft, dass er irgendwann die Lust verliert oder vielleicht jemand neuen kennenlernt. Aber irgendwie wurde es immer mehr und aus seinen anfänglichen, vielleicht nett gemeinten Gesten … ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber sie wurden halt immer beschissener. Irgendwann war er dann der Meinung, dass wenn er mich nicht haben könnte, mich gar keiner bekommen sollte. Keine zwei Tage später sitze ich auf meinem Motorrad und die Bremsen funktionieren nicht… Soweit ich weiß wurde er irgendwann von seinem Psychiater oder Psychologen eingewiesen. Aber jetzt kam raus, dass er gar nicht mehr in der Klinik ist. Wenn ich das gewusst hätte… Michael hatte irgendwann Fingerabdrücke von Liam besorgt, natürlich nicht auf dem legalsten Wege. Er hat die Fingerabdrücke mit denen verglichen, die wir bei dir gefunden haben. Liam ist nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, also ist er natürlich auch nicht in der Datenbank. Das heißt einfach, dass mein Ex Freund immer noch… wie kann man das ausdrücken, hinter mir her ist? Auf jeden Fall lässt er mich immer noch nicht in Ruhe. Und ich vermute, dass er auch an deinen Reifen war.“ Sprachlos starrte ich meinen Freund an. Wie sollte ich auf so etwas reagieren? Wollte dieser Mensch, dass ich einen Unfall hatte?
 

Plötzliche erinnerte ich mich an die offene Gartentür. Ich hatte Madline dafür verantwortlich gemacht. Sie hatte abgestritten, dass sie die Tür geöffnet hatte und ich hatte ihr nicht geglaubt. Natürlich nicht. Ein unruhiges Kribbeln breitete sich in mir aus, als mir bewusst wurde wie gefährlich ich in den letzten Wochen gelebt hatte. Ohne es wirklich mitzubekommen. Auch meine Bremsen hätten nicht mehr funktionieren können, nur das ich vielleicht nicht alleine in dem Wagen gesessen hätte.

Wenn dieser Mensch seinen Freund so sehr in Gefahr bringen würde, ihn fast umbringen würde, wieso sollte er dann Rücksicht auf mich nehmen? Ich konnte wohl froh sein, dass er mein Haus nicht angezündet hatte als ich mit meiner Tochter dort geschlafen hatte! Sofort flammte Angst durch meinen Körper und ich war froh, dass Paul meine Gedanken nicht hören könnte. Denn diese sagten mir, ich solle umgehend Abstand von ihm nehmen, Madeline dürfe nichts passieren. Doch so schnell dieser Gedanke kam, so schnell war er wieder verschwunden. Ich erinnerte mich an mein Versprechen, dass ich nicht verschwinde. Natürlich verstand ich Paul. Jetzt nach meinem neuesten Wissensstand warum er glaubte, dass ich jetzt gehen würde. Jeder vernünftige Mensch würde diesen Gedanken haben. Doch ich liebte Paul und ich konnte und wollte ihn nicht im Stich lassen! Das ging einfach nicht. Aber ich musste auch an meine Tochter denken. Es war eine beschissene Zwickmühle in der ich mich befand. Doch ich wollte Paul einfach nicht alleine lassen. Mir war durchaus bewusst, dass er verstehen würde, weswegen ich dies tat, doch nein! Ich wollte mich nicht von ihm trennen. Ich müsste einfach einen Weg finden, wie wir alle in Sicherheit sind. Doch ich würde Paul nicht einfach im Stich lassen.

Schwer nur konnte ich diese Gedanken hinunter schlucken und zögernd griff ich nach seiner Hand. Ich wusste, dass es ihm schwer gefallen war mir diese Geschichte zu erzählen und irgendwie merkte ich, dass ich mehr als unempathisch war. Natürlich hatte ich im ersten Augenblick nur an Madline und mich gedacht. Wie schrecklich es für Paul sein musste, wollte ich mir nicht ausmalen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es sein musste, dass jemand anderes so viel Einfluss in meinem Leben spielte. Natürlich machte mein Ex das auch, aber anders als es diese Liam tat. Ich lebte jedenfalls nicht in Angst. Und auf einmal konnte ich auch das unfreundliche Auftreten Michaels verstehen, als wir uns kennen gelernt hatten. Schließlich hatte ich Paul tatsächlich spontan getroffen und die beiden beim Essen gestört. Michael schien vermutlich einfach nur Sorge gehabt zu haben, dass auch ich so verrückt und krank bin wie Pauls Ex-Freund. „Wir schaffen das gemeinsam und wenn wir einfach warten, bis wir diesen Irren auf frischer Tat ertappen… Das bekommen wir hin, Paul“, murmelte ich kämpferischer als ich mich fühlte. „Das kann ich dir zwar leider nicht versprechen, aber wir schaffen das schon!“

Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf Pauls Lippen als er mich betrachtete. Vermutlich hatte er nicht mit so einer Aussage von mir gerechnet. Liebevoll legte er seine Lippen auf die meinen und hauchte mir einen sanften Kuss auf die Lippen. „Ich liebe dich, Richie“, flüsterte er und ich war erstaunt, wie dankbar seine Stimme klang.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  radikaldornroeschen
2019-07-04T08:16:39+00:00 04.07.2019 10:16
Wie ist denn in den USA die Gesetzeslage bei Stalking? Ich glaube, da kann der Staat mehr machen als in Deutschland. Zumindest glaube ich mich da dunkel erinnern zu können ^^;;;
Von:  chaos-kao
2019-03-09T17:52:29+00:00 09.03.2019 18:52
Hui, ich hatte ja mit Mafia-Verbindungen oder ähnlichem gerechnet (in dem Sinne, dass er dort undercover war und aufgeflogen ist oder so), aber nicht mit einem verrückten Stalker. Da bleibt nur zu hoffen, dass er bald auf frischer Tat ertappt und weg gesperrt wird. Wobei wir in den USA sind. Könnte man ihn da nicht versehentlich im Dienst umlegen? :P
Antwort von:  radikaldornroeschen
04.07.2019 10:15
Versehentlich umlegen... bin ich dafür *hand heb*


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