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Die Karten legt das Schicksal

von

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Wie Pech und Schwefel

Anstrengend war der Morgen gewesen. Madeline wollte sich nicht anziehen lassen und meckerte über die Klamotten die ich ihr raussuchte. Es flossen Tränen und als sie wegrennen wollte hielt sich sie am Arm feste. Ich hatte keine Lust auf ein Drama. Ernst sagte ich ihr, dass es keinen Grund zum Weinen gäbe und als sie laut jammernd, „doch“, schrie war meine Geduld aufgebraucht. Lauter als es vermutlich notwendig gewesen wäre, meckerte ich sie an.

Wiederwillig zog sie die Kleidung an und ich war erleichtert, als sie nach dem Essen wieder bessere Laune hatte. Mich beruhigend atmete ich durch. Wir teilten uns ein Brot und schnell schmierte ich ihr das Essen für den Kindergarten.

Dennoch, es sollte nicht mein Morgen werden. Endlich, nachdem alles fertig war, die Brote geschmiert, die Jacken angezogen und wir das Haus verließen, weiteten sich meine Augen als ich mein Auto sah. Schräg stand es in der Einfahrt und als ich um den Wagen herumging bemerkte ich, dass er einen Platten hatte. Der hintere rechte Reifen war leer. Perplex sah ich meinen Wagen an. Das durfte jetzt nicht wahr sein. Einzig meine Tochter neben mir ließ mich jede noch so schlimme Beleidigung im Keim ersticken. Wieso musste ausgerechnet mir so etwas passieren.

Langsam beugte ich mich hinunter und betrachtete den Reifen. Es durfte einfach nicht wahr sein! Nachdem ich genauer geschaute hatte, bemerkte ich, dass die Verschlusskappe des Ventils fehlte. Seit wann gingen Reifen denn so die Luft aus? Vermutlich hatte er vorher schon einen Schaden gehabt. Toll! Ich war mir im dämmrigen Licht nicht sicher, ob da noch ein Loch war. Wütend blickte ich mich um. War das ein schlechter Scherz der Nachbarskinder gewesen? Doch irgendwer musste es gewesen sein! Die Dinger verschwanden schließlich nicht einfach! Ich drehte das Teil ja nicht selbst von meinem Reifen. Der Zorn kratzte an meinen Nerven und einige Male atmete ich tief ein und aus und kratzte mich an der Schläfe. Wenn ich denjenigen erwische, wird er sich warm anziehen müssen, schoss es mir durch den Kopf und als ich es in meinem Kopf unangenehm Knirschen hörte merkte ich erst, wie feste ich die Zähne aufeinander gebissen hatte.

„Komme ich jetzt nicht zum Kindergarten?“, fragte Madeline sehr leise. Sie kannte mich und vermutlich war sie deswegen so vorsichtig, was sie sagen sollte. Sie musste sehen, dass ich gerade vor Wut in die Luft gehen könnte. Erneut strich ich mir durch die Haare, atmete tief durch und versuchte meine Nerven zu beruhigen.

Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern und schien tatsächlich nicht zu wissen, wie es weiter gehen könnte. Tatsächlich war ich in diesem Augenblick vollkommen überfordert. Sollte ich mit dem Rad fahren? Dann bräuchte ich auf der Arbeit erstmal eine Dusche. „Frag doch Onkel Phil“, schlug Madeline vor und sofort sagte ich ihr, dass dies eine gute Idee sei. Tatsächlich hatte ich an ihn gar nicht gedacht. Ich strich ihr durch die Haare und holte mein Smartphone aus der Tasche.

Ich rief meinen besten Freund an und als er von meinem Problem hörte, meinte er lachend: „Ach okay, ich hol dich ab. Hab eh genug Überstunden. Wartet draußen. Aber heute Nachmittag kann ich dich nicht abholen, Sarah und ich müssen zum Arzt.“ Ich war dankbar, dass Phil so spontan war und irgendwie freute ich mich auch ziemlich, ihn wieder zusehen. Viel zu lange war unser letztes Treffen her und ich musste ihn und Sarah bald wieder besuchen.
 

Eine viertel Stunde später hielt Phil mit seinem Auto vor dem Haus. Missmutig betrachtete er meinen Wagen und fragte sofort: „Hast du eine Idee, wer das war?“ Ich schüttelte den Kopf und verstaute Madeline mit ihrem Kindersitz bei meinem besten Freund im Auto. Sie war ruhig, denn vermutlich ahnte sie, dass sie immer noch vorsichtig sein musste. Schließlich war meine Laune noch nicht besser geworden. Trotz der schlechten Laune, ich zwang mich dazu, mich nicht weiter über das Auto aufzuregen. „Weiß nicht. Vielleicht ein Scherz von Jugendlichen. Ich finde den jedenfalls nicht lustig“, meckerte ich und ließ mich neben Phil auf dem Beifahrersitz nieder.

„Wenn ich die sehen würde, würde ich die ja sowas von anschwärzen bei ihren Eltern“, meinte Phil kopfschüttelnd und mit ernster Stimme. Er trug eine teure Regenjacke und schaltete gerade seine Scheibenwischer ein. „Wie läuft es eigentlich bei dir so?“, fragte ich und leise lachend erzählte Paul, dass Sarah sich andauernd wegen dicker Füße beschwerte.

„Sie sagte letztens, dass sie nicht mehr schwanger sein möchte“, grinste er gut gelaunt und blickte mich grinsend an. „Ich kann es verstehen“, erwiderte ich grinsend, „Es ist schließlich nicht angenehm, glaube ich zumindest. Immer so dick zu sein und sich kaum bewegen zu können.“

Wir sprachen viel und nach einigen Minuten, nachdem wir Madeline im Kindergarten abgesetzt hatten, meinte ich: „Ich glaube, irgendwie bin ich nicht mehr Single. Das mit Paul hat sich geklärt und er hat sogar schon Madeline kennen gelernt. Sie hat ihn zu ihrem Geburtstag eingeladen. Sie mag ihn.“

Überrascht sahen mich Phils hellbraunen Augen an. Ein Lächeln schlich auf sein Gesicht und zufrieden sagte er: „Siehst du mal, es gibt doch nicht nur Idioten.“

Ich konnte nicht verhindern, dass sich ein zufriedenes Grinsen auf meine Lippen legte. Über Paul zu sprechen ließ mich das blöde Auto vergessen. „Na ja, nein, ein Idiot scheint er nicht zu sein“, meinte ich grinsend und leise lachend nickte Phil. Er sei gespannt, wann er ihn endlich kennen lerne, sagte er noch und fragte mich, wie genau Paul reagiert habe. Ich schilderte es ihm und ehrlich sagte er auch, dass ich wirklich einen falschen Zeitpunkt ausgewählt hatte.

„Außerdem sind zwei Wochen gar nichts“, sagte Phil und schüttelte den Kopf als wir vor der Kanzlei hielten. „Bei dem was du alles schon gehört hast, ist es sogar noch recht früh. Wenn er sich noch mal darüber beschwert, dass du Madeline nicht erwähnt hast, kannst du ihm sagen, dass dein bester Freund das auch so getan hätte.“ Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern und sagte: „Er würde jetzt etwas anderes sagen. Er scheint da eben eine andere Meinung zu haben. Na gut, danke für´s Fahren. Melde dich, wenn es was Neues gibt, okay?“

Er nickte und freundlich und sehr dankbar verabschiedete ich mich von meinem besten Freund. Doch gleich im Büro sollte der eh schon stressige Morgen noch stressiger werden.
 

Ich war natürlich zu spät und natürlich fiel es sofort auf. Es wunderte mich eigentlich nicht, denn dank der ganzen Termine im Jugendamt und meinem Urlaub war ich derzeit nicht so häufig in der Kanzlei, wie es sich mein Chef wünschte.

Sofort wurde ich in sein Büro zitiert und missmutig hielt er mir eine Rede über Pflichtbewusstsein. Ich zwang mich, nicht die Augen zu verdrehen. Doch am liebsten hätte ich es gemacht. „Es tut mir leid, aber ich habe derzeit einfach viele private Probleme und die lassen sich leider nicht so schnell klären, wie ich es gerne hätte“, erklärte ich höflich und schaute meinem Boss dabei direkt in die Augen. Unzufrieden blickte er mich an und runzelte die Stirn. Was genau er grummelte, verstand ich nicht. War es besser ehrlich bei der Arbeit zu sein? Er wusste, dass ich gerade einen Sorgerechtsstreit am Hals hatte. Schließlich hatte Ben den Fall übernommen.

„Ich würde gerne perspektivisch nur noch 30 Stunden die Woche arbeiten… Ich werde zuhause gebraucht und habe so einfach mehr Zeit, um mich auf die Arbeit und auf die Probleme Zuhause zu konzentrieren“, sagte ich ruhig und blickte meinen Chef an. Tief atmete er aus und lehnte sich auf seinem schwarzen, ledernen Bürostuhl nach hinten und betrachtete mich. Nachdenklich bildeten sich tiefe Falten auf seiner Stirn und ich merkte, wie unsicher ich langsam wurde. Skeptisch blickte ich ihn an.

„Wissen Sie Mr. Prescot“, meinte mein Chef plötzlich, beugte sich etwas zu mir vor und betrachtete mich, „Ich finde es wirklich beeindruckend, wie sie das alles meistern. Und trotzdem… und trotzdem muss ich Ihnen sagen, dass ich davon nicht begeistert bin… Ach… Ich werde das unserer Personalabteilung mitteilen und die sollen schauen, was sich machen lässt. Aber wenn sie wirklich auf 30 Stunden reduzieren bleibt das erstmal so. Das hier ist schließlich kein Wunschkonzert! Reduzieren geht immer, aber aufstocken nicht.“ Mit einem Kopfnicken zur Tür verstand ich, dass ich das Büro verlassen sollte. Langsam nickte ich und erhob mich von meinem Platz.
 

Nachdem ich die Tür leise hinter mir zugezogen hatte, war ein komisches und nicht zu erklärendes Gefühl in meinem Inneren. War das jetzt ein gutes Gespräch? Oder war es total schlecht? Ich wusste es nicht. Ich wusste es tatsächlich nicht und konnte es einfach nicht abschätzen, was mein Chef mir damit sagen wollte. Er war einer der Menschen die ich einfach nie einschätzen konnte.

Unschlüssig ging ich meiner Arbeit nach und meldete mich in der Mittagspause bei Paul. Ich berichtete von meinem Auto und fragte ihn, ob es für ihn möglich sei mich und Madeline nach der Arbeit nach Hause zu fahren. Als ich ihm den Grund erklärte, stimmte er gleich zu und meinte, dass er mir gerne beim Wechseln des Reifens helfen würde. Natürlich nahm ich das Angebot gleich an und freute mich darüber.

Ich telefonierte mit meinen Klienten, machte Termine aus und unterhielt mich später in der Mittagspause mit Benjamin. Es war nun ein ruhiger, angenehmer Tag und als ich aus der Kanzlei trat, wartete Paul bereits auf mich. Er lehnte an seinem Wagen und trug eine Jacke und eine dunkle Jeans. Entspannt ging ich auf ihn zu und wollte ihn küssen. Überraschenderweise zog er seinen Kopf zur Seite und drückte mich etwas unbeholfen an sich. „Was sollte das denn?“, fragte ich scherzhaft und sah ihn verwirrt an. „Du kannst mich doch nicht in aller Öffentlichkeit küssen wollen“, meinte er entsetzt und sah sich um. Doch keiner der Passanten schien gerade auf uns zu achten. Alle sahen auf ihre Handys oder unterhielten sich. Seine Aufregung verstand ich nicht. Tatsächlich hatte ich es vollkommen verdrängt, dass er damit in der Öffentlich Probleme hatte.

„Wieso nicht“, meinte ich gelassen und machte den Kindersitz hinten im Wagen fest. Ich war verwundert, dass keine Antwort kam und als ich seinen Blick suchte, meinte er leise: „Na ja, dann sehen die ja, dass wir schwul sind…“

Überrascht weiteten sich meine grünen Augen. „Ja und?“, fragte ich verwirrt. Doch sofort schüttelte er den Kopf und schnell setzte er sich hinter das Lenkrad seines Wagens. „Nein, ich möchte nicht, dass das andere sehen“, meinte er hastig und startete den Motor, sobald ich saß. Schweigend fuhr er los und nachdenklich blickte ich hinaus auf die Straße. Konnte das der Grund sein, weswegen er Zuhause hinter verschlossenen Türen so viel mehr und schneller meine Nähe suchte? Es war mir bereits bei unserem ersten Treffen bei ihm Zuhause aufgefallen. Damals hatte er sich ganz anders benommen.

„Paul“, meinte ich leise nach einem Augenblick, „was ist denn das Problem, wenn andere sehen, dass du schwul bist. Es wirkte bis jetzt nie so, als ob du wirklich Probleme damit hast.“ Schließlich konnte er es mir damals einfach sagen und es war ja nie ein Geheimnis gewesen.

Unschlüssig betrachtete er mich mit seinen braunen Augen. „Habe ich auch eigentlich nicht, aber trotzdem muss ich es ja nicht einfach so zeigen…“, meinte er ausweichend und ich bemerkte, wie er sich kurz durch die Haare strich. „Hm“, meinte ich leise und nickte nur. Ich konnte ihn nicht dazu zwingen und ich wusste auch nicht, was er für Erfahrungen gemacht hatte. Paul ist auf dem Land groß geworden und ich wusste, dass es dort anders war, als in einer Großstadt. Zudem hatte ich einfach keine großen Probleme bekommen wegen meines Outings. Doch natürlich hatte ich im Laufe meines Lebens immer wieder Menschen getroffen, die nicht so offen mit ihrer Sexualität leben konnten. Häufig hatten sie Sorge stigmatisiert zu werden.

„Dir ist schon bewusst, dass man dir deine Sexualität nicht ansieht oder?“, fragte ich ruhig und lehnte mich in seinem Sitz zurück und betrachtete den Mann. Unschlüssig nickte er und erklärte: „Ich brauch es ja trotzdem nicht einfach so jedem zu zeigen. Das geht ja auch nicht jeden etwas an.“ Ich verstand, was er meinte und doch war es irgendwie albern. Es konnte ihm egal sein, was andere sagten und dachten. Wir taten nichts Verbotenes und doch wusste ich einfach, dass es für ihn wohl anders war. Ich musste es einfach akzeptieren, ob ich wollte oder nicht.

„Hm… Ich finde, ich muss mich wegen anderer nicht zurückhalten. Wenn ich meine dich küssen zu wollen, dann kann ich das machen. Ich muss dich ja nicht gleich auffressen? Oder hast du schlechte Erfahrungen gemacht?“, wollte ich ruhig von ihm wissen und betrachtete den sportlichen Mann neben mir. Ich beobachtete, wie er langsam ein und ausatmete und unschlüssig mit den Schultern zuckte. „Ich weiß nicht. Ich glaube nur das, was andere auch erlebt haben. Bei uns auf dem Land war es eben so verpönt und…. Die Menschen, die sich geoutet haben, wurden eben gemieden. So etwas prägt einen irgendwie“, antwortete er leise und seufzte schwer.

Ich konnte mir vorstellen, dass es für ihn oft schwer war. Sich zurückzuhalten, weil die eigenen Werte und Normen es einem sagten, war sicherlich nicht immer einfach. Langsam legte ich meine Hand auf seinen Oberschenkel und streichelte sanft über den rauen Stoff seiner Hose. Da Paul nicht schalten musste, griff er schon automatisch zu meiner Hand und drückte sie sanft. „Ich versuch das immer wieder anzugehen, wenn ich eine Beziehung habe, aber irgendwie ist es einfach schwer für mich“, murmelte er ehrlich und griff langsam wieder mit der Hand an das Lenkrad. „Hm“, meinte ich nach einem Augenblick der Stille und fuhr langsam fort, „Vielleicht fällt es dir ja irgendwann leichter. Ich bin da nämlich nicht so zurückhaltend. Aber ich werde versuchen, dich nicht mehr in eine unangenehme Situation zu bringen. Wir finden da sicher einen Mittelweg.“ Leicht schmunzelnd betrachtete er mich und zwinkerte mir freundlich zu.

„In Ordnung“, meinte er und ich dirigierte ihn auf direkten Weg zum Kindergarten.
 

Doch leider wusste meine Tochter nichts von dem, was ich Paul gerade versprochen hatte. Als er mich in das Gebäude begleitete rief sie fröhlich: „Da schaut mal! Das ist der neue Freund von meinem Dad und der ist Polizist. Die küssen sich auch.“ Alle Augen der noch anwesenden Betreuer und Kinder glitten zu Paul. Sprachlos stieß ich die Luft aus den Lungen und wusste nicht, ob ich wütend oder amüsiert sein sollte. Trocken lachte ich kurz auf und meinte zu Paul: „Also ich hab dich nicht in die Situation gebracht.“ Ein Grummeln drang aus dem Körper des Mannes vor mir und entsetzt strich er sich über die Stirn. Dass es ihm unangenehm war, war deutlich zu erkennen.

Gut gelaunt kam meine Tochter in Begleitung von Taylor und einer Freundin auf mich zu. Fröhlich winkte mir der Junge zu, doch noch bevor er irgendetwas sagen konnte, meinte Madeline: „Paul, Jane hat schon wieder Stifte geklaut.“

Immer noch sah Paul betreten drein und schien unschlüssig, was er von der jetzigen Situation halten sollte. Ich bemerkte, wie er sich kurz auf die Lippen biss und nach einem Moment der Stille räusperte er sich kurz und sagte: „Ähm, Madeline… Ich habe gerade gar keine Uniform an und dann darf ich gar nicht als Polizist arbeiten. Sonst könnte das ja jeder behaupten…“ Mit einem schrägen Grinsen sah ich ihn an. Als ob er während seiner Dienstzeit eine Uniform trug, als Detective… Ich kannte es aus dem Fernseher nur, dass sie Zivile Kleidung trugen.

Dennoch fand ich es schön zu sehen, wie Paul mit Madeline umging. Er versuchte ihr die Dinge immer irgendwie auf Augenhöhe zu erklären. Schmollend betrachtete sie Paul und seufzte schwer. „Okay, dann kommst du beim nächsten Mal als Polizist“, meinte sie und ging mit ihren Freunden zu den Jacken. Was Paul sagte, bekam ich nicht mit. Kurz unterhielt ich mich mit Anna und einer anderen Erzieherin und gemeinsam mit Madeline machten wir uns auf den Weg nach Hause. Doch ich bemerkte, wie Paul versuchte den Blicken der Erzieher aus dem Weg zu gehen. Es war ihm wirklich sehr unangenehm, doch ich wusste auch nicht, wie ich Madeline erklären soll, dass sie so etwas nicht machen sollte. Schließlich hatte ich sie so erzogen, dass sie es als komplett normal empfand, dass ich schwul war. Ihr nun zu sagen, dass andere das nicht wollten, oder so offen damit umgehen könnten, war für eine fast vierjährige sicher schwer zu verstehen. Doch Madeline schien das Verhalten von Paul nicht komisch zu finden. Vermutlich lag es daran, dass sie ihn noch nicht so gut kannte. Ich schnallte sie in ihrem Kindersitz fest und nahm selbst vorne Platz. Fröhlich berichtete sie von ihrem Tag und sang uns ein Kinderlied vor.

Als wir an einem McDonalds vorbeifuhren rief Madeline von hinten: „Oh, lass uns da essen gehen! Bitte! Ich will einen Hamburger!“ Gleichzeitig blickten Paul und ich einander in die Augen. „Nein“, meinte Paul und auch ich schüttelte den Kopf. Zu häufig konnten wir dort nicht essen gehen und zu sehr mochte ich es, wenn Paul kochte. Er konnte es einfach wirklich gut.

„Aber ich will!“, meckerte sie laut und fuchtelte mit ihren Händen in der Luft herum. Gelassen zuckte ich mit den Schultern und meinte: „Ist mir egal. Keine Burger heute. Es gibt was Richtiges zu essen.“ Entschuldigend sah ich zu Paul, als Madeline hinten im Wagen anfing zu meckern und zu weinen. „Schon okay“, meinte er ruhig und ich war froh, dass er es so entspannt sah. Irgendwie erfüllte mich diese eigentlich so unbedeutende und kleine Geste mit einem warmen Gefühl. Es war erleichternd zu wissen, dass ich nicht alleine mit Madeline diskutieren muss und es war erleichternd zu wissen, dass Paul nicht so schnell die Nerven verlor. „Ich wünschte, dass wären meine Probleme“, sagte Paul zu mir und grinste breit. „Wenn die Welt für mich untergeht, wegen eines nicht bekommenen Hamburgers ist es doch klasse. Die Probleme will man haben.“

Wie Madeline seine Worte hörte meckerte sie, dass wir sie nicht verstehen würden. Madeline schimpfte immer wieder und als ich laut und streng sagte, dass es reichen würde, wenn sie heute nicht direkt nach dem Abendessen ins Bett wollte, liefen ihr immer noch Tränen über ihre Wange.

Doch es war mir gleich. Sie durfte und sollte nicht gewinnen. Sie hatte so etwas schließlich nicht zu bestimmen. Ich blieb eisern und wütend ging Madeline gleich hinauf in ihr Zimmer und ließ uns unten alleine.

„Tut mir leid“, meinte ich leise doch Paul hob die Hand und machte eine leicht wegwerfende Bewegung. „Alles gut“, meinte er grinsend und sagte gelassen. „Sie ist ja erst fast vier. Was willst du da erwarten, wenn du Kinderträume platzen lässt?“ Er lachte leise und nach einem Augenblick entwich auch mir ein leises Lachen. Es waren diese Momente die mir gut taten, die mir zeigten, dass es schön war, nicht alleine zu sein.

Er legte einen Arm um meinen Körper und zog mich liebevoll an sich.

„Na komm“, meinte er gelassen. „Lass uns endlich mal anfangen zu kochen, damit Madame sich wieder abregt. Und wir müssen noch dein Auto machen…“ Kurz lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter und genoss es, seinen herben und für mich so wohltuenden Geruch zu riechen.
 

Der neue Alltag der einkehrte, war wundervoll. Mit Paul konnte ich mich so leicht und schnell an die Situation gewöhnen. Häufig kam er vorbei und verbrachte immer mehr Zeit bei uns. Und was noch wichtiger war, mit uns. Wir hatten viel Spaß und sowohl Madeleine, als auch ich gewöhnten uns immer mehr an den Mann, der in mein Leben gestolpert war.

Doch leider geschahen auch Sachen, die mich immer wieder daran erinnerten, dass gerade nicht alles so lief, wie ich es gerne hätte. Ein Termin von Mrs. Brown war angesetzt worden, bei dem sie mich und Madeline gemeinsam kennen lernen wollte. Es war ein komischer Termin. Auf der einen Seite wusste ich, weswegen sie da war und doch saß sie in meinem Wohnzimmer und spielte mit mir und Madeline Memory. Irgendwie war es eine komische Situation. Doch Madeline freute sich über die Aufmerksamkeit. Nachdem Mrs. Brown weg war, wusste ich nicht, was ich von dem Besuch halten sollte. Sie hatte sich Madelines Kinderzimmer zeigen lassen und meinte, dass es sehr schön und liebevoll eingerichtet sei.

Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was sie für Kinderzimmer kannte. Als ich abends mit Paul drüber sprach, sagte er, dass er während seines Streifendienstes viele Häuser und Wohnungen betreten hatte, in welchen es desaströs aussah und in denen Kinder lebten. Eine Vorstellung, welche ich einfach schrecklich fand.

Einige Zeit später bekam ich mitten in der Nacht einen Anruf und als ich sah, dass es Phil war, konnte ich mir denken, was er wollte. Freudig sagte er mir, dass er und Sarah gerade Eltern geworden seien. Alles sei gut und sein Sohn sei wohl auf. Bereits am nächsten Tag besuchte ich gemeinsam mit Madeline meinen besten Freund und glücklich hielt ich den Jungen in den Armen. Das letzte Mal, dass ich so ein kleines Kind auf dem Arm hatte, war als Madeline geboren wurde und dies war bereits lange her.

„Wie klein er ist… Maddy, kannst du dir vorstellen, dass du auch mal so klein warst?“, fragte ich mein Mädchen und neugierig sah sie das Baby auf meinem Arm an. Sie schüttelte den Kopf und meinte nur „Nein“. Neugierig streichelte sie den kleinen Jungen und war erstaunlich vorsichtig. Liebevoll strich ich ihr die Haare aus dem Gesicht und schmunzelte, als ich meine Kleine betrachtete. Als ich sie fragte, weswegen sie flüstern würde erklärte sie, dass das Baby ja schlafen würde.

Sarah und Jonathan mussten noch im Krankenhaus bleiben und ich lud Phil ein, den Abend bei mir und Paul zu verbringen. Es war das erste Mal, dass die beiden Männer aufeinander trafen und doch wurde viel geredet und auch viel gelacht. Die Ankunft von Jonathan ließ Phil locker und glücklich sein und scherzhaft meinte er, dass er die Tage, wo der kleine noch im Krankenhaus sei genießen sollte. Schließlich würde der Schlaf in den nächsten Monaten sehr wenig werden.

Er würde sich noch wundern, dachte ich grinsend und klopfte ihm nur grinsend auf die Schulter. Den Abend vor Madelines Geburtstag stand ich mit Paul in der Küche. Er wollte ihr eine Freude machen und ihr morgen Cupcakes in den Kindergarten mitgeben. Ich war dafür zuständig den Teig zu rühren und heimlich zu naschen. Als ich erneut meinen Finger im Teig hatte, hielt ihn Paul fest.

„Jetzt hör auf, ständig den Teig zu klauen“, meinte er mit strenger Stimme und doch sah ich den Schalk in seinen Augen. Er nahm meinen Finger in den Mund und leckte den Teig von meinem Finger. Ein Kribbeln erfasste meinen Körper und ich konnte nicht anders, als mir einen Kuss von ihm zu klauen. Ich drückte den Mann an mich heran und strich ihm über den Rücken und konnte nicht widerstehen, mit der Hand über seinen Hintern zu streichen.

„Hm…“, murmelte ich grinsend, „Lecker.“ Lüstern betrachtete mich mein Freund und meinte scherzhaft. „Du kannst gleich an etwas anderem naschen… Aber jetzt machen wir das erstmal zu Ende.“

Es dauerte noch gut eine Stunde bis die Törtchen fertig waren und ich packte gekauften Zuckerkram, dessen Namen ich nicht kannte, mit Frozen Motiven oben drauf. „Sie wird sich sicher freuen“, meinte ich grinsend und betrachtete mein Werk. Ich war stolz auf uns.

Doch als ich mich mit Paul auf die Couch setzte, meinte dieser grinsend, dass ich noch etwas vergessen habe und als er mich zu sich zog, wusste ich, dass der Abend noch angenehm werden würde.
 

Madeline freute sich riesig über ihr Geschenk und die Törtchen. Leider hatte Paul den Abend nicht bei uns verbracht. Doch er konnte ja schlecht jede Nacht mit und bei mir verbringen. So schmerzlich es für mich auch war. Denn ich wollte ihn so oft es ging bei mir haben. Doch der Morgen gehörte Madeline und mir. Schließlich war es ihr großer Tag. Und sie freute sich sehr darauf. Fröhlich und hibbelig betrachtete sie die bunten kleinen Kuchen und war ganz traurig, als ich ihr sagte, dass sie keinen zum Frühstück essen dürfe.

Doch schnell war die schlechte Laune vergessen. Denn stolz sagte ich ihr, dass ich ihr endlich die Haare flechten konnte, wie sie es sich schon so lange gewünscht hatte. Artig saß sie vor mir und wie ich es an dem dämlichen Barbiekopf gelernt hatte, begann ich ihre längeren, braunen Haare zu dieser Flechtfrisur zu flechten. Sie zog sich ein blaues Kleid an und ich erlaubte es ihr, denn schließlich es war ihr großer Tag. „Bekomme ich jetzt meine Geschenke?“, wollte sie glücklich wissen, doch ich schüttelte den Kopf. „Nein, erst heute Mittag, wenn alle da sind. Oma, Opa, Taylor, Phil, Sarah und Paul“, meinte ich und drückte ihr einen lieben und gleichzeitig kratzigen Kuss auf die Wange, „Die wollen doch alle dein strahlendes Gesicht sehen.“ Ich war froh, dass sie damit leben konnte und noch glücklicher war, dass ich mir bereits am Anfang des Jahres an diesem Tag Urlaub genommen hatte. Auch Paul wollte heute eher Feierabend machen, wobei es bei ihm aufgrund der Wiedereingliederung nicht sonderlich auffiel.

Nachdem ich Madeline zum Kindergarten gebracht hatte, holte ich schon meine Eltern vom Flughafen ab. Während der Fahrt nach Hause berichtete ich ehrlich davon, dass ich einen neuen Mann kennen gelernt hatte. Sofort wollte meine Mutter alles wissen und fragte mir Löcher in den Bauch. Wo hast du ihn kennen gelernt? Was arbeitet er? Wie alt ist er? Sie klang nicht wie eine Mutter deren Sohn die 30 überschritten hatte. Erst mein Vater bremste sie in ihrer Inquisition und lachend sagte ich: „Man Mum, das klingt ja als würde ich dir meinen ersten Freund vorstellen. Frag ihn bloß nicht aus.“ Doch natürlich bekam sie ehrlich Antworten auf ihre Fragen, denn schließlich hatten weder Paul noch ich etwas zu verheimlichen. Auf den Rückweg holte ich vom Konditor einen Kuchen, den hatte ich bereits vor Wochen in Auftrag gegeben. Denn alles, was mit der Küche zu tun hatte, lag mir nicht. Und auch gestern war es mehr Paul gewesen welcher den Kochlöffel geschwungen hatte.
 

Gegen 14.00 Uhr holte ich Madeline aus dem Kindergarten ab und sie freute sich und schien aufgeregt. Auch Taylor durfte ich mitnehmen und hoffte, dass er ebenso Spaß haben würde. Seine Mutter hatte mitgedacht und den Kindersitz ihres Sohnes in der Kita zurückgelassen. Sie wollte ihn abends bei mir zuhause abholen. Stolz präsentierte Madeline, was sie vom Kindergarten bekommen hatte und meinte, dass alle die Törtchen gemocht hätten. Sie selbst hatte wohl zwei Stück gegessen. Der Kuchen stand bereits auf dem Tisch, sowie die Geschenke und gleich lief meine Tochter dorthin und strahlte über ihr ganzes Gesicht.

Paul kam pünktlich zum Kuchen. Nervös stand er in der Tür als ich ihm öffnete. Er wusste schließlich, dass meine Eltern heute hier waren und er sie kennen lernen würde. Ich wollte daraus keine große Sache machen, denn schließlich waren wir beide erwachsen. Doch als ich ihn beobachtete, merkte ich, dass es für ihn eine größere Angelegenheit zu sein schien, als für mich.

Er hatte ein gutes Hemd an, noch nie hatte er so eins getragen. Scheinbar wollte er einen guten Eindruck machen. Ich fand das irgendwie süß von ihm. Ich konnte einfach nicht widerstehen und drückte den Mann an mich und legte kurz und sanft meine Lippen auf die seinen. „Hübsch“, murmelte ich leise und strich ihm über den Rücken.

Als ich Paul zu den anderen Gästen führte, war meine Mutter sofort bei uns. Sie freute sich wahnsinnig ihn kennen zu lernen und nahm ihn gleich in Beschlag. Madeline selbst spielte gerade mit einem Teeservice, welches sie geschenkt bekommen hatte. Das Plastikschwert, welches daneben lag ließ die Teestunde selbst für kleine Kinder surreal aussehen. Aber ich wusste auch nicht in welcher Fantasiewelt sie gerade mit Taylor gewesen war. Doch nach einem kurzen Gespräch wandte sich Pauls Aufmerksamkeit zu Madeline.

Als Maddy Pauls Stimme hörte sprang sie ihm gleich in die Arme und er musste aufpassen ihr Geschenk nicht zu verlieren. Laut lachte ich auf, als ich die Szene sah. Madeline hatte Paul wirklich lieb gewonnen, dass konnte man deutlich sehen! Doch natürlich war es auch für sie ein aufregender Tag! Sie war heute ziemlich aufgekratzt. Ich hatte das Geschenk für Madeline rausgesucht welches Paul ihr schenken sollte und als sie aufgeregt zu mir meinte, dass Paul ja super ihre Gedanken lesen könne, musste ich aufpassen nicht zu laut zu lachen.

Nachdem ich ihn endlich wieder zurück hatte, stellte ich Paul meinen Eltern richtig vor.

Ich beugte mich zu meinen Eltern und flüsterte: „Seht ihr, Paul ist echt nett.“ Gut gelaunt erwiderte meine Mutter, dass sie auch nichts anderes gedacht hätte. Es war schön zu sehen, wie offen sie ihn aufnahmen und deutlich sah man dem Mann, den ich liebte an, dass er sich mit jeder Minute immer mehr zu entspannen schien und gegen Ende des Abends unterhielt er sich angeregt mit einem Vater über das letzte Footballspiel.

Während ich mich an die Tür des Wohnzimmers lehnte, betrachtete ich meine Familie. Taylor war bereits von seiner Mutter abgeholt worden. Alle die, die ich liebte und die mir wichtig waren, waren gerade hier. Außer meine Schwester. Sie konnte sich leider nicht freinehmen. Doch es war mir gerade gleichgültig. Hier zwischen all den Menschen die ich liebte und die mich liebten, fühlte ich mich geborgen, einfach geliebt.

Vier Jahre war dieser quirlige Mensch schon in meinem Leben und wie ich meine Tochter betrachtete, kam es mir irgendwie gar nicht so lange vor. Ich hoffe, dass wir den nächsten Geburtstag wieder genauso verbringen würden. Mein Blick wanderte zu Paul, doch er achtete nicht auf mich. Entspannt saß er mit meinem Vater dort und es freute mich ungemein, ihn hier zu haben. Ich musterte Paul und ein liebevolles und erstaunlich sanftes Lächeln umspielte meine Lippen. Für mich war Paul bereits jetzt ein Mitglied meiner Familie. Er gehörte für mich schon einfach dazu. Für mich persönlich war der vierte Geburtstag meiner Tochter, der Schönste, den ich bis jetzt mit ihr erleben durfte. Denn ich war nicht mehr alleine und alle der Anwesenden waren in diesem Augenblick einfach glücklich, egal aus welchen Grund.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  chaos-kao
2018-09-30T12:02:57+00:00 30.09.2018 14:02
Das klingt nach einem gelungenen Kundergeburtstag und erstes Kennenlernen aller Beteiligten. Wobei ich damit rechne, dass es das dann erstmal mit happy war. Da schwelt ja doch noch einiges im Hintergrund
Antwort von:  Strichi
11.10.2018 20:45
Hallo,
ja, der Kindergeburtstag war sehr gut und musste ja endich mal sein ^^
und ja da schwelt noch etwas im Hintergrund. Aber jetzt ist erestmal "Leider" das privat Leben dran. Ich hoffe, dass dir das neue Kapitel gefällt
Von:  radikaldornroeschen
2018-09-28T08:57:17+00:00 28.09.2018 10:57
Ein sehr ambivalentes Kapitel, zumindest was die Gefühlslage von Rick und beim Leser angeht.
Ich bin froh, dass du hier einen positiven Schluss gefunden hast, weil man sonst zu aufgeregt mit Lesen aufhören würde ^^;
Obwohl das natürlich ein Indiz dafür sein könnte, dass das nächste Kapitel dann wieder ins Gegenteil driftet... ich freu mich drauf!
Antwort von:  Strichi
11.10.2018 20:43
Hey,
ich hoffe bei dir ist alles gut :)

ja... am Ende musste noch etwas schönes rein... :D und neeee noch driftet es noch nicht ins Gegenteil... sowas kommt sicher erst nach dem Umzug :D (ich zieh gerade um... stress pur...)
sooo ich will jetzt gleich schon schlafen. Ich bin müde ^^
Wünsch dir einen schönen Abend
Von:  radikaldornroeschen
2018-09-28T08:45:05+00:00 28.09.2018 10:45
„Wie läuft es eigentlich bei dir so?“, fragte ich und leise lachend erzählte !! PHIL !!, dass Sarah sich andauernd wegen dicker Füße beschwerte.


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